Die Zeitreisende, 15. Teil - Hardy Manthey - E-Book

Die Zeitreisende, 15. Teil E-Book

Hardy Manthey

0,0

Beschreibung

In den Teilen 12, 13 und 14 hat die Zeitreisende im 20. Jahrhundert den Kampf ihrer Vorfahrin gegen die Minoser fortgesetzt und deren Hinterlassenschaften vernichtet. Diese Abenteuer haben schwer an Aphrodites Kräften gezehrt. Sie sehnt sich nach Ruhe und möchte einfach nur glücklich sein. Doch die Ereignisse überschlagen sich. Von den Herren der Zeit muss sie erfahren, dass die Existenz der Erde in Gefahr ist. Eine längst untergegangene Zivilisation hat vor vielen hunderttausend Jahren überall im Weltall Zeitmaschinen zurückgelassen, die als Relaisstationen dienten. Diese krümmen bei ihrer unkontrollierten Selbstzerstörung die Raumzeit so stark, dass daraus ein schwarzes Loch entsteht, in das der die Zeitmaschine tragende Planet unweigerlich hineingezogen wird. Die Herren der Zeit haben den Verdacht, dass auch die Erde so eine Relaisstation besitzt. Ein Flugzeug, das Mitte der sechziger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts spurlos verschwunden ist, könnte zu dieser Zeitmaschine führen. Weil auch eine Frau mitgeflogen war, soll die Zeitreisende für diese Frau an Bord gehen. Folgen Sie im 15. Teil Aphrodite auf ihrem Flug und finden Sie heraus, was wirklich damals geschah. Gibt es eine Verbindung zwischen dem Verschwinden des Flugzeugs und der mysteriösen Zeitmaschine? Wird Aphrodite die Erde vor der Vernichtung bewahren können? Welchen Preis muss sie dafür zahlen? LESEPROBE: Aphrodite entdeckt einen umgefallenen Baumstamm und nimmt darauf Platz. Von hier aus blickt sie zurück auf das Wrack. Ihr ist plötzlich so, als bewege sich etwas am Flugzeug. Sie greift nach dem Fernglas, stellt den Sucher ein und holt so das Wrack näher heran. Wahnsinn, tatsächlich laufen dort unzählige in Fellen gekleidete Gestalten herum. Ist Tanzender Bär doch zurückgekehrt? Dort herrscht rege Betriebsamkeit. Sie sieht, wie die Menschen in das Flugzeugwrack hinein gehen und irgendwelche Sachen heraustragen. Ihr Herz pocht vor Aufregung ganz laut. Soll sie zurückgehen? Blödsinn. Die Indianer haben vielleicht nur darauf gewartet, bis sie weg war. Plötzlich fallen ihr der viele Sprengstoff und die Unmengen Munition ein. Sie hat zwar Tanzender Bär vor den Kisten gewarnt, aber was ist, wenn Tanzender Bär gar nicht unter ihnen ist? Wenn sie damit herumspielen, fliegt ihnen alles um die Ohren. Mit den Teilen, die zu den Atombomben gehören, können sie zum Glück überhaupt nichts anfangen. In diesem Moment gibt es eine gewaltige Explosion.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 475

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Impressum

Hardy Manthey

Die Zeitreisende, 15. Teil

Flug durch die Zeit mit unbekanntem Ziel

Ein fantastischer Roman

2., überarbeitete Auflage

ISBN 978-3-95655-047-8 (E-Book)

Titelbild: Ernst Franta

© 2014, 2017 EDITION digital® Pekrul & Sohn GbR Godern Alte Dorfstraße 2 b 19065 Pinnow Tel.: 03860 505788 E-Mail: [email protected] Internet: http://www.ddrautoren.de

Prolog

In den Teilen 12, 13 und 14 hat die Zeitreisende im 20. Jahrhundert den Kampf ihrer Vorfahrin gegen die Minoser fortgesetzt und deren Hinterlassenschaften vernichtet. Diese Abenteuer haben schwer an Aphrodites Kräften gezehrt. Sie sehnt sich nach Ruhe und möchte einfach nur glücklich sein.

Doch die Ereignisse überschlagen sich. Von den Herren der Zeit muss sie erfahren, dass die Existenz der Erde in Gefahr ist. Eine längst untergegangene Zivilisation hat vor vielen Hunderttausend Jahren überall im Weltall Zeitmaschinen zurückgelassen, die als Relaisstationen dienten. Diese krümmen bei ihrer unkontrollierten Selbstzerstörung die Raumzeit so stark, dass daraus ein schwarzes Loch entsteht, in das der die Zeitmaschine tragende Planet unweigerlich hineingezogen wird. Die Herren der Zeit haben den Verdacht, dass auch die Erde so eine Relaisstation besitzt. Ein Flugzeug, das Mitte der sechziger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts spurlos verschwunden ist, könnte zu dieser Zeitmaschine führen. Weil auch eine Frau mitgeflogen war, soll die Zeitreisende für diese Frau an Bord gehen. Folgen Sie im 15. Teil Aphrodite auf ihrem Flug und finden Sie heraus, was wirklich damals geschah. Gibt es eine Verbindung zwischen dem Verschwinden des Flugzeugs und der mysteriösen Zeitmaschine? Wird Aphrodite die Erde vor der Vernichtung bewahren können? Welchen Preis muss sie dafür zahlen?

Ich wünsche Ihnen bei der spannenden und gefahrvollen Reise viel Vergnügen

Hardy Manthey

Ein neuer Auftrag – Ausgang ungewiss

Etwas benommen steigt Aphrodite aus dem Sarkophag. Sie fühlt sich trotzdem gut und geht gleich unter die Dusche. Marotti ist nicht zu sehen. Wurde sie zu früh geweckt? Muss sie wieder zurück?

Als die junge Frau die Dusche verlässt, steht Marotti vor ihr und begrüßt sie: „Schön, dass du dich so gut erholt hast!“

Aphrodite greift nach dem Morgenmantel, streift ihn sich über, nimmt in einem großen Sessel Platz und fragt: „Okay, es geht mir gut. Aber bei allen Göttern, was ist los, dass es keinen Aufschub duldet? Dabei habe ich mich auf ein paar besinnliche Tage auf einer tropischen Insel gefreut. Wohin willst du mich heute so dringend schicken?“

Marotti wird sehr ernst: „Wir haben wirklich keine andere Wahl, Aphrodite. Ich fühle mich dabei so schrecklich schuldig. Heute verlange ich etwas nahezu Unmögliches von dir.“

„Du hast schon, bevor ich in den Sarkophag gestiegen bin, um den heißen Brei herumgeredet. Rede jetzt endlich Klartext mit mir!“, schimpft Aphrodite.

„Okay, kommen wir zu den Fakten. Wir haben auf einem Planeten im Sternenhaufen C 4 eine uralte Zeitmaschine entdeckt. Wir schätzen deren Alter auf über vierhundert Millionen Jahre. Eine uns völlig unbekannte Zivilisation muss die Zeitmaschine erschaffen und dort installiert haben. Mit riesigem Aufwand gelang es uns, die hochkomplizierte Anlage zu entsichern und gefahrlos zu zerstören. Was wir dabei erfahren haben, ließ uns den Atem stocken. In dem uns bekannten Universum haben die Urahnen der Raumfahrt auf ausgewählten Planeten solche Zeitmaschinen als Relaisstationen installiert.“

„Ich ahne es, so ein Ding steht auch auf der Erde“, behauptet Aphrodite und lächelt dabei erleichtert.

Marotti ist weiter sehr ernst: „Ja und nein. Wir wissen es wirklich nicht!“

„Wenn ihr es nicht wisst, kann ich es doch erst recht nicht herausfinden. Strengt euch an und findet den Apparat!“, fordert Aphrodite.

„Diese Zeitmaschinen sind, wie du ja jetzt weißt, uralt. Wirklich groß sind sie auch nicht. Keiner würde sich an ihnen stören, wenn sie nicht höchst unangenehme Eigenschaften, Nebenwirkungen der besonderen Art, entwickeln könnten.“

„Was stellen die Oldie-Zeitmaschinen denn so an?“, fragt Aphrodite neugierig.

„Wir sind bei der entdeckten Zeitmaschine auf etwas Ungeheuerliches gestoßen. Viele der Fixsterne, auf deren Planeten so eine Zeitmaschine installiert wurde, gibt es nicht mehr.“

„Das soll in einer Zeit von vielen Hundertmillionen Jahren schon das eine oder andere Mal vorkommen“, meint Aphrodite unbeeindruckt.

„Nicht bei jungen Sternen, die heute schwarze Löcher sind. Nur noch unsere Erde und der von uns entdeckte Planet existieren trotz dieser Zeitmaschine noch, wenn wir den gewonnenen Informationen glauben schenken!“

Aphrodite lächelt bitter: „Nun glaubt ihr, dass die Erde samt Sonne durch diese altertümliche Anlage auch noch zum schwarzen Loch wird!“

„So ist es. Die Zeitmaschine bezieht ihre Energie aus einer Kernfusionsanlage, die einen Minikosmos darstellt. Kollabiert die Anlage, entsteht ohne jeden Zweifel am Ende ein schwarzes Loch. Wir müssen diese Anlage auf der Erde finden und sauber abschalten, bevor die Katastrophe ihren unaufhaltsamen Lauf nimmt. Wenn nicht, ist irgendwann Schluss für alles Leben auf der Erde und das im Bruchteil einer einzigen Sekunde!“, behauptet Marotti mit ernstem Gesicht.

Aphrodite lächelt bitter: „Das ist ja schrecklich! Doch ich bin für euch die falsche Adresse!“

„Nur du alleine kannst diese Zeitmaschine finden. Wir haben schon eine sehr vage Spur. Nur du kannst ihr nachgehen. Finde sie, du brauchst sie dann aber nicht per Hand ausschalten und zerstören. Das notwendige Wissen und die Technik für die komplizierte Zerstörung geben wir dir mit. Du weißt, welche Folgen ein Fehler beim Herunterfahren der Maschine hätte.“

„Was für eine Spur? Ich bin kein Spürhund für Zeitmaschinen. Du kannst doch gehen. Wozu habe ich dabei geholfen, dass du wieder ein echtes Lebewesen wirst? Das ist dir wohl zu gefährlich, da schickst du mich lieber?“ Aphrodite ist wütend und sträubt sich gegen den gefährlichen Auftrag.

„Ich selbst bin noch auf C 4 und habe die dort von mir entdeckte Zeitmaschine schon entschärft. Die Belastung eines dreifachen Zeitsprungs würde ich nicht überleben. So robust, wie du bist, kannst du zwei Zeitreisen kurz hintereinander viel besser aushalten. Eine gute Nase brauchst du dafür nicht, nur genügend Todesverachtung. Den Rest erledigst du mit unseren Hilfsmitteln!“

„Du willst mich auf ein Himmelfahrtskommando schicken? Erklär mir das bitte genauer!“

„Das hatte ich eben vor. Also hör gut zu! Am 20.12.1964 ist von Seattle aus ein Flugzeug der US-Luftwaffe nach Nenana am Tandana River in Alaska gestartet. Die Maschine ist über dem Tandana River kurz vor Nenana vom Radar verschwunden und hat ihr Ziel nie erreicht!“

„Soll schon vorkommen, dass so etwas passiert. Es gibt sicher Tausende Flugzeuge, die für immer verschwunden sind. Was hat das mit einer Zeitmaschine zu tun?“, fragt Aphrodite aufgebracht. Sie kann seinem Gedankengang nicht folgen, zu verworren klingt ihr alles.

„Sicher, viele Flugzeuge sind in den letzten Jahrzehnten verschwunden. Doch bei dieser Maschine ist einiges ganz anders.

Erstens, der wesentlichste Unterschied besteht in der Tatsache, dass das Flugzeug über den Bergen, Sümpfen und Wäldern in Alaska verschwunden ist. Die meisten ungeklärten Fälle, wo Flugzeuge verschwinden, gibt es über dem offenen Meer. Speziell über dem Bermudadreieck.

Zweitens, so eine notlandende Maschine reist unweigerlich eine riesige Schneise in das Waldgebiet, in dem die Maschine gelandet oder abgestürzt sein muss. So ein Absturz könnte sogar bei Trockenheit und etwas Wind einen Waldbrand auslösen. Nichts dergleichen wurde danach aber beobachtet und auch später nicht registriert.

Drittens, nach der Maschine wurde mit viel Aufwand gesucht, weil ein Militärtransporter mit Waffen an Bord nicht einfach so verschwinden durfte. Was transportiert wurde, ist geheim. Vielleicht waren sogar Atombomben dabei? Denn man hat auffallend viele Monate nach der Maschine suchen lassen. Wir meinen, so einen Aufwand betreibt man nicht für konventionelle Waffen. Ein riesiges Gebiet wurde dabei gründlich unter die Lupe genommen, ohne jedes Ergebnis.

Viertens liegen Berichte von Augenzeugen vor, die unseren Verdacht einer Zeitreise noch bestätigen. Wir gehen davon aus, dass die Maschine tatsächlich in ein Zeitloch geraten ist. Ein Raum- und Zeitloch, das nur unsere Uraltzeitmaschine erzeugt haben könnte. Das ist unsere einzige verwertbare Spur!“

„Dann könnt ihr das Gebiet doch nach der Zeitmaschine absuchen. Was habe ich also damit zu tun?“, fragt Aphrodite verärgert.

„Das verdächtige Gebiet haben wir längst erfolglos mit unserer Technik abgesucht. Die Zeitmaschine hat wahrscheinlich nicht nur das Flugzeug verschwinden lassen, sondern hat sich damit selbst in eine andere Zeit katapultiert. Das verschwundene Flugzeug war zur falschen Zeit am falschen Ort. Wohin die Zeitreise ging, das weiß niemand. Ging es in die Vergangenheit? Oder hat die Zeitmaschine sich und das Flugzeug in die Zukunft geschickt? Wir wissen es nicht!“

Aphrodite überlegt und meint: „Wenn die Zeitbombe jetzt weg ist, dann ist doch unser Problem gelöst. Oder etwa nicht?“

„Die Gefahr ist damit nicht gebannt. Jemand muss mit dem Flugzeug und der Zeitmaschine mitreisen. Du musst mitfliegen, dann wissen wir, nein, dann weißt du, wo sich die Maschine befindet!“, klärt Marotti sie auf.

„Ich soll in das Unglücksflugzeug steigen? Seid ihr jetzt wahnsinnig geworden?“ Aphrodite springt entsetzt von ihrem Sessel auf.

Marotti nickt und erklärt: „Nur so erfahren wir, wohin die Zeitreise ging. Uns können Jahrtausende in jeder Richtung von der Zeitmaschine trennen. Es kann genauso in die ferne Zukunft gehen wie in die unendlich ferne Vergangenheit. Wir wissen es einfach nicht!“

„Ihr wisst nicht, wohin es geht? Es gibt auch nicht den geringsten Verdacht?“

„Nein“, erwidert Marotti trocken.

„Was wisst ihr dann?“

„Wir wissen nur, dass eine junge Frau mit in der Maschine saß. Sie ist die Verlobte eines hohen Offiziers und wollte gemeinsam mit ihm Weihnachten auf dem Stützpunkt in Nenana feiern. Du sollst mit ihr den Platz in der Maschine tauschen!“

„Ich gehe also zu ihr und sage, dass die Maschine abstürzen wird. Wir tauschen deshalb freudig erregt die Plätze. Auf so eine verrückte Idee können nur Männer kommen!“

„Ja“, sagt er nur.

„Wann soll das passiert sein?“

„Am 23.12.1964. Du musst diese Frau ein oder zwei Tage vorher davon überzeugen, dass es für sie nicht gut ist, in die Maschine nach Nenana zu steigen!“

„Aber für mich ist es gut. Toll!“

„Ob die Maschine überhaupt abgestürzt ist, wissen wir nicht. Selbst wenn, überlebst du es auf jeden Fall. Dein wirkliches Problem ist nicht das Flugunglück!“

„So, was ist denn mein Problem?“ Aphrodite wird immer wütender.

„Den Sturz durch die Zeit und das Unglück selbst überstehst du durch unseren Schutz, den wir dir natürlich mitgeben. Die Risiken für dich wollen wir so gering halten, wie es uns nur irgend möglich ist. Deine Probleme fangen danach erst an. Du kannst auf eine Erde kommen, die noch oder wieder ganz ohne Menschen ist. Die Zeitmaschine zu finden, ist dann nicht sehr schwer. Dir wird auch Hilfe mitgegeben, die dir sagt, wie diese Maschine zu steuern ist. Du musst mit ihr nämlich wieder zurückreisen. Allerdings, mindestens ein halbes Jahr musst du ausharren. Diese gefährliche Zeit musst du vielleicht zwischen Dinosauriern überstehen. Das wird dein Problem sein!“

„Ihr habt also wirklich keine Ahnung, wohin die Zeitreise in dem Unglücksflugzeug gehen könnte?“

Marotti nickt und erklärt weiter: „Das macht uns die größten Sorgen. Ich will ganz ehrlich zu dir sein, da ist noch etwas anderes. Es kann sein, dass die Zeitmaschine schon so stark beschädigt ist, dass du sie vor Ort zerstören musst. Was das für dich bedeutet, muss ich dir nicht noch extra erklären!“

„Irrtum, das musst du mir doch erklären, denn vorhin hörte ich noch, dass ihr euch um die Zeitmaschine kümmert. Das stimmt also nicht mehr? Es kann also tatsächlich sein, das ich für immer und bis zu meinem Ende in einer fernen unbekannten Zeit leben muss?“, fragt Aphrodite und will nicht glauben, dass es so kommen kann.

„Das können wir leider nicht ganz ausschließen. Dich nicht darüber aufklären, dir die Wahrheit nicht sagen, ist nicht unsere Art. Auch wenn es am Ende nicht so schlimm kommen muss!“

„Wie stehen meine Chancen, von euch gerettet zu werden, wenn die Zeitmaschine doch vor Ort zerstört werden muss?“, fragt Aphrodite. Angst kommt in ihr auf, wie schon lange nicht mehr.

„Das kommt ganz auf die Zeit an, in der du gelandet bist. Lebst du unter Menschen, sind die Chancen für eine Rückkehr schon deutlich besser!“

„Bin ich unter Menschen, wüsste ich schon, wie ich auffallen könnte. Zum Beispiel als Tyrannin oder als Frau mit vielen Männern“, spottet Aphrodite.

„Okay, das sind Alternativen. Doch Tyranninnen und berühmte Huren gibt es viele in der Geschichte. Du hast dir doch geschworen, dich niemals mehr zu prostituieren. Hast du wieder Lust, eine Hure zu sein?“

„Natürlich nicht. Eine Tyrannin will ich auch nicht sein. Aber was soll ich machen, damit ihr mich findet?“, fragt Aphrodite.

„Dich zu finden, dürfte wirklich schwer werden. Ich dachte eher an etwas anderes. Zum Beispiel, dass du an Kultstädten eine Zahlen- und Wortkombination zurücklässt. Wir brauchen dann nur die Funde der Archäologen auswerten. Allerdings, zeitbeständige Kultstädten finden sich nur in Mittel- und Südamerika. Aber auch hiervon haben sich nicht alle erhalten. Wir können nur hoffen, dass du der Lage angepasst eine Lösung findest. Irgendwelche technischen Geräte zu nutzen, ist sehr riskant. Die Zeitreise ist ein gefährlicher Störfaktor. Nur der Stab bietet dir den Schutz, den du zum Überleben brauchst!“

„Also ist alles völlig offen und möglich zugleich. Ich lasse mich auf Sachen ein, die voll daneben gehen können. Muss ich wirklich mitmachen?“

„Nur du kannst es durchstehen und hast auch die größte Chance zurückzukehren. Einen Misserfolg können wir uns nicht leisten. Ich glaube an dich!“

„Genug der vielen Worte. Ich zieh das Ding durch. Wie geht es nun weiter?“

„Du bist jetzt schon im Jahr 1964, drei Tage vor dem Start der Maschine. Ich halte es für völlig unsinnig, dass du dich lange Zeit vor dem Flug schon dort aufhältst. Es genügt, dass du die Frau überredest, ihr die Papiere abkaufst und dann für sie in die Maschine nach Nenana steigst!“

„Was ist, wenn sie nein sagt?“ fragt sie.

„Biete ihr viel Geld an. Wenn das nicht hilft, bleibt nur ihr Tod. Zuviel steht auf dem Spiel.“

„Ich soll sie töten?“, fragt entsetzt Aphrodite.

„Wir sind dort auch noch bei dir. Das können wir für dich ganz sauber erledigen. Nichts darf uns bei deinem Auftrag aufhalten. Es geht um alles oder nichts und das kannst du wörtlich nehmen!“

„Muss ich mich für diese Frau stark verändern?“

„Wir müssen sie uns vor Ort ansehen und dann eine Entscheidung treffen. Auf große Ähnlichkeit wird es sicher nicht ankommen. Wenn das Flugzeug abgehoben hat, ist alles entschieden!“

„Was für ein Mensch ist sie denn?“

„Die historischen Dokumente sagen auffallend wenig über die Frau aus. Sie ist immer nur offiziell die Verlobte eines Offiziers. Woher sie kam, darüber wird in den Unterlagen geschwiegen. Wir hoffen, vor Ort in den zwei Tagen vor dem Start der Maschine noch etwas über sie herauszufinden. Doch ob das so wichtig ist, wage ich zu bezweifeln. Dass die Männer und die Frau nach dem Verschwinden der Maschine verschollen sind, ist gesichert. Darum ist es auch egal, ob du die echte oder falsche Braut des Offiziers bist. Sie ist mit an Bord der Maschine, weil sie mit ihrem Verlobten zusammen Weihnachten auf dem Stützpunkt in Nenana/Alaska feiern will. Sie wird als Sandra Sheen in der Vermisstenliste geführt. Die Frau soll in Tacoma leben. Frau Sheen ist gestern Abend in Seattle im Westmark Hotel abgestiegen. Dort wirst du sie finden. Ihr Verlobter Charlie Keener hat einen Monat später in einer großen Zeitung einen Nachruf veröffentlichen lassen. Den Namen solltest du dir auch merken. Du wirst dich im Hotel als Kate Ross anmelden. Versuche, mit der Frau Kontakt aufzunehmen und regle alles möglichst unblutig!“

„Wenn ihr mir genug Geld mitgebt, wird es mir auch ohne Gewalt möglich sein.“

Marotti nickt und erklärt: „Geld ist nicht das Problem. Denn alles ordnet sich deiner Aufgabe unter. Ein Scheitern der Mission wegen einer zickenden Offiziersfrau können wir uns nicht leisten. Du wirst auch nicht ins Flugzeug steigen, um die altertümlichen Atombomben, das Flugzeug oder die Männer an Bord zu retten. Wenn es dir angebracht erscheint, kannst du alles nach der Landung vernichten. Nur allein die Zeitmaschine zählt. Die Zeitmaschine zurückbringen oder vor Ort kontrolliert vernichten, das ist deine eigentliche Aufgabe. Wenn du zurückkommen könntest, wäre uns das natürlich mehr als nur lieb!“

„Das will ich auf jeden Fall. Aber wenn nicht, dann bin ich die Heldin, die die Welt gerettet hat und zum Abendbrot sich ein Dino-Ei in die Pfanne haut. Schönen Dank auch!“, spottet Aphrodite schlechtgelaunt.

„Wenn es irgendeinen Rückweg für dich gibt, dann nutze ihn bitte!“

„Könnt ihr nicht eine Zeitmaschine mit dem Flugzeug zusammen durch das Zeitloch schicken?“ Aphrodite ist von ihrer Idee begeistert.

Marotti schüttelt den Kopf. „Ich muss dich wohl doch noch besser über die Umstände des Unglücks in Kenntnis setzten. Es wird davon ausgegangen, dass dieses Raum- und Zeitloch nicht sehr groß war. Auch muss es nur für wenige Sekunden existiert haben. Der Bericht eines Piloten, der in Sichtkontakt der vermissten Maschine gefolgt ist, lässt nur diese eine Vermutung zu. Bei auffallend ruhigem Wetter ist die vermisste Maschine in einer plötzlich aufgetauchten Wolkenformation verschwunden. Wolken, die ebenso schnell wieder verschwanden, wie sie zuvor aufgetaucht sind!“

„Ein Zeitloch nur für Sekunden?“ Aphrodite ist enttäuscht.

„Ja, vielleicht nur für Bruchteile einer Sekunde. Die Zeitmaschine muss direkt darunter gewesen sein. Darum war auch der Radius der Absturzstelle über den Bergen so extrem klein und dein Weg zur Zeitmaschine wird auch nicht sonderlich weit sein, vermuten wir. Allerdings muss das nicht stimmen. In der anderen Zeit kann die Maschine noch viele Stunden geflogen sein, was wir natürlich nicht hoffen. Wenn ja, musst du Hunderte Kilometer durch unbekanntes Land laufen, bis du zur Zeitmaschine gelangst!“

Aphrodite ist entsetzt. „Das wird immer verrückter. Ich kann mich unmöglich alleine gegen unbekannte Monster der Urzeit behaupten und dabei noch Hunderte Kilometer zurücklegen!“

„Alles ist möglich. Lediglich dass die Maschine in ein Zeitloch geraten ist, gilt als sicher. Dass absolut nichts von so einer großen Maschine nach ihrem Verschwinden gefunden wurde, hat uns auch erst auf die Möglichkeit eines Zeitlochs gebracht. Wir haben Nachforschungen angestellt. Aus den Unterlagen haben wir entnommen, dass die verschwundene Maschine eine Lockheed C-130A gewesen ist. Immerhin erreicht die Maschine ein maximales Startgewicht von knapp achtzig Tonnen. Mit einer Spannweite von über vierzig Metern und etwas unter dreißig Metern Länge ist sie wirklich nicht klein. Die fünfzehn Tonnen Fracht an Bord hätten, wäre das Flugzeug zum Beispiel explodiert, ein riesiges Trümmerfeld zurückgelassen. Die Maschine ist aber von einer Sekunde zur anderen einfach verschwunden. Der Jagflieger hat die Unglücksstelle eine halbe Minute später passiert, ohne selbst Schaden zunehmen. Es war also von Anfang an mysteriös. Denn nur das Verschwinden eines Flugzeuges lässt nicht gleich den Schluss zu, das ein Zeitloch dahinter stecken könnte. Aber hier ist gar keine andere Schlussfolgerung möglich. Das berechtigt uns, das sicherlich sehr hohe Risiko einzugehen, unsere beste Zeitreisende mit der Unglücksmaschine durch die Zeit zu schicken!“

„Ihr seid verrückt!“, protestiert Aphrodite heftig.

„Es muss sein, Aphrodite. Nur du hast eine echte Chance, die Zeitreise und den Absturz zu überleben. Nur dir kann es gelingen, die Zeitmaschine zu finden!“

„Ich muss auf alles vorbereitet sein. Für alle möglichen Gefahren brauche ich eine Ausstattung. Dazu gehört auch exaktes Kartenmaterial, am besten vom ganzen Land. Es kann gut möglich sein, dass das Flugzeug noch Stunden nach dem Sturz durch die Zeit weitergeflogen ist. Also weit weg von der Zeitmaschine und dann irgendwo gelandet oder abgestürzt ist!“

„An diese Variante haben wir noch gar nicht gedacht. Du sollst natürlich alles bekommen, was du brauchst. Uns ist nichts zu schade oder zu teuer. Kosten spielen überhaupt keine Rolle.“

„Das setze ich als selbstverständlich bei der Aktion voraus. Was habt ihr euch als Schutz für mich ausgedacht?“

„Der Stab, der dich so erfolgreich begleitet hat, erhält einen neuen Platz.“

„Wo?“

„Es ist der sicherste Platz, den eine Frau bieten kann.“ Marotti genießt Aphrodites Überraschung und erklärt es ihr: „Der Stab wird eine Spirale sein und sich in deiner Gebärmutter einnisten. Steuern kannst du ihn wie immer. Beim Absturz aktiviert, überlebst du alles. Niemand wird dich töten können. Ist das so okay?“

„Klingt gut. Also brauche ich die Männer dort nicht zu fürchten!“, freut sich Aphrodite.

„Wir haben uns erlaubt, die Spirale der besonderen Art dir schon einzusetzen!“

„Ich spüre aber gar nichts“, erwidert Aphrodite verwundert.

„Kunststück, die Spirale ist sehr klein. Willst du sie sehen?“

„Muss das sein?“

„Muss es nicht. Ich würde sagen, dass du dir jetzt vor Ort alles anschaust. Okay?“

„Okay!“, bestätigt sie nicht gerade begeistert.

„Wie gehabt: ins Becken springen und auftauchen. Wir befinden uns jetzt schon im Lake Washington, vor Seattle, an einer Straße einige Meilen vor der Stadt. Trotzdem solltest du oben aufgetaucht, größte Vorsicht walten lassen. Es ist die Zeit des kalten Krieges. Die Amerikaner sind sehr sensibel, wenn etwas nicht mit rechten Dingen vor sich geht!“, warnt Marotti.

„Muss ich weit bis zum Ufer schwimmen?“

„Es ist nicht weit bis zum Ufer, aber unterschätze die starke Strömung nicht!“

„Ich soll wieder einmal ins Wasser springen und nach bekanntem Muster unbeobachtet auftauchen?“, fragt Aphrodite und schaut sich nach dem Becken um.

Er nickt und betätigt: „Wie gehabt. Du kennst das schon von anderen Zeitreisen. Es ist die sicherste Art, in eine neue Welt einzutauchen. Die Amerikaner sind besonders empfindlich in Sachen außergewöhnlicher Ereignisse und Erscheinungen. Du willst doch nicht auffallen.“

„Okay, ich tue es und werde versuchen, die Frau für uns zu gewinnen“, stimmt Aphrodite ihm zu und geht in Richtung Wasserbecken.

Was neu ist: Für sie liegt ein Neopren-Anzug bereit. Das Wasser muss schrecklich kalt sein. Sie fragt nicht lange und steigt in den Anzug. Das wird schon alles seine Richtigkeit haben. Ein Rucksack liegt auch für sie bereit.

Marotti erklärt ihr: „Im Rucksack ist alles für dich drin, was du nun benötigst. Auch hoffentlich genug Geld, um die Frau zu bestechen. Mach ihr klar, dass wir auch ganz anders können. Wir können viele Millionen Dollar bieten. Geld spielt für uns keine Rolle!“

„Ihr legt sie also nur für den Fall um, wenn sie nicht, wie gewünscht, für uns funktioniert?“, fragt Aphrodite besorgt und steht schon im Neopren-Anzug bereit für den Sprung ins Wasser.

„Bedenke, sie muss funktionieren oder die Erde stürzt in ein schwarzes Loch! Wofür entscheidest du dich?“

„Du stellst dumme Fragen“, erwidert Aphrodite kopfschüttelnd.

„Dann hast du die Sache hoffentlich schnell im Griff!“

„Alles im grünen Bereich. Dann auf in den Kampf!“ Aphrodite wiederholt noch einmal die Daten: „Ich bin eine Kate Ross aus New York. Die gesuchte Frau wohnt im Westmark Hotel, wo ich auch absteige. Sie nennt sich Sandra Sheen und ist mit einem Charlie Keener verlobt. Der Mann ist als Offizier in Nenana, am Tandana River, in Alaska stationiert. Ist das so richtig?“

„Alles korrekt, Aphrodite“, bestätigt Marotti.

„Das Abenteuer kann beginnen!“, ruft sie ihm zu und springt ins Wasser. Es ist das erste Mal, dass sie in einem Neopren-Anzug schwimmt. „Wow, das Wasser ist tatsächlich extrem kalt. Ich hasse kaltes Wasser!“

„Du wirst es überstehen“, verspricht Marotti und löst sich langsam vor ihr auf.

Sie holt tief Luft und taucht ab. Das Licht über ihr ist sehr nah. Doch die Strömung ist tatsächlich extrem stark und sie hat große Mühe mit dem Auftauchen. Der Sog des Wassers drückt sie in die Tiefe. Oder was ist das? Überrascht stellt sie fest, dass sie in einem Netz hängengeblieben ist. Hektisch befreit sie mit dem Messer ihr Bein und taucht endlich auf. Befreit und erleichtert holt sie tief Luft.

Seattle 1964, fünf Tage vor Weihnachten

Die Strömung treibt Aphrodite schnell durch das wilde Wasser. Das Ufer ist noch weit und die Strömung macht ihr das Schwimmen schwer. Erst als sie mit den Füßen Halt im Flussbett findet, wird es für sie leichter. Am Ufer angekommen, muss sie auf einem Stein verschnaufen. Nach ein paar Minuten Rast geht es ihr schon deutlich besser. Aphrodite klettert den kleinen Hang hoch und sucht im Gebüsch Schutz vor dem heftigen Wind. Sie dreht sich noch einmal um. Das grüne Licht kann sie in den hohen Wellen nicht mehr erkennen. Angeblich bleibt Marotti noch so lange hier und unsichtbar an ihrer Seite, bis sie im Flugzeug durch das Zeitloch verschwunden ist.

Ihr ist kalt, obwohl der Neopren-Anzug sie vor der schlimmsten Kälte bewahrte. Es kostet sie viel Kraft, aus dem nassen Anzug auszusteigen. Er klebt auf der Haut. Endlich davon befreit, öffnet sie den Seesack und zieht sich schnell an. Auf die mitgegebenen Strümpfe und die Strumpfhalter verzichtet sie bewusst. Als Stripperin auf Hawaii musste sie jeden Abend Strümpfe und Strumpfhalter tragen, die Dollarnoten wurden dort deponiert. Daran möchte sie sich jetzt nicht erinnern. Mit ihren gleichmäßig braunen Beinen kann sie sich auch ohne Stümpfe sehen lassen, obwohl es für nackte Beine jetzt doch etwas kalt ist. Die Mode der sechziger Jahre gefällt ihr nicht. Sie will vor allem gerne zeigen, dass sie eine schöne Frau ist. Am Ende, als sie sich komplett angekleidet hat, stellt sie erleichtert fest, dass ihre feminine Seite im knielangen Rock und in der großblumigen Bluse wirklich gut zur Geltung kommt. Die Bluse bietet ein tiefes Dekolleté, das sich bei den Männern sicher höchster Beachtung erfreut. Nur die Schuhe mit den hohen Absätzen sind ein Fall für sich. Sie hat gerade den langen Regenmantel übergeworfen, da fängt es auch schon leicht zu regnen an. Den leeren Seesack lässt sie im Gebüsch liegen. Mit der Handtasche aus Krokodillederimitat und dem kleinen roten Koffer, rund wie eine Trommel, sucht sie den Weg nach oben zur Straße. Sie hat hoffentlich alles mit, was sie benötigt. Die Herren der Zeit haben ihr einen Pass mitgegeben, der sie als Kate Ross aus New York ausweist. Im Koffer hat sie nur einmal Wechselkleidung und dann rund zweihunderttausend Dollar in großen und kleinen Scheinen. Das ist für Amerika schon mächtig viel Geld. Drei Meter schafft sie den steilen Hang mit den Schuhen hoch, dann ist Schluss. Genervt zieht sie die Schuhe aus und läuft einfach barfuß. Die Strümpfe wären jetzt beim Barfußgehen ruiniert. Oben an der Straße steigt sie wieder in ihre unbequemen Schuhe. Ihr ist kalt, weil sie nur Slip, BH, Rock und Bluse unter dem Mantel trägt. Jeans und Pullover hätten zu dem nasskalten Wetter besser gepasst.

Sie schaut sich um. Ein Oldtimer, ein Auto das noch selbst gesteuert werden muss, kommt ihr entgegen. Fährt der Wagen nun nach Seattle oder von dort weg? Sie kann schauen, wohin sie will, in allen Richtungen sieht sie nur hohe Bäume und den Fluss.

Egal, sie winkt dem Wagen zu. Der Wagen hält prompt, der Fahrer steigt sogar aus und fragt: „Hallo, Lady, wie kann ich Ihnen helfen?“

Aphrodite lächelt ihn gewinnend an und sagt: „Ich habe mich mit meinem Mann gestritten. Der Idiot hat mich hier mitten im Wald aus dem Wagen geschmissen. Können Sie mich zurück nach Seattle bringen?“

„Entschuldigung, aber ich bin auf dem Weg nach Everett. Aus Prinzip kehre ich nie um, wenn ich ein Ziel habe. Meine Frau erwartet mich. Das tut mir für Sie ehrlich leid. Es kann nicht lange dauern, bis ein Wagen anhält und sie nach Seattle mitnimmt. So hübsch wie Sie sind, werden Sie schnell eine Mitfahrgelegenheit finden. Ich muss dann. Ich bitte um Verzeihung!“, erklärt der junge Mann lächelnd, steigt ein und fährt weiter.

Nun weiß Aphrodite wenigstens, in welcher Richtung Seattle liegt. Was sie von den Männern hier halten soll, weiß sie jetzt auch: Nämlich nichts! Ihr Aussehen hat den Mann nicht bewegen können, sie umgehend nach Seattle zu fahren. Sie ist enttäuscht.

Der Regen wird stärker, das fehlt ihr jetzt auch noch. Aus dem Regenschleier tanzen ihr zwei Lichter entgegen. Wow, das Fahrzeug will nach Seattle. Aphrodite winkt den Lichtern zu. Ein riesiger Lastzug hält neben ihr. Ohne lange zu überlegen, klettert sie hoch und steigt ein.

Die Tür fällt krachend zu und der Laster fährt weiter. Ein Mann mit grauem Vollbart grinst sie breit an und fragt: „Was macht ein so zuckersüßes Püppchen hier mitten im Wald?“

Am Wort Püppchen stört sie sich zwar, aber sie erzählt auch ihm ihre Lügengeschichte: „Die liebe Barbie wurde von Ken hier aus dem Auto gestoßen und will jetzt wieder zurück nach Seattle in ihre Puppenstube!“

„Das ist nicht die feine Art von Ken. Reicht es der Zuckerschnute, wenn ich sie am Bahnhof absetze?“ Der Fahrer konzentriert sich dabei mehr auf die Straße als auf die hübsche Beifahrerin.

„Ich danke Ihnen. Das ist ganz toll. Mehr will ich gar nicht. Danke!“

Erste Häuser an der Straße kündigen vielleicht schon Seattle oder einen der Vororte an.

Der Fahrer schaut sie kurz, aber sehr intensiv an und behauptet: „Lady, von irgendwoher kenne ich Sie. Helfen Sie mir bitte!“

„Ich wüsste nicht, dass wir uns schon einmal begegnet sind. Ich komme ursprünglich aus New York und bin erst ein paar Wochen hier in der Gegend“, erwidert Aphrodite.

„Entschuldigung, wir Männer merken uns nur das Aussehen der Ladys. Jede Nachtbar ist voll von solchen Sex-Bomben. Ist bei Ihnen alles echt?“, fragt er, grinst sie breit an und ergänzt: „Sorry, war nur ein Scherz, Lady.“

„Zu Ihrer Beruhigung, bei mir ist alles pure Natur. Woher kommen Sie?“, fragt Aphrodite.

„Ich bin hier zu Hause und hole neue Fracht. Erst dann will ich weiter runter nach New Mexiko!“

Der Laster hält an einem kleinen Bahnhofsgebäude.

Aphrodite öffnet die Tür, steigt aus und sagt: „Vielen Dank und allzeit unfallfreie Fahrt!“

Der Fahrer grinst sie breit an. „Danke, Lady. Übrigens, ein so schönes Gesicht vergesse ich nicht so schnell. Ich weiß es jetzt wieder, woher ich dich verruchtes Luder kenne. Du schenkst bei McDonald Kaffee aus. Dir habe ich in den zuckersüßen Po gekniffen und du hast mir derart eine gescheuert, dass ich davon Zahnschmerzen gekriegt habe. Ist schon okay. Machen Sie es gut, Lady!“

„Sie irren sich, mein Freund, das war meine Schwester. Schönen Tag auch noch und danke!“, erwidert sie und lässt die Tür zufallen.

Der Laster fährt weg. Hat sie hier schon eine Doppelgängerin? Das ist nicht gut und könnte für sie gefährlich werden. Etwas unbeholfen bleibt sie vor dem Bahnhofsgebäude stehen.

In dem Moment kommt ein Taxi um die Ecke und fährt direkt auf sie zu.

Das ist ein Geschenk des Himmels, denkt sie und winkt.

Das Taxi hält und zwei alte Leute steigen aus. Sie zögert nicht, steigt gleich hinten ein. „Fahren Sie mich bitte zum Westmark Hotel an der Avenue West. Danke!“

Der Taxifahrer dreht sich zu ihr um. „Das ist ganz schön weit weg von hier. Das kostet mindestens zwanzig Dollar. Haben Sie soviel überhaupt dabei?“

Aphrodite holt aus ihrer Handtasche ein paar Zehnernoten so heraus, dass er die Scheine sieht und sagt: „Sie bekommen dreißig Dollar von mir, wenn Sie nur endlich losfahren!“

„Jawohl, junge Lady!“, stimmt der Taxifahrer zu und der Wagen rollt los.

Entspannt schaut Aphrodite aus dem Fenster. Das klappt alles perfekt. Null Ärger. Viel zu schön, um wahr zu sein. Was für ein Hammer wird kommen? Ein flaues Gefühl im Magen warnt sie. Zu oft in ihrem Leben haben die Schwierigkeiten nicht lange auf sich warten lassen.

Jetzt werden an der Straße rechts und links die Häuser höher und rücken enger zusammen. Das ist also das Seattle des zwanzigsten Jahrhunderts. Es wird laut und ständig gehupt. Auch sind viele Menschen zu Fuß unterwegs. Das Taxi hält. Aphrodite bezahlt, wie vorab vereinbart, dem Mann dreißig Dollar und steigt aus. Sie steht tatsächlich direkt vor dem Westmark Hotel. Sie sieht sich gleich nach dem Café um, in dem sie die Frau, eine gewisse Sandra Sheen, noch heute Nachmittag treffen soll. Sie schaut auf ihre altertümliche Uhr: noch fünf Stunden bis zum möglichen Treff mit der unbekannten Frau. Zeit genug, um ein Zimmer zu buchen und hier im Haus auch noch ein gutes Essen einzunehmen. Mit ihrem kleinen runden Koffer und der Handtasche geht sie ins Hotel. Der falsche Pass auf den Namen der Kate Ross wird an der Rezeption anstandslos akzeptiert. Eine wichtige Hürde hat sie problemlos genommen. Für die drei Nächte braucht sie keine Suite. Ein Doppelbettzimmer in einer akzeptablen Preislage war noch zu haben. Oben im Zimmer legt sie sich auf das Bett und fragt sich, ob sie vielleicht doch noch etwas falsch gemacht hat. Ihr läuft alles viel zu glatt ab.

Sie steht auf und geht herunter. Ein Zimmerboy kommt ihr entgegen. Ihn fragt sie: „Gibt es noch Frühstück?“

„Bis zehn Uhr kriegen Sie bei uns Frühstück“, versichert ihr der Boy.

„Wie komme ich dort hin?“

„Erlauben Sie, dass ich Sie begleite?“, fragt der Boy, wartet erst gar nicht auf ihre Antwort und geht zum Fahrstuhl. Gemeinsam fahren sie nach oben. Dort bietet der Boy ihr einen Tisch am Fenster an und fragt: „Soll es für Sie das Kraftfrühstück sein?“

„Okay. Danke gerne“, erwidert Aphrodite und genießt den Blick über die Stadt. Das Grün hinter den Häusern könnte ein Park sein. Ist das der Myrtle Edwarts Park? Sie wird es noch herausfinden.

Das Frühstück wird umgehend serviert. Es ist ein großer Teller voller gebratener Eier, Speck, Gurke und Tomaten. Zwei große krümelige Brötchen oder so etwas Ähnliches werden in einem Körbchen dazugestellt. Eine junge Frau bringt ihr ein Kännchen Kaffee und eine Tasse.

Aphrodite fragt: „Ist das hier auch das Café?“

„Nein, Lady, das Café finden Sie gegenüber der Rezeption im Erdgeschoss unseres Hauses. Hier oben ist alles nur für unsere Hotelgäste.“

„Danke“, erwidert Aphrodite und stochert lustlos im Frühstück herum. Den glasigen Speck und das halbrohe Ei probiert sie erst gar nicht. Dafür schmecken ihr die in Stücke geschnittenen Tomaten umso besser. Sie braucht alles nur mit der Pfeffermühle etwas nachwürzen. Statt eines Kraftfrühstücks hätte sie sich einen Salat bestellen sollen. Wie man es auch immer anstellt, es ist verkehrt.

Ein Herr mit Vollglatze und Schnauzer grinst sie vom Tisch gegenüber an. Er grüßt sie mit seinem großen Glas Bier, das typisch für Amerika, keine Blume hat. Bier als Frühschoppen ist ihr zwar auch aus ihrer Zeit in München noch gut in Erinnerung, aber heute braucht sie einen klaren Kopf.

„Danke, nein, so früh am Tag trinke ich noch kein Bier!“, ruft sie dem Mann zu, den sie auf Ende zwanzig oder Anfang dreißig schätzt. Männer sind heute nicht gefragt. Erst will sie am Nachmittag mit der Frau ins Geschäft kommen. Dann, wenn alles so läuft, wie geplant, wird sie sich noch einen Mann zum Abschied gönnen. Wer weiß schon, wann ihr jemals wieder ein Exemplar dieser Spezies in der unbekannten Zeit über den Weg laufen wird?

Der Mann versteht ihre Reaktion scheinbar als Einladung, setzt sich zu ihr an den Tisch mit seinem Bier in der Hand und begrüßt sie: „Hey, Baby, ich hätte Sie wirklich gerne auf ein Bier eingeladen. Haben Sie nicht vielleicht doch noch Lust auf ein oder zwei gemeinsame Glas Bier?“

„Euer amerikanisches Bier ist mir zu wässrig. Ich stehe mehr auf Deutsches Bier. Bier mit Blume!“, behauptet Aphrodite und nippt am Kaffee.

„Das wird jetzt immer interessanter. Mein Vater kannte so eine Frau, die kein amerikanisches Bier mochte. Ich glaube, es wird Zeit, das ich Ihnen etwas ganz Besonderes zeige“, erwidert er und kramt in der Innentasche seiner Weste herum. Ein ganzes Bündel Fotos holt er hervor und sucht dort etwas. Er findet offensichtlich das gewünschte Foto und erklärt: „Darf ich mich Ihnen vorstellen, ich bin Mark Hawker, Sohn von Mel und Ireen Hawker. Schauen Sie sich ganz genau das Foto an. Das ist mein Vater 1936 zusammen mit seiner großen Liebe Betty Carrey, die von den Hawaii-Inseln stammen soll. Finden Sie nicht auch, das Sie mit der Frau unglaublich große Ähnlichkeit haben?“

Aphrodite betrachtet das Schwarz-weiß-Foto und erkennt sich zusammen mit Mel am Pool in L. E. wieder. Wow!

Mark Hawker reicht ihr ein neues Foto. Jetzt steht sie mit Mel und seinem Bruder Ben auf dem Foto im Abendkleid an einer Bar. Es schnürt ihr die Kehle zu, den toten Ben Hawker wieder zu sehen.

„Wie geht es Mel?“, fragt Aphrodite aus dem Bauch heraus.

Mark Hawker ist begeistert. „Dann sind Sie also doch die Tochter der Betty Carrey. Sie ist doch nicht ertrunken, wie mein Vater bis zum Schluss glaubte. Sie hat vor dem Sprung ins Wasser angeblich selbst behauptet, dass es nicht das ist, wonach es ausschaut. Ihre Mutter hat also die Wahrheit gesagt. Das erklärt natürlich auch, warum Sie so große Ähnlichkeit mit der Frau auf den Fotos haben. Meinem Vater und seinem Bruder hat Ihre Mutter den Kopf verdreht!“

„Wieso bis zum Schluss?“

„Mein Vater ist vor drei Monaten von uns gegangen“, erklärt Mark Hawker leise.

„Mein aufrichtiges Beileid. Ich hätte ihn gerne noch kennengelernt“, erwidert Aphrodite nachdenklich, seufzt und setzt fort: „Meine Mutter hat ihn geliebt, doch sie war nicht für ihn bestimmt. Überhaupt, sie war nicht für die Liebe erschaffen worden. Ich selbst bin auch nur ein Betriebsunfall, wie meine Mutter es gerne nannte. Mutter ist bei einem Verkehrsunfall 1955 ums Leben gekommen. Sie liebte teure und schnelle Autos. Es ist sehr ungewöhnlich, dass sich die nächste Generation wieder findet. Das auch noch weit ab von Kalifornien. Zufälle gibt es, das macht mir sogar etwas Angst!“

„Angst davor brauchen Sie nicht zu haben. Das sollten wir beide gebührend feiern, finden Sie nicht auch?“, schlägt Mark Hawker vor, schaut auf seine Uhr und behauptet: „Wenn ich wüsste, das aus uns mehr werden könnte, würde ich den Flieger heute Mittag nach San Francisco glatt sausen lassen. In Ihrer Nähe ahne ich, warum mein Vater blind vor Liebe war. Sie sind so eine aufregend schöne Frau. Von Ihnen geht ein Fluidum aus, wie ich es noch nie erlebt habe. Das unglaubliche Wunder, das Mutter Natur in euch Weibern erschaffen hat, begreife ich erst jetzt. Warum das erst jetzt in Ihrer Nähe?“

„Ich danke für Ihr Kompliment. Doch wie meine Mutter damals, bin auch ich nur auf Achse und fliege übermorgen hoch nach Alaska. Ausbaufähig ist unsere interessante Bekanntschaft also leider nicht. Aber es hat mich außerordentlich gefreut, Ihre Bekanntschaft zu machen. Für die Zukunft wünsche ich Ihnen alles Gute.“ Aphrodite steht auf und geht. Bevor sie sich heute Nachmittag mit der Frau treffen wird, will sie noch etwas schlafen. Ein Mann passt jetzt noch nicht in ihre Planung, auch wenn er richtig gut ausgesehen hat.

Sandra Sheen

Die zweite Tasse Kaffee wurde ihr schon serviert. Die Frau, diese Sandra Sheen, ist nicht zu sehen. Haben sich die Herren der Zeit geirrt? Wahr ist, im Hotel ist tatsächlich eine Frau mit dem Namen Sandra Sheen abgestiegen. Der Ober hatte ihr auch vorhin glaubhaft versichert, dass die Frau seit zwei Tagen hier immer ihren Kaffee um drei Uhr, hinten am Fenster, zu trinken pflegt. Wie soll sie die Frau doch noch finden, wenn sie ihre Gewohnheiten plötzlich geändert hat? Einfach an ihre Zimmertür klopfen, das geht doch nicht. Oder? Sie weiß nicht, ob das so eine gute Idee ist. Die Frau könnte das völlig falsch verstehen. Wenn sie noch lange hier allein sitzen und warten muss, wird es immer schwerer werden, die Männer um sie herum abzuwimmeln. Ganz offen schamlos, lächeln sie zwei Herren eben von gegenüber an. Den lüstern-geilen Gesichtsausdruck kann sie den Männern schlecht verbieten. Sie trägt nicht die Kluft einer Nonne. Ihr Dekolleté bietet dem Mann schon etwas. Der Rock zeigt auch nicht wenig von ihren schönen Beinen. Es ist nur eine Frage von Minuten, dann kommt unter Garantie einer der Männer zu ihr herüber und wird sie, plump und dumm natürlich, anbaggern. Doch Männer sind jetzt das Letzte, was sie in ihrer misslichen Lage gebrauchen kann. Auch wenn ihr die Herren der Schöpfung von gegenüber durchaus gefallen.

Eine blonde Frau kommt jetzt herein und nimmt auf der anderen Seite direkt am Fenster Platz. Genau so, wie der Ober es ihr beschrieben hat. Ist das Frau Sheen? Der Platz und die Zeit könnten passen. Das muss Sandra Sheen sein. Die junge Frau trägt schulterlanges blondes Haar. Die natürlichen Locken verleihen ihr eine gewisse Eleganz. Aber das tollste ist, sie hat nicht die geringste Ähnlichkeit mit ihr. Zwar ist die junge Frau auch schlank, hat blondes Haar, ist aber ein ganz anderer Typ Frau. Die rote hoch geschlossene Bluse verbirgt zwei deutlich kleinere, aber feste Brüste, die einen BH eigentlich nicht benötigen. Das sieht sie als Frau auf den ersten Blick. Typisch für die Zeit der sechziger Jahre, der spitze unbequeme BH, der den sicher schönen natürlichen Busen leider eher deformiert. Sie kennt solche Modeentgleisungen nur zu gut. Der knielange Rock gibt den Blick auf schöne Füße und Waden frei, die sie mit ihren übereinander geschlagen Beinen offenbar gerne zeigt. Rote flache Schuhe schmücken ihre zierlichen Füße.

Aphrodite verliert keine Zeit und geht sofort auf die schöne junge Frau zu. Vor ihr bleibt sie stehen und fragt: „Guten Tag, darf ich Sie zu einer Tasse Kaffee einladen?“

Die junge Frau schaut erstaunt zu ihr auf, überlegt kurz und sagt dann lächelnd: „Ja danke, warum auch nicht!“

Aphrodite nimmt ihr gegenüber Platz und ruft dem Mann am Tresen zu: „Zwei Tassen Kaffee bitte!“

Der Mann nickt zustimmend.

Aphrodite wendet sich an die Frau und erklärt: „Ich bin Kate Ross aus New York. Nennen Sie mich bitte nur Kate. Sind Sie Frau Sandra Sheen aus Tacoma? Wenn es so ist, möchte ich Ihnen ein Angebot machen, das Sie mir unmöglich ausschlagen können!“

„Was wollen Sie von mir?“, fragt die Frau sichtlich überrascht.

Aphrodite wird direkt: „Ich schenke Ihnen Ihr Leben und gebe Ihnen noch zwanzigtausend Dollar extra oben drauf. Wie finden Sie das?“

Die Frau wird rot vor Wut und schimpft los: „Hören Sie gut zu. Ich geh nicht anschaffen. Für welches Bordell sprechen Sie denn unschuldige Frauen an? Nein, ich rufe gleich die Polizei und zeige Sie wegen gewerbsmäßiger Anwerbung zur Unzucht an!“

Aphrodite bleibt ganz ruhig und erklärt: „Sie irren sich gewaltig, Frau Sheen. Ich will Sie nur überreden, nicht mit dem Flugzeug nach Nenana zu fliegen. Ich will Ihren Platz dort in der Maschine einnehmen. Mehr nicht und für diesen lapidaren Wunsch bezahle ich Sie auch noch fürstlich!“

Die Frau beruhigt sich zum Glück schnell und fragt: „Sie wollen mir zwanzig Riesen geben, nur weil Sie an meiner Stelle nach Nenana wollen? Warum das? Sie können doch mitfliegen, wenn Ihr Freund dort auch auf dem Stützpunkt über Weihnachten Dienst hat. Ist doch genug Platz in der Maschine. Sie müssen dafür nur der Crew etwas Geld rüberwachsen lassen. Zwanzig Riesen sind dazu garantiert nicht nötig. Okay!“

Aphrodite schüttelt den Kopf und erklärt: „Ich habe keinen Freund oder Ehemann dort oben in Port Lay. Ich will nur, dass Sie nicht mitfliegen. Wollen Sie noch mehr Geld? Okay, ich biete Ihnen dreißigtausend Dollar an, wenn Sie noch heute Abend in einen Zug steigen, der Sie möglichst weit weg von hier bringt. Dafür vergessen Sie in Zukunft, dass Sie Frau Sandra Sheen sind. Vergessen Sie für immer auch Ihren Verlobten!“

Der Ober serviert den Kaffee.

„Sie lieben meinen Mann? Mit Ihnen betrügt das Schwein mich also schon so lange Zeit? Wie lange geht das schon mit euch beiden? Ich ahne es, Sie sind eine Hure!“, schimpft die Frau wenig überrascht und nippt gleichzeitig erstaunlich gelassen an ihrem Kaffee.

An diese vorgeschlagene Variante hatte Aphrodite noch gar nicht gedacht. Vielleicht ist es so noch viel leichter, die Frau umzustimmen? So sagt Aphrodite aus dem Bauch heraus: „Ich liebe ihn über alles. Wir kennen uns schon von früher. Erste Jugendliebe. Verstanden? Wir haben uns zufällig in einem Nachtklub wieder getroffen!“

Die Frau lacht schrill auf und flötet: „Was für eine Überraschung? Mister Obersaubermann Charlie Keener geht tatsächlich fremd. Na ja, so schlecht sehen Sie wirklich nicht aus. Auf dicke Titten steht er ja und lange schöne Beine haben Sie auch. Kohle haben Sie also auch scheinbar ohne Ende. Was wollen Sie bloß mit so einem tauben Sack anfangen?“

Aphrodite kommt näher an die Frau heran und flüstert leise: „Er ist der beste Liebhaber, den ich mir vorstellen kann. Vergessen Sie ihn für immer und nehmen dafür meine vierzigtausend Dollar an. Okay?“

„Vierzigtausend Dollar ist Ihnen der taube Sack wert? Okay, abgemacht!“, stimmt die Frau ihr leise zu.

„Zwanzigtausend gebe ich Ihnen sofort. Die restlichen zwanzigtausend bekommen Sie, wenn Sie heute noch in den Zug, zum Beispiel nach New York, steigen!“

Die Frau reicht ihr die Hand und sagt: „Abgemacht. Ich packe nur schnell meine Koffer. Dann kann es gerne zum Bahnhof gehen. Für soviel Geld reise ich auch zum Mond!“

Aphrodite schiebt der Frau die ersten zwanzigtausend Dollar in einer Tüte zu und sagt: „Wir gehen dann sofort. Ich brauche absolute Sicherheit, dass Sie auch wirklich weg sind.“

„Okay!“

Aphrodite legt fünf Dollar auf den Tisch und zusammen verlassen sie das Kaffee. Aphrodite wird diese Frau bis zum Zug nicht mehr aus den Augen verlieren.

*

Für das Bahnticket nach Chicago hat sich die echte Sandra Sheen entschieden. Noch eine Stunde haben sie Zeit. Wie beschlossen, nicht eine Minute lässt Aphrodite die Frau unbeobachtet. Schweigend löffeln die Frauen an ihrem Eisbecher.

„Wie haben Sie Ihren Verlobten kennengelernt?“, unterbricht Aphrodite die Stille.

Mit dem Strohhalm schlürft Sandra Sheen etwas Fruchtsaft und erzählt freimütig: „Mit dem Verlobtsein ist das bei den Männern so eine Sache. Ich arbeite als Bardame. Da biete ich aber den Männern keinen Sex an und gestrippt wird auch nicht, das versichere ich Ihnen, um das gleich klarzustellen. Ich bin eine anständige Frau. Auch wenn ich früher anders darüber dachte und schon mal nackt vor Männern getanzt habe. Das ist zum Glück lange, lange her. Heute mixe ich nur Getränke und bin nett zu den Männern. Das ist halt mein Job. Mehr findet definitiv nicht statt. Nur ab und an habe ich mir zum Feierabend einen der Männer mit auf mein Zimmer genommen. So habe ich auch Charlie Keener, meinen Verlobten, kennengelernt. Das ist jetzt drei Monate her. Nur viermal hat er bei mir in der Kiste gelegen. Charlie ist wirklich kein besonderer Mann. Halt Durchschnitt. Doch vor zwei Wochen habe ich von ihm ein Telegramm erhalten. Er hätte über Weihnachten Dienst oben in Alaska. Auf dem Stützpunkt nahe Nenana, am Tandana River schiebt er Dienst. Hat nachgefragt, ob ich zu ihm über Weihnachten hochkommen würde. Es hat mir gerade gut gepasst. Ich wurde gefeuert, weil ich mich weigerte, mich vor Gästen nackt auszuziehen und dazu auch noch bumsen zu lassen. Alles nur, weil die Nanny ausgestiegen ist!“

„Ich denke, so etwas ist in den Staaten verboten?“, fragt Aphrodite erstaunt.

„Sie kommen sicher vom Mond, wenn Sie solche Fragen stellen. Auf privaten Veranstaltungen ist bei uns alles erlaubt“, erklärt Sandra Sheen, schlürft entspannt ihren Fruchtsaft und erzählt weiter: „Ich habe Charlie gleich nach meiner Kündigung angerufen und sein Angebot angenommen. Mit dem Brief kamen vorgestern die nötigen Papiere, dass die Verlobte Sandra Sheen mit dem Militärflieger nach Nenana am Tandana River fliegen darf!“

„Okay, die Papiere müssen Sie mir natürlich auch noch überlassen. Dafür können Sie im Gegenzug meinen Reisepass erhalten. Haben Sie auch einen Reisepass?“, fragt Aphrodite und ist froh, dass sie an die Dokumente noch rechtzeitig erinnert wurde.

„Ich war noch nie im Ausland. Mir genügt mein Führerschein.“

Aphrodite fordert: „Den Führerschein brauche ich auch von Ihnen!“

Aus ihrer Tasche kramt Sandra die Papiere hervor und schiebt sie Aphrodite hinüber.

Jetzt kommt die Spezialtechnik zum Einsatz. Mit einem Gerät, groß und flach wie eine normale Spielkarte ist, fährt sie über das Foto der Sandra Sheen rüber. Danach ist Aphrodite auf dem Führerschein zu sehen. Mit dem Reisepass macht sie es genau umgekehrt. Sandra Sheen ist jetzt auf dem Foto zu erkennen und damit die neue Kate Ross geworden.

Wortlos steckt Aphrodite die Papiere ein und schiebt der Frau den manipulierten Pass zu.

Sandra Sheen betrachtet entsetzt den Pass und fragt: „Wie funktioniert das? Das gibt es doch gar nicht! Wer sind Sie wirklich und was haben Sie in Wahrheit vor? Charlie hat nie von Ihnen gesprochen. Worum geht es wirklich? Sie kennen meinen Verlobten gar nicht. Stimmt es?“

„Wollen Sie die Wahrheit wirklich wissen?“, fragt Aphrodite.

„Denke schon!“, erwidert Sandra Sheen, schaut sich vorsichtig um und fragt leise: „Sind Sie gar eine russische Spionin? Ich habe definitiv keine Lust, auf dem elektrischen Stuhl zu enden. Wenn das so ist, kriegen Sie Ihr Geld zurück und wir vergessen den Deal!“

„Es hat mit keinem Geheimdienst zu tun und auch nicht mit Geheimnisverrat jeglicher Art. Die Wahrheit wird Ihnen dennoch nicht gefallen!“, warnt Aphrodite die Frau erneut.

„Ich liebe die Wahrheit“, beteuert Sandra Sheen.

„Die Wahrheit wird Ihnen nicht gefallen, aber hören Sie.“ Aphrodite holt tief Luft und erklärt weiter: „Ich weiß, das Flugzeug wird abstürzen und alle Besatzungsmitglieder werden dabei umkommen. Also auch Sie, beziehungsweise ich werde für Sie abstürzen. Ich habe Ihren Mann noch nie gesehen und werde ihn auch nie kennenlernen. Sie haben doch schon von Außerirdischen gehört?“

„Wow, ja natürlich!“, erwidert Sandra Sheen geschockt.

„Ich bin eine Außerirdische, eine Frau aus einer anderen Welt und will nur mit im Flugzeug sitzen. Wenn Sie leben wollen, müssen Sie für immer schweigen, wenn das Flugzeug verschwunden ist. Gehen Sie doch zur Polizei, werden Sie tatsächlich als Attentäterin und russische Spionin verurteilt. Dann werden Sie auf dem elektrischen Stuhl enden. Wollen Sie das wirklich? Die außerirdische Frau, die Sie überredet hat, nicht mitzufliegen, wird Ihnen niemand abkaufen, das ist gewiss. Selbst wenn Zeugen bestätigen, dass wir beide zusammen gesehen wurden, wird Ihnen niemand glauben, dass ich eine außerirdische Frau sein soll. Oder sehe ich so aus?“

„Natürlich sehen Sie nicht wie eine Außerirdische aus. Was bleibt mir übrig, ich werde schweigen. Aber woher wollen Sie wissen, dass unser Flugzeug abstürzt? Oder bringen Sie es erst zum Absturz? Ich weiß jetzt, Sie wollen das Flugzeug und die Männer entführen. Warum tun Sie so etwas Schreckliches? Hassen Sie uns Amerikaner so sehr?“, fragt Sandra Sheen aufgebracht.

Aphrodite erklärt lächelnd: „Für mich und meine Auftraggeber ist das Flugzeug schon vor Jahrhunderten verschwunden. Ich soll mitfliegen, um endlich herauszufinden, warum und wohin es verschwunden ist. Das Geheimnis, wo das Flugzeug gelandet oder abgestürzt ist, dass soll ich endlich herausfinden. Das ist mein Auftrag und darum biete ich Ihnen auch den Tausch an!“

„Das alles verwirrt mich. In kein Flugzeug der Welt kriegt mich jemals wieder jemand rein. Ich steige in den Zug und kehre nie wieder nach Seattle zurück. Versprochen!“, versichert Sandra Sheen leise.

„Das ist eine gesunde Einstellung. Wollen Sie noch einen Whisky auf meine Kosten trinken?“

„Den Whisky kann ich gut gebrauchen!“, stimmt ihr Sandra Sheen zu.

Der Whisky ist schnell bestellt und noch schneller sind die Gläser geleert.

Der Whisky lockert Sandras Zunge und sie plaudert munter drauflos. „Wenn das alles, was Sie mir eben erzählt haben, frei erfunden ist und Sie nur Charlie für sich alleine haben wollen, gebe ich Ihnen noch einen gut gemeinten Rat mit auf den Weg. Charlie liebt es, an ungewöhnlichen Orten zu vögeln. Machen Sie sich auf einiges gefasst. So zum Beispiel will mein Charlie ….“

„Was Ihr Charlie alles will, interessiert mich nicht die Bohne. Ich erklärte Ihnen doch schon, dass ich den Mann nie kennenlernen werde. Sie können sich also Ihre obszönen Einzelheiten und Details seiner sexuellen Wünsche sparen. Erklären Sie mir lieber, wann genau ich am Flugzeug sein muss.“

„Okay, das wird am 23.12.1964 um 8:00 Uhr sein. Dann hebt die Maschine ab, wenn sie planmäßig startet. So steht es auch in den Papieren. Seien Sie bitte mindestens eine halbe Stunde vorher da!“, erwidert Sandra Sheen und füllt sich ihr Glas mit Wasser neu auf.

„Danke, Sandra, dann weiß ich Bescheid. Der Zug nach Chicago steht sicher jetzt schon für Sie bereit. Steigen Sie ein und bauen Sie sich mit dem vielen Geld eine neue Existenz auf!“

„Das werde ich tun und das ganz ohne Porno oder Prostitution!“, versichert ihr die Frau.

Aphrodite legt reichlich Geld auf den Tisch. Sie erheben sich und gehen gemeinsam zum Zug. Erst wenn die Frau im Zug sitzt und der Zug abfährt, kann sie sicher sein, dass sie ihr keinen weiteren Ärger bereitet.

Die kleine Reisetasche trägt ihr Aphrodite bis zum Sitzplatz.

Die Frau ist aufgeregt und fragt: „Wird mir wirklich nichts passieren?“

„Wenn Sie zu allem schweigen und mit dem Geld nicht um sich werfen, wird niemand unangenehme Fragen stellen. Die Kate Ross soll sauber sein. Also immer hübsch unauffällig bleiben, einen sauberen Job suchen und nicht in Panik geraten, wenn Sie vom Verschwinden der Maschine etwas erfahren sollten. Weil es eine Militärmaschine ist, kann es gut sein, dass kaum etwas darüber an die Öffentlichkeit gelangt. Also bitte ich Sie, sich auch nicht nach der Maschine zu erkundigen. Leben Sie einfach ein neues sorgloses Leben!“, bittet Aphrodite erneut und gibt ihr noch ein paar tausend Dollar mehr, damit die Frau schweigt.

„Ich bin froh, dass man mir eine neue Chance für mein verkorkstes Leben schenkt. Ich danke Ihnen auch noch für die Dollars extra. Sie scheinen ja im Geld zu schwimmen!“, staunt die Frau und blickt sich nervös um.

„Um mein Geld brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen. Geld spielt bei mir keine Rolle!“, versichert ihr Aphrodite.

„Ich will Ihnen das glauben“, verspricht die Frau und sie umarmen sich. Dann steigt Aphrodite aus dem Zug. Der Zug fährt an und wird schneller. Erst jetzt hat Aphrodite die Sicherheit, dass von der Frau keine Gefahr ausgehen wird. Erleichtert verlässt sie den Bahnhof. Vor dem Bahnhof steigt sie in ein Taxi und will sich zurück ins Hotel fahren lassen.

Traue niemandem, auch keiner Frau!

Galanter konnte sie die Frau nicht loswerden. Die echte Sandra Sheen wird sich kaum bei der Polizei melden, wenn sie tatsächlich etwas vom spurlosen Verschwinden der Maschine erfährt. Es hat sich gezeigt, dass nicht immer Lügen angebracht sind. Hier hat eine Teilwahrheit am Ende ihr die Lösung gebracht. Sie ist erst wenige Stunden hier in Seattle und hat doch schon alles erreicht. Ist das wirklich wahr? Noch heute Abend und den ganzen morgigen Tag hat sie Zeit, Seattle und die schöne Umgebung zu erkunden. Was könnte sie hier in den Sechzigern erleben? Vielleicht ein letztes erotisches Abenteuer mit einem Mann? Sie ermahnt sich: Männer, nein danke. Männer haben ihr immer nur Ärger eingebracht. Nein, ein Abenteuer mit einem Mann kommt für sie in den letzten zwei Tagen bis zum Abflug nicht in Frage. Alles, wirklich alles kann sie mit einem Liebesabenteuer gefährden.

Sie fragt den Taxifahrer: „Wo kann eine alleinstehende Frau einen schönen Abend verbringen? Einen Abend ganz ohne Männer, meine ich!“

„So eine schöne Frau will keinen Mann? Das kann ich nicht glauben. Sind Sie eine Lesbe?“

Aphrodite ist empört. „Man muss doch keine Lesbe sein, wenn man nur einen netten Abend verbringen will. Was fällt Ihnen nur ein? Wissen Sie nun eine Bar, in der eine Frau ungestört feiern kann oder muss ich mir ein anderes Taxi suchen?“

„Ich wüsste schon, wo Frauen gerne hingehen. Aber für so eine schöne Frau mach ich gleich Feierabend und wir gehen zusammen aus!“, schlägt der Fahrer vor und dreht sich grinsend zu ihr um.

„Tut mir leid, junger Mann, ich kann Ihre Einladung nicht annehmen. Mit einem unbekannten Mann gehe ich nicht aus!“, erwidert sie genervt.

„Das ist wirklich sehr, sehr schade. Okay, dann bringe ich Sie zum Café Libelle. Dort verkehren zwar nur die lesbischen Schwestern, aber dort haben Sie wirklich vor Männern Ruhe“, schlägt er enttäuscht vor.

„Gut, bringen Sie mich dorthin!“ Aber ganz sicher ist sie sich nicht, ob sie die letzten Nächte nicht doch mit einem Mann verbringen will. Was wird sie hinter der mysteriösen Wolke erwarten? Vielleicht doch die Dinosaurier oder Menschenfresser?

Das Taxi verlässt die Hauptstraße. Die Straßenlaternen und die Lichtreklame machen die Nacht zum Tag. Viel ist los auf den Straßen. Autos hupen um die Wette. Menschen drängen sich auf den breiten Fußwegen. Aphrodite kann die ersten Reklamen für Nachtklubs erkennen. Das Taxi hält direkt vor dem Café Libelle. Eine leuchtende Libelle über dem Eingang sieht einladend aus. Doch was Aphrodite hinter den Fenstern sieht, wirkt recht langweilig auf sie. Ein paar Frauen sitzen zusammen und trinken Kaffee. Sie bezahlt das Taxi und steigt aus. Schon vor der Tür hört sie klassische Klaviermusik. Rauchige Luft schlägt ihr in der offenen Tür entgegen. Unsicher schaut sich Aphrodite um. Alle Tische sind besetzt. Sie entscheidet sich für einen Tisch, wo eine rothaarige Frau mit hochgesteckter Frisur alleine am Tisch sitzt und Kaffee trinkt.

Am Tisch angekommen, fragt sie: „Hallo, darf ich mich zu Ihnen setzen?“

„Nur wenn du keine Lesbe bist.“

Aphrodite hängt ihren Mantel an den Kleiderständer und nimmt Platz. Sie sitzt kaum, als auch schon eine Kellnerin auf sie zustürmt.

Aphrodite ruft der Kellnerin zu: „Zwei große Bier und zwei doppelte Whisky bitte für mich und meine unhöfliche Tischpartnerin. Einen Kaffee bitte auch noch. Okay!“

„Kommt sofort“, erwidert die Kellnerin und macht auf dem Hacken kehrt.

Die rothaarige Frau am Tisch ist überrascht. „Danke. Wau, hast du Ärger?“

„Ganz im Gegenteil, es läuft alles bestens!“, behauptet Aphrodite.

„Hallo, ich bin Ester. Danke, dass du so spendabel bist. Ich bin im Moment etwas knapp bei Kasse!“, begrüßt die Frau sie nun erfreut und reicht ihr jetzt sogar die Hand.

Aphrodite nimmt die Hand dankend an und sagt: „Ester, sprich mich bitte mit Aphrodite an!“

„Aphrodite? Das ist doch eine griechische Göttin. Oder so?“, fragt Ester überrascht.

„Du weißt gut Bescheid. Natürlich ist Aphrodite nur mein Künstlername. Mein richtiger Name tut hier nicht zur Sache.“

„Klingt interessant. Letztens war so ein Sandalenfilm im Kino, da wurde andauernd von Aphrodite gesprochen!“, behauptet Ester lächelnd.

„Was ist ein Sandalenfilm?“

„Den Ausdruck kennst du nicht? Okay, das sind die Antikfilme, wie Odysseus, Herkules, Spartakus und so weiter. Du weißt schon. Sag mir lieber, Aphrodite, warum du dich betrinken willst. Wenn alles bestens ist, betrinkt sich eine Frau nicht freiwillig. So etwas Dummes tun doch nur Männer!“

Das Bier, der Kaffee und der Whisky werden für die Frauen serviert.

Aphrodite leert ihr Whiskyglas in einem Zug, reicht der Kellnerin das Glas und sagt: „Noch zwei Whisky für uns. Ich feiere meinen Abschied. Abschied auch von den Männern. Männer machen uns Frauen nur Stress und doch weiß ich jetzt schon, dass ich sie vermissen werde!“

„Habe ich dich eben richtig verstanden? Du feierst den Abschied von den Männern? Gehst du in den Knast? Wenn du dorthin musst, wirst du bei deinem Aussehen mehr Männer bedienen müssen, als du gesundheitlich verkraften kannst. Aphrodite, glaub mir das bitte. Ich war zwar selbst noch nie in einem echten Frauenknast, aber ich habe nur die schlimmsten Horrorgeschichten darüber gehört!“ Ester leert ihr Glas Whisky auch in einem einzigen Zug.

„Ich muss nicht ins Gefängnis oder in eines der berüchtigten Straflager für Frauen!“

Ester ist ungläubig. „Du willst doch nicht zum Mond? Dort gibt es wirklich keine Männer!“

„Der Mond ist gar nicht mal so abwegig. Ich fliege übermorgen nach Alaska, zu meinem Verlobten!“, kriegt Aphrodite im letzten Moment doch noch die Kurve. Sie hat sich beinahe in unnötige Gefahr gebracht.

Ester lächelnd: „Männer sind in Alaska wirklich Mangelware. Du musst dich dort eher vor Wölfen und Bären in Acht nehmen. Die in Eis und Schnee abgehärteten Männer sind für uns Frauen die Traummänner schlechthin. Sie sind pflegeleicht und sehr, sehr lieb!“

„Du hast schon Erfahrung mit den Alaska-Männern?“, fragt Aphrodite interessiert.

„Ein knappes Jahr habe ich in Nome auf dem Flughafen gearbeitet. Aber wirklich warm war es nur in den Betten der Männer.“ Ester lächelt und schlägt vor: „Bevor du dich hier sinnlos betrinkst, komm lieber mit mir mit!“

Aphrodite sieht ein, dass Alkohol keine Lösung ist. „Okay, besaufen wollte ich mich eigentlich auch nicht. Wo willst du denn heute noch hin?“

„Wir gehen zu mir. Es wird dir bei mir gefallen“, verspricht ihr Ester lachend.

„Okay“, stimmt Aphrodite zu. Auf den Tisch legt sie einen Fünfzigdollarschein und steht auf. Im Gehen wirft sie sich ihren Mantel über und hakt sich bei Ester ein. Im Gleichschritt gehen die Frauen an den Schaufenstern der Geschäfte entlang. Vor einem Schaufenster mit Brautmode bleiben sie beide stehen.

Ester fragt: „Welches Brautkleid gefällt dir?“

„Ehrlich gesagt, gefällt mir keines der Brautkleider. Das linke Kleid ohne den vielen Tüll, dann wäre es erträglich.“ Aphrodite will weitergehen.

Ester hält sie zurück, betrachtet weiter interessiert die Brautkleider und sagt: „Ich merke schon, dir steht nicht der Sinn nach einer Traumhochzeit. Hat ein Mann dich so sehr traumatisiert, dass du jeden Gedanken ans Heiraten weit von dir weist?“