Die Zeitreisende, Teil 7 - Hardy Manthey - E-Book

Die Zeitreisende, Teil 7 E-Book

Hardy Manthey

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Beschreibung

Die ferne Welt des Planeten, auf dem die Frauen herrschten, hat unsere Zeitreisende nun verlassen. Die Erfahrung, dass die Macht in den Händen der Frauen nicht automatisch Glück und Wohlstand für die Menschen bedeutet, nimmt sie mit. Herrschaft über das andere Geschlecht bedeutet also immer Ungleichheit und Ausbeutung. Auch weiß sie nun, dass der Überlebenskampf eine wichtige Triebfeder des Fortschritts ist. Versinkt eine Gesellschaft in Stagnation und begnügt sich mit dem Wenigen, was sie erzeugt hat, ist der schleichende Untergang schon in Sicht. Die Welt des vierten Jahrtausends wartet in dem vorliegenden Teil auf sie. Ist es der Blick in eine leuchtende Zukunft oder darf unsere Heldin dem Untergang der Menschheit zuschauen? Begleiten Sie die Zeitreisende in eine Zukunft, die sich wohl niemand so wünscht! Der Autor hat mit der 2. Auflage sein Erstlingswerk sehr stark überarbeitet und die kritischen, trotzdem begeisterten Hinweise berücksichtigt. INHALT: Mai 3871, Brasilien, Antigo, Stadt südlich von Rio de Janeiro Ich, Aphrodite Dolores Montes, komme Auf Jobsuche Ein Mann der anderen Art Mein Beschützer Die letzten Stunden eines Mannes Verkauft Die Gouvernante Der Maharadscha Auf dem Prüfstand Aus- und Einblicke Der große Empfang Der tamilische Tiger Entführt Syrakus im Jahr 3871 Der Tod kommt in der Nacht Auf nach Palermo Doktor Grandini und ihr erstes „No“ Doktor- und Wasserspiele Königliche Hoheit und der Ehemuffel Das Weichei Sieben Tage, sieben Nächte sind nun vorbei Eine schnelle Entscheidung und ihre katastrophalen Folgen Das Urteil und die Vollstreckung Warum musste ich leiden? Trauminsel, Traumstrände, Traummänner Ohne Abschied gehen? Noch einmal Antigo, südlich von Rio de Janeiro

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Impressum

Hardy Manthey

Die Zeitreisende 7. Teil

Die Macht der Unsterblichen

Ein fantastischer Roman

2., stark überarbeite Auflage

ISBN 978-3-86394-867-2 (E-Book)

Titelbild: Ernst Franta unter Verwendung einer Reproduktion der Gemälde "Kreuzabnahme" und "Schädel Adams am Berge Golgatha" von Fra Angelico

© 2012, 2017 EDITION digital® Pekrul & Sohn GbR Godern Alte Dorfstraße 2 b 19065 Pinnow Tel.: 03860 505788 E-Mail: [email protected] Internet: http://www.edition-digital.de

Prolog

Die ferne Welt des Planeten, auf dem die Frauen herrschten, hat unsere Zeitreisende nun verlassen. Die Erfahrung, dass die Macht in den Händen der Frauen nicht automatisch Glück und Wohlstand für die Menschen bedeutet, nimmt sie mit. Herrschaft über das andere Geschlecht bedeutet also auch immer Ungleichheit und Ausbeutung des Menschen durch den Menschen. Auch weiß sie nun, dass der Überlebenskampf eine wichtige Triebfeder des Fortschritts ist. Versinkt eine Gesellschaft in Stagnation und begnügt sich mit dem Wenigen, was sie erzeugt hat, ist der schleichende Untergang schon in Sicht. Die Welt des vierten Jahrtausends wartet in dem vorliegenden Teil auf sie. Ist es der Blick in eine leuchtende Zukunft oder darf Aphrodite dem Untergang der Menschheit zuschauen? Begleiten Sie die Zeitreisende in eine Zukunft, die sich wohl niemand so wünscht!

Viel Vergnügen

Der Autor

Mai 3871, Brasilien, Antigo, Stadt südlich von Rio de Janeiro

Wieder hat Aphrodite dieses Kribbeln im Bauch, bevor sie die Augen aufmacht. Die grüne Flüssigkeit umschmeichelt sie wie das Fruchtwasser ein ungeborenes Kind. Auch dieses Mal hat sie das Gefühl, erst vor wenigen Minuten die Augen nach dem Einsteigen in den Sarkophag geschlossen zu haben. Doch dieses Mal gibt sie sich diesem trügerischen Gefühl nicht hin. Sie weiß, dass es nicht stimmt. Aphrodite taucht aus der Flüssigkeit auf und hustet deren Reste aus. Sie sieht Marotti vor sich stehen, gerade so, wie sie ihn kurz vor dem Einsteigen in den Sarkophag noch erblickt hatte.

Marotti lächelt sie an: „Hallo, Aphrodite, wie fühlst du dich? Du siehst gut aus!“

„Ich fühle mich wie neu geboren. Sind wir schon auf der Erde?“, fragt Aphrodite, streckt sich noch einmal mit geschlossenen Augen und spürt intuitiv dabei, wie Marotti sie von oben bis unten taxiert.

Verärgert schlägt sie die Augen auf und fragt: „Ist was?“

Marotti schüttelt nur mit dem Kopf, reicht ihr einen einfachen Rock, Unterwäsche und eine dünne Bluse: „Du siehst verteufelt gut aus. Geh wieder unter die Dusche und zieh das hier bitte gleich an!“

Flink geht Aphrodite unter die Dusche und spürt und sieht beim Duschen an ihrem Körper deutliche Veränderungen. Aufgeregt stellt sie sich nach der ausgiebigen Dusche vor den Spiegel und ist mit ihrem Ebenbild höchst zufrieden. Der üppige Hintern, das breite Becken und das kleine Bäuchlein sind einfach weg. Sie ist ganz nach den Wünschen der Männer von den Herren der Zeit geformt worden. Erinnerungen an die Zeit kommen in ihr hoch, als sie in der fernen Antike für Telemachos auch so völlig nackt Modell stehen musste. Ja, so muss sie damals ausgesehen haben. Ihr Busen war damals auch so schön fest und rund. Sie ist schön. Ist das gut? Aphrodite tastet ihre Brüste ab. Sie scheinen tatsächlich ein reines Naturprodukt zu sein. Skeptisch fragt sie: „Ist mein Busen echt? Geformt ganz ohne künstliche Zutaten?“

„Alles an dir, Aphrodite, ist reine Natur. Du bist ein Männertraum aus Fleisch und Blut! Besser geht es wirklich nicht mehr. So schön und formvollendet wie du uns gelungen bist, wird es kaum eine zweite Frau auf der Erde geben!“, erklärt Marotti stolz.

Tatsächlich! Aphrodite ist von ihrem Spiegelbild begeistert. Auch ihr blondes Haar ist schön gewachsen und fällt in Tausenden Locken auf ihre nackten Schultern. Selbstverliebt dreht sie sich eine ganze Weile begeistert vor dem Spiegel. Sie kann sich an ihrem schönen Körper gar nicht sattsehen. Die Herren der Zeit haben sich bei ihr wirklich alle erdenkliche Mühe gegeben. Als Frau ist man sonst nie so richtig mit sich selbst zufrieden. Doch heute wurden alle ihre Erwartungen schlichtweg übertroffen.

Begeistert flötet Aphrodite: „Das habt ihr wirklich toll hinbekommen. Danke!“

„Wir sind auch richtig stolz auf uns, aber nun zieh dich bitte endlich an! Deine unglaubliche Schönheit verwirrt uns!“, erwidert Marotti schon ungeduldig.

Sie dreht sich noch einmal vor dem Spiegel und greift dann nach den Sachen.

Sie betrachtet die Kleidung kritisch und fragt dabei: „Das Zeug sieht aber nicht so aus, wie ich mir die Kleidung der Menschen des vierten Jahrtausends vorgestellt habe. Was sind das nur für Lumpen? Da war ja mein Festgewand am Abschiedsabend in der Oase von deutlich besserer Qualität!“

„So rosig, wie du dir die Zukunft der Menschen vorstellst, ist sie leider nicht. Du wirst eher einen tiefen Schock erleben. Ich muss dich darauf unbedingt vorbereiten. So ohne wichtige Informationen kann ich dich nicht in diese Welt entlassen!“

Sie greift nach dem Slip, streift ihn über und sucht den BH.

Marotti behauptet: „Dein perfekter Busen braucht keinen BH. Okay!“

Sie nickt nur. Der Rock ist ziemlich kurz. Ohne BH heben sich jetzt aber ihre Brustwarzen deutlich unter der dünnen Bluse ab. Aphrodite dreht sich wieder nach dem Spiegel um.

Kritisch betrachtet sie sich und behauptet: „So ärmlich war ich nicht einmal als Sklavin in der Antike gekleidet. Marotti, ihr müsst mir wirklich viel erklären. Ist das nicht zu schräg, wenn die Männer meine Brustwarzen so deutlich sehen können? Oder laufen hier die Frauen gar oben ohne herum?“

Marotti schweigt, gibt ihr mit einem Handzeichen zu verstehen, dass sie ihm folgen soll. Sie kommen wieder in den Raum mit der Schleuse. Das Wasser vor ihr schimmert wie immer in einem hellen Grün.

„Muss ich wieder aus dem Wasser auftauchen?“, fragt Aphrodite überrascht.

Marotti nickt und erklärt: „Ja, das musst du. Am Ufer steht in gut einer Stunde eine junge Frau, die dir sehr ähnlich ist. Sie ist schwer krank. Sie leidet unter fortgeschrittenem Brustkrebs und würde ohne Hilfe bald sterben!“

„Brustkrebs ist doch heilbar. Warum ist sie nicht in einem Krankenhaus?“, fragt Aphrodite erstaunt.

„Sie ist sehr arm. Eine Behandlung kann sie sich nicht leisten. Du musst sie davon überzeugen, dass sie mit dir ins Wasser geht und hier im Sarkophag geheilt wird. Das wäre sozusagen die Gegenleistung dafür, dass du für eine begrenzte Zeit ihre Identität annimmst!“

„Was ist, wenn die Frau nicht auf den Handel eingeht, sie es schlicht nicht will?“, fragt Aphrodite und zweifelt am Erfolg des typischen Männerplans. Die Männer haben doch wirklich keine Ahnung von Frauen. Vielleicht muss die Ärmste für ihre Kinder oder ihre kranken Eltern sorgen? Eine Frau geht nicht so Knall und Fall mit irgendjemandem mit. Schon gar nicht, wenn sie dabei in die Tiefe tauchen muss.

Marotti antwortet gleichgültig: „Dann warten wir hier unten ab, bis sie tot ist und du nimmst erst dann ihren Platz ein!“

„Marotti, so etwas will ich nicht noch einmal hören! Habt ihr Männer denn gar kein Herz? Außerdem hattet ihr mir versprochen, dass ich bereits in drei Monaten zurück ins dreiundzwanzigste Jahrhundert reisen kann! Ich nehme euch heute beim Wort. Noch einmal zwanzig Jahre möchte ich hier in dieser Welt nicht leben!“, protestiert Aphrodite energisch.

Marotti ist siegessicher: „Ich sehe keine Probleme, mein Wort zu halten. Du musst sie doch nur zu ihrem Glück überreden! Sozusagen von Frau zu Frau. Dass ein Mann sie nicht überreden kann, haben wir inzwischen schon von dir gelernt. Ich zweifle überhaupt daran, dass wir euch Frauen jemals verstehen werden. Darum sind wir auch so überglücklich, dich zu haben! Du bist eben unsere Beste!“

Aphrodite lässt sich von seinem Gerede rumkriegen und sagt schon versöhnlicher: „Schmeichler, Heuchler! Gut, einverstanden, aber erklär mir bitte, was im vierten Jahrtausend so schief gelaufen sein soll, denn der billige Fummel lässt wirklich nichts Gutes erahnen!“

„Gut, werden wir jetzt konkret. Dort, wo die Frau am Wasser steht, ist Südamerika. Wir sind hier an der Küste vor Antigo. Das ist ein Stadtteil von Rio de Janeiro. Es ist Anfang Mai 3871! Die Welt wird von einer kleinen Schicht superreicher Männer beherrscht. Es sind nur ein paar Tausend unsterbliche Männer. Aber sie haben auf der Erde die Macht an sich gerissen. Die zwei oder drei Frauen mit etwas Macht können wir getrost unter den Teppich der Geschichte kehren. Du hast richtig gehört, diese Männer sind allmächtig und obendrein auch noch unsterblich. Sie regieren schon seit drei Jahrhunderten. Jede notwendige Arbeit in dieser Welt wird ausschließlich von intelligenten Maschinen verrichtet. Die knapp drei Milliarden Menschen auf der Erde werden von diesen Maschinen Tag und Nacht überwacht.“

„Ihr scherzt, das kann nicht sein. Wir sollen nur noch drei Milliarden Menschen sein?“, unterbricht Aphrodite ihn geschockt. Der Mann kann mit seiner Behauptung nur gelogen haben. Niemand kann sechs Milliarden Menschen einfach so auslöschen! Keine Macht ist zu solchen Verbrechen fähig! Das kann nur eine Lüge sein!

Marotti lächelt und erklärt weiter: „Diese drei Milliarden Menschen werden nicht nur von diesen Maschinen ernährt. Nein, die unsterblichen Männer und diese Maschinen entscheiden darüber, wer von ihnen es wert ist, am Leben erhalten zu werden. Dazu sind die einfachen Menschen dem Willen und den Launen der Superreichen wehrlos ausgeliefert. Arbeit gibt es nur im Dienstleistungssektor und im Staatsapparat. Die meisten sind auf Zuteilungen von Lebensmittelmarken und Bezugsscheinen für Sachwerte angewiesen. Nur wer den Mächtigen bedingungslos dient, erhält bescheidene Vergünstigungen. Die Beamten, die Politiker aller Ebenen und die Polizei sind durch und durch korrupt. Allmächtige Medien, Drogen, Sportwetten und Prostitution sind an der Tagesordnung. Die große Masse der Bevölkerung geht keiner geregelten Arbeit nach. Die meisten Menschen haben keine Aussicht auf irgendeine Verbesserung ihrer Lebenssituation. Sie sind zur Untätigkeit verdammt. Es hungert hier aber niemand. Alles gibt es im Überfluss. Die Menschen werden bewusst in Unwissenheit und gesteuerter Passivität gehalten. Universitäten und Forschungsstätten gibt es wohl noch, aber darüber wissen wir nicht viel. Forschung und Forschungsziele werden streng geheim gehalten. Durch die geringen Bildungschancen und die allgegenwärtige Überwachung durch die Mächtigen sind die einfachen Menschen kontraproduktiv geworden. Manipulierte Medien und vor allem die vielen gigantischen Sportveranstaltungen halten sie unter Kontrolle und von den wirklichen Problemen dieser Welt fern. Drogensucht und Gewalt sind allgegenwärtig. Die Männer sind der Spielsucht und dem Alkohol verfallen. Alle Männer erhalten genug Geld und Gutscheine, dass sie alleine relativ gut leben können. Frauen erhalten grundsätzlich nur halb so viel Geld und auch weniger Bezugsscheine. Für ihr erstes Kind gibt es auch noch Geld. Alle weiteren Kinder erhalten erst als Erwachsene getrennt nach Geschlecht Zuwendungen. Frauen können also nur ihren Körper verkaufen, um sich und ihre Kinder zu ernähren. Schöne Frauen sind eine begehrte Handelsware. Die Unsterblichen suchen ständig nach frischem Fleisch. Du wirst also schnell ihre Aufmerksamkeit erregen!“

„Darum habt ihr mich gewarnt, es mit der Schönheit nicht zu übertreiben!“, unterbricht Aphrodite Marottis Rede.

Marotti nickt und erklärt weiter: „Du wirst sicher mit deiner auffallenden Schönheit Probleme bekommen. Doch jetzt muss ich dir diese Welt weiter erklären. Es geht also auch hier nicht voran. Dazu sind riesige Gebiete der Erde durch Raubbau, Umweltverschmutzung und gewaltige Umweltkatastrophen stark geschädigt. Manche Gebiete sind für den Menschen sogar gänzlich unbewohnbar geworden. Sie leben fast ausschließlich in sogenannten Megastädten. Allein im Großraum Rio leben dreißig Millionen. Es gibt aber auch Städte und Ballungszentren, in denen über einhundert Millionen leben. Dazu musst du wissen, dass sich durch den weltweit gestiegenen Meeresspiegel die Weltkarte stark verändert hat. Auch durch gewaltige Fluten, gigantische Erdbeben und Dutzende zum Teil katastrophale Vulkanausbrüche hat sich das Gesicht der Erde in den letzten zweitausend Jahren sichtbar verändert. Es traf Tausende kleine Inseln und Küstenlandschaften. Bekanntes und Liebgewonnenes aus deiner Zeit ist in den größer gewordenen Meeren einfach versunken. Die anfänglich kläglichen Versuche, durch Fluten von tiefer gelegenen Landflächen dem stetig steigenden Meeresspiegel entgegen zu wirken, waren so gut wie nutzlos. Sie haben nur zusätzlich einmalige Landschaften und Regionen zerstört oder besser gesagt unter Wasser gesetzt. Weil die Erde so geschädigt ist und die Lebensbedingungen und die Gesundheitsversorgung der einfachen Menschen nicht einmal den Stand des zwanzigsten Jahrhunderts erreichen, schrumpft die Weltbevölkerung unaufhaltsam. Um die dritte Jahrtausendwende ist die Weltbevölkerung innerhalb eines Jahrhunderts durch verheerende Pandemien von einstmals knapp elf Milliarden auf vier Milliarden Menschen geschrumpft. Die drei Milliarden Menschen heute sind das Ergebnis der Politik der herrschenden Kaste der letzten drei Jahrhunderte. Die superreichen Unsterblichen leben abgeschieden auf einigen Inseln. Sie leben in für dich unvorstellbarem Luxus. Diese Unsterblichen sind an keiner weiteren Entwicklung der Menschheit interessiert. Von einer Weiterentwicklung der Produktivkräfte ist also schon lange keine Rede mehr. Die gesamte Raumfahrt ist zum Erliegen gekommen. Es gibt nur noch einige Satelliten in der Umlaufbahn der Erde für Fernsehsender und zur Überwachung des Wetters. Das Abwehrsystem gegen Asteroiden oder Meteoriten existiert zwar noch, ist aber völlig veraltet. Nein, das Zeug ist Schrott. Wie und ob es überhaupt weiter geht, wissen wir nicht. Das sollst du für uns herausfinden. Finde für uns heraus, was wirklich auf der Erde los ist. Wir hoffen, durch deine Nähe zu den Menschen, durch deine Vor-Ort-Recherche Näheres zu erfahren. Die Medien bringen leider nur Sportnachrichten und den aktuellen Wetterbericht. Was wirklich in allen Teilen der Welt los ist, erfährt man dort nicht. Konkrete Nachrichten über das Leben der Menschen gibt es praktisch nicht mehr. Es scheint auch keinen Menschen mehr zu interessieren. Suche Kontakt zu den einfachen Menschen und erkunde Schwachstellen der Unterblichen. Gibt es Widerstand gegen die Herrschenden? Sind diese Kräfte vielleicht im Untergrund aktiv?“

Aphrodite ist geschockt und klagt: „Oh Gott, was ist das für eine Welt!“

„Das wüssten wir auch gerne“, meint Marotti.

Aphrodite nachdenklich: „Gut, ich bin bereit. Die drei Monate Hölle auf Erden werde ich schon überstehen.“

„Ich wünsche dir viel Glück! Übrigens wird nur noch englisch gesprochen. Alle anderen Sprachen wurden vor einigen Jahrhunderten verboten. Zumindest darf im öffentlichen Leben nur noch englisch gesprochen werden.“

„Soll ich die Sachen wieder ausziehen?“, fragt Aphrodite unsicher.

„Du kannst sie anbehalten. Es ist warm dort draußen. Der Wind wird deine Sachen schnell trocknen.“

„Warm ist es wenigstens. Gut, lass mich aufbrechen!“, erwidert Aphrodite, holt tief Luft und springt kopfüber in das Wasser. Nach einigen kräftigen Schwimmbewegungen hat sie die Wasseroberfläche erreicht. Das Ufer ist wirklich nicht weit. Nur die hohe Brandung des Atlantiks macht ihr etwas Sorgen. Doch der Trick abzutauchen, erspart ihr viel Mühe. Sie steht bis zu den Knien im Wasser und sieht, dass gleich hinter dem Strand eine Straße sein muss. Doch nur wenige Fahrzeuge fahren in beide Richtungen. Dahinter sind Häuser zu sehen, die in einem schlechten Zustand sind. Der Horizont ist nur ein Nebel aus Häusern und vielleicht Bäumen. Wenigstens der Himmel über ihr ist zum Glück blau. Sie dreht sich um und sieht die Sonne aufgehen, als sei die Zeit stehen geblieben. Ist sie wirklich im vierten Jahrtausend?

Aphrodite ist überrascht, denn am Wasser sitzt tatsächlich auf einem Stein eine blonde Frau.

Sie wurde bereits von der Frau bemerkt und wird wohl sehr aufmerksam beobachtet.

Eine Welle trägt Aphrodite fast spielerisch an den Strand und direkt vor die Füße der Frau.

Die Frau fragt in englischer Sprache: „Wo kommst du denn so plötzlich her?“

„Hallo, ich bin Aphrodite und komme, wie du ja selbst gesehen hast, aus dem Meer. Ich möchte mit dir sprechen!“, begrüßt Aphrodite die junge Frau und stellt dabei tatsächlich eine gewisse Ähnlichkeit mit der Frau fest.

Das hat auch die junge Frau bemerkt. Schweigend betrachten sie sich einen Moment lang.

Dann aber erklärt die junge Frau abweisend: „Was habe ich mit einer fremden Frau zu besprechen? Vor allem dann, wenn sie angeblich aus dem Meer kommt. Ich habe kein Geld und besitze nur das, was ich auf dem Leib trage. Also lass mich bitte in Ruhe!“

Aphrodite lächelt sie gewinnend an und versichert: „Geld brauche ich nicht. Aber ich will und kann dir helfen. Ich weiß, dass du sehr krank bist. Du hast Brustkrebs, leider schon recht fortgeschritten. Ich verspreche dir, nein, ich garantiere dir schnelle und vor allem eine erfolgreiche Heilung. Nicht nur das verspreche ich dir. Du wirst wieder in eine sehr schöne Frau verwandelt. Die Männer werden dich alle lieben. Genug Geld für ein sorgloses Leben gebe ich dir auch noch mit, wenn du wieder gesund bist!“

„Woher weißt du von meiner Krankheit? Bist du eine Wunderheilerin? Kannst du hellsehen? Was soll die Heilung denn kosten?“, fragt die Frau schon deutlich interessierter.

Aphrodite nimmt die Frau an die Hand, blickt ihr in die Augen und versichert: „Dich wird die Heilung nichts kosten. Ich will in der Zeit deiner Heilbehandlung deine Identität annehmen und diese für mich fremde Welt kennen lernen!“

Die Frau winkt ab und spottet: „Ach so, du bist eine von diesen bösen Außerirdischen. Ihr wollt die Erde erobern und mit Monstern besiedeln! Du bist also so ein künstliches Wesen. Eine Art weiblicher Alien. Darum bist du auch so perfekt gebaut, denn keine normale Frau ist so vollkommen wie du!“

Aphrodite muss lachen. So unrecht hat die Frau gar nicht. Ihr die wahre Geschichte zu erzählen, bringt beide Frauen nicht weiter. So etwas Ähnliches wie eine Außerirdische ist sie schon für die Menschen, für die Frau hier. Sie kommt tatsächlich aus einer anderen Welt. Noch ferner, als die fremde junge Frau es sich überhaupt vorstellen könnte.

Betont sachlich erklärt sie: „Wenn es so wäre? Hast du etwas zu verlieren? In drei oder vier Monaten bist du ohne unsere Hilfe tot. Du kannst durch unsere Macht doch nur gewinnen. Nicht nur gesund, sondern auch vermögend bist du dann. Ein völlig neues Leben beginnt dann für dich!“

„Wollt ihr diese verdreckte Erde etwa erobern? Es lohnt sich nicht für euch. Ich selber habe nichts dagegen. Schlimmer kann es doch nicht werden!“, spottet die Frau, geht dabei um die immer noch nasse Aphrodite herum, greift nach deren Busen und tastet ihn derb ab.

Die Frau scheint an ihrer Echtheit als Frau zu zweifeln. Mit einem Griff hebt Aphrodite ihre Bluse hoch und zeigt der Frau stolz ihre nackten Brüste. Sie lächelt sie an und behauptet: „Du siehst richtig, ich bin ein Mensch, ich bin eine Frau wie du! Meine Brüste sind schön fest. Solche Brüste hast du auch, wenn du geheilt bist. Soll ich dir auch noch meinen ganzen Körper zeigen? Ich habe damit keine Probleme. Bei mir ist alles da, wo es Mutter Natur uns Frauen zugeordnet hat. Ich bin eine Frau wie du, nur eben kerngesund und perfekt gebaut!“

„Nicht nötig, dass du mir alles von dir zeigst. Was ich von dir sehe, genügt mir. Ich beneide dich um deinen schönen perfekten Körper!“, erwidert die Frau unverhohlen neidisch.

Aphrodite glaubt jetzt, dass die Frau tatsächlich auf ihr Angebot eingehen könnte und fragt: „Sag mir lieber, wer du bist.“

Die Frau lächelt und erklärt: „Ich heiße mit Vornamen auch Aphrodite. Mit vollem Namen werde ich Aphrodite Dolores Montes genannt. Ich bin geschieden und habe zum Glück keine Kinder von meinem Ex.

Dem Richter genügte als Trennungsgrund meine Behauptung, dass mein Mann mich zwingen wollte, mich an fremde Männer zu verkaufen. Für alle Männer sind wir nur Besitz und Handelsware. Nach der Scheidung bin ich wieder zu meiner Mutter gezogen. Vor zwei Wochen wurde ich von Polizisten kontrolliert und von ihnen registriert. Sie haben mir gesagt, dass ich zu den Unsterblichen muss. Diese übermächtigen geilen Böcke sind ständig auf der Suche nach neuen schönen Frauen!“

Aphrodite fragt neugierig: „Du sollst wirklich zu den Unsterblichen?“

„Es ist so! Schon in fünf Tagen muss ich im Polizeidistrikt von Antigo erscheinen. Wenn ich nicht hingehe, werden meine ohnehin mageren Zuteilungen noch einmal drastisch gekürzt!“, erklärt die junge Frau. Ihr ungewisses Schicksal nimmt sie sichtlich gleichgültig hin.

„Was bedeutet das konkret für dich?“, fragt Aphrodite, denn es wird ihr Schicksal sein, wenn der Tausch gelingt.

Die Frau geht immer noch langsam um Aphrodite herum. Sie betrachtet sie mit offenem Neid. Dann lacht sie laut auf und spottet: „Du bist sehr schön. Dein Busen ist mehr als nur perfekt. Wenn du für mich dort hingehst, wirst du den Unsterblichen dienen müssen! Sie werden sich auf dich stürzen und dich nach allen Regeln der Kunst missbrauchen. Das tun sie so lange, bis du tot bist! Denn nur sehr selten ist eine Frau lebend zurückgekehrt. Mich dagegen, mit meinem Brustkrebs, schicken sie einfach weg. Darum wirst du kaum freiwillig meinen Platz einnehmen wollen! Der Deal ist also geplatzt. Geh zurück ins Meer. Geh zurück in deine ferne Welt. Vergiss diese heruntergekommene Welt möglichst schnell. Es lohnt sich nicht, uns zu erobern. Was wollt ihr mit diesem Müllplaneten!“

Aphrodite ist für einen Moment tatsächlich unschlüssig. Soll sie den Männern wieder als Hure dienen? Wenn es stimmt, ist es tatsächlich kein Vorzug. Aber es ist nicht gesagt, dass sie auch tatsächlich ausgewählt wird. Ihre innere Stimme sagt ihr aber, dass es doch so sein wird. Sie belügt sich nur, wenn sie glaubt, von den Unsterblichen nicht genommen zu werden. Dafür haben sie also die Herren der Zeit so perfekt gebaut. Sie soll zu den Unsterblichen. Das ist gemein. Ihre eigene Eitelkeit ist ihr wieder zum Verhängnis geworden. Natürlich ist sie nicht bereit, auf ihren schönen Körper zu verzichten. Niemals! Etwas unsicher antwortet sie: „Wenn es sein muss, gehe ich auch für dich als Prostituierte zu den Unsterblichen. Wenn es dich nicht stört, dass du nach deiner Genesung eine Hure bist, können wir jetzt unsere Plätze tauschen!“

Die Frau wirkt jetzt wirklich erstaunt und fragt zweifelnd: „Du bist eine außerirdische Hure? Du hast dich schon an Männer verkauft? Unglaublich! Bei den Aliens gibt es auch Huren? Das ist verrückt. Ein hübsches Gesicht und die Figur für dieses miese Geschäft hast du! Wenn ich wirklich gesund werden sollte, kann ich auch mit dem Ruf leben, ganz offiziell eine Hure zu sein. Ich habe mich schon für eine Flasche Rum an Männer verkauft und war bei der Auswahl der Männer nie wählerisch. Mitten im vollen Stadion habe ich es schon einmal mit so einen Schwein getan. Seinem Angebot, vier Eintrittskarten für das Masterspiel zu bekommen, konnte ich einfach nicht widerstehen. Die Hoffnung, seine Manneskraft würde bei den vielen Gaffern versagen, erfüllte sich leider nicht. Die verdammten Böcke können es leider immer und überall. Verrecken sollen sie alle. Okay, es gibt genug Frauen, die tun es schon für eine einzige Eintrittskarte. Das viele Geld war schnell weg, das schlechte Gewissen quälte mich länger. Erst die Beichte und die auferlegte Buße hat mich von der Schuld befreit!“

„Du bist Katholikin?“, fragt Aphrodite und erinnert sich, dass die meisten Menschen in Südamerika tief gläubige Katholiken sein sollen.

Die Frau fragt sichtlich überrascht: „Bist du keine Katholikin?“

„Hallo, ich bin eine Außerirdische. Schon vergessen?“, erklärt Aphrodite schmunzelnd. Sie kommt sich selbst albern dabei vor. Aber die Wahrheit würde die Unglückliche sowieso nie begreifen.

Die Frau: „Ich dachte, dass Gott überall ist und … äh … dann ist es wohl anders.“

Aphrodite glaubt sich am Ziel und fragt die Frau: „Kommen wir beide nun ins Geschäft? Meine Traumfigur bekommst du von uns gratis zur kompletten Heilung noch dazu!“

Sie zieht sich jetzt doch ganz nackt vor der Frau aus. Alle Mittel sind ihr recht.

Die Frau ist sichtlich beeindruckt und erklärt nach kurzer Überlegung mit begehrlichem Blicken: „Du bist umwerfend schön. Gut, wenn du eine Hure bist, dich freiwillig an die Männer verkaufst, dann geh doch zu den Unsterblichen. Von mir aus gilt der Tausch gleich jetzt. Wenn du für mich zu ihnen gehst, kann tatsächlich etwas aus unserem Tauschhandel werden, denn die wenigen zurückgekehrten Huren erhalten eine bessere Zuteilung und ich kann meine Mutter endlich ausreichend unterstützen!“

„Obendrein kehrst du als gesunde und um Jahre jüngere Frau hierher zurück an den Strand! Der perfekte Frauenkörper wird, wie du an mir erkennen kannst, gleich mitgeliefert. Versprochen!“, behauptet Aphrodite, ehrlich davon überzeugt.

Die Frau ruft begeistert: „Diese schönen Brüste will ich auch haben. Was muss ich jetzt dafür tun?“

Erleichtert zieht sich Aphrodite wieder an. Die Eitelkeit der Frau hat wieder über die Angst und vor allem über die Vernunft gesiegt. Vom berühmten Patriotismus der Amerikaner, gegen die bösen Außerirdischen mit allen Mitteln vorzugehen, ist auch nichts mehr übrig geblieben. Die Frau will ihr tatsächlich folgen, stellt Aphrodite erleichtert fest.

Sie reicht der Frau ihre Hände. Etwas zögerlich nimmt sie Aphrodites Hände an. Beide blicken sich in die Augen und Aphrodite bittet: „Bitte erzähl mir, wo du wohnst und wie deine Mutter heißt. Deine Papiere brauche ich auch. Dazu einige Hinweise zu deinem Umfeld, damit ich nicht zu sehr als Außerirdische auffalle!“

Die Frau holt aus ihrer Bluse eine abgegriffene Plastikkarte, übergibt sie ihr und sagt dabei: „Meine Mutter ist eine gewisse Mercedes Montes und ist seit zwei Jahren blind. Ein Roboter pflegt sie seitdem. Wer älter als fünfzig Jahre ist, bekommt keine teure OP mehr. Ich müsste mich von hunderttausend Männern gegen Bares ficken lassen, um die Augenoperation für sie zu bezahlen!“

Aphrodite ist enttäuscht: „Du hast dich also auch schon verkauft. Das mit deiner Mutter tut mir aufrichtig leid.“

„Ich kenne keine Frau, die noch nie ihren Körper verkauft hat. Alle Frauen haben sich hier irgendwann in ihrem beschissenen Leben aus der tiefsten Not heraus verkauft. Wir Frauen haben keine andere Wahl!“, behauptet die Frau.

Aphrodite ist entsetzt und fragt ungläubig: „Ist denn Brasilien kein katholisches Land mehr? Ist die Prostitution jetzt etwa legal?“

Die Frau lacht bitter und erwidert: „Für Geld ist alles erlaubt. Natürlich ist Prostitution streng verboten! Prostitution wird sogar sehr hart bestraft. Das freut die Polizei besonders. So wird schnell ihr mageres Gehalt auf Kosten von uns Frauen aufgebessert!“

„Ich muss also die Polizei fürchten?“, fragt Aphrodite zweifelnd.

Die Frau nickt, dreht sich aber jetzt zu den Häusern an der Straße um. Sie zeigt mit der Hand zu den Häusern und erklärt: „Es ist das Haus dort drüben, das mit dem spärlichen Rest von gelber Farbe an der Wand. Dort wohnen meine Mutter und ich. Ich habe oben ein kleines Zimmer. Seit meiner Scheidung habe ich keinen Kontakt mehr zu den Leuten in Rio. Die Männer wollen eh nur, dass ich für sie anschaffen gehe. Sie brauchen Geld, damit sie zu den Spielen in die Stadien können. Noch mehr Geld brauchen sie für ihre bescheuerten Wetten. Es gewinnt eh nur das Wettbüro. Ich hasse die Männer dafür. Ich will mit diesen Idioten nichts mehr zu tun haben. Geh den Männern am besten aus dem Weg! Auch die Trottel hier im Kaff können für dich richtig gefährlich werden!“

„Ist das alles?“, fragt Aphrodite. Für sie ist jetzt klar, ihr Auftrag hier wird kein Kinderspiel werden.

Die Frau nachdenklich: „Sicher habe ich vieles vergessen. Aber ich weiß auch nicht, was du nicht weißt!“

„Dann komm mit ins Wasser. Dort hinten, wo ich aufgetaucht bin, ist dein Platz, wo du geheilt wirst. Unter der Wasseroberfläche liegt ein Raumschiff. Sie warten dort schon auf dich!“, erklärt Aphrodite und freut sich, dass die Frau so schnell zugestimmt hat. Auch wenn das Gehörte ihr einen gewaltigen Schrecken eingejagt hat. Doch jetzt kann alles nach Plan ablaufen.

Aphrodite geht jetzt wieder zurück ins Wasser. Sie dreht sich verwundert um, weil die Frau ihr nicht folgt.

„Ich kann nicht schwimmen!“, erklärt die Frau und spielt verlegen mit den nackten Füßen im Sand.

Aphrodite überlegt kurz und fragt: „Wirklich nicht? Du lebst am Traumstrand von Rio und kannst nicht schwimmen? Schlimm, aber kein Problem. Komm, halte dich an mir fest und folge mir einfach. Draußen musst du nur einmal tief Luft holen und mit mir ein kurzes Stück in die Tiefe tauchen!“

Tatsächlich folgt die Frau ihr jetzt ins Wasser. Wie ein Affe klammert sie sich an Aphrodite fest. Im tiefen Wasser strampelt sie tatkräftig mit Armen und Beinen und unterstützt sie, stellt Aphrodite erleichtert fest. Sie ist wohl eher nur sehr unsicher im Wasser. So haben sie doch recht schnell den Platz über dem Raumschiff erreicht.

Als sie über dem Raumschiff sind, erklärt Aphrodite der Frau: „Schau, siehst du das grüne Licht dort? Hol gleich tief Luft, schließe Mund und Augen fest. Wenn ich „jetzt“ sage, tauchst du mit mir nach unten ab! Hast du mich verstanden?“

Die Frau nickt und atmet hektisch, blickt dabei nach unten und sagt: „Wow, ich sehe tatsächlich ein grünes Licht. Okay, ich bin bereit!“

„Jetzt!“, sagt Aphrodite und taucht mit ihr in die Tiefe.

Als Aphrodite mit ihr in der Schleuse auftaucht, sagt die Frau nach mehreren heftigen Atemzügen: „Wow, das ist ja wirklich ein Raumschiff! Ist ja irre. Ist das toll!“

Beide Frauen steigen aus dem Wasser und weil Marotti nirgendwo zu sehen ist, geht sie mit der Frau zusammen zum Sarkophag.

Mit offenem Mund bleibt die Frau vor dem Sarkophag stehen und fragt: „Was ist das? Soll ich dort etwa hinein?“

„Ja, dort muss du hinein. Wenn du später aufwachst, bist du gesund und kommst auf dem gleichen Weg zurück nach Hause!“, erklärt Aphrodite überzeugt, denn sie weiß, dass der Sarkophag wahre Wunder vollbringen kann.

„Ich habe Angst!“, erklärt die Frau jetzt wieder unsicher.

Aphrodite: „Du braucht keine Angst haben. Du musst dich nur nackt ausziehen, vorher unter die Dusche gehen und dich dann hineinlegen. Die warme Flüssigkeit kannst du unbesorgt einatmen. Du wirst sehen, es ist wunderbar!“

„Mach es mir vor. Ich will sehen, dass nichts Gefährliches passiert. Nicht, dass es eine Säure ist und mich tötet!“, verlangt die Frau immer noch skeptisch.

Aphrodite nickt zustimmend und zieht sich auch wieder aus.

„Zieh dich auch aus. Wir gehen gemeinsam unter die Dusche!“, fordert Aphrodite die Frau auf.

Als Aphrodite wieder ganz nackt vor der Frau steht, behauptet sie: „Gott, bist du schön. Ich sehe dich jetzt schon bei den Unsterblichen!“

Jetzt zieht sich auch die Frau aus. Unter dem Kleid trägt sie keine Unterwäsche. Aphrodite stellt fest, dass die Frau auch einen schönen Körper hat. Unter der Dusche seifen sie sich gegenseitig ein. Sie lachen und haben viel Spaß dabei.

Nach der Dusche steigt Aphrodite in den Sarkophag.

Sie taucht kurz ganz unter und steigt wieder heraus.

Die Frau beobachtet alles skeptisch. Sie fragt: „Bekomme ich wirklich so eine tolle Figur wie du?“

„Meine Figur hast du hinterher auch. Das macht der Sarkophag auch gleich mit!“, erklärt Aphrodite und duscht sich schnell die grüne Flüssigkeit ab. Aphrodite fordert: „Jetzt kommt dein Teil der Abmachung!“

Die Frau ist zwar sehr aufgeregt, aber scheint Aphrodite jetzt zu vertrauen: „Du hast mich überzeugt. Was geschieht mit mir, wenn ich drinnen liege?“

„Du wirst sehr schnell einschlafen. Wenn du aufwachst, bin ich wieder hier. Du kannst dann deinen Platz in deiner Welt als völlig gesunde und vor allem sehr schöne Frau wieder einnehmen!“, erklärt Aphrodite.

Die Frau nickt jetzt nur noch und steigt überraschend schnell in den Sarkophag. Schnell lässt sie sich in die warme Flüssigkeit sinken und es dauert nur Sekunden, bis sie völlig untergetaucht ist.

Jetzt ist Marotti plötzlich hinter Aphrodite und jubelt: „Du bist brillant. Dass die Frau so schnell einwilligt, hatte ich nicht erwartet!“

Langsam schließt sich jetzt der Sarkophag vor Aphrodites Augen. Nur ein paar Lämpchen verraten ihr, dass das Gerät aktiv ist.

„Warum hast du mich eben mit der Frau alleine gelassen?“, fragt Aphrodite verärgert.

„Sie hätte mich doch sowieso nicht gesehen!“

Das leuchtet Aphrodite ein und sie meint: „Dann schwimme ich mal wieder zurück in diese verrückte Welt! Begleitet ihr mich? Es ist eine sehr gefährliche Welt. Dass vielleicht Hurendienste wieder auf mich warten, wisst ihr sicherlich auch schon!“

„Dass Prostitution der einzige zusätzliche Erwerb für eine Frau ist, wussten wir. Dass dich dieses Schicksal erwartet, wussten wir auch. Du besitzt für dieses Gewerbe genügend Erfahrung und brauchst die Männer nicht fürchten. Wir sind immer irgendwie an deiner Seite. Aber geh jetzt lieber. Es ist wohl das Beste für dich! Zeit ist Geld, das gilt auch für dich!“

Aphrodite geht mit Marotti wieder zurück zum Wasser.

An der Schleuse fragt Aphrodite ihn noch: „Bleibt die Frau während meiner Abwesenheit im Sarkophag? Wacht sie nicht vor der Zeit auf?“

„Keine Sekunde, bevor du selbst am Sarkophag stehst, wird die Frau aufwachen. Sie wird wie du zuerst glauben, nur Sekunden im Sarkophag zu liegen!“

„Das ist gut. Dann kann ja das neue Abenteuer beginnen!“, stimmt Aphrodite beruhigt zu und steht jetzt am Wasser.

„Ich wünsche dir viel Glück! Wir sind mit dir!“

„Danke, ich werde eure Hilfe sicher brauchen!“, sagt Aphrodite und springt dann ins Wasser.

Ich, Aphrodite Dolores Montes, komme

Mit kräftigen Schwimmzügen strebt sie dem Strand zu. Die Sonne versinkt gerade milchig trübe am Horizont. Die Brandung ist auch längst nicht mehr so stark wie vorhin. Am Strand verharrt sie einen Moment, um sich vom warmen Wind ihre Sachen trocknen zu lassen. Die nasse Bluse zeigt doch zu viel von ihr. Nach einigen Minuten im Wind ist sie so gut wie trocken. Sie hat während der Zeit den Strand und die Straße mit den Häusern dahinter beobachtet. Ihr ist nichts Besonderes aufgefallen. Oder doch? Ja, hier ist verdammt wenig los. Die wenigen schrottreifen Autos, die vorbeifuhren, kann sie an den Fingern einer Hand abzählen. Links von ihr lungern zwei heruntergekommene junge Männer an einer Hausecke herum. Drei Hunde suchen offensichtlich den Strand nach Essbarem ab. Ein gepflegter Strand für Touristen ist das hier nicht. Vorsichtig strebt sie dem gelben, zweigeschossigen Haus zu. Das Abenteuer kann beginnen.

Direkt am Straßenrand bleibt sie stehen und betrachtet das Haus von hier aus noch einmal in Ruhe. Wirklich gelb ist das Haus tatsächlich längst nicht mehr. Der verbliebene gelbe Putz ist nur noch ein Flickenteppich. Sie bleibt stehen. Ihr ist so, als ob sie erst jetzt alles wagen muss. Noch kann sie zurück in die Zeitmaschine. Doch sie will gar nicht zurück. Die Neugier auf diese neue, fremde Welt ist viel zu groß. Ein neues, vielleicht auch gefährliches Abenteuer wartet auf sie. Sie ist bereit, alles zu wagen.

Die zwei Männer an der Hausecke sind jetzt auf sie aufmerksam geworden.

Gelangweilt blicken sie zu ihr herüber, als sie die Straße überquert. Sie schaut dabei zweimal in jede Richtung, aber kein einziges Fahrzeug ist zu sehen. Wo bleibt der quirlige, oft zum Chaos neigende Verkehr der Megastädte vergangener Jahrhunderte? Ach richtig, wer keine Arbeit hat, braucht auch kein Auto. Hier hat angeblich niemand Arbeit. Die ungewohnte Stille, die nur vom Wind und der Brandung des Atlantiks gestört wird, ist schon bedrückend für Aphrodite.

So in Gedanken versunken überquert sie die Uferstraße.

Auf der anderen Straßenseite angekommen, stehen plötzlich die beiden Männer zu ihrer Überraschung direkt vor ihr. Einer der beiden Männer ist gut einen Kopf größer als sie. Er ist so dürr und von der Sonne verbrannt, dass er Aphrodite unwillkürlich an einen Dörrfisch erinnert. Der andere Mann ist deutlich kleiner, aber kräftig gebaut. Zum massigen Körper passt nur der auffallend kleine, kahle Kopf nicht. Ein Mann mit Spatzenhirn?

Der lange dürre Mann greift sich breit grinsend mit einer Hand in die eigene Hose. Grinsend spottet er: „Hallo, mein schöner Zuckerarsch! Wir haben uns lange nicht gesehen. Hast dich mächtig rausgemacht. Kann mich an so üppige Titten bei dir gar nicht erinnern. Wie ist es mit uns beiden? Wir können es auch zu dritt tun! Wir besorgen es dir heute auch gerne auf die harte Tour! Gerade so, wie du es immer liebst! Ganz so wie in den alten Zeiten. Wie siehst du das?“

Aphrodite, die solche Frechheiten der Männer nicht mehr gewöhnt ist, kocht über vor Wut. Ohne lange zu überlegen, giftet sie den Mann an: „Rühr mich ja nicht an, du Wichser. Ich mach dich taube Nuss alle. Das Spatzenhirn neben dir nehme auch gleich mit auseinander!“

Einen Atemzug lang ist der Mann geschockt. Keine Frau zuvor hat es je gewagt, ihn so zu beleidigen. Die Frau ist so gut wie tot. Wütend geht der Mann auf sie zu.

Doch der andere Mann hält ihn etwas derb zurück und warnt seinen Partner: „Sanchos, lass sie lieber in Ruhe. Du hörst doch, dass sie nicht will. Komm, lass uns gehen. Du weißt doch gar nicht, wem sie jetzt gehört. Ihr neuer Stecher könnte uns brandgefährlich werden. Mir ist meine Gesundheit wichtiger als die schnelle Nummer!“

Sanchos hört nicht auf ihn und reißt sich wütend los. Seine Wut kennt keine Grenzen. Die geballte rechte Faust fliegt in Richtung Opfer. Die Wucht seiner Faust soll dem Weib den Schädel zertrümmern. Die Frau soll tot zu Boden gehen. Mit den Füßen will er ihr den Rest geben. Er sieht sie schon zerschmettert am Boden liegen.

Aphrodite ist die Faust willkommen und das Signal zum Angriff. Sie lenkt die Wucht seiner Hand über ihre Schulter in Richtung Hauswand. Mit voller Wucht schlägt der Mann an der Wand auf und sackt kopfüber zu Boden. Zusammengefaltet liegt er wie ein Haufen Dreck am Boden. Wie ein getretener Hund heult er vor Schmerzen auf.

Wer Schmerzen spürt, der lebt, stellt Aphrodite erfreut fest. Denn es hätte ihm auch das Genick brechen können. Ihren Einsatz mit einem toten Mann zu beginnen, wäre ein böses Zeichen gewesen.

Mit offenem Mund hat der kleinere Mann den Sturz seines Freundes beobachtet. Er kann nicht glauben, was er eben gesehen hat. Zweifelnd fragt er: „Beim Namen meiner Mutter, wo hast du dummes Weib so kämpfen gelernt? Sanchos hat dich doch sonst immer flachgelegt. Was war das eben? Hat dich dein neuer Stecher jetzt zur Killerhure abgerichtet?“

Aphrodite lässt den Mann mit seinen Fragen einfach stehen und geht unbeeindruckt weiter. Erst an der Ecke bleibt sie vor der Tür zu ihrem neuen Zuhause stehen.

Aphrodite dreht sich noch einmal zu dem Mann um und behauptet: „Ich habe eben meine Meinung zu euch dreckigen Flachmännern geändert!“

Der Mann wehrt mit einer Hand ab und ruft ihr zu: „Reg dich ab, Tussi. Ist schon gut. Du hast ja irgendwie sogar Recht. Ich entschuldige mich bei dir sogar für ihn. Wem gehörst du jetzt eigentlich? Sag nicht, dem neuen Bullen, diesem Schleimer Colon?“

Aphrodite versteht nicht, was der Mann mit ‚gehören‘ meinen könnte. Darum nickt sie nur unsicher mit dem Kopf und erwidert: „Deine Entschuldigung nehme ich an. Übrigens, ich muss sowieso zu den Unsterblichen. Schon in fünf Tagen muss ich mich im Amt melden. Ihr hättet also nur Ärger mit mir!“

„Danke für die Warnung. Du bist mit dem Hurendienst für die Unsterblichen gestraft genug. Wir können dich getrost abschreiben!“, spottet der Mann und hebt den zusammengesackten Freund mit viel Mühe an. Dem Langen fehlt immer noch die Kraft, alleine aufzustehen. Nur schwach droht er ihr mit dem Stinkefinger. Torkelnd verlassen beide die Uferstraße und verschwinden hinter der nächsten Mauerecke.

Sie ist erst zehn Minuten hier und die Männer sprechen für sie absolut in Rätseln. Wem soll sie gehören? Einem gewissen Colon gehört sie? Im vierten Jahrtausend kann keine Frau irgendjemandem gehören. Das ist völliger Unsinn! Der kleine Abgedrehte ist, wie auch sein langer Kumpel, bestimmt zugekifft. Die sollen doch hier alle Drogen nehmen. Doch der Weg zu den Unsterblichen muss wohl das Schlimmste sein, was einer Frau überhaupt passieren kann. Die Worte des kleinen Mannes vermitteln ihr zumindest diesen Eindruck.

Mit klopfendem Herzen öffnet Aphrodite die Haustür. Es ist ultimativ die Tür in ein neues, unbekanntes Leben. Mit dem Schritt über die Schwelle geht sie in eine neue Welt. Aphrodite geht auf Zehenspitzen hinein. Sie schließt die Tür knarrend hinter sich. Die Tür ist schäbig und wurde auch schon einmal eingetreten. Farbe hat sie schon sehr lange nicht mehr gesehen. Abgeblätterte Farbe und Putzlöcher bestimmen auch das Bild im Flur. Es riecht muffig. Im Flur liegt ein alter Läufer, der sich unter ihren nackten Füßen wie grober Sand anfühlt. Das Knarren der Haustür muss die Frau im Haus gehört haben.

„Wo bleibst du nur, Aphrodite? Du sollst dich doch nicht so lange draußen herumtreiben. Oder warst du schon wieder anschaffen?“, hört sie eine kratzige Frauenstimme rufen.

Aphrodite folgt einfach der Stimme und erschrickt, als ihr ein Gefährt auf drei Rädern rollend entgegen kommt. Das gut einen Meter hohe Gefährt aus Metall und zerkratztem Kunststoff hält an und begrüßt sie: „Hallo, Aphrodite, deine Mutter ist auf dich stinksauer. Die ganze Zeit musste ich mir ihr Gejammer anhören. Geh endlich zu ihr und beruhige sie!“

Erschrocken mustert sie dieses technische Ding vor ihr. Es muss ein Pflegeroboter sein. Das Gefährt hat vier Arme. Eine Art Kugel mit vielen Augen über einem Rumpf könnte der Kopf sein. Das Gefährt ist genauso schäbig wie alles hier.

Aphrodite hat Angst vor diesem technischen Monster. Jetzt nach ihrer Zeit bei den Frauen, die praktisch in der Steinzeit lebten, wirkt das Gefährt auf sie doppelt gefährlich. Doch sie bemüht sich redlich, besonders routiniert auf den Roboter zu wirken. Betont lässig erklärt sie: „Schon gut, Blechtopf. Ich gehe und werde sie beruhigen!“

An dem „Blechtopf" stört sich der Roboter doch und widerspricht: „Höre, ich bin Rudi, du stinkender Fettarsch. Merk dir das endlich, oder ich kündige! Verstanden?“

„Verstanden, Blechtopf!“, keift Aphrodite jetzt sauer zurück. Dem Blechtopf hat man wohl kein Benehmen einprogrammiert.

Das scheint nun auch dem Roboter zu reichen und er rollt ohne weitere Worte an ihr vorbei.

Sie geht durch die Tür und kommt in ein recht spartanisch eingerichtetes Zimmer. Ein Bett, ein Stuhl, ein Tischchen und ein kleiner Schrank füllen das winzige Zimmer aus. Der ganze Raum wird von einem monströsen Wandbildschirm beherrscht. Tonlos flackern dort verzerrte Bilder.

Mittendrin in einem wuchtigen Rollstuhl sitzt eine völlig ergraute Frau. Sie trägt eine dunkle Brille und ist sonst nur Haut und Knochen. Die Frau sieht zwar nichts, aber hat sie offensichtlich registriert. Das ist also die Mutter, Mercedes Montes!

Mit rauer Stimme begrüßt die alte Frau sie: „Du riechst und sprichst so anders. Du warst also doch wieder für die Männer anschaffen? Schäm dich, Kind. Natürlich haben dich die Männer wie immer leer ausgehen lassen, du dummes Ding!“

„Mutter, ich war beim Arzt. Ich habe Krebs!“, lügt Aphrodite und ist über ihre kratzige Stimme selbst verwundert.

Die alte blinde Frau erwidert ungerührt: „Weiß ich doch schon. Noch habe ich kein Alzheimer, mein Kind. Du hast dich also doch von Doktor Honduras flach legen lassen. Beim letzten Mal hast du ihn doch einfach stehen gelassen, weil er das wollte. Warum hast du dir das jetzt anders überlegt?“

„Ich hatte Schmerzen. Mir ist jetzt alles egal!“, lügt Aphrodite. Ihre Lügen reißen sie immer tiefer in einen Sumpf hinein, aus dem es keinen Weg heraus zu geben scheint. Was soll sie nur machen?

„Das Schwein hat dich also doch in den Arsch gefickt. Ich weiß, er verlangt es von allen Frauen. Egal. Hat der Doktor dich dafür wenigstens anständig untersucht? Sind für uns auch noch ein paar Medikamente herausgesprungen?“, fragt die blinde Frau mit etwas Hoffnung in der Stimme.

Aphrodite weiß, sie muss die Frau weiter belügen und erklärt: „Ja verdammt, ich habe ihn um Medikamente auch für dich angebettelt. Für mein Opfer habe ich nur eine Spritze in den Hals bekommen. Es könnte sein, dass ich darum etwas anders klinge!“

„Das wollte ich gerade sagen, deine Stimme ist so anders!“, bestätigt die alte Frau.

Aphrodite nimmt die Hände der Frau und bittet: „Mutter, vergib mir, aber es musste doch sein. Ich werde auch wieder zu ihm gehen müssen. Vielleicht bekomme ich dann auch Medikamente für dich. Wer soll sonst für dich sorgen?“

„Was verlangt der Doktor das nächste Mal von dir?“, schnarrt die alte Frau sie an.

Aphrodite überlegt nur kurz und lügt weiter: „Ich soll drei zahlungskräftige Patienten bedienen! Es wird nur noch einmal sein. Ich muss doch in fünf Tagen zur Polizei. Du weißt doch warum, Mutter!“

„Ach ja, du musst auch zu den Unsterblichen. Meinetwegen hättest du dich bei diesen korrupten Hurenböcken nicht melden müssen! War das denn wirklich nötig? “, fragt die Frau traurig.

Aphrodite versichert: „Mutter es ist auch zu deinem Besten!“

„Wenn sie deine Krankheit feststellen, schicken sie dich doch zurück! Du wirst dort nur unnötig gedemütigt!“, behauptet die Frau und Tränen kullern über die runzligen Wangen.

Aphrodite weiß, dass es anders sein wird. Aber der Frau erklärt sie: „Wir wollen das Beste hoffen, Mutter. Weine nicht. Vielleicht bekomme ich für mein Erscheinen eine kleine Provision.“

Die Frau spöttisch: „Wenn schon. Das nehmen dir deine sogenannten Männer sowieso gleich alles wieder ab!“

„Aber wenn ich doch von den Unsterblichen genommen werde, haben wir ausgesorgt!“, erwidert Aphrodite und will Zuversicht ausstrahlen.

Die alte Frau sagt jetzt leise: „Das mag sein, Kind. Aber was für einen hohen Preis musst du dafür zahlen!“

„Was soll das denn jetzt bedeuten? Mehr als Hurendienste können es doch nicht sein, was die Männer von mir verlangen können?“, erwidert Aphrodite.

Die alte Frau hält ihre Hände jetzt fest und erklärt: „Tochter, ich muss dir einiges erklären. Nie und niemals durfte ich darüber mit jemandem reden. Jetzt aber ist die Zeit reif dafür, dass du alles erfährst!“

Aphrodite fragt neugierig: „Was soll ich nun erfahren?“

Die alte Frau stellt den Fernseher laut. Eine Sportsendung läuft.

Mercedes Montes zieht ihre Tochter dichter zu sich heran und erklärt leise: „Höre nun meine und deine Geschichte. Sie ist nicht schön, aber wahr!“

„Ich bin überrascht! Was hast du denn Neues zu berichten? Weiß ich noch nicht alles, Mutter?“, fragt Aphrodite.

Mutter Mercedes Montes scheint ihre Umwelt noch einmal abzuhorchen und erzählt: „Du sollst endlich die Wahrheit erfahren. Es ist jetzt fast fünfunddreißig Jahre her. Wie du in fünf Tagen musste ich mich auch damals bei den Wächtern melden. Ich erspare dir die Einzelheiten darüber. Du wirst diese erniedrigende Selektion und Untersuchung am eigenen Leib erfahren. Sie ist demütigend genug für jede Frau, sodass man darüber nicht auch noch reden muss. Kurz gefasst, die Unsterblichen wollten mich haben!“

„Mutter, ich glaube, es ist besser, wenn du mir die ganze Wahrheit erzählst. Nur drum herum reden hilft mir nicht. Erinnere dich bitte an diese Schrecken und kläre mich auf. Nur wenn ich Bescheid weiß, erspare ich mir unnötige Leiden oder gefährliche Situationen, so hässlich deine Erfahrungen auch sein mögen“, bittet Aphrodite die Frau. Ihr Wissen kann ihr das Leben retten, ist Aphrodite in diesem Moment klar geworden.

Die alte Frau rutscht unruhig auf ihrem Stuhl herum. Sie kämpft mit sich selbst, kämpft gegen ihre Ängste und bösen Erinnerungen.

Aphrodite will die Frau nicht unter Druck setzten. Wichtig ist nur, dass sie ihr Geheimnis preisgibt.

Mutter Mercedes Montes holt tief Luft und beginnt zu erzählen: „Gut, du hast wahrscheinlich recht. Es macht keinen Sinn, das Unfassbare zu verschweigen. Was dich tatsächlich bei der Polizei erwartet, weiß ich nicht. Die Zeiten ändern sich. Bei der Polizei wurde ich registriert und ein Arzt untersuchte mich. Es müssen über hundert Frauen gewesen sein, die es in die engere Auswahl schafften. In einer Turnhalle übernachteten wir Frauen auf Matten. Am nächsten Tag wurden wir zu einem Stadion gefahren. Wir mussten uns alle nackt ausziehen und erhielten Turnschuhe. Das Stadion hatte sicher über fünfzigtausend Sitzplätze. Nur die Hälfte der Plätze besetzten Männer. Wir Frauen mussten, so nackt wie wir waren, in diesem Stadion gegeneinander antreten. So gab es in den Disziplinen Laufen die Sprintstrecke und eine Stadionrunde. Die letzte Frau wurde immer mit drei Stockschlägen auf den nackten Hintern bestraft. Die Stockschläge waren sehr schmerzhaft. Ein gläserner achteckiger Würfel mit Kugeln stand bereit. Die betroffene Frau musste eine Kugel herausnehmen. Die geöffnete Kugel hatte eine Nummer, die zu einem Mann im Stadion passte. Der Mann durfte sie verprügeln. Weil es nur drei Schläge mit dem Stock waren, haben die Männer mit aller Kraft zugeschlagen. Die Frau schied in der Regel nach diesen Schlägen aus. Jede von uns gab alles, um nicht die Letzte zu sein. Dann gab es noch die Disziplin Hoch- und Weitsprung. Auch hier wurden natürlich die schlechtesten Frauen auf gleiche Art bestraft. Am Schluss der Veranstaltung wurden Fußballmannschaften zusammengestellt, die fünfzehn Minuten lang gegeneinander spielen mussten. Die Mannschaft, die das Spiel verloren hatte, musste dann ihre Bestrafung als Gruppe über sich ergehen lassen. Für die Männer war spätestens nach diesen Spielen der hohe Eintrittspreis sein Geld wert. Ich kam so in die engere Auswahl. Ein Tag später saß ich mit zwanzig anderen Frauen in einem Saal nackt auf gynäkologischen Stühlen, die in einem Halbkreis aufgestellt waren. Vor diesem Halbkreis saß in einem wuchtigen Sessel ein Mann. Um den Mann herum unterhielten sich Ärzte mit ihm. Der Mann in der Uniform erteilte Befehle und einer Frau aus dem Halbkreis wurde von den Ärzten Sperma eingeführt. Auch ich bekam so Sperma, das dann dich hervor brachte. Das war das erste und letzte Mal, dass ich deinen Vater gesehen habe. Diese Spermainjektion erhielt ich noch über mehrere Tage, aber ohne diesen Mann zu sehen. Verstehst du jetzt, warum ich nie über deinen Vater mit dir gesprochen habe?“

„Das kann ich gut verstehen. Weil ich ein Mädchen geworden bin, bist du abserviert worden. Ist das so gewesen?“, erwidert Aphrodite.

Die alte Frau nickt und bestätigt: „Ein Mädchen als Nachkomme ist für sie völlig wertlos. Ich wurde mit einer kleinen Rente abgespeist. Du lebst übrigens auch davon. Deiner Abstammung von einem Unsterblichen ist es sicher zu verdanken, dass du jetzt auch von ihnen geordert wurdest!“

„Was erwartet mich dort?“, fragt Aphrodite jetzt voller Angst.

Mercedes Montes warnt: „Ich selbst war nie dort. Doch du wirst schlicht und einfach die Hölle durchleben. Mehr eigentlich nicht. Es wird dich total verändern. Die Frau, die du jetzt bist, ist dann tot in dir! Wenn die Männer dich wirklich mitnehmen, dann lass bitte dein Schamgefühl, den Glauben an Gott und an die Gerechtigkeit hier zurück. Es wird für dich dann vieles erträglicher. Die Unsterblichen sind Schweine. Wir Frauen sind für sie nur zum Vergnügen da, käufliche Objekte der Lust. Dein Leben ist dort wertlos. Von einem Moment zum anderen kann dein Leben aus einer Laune heraus beendet sein!“

Auf was hat sie sich nun wieder eingelassen? Können nicht einmal die Herren der Zeit etwas Vernünftiges für sie heraussuchen? Verärgert darüber klagt Aphrodite: „Das sind ja schöne Aussichten für mich!“

„Ich kann nur hoffen, dass mit deiner Krankheit alles hinfällig ist. Du wirst bestimmt nicht genommen!“, tröstet Mutter Mercedes Montes und lächelt bitter.

Aphrodite ist traurig: „Mutter, vergib mir, wir werden sehen, was wird. Es ist wohl besser, wenn wir jetzt zu Bett gehen und morgen darüber weiterreden!“

Mutter Mercedes Montes wirkt überrascht und meint: „Seit wann weichst du mir so aus? Sonst hast du mit mir über jede Kleinigkeit stundenlang gestritten. Was ist los mit dir?“

Aphrodite ausweichend: „Ich bin völlig geschafft und müde. Eigentlich brauche ich nur noch Ruhe! Ich fühle mich überhaupt nicht gut! Es liegt sicher an der Spritze!“

„Gut, dann geh ins Bett. Wir reden morgen weiter darüber!“, stimmt die alte Frau hörbar unzufrieden zu.

Unsicher verlässt Aphrodite das Zimmer und steigt intuitiv die ausgetretenen Stufen einer Treppe im Haus nach oben. Sie hört nur noch im Hintergrund, dass der Fernseher jetzt laut grölt. Irgendein Tor muss gefallen sein.

Oben angekommen, betritt sie ein Zimmer. Ein riesiger Fernseher spielt an der Wand und zeigt auch hier irgendein Fußballspiel. Auf dem Tischchen davor liegt eine kleine Fernbedienung. Aphrodite schmeißt sich einfach mit Sachen auf das aufgewühlte Bett. Das Bett riecht nach Schweiß und Mann. Hier oben waren also auch schon Männer. Angeekelt schiebt sie die stinkende Bettdecke an die Wand und macht das Fenster auf. Sie greift zur Fernbedienung. Lustlos schaltet Aphrodite auf dem Ding herum. Tatsächlich gibt es auch auf den anderen Kanälen nur irgendwelche Sportveranstaltungen. Dann folgen etliche Pornosender. Dort wird überall hemmungslos vor der Kamera Sex gleich im Rudel angeboten. Wo ist sie hier bloß gelandet? Jetzt sucht sie weiter nach anderen Sendern. Der nächste Kanal zeigt einen Gottesdienst. Große Kreuze und viel Gold deuten auf einen katholischen Gottesdienst hin. Es wird gerade vielstimmig zu einer ihr unbekannten Zeremonie gesungen. Auf eine Standpauke von einem Gott, den sie nicht kennt, hat Aphrodite auch keine Lust, bleibt aber doch einige Zeit bei diesem Sender hängen. Den Sinn dessen, was dort abläuft, versteht sie nicht. Das Latein, was dort gesprochen wird, ist jedenfalls grauenvoll. Es geht nur ständig um Schuld und Buße. „Ich habe nichts verbrochen“, entscheidet Aphrodite für sich und schaltet gelangweilt weiter. Die anderen Sender zeigen wieder nur Sportsendungen. Vergebens versucht sie jetzt, den Fernseher an der Wand auszuschalten. Das funktioniert auch nicht. Nur der Ton lässt sich zum Glück abschalten. Sie macht jetzt das kleine Fenster ganz weit auf. Ihr ist die Luft hier zu stickig. Kalt ist ihr nicht. So verzichtet sie großzügig auf die stinkende Bettdecke. Hat ihre Vorgängerin die Männer hier bedient? Sie blickt aus dem Fenster und betrachtet überrascht den Sternenhimmel. Der Himmel ist jetzt klar. Keine Wolke ist zu sehen. Endlich sind über ihr die bekannten Sternzeichen. Wenigstens der Sternenhimmel ist ihr erhalten geblieben. Als die Sterne vor ihr zu tanzen beginnen, legt sie sich auf das Bett. Das Bett ist schlimmer als die Matten bei den Bohrwurmfrauen, doch irgendwann schläft sie vom Geflimmer des Fernsehers ein.

Auf Jobsuche

Aphrodite schlägt die Augen auf. Im ersten Augenblick ist sie entsetzt. Es muss eine riesige Kakerlake sein, die auf der schmutzigen Decke über ihr entlang läuft. Es dauert auch dann noch eine geraume Zeit, bis sie endlich begreift, wo sie überhaupt ist, wer sie sein soll, wo und in was für einer Welt sie sich befindet. Langsam kommt alles wieder zusammen. Es ist der blanke Horror für sie.

Erste grundsätzlich niederschmetternde Erkenntnis für sie: Es ist schlimmer als die Steinzeit auf dem Planeten der Frauen! Die Macho-Männer hier sind der blanke Horror! Alles ist nur noch schrecklich!

Sie richtet sich etwas auf und belehrt sich: Ich bin noch keinen vollen Tag hier und beurteile meine Lage jetzt schon so negativ. Klar ist mir auch, ich muss mich mehr auf das Positive konzentrieren. Positiv ist: Ich bin definitiv zurück auf der Erde. Mond und Sterne sind wieder da. Es wird hier sicher besser sein, als der erste Eindruck vermuten lässt.

Zielstellung: Schluss mit der Prostitution! Sie verkauft sich hier nicht an die Männer. Also ein sauberer Job muss her! Es muss auch einen Weg geben, dass sie vielleicht doch nicht zu den Unsterblichen muss. Die Gefahren für sie sind kaum zu kalkulieren. Der alten Frau muss sie auch helfen können, ohne sich zu prostituieren. Was sie über die Unsterblichen erfahren kann, erfährt sie vielleicht auch über zurückgekehrte Frauen.

Mit diesem Vorsatz steht sie endlich auf. Im Schrank findet sie ein schönes Sommerkleid. Nur frische Unterwäsche findet sie nicht. Sie erinnert sich, die echte Aphrodite Dolores Montes trug tatsächliche keine Unterwäsche. Dann geht es eben ohne. Weil sich in der oberen Etage weder eine Toilette noch ein Waschbecken befindet, geht sie nach unten. Auf Zehenspitzen erreicht sie das Zimmer der Mercedes Montes, ihrer neuen Mutter. Die alte Frau schläft in ihrem Sessel. Verlässt sie nie ihren Platz?

Der Roboter steht an der Wand und lädt wohl seine Akkus auf. Noch hat er Aphrodite nicht bemerkt. Leise zieht sie sich zurück. Eine Tür weiter entdeckt sie ein Klo und ein Waschbecken, beides ist völlig verdreckt. Was leistet hier eigentlich der Roboter? Sterbehilfe? Ihr bleibt nur noch das Meer. Allein das Waschbecken zu säubern, würde Stunden dauern. Dazu hat sie keine Lust. Der Atlantik vor der Haustier kann ihre Rettung sein.

Auf der Straße herrscht beklemmende Stille. Nur die Brandung und der Wind sorgen dafür, dass die Stille für sie erträglich ist. Der Weg zum Strand ist nicht weit. Mit einem Handgriff fällt ihr Kleid und nackt springt sie ins Meer. Hier im Flachwasser gibt es sicher keine Haie, schon gar keine Meeresmonster wie auf dem weiblichen Planeten. Mutig wagt sie sich in tieferes Wasser. Sie genießt das warme Wasser und nennt ihren Zustand einfach nur herrlich! Das warme weiche Wasser ist wie ein zärtlicher Mann zu ihr. Wie lange das Meer ihr zärtlicher Geliebter war, weiß sie nicht. Irgendwann steigt sie glücklich aus dem Wasser. Nackt genießt sie die warmen Sonnenstrahlen. Am Strand oder auf der Straße findet sie keinen Menschen. Steht hier die Welt auf dem Kopf? Tatsache ist, dass sie sich die Zukunft der Menschheit ganz anders vorgestellt hat.

Nachdenklich streift sie sich ihr Kleid über. Das luftige Kleid ohne Unterwäsche bedeckt den Körper, ohne ihre weiblichen Reize zu verbergen. Dass sich die Brustwarzen auffällig abheben, stört Aphrodite doch. Soll sie zurück ins Haus und doch noch nach Unterwäsche suchen? Okay, ihre Doppelgängerin trug auch keine Unterwäsche. Sie muss sich anpassen. Dass sie so die Männer provoziert, muss sie in Kauf nehmen. Alle Frauen tun das sicher hier auf die gleiche Art und Weise. Überhaupt, es entscheidet ihre Bereitschaft zu ehrlicher Arbeit und nicht ihr Aussehen. Doch sie will erst noch nach ihrer neuen Mutter schauen, ob sie aufgewacht ist und ihre Hilfe braucht. Sie betritt das Haus und hört schon den Fernseher grölen.

Ihre Mutter keift: „Wo warst du schon wieder, Kind?“

„Ich war im Meer baden, Mutter“, erklärt Aphrodite, betritt gleichzeitig das Zimmer und sieht, wie Roboter Rudi ihre Mutter mit einem Löffel füttert.

Ihre Mutter schluckt den Brei herunter und bittet: „Tochter, kannst du nicht einkaufen gehen und mal was anderes zu beißen bringen, als das, was der sture Rudi immer heranschafft. Ich habe mal Appetit auf was Schönes.“

„Was soll das denn sein?“, fragt Aphrodite und denkt dabei nur an Schokolade. Doch Schokolade gehört doch nicht in die Tropen.

Die Mutter hat den letzten Rest vom Brei aufgegessen und Rudi putzt ihr den Mund sauber ab. Roboter Rudi ist kaum um die Ecke, als Mutter sie zu sich heranwinkt, ihr eine schwarze Plastikkarte zusteckt und sie gleichzeitig leise bittet: „Schokolade hätte ich gern. Versprich dem alten Olvego, ihm zwei Bier zu spendieren, dann begleitet er dich auch zum Spender. Okay.“

„Ich gehe schon, Mutter, versprochen“, erwidert Aphrodite und verlässt das Haus mit der für sie geheimnisvollen schwarzen Plastikkarte. Erst vor der Tür fragt sie sich, wie findet sie den alten Olvego und wo und was ist ein Spender? Sie will schon kehrtmachen, als ihr einige Häuser weiter ein alter Mann auffällt. Vielleicht ist das der gesuchte Olvego? Sie geht auf den Mann zu und fragt ihn kühn: „Hey, ich muss für Mutter Extras einkaufen, die ihr der Blechnapf, eben der Roboter, nicht bringt. Begleiten Sie mich zum Spender? Ein Bier ist für Sie auch drin.“

„Zwei Bier und du, schöne Aphrodite, darfst dich an meiner Begleitung erfreuen“, erwidert der alte Mann grinsend.

Aphrodite nickt und ist sich sicher, dass es der besagte alte Olvego sein muss, von dem Mutter gesprochen hat und fragt: „Können wir gleich losgehen? Ich habe noch viel heute vor!“

Der Alte nickt zustimmend und sie gehen los. Sie gehen schon gute fünf Minuten und Aphrodite fragt sich, wo man hier einkaufen kann. Nirgends sieht sie einen Supermarkt. Der alte Mann geht zielstrebig auf ein zwei Meter hohes und über zehn Meter im Durchmesser kreisrundes silberglänzendes Objekt zu. Darüber befindet sich eine gläserne flache Kuppel, die wohl sicherstellt, dass auch bei starkem Regen jeder an dem Objekt Schutz findet. Das Teil steht in einer Häuserlücke und wirkt dort wie ein Fremdkörper. Was ist das? Ist das womöglich der Spender?

Der alte Mann bleibt vor dem Objekt stehen und verlangt: „Ich will nur helles Bier. Nicht diese dunkle Brühe, die gerade wieder in Mode ist!“

Fassungslos bleibt Aphrodite vor dem Ding stehen. Sie sieht nur kreisrunde Löcher und andere Vertiefungen im Objekt. Ein Roboter Typ Rudi hantiert dort schon ein paar Schritte entfernt. Doch sie sieht nicht genau, was er tut. Verlegen bittet sie den alten Mann: „Ich war noch nie einkaufen. Unser Rudi hat immer alles für uns besorgt.“

„Das ist typisch für euch Weiber. Immer verlasst ihr euch nur auf uns Männer und auf die Blechkisten. Kein Wunder, dass euer Verstand nur in den dicken Möpsen stecken soll. Wobei du ja genug abgekriegt hast. Hat bei dir leider auch nicht geholfen. Okay, gib mir schon die schwarze Karte und sag mir, was du deiner Mutter an Extras mitbringen sollst. Denn mit der Karte kannst du alles ordern.“

Aphrodite gibt ihm die Karte und sieht staunend zu, was der alte Mann damit anstellt. Er steckt die Karte in einen Schlitz. Daraufhin taucht ein kreisrunder Bildschirm auf, der gut einen Meter im Durchmesser groß ist. Unzählige Symbole sind zu sehen. Er drückt zielsicher auf ein Symbol mit Wellen. Ein neues Bild mit vielen Getränken tut sich auf. Bei einer Bierflasche verharrt sein Finger. Dann erscheinen neue Symbole und dort entscheidet er sich für eine Biersorte. Er hat jetzt wohl eben seine zwei Bier geordert. Er dreht sich zu Aphrodite um und fragt: „Was soll ich für dich kaufen?“

„Schokolade, Schokolade will Mutter. Gute Schokolade!“, erklärt Aphrodite.

Er nickt und der Bildschirm wechselt sein Bild. Schnell hat er Schokolade gefunden und erklärt ihr: „Ich kann nur das Maximum von fünfhundert Gramm Schokolade bestellen, weil nicht mehr in einem Monat für zwei Personen geliefert wird!“

„Ist schon Okay, bestell das Maximum!“, bestätigt ihm Aphrodite.

Der alte Mann nickt und bestellt: „Dann ist euer Kontingent für Schokolade diesen Monat aber auch ausgeschöpft. Hast du sonst noch Wünsche?“

„Weiß nicht. Mutter will nur Schokolade“, bestätigt Aphrodite.

„Und du, mein schönes Kind, hast du keine Wünsche? Die schwarze Karte hat nicht jeder und du hast sie sicher auch nicht jeden Tag dabei.“

Aphrodite überlegt und meint nur: „Haben sie hier auch gesalzene Haselnüsse im Angebot?“

Der alte Mann nickt nur und muss eine Weile suchen, bis er ihre Bestellung aufgeben kann. „Dauert einen Moment.“

Aphrodite sieht wie ein neuer Roboter Typ Rudi an das Objekt herangeht und seinen Einkauf tätigt. Der ist aber deutlich schneller mit dem Bestellen als der alte Mann. Aphrodite sieht, dass der Roboter nur seine Hand in ein Loch steckt und Sekunden später werden schon die Bestellungen geliefert. Aus dem Roboter kommt eine Halterung hervor und beladen rollt dieser mit seinen Einkäufen davon.

Vor ihnen öffnet sich eine Klappe und in einem Korb liegen Schokolade, eine große Packung gesalzene Haselnüsse und die zwei Flaschen Bier.

Jeder nimmt sich seine Bestellung. Gemeinsam gehen sie zurück. Aphrodite schmecken die Nüsse richtig gut und in wenigen Minuten hat sie den Inhalt der Tüte aufgegessen.

Der alte Mann reicht ihr die Karte und behauptet: „So eine tolle Karte hatte ich früher auch. Doch ich bin über sechzig und habe keinen Anspruch mehr auf eine zusätzliche Versorgung. Zugegeben, deine Mutter war schon immer etwas Besonderes. Du aber bist auch so ein edles Schmuckstück. So ein hübsches Weibsbild hätte ich auch gerne mein Eigen genannt.“

„Danke“, erwidert Aphrodite und glaubt, ihre neue Mutter hat wohl noch mehr Geheimnisse, als sie bisher preisgibt. Woher kommen aber so schnell die bestellten Waren? Wie funktioniert das? Mutig fragt sie den alten Mann: „Väterchen Olvego, wo kommen all die Sachen so schnell her, die man bestellen kann und dann nach wenigen Augenblicken geliefert bekommt?“

„Du hast in den dir gewährten fünf Schulklassen also nicht aufgepasst. Die Jungs haben dich wohl mehr interessiert? Nun gut, weil du es bist, erkläre ich es dir in einfachen Worten. Das Ding, was du siehst, ist nur der obere Teil eines unterirdischen Lagers. Über ein Röhrensystem wird dieses Lager ständig aufgefüllt. So einfach ist das, mein Kind.“

„Danke“, erwidert Aphrodite verlegen. Sie hätte selbst darauf kommen müssen. Doch wo kommt alles her? Wer produziert die Waren? Menschen sind es nicht, die diese Dinge herstellen, das ist gewiss.

Aphrodite fragt: „Warum war der Roboter neben uns so schnell mit seiner Bestellung fertig?“

„Weil er schon vorher die Bestellung von zu Hause aus aufgegeben hat“, erklärt ihr der Alte.

Vor ihren Haus trennen sie sich und er schlägt ihr vor: „Ruf mich wieder, wenn du meine Begleitung brauchst.“

Aphrodite nickt nur und betritt das Haus. In der Stube angekommen, reicht sie der Mutter die Karte und die Packung Schokolade. Die ganze Ration für einen Monat.

Die Mutter murrt: „Warum hat das solange mit euch gedauert? Hat der alte Bock statt Bier dich flach legen wollen?“

„Ich bin mit dem Alten sofort hin und auch gleich zurück. Schneller ging es wirklich nicht, Mutter. Er ist wirklich ein netter alter Mann“, erwidert Aphrodite.

„Ist schon gut, Tochter. Ich danke dir. Du kannst jetzt gehen, wenn du willst. Deine Unruhe ist ansteckend. Geh schon endlich“, erklärt die Mutter gut gelaunt und reißt die erste Tafel Schokolade hastig auf.

„Ich gehe dann, Mutter“, erwidert Aphrodite sichtlich verlegen und geht hinaus. Vor dem Haus holt sie tief Luft und geht einfach nur weg vom Meer in Richtung Stadt. Sie wagt den Weg in die Stadt ohne männlichen Begleitschutz. Angst hat sie definitiv nicht. Sie hat zu kämpfen gelernt. Wohin die Straße führt, weiß sie nicht. Doch jeder Weg führt irgendwo hin. Langsam taucht hinter den verfallenen Häusern ein sehr hohes Gebäude auf. Rechts von ihr steht auch wieder so ein Teil, das die Menschen hier versorgt. Das muss ein ganzes Netz sein, das für die Menschen angelegt wurde. Doch dann taucht ein wuchtiges Bauwerk auf. Die Stahlelemente, riesige Röhren, die das Objekt tragen, blinken grell in der Sonne. Was ist das? Jetzt nur noch das unbekannte Gebäude im Auge, folgt Aphrodite dem Weg. Hinter der nächsten Straßenecke steht sie plötzlich vor einer riesigen Freifläche und vor diesem monströsen Gebäude. Was ist das? Eine Kathedrale? Kleine Stände mit Zelten, in denen wohl Waren verkauft werden, stehen ohne System um dieses Gebäude herum. Das Mittelalter im vierten Jahrtausend nach Christus? Nichts ist wohl unmöglich!