Die Zeitreisende, 17. Teil - Hardy Manthey - E-Book

Die Zeitreisende, 17. Teil E-Book

Hardy Manthey

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Beschreibung

Mit den vorangegangenen Teilen 15 und 16 ist für Aphrodite eine der gefährlichsten Zeitreisen glücklich zu Ende gegangen. Müde von den vielen Reisen durch Raum und Zeit will sie endlich ihr eigenes kleines Paradies finden. Die Herren der Zeit sind bereit, ihr dabei tatkräftig zu helfen. Doch wohin und in welche Zeit soll die Reise gehen? In den langen, warmen Nächten, in denen sie zu den Sternen und den flackernden Lichtern der Tolteken-Pyramiden aufblickte, hat sie sich wenig Gedanken über die Zeit danach gemacht. Damals wollte sie nur weg von den grausamen Tolteken-Priestern, auch wenn sie wieder liebe Freunde für immer verlassen musste. Irgendwann wäre sie trotzdem bei den Priestern in Ungnade gefallen und als eines der vielen tausend Opfer für die Götter von der Pyramide gestürzt worden. So beschließt die Zeitreisende spontan: Sie will zurück zu ihren Wurzeln, zurück in ihre alte Heimat Schweden, in das Paradies ihrer Kindheitserinnerungen an die Zeit bei ihrer Großmutter. Da aber auch die Herren der Zeit nicht nach Belieben an der Zeitschraube drehen können, wird eine schwerwiegende Entscheidung getroffen. Sie blieb in den neunzehnhundertsiebziger Jahren und ließ sich nur in ihre südschwedische Heimat bringen. Schon bald stellt die Zeitreisende fest, dass das ersehnte Paradies und die kleinen und großen Katastrophen dicht beieinander liegen. Auch Kreta muss sie schnell wieder verlassen, weit weg vom Paradies. 100.000 Jahre später erlebt sie, wie die Menschheit den Klimawandel und eine neue Eiszeit überstanden hat. Der größte Teil der Erde ist unberührte Natur. In Reservaten leben sie autark und produzieren alles Lebensnotwendige selbst, keine Wegwerfgesellschaft mehr, kein Mangel, aber totale Überwachung. Aphrodite leitet ein Forscherteam, das nach Dunkler Energie und Dunkler Materie sucht, um Gefahren aus dem All abzuwehren. Es ist nicht das erträumte Paradies, aber es kommt ihm schon näher.

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Impressum

Hardy Manthey

Die Zeitreisende, 17. Teil

Auf der Suche nach dem Paradies

Ein fantastischer Roman

ISBN 978-3-96521-826-0 (E-Book)

Titelbild: Ernst Franta

© 2023 EDITION digital® Pekrul & Sohn GbR Godern Alte Dorfstraße 2 b 19065 Pinnow Tel.: 03860 505788 E-Mail: [email protected] Internet: http://www.edition-digital.de

Prolog

Mit den vorhergehenden Teilen 15 und 16 ging für unsere Heldin eine der gefährlichsten Zeitreisen glücklich zu Ende. Müde von den vielen Reisen durch Raum und Zeit geworden, will sie endlich ihr eigenes kleines Paradies finden. Die Herren der Zeit sind bereit, sie dabei tatkräftig zu unterstützen. Doch wohin und auch in welche Zeit soll die Reise führen? Wo findet sie ihr Paradies? In den langen warmen Nächten, mit Blick hoch zu den Sternen und den flackernden Lichtern der Tolteken-Pyramiden, hat sie sich wenig Gedanken über die Zeit danach gemacht. Damals wollte sie nur fort von den grausamen Tolteken-Priestern, auch wenn sie wieder liebe Freunde dafür für immer verlassen musste. Irgendwann wäre sie bei den Priestern doch in Ungnade gefallen und als eines der vielen Tausend Opfer für die Götter von der Pyramide gestürzt worden. Dass sie der Willkür der Priester doch entkommen konnte, grenzt für sie immer noch an ein Wunder. Auch ihr kurzer Ausflug in die Neunzehnhundertsiebzigerjahre zu den jungen mexikanischen Archäologen hatte keinen Platz für Gedanken, wo sie ihr kleines Paradies finden könnte. So hat die Zeitreisende aus dem Bauchgefühl heraus spontan entschieden: Sie will zurück zu ihren Wurzeln, zurück in ihre alte Heimat Schweden. Ihre Heimat Süd-Schweden und das Paradies aus den Erinnerungen der Kindheit, die Zeit bei ihrer Oma, muss ihr Paradies sein. Weil aber auch die Herren der Zeit nicht beliebig an der Zeitschraube drehen können, wurde eine schwerwiegende Entscheidung getroffen. Sie ist in den Neunzehnhundertsiebzigern geblieben und hat sich nur in ihre Heimat Süd-Schweden bringen lassen. Bald schon stellt sich für unsere Zeitreisende heraus, dass ihr ersehntes Paradies und die kleinen und großen Katastrophen dicht beieinander liegen. Wird die Heldin allen Widrigkeiten zum Trotz, dort auch ihr ganz persönliches Paradies finden? Finden Sie es mit ihr zusammen heraus!

Viel Vergnügen und Spannung beim Lesen wünscht Ihnen Ihr Autor

Hardy Manthey

Abschied ohne Zeitreise

Camachos leises Schnarchen erlaubt ihr hoffentlich endlich die unbemerkte Flucht. Der Mann wird sie wie eine Sklavin in Ketten legen und ihr ein Brandzeichen auf die Schulter brennen lassen, wenn ihr heute nicht die Flucht gelingt. Der Patriarch Camacho ist hier Herr über Leben und Tod. Dieser Macho liebt sie erdrückend besitzergreifend. Für ihn ist sie ganz selbstverständlich sein Eigentum. Nur ihr geheucheltes Versprechen, ihm für immer und ewig zu gehören, konnte ihn bisher ruhigstellen. Langsam entzieht sie sich seinen Händen und schiebt ihm dafür eines der Kissen unter. Der Zylinder mit dem goldenen Itzamná steht schon aufrecht im Beton und wurde grob verputzt. Camacho hat das nur wenige Minuten, nachdem die Archäologen gegangen sind, so verfügt. Der Rest, das Kunstwerk an sich, wird noch einige Zeit brauchen. Camacho hatte entschieden, die Statue doch aus riesigen Steinblöcken zu hauen. Ein Dutzend Steinmetzte hauen die Blöcke zu, die den einbetonierten Itzamná dann schützend umfassen sollen. Es wird vermutlich mehr als ein Jahr dauern, bis die Statue nach dem Willen Camachos vollendet werden kann. Auf eigene Kosten will er dann die Statue noch teilweise vergolden lassen. Er ist sich ganz sicher, dass die Überreste des geheimen Hauses und seine goldenen Opfergaben schnell gefunden werden. Die vielen Touristen, die Itzamná und seine Opfergaben sehen wollen, werden die entstandenen Unkosten dann hoffentlich schnell wieder erwirtschaften.

Auch nur noch eine Stunde länger warten, ist ihr aber nicht mehr erlaubt, wenn sie weiter durch Raum und Zeit reisen will. Das nächste Zeitfenster in ferne Welten wird es erst in einigen Jahren geben. So muss sie heute Nacht für immer gehen. Der alte Mann war wie ein Vater zu ihr. Er war nie gewalttätig, obwohl er gerne verbal mit Gewalt drohte. An seine zärtlichen Hände hätte sie sich gewöhnen können. Wären doch alle Männer so wie er. Alle Frauen der Welt würden den Männern zu Füßen liegen. Doch er ist leider alt und sie ist jung. Zu ewiger Jugend verdammt, muss sie heute gehen. Sie wird den Mann in guter Erinnerung behalten. Auch will sie erst gar nicht seine hässliche Seite kennenlernen. Sie greift nach ihrem kleinen Bündel Habseligkeiten und schleicht nackt wie sie ist, aus dem Zimmer. Leise schließt sie die Tür und geht vorsichtig die Treppe hinunter. Immer wenn doch eine Stufe leise knarrt, kommt sie vor Angst ins Schwitzen. Dann könnte er mit seiner stets schussbereiten Pumpgun hinter ihr stehen und sie erschießen. Die Flucht wäre vereitelt. Die Tür zum Garten ist wie immer offen. Sein riesiges Anwesen und das Landhaus werden rund um die Uhr bewacht. Dass sie jetzt völlig nackt durch den Garten läuft, daran wird sich keiner der Wachmänner stören. Auf dem Anwesen läuft sie täglich nackt vor den Männern herum. Weit kommt eine nackte Frau hier nicht. Eher würden die Wächter Fragen stellen, wenn sie vor ihnen bekleidet herumlaufen würde. Am Pool stehend sucht sie im Garten nach einem Licht. Überall stehen Laternen und Strahler. Sie sucht ein grünes Licht. Tatsächlich erkennt sie dann ein schwaches grünes Licht, das aus dem Nichts den Boden anstrahlt. Es sind nur wenige Schritte bis zu ihrem Ziel. Einem Wachmann ist das Licht auch aufgefallen und er ruft weit hörbar laut in die Nacht: „Was ist das?“

„Nichts, das ist nur meine neue Taschenlampe. Ich will mich im Pool etwas abkühlen“, meldet sich Aphrodite und läuft auf das Licht zu. Bevor der Mann begreift, was hier überhaupt vorgeht, muss sie den Lichtstrahl erreicht haben. Unter dem grünen Lichtstrahl wird sie von einem Zylinder erfasst und im Bruchteil einer Sekunde aufgesaugt. Schon steht sie mitten in der Zeitmaschine. Wenig überraschend für sie erwartet sie Marotti. Das Sprachrohr der Herren der Zeit begrüßt sie: „Du hast saubere Arbeit abgeliefert. Dein Auftraggeber, die künstliche Intelligenz, die du Itzamná nennst, wird sich über deinen Eifer freuen. Ihr beide habt wohl ein sehr intimes Verhältnis zueinander gehabt. Was ihr beide alles so getrieben habt, geht uns nichts an. Du hast uns erst den Kontakt zur künstlichen Intelligenz ermöglicht. Dafür danken wir dir. Wir alle haben natürlich, wie immer, nur saubere Arbeit von dir erwartet. Wir sind stolz auf dich!“

„Wie geht es weiter? Ich habe ein echtes Problem!“, klagt Aphrodite. Dass sie nackt vor dem Mann steht, ist ihr egal. Denn der Herr der Zeit kennt sie besser, als sie sich selbst kennt. Sie ist längst seine Schöpfung geworden. So ist sie angeblich Mensch und Gott zu gleich.

Marotti kennt ihre Gedanken und behauptet: „Ich weiß schon, du suchst jetzt dein persönliches Paradies? Lass uns darüber sprechen. Allerdings, für einige Varianten und Ziele haben wir nur noch sehr wenig Zeit!“

„Mögliche Varianten?“

Marotti nickt und erklärt: „Wir bieten dir eine Reise in die sehr ferne Zukunft an. Ein Zeittunnel zur Erde besteht in ein paar Tagen in unglaublich ferne 100 000 Jahre. Noch einmal für dich: 100 000 Jahre in die ferne Zukunft der Erde. Wir wissen, dass es auf der Erde immer noch Menschen gibt. Ob diese Menschen frei leben oder eine künstliche Intelligenz die Herrschaft auf der Erde übernommen hat, wissen wir nicht. Das könntest du nur für uns herausfinden!“

Es schwankt etwas unter ihren Füßen und sie fragt: „Was ist hier los?“

„Wir sind eben im Atlantik abgetaucht und liegen etwa einen Kilometer unterhalb des Meeresspiegels. Hier kann uns hoffentlich niemand entdecken. Der Aufwand ist leider in dieser Zeit notwendig geworden, weil der technische Wissensstand es den Menschen erlaubt, uns leichter zu entdecken. Wir wollen nicht unnötig für Aufregung in den Medien sorgen. Nach unserem Wissen sind auch die modernen U-Boote der Russen und Amerikaner noch nie so tief getaucht. Hier sind wir hoffentlich sicher. Allerdings waren wir kurz auf ihren Radarschirmen. Mit ein paar Tricks sind wir nur eine vorrübergehende technische Anomalie oder Störung. Erich von Däniken und dem wachsenden Freundeskreis von Verschwörungstheorien würde dagegen unsere Entdeckung freuen!“, behauptet Marotti.

„Dass ihr so tief in den Atlantik abtaucht sehe ich ein, aber von eurer Zeitreise der XXL-Klasse halte ich ganz und gar nichts!“, erwidert Aphrodite und protestiert: „Wieder soll ich mein Leben für euch riskieren. Ich mache da nicht mehr mit!“

„Das kann ich gut verstehen!“, lenkt Marotti ein und behauptet: „Ich wollte dir auch nur diese einmalige Chance einer so unglaublich fernen Zeitreise nicht vorenthalten. Denn diese Zeit- und Raumkrümmung in eine so ferne Zukunft ist auch für uns ein Abenteuer, das uns alles abverlangt. Dieses Zeitfenster öffnet sich auch erst in ein paar Monaten, dann erst wieder in 5.000 Jahren. Dazu müssten wir auch noch extra in die Umlaufbahn des Jupiters gelangen, um von dort aus in die ferne Zukunft zu starten. Dann erst vom Jupiter aus soll es mit reichlich Schwung in die ferne Zukunft losgehen. Ob es jemals einen Weg zu rück für dich geben könnte, wissen wir auch nicht. Nun sag, wohin willst du? Die aktuelle Raumkrümmung kann dich auch in die Mitte des 23. Jahrhunderts katapultieren. Allerdings ist das eine Zeit gigantischer Katastrophen für die Menschheit. Startfenster beginnt in 30 Minuten. Willst du vielleicht dorthin?“

„Dort war ich doch schon und erinnere mich, dort hatte ich reichlich Ärger!“, klagt Aphrodite nicht wirklich von seinem Angebot begeistert.

Marotti: „Du kannst sogar in deine eigene Zeit, also die Zeit, wo du in München gelebt und gewirkt hast, zurück. Mit deinem „Ich“ kannst du entspannt bei einer Tasse Kaffee plaudern. Das geht, weil du schon lange nicht mehr die Maria Lindström bist. Ihr beide seid grundverschiedene Frauen geworden. Die Maria Lindström wird dich auch nicht als ihr zweites „Ich“ erleben und so auch nicht wahrnehmen können. Die Ähnlichkeit mit dir würde sie nur als eine Laune der Natur sehen. Sie hat mit ihrer Feststellung sogar Recht. Du bist längst ein von uns erschaffenes Wesen. Ohne unser Eingreifen wirst du weitere 200 Jahre auf der Erde leben können. Dir fehlt alles, was dich kränkeln oder altern lässt. Verletzt du dich, heilt alles in wenigen Tagen. Das ist gut für dich, aber auch gleichzeitig dein Problem. Bekommst du in deinem auserwählten Paradies Kinder, wirst du sie definitiv überleben. Jeder Mann bringt mit seinem Erbgut die schädlichen Gene mit, die das gemeinsame Kind später kränkeln und altern lässt!“

„Wieso redest du ständig von Kindern?“, fragt genervt Aphrodite. Über Kinder denkt sie erst gar nicht nach.

Marotti: „Weil du biologisch noch keine 20 Jahre alt bist. Du bist umwerfend schön und die Männer werden dich ständig in deinem auserwählten Paradies bedrängen. Deine eigene Lust auf einen Mann wirst du auch nicht ewig unterdrücken können. Sicher, für ein Jahr und etwas länger können wir bei dir eine Schwangerschaft verhindern. Doch dann wird irgendwann ein zweites Herz unter deiner Brust schlagen!“

„Ihr macht mir richtig Angst. Ich werde wieder Mutter sein und unter großen Schmerzen ein Kind gebären?“, fragt Aphrodite aufgewühlt. An so etwas hat sie gar nicht mehr gedacht. Sie war froh, dass sie bei den Tolteken nicht schwanger wurde. Ihr Zurück in die Zukunft hätte dann schwerwiegende Konsequenzen. Als Mutter hätte sie wieder ihre Kinder in einer ungewissen Zukunft zurücklassen müssen.

Marotti behauptet: „Irgendwie bist du schon viele Tausend Jahre alt. Biologisch bist du aber eine junge bildschöne Frau. Nur das zählt bei den Männern. Die Natur, der natürliche Kinderwusch, wird auch in dir siegen. Der Mann deiner Kinder wartet schon auf dich. Du wirst es genießen, wenn es in deinem Bauch kribbelt und das Ei in deiner Gebärmutter befruchtet wird. Das wird vermutlich unwiderruflich geschehen, egal wohin deine Reise dich auch führen wird!“

Aphrodite entsetzt: „Sagt ihr das nur, weil ich nackt vor euch stehe? Bin ich wirklich so unwiderstehlich schön für alle Männer? Ich stelle mir mein Paradies eigentlich ganz ohne Kinder vor. Vier Kindern habe ich das Leben geschenkt und sie sind alle tot. Reicht dir das nicht?“

„Dann lege dich in den Sarkophag und lass dich von uns in einen Mann umwandeln. Als Mann hast du definitiv reichlich Sex und kriegst hundertprozentig keine Kinder mehr. Dazu kannst du dich ungestraft jeglicher Verantwortung entziehen. Die Mütter müssen eben mit deinen Kindern alleine klarkommen. Du wärst nicht der erste Mann, der sich vor seiner Verantwortung drückt!“

„Das ist wohl wahr. So etwas tun leider zu viele Männer ihren schwangeren Frauen an!“, stimmt Aphrodite ihm zu und bittet: „Ich will mich sehen. Wo ist ein Spiegel. Ein Mann sein, das ist doch verrückt!“

Schon ist sie von Spiegeln umgeben, Spiegel in alle Richtungen. Sie betrachtet sich und stellt zufrieden fest, dass sie eine schöne, eine vollendet schöne Frau ist. Keinen noch so geringen Makel kann sie finden. Mit reichlich Fantasie stellt sie sich jetzt als Mann vor. Der kleine Beutel aus ihrer mexikanischen Welt, immer noch in der rechten Hand, muss an der bewussten Stelle das fehlende männliche Geschlechtsteil ersetzen. Ihre Fantasie macht sie so zum Mann. Oh Gott, ist das schrecklich! Alle Götter mögen sie davor bewahren. Als Mann kann sie sich ihr Leben in der nahen Zukunft schon gar nicht vorstellen. Auch ihr Verstand, ihre Gefühle werden sicher immer noch weiblich sein. Sie wird nicht so schnell und einfach auf Mann umschalten können. Oder wird das hässliche Ding zwischen ihren Beinen dann schnell Macht über sie haben? Die Männer selbst behaupten immer wieder, dass der kleine Mann und der berühmte Samenstau die Macht dazu besitzen sollen. Wird sie Sex mit einer Frau haben wollen, auch wenn ihr Verstand sich dagegen wehrt? Sie hat sich entschieden: Sie will niemals ein Mann sein. Das Angebot haben ihr die Herren der Zeit schon so oft gemacht. Was soll so toll an einem Mann sein? Fest entschlossen verkündet sie: „Auch im Paradies werde ich eine Frau sein. Dann eben auch wieder einmal schwanger. Auch diese Kinder werde ich lieben!“

„Oder tritt doch als Novizin in ein Nonnenkloster ein!“, schlägt ihr Marotti zynisch vor.

Aphrodite reißt die Augen weit auf, schluckt und stottert: „In –in – ein - ein Kloster?“

Marotti behauptet sichtlich erheitert: „Wenn du nachher aus dem Sarkophag steigst, bist du wieder eine echte Jungfrau und bringst für den vermeintlichen Bund mit Gott doch die allerbesten Voraussetzungen mit!“

„Buße tun, für was? Was habe ich verbrochen? Okay, eine Heilige bin ich ganz gewiss nicht. Doch Tag ein und Tag aus einen fernen unnahbaren Gott anbeten, ist nicht meine Art und schon gar nicht meine Bestimmung. Schon vergessen, ich bin Aphrodite. Überhaupt, täglich Blumen und Kräuter im Klostergarten gießen, mag ich schon gar nicht. Einen Gott anbeten kann ich auch nicht. Das wäre bei mir nicht echt und schon gar nicht aufrichtig. Da ist mir ein heruntergekommenes Bordell allemal lieber!“, spottet Aphrodite und setzt lachend fort: „Ich kann mir natürlich auch ein Leben in einem Bordell nicht vorstellen. Ein Leben als Prostituierte oder künstlerisches Aktmodell ist für mich in Zukunft genauso ausgeschlossen. Ich will ein einfaches, ganz normales Leben als Frau führen. Zur Not auch eine Frau mit Mann und mit Kindern. Am besten dann nur ein Kind!“

„Im Kloster wärst du theoretisch vor den Männern sicher gewesen. Auch wenn nicht alle Nonnen den Männern aus dem Weg gegangen sind. Du willst definitiv kein Mann sein und auch in kein Kloster gehen. Okay, dann ist das wohl ein für alle Mal zwischen uns geklärt!“, stimmt Marotti ihr zu und setzt fort: „Du musst dich dennoch in der nächsten Stunde für ein konkretes Ziel entscheiden. Was trägst du überhaupt die ganze Zeit in deiner Hand?“

Aphrodite verlegen: „Es ist wunderschöner Goldschmuck, den mir der Patriarch Camacho geschenkt hat. Im Beutel ist auch noch der Reisepass einer toten Frau mit meinem Lichtbild. Mit dem Pass bin ich eine gewisse Lisa Sittig aus Schweden. Alles war nur für den Fall gedacht, wenn wir uns – aus welchen Gründen auch immer – verfehlen könnten. Dann hätte ich mich alleine auf die Suche nach meinem Paradies gemacht!“

Marotti gibt sich überrascht: „Aha, alles nur für den Notfall.“

„Ich frage die Herren der Zeit, wo finde ich nun mein Paradies?“, will Aphrodite wissen.

„Geh doch zu deinen eigenen Wurzeln zurück. Kindheit und Jugend haben dich doch sicher entscheidend geprägt. In der Erinnerung ist es doch oft das heimliche Paradies. Das Unangenehme aus dieser Zeit ist längst vergessen“, schlägt Marotti vor.

„Nach Schweden sollte und wollte ich tatsächlich zurückkehren. Doch in welche Zeit? Zurück in das Haus meiner Oma? Ohne Oma?“, denkt sie laut nach und wünscht sich: „Schweden? Ja! An die Ostseeküste? Ja! Doch wann? Welche Zeit?“

Marotti: „Mach es doch dieses Mal ganz ohne Zeitreise. Wir bringen dich nur zum Ostseestrand deiner Wahl. Es ist eine Zeit noch ganz ohne Internet und die vielfältigen sozialen Netzwerke. Mobilphones sind noch Ziegelsteine und unerschwinglich für den Normalbürger. Auch die digitale Technik, Kameras und all die ganze Überwachungstechnik, stecken noch in den Kinderschuhen. Das Wissen über das menschliche Erbgut, die Bestandteile der Desoxyribonukleinsäure, umgangssprachlich abgekürzt DNS, warten noch auf ihre endgültige Entschlüsselung. Also eine Welt, noch ganz ohne den gläsernen Menschen und den anderen mehr oder weniger positiven technischen Errungenschaften deiner ehemaligen Zukunft. Es ist ein einfaches entspanntes Leben, noch ganz ursprünglich und ohne herausragende politische und wirtschaftliche Katastrophen. Der schwedische Sozialstaat funktioniert trotz einer schleichenden Krise noch recht gut. Finanziell werden wir dich weiterhin mit reichlich US-Dollar-Noten ausstatten können, dass du ohne finanzielle Sorgen dort leben kannst. Auf zwei Schweizer Banken und einer Bank in New York deponieren wir insgesamt eine Milliarde US-Dollar. Keine der Banken geht in den nächsten 100 Jahren unter.“

„Wie könnt ihr nur so viel Geld beschaffen?“, will Aphrodite überrascht wissen.

„Durch geschickte Manipulationen der Banken. Wir wissen, was diese Banker noch nicht wissen!“, behauptet Marotti und es klingt so etwas wie Stolz heraus.

Aphrodite lobt: „Respekt.“

„Nur den ewigen und scheinbar unlösbaren Konflikt mit dem anderen Geschlecht können wir dir nicht abnehmen“, bedauert Marotti und erklärt weiter: „Der von dir so geliebte oder auch gehasste Macho wird dir überall begegnen und dir das Leben als Frau immer schwer machen. Den Gegensatz der Geschlechter musst du für dich allein lösen und auch austragen. Beginn doch dein neues Leben im erwachenden Frühling Schwedens im Jahr 1975. Vielleicht findest du dort auch deine große Liebe. Schweden erwacht aus dem Winterschlaf und du richtest dich dort häuslich ein. Ganz ohne riskante falsche Papiere. Behalte ruhig den falschen Pass der Lisa Sittig für den äußersten Notfall. Allerdings, der falsche Pass einer toten Frau ist kein guter Start, auch nicht im liberalen Schweden. Du hast am besten keine Papiere und eben jede Erinnerung verloren. Auch wenn noch der „Kalte Krieg“ die Weltpolitik beherrscht, die Schweden gelten als besonders offen und tolerant. Halte dich auch mit dem Geldausgeben bitte etwas zurück. Viel Geld kann auch Gefahren heraufbeschwören. Wie siehst du das?“

„Zugegeben, von falschen Dokumenten halte ich auch nichts. Die Erfahrungen mit der toten Amerikanerin gehören bei mir nicht zu den schönsten Erinnerungen. Die Idee, einfach ins Blaue zu reisen, finde ich doch ganz gut. Schlimmer als es mir damals mit der toten Frau erging, kann es doch gar nicht kommen. Bringe mich bitte nach Südschweden. Am besten in die Nähe von Jamjö am Ostseestrand. Eine Freundin aus der Schulzeit kam von dort. Sie hat immer von ihrer alten Heimat in den höchsten Tönen geschwärmt. Dort will ich auch hin. Dort soll es sehr schön sein!“

„Jamjö nahe Karlskrone meinst du?“, fragt Marotti, nickt und zeigt zum Sarkophag: „Bitte nach dem Duschen gleich einsteigen. Dein Beutelchen mit dem Schmuck kann an der Seite liegenbleiben. Pack alles dann in den Seesack, der für dich nach dem Duschen bereitliegt. Dass du als Jungfrau wieder herauskommst, lässt sich leider nicht ändern. Den Sarkophag umprogrammieren ist uns zu aufwendig. Eine Jungfrau sein ist doch keine Krankheit. Du weißt diesen Vorteil sicher auch zu nutzen!“

„Meine neue Jungfräulichkeit ist sicher das allergeringste meiner Probleme dort. Ich muss doch nicht für meine Jungfräulichkeit mit einem Schild um den Hals herumlaufen und die Leute vor mir warnen!“, spottet Aphrodite, duscht sich schnell und steigt in den Sarkophag. Aphrodite taucht wie gewohnt in die grüne Flüssigkeit ein und weiß, dass alles gut wird.

Südschweden, Ostsee nahe Jamjö, ein früher Morgen im Frühjahr 1975

Erschöpft hat Aphrodite endlich das steinige Ufer erreicht und steigt aus der immer noch eisigen Ostsee. Nur der Neoprenanzug hat ihr das Schwimmen in der eisigen Ostsee überhaupt möglich gemacht. Sie hat ganz steife Finger und Füße vom kalten Wasser. Am Strand sucht sie sich eine freie Stelle mit grobem Sand. Auf den großen glatten Steinen fürchtet sie schnell den Halt zu verlieren, wenn sie sich den Neoprenanzug auszieht. Es kostet sie sehr viel Kraft, den nassen Neoprenanzug abstreifen. Der Neoprenanzug hat sich auf ihrer nackten nassen Haut richtig festgesaugt. Das sie darunter ganz nackt ist, war ihre Entscheidung. Die von den Herren der Zeit angebotene Unterwäsche wäre sicher auch nass geworden. Bevor sie den Neoprenanzug ganz auszieht, schaut sie sich noch einmal um. Im nahen Umfeld ist sie scheinbar ganz alleine. Nur sehr weit weg von ihr stehen zwei Gestalten, vermutlich Angler im Nebel. Also keine Gefahr. Entspannt trocknet sie sich ab und öffnet ihren Beutel. Als erstes streift sie sich ihren Slip über. Dann steigt sie in ihre Jeans, die ihren Po hoffentlich in Bestform zeigt. Auf einen BH hat sie bewusst verzichtet. Sie kennt nicht die aktuelle Mode und glaubt mit dem dicken Rollkragenpullover nichts falsch zu machen. Ihre Oberweite kann sie mit oder ohne BH nicht unter dem Pullover verbergen. Sie will ihre weibliche Figur auch gar nicht verbergen. So jung und schön wie sie ist, könnte sie für eine frühreife Schülerin gehalten werden. Ist es zu viel Jugend, die ihr von den Herren der Zeit mitgegeben wurde? Sie ist definitiv einige hundert Jahre alt. Biologisch muss sie so um die 20 Jahre alt sein. Die schönste Zeit für jede Frau. Denn die Zeit der Jugend ist etwas Wunderbares. Es ist ein Geschenk der Herren der Zeit, dass sie unmöglich ablehnen konnte. Zum Schluss wirft sie sich den langen Mantel über und versteckt ihr langes blondes Haar unter einem breiten Hut. Dass sie jetzt passend nach der Mode der 70èr Jahre gekleidet ist, glaubt sie nicht. Auffallen wird sie aber hoffentlich auch nicht. Es ist ihr auch nicht wichtig. Ihren Neoprenanzug stopft sie zum Schluss in den Seesack. Nichts will sie am Strand zurücklassen. Die Trekking-Schuhe und Socken hält sie in den Händen, bis sie oben den festen Weg erreicht hat. Neu zu ihrer Ausrüstung, gehört der Energiestab. Die Herren der Zeit bestanden darauf, dass sie diese universelle Waffe unbedingt mitnimmt. Denn als verheerende Waffe ist der Stab auch in dieser Zeit noch nicht bekannt. Niemand vermutet, dass dieser Stab eine gigantische Energie in sich trägt. Unter dem rechten Ärmel ihres Pullovers findet der Stab seinen Platz. Eine Welt ohne Gefahren ist auch Schweden im Jahr 1975 nicht. Wo sie den Pass der toten Lisa Sitting, das viele Geld und den Goldschmuck lassen soll, weiß sie noch nicht. Alles am Strand zu verstecken, ist keine gute Idee. Der nächste Sturm könnte alles mit in die Ostsee spülen. Sie muss dafür einen sicheren Ort finden. Den schweren Seesack schleift sie hinter sich her. An der Landstraße, angeblich nur ein paar Gehminuten vom Strand entfernt, hofft sie dann auf eine Mitfahrgelegenheit. Der schmale Weg ist steil und oben endlich angekommen, will sie sich erst einmal ein paar Minuten ausruhen. Dort oben und hinter den Büschen können die Angler sie auch nicht mehr beobachten. Sie hat den steilen Weg hoch geschafft. Oben angekommen, macht sie erst einmal unter einer dicken Kiefer Rast. Das Schwimmen mit Seesack und der Weg hier hoch haben viel Kraft gekostet. Nach ein paar Minuten Rast zieht sie sich ihre Socken und Trekkingschuhe an. Dafür muss sie nur in die Schuhe steigen, dann schließt sich der Schuh von alleine. Äußerlich ist alles nur ein normaler Schnürschuh, wie ihn Wanderer in diesem Jahrhundert gerne tragen. Sie will natürlich nicht auffallen. Aus dem Wald hört sie Geräusche. Ratternd kommt aus dem Wald etwas auf sie zu. Es ist ein Kleinbus, Marke VW Bus. Der Bus kommt aus dem Waldweg unaufhaltsam immer näher auf sie zu. Auf der Lichtung vor ihr, geschätzte 30 Meter von ihr entfernt, wendet der blaue Kleinbus und hält an. Endlich wird der laut ratternde Motor abgestellt. Die einsetzende Stille ist greifbar. In schon naher Zukunft werden diese Stinker und alle Verbrennungsmotoren wie die Dinosaurier aussterben. Tatsächlich es ist der Typ Bus, der wenig später zum Kultbus des 20.Jahrhunderts gekürt wurde. Aphrodite versteckt sich so gut es geht und will so ohne Gefahr beobachten, was sich dort auf der Waldlichtung abspielen wird. Ein großer Mann mit langen feuerroten, zu einem Zopf geflochtenen Haaren, steigt aus und öffnet die Schiebetür des Wagens. Aus der Schiebetür steigen vier junge blonde Frauen laut fluchend aus. Was die Frauen fluchen, versteht sie nicht. Aphrodite fallen sofort die extrem kurzen Röcke der Frauen auf. Was Aphrodite noch auffällt: Alle Frauen sind langhaarige Blondinen und tragen ihre Oberweite mit freizügigen Dekolletés zur Schau. Von der anderen Seite des Wagens kommend, stellt sich ein Mann mit glänzender Vollglatze zu den Frauen. Aphrodite zuckt erschrocken zusammen, denn der kahlköpfige Mann hält gut für sie sichtbar eine Pistole mit Schalldämpfer in der Hand und richtet diese Waffe drohend auf die Frauen. Was der Mann zu den Frauen sagt, kann sie nicht verstehen. Er redet recht leise aber bestimmend auf die Frauen ein. Auch der andere Mann mit dem roten Zopf richtet jetzt eine Pistole auf die Frauen. Die Frauen regen sich nicht über die Waffen auf und lächeln die Männer sogar gewinnend an. In Reihe und Glied stellen sich die Frauen auf und ziehen ihre Höschen unter den kurzen Röcken aus. Hingehockt erleichtern sich alle Frauen vor den Augen der beiden Männer. Auch die beiden Männer haben ihre Gehänge herausgeholt. Stolz auf ihre Männlichkeit pinkeln sie vor den Augen der Frauen ins Gras. Der Mann mit Glatze ist mit seinem Geschäft eben fertig und stopft seinen Helden zurück in die Hose. Der Reißverschluss klemmt und kann die Hose erst im zweiten Anlauf zu schließen. Mit der Aktion endlich fertig, richtet er seine Pistole auf eine der jungen Frauen und verlangt lautstark auf Schwedisch: „Dumme Fotze, zieh dich nackt vor mir aus. Dich ficke ich jetzt in dein heißes Arschloch. Mir ist gerade danach und du brauchst den Fick auch!“

„Das ist euch Wichsern und Schlappschwänzen gar nicht erlaubt. Wir gehören längst dem Deutschen mit Haut und Haar. Für jede Frau hat der Deutsche über 10.000 Deutsche Mark bezahlt. So viele Geld habt ihr armseligen Würstchen gar nicht“, protestiert die junge Frau ebenso lautstark. Der Mann mit Zopf behauptet, auch gut für Aphrodite hörbar: „Was erlaubt ist, entscheiden nur wir beide. Ihr seid nur dumme billige Huren. Zur Strafe müsst ihr euch jetzt alle ganz nackt ausziehen. Wir ficken euch in alle Löcher. Auch mit der kleinen Planänderung haben wir alle Zeit der Welt dafür. Wer sich von euch unserem Willen widersetzt, wird sofort erschossen. Die tote Hure ist dann nur einer der üblichen Transportverluste. Ein Unfall eben. Der deutsche Geizhals wird es schon verkraften können!“ Die Frauen weinen leise und beginnen, wie von den Männern verlangt, sich nackt vor ihnen auszuziehen. Dass diese Männer schon getötet haben, davon sind alle Frauen überzeugt. Deren kalte Augen lassen Schlimmes ahnen. Aphrodite weiß, dass sie nur im absoluten Notfall mit ihrem Stab, ihrer Wunderwaffe aus der fernen Zukunft, eingreifen darf. Was sie jetzt vorhat, kann ein schwerwiegender Eingriff in Raum und Zeit bedeuten. Aus ihrer Sicht ist die zu erwartende Vergewaltigung der Frauen so ein extremer Notfall. Keine Frau auf der Welt kann emotionslos zuschauen, wenn andere Frauen vor ihren Augen brutal vergewaltigt werden. Auch wenn diese Frauen vermutlich Prostituierte sind. Ob sich diese Frauen freiwillig prostituieren, ist in diesem Moment auch für Aphrodite nicht wichtig. Sie muss eingreifen. Das verlangt ihr Gewissen. Die Herren der Zeit sehen das sicher ganz anders. Egal, sie hat sich eben entschieden, steht auf und richtet den Stab auf die Männer. Sie feuert einen dosierten Energiestoß ab. Kein Mann soll durch ihre Waffe sterben. Wie von ihr erwartet, sacken die beiden Männer wie schlaffe Säcke betäubt zusammen.

Die Frauen kreischen entsetzt und begreifen nicht, was eben gerade vor ihren Augen geschehen ist. Aphrodite lässt ihren Seesack liegen, geht auf die Frauen zu und bittet um Entschuldigung: „Vergebt mir, ich konnte eben nicht anders. Keine Sorge, beide Männer erfreuen sich allerbester Gesundheit. Sie werden aber die nächsten Stunden ohne Bewusstsein bleiben und auch danach nicht wissen, was mit ihnen geschehen ist. Es ist für uns alle besser, wenn diese Männer nie erfahren, wie sie überwältigt wurden!“

„Wer bist du? Was hast du eben mit den Männern gemacht?“, will eine der Frauen wissen und zieht sich hastig wieder an. Auch die anderen Frauen ziehen sich an und sprechen leise miteinander. Wieder wird sie von einer der Frauen gefragt: „Was war das eben? Wer bist du? Bist du von der Polizei? Wo sind die anderen Polizisten?“ Wer sie wirklich ist, kann sie natürlich den Frauen nicht sagen. Sie muss sich wieder eine spezielle Lüge für diese Frauen einfallen lassen.

So behauptet Aphrodite lächelnd: „Ich bin Wissenschaftlerin, Meeresbiologin der Schwedischen Akademie der Wissenschaften, mit Sitz in Stockholm. Um den aktuellen Zustand des Meeresbodens und des Lebensraumes der Ostsee zu erkunden, ging ich hier vor der Küste tauchen. Dabei habe ich unter Wasser auch eine neue Ultraschallkanone für die Wissenschaft getestet. Mit dieser neuen Ultraschallwaffe habe ich eben auch die beiden Männer betäubt. Das Gerät wurde entwickelt, um Tiere ohne Folgeschäden zu betäuben und danach zu untersuchen. Nur für ein paar Stunden sind die Männer bewusstlos und wachen mit etwas Kopfweh und vielen Erinnerungslücken auf. Zeit genug für euch alle, mit dem Bus in die Freiheit zu fliehen und ein neues Leben zu wagen!“

„Wir sind hier nicht in der Nähe von Stockholm. Die Wissenschaftlerin kaufen wir dir nicht ab. Dafür bist du uns auch viel zu jung. Von dir gerettet werden wollten wir schon gar nicht. Die Männer wollten nur etwas Sex. Wir hätten Sex mit ihnen gehabt und dann wären wir weitergefahren“, behauptet eine der jungen Frauen.

Dass die Frauen so undankbar für ihre Rettung sind, enttäuscht Aphrodite sehr. Hat sie wieder einmal alles falsch gemacht? Hätte Aphrodite sich gar ganz entspannt und völlig teilnahmslos die brutalen Vergewaltigungen der Frauen anschauen sollen? Mal entspannt zuschauen, wie eine Vergewaltigung sich für einen unbeteiligten Zuschauer anfühlt. Gruppensex mal Live erleben. Männer zahlen angeblich horrende Summen für solche Pornoszenen. Die Pornoindustrie in aller Welt verkauft so einen Schund profitabel. Tausende Frauen verkaufen sich dafür. Sogar Minderjährige und Kinder müssen dafür vor der Kamera leiden. Das kann und will sie nie zulassen. So gibt sie sich betont selbstbewusst und erklärt den Frauen: „Ob ihr es mir glaubt oder nicht, ist für mich nicht relevant. Ich habe das eben auch für mich getan. Ich hatte die Macht, die Männer auszuschalten und es war meine Pflicht, die Männer zu stoppen. Ob es euch nun passt oder nicht. Prostitution und Zuhälterei wird überall bestraft.“

„Eine Wissenschaftlerin bist du für uns nicht“, spottet ein der Frauen.

Aphrodite behauptet: „Unser Forschungsschiff liegt im tieferen Wasser vor der Küste. Die starke Strömung hat mich zu weit vom Schiff abgetrieben. So blieb mir erschöpft nur der Weg zum Strand. Ich weiß ehrlich auch nicht, wo ich hier wirklich gelandet bin. Wenn ihr mich bis zur nächsten Tankstelle bringt, reicht mir das schon völlig aus. Dort rufe ich meine Kollegen an und Männer der Schiffsbesatzung holen mich ab. Was hat sich eben hier abgespielt? Warum haben die beiden Männer euch mit ihren Pistolen bedroht? Wolltet ihr euch tatsächlich freiwillig nackt vor ihnen ausziehen und Sex mit den Männern zulassen? Für mich sah das alles ganz nach einer brutal erzwungenen Vergewaltigung aus!“ Verlegen schweigen die Frauen und weichen ihren fragenden Blicken aus. Sie will Vertrauen zu den Frauen aufbauen und verspricht: „Ich habe rein gar nichts mit der Polizei oder einer anderen Ordnungsbehörde zu tun. Mich interessieren als Wissenschaftlerin nur die Fischbestände und der allgemeine Zustand der Ostsee. Was war hier los? Warum haben die Männer euch mit ihren Pistolen bedroht. So wie es für mich aussah, war es kein Picknick im Grünen. Wie brave protestantische Schulmädchen auf einem Ausflug seht ihr alle nicht aus. Ein offenes Wort von euch könnte uns allen helfen!“ Die Frauen schweigen und haben sichtlich Angst. Aphrodite fragt sich erneut, hat sie wieder alles falsch gemacht? Sie bittet die Frauen noch einmal: „Ich bitte um ein offenes Wort und will nur helfen.“

„Ich bin Gerda und wir sind natürlich Prostituierte. Wenn du uns als Huren beschimpfst, ist das auch okay!“, erklärt eine der Frauen, geht auf Aphrodite zu und gibt ihr die Hand. Auch die anderen Frauen gehen auf sie zu und geben ihr die Hand.

Eine auffallend große Frau stellt sich ihr als letzte vor: „Ich bin für die Zuhälter und meine Freier nur Jasmin. Wer ich wirklich bin, ich einmal war, habe ich längst vergessen. Dass ich einmal ein normales Mädchen war, ist so unglaublich weit weg, dass es gar nicht mehr wahr ist. Eben eine andere Welt, die für mich unerreichbar ist. Heute am frühen Vormittag wurden wir in einem Zirkuszelt auf einer Festwiese mitten in Stockholm an Zuhälter verkauft. So wie ich das gesehen habe, müssen über 60 Frauen den Besitzer gewechselt haben. Wir vier wurden alle von einem deutschen Bordellbetreiber aus Hamburg gekauft.“

„Heute Vormittag“, kann Aphrodite gar nicht glauben.

Eine rothaarige Frau versichert: „Tatsächlich heute Vormittag. Wahr ist, die Versteigerung sollte gestern Abend in einem Nachtklub stattfinden. Doch die Behörden müssen etwas davon mitbekommen haben.“

Aphrodite lacht: „Die Behörden sind also schuld, dass ihr hier im Wald steht?“

Die Frau, die sich als Jasmin vorgestellt hat, bestätigt: „Wir sind nackt in der Arena eines Zirkuszeltes im Kreis gelaufen. Unser Strumpfband hatte eine Nummer. Die aufgerufene Nummer durfte die Arena verlassen und sich wieder anziehen. Wir vier saßen danach im Bus und die Fahrt ging los. Der Weg direkt in die BRD soll angeblich strenger überwacht werden. Über den Fährhafen Trelleborg nach Saßnitz sollten wir ursprünglich in die DDR und dann weiter nach West-Berlin geschleust werden. Dort hätten uns die Männer an unseren Bordellbesitzer übergeben. Das Tourismusvisum in die DDR war angeblich der sicherste Weg nach West-Berlin und dann in die BRD. Eine Zusammenarbeit der schwedischen Polizei mit den Behörden der DDR findet nicht statt. Aus diesem Plan wurde nichts. Dass so viele Frauen als Prostituierte an Bordelle außerhalb Schwedens verkauft wurden, haben die Behörden vielleicht doch noch spitzgekriegt. Es muss eine undichte Stelle gegeben haben. Am Fährhafen in Trelleborg soll besonders streng kontrolliert werden, haben unsere Kurierfahrer von einem Motoradfahrer erfahren. Die Männer haben ihre Auftraggeber angerufen und neue Order erhalten. So sollten sie uns jetzt über Oslo in Kiel an den Deutschen übergeben. Wir haben hier mitten im Wald nur Halt gemacht, weil wir alle dringend mal pinkeln mussten. Für die Männer sollten wir am Straßenrand urinieren. Das haben wir alle natürlich abgelehnt. Darum fuhren wir hier in die Waldlichtung!“ Aphrodite kann es immer noch nicht glauben, dass die Frauen sich freiwillig prostituieren.

Noch einmal fragt sie: „Ihr wollt angeblich alle freiwillig in Deutschland als Prostituierte anschaffen gehen? Wirklich alle freiwillig?“

Gerda versucht zu erklären: „Unsere Schicksale gleichen sich. Meist aus blinder Liebe zu einem Mann sind wir mehr oder weniger freiwillig das geworden, was wir heute sind. Die Schulden, die unsere Männer angeblich hatten, waren frei erfunden. Als wir den Betrug der Männer viel zu spät erkannten, wollten wir natürlich aufhören. Wir wurden von unseren Männern brutal verprügelt und von vielen fremden Männern vergewaltigt. Am Ende der Tortur waren wir zu allem bereit. So haben wir weiter als Huren funktioniert. Doch unsere Männer wollten das schnelle Geld mit uns machen. Sie haben uns schon vor Tagen an einen Händler verkauft. Dass wir weit weg von unserer Heimat Schweden anschaffen gehen sollten, fanden wir selber gut. Die Deutschen zahlen gut für die käufliche Liebe. Die Deutsche Mark hat Gewicht in Europa. Die Gefahr, dass uns aus der Heimat Freier als Huren erkennen, ist auch gering. Wenn wir nach ein paar Jahren genug Geld angespart haben, wäre ein Neuanfang in Schweden ohne unsere schmutzige Vergangenheit, dann mit einem neuen Mann vielleicht, möglich!“

„Alle Huren der Welt träumen so einen Traum. Ich kenne aber keine Hure, die sich diesen Traum jemals erfüllt hat. Es gibt nur Huren, die arm, krank und von der Gesellschaft ausgegrenzt, einsam am Ende gestorben sind!“, widerspricht Aphrodite den Frauen. Die rothaarige Frau weint leise und klagt: „Wie geht es jetzt mit uns weiter? Wir haben keine Papiere. Kommt die Polizei, werden wir als Prostituierte nach schwedischem Gesetz für viele Jahre eingesperrt. Ich will aber nicht ins Gefängnis. Das Bordell in Deutschland wäre mir lieber gewesen. Die betäubten Männer werden auch ausrasten, wenn sie wieder zu sich kommen. Ich weiß es, sie werden uns alle töten. Alle Huren die rebellieren, müssen sterben. Das ist ein Gesetz und Gott will es auch so!“

Das ist wirklich ein Problem, weiß auch Aphrodite und schlägt vor: „Durchsucht den Wagen und die Männer nach Papieren. Ohne Papiere könnt ihr auch nicht über Oslo Kiel erreichen. Eure echten oder auch die gefälschten Dokumente müssen also hier im Wagen zu finden sein!“ Hektisch beginnen die Frauen den Wagen und die Männer zu durchsuchen. Nach wenigen Minuten halten sie unglaubliche 22 Reisepässe in den Händen. Jede Frau findet auch ihr eigenes Dokument darunter wieder. Sogar etwas über 2000 Kronen in großen und kleinen Scheinen fallen den Frauen in einer der Taschen in die Hände. In einer anderen Tasche finden sie sogar eine große Menge sauber verpacktes Heroin. Das ist eine neue Dimension der Gefahr für sie alle. Sie wissen, wenn es um Drogen geht, wird es für alle lebensgefährlich. Für Drogen wird immer und überall auf der Welt gemordet. Aphrodite will die Frauen beruhigen: „Die Drogen sind nicht euer Problem und schon gar keine Gefahr für euch. Es ist eher ein Glücksfall. Der Weg für einen echten Neuanfang ist nun möglich. Bringt mich nur zur nächsten Tankstelle, dann fahrt zurück zu euren Eltern. Ihr müsst ihnen nicht sagen, dass ihr als Huren anschaffen wart. Ihr seid nur ausgerissen und habt euch mit Gelegenheitsjobs über Wasser gehalten.“

„Die Männer werden uns jagen, wenn sie wieder zu sich gekommen sind. Sie finden uns, egal wo wir uns vor ihnen verstecken!“, warnt die rothaarige Frau und weint. Aphrodite will die völlig verängstigten Frauen beschwichtigen und schlägt spontan vor: „Es wird nicht zu dieser Katastrophe für euch kommen. Ihr habt mein Ehrenwort. Wir fesseln jetzt die Männer und lassen ihnen auch ihre Waffen. Das Rauschgift bleibt natürlich auch bei den Männern.“

„Der Stoff auch?“, klagt Jasmin.

Aphrodite warnt: „Versucht bitte erst gar nicht, das Teufelszeug mitzunehmen und an dubiose Kunden selbst zu verkaufen. Das ist viel zu gefährlich und kann tatsächlich tödlich für euch enden.“

Die rothaarige Frau: „Ich will mit den Drogen auch nichts zu tun haben!“

„Vielleicht erschießen sich beide Männer auch im Streit. Es geht immerhin um eine große Menge Drogen. Ihr und der Bus seid weg. Das Geschäft mit euch ist geplatzt. Die Männer wissen nicht, was wirklich mit ihnen passiert ist“, meint Aphrodite und behauptet weiter: „Was der Stoff auf dem Drogenmarkt wert ist, wissen die Männer dagegen garantiert. Ihre Erinnerung kommt nicht so schnell zurück. Mit dem Bus habt ihr auch einen kleinen Vorsprung. Zur Polizei gehen die beiden Männer garantiert nicht. Gleich in der nächsten Stadt ruft ihr die Polizei an und erklärt, wo diese Männer mit den Waffen und den Drogen zu finden sind. Allein für den Besitz der Waffen und der Drogen, die die Polizei bei ihnen finden werden, enden die Männer im Knast. Diese Männer sind also keine Gefahr mehr für euch. Bis der Deutsche Bordellbesitzer eine Suche nach euch veranlassen wird, seid ihr hoffentlich längst bei euren Familien untergetaucht. Die Suche nach euch wird viele Wochen später erst beginnen und im Sand verlaufen. Glaubt mir das bitte!“

„Du kannst damit Recht haben. Es gibt aber ein anderes Problem. Wir alle haben keinen Führerschein und können weder ein Auto noch den VW-Bus fahren!“, stöhnt die Rothaarige: „Fahr du uns doch bitte!“

„Da habe ich mir mit euch Weibern was eingebrockt. Ich habe leider auch keinen Führerschein. Fahren kann ich diese alten Kisten mit Verbrennungsmotoren gar nicht. Mir sind die selbstfahrenden Fahrzeuge auch viel lieber. Lasst mich nachdenken!“, bittet Aphrodite. Was Aphrodite eben erklärt hat, verstehen die Frauen natürlich nicht, schweigen aber und halten die Frau für verrückt. Aphrodite sucht nach einem Reisepass, der vielleicht zu ihr passen könnte. Mit etwas Fantasie könnte das Bild einer sehr jungen Frau in einem Pass zu ihr passen. Eine gewisse Elga Swegsund aus Stockholm soll diese Frau sein. Diesen Pass steckt sie sich einfach ein, auch wenn die Ähnlichkeit nicht perfekt ist. Danach holt sie sich den zurückgelassenen Seesack. Wieder zurück bei den Frauen, hat sie immer noch keine Idee, wie es weiter mit ihr und den Frauen gehen soll. Den VW-Bus fahren traut sie sich absolut nicht zu. Der Bus ist für sie Technik aus der fernen Steinzeit. Das wäre die nächste Katastrophe, wenn sie einen Unfall mit dem Bus baute und dabei eine der Frauen gar verletzt werden könnte. Das wäre der nächste schwere Eingriff in Raum und Zeit. Die Herren der Zeit würden sie sofort zurückholen. Die Suche nach ihrem Paradies wäre dann endgültig gescheitert. Die Frau, die sich ihr als Jasmin vorgestellt hat, behauptet: „Ich war noch keine 12 Jahre alt, da bin ich mit dem Trecker auf unserem Hof und auf dem Acker herumgefahren. Später durfte ich auch mit dem Unimog über unsere Äcker fahren. Der deutsche Unimog von Mercedes und der VW-Bus aus deutscher Produktion können doch nicht so sehr anders zu fahren sein. Ich könnte es also mal versuchen!“

„Goldstück, du bist unsere absolute Rettung. Wir haben eine Busfahrerin!“, jubelt Aphrodite und drängt die Frauen: „Fesselt bitte die Männer. Verklebt ihnen auch die Augen und den Mund. Wir dürfen keine Zeit verlieren. Ich habe keine Ahnung, wie lange die Männer noch schlafen werden. Ich habe nur ganz aus dem Bauchgefühl auf Betäubung eingestellt. Es können nur noch Stunden, aber auch ein ganzer Tag sein, bis die Männer aufwachen!“ Die Frauen haben sie verstanden, suchen und finden Seile und reichlich Klebeband. Eine Frau beginnt, dem Mann mit dem langen roten Zopf die Hose auszuziehen.

„Was soll das werden?“, will Aphrodite wissen. Aus dem Bauchgefühl heraus braucht sie die rothaarige Frau gar nicht danach fragen. Das unglaubliche Gefühl der Macht über einen Mann treibt diese Frau an. Die rothaarige Frau grinst Aphrodite an und schlägt zynisch vor: „Wir zerquetschen den Herren der Schöpfung ihre Eier. Das haben sie doch alle verdient, diese Mistkerle!“ Aphrodite widerspricht lautstark, für alle Frauen hörbar: „Das kommt nicht in die Tüte. Egal, was diese Männer Schlimmes getan haben. Es reicht, wenn ihr die Polizei in der nächsten Stadt per Telefon anonym informiert. Das ist extrem wichtig, damit diese Männer unverletzt von der Polizei mit den Drogen und Waffen gefunden werden. Viele Jahre Haft warten auf diese Männer. Das muss als Strafe ausreichen. Wenn die Männer derart brutal von euch entmannt wurden, wird die Polizei auch nach euch suchen müssen. Das wollt ihr doch sicher nicht. Besser ist doch euer geräuschloses Untertauchen. Wie seht ihr das?“

„Auch wenn ich beiden Männer gerne alles abgeschnitten hätte, unsere ganz spezielle Retterin und angebliche Meeresbiologin hat in diesem Fall mal recht“, stimmt Jasmin zu. Die Frauen sehen das auch so und nicken zustimmend. So wird die Hose des Mannes wieder hochgezogen und geschlossen. Die beiden Männer werden von den Frauen doppelt und dreifach gefesselt. Zufrieden betrachten die Frauen die gefesselten Männer. Es fühlt sich für alle Frauen gut an, Macht über diese Männer zu haben. Die Tasche mit den Drogen und ihre Waffen werden gut sichtbar zu den Männern gelegt.

Die rothaarige Frau fragt: „Was wird aus mir?“

„Wie meinst du das?“, will Aphrodite wissen.

„Ich bin Elga Kirowa aus Leningrad. Sowjetbürgerin. Ich kann unmöglich zurück zu meinen Eltern!“, behauptet die rothaarige Frau. „Mein Vater ist als Künstler über die Grenzen der Sowjetunion hinaus bekannt. Seine Kunstwerke sind in ganz Europa und in den USA gefragt. Meine Mutter ist eine gebürtige Schwedin. Aus Liebe zu ihrem Mann ist sie in Leningrad geblieben. Sie war seine Muse und auch viele Jahre lang sein bevorzugtes Aktmodell. Meine Geburt war eine öffentliche Veranstaltung. Als ich 12 war, hat mein Vater ganz selbstverständlich von mir verlangt, dass ich splitternackt auf einem Podest in einem Saal der Kunstakademie stehe. Vor unzähligen Künstlern habe ich viele Stunden lang mich malen lassen. Mal hatte ich nur eine Mütze auf dem Kopf, mal stand ich nackt in Gummistiefeln vor den Künstlern. Ich war damals unglaublich stolz auf diese hohe Ehre, ganz nackt auf dem Podest zu stehen. Ein Aktmodell zu sein, war völlig normal für mich. Mit gerade mal 18 Jahren bin ich blind vor Liebe einem deutlich älteren schwedischen Künstler in seine Heimatstadt Stockholm gefolgt. Erst hat sich Vater gesträubt. Doch dann haben seine guten Beziehungen zu den Eliten meine Ausreise in den Westen ermöglicht. Dort war ich für den Mann, seinen Namen spreche ich aus Scham nicht aus, vor allem natürlich auch sein Aktmodell. Später dann eine sprudelnde Geldquelle. Fast jede Nacht musste ich mit einem seiner Künstlerfreunde das Bett teilen. Als das Interesse der Künstler nachließ, hat mich der Mann, den ich wirklich liebte, wie eine Ware verkauft. Denn verheiratet war ich nie mit diesem Mann. Heute früh lief ich auch im Zirkuszelt nackt in der Arena herum. Meine Versteigerung hat nicht lange gedauert und ich fand mich im Bus zusammen mit den Mädchen auf dem Weg zu meinem neuen Zuhälter. Mir ist bewusst, ich bin eine Hure und werde immer eine Hure sein. Wo und wie soll ich hier in Schweden leben? Ginge ich zurück in die Sowjetunion, stecken sie mich garantiert als angebliche Spionin des Westens in eines der berüchtigten Straflager. Vielleicht gar für immer!“

Aphrodite schlägt der geschundenen Frau vor: „Such dir einen normalen Job und halte die erste Zeit Abstand zu fremden Männern. Irgendwann wirst du auch eine neue Liebe finden!“

„Ich will es versuchen.“, erwidert sie leise und steigt als letzte in den Bus.

Aphrodite spricht alle Frauen an: „Ich muss euch noch ein paar gut gemeinte Ratschläge mit auf den Weg in die Freiheit geben. Mit euren sehr kurzen Röcken und freizügigen Dekolletés fallt ihr überall auf. Geld habt ihr jetzt doch genug. Das nächste Kaufhaus muss euer erstes Ziel sein. Nur der Anruf bei der Polizei ist noch wichtiger. Zieht Jeans und hochgeschlossene T-Shirts an. Schminkt euch nicht. Dann erst weiterfahren!“

„Wir haben es kapiert. Kann es losgehen?“, will die Fahrerin Jasmin wissen. Alle nicken zustimmend. Der Motor wird gestartet und ratternd fährt der Bus an.

Aphrodite lobt die Fahrerin: „Du bist die beste Autofahrerin der Welt!“ An der Straße angekommen, zögert Jasmin noch einen Augenblick. Dann gibt sie Gas und beschleunigt den Bus in Richtung Jamjö. „Du fährst wirklich sehr gut“, lobt Aphrodite die Fahrerin erneut und klagt: „Ich habe ein kleines Problem. Mein ganzes Bargeld ist logischerweise auf dem Schiff. Ich habe nur US-Dollar als Reserve im Gepäck versteckt. Kann ich die US-Dollar-Noten in Jamjö auf der Bank gegen Schwedische Kronen eintauschen?“ Jasmin schlägt vor: „Du wirst in Jamjö die US-Dollarscheine nicht so einfach eintauschen können. Wir fahren bis durch nach Karlskrona. Dort wirst du sicher ohne Probleme Kronen für deine US-Dollarscheine kriegen. Alles ganz ohne große Formalitäten. Das sind wir dir alle schuldig!“

Aphrodite bedankt sich und fragt die Frauen besorgt: „Wie geht es mit euch weiter? Steigt ihr aus dem Hurengeschäft aus und fangt ganz neu an? So ganz ohne euch wieder zu verkaufen?“ Von hinten hört Aphrodite eine der Frauen klagen: „Ganz ehrlich gesagt, wir wissen es noch nicht. Das Leben davor ist so unendlich weit weg von uns!“ „Ich bitte euch, hört auf zu klagen!“, bittet Aphrodite und schweigt jetzt lieber. Der Bus rattert schon durch die schwedische Kleinstadt Jamjö. Die Fahrt nach Karlskrona ist eine Tour des Schweigens. Die Frauen sehen für sich keine Zukunft. Ein Leben außerhalb eines Bordells ist ihnen schon lange fremd. Wie es weitergehen soll, wissen sie nicht. Die von Aphrodite erkämpfte Freiheit ist allen Frauen unheimlich. Die Lügengeschichte, die Aphrodite den Frauen erzählt hat, waren nicht wirklich glaubwürdig. Für Aphrodite ist das Schweigen unerträglich geworden. So meint sie: „Ich habe nicht das Recht Ratschläge zu erteilen. Als Wissenschaftlerin lebe ich in einer anderen Welt.“

„Wohl wahr“, spottet Jasmin und überholt einen Lastkraftwagen.

„Fahr nicht so schnell. Ihr dürft der Polizei nicht auffallen“, warnt Aphrodite Jasmin. Sie richtet ihre Bitte an alle Frauen: „Erlaubt mir einen Vorschlag. Ihr kennt euch nicht. Nur euer gemeinsames Schicksal, Huren zu sein, verbindet euch. Vielleicht ist es besser, wenn ihr zusammen den Neuanfang wagt. Ihr könnt euch dann besser vor falschen Freunden warnen und auch beschützen. Wenn eine von euch doch schwach wird, können die anderen sie wieder auf den richtigen Weg leiten. Wenn ihr jeden Tag früh aufstehen müsst, ist das schon eine Herausforderung für euch alle. Dann noch 8 Stunden hinter einer Ladentheke stehen, ist in der ersten Zeit kaum auszuhalten. Am Zahltag bekommt ihr gerade so viel ausgezahlt, wie ihr an einem einzigen Tag mit 3 oder 4 lausigen Freiern bekommt. Das ist verdammt schwer für euch. Der wahre Lohn der neuen Freiheit ist ein Leben in Würde und Anstand. Ihr seid dann keine käufliche Ware mehr. Dann seid ihr freie Menschen, die geschätzt, geachtet und vielleicht auch später einmal geliebt werdet!“

„Schöne Worte. Leider nur Worte“, jammert hinten eine Frau leise.

Aphrodite widerspricht: „Es sind nur dann leere Worte, wenn ihr den Kampf für eure eigene Freiheit nicht wagt. Als Huren seid ihr in ein paar Jahren für eure Zuhälter wertlos geworden. Ein Leben außerhalb der Gemeinschaft bis zu eurem jämmerlichen Ende steht euch bevor. Als freie Menschen, freie Frauen, werdet ihr das ganze Leben lang geachtet und geschätzt.“

Jasmin stimmt ihrem Vorschlag spontan zu: „Versuchen sollten wir es tatsächlich gemeinsam, damit hat unsere angebliche Wissenschaftlerin recht!“

Die zerbrechliche Stimmung der geschundenen Frauen hebt sich etwas. Ob die Frauen es wirklich schaffen werden auszusteigen, weiß Aphrodite nicht. Wenn sie ehrlich ist, sieht sie keine echte Chance.

Wie Baron Münchhausen am eigenen Zopf aus dem Sumpf ziehen, funktioniert für diese Frauen schon gar nicht. Ein Verkehrsschild kündigt Karlskrona an. An der ersten Tankstelle will sich Aphrodite von den Frauen endgültig verabschieden und muss sie ihrem Schicksal überlassen. Oder soll sie den Frauen doch helfen? Sie kann sogar eine Gefahr für sie werden, wenn sie bei ihnen bleibt. Ihre innere Stimme sagt ihr, dass sie vielleicht doch von den Männern aus der Ferne beobachtet wurde, als sie Schweden vom Meer aus betreten hat. Hatten die Männer gar Ferngläser, dann wurde sie vielleicht sogar beim Umkleiden beobachtet. Nicht immer denken Männer bei einer Frau explizit nur an Sex. Männerfantasien schießen schnell mal über das Ziel hinaus. Die Jahre hier gehören in die Zeit des sogenannten Kalten Krieges, der zwischen Ost und West tobt. Aus ihr kann dann für die Männer eine Ost-Spionin werden. Dann sind die Frauen doppelt in Gefahr. Sie muss sich in jedem Fall von den Frauen trennen, ein bitter schlechtes Gewissen inklusive. Aphrodite beruhigt sich selbst mit der Feststellung, dass sich bei Männern alles nur um Sex dreht. Sie war auch kurz nackt zu sehen. Das kann die Männer aufgegeilt haben. Also ginge es den Männern sicher nur um Sex. Dann sind die Männer für sie doch keine Gefahr. Die Trennung von den Prostituierten ist aber auch für sie entschieden.

Alles nur Anglerlatein?

Der Nebel legt sich immer schwerer auf die spiegelglatte Ostsee. Angler Alem Saler steht seit einer Stunde schon zusammen mit seinem Freund Gustav Gislav in Watthosen bis hoch zum Bauch im Ostseewasser. Warum heute kein Fisch anbeißen will, ist ihm längst klar. Wenn die See mystisch erstarrt, haben längst böse Geister die Macht übernommen. Das wird ihnen in diesen Augenblicken gerade bestätigt. Die Männer trauen ihren Augen nicht, als aus dem Meer etwas Gigantisches hoch in den grauen Himmel steigt. Das Wasser geht zurück und droht sie mitzureißen. Dass die Männer für einen Augenblick lang nur noch bis zu den Fußknöcheln im Wasser stehen, macht ihnen Angst. Der Tod tut sich vor ihnen auf. Es sind nur Sekunden, bis das unbekannte Etwas im Nebel verschwunden ist. Doch gefühlt ist es ein ganzes Leben, was sich eben vor ihnen auftat. Froh, dass sie beide der tödlichen Strömung entkommen sind, laufen sie in Richtung Ufer. Jeder Schritt ist ein Kampf ums Überleben. Von den sicheren Felsen aus beobachten sie, wie das Wasser langsam wieder zu ihnen zurückkommt. Dann ist alles wie zuvor. Als sei gar nichts geschehen. Ist es eben geschehen oder war alles nur eine Illusion?

Alem Saler fragt verwirrt: „Was war das eben? Hast du das Ding auch gesehen? Wo war das Wasser? Warum ist alles wieder so wie zuvor?“

Freund Gustav Gislav ist das Herz stehengeblieben und er glaubte an sein Ende. Immer noch völlig benommen kann er nur mit dem Kopf nicken. Es sah für ihn eben wie der Untergang der Welt aus. Sie laufen aus dem Wasser und greifen jeder nach einer Flasche Bier aus der Kiste und prosten sich zu. Das Wasser der Ostsee ist zurück. Nur zwei Schritte vor ihnen macht das Wasser endlich Halt. Die zweite Flasche Bier halten die Männer längst in der Hand, als beide Männer etwas Dunkles, sehr weit weg, aus dem Wasser steigen sehen. Der Nebel lässt aus der Ferne nur eine Schattengestalt erkennen. Ein Mensch muss es sein, der auch einen großen Sack an der Hand aus dem Wasser zieht.

Alem Saler greift hastig nach seiner Kamera mit Teleobjektiv und beobachtet, wie aus dem Neoprenanzug eine Frau mit auffallend langen blonden Haaren heraussteigt. Er fotografiert alles. In seine Kamera mit Teleobjektiv, gedacht für Fotos von seltenen Vögeln, hatte er zum Glück gestern einen neuen Film eingelegt. Er ist begeistert, die Frau ist für einen Augenblick lang sogar völlig nackt. Ihre Brüste erscheinen von hier aus recht groß. Brüste eben, wie er sie bei allen Frauen über alle Maßen liebt. Die Frau steigt in Slip und Jeans. Die schönen nackten Brüste verschwinden, für ihn viel zu schnell, unter einen Pullover.

„Schade!“, klagt Alem Saler, senkt seine Kamera und behauptet: „Gustav, mein Bester, ihre Brüste waren echt waffenscheinpflichtig. Solche tollen Titten hat keine normale Frau!“

Er schaut wieder durch seine Kamera, fotografiert weiter, stellt es schärfer und berichtet weiter: „Sie trägt jetzt einen langen Mantel und hat das schöne blonde Haar leider unter einem breiten Schlapphut versteckt. Mit ihren Schuhen und dem Seesack in den Händen geht sie hoch zur Straße. Schade, jetzt ist die schöne Frau leider weg!“

„War der graue Schatten wirklich eine Frau? Ich habe nur einen Schatten gesehen. Verarschst du mich auch nicht? War das wirklich eine Tussi? Oder hat bei dir wieder einmal deine Fantasie vielmehr gesehen, als wirklich zu sehen war? Ist sie tatsächlich schon weg?“, will sein Freund Gustav Gislav enttäuscht wissen.

Alem Saler protestiert und behauptet: „Logisch war das eine Tussi. Möpse hatte die blonde Frau, wie Melonen. Alles habe ich fotografiert und kann es dir und aller Welt beweisen. Was nun? Gustav, müssen wir das nicht der Polizei melden?“

„Was sollen wir der Polizei denn melden? Das dunkle Monsterding, das im Nichts verschwand und uns beide beinahe mit in die Ostsee gezogen hätte? Meinst du das? Oder die blonde Tussi mit den angeblichen Megabrüsten, die du ganz nackt gesehen und fotografiert haben willst. Sollen wir beides der Polizei melden?“, fragt ihn Gustav Gislav und ist immer noch ganz von den Ereignissen der letzten Minuten benommen. Das gigantische Monster aus dem Meer beschäftigt ihn viel mehr.

Alem Saler überlegt kurz und schlägt vor: „Das Monster ist weg. Vielleicht war das dunkle Monster auch nur eine optische Täuschung. Was zwei besoffene Angler gesehen haben könnten, interessiert niemanden. Wir haben nichts in der Hand, was diese Erscheinung beweisen kann. Das Monster kann aber etwas mit der mysteriösen Frau zu tun haben. Wenn das so ist, könnte diese Frau aus diesem Monster ausgestiegen sein. Die Russen könnten eine Spionin hier abgesetzt haben. Russinnen sollen auffallend schön sein, heißt es. Der schwanzgesteuerte Larson behauptet, im Puff in Jamjö soll auch so ein Busenwunder aus Russland, aus Leningrad, den Männern das Geld aus der Tasche ziehen!“

„Eine Spionin? Was will die Russin hier in der Wildnis ausspionieren? Hier ist doch nichts los!“, widerspricht Gustav Gislav und behauptet: „Eher ist diese mysteriöse Frau eine Hure, die hier Kasse machen will!“

Für einen Moment schauen die Männer nachdenklich auf die Ostsee. Wieder scheint der Nebel der Ostsee dichter zu werden. Der Wind ist ganz eingeschlafen. Die Ostsee ein Spiegel, das ist ihnen unheimlich.

„Was ist heute mit der Ostsee nur los? Kommt das nächste Monster aus der Tiefe auf uns zu?“, fragt Alem Saler besorgt. Es ist für ihn das letzte Alarmsignal. Er packt sein Angelgeschirr zusammen und hat sich entschieden: „Gustav, das ist mir hier alles zu unheimlich. Dieses Weib, diese russische Spionin, hat mit allem zu tun. Überhaupt, du hast dieses Superweib nicht gesehen. Für mich ist das Weib eine echt scharfe Russin. Ihre tollen Brüste waren waffenscheinpflichtig. Wir müssen das sofort der Polizei melden. Die Polizei muss die Russin kriegen, bevor sie im Land untertauchen kann. Pack auch alles zusammen und lass uns mit deinem Wagen direkt zum Polizeiposten nach Jamjö fahren!“

Gustav Gislav fragt, auch unsicher geworden: „Was ist, wenn das Busenwunder am Ende doch nur eine Hure ist, hier nur Kasse machen will und keine russische Spionin ist? Dann lacht uns nicht nur die Polizei aus!“

„Dann haben alle was zum Lachen. Aber wenn es doch eine russische Spionin ist? Das Weib kann auch Drogen in ihrem großen Sack mitgebracht haben. Ihr Seesack war groß genug, um Drogen im Wert von ein paar 1000 Kronen mitzuschleppen“, erwidert Alem Saler aufgewühlt und läuft aufgeregt zum Wagen.

„Spionin oder Drogenkurierin? Das ist jetzt egal. Wir müssen in jedem Fall handeln. Auf nach Jamjö“, stimmt jetzt auch Gustav zu, packt alles zusammen und steigt in den Wagen. Etwas länger braucht sein Freund Alem. Er scheint noch zu überlegen, was sie wirklich wollen. Ist der Weg zur Polizei die richtige Entscheidung? Er steigt ein und startet den Wagen. Oh Wunder, der alte Volvo springt sogar sofort an. Alem gibt Vollgas, dass Steine und Sand wie Geschosse hochfliegen. Endlich können die Männer wieder lachen. Dass sie heute ganz ohne Fisch heimkehren, ist längst unwichtig geworden.

Polizeiwache Jamjö

Polizeimeister Karl Järpen gähnt, reckt sich, schaut verschlafen auf die große Wanduhr gegenüber und sieht, wie der Sekundenzeiger zäh eine Runde dreht. Noch eine schlappe Stunde, dann ist endlich Schichtwechsel. Passieren kann hier in Jamjö nicht mehr viel, freut er sich. Für ein Nickerchen reicht die Zeit vielleicht noch. Die Tür wird in diesem Moment donnernd aufgerissen und zwei Männer stürmen den Wachposten. Entsetzt fällt er beinahe von seinem Stuhl. Die Katastrophe kann Polizeimeister Karl Järpen nur dadurch verhindern, dass der wuchtige Schreibtisch seinem festen Handgriff nicht nachgibt. Ein echter Glücksfall, der alte schwere Schreibtisch rührt sich nicht von der Stelle. Mit einem beispiellosen Kraftakt findet sein Stuhl wieder festen Boden auf allen vier Beinen. Er selbst hat sich auch wieder in seine gewohnte Machtposition zurückgezogen. Was war das eben? Benommen und jetzt wirklich munter, fragt der Wachmeister: „Ist das hier ein Überfall?“

„Schönen guten Morgen, Herr Hauptkommissar. Wir müssen leider den morgendlichen Frieden beenden. Es ist wirklich extrem wichtig!“, begrüßt Gustav Gislav den Wachmeister und bereut seinen Vorstoß sofort. Denn er erkennt jetzt den Wachmeister Karl Järpen wieder. Diesem Mann wollte er eigentlich lieber aus dem Weg gehen. Zu viele schlechte Erfahrungen mit dem Mann fallen ihm dabei ein.

Polizeimeister Karl Järpen erkennt beide Männer sofort wieder, lacht laut auf und spottet: „Ich glaube es nicht, der Herr Gislav ist es leibhaftig. Will er sich heute gleich selbst anzeigen? Den Chaoten Sala hat er auch gleich mitgebracht. Beide haben wieder voll in die Scheiße gegriffen. Bravo!“

„Wieso selbst anzeigen?“, will Gustav Gislar völlig verwirrt wissen.

Polizeimeister Järpen spottet: „Beim letzten Mal war der Herr so besoffen, dass er sich in die Damentoilette verirrt hat und dort ins Waschbecken gepinkelt hat. Erst als drei Weiber auf den Herrn mit ihren Fäusten und Taschen eingehauen haben, wurde die Sauerei beendet. Mit heruntergelassener Hose ist er geflohen und hat sich dabei mit nacktem Hinterteil der Länge nach in der Toilette auf die Fliesen gelegt. Der picklige nackte Arsch musste danach noch unzählige Tritte der Weiber aushalten. Wir hatten alle Hände voll zu tun, die wütenden Weiber von dir fernzuhalten. Sie wollten dir die Sachen ganz vom Leib reißen und dich nackt allen zur Schau stellen. Teeren und Federn wollten die wütenden Weiber dich auch noch. Wir waren leider dafür zu früh da. Auch unser aller Freund und Säufer Alem Saler hat Polizeigeschichte in Jamjö geschrieben. Seine Einlage letztes Jahr beim Mittsommerfest bleibt allen Gästen unvergessen. Ich erinnere mich noch an unseren Einsatz, als sei es gestern gewesen. Erst hat er nur in das Dekolleté einer Dame gekotzt. Eine Stunde später wurden wir gerufen und mussten den Herrn festnehmen. Unzähligen Frauen hat er unter die Röcke gegriffen. Bei seiner Festnahme hat er in Rage mit einer Zaunlatte um sich gehauen und unser Polizeiauto völlig demoliert. Was haben die beiden Herren heute angestellt, dass sie gleich selbst kommen und sich anzeigen wollen?“

Alem Saler will schon gehen, doch dann macht er sich Mut und berichtet: „Heute müssen wir der Polizei etwas ganz wichtiges melden!“

Gustav Gislav nickt, stimmt ihm zu: „Es ist wirklich wichtig Herr Polizeihauptwachobermeister!“

Skeptisch schaut Polizeimeister Järpen zu den Männern auf und fordert: „Nur einer von euch redet. Wo? Wann? Was? Erzählt mir aber keinen Scheiß!“

Weil Alem Saler schließlich alles mit seiner Kamera festgehalten hat, will er berichten. Er fühlt sich so autorisiert und beginnt zu erklären: „Wir beide waren heute früh an der Ostseeküste angeln. So in Höhe der drei großen Felsen. Sie wissen sicher schon, wo das ist. Der Dorsch und der Seehecht beißen dort sonst gut an. Es war heute so gegen 4 Uhr, als aus dem Wasser eine Gestalt auftauchte. Geschätzte 200 Meter von uns entfernt zog die Person den Neoprenanzug vor uns aus. Es war eine blonde Frau mit beachtlichen Brüsten. Das habe ich alles so genau gesehen, weil ich alles mit meiner Kamera mit Teleobjektiv bestens festhalten konnte. Leider dauerte die nackte Busenschau nur ein paar Sekunden. In Jeanshosen, Pullover, Hut und Mantel verschwand die Frau im Nebel landeinwärts. Die Frau könnte vielleicht eine russische Spionin sein. Eine Russin im Puff in Karlskrone hatte auch solche tollen Brüste. Sie müssen die Frau noch einfangen, bevor sie im Land untertaucht!“

„Klingt wirklich hochinteressant!“, stimmt Polizeimeister Järpen scheinbar interessiert zu und spottet schlecht gelaunt weiter: „Das ist alles sehr aufschlussreich. Glückwunsch den Herren. Die blonde Frau mit den großen Titten ist natürlich eine russische Spionin. Ihr müsst darüber eisern schweigen. Das ist ein brisanter Spionagefall. Den Film will ich aber haben. Der Film wird von uns entwickelt und ausgewertet. Ihr Vollidioten bewegt eure runzeligen Ärsche schleunigst weg von hier, bevor ich mich ganz vergesse. Schlaft euren Rausch aus. Dass ihr im Suff Auto gefahren seid, will ich aus alter Freundschaft heute vergessen. Das schöne weiße Blatt Papier für das Protokoll ist mir dafür viel zu schade. Verpisst euch, ihr Schwachköpfe!“

Alem Saler gibt dem Wachmeister die Filmkassette. Verwirrt verlassen die beiden Männer den Polizeiposten. Die Männer haben sich die Reaktion des Polizeimeisters ganz anders vorgestellt. Es hätte sofort eine große Polizeiaktion gestartet werden müssen. Jede Minute zählt für sie. Jetzt aber wird die Russin gefahrlos untertauchen können. Ganz Schweden ist damit in Gefahr. Sala startet den Wagen und sie fahren enttäuscht davon.

Am Fenster vergewissert sich Polizeimeister Järpen, dass der schrottreife Volvo mit den Männern davongefahren ist. Er will keinen unnötigen Ärger mit den oberen Behörden haben und entscheidet sich dafür, nichts von allem weiterzumelden. Eine russische Spionin, das ist doch völliger Unsinn. Hier gibt es nichts auszuspionieren. Er will nur seine Ruhe haben. Die Russenphobie ist doch mit der Zeit der Fünfziger und Sechziger eigentlich für immer vorbei. Abrüstung und Friedensverträge sind die aktuelle Politik in Schweden. Seine Meldung würde in der oberen Behörde auf taube Ohren stoßen. Megaärger wäre für ihn vorprogrammiert. Zurückgelehnt schließt er noch einmal die Augen. Järpen reibt sich die Augen, in einer Viertelstunde kommt seine Ablösung. Endlich. Er macht sich frischen Kaffee. Er wird gleich eine ganze Kanne Kaffee mit der Maschine vorbereiten. Hansen und Klaas freuen sich sicher auf seinen frisch zubereiteten Kaffee.

Die Tür geht auf und sein Kollege Klaas begrüßt ihn mit der Frage: „Haben sich in der Früh Leute bei dir gemeldet, die etwas Auffälliges gesehen haben? Es gab Anrufe zu Hauf im Kommissariat!“ Järpen stottert: „Die Volltrottel Alem Saler und Gustav Gislav waren hier. Haben von einer russischen Spionin am Stand gefaselt, die aus dem Wasser auftauchte. Saler will sogar Fotos von der Frau gemacht haben!“

„Das hättest du sofort weiter an uns melden müssen. Warum hast du das nicht gemacht?“, schnarrt Hauptmann Klaas ihn wütend an.

Hauptmann Hansen kommt in die Wache und fragt: „Was ist hier denn los? Was ist das für eine Aufregung?“