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Sie ist jung, von edlem Blut - und doch allein. Gabriele Fürstin zu Hennau lebt abgeschirmt vom echten Leben, behütet und gelenkt von ihrer strengen Tante Clementine. Als einzige Erbin eines großen Namens soll sie einst Verantwortung tragen - doch sie sehnt sich nach Zärtlichkeit, Nähe und freier Entscheidung. Als sie dem blendenden Ludwig von Waldeck begegnet, scheint sich ihr Traum zu erfüllen. Er ist charmant, weltgewandt - und gibt ihr zum ersten Mal das Gefühl, wirklich gesehen zu werden. Ganz anders ist Larsen, Graf von Plettau, den Clementine aufs Schloss geladen hat: Sein Lächeln ist selten warm, oft ironisch. Seine Worte treffen, ohne laut zu sein. Spott ist seine Rüstung - und vielleicht auch sein Schutz. Zwischen beiden Männern beginnt ein stiller Kampf um Gabrieles Herz - während in ihr Zweifel und Sehnsucht toben. Als ihre Tante stirbt, verändert sich alles. Gabriele wird über Nacht zur Alleinerbin - aber nicht zur Herrin des Hauses. Ausgerechnet Graf Larsen übernimmt in dieser unsicheren Zeit für zwei Jahre die Leitung des Hauses Hennau. Gabriele muss sich fragen, ob sie dem Mann folgen kann, der sie reizt, widerspricht - und der als Einziger nicht gefallen will, sondern sie herausfordert, sie selbst zu sein ...
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Seitenzahl: 151
Veröffentlichungsjahr: 2025
Cover
Inhalt
Einsame kleine Hoheit
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Impressum
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Inhaltsverzeichnis
Inhaltsbeginn
Impressum
Ein zu Herzen gehender Roman einer Liebe
Von Renate Busch
Sie ist jung, von edlem Blut – und doch allein. Gabriele Fürstin zu Hennau lebt abgeschirmt vom echten Leben, behütet und gelenkt von ihrer strengen Tante Clementine. Als einzige Erbin eines großen Namens soll sie einst Verantwortung tragen – doch sie sehnt sich nach Zärtlichkeit, Nähe und freier Entscheidung.
Als sie dem blendenden Ludwig von Waldeck begegnet, scheint sich ihr Traum zu erfüllen. Er ist charmant, weltgewandt – und gibt ihr zum ersten Mal das Gefühl, wirklich gesehen zu werden. Ganz anders ist Larsen, Graf von Plettau, den Clementine aufs Schloss geladen hat: Sein Lächeln ist selten warm, oft ironisch. Seine Worte treffen, ohne laut zu sein. Spott ist seine Rüstung – und vielleicht auch sein Schutz. Zwischen beiden Männern beginnt ein stiller Kampf um Gabrieles Herz – während in ihr Zweifel und Sehnsucht toben.
Als ihre Tante stirbt, verändert sich alles. Gabriele wird über Nacht zur Alleinerbin – aber nicht zur Herrin des Hauses. Ausgerechnet Graf Larsen übernimmt in dieser unsicheren Zeit für zwei Jahre die Leitung des Hauses Hennau. Gabriele muss sich fragen, ob sie dem Mann folgen kann, der sie reizt, widerspricht – und der als Einziger nicht gefallen will, sondern sie herausfordert, sie selbst zu sein...
»Aber Kind, es ist doch wahrhaftig kein Wetter zum Ausreiten«, sagte die alte Dame und schüttelte den schneeweißen Kopf.
»Tantchen, nun sag schon Ja! Du weißt doch, wie gern ich reite, und außerdem bin ich nicht aus Zucker! Dies bisschen Wind wird mir bestimmt nichts anhaben!«
Das kapriziöse Persönchen wirbelte heran, legte seine Arme um den Hals der alten Dame und drückte seine frische Wange gegen die welke der Tante.
»Bist du nicht immer stolz darauf gewesen, dass ich gegen Wind und Wetter so widerstandsfähig bin?«
»Aber inzwischen bist du ins heiratsfähige Alter gekommen und kannst es dir bei deiner Stellung einfach nicht erlauben, herumzustromern! Was vor ein paar Jahren in den Augen der Öffentlichkeit noch mit einem Schmunzeln quittiert wurde, wird dir jetzt schwer angekreidet!«, murmelte die alte Fürstin.
»Also ich darf!«, jubelten Gabrieles rote Lippen. »Ich danke dir, Tantchen!«
»Ich kann mich zwar nicht erinnern, dir die Erfüllung deiner Bitte zugesagt zu haben – aber geh nur! Gegen dich komme ich ja doch nicht an ... wenn das Wetter aber noch schlechter wird, kehrst du sofort um, hörst du?«
»Klar«, vernahm Tante Clementine nur noch.
Und dann wurde die Tür so heftig ins Schloss gedrückt, dass es einen lauten Knall gab. Dass Gabriele wenige Sekunden später im Stall sein würde, wusste die alte Dame.
Sie erhob sich, trat ans Fenster. Es machte ihr immer wieder Freude, Gabriele auf dem Pferd zu sehen, und gleich würde ihre Nichte über den Hof reiten.
Sie sollte recht behalten. Nach wenigen Augenblicken tauchte Gabriele, von den Ställen her kommend, auf. Die alte Dame am Fenster konnte spüren, dass sich das junge Mädchen dort unten bezähmen musste, um nicht schon jetzt dem edlen Tier die Zügel freizugeben und in einem tollen Galopp dahinzusprengen.
Ich hätte Wohlers zu mir kommen lassen und ihm einschärfen sollen, dass nicht zu sehr gejagt und zu kühn gesprungen wird, überlegte sie.
Wenig später murmelte sie: »Das geht nun aber doch zu weit! Na warte, mein Kind!«
Gabriele ritt allein, obwohl ihr das streng verboten war.
***
Ob er wohl ebenso aufgeregt war wie sie – die ganze Nacht ohne Schlaf? Wohl kaum. Ein Mann wie Ludwig von Waldeck musste nicht um Rendezvous bangen – die Frauen kamen von selbst.
Als sie ihn von Weitem sah, pochte ihr Herz schneller. Doch sie zog die Zügel straffer. Sie war eine Fürstin zu Hennau – keine, die einem Mann ihre Sehnsucht zeigte.
Ludwig verbeugte sich tief, doch als er ihr helfen wollte, war sie schon mit einem Satz aus dem Sattel.
»Guten Tag, Fürstin, ich freue mich, dass Sie gekommen sind ...«
Ihr Blick verfinsterte sich kurz. Wieder einer, der sich verbeugt wie alle. Hatte sie erwartet, dass er anders wäre? Vielleicht.»Ach ja, wir hatten uns ja verabredet ... Ich kam rein zufällig vorbei«, sagte sie kühl – eine kalte Dusche.
Ludwig schwieg, sein Gesicht verschlossen. Doch Gabriele blieb heiter, wippte mit der Reitgerte.»Machen Sie ein anderes Gesicht! Vor Ihnen fürchte ich mich bestimmt nicht!«
»Wie Hoheit befehlen.«
Sie spürte seine Kränkung – und wusste selbst nicht, warum sie provozierte. Die ersten Minuten verliefen ganz anders als gedacht. Doch bald wandelte sich die Stimmung.
Sie gingen nebeneinander her. Ludwig sprach charmant, selbstbewusst, beinahe ausschweifend. Gabriele lachte oft – obwohl er meist nur von sich sprach.
Dann begann es zu regnen. Ludwig zog sie unter einen Baum, wollte sie schützen, doch ihr Blick stoppte ihn. Er zog stattdessen wortlos seine Jacke aus.
»Bitte ...«
»Behalten Sie sie«, sagte Gabriele. »Ich bin abgehärtet.« Der Regen ließ nach. Sie wollte aufbrechen, da sah sie zwei Gestalten näherkommen.»Mein Gott ... Dort kommt jemand ... und da auch!«
Ludwig reagierte schnell. »Treten Sie hinter den Baum. Drücken Sie Ihr Gesicht an meine Brust – so erkennt man Sie nicht.«
Und so geschah es.
Später, im Bett, dachte Gabriele daran zurück. Sie – eine Fürstin zu Hennau – hatte sich an einen Mann geschmiegt. Und es war nicht unangenehm gewesen. Im Gegenteil. Sein Herz hatte ruhig und stark geschlagen. Und sie war nicht erkannt worden.
***
Zehn Tage hatte Gabriele auf diesen Moment gewartet. Diesmal ließ sie sich nicht aufhalten – mit einem kleinen Trick schüttelte sie den Stallmeister ab und galoppierte davon.»Gut gemacht, Tasso«, flüsterte sie. »Heute bekommst du zwei Stück Zucker.«
Sie dachte nicht an Konsequenzen, nur an ihn. Und diesmal ließ sie es zu, dass Ludwig sie vom Pferd hob, ihre Hand ergriff – und sie küsste.
»Hoheit, ich hatte kaum zu hoffen gewagt, Sie wiederzusehen.«
Sein Blick ließ sie erzittern. Sie sah ihn an, lange, weich.»Tante Clementine ließ mich nicht reiten ... Sie meint, ich müsse lernen, ihren Platz einzunehmen.«
Sie gingen nebeneinander her, die Pferde am Zügel. Der Himmel war wolkenverhangen, aber freundlich.
»Warum sind Sie eine Hoheit?«, fragte Ludwig leise.»Würde es denn etwas ändern?«, antwortete Gabriele mit einem sanften Lächeln – und küsste ihn. Zögerlich erst, dann mit wachsendem Mut.
Später, tief im Wald, stiegen sie ab. Er umfasste sie, ihre Lippen fanden sich.»Ich kann es kaum glauben«, murmelte Ludwig. »Du – eine Fürstin – liebst mich.«»Ich bin für dich nur Gabriele. Und diese Gabriele liebt dich.«
Sie glaubte daran – in diesem Augenblick ganz und gar.
Er war schön, keine Frage. Groß, schlank, mit glänzendem Haar, einem Lächeln wie aus der Werbung. Und er wusste, wie man Wirkung erzielt. Gabriele sah in ihm mehr, als wirklich da war – doch heute wollte sie daran nicht rühren.
Ludwig war verwöhnt, charmant, nicht schlecht – aber ein Blender. Trotzdem: Sein Herzschlag hatte sie erreicht.
Später gingen sie schweigend nebeneinander. Ihre Finger berührten sich. Es fühlte sich leicht an – wie ein Fest.
»Ich werde um unsere Liebe kämpfen«, sagte er.»Ich liebe dich«, antwortete sie leise.
Dann trennten sie sich. Gabriele kehrte zum Schloss zurück – erfüllt, aber mit einem Frösteln im Rücken.»Hoheit werden von Fürstin Clementine erwartet«, sagte der Stallknecht.Wohlers. Natürlich hatte er gepetzt. Doch sie ließ sich nichts anmerken – das musste sie erst noch lernen.
***
»Du wolltest mich sprechen, Tante?«
Nur wer sie genau kannte, merkte, dass Gabrieles Stimme nicht so klar und rein wie sonst klang.
»Ja, ich wollte dich sprechen, und sicher kannst du dir denken, was ich dich zu fragen habe ... Aber das hat Zeit – begrüße, bitte, erst einmal unseren Gast ...«
Fürstin Clementine saß hoch aufgerichtet in einem Sessel, dessen Lehne ihr Rücken nicht berührte. Gabriele hatte gar nicht gemerkt, dass ihre Tante nicht allein war. So gern sie die Aussprache hinter sich gehabt hätte, sie war doch erleichtert, noch einmal eine Gnadenfrist erhalten zu haben.
Eitel von Wenden kam lächelnd und mit ausgestreckten Händen heran.
»Leider komme ich erst jetzt dazu, dir guten Tag zu sagen. Ich habe dich gerade noch wegreiten sehen ...«
»Onkel Eitel, das ist aber eine Überraschung!«
»Hoffentlich eine freudige!«
»Wie kannst du das nur bezweifeln!« Wie ein kleiner Vogel, der Schutz und Hilfe sucht, flüchtete sich Gabriele in die Arme des alten Mannes. Sie schmiegte ihren Kopf an seine Brust, ihre Finger strichen über das feine Tuch seines Anzuges.
Sie nannte Eitel von Wenden »Onkel« obwohl er, genau genommen, gar kein Onkel war. Tante Clementine hatte ihr ein paarmal erklärt, um wie viele Ecken herum sie miteinander verwandt waren, aber das war so kompliziert, dass sie es bisher nicht behalten hatte. Für sie war er immer Onkel Eitel gewesen, und sie hatte ihn gern.
Dann saß man sich gegenüber, Fürstin Clementine hatte noch einmal frischen Kaffee bringen lassen, und der Gast hatte um die Erlaubnis gebeten, sich eine Zigarre anzünden zu dürfen.
»Jedes Mal, wenn ich dich sehe, bist du schöner geworden«, sagte er und stieß genießerisch den duftigen Rauch seiner Brasil aus.
»Und wenn ich nicht wüsste, dass du noch immer an Tante Ernestine hängst, würde ich versuchen, dich in mich verliebt zu machen! Du hast nämlich die Gabe, überhaupt nicht zu altern!«, meinte Gabriele lächelnd.
»Schönen Dank für das nette Kompliment! Aber ich glaube, deine Hoffnung, dass wir eines Tages dann gleich alt aussehen würden – würde sich wohl doch nicht erfüllen. Ich tue nur so, als könnten mir die Jahre nichts anhaben, aber wenn wir mal nebeneinander eine Treppe hinaufgestiegen sind, wirst du merken, dass der Schein trügt!«
»Das Risiko würde ich auf mich nehmen. Du bist der netteste Mann, den ich kenne!«, lachte Gabriele.
Sie merkte, dass die Hochstimmung, in der sie sich in Ludwigs Gegenwart befunden hatte und die geschwunden war, als sie an ihre Rückkehr dachte, erneut von ihr Besitz ergriff.
Wieder meinte sie, perlender Sekt kreise in ihrem Blut. Und dann glaubte sie sogar, eine gewisse Ähnlichkeit zwischen Eitel von Wenden und Ludwig feststellen zu können! Ja, auch sie und Ludwig würden einmal so glücklich werden, wie es ihr Onkel und Tante Ernestine gewesen waren!
Sie blieb keine Antwort schuldig, der alte Edelmann auch nicht. Wenn man ihn und Gabriele beobachtete, konnte man gut meinen, sie flirteten miteinander.
Und Fürstin Clementine beobachtete, beobachtete sogar besonders scharf. Sie beteiligte sich kaum an dem munteren Wortgefecht, auch die schlagfertigste Entgegnung vermochte ihr kaum ein Lächeln zu entlocken.
Wohlers hatte sich bei ihr melden lassen und berichtete, weshalb er allein zurückgekommen war.
»Ich will mich nicht entschuldigen, Hoheit, aber ich kenne Tasso genau ... Dass er einmal durchbrennt.«
Er brach ab, und die Fürstin hatte genickt.
Und außerdem kam es ihr so vor, als sei etwas mit Gabriele geschehen! Gabriele war ein froher, impulsiver Mensch, sie war es als Kind gewesen, und sie war es auch heute noch. Aber dennoch, so von Herzen froh hatte sie sie kaum einmal lachen gehört! Und wie ihre Augen glänzten, wie rot ihre Lippen schimmerten!
Ein Mann, dachte sie, dahinter kann nur ein Mann stecken!
Später, als sie allein war und Gabriele zu sich rufen ließ, dachte sie immer noch über dieses Problem nach.
»Nimm, bitte, Platz!«, sagte die Fürstin zu ihrer Nichte.
Gabriele zögerte einen Moment, setzte sich dann aber, ohne ein Wort zu sagen.
»Nun?«, machte die Fürstin und schaute ihre Nichte fragend an. Da Gabriele noch immer kein Wort sagte, fragte sie mit einer Spur von Ungeduld in der Stimme: »Hast du mir nichts mitzuteilen?«
»Sicher hat Herr von Wohlers dir schon erzählt, was zu erzählen ist ...«
Gabriele hatte Mühe, ihre Fassung zu bewahren. Es war doch schwerer, als sie es sich gedacht hatte. Auch sie hatte gegrübelt, nachgedacht. Sollte sie ihrer Tante frank und frei gestehen, dass für sie kein anderer Mann als Ludwig von Waldeck infrage kam? War das klug?
Sie kam zu dem Ergebnis, dass sie Ludwig Gelegenheit geben musste, seine Vorzüge ihrer Tante zu zeigen. Er musste sie überzeugen, dass er der beste und klügste und ritterlichste Mann auf der Welt sei. Und das war doch leicht zu bewerkstelligen!
Schon in der nächsten Woche begann die Oper mit der Winterspielzeit. Der erste Theaterabend war stets nicht nur ein großes künstlerisches, sondern mehr noch ein gesellschaftliches Ereignis.
Es sollte ihr doch wohl gelingen, bei dieser Gelegenheit Ludwig ihrer Tante vorzustellen und sie dazu zu bringen, ihn einzuladen, später – ins Schloss, zur Saisoneröffnung. Und war das einmal geschafft, so würde sich alles andere schon von selbst ergeben.
»Richtig! Herr von Wohlers hat mir, wie es seine Pflicht ist, sofort berichtet, dass Tasso mit dir durchgebrannt ist, und es ihm weder gelang, dich noch das Tier aufzustöbern. Was mich aber besonders befremdet hat, warum bist du nicht zurückgekehrt, als du das Tier wieder in der Gewalt hattest ...?«
Das war die Frage, die Gabriele gefürchtet hatte.
»Aber Tante, warum sollte ich das? Du weißt doch, dass ich eine ausgezeichnete Reiterin bin und mir bestimmt nichts passiert! Und ich reite nun gern einmal allein!«, fuhr sie trotzig fort. »Da habe ich die Gelegenheit eben wahrgenommen und bin mit Tasso herumgestreift.«
Für eine ganze Zeit blieb es im Zimmer still. Die Fürstin schaute tief in Gedanken versunken aus dem Fenster. Was sie bisher nur vermutet hatte, schien den Tatsachen zu entsprechen ...
Hinter der ganzen Sache konnte nur ein Mann stecken! Sie musste handeln und durfte keine Zeit mehr verstreichen lassen. Sie tat so, als genüge ihr die abgegebene Erklärung. Sie wechselte das Thema.
»Beim Opernball wirst du nicht mehr tiefer als ich sitzen, sondern an meiner Seite«, sagte sie.
Und Gabriele atmete heimlich auf. Es schien alles gutgegangen zu sein! Hätte sie allerdings die Gedanken hinter der Stirn ihrer Tante lesen können, wäre sie weniger zuversichtlich gewesen!
***
Und jetzt war die Fürstin Clementine erkrankt. Während der ersten Theaterpremiere dieses Winters hütete sie das Bett.
Gabriele, Fürstin zu Hennau, musste beim anschließenden Opernball repräsentieren.
Über den Zustand ihrer Tante brauchte sie sich keine Sorgen zu machen, hatte der Arzt sie beruhigt. Eine leichte Reizung der Atemwege, weiter nichts. Allerdings müsse man das Alter der Fürstin berücksichtigen.
»Annchen, wie sehe ich aus?!«, fragte Gabriele gerade und drehte sich vor dem Spiegel.
Annchen trat einen Schritt zurück, legte ihre Hände ineinander und neigte den Kopf schief.
»Wunderschön«, antwortete sie mit belegter Stimme. »Sie werden die schönste Frau des Abends sein!«
»Meinst du?«, wollte es Gabriele noch einmal bestätigt haben. Ja, sie wollte schön sein – und auch Ludwigs Augen sollten ihr das sagen, was Annchen eben festgestellt hatte!
»Aber ganz bestimmt!«, versicherte die Gute im selben Augenblick treuherzig. »Ich habe Graf Larsen von Plettaus Mutter gekannt, und sie war bestimmt eine wunderschöne Frau, aber Hoheit sind noch schöner!« Kaum waren ihr die Worte entfahren, schlug sich Annchen erschrocken auf den Mund. »Entschuldigen Sie, aber das ist mir so rausgefahren ...«
Gabriele nickte ihr freundlich zu. Sie verstand Annchen. Es ging Annchen genau wie ihr, sie trugen beide leicht einmal das Herz auf der Zunge.
Der Name Plettau war in den Räumen des Schlosses tabu! Jawohl!
Das hieß aber nicht, dass er in Bedienstetenkreisen nicht oft genannt wurde! Als der Skandal passierte, hatte Gabriele noch nicht gelebt. Oder war es kein Skandal, wenn ein Graf von Plettau, dessen Mutter eine geborene Fürstin von Hennau war, eine Bürgerliche heiratete?
Die Zeiten hatten sich inzwischen geändert, die Standesunterschiede verwischt, aber noch immer war es einfach undenkbar, dass jemand, der auch nur irgendwie mit dem Hause Hennau verbunden war, einen oder eine Bürgerliche heiratete!
Übrigens hatte Gabriele weder den Grafen noch die Gräfin Plettau kennengelernt. Sie waren nicht offiziell aus der Sippe ausgestoßen, aber sie wurden zu keiner Festlichkeit geladen. Nun deckte beide schon lange der grüne Rasen.
Und auch den erwähnten Grafen Larsen von Plettau hatte Gabriele nie zu Gesicht bekommen.
»Kennst du eigentlich diesen jungen Grafen Larsen von Plettau?«, fragte sie jetzt aus ihren Gedanken heraus.
»Ich habe ihn nur einmal gesehen«, entgegnete Annchen, trat dicht an Gabriele heran und zog eine Falte ihres Festkleides zurecht. »Aber so jung kann er eigentlich gar nicht mehr sein ... Warten Sie mal, wenn ich mich nicht verrechne, dann muss er schon beinahe ...«
So genau wollte es Gabriele gar nicht wissen.
»Nun noch das Diadem, dann bin ich fertig! Hoffentlich ist meine Tante mit mir zufrieden!«
Sie sagte meine Tante, aber sie dachte Ludwig!
»Mein Kind, ich bin stolz auf dich«, sagte wenige Minuten später die alte Fürstin. »Und was ich noch sagen wollte: Wie üblich werden wir die Wintersaison mit einem Ball eröffnen, und du kannst den Herrschaften gegenüber, die wir stets geladen haben, so nebenbei erwähnen, dass sie auch in diesem Jahre mit einer Einladung rechnen können. Du wirst es schon geschickt anbringen! Wie ich die Damen kenne, kann die Zeit für sie zur Vorbereitung gar nicht lang genug sein!«
Die Fürstin wunderte sich, dass ihre Nichte einen Moment nachdenklich die Augenbrauen zusammenzog und dann ein spitzbübisches Lächeln über ihr ovales Gesicht glitt. Die alte Dame grübelte noch darüber nach, als in der Oper schon längst der Vorhang aufgegangen war und Mozarts unsterbliche Klänge das weite Rund erfüllten.
Nach der Vorstellung begann der Ball! Wie üblich wurden bei dieser Gelegenheit dem Fürstenhause die jungen Leute vorgestellt, die in diesem Jahre zum ersten Male an den gesellschaftlichen Ereignissen der Saison teilnehmen durften.
Gabriele schritt durch den Raum, und überall, wo sie sich näherte, beugten sich die Rücken. Wenn sie wirklich unsicher war, so merkte man es ihr nicht an.
Ihr Fuß stockte nur für einen ganz kurzen Moment, als ihr Blick sich mit dem zweier dunkler Augen kreuzte. Und dann senkte auch Ludwig von Waldeck den Kopf tief.
Gabriele nahm sich vor, dass der Mann ihrer Liebe im nächsten Jahr nicht mehr wie ein Lakai dastehen sollte, wenn der Opernball eröffnet wurde. Er sollte dann an ihrer Seite schreiten, er sollte ihr den Arm reichen und sie führen. Ein einzigartiges, liebliches Lächeln glitt bei diesen Gedanken über ihre jungen Züge.
»Sie ist eine echte Hennau«, tuschelte man sich später zu. »Was ihr noch an Hoheit fehlt, macht sie durch ihren Liebreiz mehr als wett!«
Dann gab Gabriele das Zeichen, auf das die anwesende tanzfreudige Jugend schon mit Ungeduld wartete. Das Orchester stimmte einen Strauß'schen Walzer an.
Gabriele saß auf einer Art Podium der Musik gegenüber. Sie hätte sich auch so gern unten im Reigen gedreht, aber sie war nicht zum Tanzen hier.