Die Zeitreisende, Teil 2 - Hardy Manthey - E-Book

Die Zeitreisende, Teil 2 E-Book

Hardy Manthey

3,9

Beschreibung

Der Teil 2 von "Die Zeitreise" führt die schöne blonde Aphrodite, die eigentlich Maria Lindström heißt und eine schwedische Ärztin aus dem 22. Jahrhundert ist, noch rechtzeitig vor dem 3. Punischen Krieg mit ihrem Herrn Eklasteos aus Karthago auf ein Schiff nach Sizilien. Viele Qualen und Erniedrigungen hat sie zu erdulden, obwohl sie zur Hure Roms aufsteigt und schließlich eine angesehene und reiche, aber rechtlose Ehefrau wird. Von ihrem Ziel, eine Botschaft in das 22. Jahrhundert zu senden, ist sie weit entfernt. Auch dieser Teil ist wieder sehr spannend und lässt den Leser voller Neugier auf den nächsten Teil (Das Gold der Wüste – endlich am Ziel?) warten. Der Autor hat mit der 2. Auflage sein Erstlingswerk sehr stark überarbeitet und die kritischen, trotzdem begeisterten Hinweise berücksichtigt. INHALT: Auf dem Schiff Thermae Selinuntinae Alltag an Bord? Agrigentum Aphrodite, die Lebensretterin! Aron Der Todessturm Phintias Die Bestrafung Im Hause des Ethnarch aus Bet-El Uma Sara und ihre Töchter Ethnarch aus Bet-El, der Judäer und seine gläubigen Brüder Hektor Der Delfin Rhyton Die Schäferin Der Heiratsmarkt Drei Tage danach, der Feind, der Mann, kommt! Auf dem Kriegsschiff nach Syrakus (Syrakusae) Syrakusae Alana, die Herrin Meine Pläne, seine Pläne Hurendienste Der Hohe Rat und Aphrodite Aphrodite, das Modell Die Liebe mal anders gesehen Der falsche Weg Die Fete Waretius – Falle Wochen später, eine kleine Schiffsreise Das Geschenk Villa des Flavius Domitilla Die Baustelle Einige Tage später im Haus des Griechen Polybios Frauen unter sich Das Söhnchen Gladiatoren Die Entführung Die Befreiung Das Mädchen Corinne Wieder in Syrakusae Der Apollon–Tempel und das Theater Prätor Portio Gracchus Abschied Das Schiffswrack Seeräuber Heiße Eisen Pferdegeflüster Wein und Weiber Der Tod des Prätors Portio Gracchus! Der Aufbruch nach Rom Der Tanz Männergeschichten Civitas decumana Banditen und ein Senator Männer und ihre Fantasien Messina, Aphrodite und die Priester Die Straße von Messina Die Wette Eine Schlange und ein Mann Ein Brunnen, ein Siegel und ein Senator Zukunftsängste und ein unbekannter Feind Rom Cato Träume Abenteuer in Rom Lavinia Antike Mittelmeerkreuzfahrt Von Sardinia nach Sicilia Die Entscheidung des Prätors Ehemann Nummer zwei Die goldene Göttin Der Sturm und die Götter Die Frauen und die Fischer Wieder in Messina

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Impressum

Hardy Manthey

Die Zeitreisende, 2. Teil

Von der Hure Roms zur mächtigen Priesterin

Ein fantastischer Roman

2., stark überarbeitete Auflage

ISBN 978-3-86394-062-1 (E-Book)

Titelbild:

Ernst Franta unter Verwendung einer Reproduktion des Ölgemäldes „Haremsszene, Maurische Dame im Bad“ von Théodore Chassériau

© 2012, 2015 EDITION digital® Pekrul & Sohn GbR Alte Dorfstraße 2 b 19065 Godern Tel.: 03860-505 788 E-Mail: [email protected] Internet: http://www.edition-digital.com

Prolog

Der erste Teil des Buches „Die Zeitreisende“ mit dem Untertitel „Vom 22. Jahrhundert zurück in das antike Karthago“ offenbarte dem Leser die ersten großen Abenteuer unserer Zeitreisenden. Hier für den Leser ihre Geschichte zur Erinnerung:

Die junge schwedische Ärztin Maria Lindström nimmt im 22. Jahrhundert an einem Flug zum Pluto teil. In allerletzter Minute kann der Archäologe Giorgio Marotti ihr Material über die antike Welt der Erde zukommen lassen. Denn er glaubt fest daran, dass diese Frau eine Zeitreisende ist. Sie soll vor über 2000 Jahren einen Tempel errichtet haben, der von ihrer Reise berichtet. Vor Jahren haben er und seine Kollegen Hinweise darüber in einem von ihnen frei gelegten antiken Tempel gefunden. Es sind Beweise, die nur diesen einen Schluss zulassen. Aber das sagt er ihr nicht.

Ohne ihr vorbestimmtes Schicksal zu ahnen, tritt Maria die Reise zum fernen Pluto an. Sie stellt während des viele Monate dauernden Fluges fest, dass sie ein Kind erwartet. Im Moment der Geburt stürzt das Raumschiff in ein Raum- und Zeitloch. Nur der Umstand, dass sie an lebenserhaltende Geräte angeschlossen ist, rettet ihr Leben.

Ihr neugeborenes Kind und alle anderen Besatzungsmitglieder kommen um.

Als das Unfassbare geschieht, ist Maria immer noch ahnungslos. Der Verlust ihres Kindes und der Kameraden ist schon schwer genug. Das Schweigen der Erde erklärt sie sich mit den Schäden am Raumschiff.

Sie kann das beschädigte Raumschiff sicher in die Erdumlaufbahn bringen und mit einer Landefähre auf ihrem Heimatplaneten landen.

Bald stellt Sie fest, dass Sie um 150 v. u. Z. die Erde betreten hat. Viele Fehlentscheidungen führen dazu, dass sie als Sklavin und Prostituierte Aphrodite den Reichen und Mächtigen Karthagos dienen muss.

Ihr Wissen aus der Zukunft setzt sie ein, als sie von den ersten drohenden Zeichen des Untergangs von Karthago hört. Sie kann ihren neuen Herrn davon überzeugen, Karthago für immer zu verlassen.

Erfahren Sie hier im zweiten Teil, ob ihr die Flucht gelungen ist. Wird es ihr gelingen, das Los der Sklaverei abzuschütteln? Wird sie überhaupt eine so reiche und mächtige Frau, die einen Tempel errichten kann, einen Tempel, der die Wirren der Zeit überdauert, der seine Geheimnisse erst den Menschen der fernen Zukunft offenbart?

Viel Vergnügen beim Lesen wünscht

Hardy Manthey

Auf dem Schiff

Aphrodite blickt auf das Meer hinaus, soweit es der Schleier vor ihrem Gesicht zulässt. Sie musste als einzige Frau das Schiff ganz verhüllt betreten. Sie trägt auch als einzige Frau und Sklavin an Bord diese verdammten Fußrasseln.

Eklasteos begründete die Entscheidung damit, dass ihre außerordentliche Schönheit auf einem Schiff nur Ärger bringen würde, so glauben es zumindest die meisten Seeleute. Der Schiffsbesatzung hat er vollmundig erklärt, dass sie so hässlich sei, dass ihr Anblick jeden Mann krank mache. Außerdem sei sie so bissig wie eine Stute und schlage derb mit den Füßen nach Männern. Darum die Fußfesseln. Die Schellen sollen ihr Kommen rechtzeitig ankündigen. Er nehme sie nur mit, weil sie in Syrakus den Göttern geopfert werden soll. Darum darf sie auf dem Schiff auch von niemandem angerührt werden. Wie lange der Betrug unentdeckt bleibt, steht in den Sternen.

So ist sie als Unberührbare vor den aufdringlichen Männern an Bord erst einmal geschützt. Sie muss mit ansehen, wie die anderen Frauen auf dem Schiff ständig begrapscht und mit anzüglichen Sprüchen beleidigt und erniedrigt werden. Insofern ist es ihr doch recht, dass Eklasteos so entschieden hat.

Der kleine Segler mit sechs Ruderbänken an jeder Seite soll nun das Zuhause für die nächsten Tage, vielleicht Wochen oder sogar Monate sein. Aphrodite hat keine Ahnung, wie lange man in der Antike von Karthago nach Syrakus braucht.

Eine turbulente Zeit liegt hinter ihr. Mit großem Gewinn konnte ihr Herr und Gebieter, der Weinhändler Eklasteos von Syrakus, das Gut mit dem gesamten Inventar verkaufen. Er wurde unter vorgehaltener Hand ein Dummkopf genannt. Aber er schien mit dem Geschäft zufrieden zu sein. Er meinte sogar zu seiner Frau, mit dem Geld könne das vernachlässigte Gut in Syrakus ein Schmuckstück werden. Das Geld reiche für viele neue Sklaven und einen prächtigen Umbau der alten Villa. Er sicherte sogar Aphrodite ein eigenes Reich zu. Zumindest habe sie dort eigene, prächtig ausgestattete Räume in der Villa, versprach er ihr. Sie sollen alles, was eine Edelhure für ihre Liebesdienste braucht, enthalten. Aphrodite glaubt nicht so richtig daran, sie lässt sich überraschen. Doch bis jetzt hat er wirklich immer Wort gehalten. Das muss sie dem Mann zugute halten.

Nur Aphrodite, Alana und Sina aus Nubien hat Eklasteos für die Reise nicht verkauft. Ausgerechnet Alana und Sina waren nun mit auf dem Schiff. Alle anderen Sklaven, leider auch ihre Dienerin Jael, wurden genauso verkauft wie das gesamte Hausinventar. Ihr wurde dabei wieder bewusst, dass sie nur eine Ware ist. Sie entgeht nur dem Verkauf, wenn sie ihrem Herrn weiterhin reichlich Gewinn garantiert. Diese Tatsache darf sie niemals vergessen. Hier ist kein Platz für die stolze und schamhafte Maria Lindström. Hier überlebt sie nur, wenn sie für die Männer als Prostituierte funktioniert.

Die junge Sklavin Alana ist ihre persönliche Feindin geworden. Alana hatte stets auf dem Hof gegen sie gestichelt und ihr geschadet, wo sie nur konnte. Als Geliebte von Eklasteos konnte sie es sich auch leisten. Alles hat zwei Seiten. Solange Alana die Favoritin von Eklasteos bleibt, ist die Welt für Aphrodite in Ordnung. Sie muss nicht das Bett mit ihrem Herrn teilen. Alana ahnt nicht, dass der Herr und die Hure eine rein geschäftliche Beziehung vereinbart haben. Obwohl Aphrodite natürlich nie ihren Herrn abweisen darf, wenn er zu ihr kommt. Es ist seine Entscheidung, dass er nicht mit ihr schlafen will.

Nun sind sie den ersten Tag auf dem Schiff und haben hoffentlich die erste Etappe gut überstanden.

Schlimmer war, was vor der Abreise gestern Abend und heute früh noch geschah. Ein Schmied kam auf den Hof. Als sein Feuer hoch loderte, wurden Alana, Sina und sie gerufen. Entsetzt musste sie mit ansehen, wie Sina ein Sklaveneisen um den Hals angepasst bekam. Mit einer glühenden Niete wurde der Reifen am Hals fest angenietet. Ehe sich Aphrodite richtig besinnen konnte, war sie selbst an der Reihe. Es ging ganz schnell. Ein paar kleine Brandblasen am Hals werden ihr noch ein paar Tage Schmerzen bereiten. Nun waren sie für alle sichtbar Sklavinnen. Sklaven mit Halseisen gelten als bösartig, als gefährlich und werden besonders verachtet. Nur noch der Schleier schützt sie vor den verächtlichen Blicken der anderen an Bord. Eklasteos stellte fest, dass ihr Brandzeichen schon ziemlich schwach ausgeprägt sei. Sie müsste bald neu gezeichnet werden. Er fragte sie, wann sie das Zeichen bekommen hätte. Sie hat ihm erklärt, dass es noch kein halbes Jahr her ist, doch er meinte, das müsse eine glatte Lüge sein, denn das wäre ein Brandzeichen aus ihrer Kinderzeit. Das gibt ihr doch zu denken. Wirkt tatsächlich die genetische Veränderung? Ist sie genetisch manipuliert? Heilt darum alles schneller bei ihr? Verschwindet irgendwann ihr Brandzeichen?

Viel Reisegepäck haben selbst der Herr und die Herrin nicht mitgenommen. Im zweiundzwanzigsten Jahrhundert hätte man für ein verlängertes Wochenende zu den Eltern nach Hause mehr mitgenommen. Was hat sie sonst früher für riesige Mengen an Gepäck mitgeschleppt? Unglaublich! Sie wird sehen, wie weit sie hier damit kommen.

Alle drei Sklavinnen haben nur das mit, was sie auf dem Leib tragen. Sie hat natürlich noch ihr neues OP-Besteck am Körper versteckt, das sie sich von den ersten eigenen Goldmünzen vor einigen Wochen anfertigen lassen hat. Ein Beutelchen mit Kräutern für mögliche Krankheiten auf See ist auch noch unter ihrem Gewand.

So ausgestattet ist diese Art des Reisens eigentlich eine einfache und unkomplizierte Sache.

Bis zum letzten Tag vor der Abreise hat ihr Herr gehandelt und gefeilscht. Als gesagt wurde, dass die Winde günstig und die See nicht zu rau sei, wurde es doch noch hektisch. In den frühen Morgenstunden mussten sie zum Schiff. Noch im Dunkeln wurden die drei Sklavinnen mit den letzten Sachen wie Esel bepackt. Obwohl sie durch ihr regelmäßiges Schwimmen im Meer wirklich Kraft in den Armen hat, glaubte sie auf dem Weg zum Hafen, jeden Moment unter der Last des Gepäcks zusammenzubrechen.

Erleichtert erinnert sie sich jetzt wieder daran, wie auf dem Weg nach unten unverhofft Hilfe kam. Schon am Tor wartete der Junge, der sich einmal den Arm ausgekugelt hatte und dem sie damals zum Glück schnell helfen konnte. Sie sind danach schnell Freunde geworden. Der Junge nahm ihr zum Glück einen Teil ihrer schweren Last ab. Er wirkte ein wenig traurig und sagte ihr mit trockenem Ernst, dass er in den letzten Wochen den Fischern im Hafen bei der Arbeit geholfen habe und das verdiente Geld gespart hätte. Er wolle sie kaufen, damit sie für immer bei ihm sei. Sie solle seine Frau werden. Aber Eklasteos hatte nur laut gelacht, als er ihm sein Erspartes zeigte.

Sie tröstete ihn dann scherzend mit den Worten, dass sie sich schon gewundert hatte, warum er in der letzten Zeit so selten bei ihr war. Sie habe schon gefürchtet, dass er längst eine neue Freundin hätte. Er tat entrüstet und behauptete fest, dass nur Aphrodite seine Freundin sei. Alle anderen Mädchen interessierten ihn nicht. Mit seinen letzten Worten hatten sie das Schiff erreicht. Er bekam von ihr zum Dank einen richtigen Kuss. Dabei wurde er feuerrot. Aphrodite freute sich und dachte, dass der Junge bestimmt einmal ein guter Ehemann werden wird. Doch ihre Wege trennten sich. In dieser Welt ist das normal. Er trug es ebenfalls mit Fassung.

Wie froh war sie, als sie die schwankenden Bretter mit der Last überwunden hatte. Denn Eklasteos hatte mit der Peitsche gedroht, wenn die Sachen ins Wasser fallen würden.

Nun steht sie an der Reling und schaut auf die Küste. Die Konturen der Stadt verschmelzen langsam mit dem Küstenstreifen. Aphrodite dreht sich um, lautes Geschrei der Herrin trommelt die Schiffsbesatzung zusammen. Dann geht alles sehr schnell. Alana wird vor den Augen der Schiffsmannschaft splitternackt an den Mast gebunden. Schon knallt die Peitsche auf den nackten Frauenkörper. Sina kommt zu Aphrodite und erklärt leise: „Alana hat ein Bündel oben im Haus liegen gelassen. Ein Teil des Schmucks der Herrin soll drin gewesen sein. Es waren nicht die kostbarsten Stücke, aber immerhin. Jetzt wird sie dafür bestraft!“

Dass Alana, ihre Erzfeindin, nun ausgepeitscht wird, findet Aphrodite doch grausam. Entsetzt wendet sie ihren Blick ab. Denn jetzt spritzt schon Blut. Ihre Nerven halten solche Grausamkeiten nicht aus.

Unberührt vom grausigen Schauspiel erzählt Sina weiter: „Stell dir vor, Aphrodite, erst wollte Alana das Fehlen des Bündels dir anlasten. Aber diesmal half ihr das nicht. Zwar zögerte der Herr lange mit einer Entscheidung. Aber als das Schreien und Toben der Herrin immer lauter wurde, willigte Eklasteos doch ein und stimmte einer Bestrafung zu. Einem Mann von der Schiffsbesatzung steckte Eklasteos ein paar Münzen zu. Schau, wie der Mann grinsend mit der Peitsche auf Alana einschlägt. Wenn er so weitermacht, ist Alana nur noch totes zerhauenes Fleisch am Mast!“

Das Surren der Peitsche und das Klatschen auf der nackten Haut wollen nicht aufhören. Schreie sind nicht mehr zu hören. Alana ist längst bewusstlos. Schon beim dritten Schlag wurde sie das erste Mal ohnmächtig. Ein Wasserguss holte sie zweimal in die grausame Wirklichkeit zurück. Weil selbst Eklasteos das Schreien nervte, wurde ihr der Mund mit einem dreckigen Lappen zugestopft und verschnürt. Nach dem neunzehnten Schlag winkt Eklasteos die Auspeitschung ab. Ein Handzeichen von ihm bedeutet wohl, dass Aphrodite ab jetzt Alanas Pflege übernehmen soll.

Die bewusstlose Alana wird von den Fesseln befreit und einfach liegengelassen. Schnell läuft Aphrodite zu ihr und nimmt ihr den Knebel aus dem Mund. Als sie Alana an den Beinen zieht, um sie etwas auf die Seite zu legen, holen die Schmerzen die Unglückliche ins Leben zurück. Schwer nach Luft ringend und im eigenen Blut liegend, beginnt sie leise zu weinen. Vorsichtig betrachtet Aphrodite den zerschlagenen, blutigen Körper des armen Mädchens. Dafür hebt sie ihren Schleier vorsichtig, um alles besser sehen zu können.

Die Peitsche hat selbst das Brandzeichen ihrer Feindin in Fetzen gehauen. Weil die Peitsche in regelmäßigen Abständen Knoten hat, die besonders tief in die Haut eindringen, sind viele tiefe Wunden auf dem Körper zu finden. „Das wird lange brauchen, bis es heilt“, stellt Aphrodite resigniert fest. Selbst die moderne Medizin hätte viel Arbeit, um so etwas Schreckliches, ohne viele Narben zu hinterlassen, zu behandeln. Vorsichtig säubert sie die Wunden. Desinfektionsmittel besitzt sie ja leider nicht. Mithilfe ihres antiken OP–Bestecks vernäht sie die gesäuberten Wunden. Bei den ersten Nadelstichen ist Alana wieder bewusstlos, so kann sie das Vernähen der Wunden ungestört ausführen. Nur das Gaffen der Schiffsbesatzung stört Aphrodite bei ihrer Arbeit sehr.

Erschöpft von der konzentrierten Arbeit legt sich Aphrodite einfach neben Alana hin, achtet aber darauf, dass ihr Schleier sie wieder vor den Blicken der Männer schützt. Durch den Schleier blickt sie müde in den blauen Himmel. Der Himmel strahlt im schönsten Blau und die Sonne lacht, als sei nichts geschehen. Tatsächlich aber wurde eben ein Mensch fast zu Tode gepeitscht. Aphrodite kann es immer noch nicht fassen. An diese Grausamkeiten wird sie sich nie gewöhnen können.

Sie steht auf und blickt über das Meer. Es ist wunderschön und am Horizont glaubt sie, Land zu erkennen. Tatsächlich, zur gleichen Zeit ruft einer der Matrosen, dass Inseln in Sicht seien. Nun werden wieder die Ruderplätze besetzt. Es sind alles sehr kräftig gebaute Männer. Die Männer sind aber keine Sklaven, wie sie aus den Aufzeichnungen des Professors und dem Geschichtsunterricht von früher oder besser von übermorgen erfahren hat. Die muskulösen Ruderer sind stolz auf ihre Leistung. Es ist schon beeindruckend, wie sie die großen Ruder bewegen. Sie legen sich im Angesicht des Landes mit Begeisterung in die Riemen, rudern aber nur so lange, bis die gefährlichen Klippen umschifft sind.

Ob sie die Freude mit den Männern teilen kann, wenn sie in Syrakus angekommen sind? Was werden ihr Syrakus und Sizilien bringen? Ist sie weit genug entfernt vom Kriegsschauplatz Karthago? Sie will es hoffen und glauben. Aphrodite entspannt sich noch etwas und döst vor sich hin.

Die Sonne steht schon hoch, es geht an der Küste der kleinen Inseln vorbei in Richtung Osten. Bis ans Ufer reicht an manchen Stellen der Wald. Nur um kleine Siedlungen herum ist jeglicher Wald verschwunden. Ebenso karg, wie es ihr rund um das Mittelmeer aus der Erinnerung bekannt ist. Die mediterrane Landschaft späterer Jahrhunderte muss also erst noch durch Menschenhand entstehen.

Das Wetter ist ruhig. Der Wind aus dem Süden reicht soweit aus, dass keiner mehr rudern muss. Alles ist so schön, dass Aphrodite geneigt ist, das Leid um sie herum für einen Moment zu vergessen.

Das leise Jammern von Alana holt sie wieder in die so grausame Realität zurück. Eigentlich mehr zufällig blickt Aphrodite nach hinten und sieht weit weg am Horizont ein Schiff mit vollen Segeln und mit langen Rudern kommen. Sie kann bald genau sehen, wie die Ruder das Wasser aufpeitschen. Das Schiff scheint sehr schnell, vor allem viel schneller als ihr Schiff zu sein.

Aufgeregt ruft deshalb Aphrodite: „Ein Schiff kommt auf uns zu!“

Ihr Ruf löst unerwartet Panik aus.

„Das sind Seeräuber!“, ruft jemand von der Schiffsbesatzung. Sofort greifen die Männer in die Riemen und der Trommler schlägt immer schneller den Takt für die Ruderer, aber das Schiff nähert sich immer mehr. Angst macht sich breit. Aphrodite hat von grausamen Überfällen gehört. Piraten töten die Besiegten eigentlich immer. Ein Glücksfall ist es, als Sklave verkauft zu werden. „Für mich kann es nicht schlimmer kommen“, denkt Aphrodite und beobachtet doch nervös, was nun kommen wird. An Zeichen und kurzen Kommandos des Kapitäns, die sie nicht versteht, erkennt sie, dass ihr Schiff einen neuen Kurs nehmen soll. Tatsächlich steuert es mehr auf die Küste zu und die gefährlichen Klippen kommen immer näher. Nun begreift auch Aphrodite, dass sie durch die Klippen dem größeren Piratenschiff entkommen wollen. Mit den gewagten Manövern gelingt es tatsächlich, den bedrohlich nahe kommenden Felsen und Untiefen auszuweichen. Nun steht die Frage auf allen Gesichtern: „Folgen ihnen die Seeräuber weiter?“ Mit schnellem Takt treibt der Trommler alle zu Höchstleistungen an. Alle, die nicht helfen können, beobachten das Piratenschiff. Zuerst kommt es immer näher, doch plötzlich fällt es mehr und mehr zurück. Ein lautes Bersten von Holz, das vom Piratenschiff kommt, löst allgemeinen Jubel aus. Es hatte tatsächlich zu viel Tiefgang und ist bei der Verfolgung auf die Unterwasserfelsen geraten. Das Piratenschiff sinkt überraschend schnell.

Thermae Selinuntinae

Die Küste am Horizont wirkt durch Lichter in der Abenddämmerung einladend. Die Sonne geht hinter steilen Bergen einer zerklüfteten Küste gerade feuerrot unter.

„Das ist Thermae Selinuntinae!“, rufen mehrere Seeleute gleichzeitig begeistert aus. Tatsächlich werden die Bilder einer Stadt, die im weichen Abendlicht der untergehenden Sonne erstrahlt, sichtbar. Diese nun schon römische Provinz auf der Insel Sicilia wurde vor Jahrhunderten von einem Herrn Selinunt gegründet, hat ihr einer der schwatzhaften Seeleute erklärt. Aphrodite ist jetzt eine begehrte Gesprächspartnerin der Seeleute geworden.

Den Betrug, dass sie eine abgrundhässliche Frau sei, hat der Wind leider im wahrsten Sinne des Wortes auffliegen lassen. Sie kümmerte sich gerade um Alana, als ihr Schleier und ihr Kopftuch sich lösten und einem Seemann direkt in die Arme wehten. Gleich drei Seeleute haben es gesehen und sie sofort erkannt. Jetzt drehen sich die Männer begeistert nach ihr um, wenn sie ihre Fußglöckchen hören. Sie wird von allen Männern gut behandelt. Den Betrug hat man Eklasteos auch schnell verziehen, als er ein Fässchen Wein spendierte.

So kann sie jetzt ungestört ein Farbenspiel genießen, wie es schöner nicht sein kann. Die Häuser fügen sich in die aufsteigende Küste harmonisch ein. Als die Sonne gerade hinter den Bergen verschwindet, sind es nur noch wenige Ruderschläge bis zur Kaimauer.

Von den günstig wehenden Winden und der Angst vor gefährlichen Verfolgern angetrieben, sind sie schneller als geplant in Thermae Selinuntinae angekommen. Das Wagnis, die gefährlichen Klippen zu durchfahren, bewirkte, dass sie von dort nur einen Tag für ihr erstes Etappenziel benötigten. Nun geht alles ganz schnell. Männer an der Kaimauer fangen geschickt die zugeworfenen Taue auf und zurren das Schiff an den Poldern fest. Die drei Sklavinnen werden wieder bepackt. Alana ist noch lange nicht wiederhergestellt, aber für antike Verhältnisse über den Berg. Sie kann alleine vom Schiff gehen. Was Frauen in der Antike aushalten müssen, ist für Menschen des ausgehenden zweiundzwanzigsten Jahrhunderts unvorstellbar. Ob sie jemals so stark wie Alana sein wird? Sie glaubt es eher nicht.

Sina und sie müssen nun auch noch Alanas Gepäckanteil übernehmen. Aphrodite muss jetzt auch wieder den Schleier und das Kopftuch tragen. So hat sie im Dunkeln Mühe, das Brett unter ihren Füßen zu finden. Endlich erreicht sie wieder festen Boden. Aber was ist das, der Boden schwankt ja? Nur mit viel Mühe hält sie sich auf den Beinen. Zielstrebig geht Eklasteos einen steilen Weg hinauf auf ein großes Haus zu. Die unter ihren Schmerzen leidende Alana wird auch ohne Gepäck immer langsamer. Die Sklavinnen und Eklasteos Frau können ihm nicht so schnell folgen. Zum Glück liegt das Haus nicht zu weit vom Hafen entfernt. Als die Frauen atemlos das Haus erreichen, ist Eklasteos bereits mit einem Mann, der von Weitem durch seine beachtliche Leibesfülle auffällt, in ein Gespräch vertieft. Sein lautes Organ erreicht auch Aphrodites Ohren.

Der dicke Mann trompetet Eklasteos gerade an: „Was, du hast tatsächlich dein Weingut in Utica verkauft? Gehen die Geschäfte dort so schlecht?“

Das wehrt Eklasteos mit den Armen fuchtelnd ab und lügt: „Die Geschäfte liefen glänzend. Das Gut habe ich mit gutem Gewinn verkauft. Nun möchte ich meine Geschäfte mit Rom ausbauen. Das ist für mich der Zukunftsmarkt. Auch ist das, was die Mächtigen von Karthago und Rom so treiben, mir zu ungewiss! Wer Erfolg haben wird, ist mir längst klar! Ich setze auf Sicherheit. Hier in Sicilia hoffe ich, dass mich kommende Wirren auf meinem Gut in Syrakusae verschonen werden!“

„Kommende Wirren? Du siehst Gespenster, Eklasteos. Nun, wenn du meinst, mein Freund. Es sei so! Sei willkommen, mein Haus ist auch dein Haus!“

Mit einem Seitenblick auf Aphrodite sagt er noch zu ihm: „Was für eine Schleiereule hast du uns denn mitgebracht?“

Eklasteos antwortet: „Menelastos, mein Freund, danke für deine Gastfreundschaft. Diese Schleiereule ist eine Perle. Ich sage dir gleich, sie ist unverkäuflich. Lass uns schnell in dein Haus gehen, dort zeige ich dir aus alter Freundschaft diese erlesene Schönheit genauer. Diese voll erblühte Rose der Liebe will ich dir für heute Nacht sogar gerne überlassen!“

Aphrodite schwinden die Sinne bei der Vorstellung, das Bett die kommende Nacht mit diesem Fleischberg zu teilen. Sie fängt sich und folgt gehorsam den anderen in die Villa. Hinter dem Hofeingang öffnet sich ihr ein prachtvoller Garten mit einem großen Springbrunnen. Um den Garten herum führt ein farbenprächtiger Säulengang. Im Halbdunkel sind dahinter viele hohe Türen zu erkennen. Haussklaven nehmen ihnen das Gepäck ab. Alle Sklavinnen werden in die Küche geschickt.

Den Frauen reicht man frisches Fladenbrot und kleine Schüsseln mit warmer Milch. Hungrig stürzen sich alle drei auf das Essen. Nur sehr vorsichtig hebt Aphrodite beim Essen den Schleier. Sie will unbedingt verhindern, dass ihre blonden Haare zu sehen sind. Aphrodite glaubt, nur so wirklich in Ruhe gelassen zu werden. Vielleicht wird sie auch vergessen, beruhigt sie sich etwas.

Dann darf sie sich sogar zu den anderen mit an den großen Tisch setzen. Sie freut sich über die Herzensgüte der Menschen.

Es gibt für alle zwar nur warmes Brot, Milch und Frischkäse. Doch für Aphrodite ist es in diesem Moment das beste Essen auf der Welt.

Nach dem Essen werden sie alle drei über den Hinterhof in eine kleine Kammer geführt. Das Nachtlager besteht nur aus Stroh. Sie werden wie Verbrecher eingesperrt. Der Raum ist so klein, dass sie sich nicht richtig hinlegen können. Aphrodite fürchtet für die Nacht, dass bei jeder Bewegung die Nachbarin gestoßen wird. Aber das Gerangel dauert nicht lange, zu erschöpft vom Tag schlafen sie ein.

Der Mond scheint schon hell durch die breiten Ritzen der Tür in den kleinen Raum, als man Aphrodite zu ihrer Überraschung doch noch holt. Die Frauen registrieren es mit Erleichterung und sicher auch mit Schadenfreude.

Hastig geht es über den Hinterhof zurück zum Haupthaus. In einem geräumigen Nebenraum muss sich Aphrodite beim Licht der Fackeln vor fremden Frauen ganz nackt ausziehen. Mit feuchten Lappen wird sie gewaschen und dann eingeölt. So nackt wird sie durch einen langen Gang in den hell erleuchteten großen Saal geführt.

Johlend begrüßen die Männer auf den großen Liegen Aphrodite.

Eklasteos steht auf und behauptet stolz: „Mein Freund Menelastos, das ist die Schleiereule! Das ist meine Perle! Die Rose der Liebe!“

Der Gastgeber und die anderen Herrschaften quittieren das mit allerlei anzüglichen Bemerkungen.

„Das ist also die Schleiereule. Du hast Recht, es ist besser, dass nicht alle wissen, was für einen Schatz du besitzt!“, ruft der Hausherr begeistert.

Menelastos steht schwankend auf und versucht, Aphrodite zu begrapschen. Er greift ins Leere, verliert das Gleichgewicht und fällt unter allgemeinem Gelächter rücklings hin. Mit Händen und Füßen um sich schlagend, versucht er hilflos, wie eine Schildkröte auf dem Rücken liegend, aufzustehen. Erst mit Hilfe eines starken Sklaven kommt er wieder auf seine Beine.

Jetzt vom Sklaven gestützt, greift er nach Aphrodites Brust. Seine fettigen Finger gleiten über die Brust hinab zu ihrem Schoß.

Einer der Gäste meint lachend: „Menelastos, willst du sie etwa vor unseren Augen nehmen?“

Menelastos schüttelt nur mit dem Kopf, löst sich abrupt von Aphrodite und lallt: „Komm, schönste Perle, wir machen es uns in meinem Liebesnest bequem!“

Beträchtlich schwankend verlässt Menelastos den Saal. Ein großer Sklave packt Aphrodite am Halseisen und zerrt sie hinter Menelastos durch die Flure und Treppen der riesigen Villa. Den Weg zum Liebesnest, wie der Hausherr Menelastos es nannte, erkennt man an einer Spur von zerschlagenen Vasen und umgekippten kleinen Möbelstücken. Für Aphrodite ein hoffnungsvolles Zeichen, dass es mit der Manneskraft des Fleischberges nicht weit her sein kann. „Ich werde hoffentlich mit dem Schrecken davonkommen“, glaubt sie jetzt schon ganz sicher. Im Zimmer angekommen, stürmt Menelastos in einen kleinen Nebenraum.

Hart fällt die große Tür hinter ihr ins Schloss. Jetzt ist sie mit dem Fleischberg ganz alleine und in seiner Gewalt. Die Angst bringt ihr Blut fast zum Erstarren. Wenn es auch nicht zum Akt selbst kommt, brutal kann der Mann immer noch werden, fürchtet Aphrodite.

Aus den Geräuschen hinter der Wand schlussfolgert Aphrodite das Vorhandensein einer Toilette. Zitternd vor Angst steht Aphrodite im Raum. In Gedanken hofft sie immer noch, dass der Mann so betrunken ist, dass nichts passieren kann. Schließlich ist der Alkohol schon lange ihr heimlicher Verbündeter. Schon oft hat ihr der Suff der Männer reichen Geldsegen ohne jede Mühe beschert.

Umso mehr erschrickt sie, als ein fast nüchterner Mann aus dem Nebenraum kommt. Er tritt mit festen Schritten auf sie zu. Mit einer Hand fasst er an ihr Halseisen und stößt sie auf das Bett. Brutal schlägt er auf ihre Oberschenkel und brüllt: „Mach die Beine breit, Hure!“

Aphrodite gehorcht und wird beinahe wahnsinnig vor Angst.

*

Am Morgen wird Aphrodite zerschunden und Blut verschmiert von einem Diener aus dem Bett gezerrt. Der Fleischberg schläft immer noch fest. In einem Zimmer waschen Frauen sie und richten sie her. Die Sklavinnen beeindruckt es nicht, dass ihr Körper voller Hämatome ist. Sie wissen sicher aus eigener leidvoller Erfahrung, wie dieser Mann mit Frauen umzugehen pflegt. Ohne auch nur ein Wort mit ihr zu wechseln, salbt man sie. Nur mit einem großen Tuch bedeckt, wird sie in die Küche geführt.

Die Brutalität des Mannes ist allen bekannt. Von allen liebevoll umsorgt, sitzt sie in einer Ecke, schlürft warme Milch und kaut süßes Rosinenbrot mit Honig. Mit der rechten Hand drückt sie sich Frischkäse auf ihr geschwollenes rechtes Auge und links hält sie einen kleinen Laib Brot in der Hand. Die Frauen in der Küche schenken ihr auch einen Apfel und reichen ihr noch eine Schale warme Milch. Alles nimmt Aphrodite dankend an und fühlt sich langsam besser. Nur die Schmerzen im Unterleib erinnern sie immer wieder an diese grausame Nacht.

Einige Zeit später kommt Eklasteos grinsend in die Küche und grüßt: „Salve, Aphrodite. Ich hoffe, du hast gut geschlafen. Zieh dich an und komm, das Schiff wartet nicht auf dich. Oder willst Du bei meinem Freund Menelastos hier in Thermae Selinuntinae bleiben?“

Ihr Herr ist kaum weg, als sie eine Sklavin um ihr Gewand bittet. Nach wenigen Augenblicken kommt die Frau damit zurück. Gleich in der Küche helfen ihr die Frauen beim Anziehen. Verschleiert hastet sie auf den Hof. Als würde das Haus brennen, greift sie das ihr anvertraute Reisebündel und eilt in Richtung Hafen. Die Höllenschmerzen im Unterleib bei jedem Schritt unterdrückt sie mit der in ihr aufkommenden Todesangst. Sie wäre schon am Schiff angekommen, wenn Eklasteos nicht lautstark gerufen hätte.

Am Torbogen stehend, beobachtet sie von Weitem die wortreiche Verabschiedung der sogenannten Geschäftsfreunde. Menelastos bringt noch sein Bedauern zum Ausdruck, dass sie keine Zeit hatten, gemeinsam das berühmte Thermalbad zu nutzen. Dabei wirft Menelastos noch einem Seitenblick auf Aphrodite. Auf ein Zeichen von Eklasteos stürmt Aphrodite zum Schiff, ohne sich noch einmal umzusehen. Erst auf dem Schiff verschnauft sie und beginnt sich langsam zu beruhigen.

Es werden noch Krüge und Körbe verladen, ehe das Schiff wieder den Weg auf die offene See findet. Der Wind weht günstig, sodass die Segel für die Weiterfahrt ausreichen. Ihre Schmerzen lassen das Erlebte der letzten Stunden immer wieder aufflammen. Sie hat geglaubt, dass die Erfahrungen als Hure im Freudenhaus in Karthago durch nichts mehr zu überbieten wären. Doch ihre Kunden waren gegen diesen Fleischberg harmlos. Im Nachhinein waren ihre früheren Freier fast angenehm. Alana kommt überraschend zum Trösten. Schweigend umarmen sie sich und blicken auf das Meer hinaus. Alle Zwistigkeiten von früher sind längst vergeben und vergessen.

Hinter ihnen steht auf einmal Eklasteos und fragt: „Nun Aphrodite, wie war die Nacht mit meinem Freund Menelastos?“

Aphrodite blickt verunsichert nur auf die Schiffsplanken und sagt leise: „Herr, ich möchte in diesem Leben nicht noch einmal zu ihm. Lieber gehe ich in den Freitod!“

Eklasteos lacht nur und geht zu seiner Frau herüber. Er scheint ihr alles zu erzählen, worauf sie etwas gequält lächelt.

Das Wetter ist herrlich. Es weht ein kräftiger Westwind. Nur blauer Himmel und weit und breit keine Wolke, lediglich im Nordosten ist ein kleines schwarzgraues Wölkchen zu sehen.

Aphrodite spricht einfach einen jungen Mann von der Schiffsbesatzung an und fragt: „Was ist das für eine kleine schwarzgraue Wolke? Warum kommt sie nicht näher und wird auch nicht größer?“

Lachend antwortet der junge Mann: „Aphrodite, du bist eine sehr dumme Sklavin. Du warst sicher noch nie auf Sicilia. Denn das kleine Wölkchen kommt vom Etna, einem Feuerberg. Wenn Vulcanus, der Gott des Feuers und dieses Berges, zürnt, dann wird alles um ihn herum vernichtet. Vor vielen Jahren hatte er die halbe Insel in seiner Asche versinken lassen!“

Aphrodite bemerkt dazu: „Oh ja, das war wirklich dumm von mir. Ich hatte ganz vergessen, dass Sizilien einen Vulkan hat. Es stimmt, seine Lava oder die Asche kann ganze Ortschaften unter sich begraben. Leider verstehen die Menschen die warnenden Signale des Berges nicht richtig und leben und arbeiten weiter sorglos an seinem Fuß. Wenn er dann richtig ausbricht, ist es für viele Menschen leider schon zu spät!“

Der junge Mann überrascht: „Du scheinst ja doch ganz gut Bescheid zu wissen. Ich glaube, du wolltest mit mir nur anbändeln. Aber Aphrodite, ich habe nicht das Geld, um dich kaufen zu können! Zeig dich mir bitte doch noch einmal! Bitte öffne für mich einmal dein Tuch. Ich will deine Brüste sehen!“

„Das darf ich nicht. Außerdem will ich nicht von einem Mann gekauft, sondern geliebt werden!“, erwidert Aphrodite abweisend.

Respektlos greift er nach ihren Brüsten unter dem Tuch und jubelt: „Deine Brüste sind schön fest und nicht zu klein. Wenn mein Geld reicht, werde ich dich vielleicht doch kaufen! Denn ich suche schon lange nach einer schönen Frau! Du gefällst mir wirklich. Heb bitte für mich doch einmal dein Tuch!“

Aphrodite fühlt sich verletzt. Sie hält jetzt ihre Hände schützend über ihr Gewand. Der Mann hatte tatsächlich einfach nach ihren Brüsten gegriffen und sie wie eine Ware auf Qualität abgetastet.

Er ist wie alle Männer der Welt, weiß Aphrodite und erwidert abweisend: „Ich bin nichts für dich. Eine Liebesdienerin ist nicht nur für einen Mann bestimmt!“

„Die Sklavin Aphrodite ist ein Freudenmädchen?“, fragt der junge Mann erstaunt.

Aphrodite traurig: „Es ist wahr, ich bin ein Freudenmädchen.“

Enttäuscht geht der junge Mann, ohne noch ein Wort des Abschieds an sie zu richten, einfach weg und lässt sie stehen.

Aphrodite hat ohnehin keine Zeit mehr. Alana ruft nach Ihr. Offensichtlich sind durch das Tragen der wenigen Bündel bei ihr einige Wunden wieder aufgeplatzt. Der derbe Stoff auf ihrem Rücken ist voller Blut und klebt an den offenen Wunden. Mit flinker Hand reißt Aphrodite ihr die blutgetränkten Lumpen vom Leib. Nun ist auch das letzte Leinen, das Alana trägt, nur noch ein einziger Fetzen.

Aphrodite sagt zu ihr: „Bleib heute ohne Tuch auf dem Bauch liegen, lass deine offenen Wunden besser an der Luft ausheilen. Wenn auf den Wunden genug Schorf ist, bitte ich die Herrin um ein neues Gewand für dich. Wenn sie dir nichts geben will, werde ich den Segelmacher vom Schiff um etwas Leinen bitten müssen.“

„Der Segelmacher wird dir kein Tuch geben“, klagt Alana leise und weint.

Aphrodite sagt leise zu Alana: „Ich werde mich für das Tuch an den Segelmacher verkaufen müssen. Denn der Mann hat jede Gelegenheit genutzt, mich zu begrapschen.“

Alana schaut zu ihr auf und bittet: „Gib dich für ein Stück Stoff nicht dem Mann hin. Das ist es nicht wert. Ich bin dir auch so dankbar, dass du dich so um mich sorgst. Du hast letzte Nacht selbst so leiden müssen. Wie geht es dir jetzt überhaupt?“

„Es geht mir schon deutlich besser. Überhaupt, so schlimm war es nicht. Du brauchst mir nicht zu danken, ich weiß, dass du das Gleiche auch für mich machen würdest!“, will Aphrodite mit ihrer kleinen Lüge beruhigen. Dass sie ständig Schmerzen im Unterleib hat, muss Alana nicht wissen.

Bemüht, die Schwankungen des Schiffes auszugleichen, blickt sie auf das Wasser. Es soll helfen, eine aufkommende Seekrankheit zu bekämpfen.

Das Schiff scheint gut im Wind zu liegen und es kommt Aphrodite vor, als wenn es richtig Fahrt macht. Sie blickt auf das Meer hinaus zur Küste hinüber. Die Küste ist nur noch ein schmaler Streifen, der sich von ein paar Wolken abhebt. Das Wasser selbst ist tiefblau. Sie haben jetzt viele Stunden Fahrt vor sich.

*

Die Sonne hat längst ihren Zenit überschritten. Doch immer wieder gerät Aphrodite beim Anblick des Meeres ins Träumen.

Sie sieht sich im Boot mit dem Vater am Steuer über das Wasser gleiten. Das Lachen des Vaters klingt rau, aber ansteckend herzlich. Auch wenn sie ihre heimatliche Ostseeküste liebt, ist doch die Faszination, die vom Licht und den Farben des Mittelmeers ausgeht, für sie immer ein Mysterium geblieben. Zum Greifen nah ist der Vater. Ihre Hände wollen ihn umarmen.

Das Jammern von Alana holt sie aus diesem Tagtraum wieder in die Realität zurück. Sie muss einen sehr verwirrten Eindruck machen, denn Alana fragt: „Was ist passiert, wirst du etwa auch krank, Aphrodite?“

„Nein, bestimmt nicht, ich habe nur an Erlebnisse aus meiner Kindheit gedacht!“, erwidert Aphrodite und fragt einenm Mann von der Schiffsmannschaft: „Wie heißt der nächste Hafen, den wir anlaufen, ist es schon Syrakusae?“

Der Mann blickte sie verächtlich an und geht einfach wortlos an ihr vorbei. Ihr wird wieder bewusst, für freie Menschen ist sie ein Nichts. Für die freien Menschen hat man nur zu funktionieren. Wenn man nicht funktioniert, wie es die hohen Herren wünschen, teilt man das Schicksal von Alana. Langsam kommen in Aphrodite Zweifel auf, dass sie wie versprochen für Alana neue Gewänder besorgen kann. Dass ihr Herr etwas Stoff für Alana besorgt, daran glaubt sie nicht. Will sie sich für ein Tuch einem Mann hingeben, bedarf es auch der Erlaubnis ihres Herrn. Wenn es dumm läuft, kann sie die Nächste sein, die mit der Peitsche Bekanntschaft macht. Von Weitem beobachtet sie darum Eklasteos. Der Mann scheint die denkbar schlechteste Laune zu haben. Er diskutiert gerade mit dem Schiffseigner und nur Wortfetzen wie: „Ganze drei Tage in Agrigentum – dafür habe ich nicht bezahlt! Wann werden wir dann in Phintias sein? Ich hoffte, noch vor den Herbststürmen in Syrakusae anzukommen!“

Aphrodite ahnt, dass heute ein ganz schlechter Tag für eine Bitte ist. Aber die dreckigen Lumpen können nicht auf Alanas entzündeter Haut bleiben. Die Gefahr von weiteren Infektionen ist vorhersehbar. Alanas Leben ist in Gefahr und hilft ihr, die Angst vor einer Strafe zu überwinden. Als Eklasteos bei seiner Frau sitzend langsam wieder ruhiger wird, nimmt Aphrodite ihren ganzen Mut zusammen und geht auf ihren Herrn zu. Sie kniet vor Eklasteos nieder. Sie berührt mit der Stirn die Schiffsplanken und küsst dann unterwürfig seine schmutzigen Füße. Sie spürt greifbar, wie ihr Herr diese betonte Unterwürfigkeit vor der Mannschaft genießt.

Er knurrt freundlich: „Was willst du?“

Aphrodite holt tief Luft und flötet: „Ave, Gebieter. Herr, mein Auftrag, Alana zu heilen, ist in Gefahr. Ihre verschmutzten Lumpen werden bei ihr weitere Entzündungen auslösen und dann kann ich sie nicht mehr retten. Das Fieber wird sie nicht überleben. Herr, ich bitte für sie um saubere Kleidung!“

Eklasteos blickt seine Frau von der Seite an und stimmt ihr zu: „Du magst recht haben, ich gehe nachher zum Segelmacher und werde mir Stoff geben lassen. In Agrigentum kaufe ich neue Stoffe für euch Frauen. Dort kenne ich einen Heiler, der über eine umfangreiche Heilmittelsammlung verfügt. Er kann Alana wirksam helfen. Dem kannst du dann gleich bei seiner Arbeit zur Hand gehen, so senken wir die Kosten für Alanas Heilung!“

„Danke, Gebieter!“, erwidert Aphrodite erleichtert. Das geheime Band, das sie beide verbindet, hat ihr wieder geholfen. Erleichtert geht Aphrodite wieder zu Alana, die eben von Schmerzen überwältigt in Ohnmacht gefallen ist. Es ist schrecklich, einen Menschen so leiden zu sehen, vor allem, wenn man von schmerzlindernden Mitteln und Behandlungsmethoden aus der Zukunft weiß. Hätte sie wie ihre Schwester Ana Mathematik studiert, hätte sie zwar auch nicht helfen können, aber die Last des Wissens hätte sie nicht. Unsinn, sie wäre gar nicht hier. Hätte um diese Zeit Feierabend und wäre vielleicht mit einer Freundin beim Shoppen. Wird sie jetzt verrückt?

Ein Seemann holt mit einem Eimer gerade Wasser aus dem Meer. Aphrodite läuft zu ihm und bittet um eine Wasserdusche. Der schaut sie zuerst verdutzt an, aber dann ist sie doch von oben bis unten nass. Als der Seemann sie mit großen Augen anglotzt und lächelt, begreift sie nicht gleich, was los ist. Doch der Blick nach unten klärt sie auf. Der nasse Stoff ist so dünn, dass er ihre Brüste deutlich sichtbar macht. Weil sie natürlich keine Unterwäsche trägt, steht sie praktisch nackt vor dem Mann. Obwohl sie in den letzten Monaten schon oft ihre Reize den Männern zeigen musste, wird sie jetzt wie ein Schulmädchen vor Scham ganz rot. Die Männer um sie herum lachen.

„Habt ihr nichts zu tun“, ruft sie den Männern zu. An der Reling stellt sie sich zum Trocknen in den Wind. Die Männer beruhigen sich und gehen ihrer Arbeit nach. Auf einmal spürt sie, dass jemand sie beobachtet. Ihr Bauchgefühl schlägt Alarm. Dann steht ein griechischer Händler, der in Thermae Selinuntinae zugestiegen ist, plötzlich neben ihr. Ohne sie wirklich anzuschauen, sagt er: „Sklavin, ich bin Konostatos aus Athen. Ich handle mit allem, was Gewinn bringt. Nebenbei interessiere ich mich für die Kunst des Heilens. Deine sichere Hand beim Behandeln der ausgepeitschten Sklavin hat mich irritiert. Woher kommt dein Heilwissen? Ich kenne Kräuterweiber und Weiber, die mit Zaubersprüchen Heilung versprechen. Aber was du machst, habe ich so noch nie gesehen. Auch nicht bei Wundheilern. Oh Wunder, es scheint der Sklavin tatsächlich zu helfen. Du bist aber zu jung, um über eigene Erfahrungen zu verfügen. Wer hat dich diese Art der Heilkunst gelehrt?“

Das Auftreten des Händlers verunsichert Aphrodite sehr, denn seine Kleidung und die dicken goldenen Fingerringe deuten auf einen sehr reichen und auch mächtigen Mann hin. Alles an dem Mann erinnert sie an ihren Peiniger Menelastos. Wenn sie jetzt nicht die passenden Worte findet, kann das für sie gefährlich werden. Sie muss ein Zittern ihres Körpers mühsam unterdrücken. Ihre weibliche Intuition schlägt Alarm. In die Hände dieses kalt berechnenden Mannes möchte sie lieber nicht geraten. Sie denkt an die sieben goldenen Regeln einer Hure. Ihr jetziger Herr Eklasteos ist zwar auch ein Sklavenhalter und hat auf Drängen seiner Frau der Auspeitschung von Alana zugestimmt, aber mit etwas Geschick hat Aphrodite bei ihm immer noch alles halbwegs unter Kontrolle. Aber dieser Mann ist eine echte Gefahr für sie.

So entschließt sie sich zu sagen: „Herr, der Eindruck täuscht euch. Ich habe keine wirkliche Ahnung vom Heilen. Eine alte Sklavin hat, so wie ich es heute tue, einen ausgepeitschten Knaben vor Jahren behandelt. Nun hoffe ich einfach, dass es bei dieser Sklavin auch helfen kann. Bitte glaubt mir!“

Seine schwarzen Augen scheinen sie zu durchbohren.

Unsicher kniet sie vor ihm nieder und kann so seinem Blick ausweichen. Mit beiden Händen greift er ihr unter das Kinn, sie muss aufstehen und er zwingt sie so, ihm wieder in die Augen zu schauen.

Sie muss sich voll konzentrieren und keine Unsicherheit zeigen. Mit dem unschuldigsten Blick sieht sie ihm jetzt direkt in die Augen. Sie kann sich selbst in seinen Augen sehen. Ihre Gesichter berühren sich fast, sodass sein fauliger Atem bei ihr einen Brechreiz auslöst. Es dauert zum Glück nur zwei, drei lange Atemzüge, dann lässt er sie los. Er ist es nicht gewohnt, dass eine Frau seinem bohrenden Blick standhält. Betont verächtlich spuckt er über die Reling und geht wortlos.

Sie hat eben noch einmal Glück gehabt, ist ihr bewusst. Es ist nicht auszudenken, was der Mann mit ihr alles anstellt, wenn sie in seine Gewalt gerät. Der Mann ist es gewohnt, dass sich alles und jeder seinem Willen beugt. Aber sie hat sich erfolgreich seinem Willen widersetzt. Oder doch nicht? Ihre kleine Freude währt nur kurz. Denn als sie sich noch einmal nach dem unheimlichen Mann umdreht, muss sie zu ihrem Entsetzen beobachten, wie Eklasteos mit ihm diskutiert. Damit nicht genug, ruft Eklasteos nach ihr. Mit weichen Knien und gesenktem Haupt tritt sie vor ihren Herrn.

Eklasteos sagt mit tiefer Stimme: „Was muss ich hören, Aphrodite, von einer alten Sklavin hast du etwas heilen gelernt?“

Aphrodite nickt nur.

Eklasteos schüttelt mit dem Kopf und in gekonnt gekünstelter Erregung erklärt er weiter: „Ich dachte bisher, du bist nur eine Hure und taugst nur fürs Bett. Konostatos möchte dich gerne kaufen. Er bietet mir viel Gold für dich!“

Er klopft dem Mann freundschaftlich auf die Schulter und erklärt weiter: „Ich habe deine Schönheit gerühmt. Mein Freund Konostatos weiß von griechischen und syrischen Fürsten, die viel Gold für dich zahlen würden!“

Bei dem Wort Fürsten bleibt Aphrodite das Herz stehen. Sie erinnert sich sofort an die Enthauptung des Mannes im Traum. Ein Mann, der ein Fürst gewesen sein könnte. Erfüllt sich jetzt der böse Traum? Haben alle Träume nur ihre düstere Zukunft vorhergesagt?

Profiteur Konostatos fordert mit gierigem Blick Aphrodite auf: „Zeig mir endlich mehr von dir, Sklavin! Lass dein Tuch ganz fallen. Schließlich will ich sehen, was ich für viel Gold dem Geizhals abkaufe!“

Mit einem Handgriff von Eklasteos ist Aphrodite ihr Tuch los. Nackt steht sie vor den Männern.

Für einen Moment ist Konostatos von ihrer Schönheit völlig überwältigt. Seine Augen funkeln Aphrodite gierig an. Mit der Zunge leckt er seine Lippen ab. Sie sieht, dass sein Mund voller fauliger Zähne ist. Sie muss sich vor ihm drehen und in alle Richtungen bücken. Der Mann soll alles von ihr sehen. Warum auch nicht. Sie ist schön, das will sie genießen. Vielleicht ein letztes Mal, bevor sie in einem Palast vermodert.

Von hinten greift Konostatos nach ihren Brüsten. Derb knetet er sie und zittert dabei vor Erregung. Seine Geilheit verbirgt er erst gar nicht. Der Mann will es auf der Stelle mit ihr tun.

Eklasteos trennt beide sanft und belehrt seinen Geschäftsfreund Konostatos: „Noch gehört das goldene Prachtweib nur mir!“

Widerwillig löst Konostatos seinen Griff von Aphrodites Hintern. Nun gibt er sich als erfahrener Sklavenhändler. Mit gekonntem Griff öffnet er brutal ihren Mund und bestaunt die schönen weißen Zähne. Als er dann ihr auch noch derb zwischen die Beine greift, schwinden Aphrodite die Sinne. Die Vorstellung, wieder brutal vergewaltigt zu werden, raubt ihr den Verstand. Sie merkt, dass Eklasteos sie auffängt, als ihr schwarz vor Augen wird.

*

Sie spürt kaltes, salziges Wasser im Gesicht und auf ihrem Körper. Ängstlich schlägt sie die Augen auf. Hat der Mann sich an ihr vergangen?

Eklasteos lächelt sie an und behauptet leise: „Er ist weg, du bist ja ganz schön gerissen. Ich hatte nicht gleich begriffen, warum du das Dummchen spielst und wie auf Bestellung in Ohnmacht fällst. Konostatos ist nun der Meinung, dass so eine schöne, aber verweichlichte Sklavin den weiten Weg zu zahlungskräftigen Kunden nicht überlebt. Du bist für ihn ein Verlustgeschäft. Schade eigentlich, denn er hat unverschämt viel für dich geboten!“

„Herr, Ihr hättet mich wirklich verkauft?“, fragt Aphrodite entsetzt.

Eklasteos winkt ab und behauptet: „Ich hätte das Geschäft gerne mit ihm gemacht. Um dich herum geschehen oft seltsame Dinge. Meine Frau ist seitdem auch so anders. Doch meine Frau ist strikt gegen deinen Verkauf. Egal zu welchem Preis!“

„Herr, ich glaubte, wir beide hätten ein stilles Abkommen?“, fragt Aphrodite ängstlich und wütend zugleich. Sie greift nach ihrem Tuch und bedeckt sich notdürftig.

Eklasteos beobachtet sie dabei und sieht es emotionslos: „Ja, ja, ich weiß und halte mich auch daran. Alle auf dem Schiff haben dich jetzt nackt gesehen. Hoffentlich gibt es keinen neuen Ärger. Du bist eine begehrenswerte Frau. Mehr muss ich dir nicht erklären.“

„Haben wir beide doch noch ein Abkommen, Herr?“, fragt Aphrodite jetzt noch einmal unter Tränen.

„Verdammt, wir haben beide ein Abkommen. Ich werde mich auch daran halten. Es war eben nur die pure Lust am Geschäft. Ich wollte wissen, was du tatsächlich wert bist!“, meint Eklasteos und macht sogar Anstalten, sie in die Arme zu nehmen. Doch im letzten Moment macht er einen Rückzieher. Es ist unter seiner Würde, einer Sklavin gegenüber Gefühle zu zeigen. Er besinnt sich, tritt zurück und sagt: „Bleib weiter meine treue und ergebene Sklavin, dann verkaufe ich dich auch nicht. Mein Wort darauf!“

Ohne sie weiter zu beachten, geht er zu seiner Frau.

Mit Tränen in den Augen setzt sich Aphrodite an die Seite von Alana, die jetzt zu schlafen scheint. Weinend blickt sie in den blauen Himmel. Der Gedanke, vom Willen eines Mannes abhängig zu sein, ist für sie unerträglich. Im Herzen ist sie noch keine Sklavin.

Aphrodite fühlt sich von Eklasteos betrogen. Der Mann hat ihr die ganze Zeit etwas vorgemacht. Seine geheuchelte Freundlichkeit und die zur Schau gestellte Milde und Großzügigkeit sind purer Geschäftssinn. Sie war und ist für ihn immer nur eine ergiebige Geldquelle. In keinem Moment war sie in seinen Augen eine Frau, ein Mensch schon gar nicht. Immer war sie für ihn nur eine Sklavin, eine gewinnträchtige Sklavin, einfach eine Ware. Sie war für ihn immer etwas, das man zu jeder Zeit verkaufen kann. Aufopfernd hat sie dem Mann gedient. Sie hat sich für ihn bedingungslos den Männern hingegeben. In ihrer grenzenlosen Dummheit und Verblendung hat sie ohne Zögern ihre Würde, ihren Rest Schamgefühl willig geopfert. Ist ihr Herr und Gebieter auch nur einer der sieben Speerträger? Einer der nackten Männer ihrer bösen Träume, die sie töten wollen? Es scheint ihr jetzt ganz so. Ihr Herr hätte sie eben ohne Skrupel an ein Monster verkauft. Sie muss in Zukunft auch bei ihm aufpassen. Den Gehorsam kann sie ihm nicht verweigern. Nur ihr Irrglaube, dass er auf ihrer Seite steht, den Glauben kann sie getrost begraben. Sie ist wieder allein!

Alltag an Bord?

Alana hat zu laut gegähnt. Das ist für ihren Gebieter das Signal, dass seine Sklavinnen nicht ausgelastet sind. Sofort werden sie mit Lappen und Eimern bewaffnet. Eklasteos meint zynisch: „Ihr beide werdet mir am Hintern schon zu fett. Dagegen hilft nur etwas Bewegung. Schrubbt das Deck, ihr Fettärsche!“

Auf den Knien rutschend schrubben beide Frauen jetzt das Deck. Für die Männer an Bord ist es eine willkommene Ablenkung. Sonst sind sie es, die dort bei Hitze oder strömendem Regen schuften müssen. Als das Ende ihrer Schinderei schon in Sicht ist, werden zuerst nur etwas Dreck und einige Abfälle vor den Frauen hingeworfen. Die Frauen murren nicht und verrichten weiter ihre Arbeit. Beide hoffen, dass das gemeine Spiel der Männer bald von alleine ein Ende findet. Doch die Männer werden immer aggressiver. Dann entblößt sich der erste vor ihnen und pinkelt auf die Planken. Als sei nichts geschehen, wischen die Frauen die Pfütze weg. Mit frischem Wasser ist alles schnell wieder sauber. Doch nun kommt der nächste Mann und erleichtert sich vor ihnen. Schon mit viel Wut im Bauch wischt Aphrodite auch diese Pfütze auf. Der Mann steht immer noch vor ihr und spritzt ihr seinen Urin direkt ins Gesicht. Jetzt explodiert Aphrodite und wirft mit dem Lappen nach ihm. Geschickt weicht der Mann dem Lappen lachend aus. Der Lappen setzt ungehindert seinen Höhenflug fort und landet direkt auf dem Kopf ihres Herrn. Vor Schreck und Angst bleibt Aphrodite das Herz stehen. Ihr Gebieter rührt sich nicht. Die grenzenlose Wut des Mannes spüren alle. Sie eilt zu ihrem Herrn und greift nach dem Lappen. Als Dank bekommt sie vom wütenden Eklasteos eine saftige Ohrfeige.

„Ich bitte um Vergebung. Es war ein Versehen. Der Lappen war für den Mann vor euch bestimmt. Ich bin unschuldig!“, fleht Aphrodite ihren Herrn an. Gleichzeitig reibt sie mit der freien Hand ihre getroffene Gesichtshälfte. Es brennt wie Feuer und ihr Ohr rauscht. Alle Schmerzen sind nur der Anfang eines neuen Leidensweges. Dass es nicht nur bei dieser Ohrfeige bleibt, glaubt sie selbst natürlich auch nicht mehr.

Die zuerst lachenden Männer schauen Eklasteos jetzt fragend an. Wie wird der Herr seine Sklavin bestrafen? Ein Mann mit der Peitsche ist schon zur Stelle. Laut knallt die Peitsche auf die Planken.

Den Schlag auf die Planken spürt Aphrodite unter ihren Füßen. Sie ist tot, wenn der Mann zuschlägt. Nur wann der Tod kommt, wann der Tod sie von den Leiden erlösen wird, steht noch in den Sternen. Sie beobachtet eine Veränderung bei ihrem Herrn. Ihr nahes Ende sieht ihr Gebieter vielleicht auch schon.

Seine überschäumende Wut schlägt nun in verzweifelte Hilflosigkeit um. Mit wirren Augen sucht Eklasteos verzweifelt nach einer akzeptablen Lösung. Sein Gesicht, seine Würde als Herr darf er vor den Männern natürlich nicht verlieren. Wenn er jetzt Aphrodite vor den anderen auspeitschen lässt, wird sie als Geldquelle für lange Zeit ausfallen oder gar tot sein. Immer noch nach Worten ringend, stottert er los: „Es, es war ein Versehen. Doch, doch Strafe muss sein.“

Die Männer um ihn herum sind erleichtert und hoffen auf ein blutiges Spektakel. Wieder knallt die Peitsche auf die Planken.

Aphrodite wird wahnsinnig vor Angst: „Mein Ende naht!“

„Knie vor mir nieder und mach dein Schandmaul weit auf!“, kommandiert Eklasteos mit bebender Stimme.

Aphrodite tut wie verlangt. Ihr versagen sowieso längst die Knie ihren Dienst. Schon kniend begreift sie immer noch nicht, was jetzt kommen soll. Am Mast wird schon Platz gemacht. Der Mann mit der Peitsche wartet.

Eklasteos stellt sich vor ihr auf und hebt sein Gewand bis hoch über den Bauchnabel an. Mit zitternden Händen sucht er sein bestes Stück unter dem Bauch. Sehen kann er seine Mannespracht schon lange nicht mehr.

Was tut der Mann? Sein bestes Stück hat sie schon bis zum Gaumen tief im Mund. Es ist halt normaler Hurendienst. Doch hier es vor den Männern tun, ist einfach nur ekelhaft. Sie schließt die Augen.

Erst spritzt er unkontrolliert in ihr Gesicht und dann gezielt in ihren Mund.

Eklasteos kommandiert: „Reiß dein Maul schön weit auf. Schluck alles herunter. Du sollst erfahren, wie ein Mann schmeckt!“

Aphrodite gehorcht widerwillig. Es ist in diesem Moment gewiss das kleinere Übel. Auch wenn die Demütigung unendlich groß ist. Sie weiß aus ihrer fernen Zeit, dass Urin trinken sogar gesund sein kann. Viele Heilpraktiker schwören auf die heilende Wirkung. Das sagt sie sich immer wieder und schluckt das eklige Zeug herunter. Es rettet ihr vielleicht heute das Leben. Als unterwürfige Sklavin leckt sie auch die letzten Tropfen von seinem Glied ab.

Soviel Unterwürfigkeit einer Sklavin vor ihrem Herrn macht bei den Männern an Deck Eindruck.

Eklasteos lässt sein Gewand fallen, wendet sich von ihr ab und sagt: „Verschwindet beide aus meinen Augen. Für heute ist hier genug gewischt!“

Aphrodite ist erleichtert, dass sie der Peitsche noch einmal entkommen ist. Gleichzeitig spielt ihr Magen verrückt. Die heilenden Wirkung von Urin stellt sich bei ihr definitiv nicht ein.

Mit Alanas Hilfe steht Aphrodite schwankend auf. Aufrecht stehend sucht sie eilig den Weg in Richtung Reling. In hohem Bogen spuckt sie alles aus, was in ihrem Magen ist. Die heilende Wirkung von Urin will sie nicht weiter testen. Das können die Verrückten im zweiundzwanzigsten Jahrhundert herausfinden. Erleichtert sucht sie ein Versteck, wo sie heute niemand mehr finden kann. Doch es bleibt ihr nur ein Platz zwischen den Tauen. Der Peitsche ist sie eben nur knapp entkommen. Wie lange noch? Der Tag wird kommen, wo sie die Peitsche spüren wird!

Agrigentum

Aphrodite sieht, wie die Männer interessiert auf die Küste schauen. Sie steht auf und folgt ihren Blicken. Am Horizont wird eine Siedlung sichtbar. Kann das Agrigentum sein? Tatsächlich fällt immer wieder das Wort Agrigentum bei den Männern.

Einer der jungen Bootsmänner von der Schiffsbesatzung kommt auf sie zu. Er hat während der ganzen Fahrt schon ihre Nähe gesucht. Nach der Bestrafung hat er ihr dünnen Wein gebracht, damit sie beim Küssen besser schmecke, meint er lachend. Dass Sklaven keinen Wein trinken dürfen, weiß er auch. Doch darum schert er sich nicht.

Jetzt erklärt er ihr freundlich und nicht ohne Stolz: „Was Du siehst, sind nur die Hafenanlagen der Stadt. Der größte Teil der Stadt liegt hinter den Hügeln. Schau, dort erkennt man den unvollendeten Tempel, der Zeus geweiht werden soll. Ist er nicht gewaltig? Sie haben auch ein großes Theater, das sie Comitium nennen. Aber leider wird es im Moment keine der vielen Veranstaltungen geben. Auch eine große Bibliothek befindet sich in der Nähe vom Theater. Seit fast hundert Jahren ist diese Stadt nun römisch. Vor vielen hundert Jahren ist der Ort von uns Griechen besiedelt worden. Aber als dann die Römer kamen, wurde alles ganz anders. Heute leben dort so gut wie nur noch römische Neubürger. Reiche Händler, die jetzt das Sagen haben. Die alten Bürger hatten sich zu sehr gegen die römische Herrschaft gewehrt. Sie wurden alle erschlagen oder als Sklaven verkauft. Aber die Geschäfte der Händler gehen heute wieder gut. Alle hoffen auf friedliche Zeiten!“

Aphrodite hört dem redseligen jungen Mann nur halb zu. Sie plagen ganz andere Sorgen. Hoffentlich wird sie nicht Opfer irgendeines lüsternen Händlers, bei dem sich Eklasteos einquartiert hat.

Inzwischen sieht sie die Konturen der antiken Stadt immer deutlicher. Auf den umliegenden Hügeln stehen Reste verfallener Häuser, aus denen sich junge Bäume hoch dem blauen Himmel entgegenrecken. Die Stadt muss schon bessere Zeiten erlebt haben. So segensreich, wie die Geschichtslehrer die Römerzeit loben, war die wahre Geschichte also doch nicht. Okay, die Römer haben noch vier Jahrhunderte lang Zeit, um der Mittelmeerwelt ihren unverwechselbaren Stempel aufzudrücken. Viele Bäume und blühende Sträucher bilden einen angenehmen Kontrast zu den strahlend weißen Häusern, die mit Stroh oder roten Dachsteinen gedeckt sind. Eine zerfallene Stadtmauer lässt erahnen, wie groß die Stadt einmal war. Dahinter erkennt sie Reste eines größeren Gebäudes, vielleicht einer Palastanlage? Aphrodite erinnert sich an die Aufzeichnungen des Professors. Sie schlussfolgert daraus, dass die Spuren des frühen römischen Eroberungsfeldzuges noch allgegenwärtig sind. Um jede Stadt und jeden Ort wurde sicher hart gekämpft. Diese Insel hat schon eine bewegte Geschichte hinter sich. Zuerst hatten Kolonisten aus Gela, die vor König Minos geflohen waren, Stützpunkte gegründet. Später ist daraus diese Stadt hervorgegangen. Lange hatte Karthago auf der Insel das Sagen. Nun werden also die Römer in den nächsten Jahrhunderten die Insel und ihre Menschen formen. Es wird der römische Frieden sein, der vielen Menschen Wohlstand bringt. Nun ja, die Sklavenaufstände und inneren Machtkämpfe des Römischen Reiches werden auch hier ihre Spuren hinterlassen. Aber so lang anhaltende friedliche Zeiten hat es später kaum noch gegeben. Insgeheim hofft Aphrodite, dass es hier auf der Insel für die Maria Lindström mit ihrem Wissen und Können eine echte Chance auf ein menschenwürdiges Leben geben könnte. Zugegeben, jetzt als Sklavin hat sie nicht die besten Startbedingungen. Aber …!

Kräftige Hände reißen Aphrodite von ihrem Platz fort. Ein armdickes Seil wird auf das Schiff geworfen und hätte sie vielleicht erschlagen.

Ihr junger freundlicher Bootsmann warnt: „Mädchen, was träumst du am helllichten Tag? Träume von mir in der Nacht, das ist garantiert nicht so gefährlich und viel angenehmer!“

Noch ganz benommen antwortet Aphrodite: „Danke, ich fürchte, jetzt bin ich Euch etwas schuldig!“

Der junge Bootsmann lächelt stolz, greift ihr kurz fest in das Haar und streichelt sie zärtlich. Er tut es nur einen Atemzug lang. Danach setzt er seine Arbeit beim Vertäuen des Schiffes fort.

Aphrodite hat es begriffern, sie muss mit ihren Tagträumereien aufhören, sonst erwischt es sie doch noch einmal unverhofft und vor allem kann es tödlich für sie enden.

Sie sind jetzt also in Agrigentum. Der Hafen muss wirklich schon bessere Zeiten erlebt haben. Denn zwischen den Häusern, die zwar marode, aber bewohnt sind, macht Aphrodite viele Ruinen aus. Hier wütete der letzte Krieg mit ganzer Härte. Oder haben Städte wie Selinus und Syrakusae den Konkurrenten geschwächt?

Ein vernünftiges Quartier zu kriegen wird sicherlich schwierig werden, glaubt Aphrodite. Ihre Vorahnungen werden noch übertroffen. Ihr Nachtlager ist Stroh vor einem Stall. Damit nicht genug. Mit anderen Sklaven vom Schiff werden Alana und Aphrodite außerdem noch angekettet. Bisher haben sich beide Frauen, grad wie freie Reisende auf dem Schiff, ungehindert bewegen können. Nur das Halseisen weist sie als Sklavinnen aus. Nun werden sie von den anderen Sklaven, die sonst unten im Schiff in Käfigen dahin vegetierten, argwöhnisch beobachtet. Zwei Krüge gefüllt mit Wasser und ein Korb mit Brot und Zwiebeln ist das Nachtmahl für alle. Für die kleinen und großen Geschäfte reicht die Kette nur bis zur Ecke des Stalls, die sich Männer und Frauen natürlich teilen müssen. Obwohl sich Aphrodite selbst tadelt, wagt sie doch mehrere Blicke zu den nackten Männern. Sie ist nicht die einzige Frau, die heimlich schaut. Aphrodite liegt neben einem jungen Mädchen und einem Knaben.

Das Mädchen lächelt sie an und erzählt: „Ich bin Ena und das ist mein Bruder Mudhead! Wer bist du? Du siehst so ganz anders aus! Woher kommst du?“

„Ich bin Aphrodite, Hure und Sklavin des Eklasteos. Ich komme aus dem hohen Norden. Woher seid Ihr, Kinder? Wo seid ihr zu Hause?“, fragt Aphrodite und hofft im Stillen, den Abend mit Geschichten besser zu überstehen.

Tatsächlich, das Mädchen Ena scheint nur darauf gewartet zu haben und erzählt sofort munter drauf los: „Wir sind Geschwister und kommen aus Alexandria. Du wirst es vielleicht wissen, es ist die größte Stadt der Welt und Hauptstadt aller Ägypter. Wir waren zu Hause acht Kinder. Die Mutter ist bei der Geburt des neunten Kindes gestorben. Unser Vater ist Fischer. Ein Sturm hat das alte Boot völlig zerstört. Um unsere kleinen Geschwister zu ernähren, hat Vater uns notgedrungen verkauft. Weil wir von unserer Mutter griechisch lesen und schreiben gelernt haben, hoffen wir auf gute Herren in Syrakusae. Der reiche Konostatos hat uns gekauft, weil schreibkundige Sklaven überall sehr gefragt sind!“

Aphrodite wird ganz aufgeregt: „Sagt, dann habt ihr den Leuchtturm von Alexandria mit eigenen Augen gesehen. Habt ihr vielleicht auch die großen Pyramiden gesehen?“

Mudhead schmunzelt und erklärt stolz: „Den Leuchtturm kann niemand übersehen. Denn jeder, der in Alexandria war, hat ihn gesehen, muss den Turm gesehen haben. Nur musst du wissen, dass der Leuchtturm nicht zur Stadt gehört, sondern auf der vorgelagerten Insel Pharos steht. Die Pyramiden habe ich nur gesehen, als ich mit dem Onkel nach Luxor unterwegs war. So gewaltige Bauten mag es sonst nirgendwo auf der Welt geben. Das kannst du mir wirklich glauben! Besonders beeindruckt war ich, als bei der Rückfahrt der Nil Hochwasser führte und wir sehr dicht an den Pyramiden vorbei fahren konnten!“

Aphrodite fragt: „Ist dir auch ein riesiger Löwe mit Menschenkopf aus Stein aufgefallen?“

Erstaunt blickt Mudhead Aphrodite an und fragt: „Woher weißt du davon? Aber seinen Namen spreche ich nicht aus. Es bringt über jeden Unglück. Er ist der Wächter der Pyramiden. Allein sein Name versetzt alle in Angst und Schrecken. Bauern, die dort am Nilufer ihre Felder haben, schwören bei allen Göttern, dass an bestimmten Nächten der Löwe mit Menschenkopf umherstreift und Jagd auf Ungläubige macht. Nur gottgefällige, rechtschaffene Menschen soll er angeblich verschonen. Wichtig ist es für ein Überleben, dabei ein Amulett von der Göttin Isis bei sich zu tragen und ihren Namen immer wieder zu rufen. Sie soll die Mutter des Geschöpfes sein! Aber bei allen Göttern, woher weißt du davon?“

Aphrodite darauf: „Nun, ein wenig kenne ich mich in der Welt aus. Du hast also in Luxor und Karnak die Tempel gesehen? Bist du auch die Prachtstraße mit den Widderköpfen und Menschenköpfen entlanggegangen?“

Mudhead: „Du warst schon da? Nur wer dort war, kann davon wissen! Die Prachtstraße ist vom Wasser aus nur selten zu sehen. Alles ist heiliges Gebiet und nur den Priestern zugänglich. Denn alle Götter Ägyptens haben in den Tempeln ihr zu Hause!“

Eine Stimme aus dem Dunkeln mahnt zur Ruhe.

Der Junge: „Gut, ich werde morgen weiter erzählen!“

Aphrodite nickt zustimmend.

Noch ganz aufgeregt, versucht Aphrodite einzuschlafen. Sie schwelgt völlig in längst vergangenen Urlaubserinnerungen. Der Junge hat vielleicht noch alles unversehrt gesehen, was sie in der Studienzeit nur noch als beeindruckende Ruinen erblicken konnte. Unruhig schläft sie ein.

Wenn Männer nicht mehr weiter wissen, dann …?

Sie schreckt aus dem Schlaf, weil Eklasteos vor ihnen steht, sie beide aus dem Käfig holt und höhnisch meint: „Ihr müsst nicht den ganzen Tag im Käfig faulenzen. Alana, du kommst mit mir mit! Du, Aphrodite, gehst in die Küche und bittest dort um Arbeit!“

Eklasteos zeigt mit der rechten Hand auf eine offene Tür. Aphrodite begreift, dass dort die Küche auf sie wartet. Dass Alana jetzt ausgerechnet mit Eklasteos Liebe macht, verschlechtert Aphrodites Laune noch mehr. Lieber würde sie mit dem Dicken das Bett teilen als in der Küche schuften. Doch sie muss gehorchen. An der Schwelle zur Küche bleibt sie stehen. Sie betritt jetzt feindliches Gebiet.

„Was willst du?“, keift sie eine korpulente Frau an.

Artig macht Aphrodite ihren Diener und flötet freundlich: „Mein Herr und Gebieter schickt mich zu Euch. Ich soll hier aushelfen!“

Die korpulente Frau nimmt Aphrodite an die Hand. Führt sie in die Küche und erklärt: „Ich bin die Köchin Rosa. Ich bin die Frau, die hier die Arbeit verteilt. Bei mir bist du Vögelchen genau richtig. Was kannst du?“

„Nichts kann ich wirklich, Herrin, was in der Küche Arbeit macht. Ich bin eine Hure!“, antwortet Aphrodite mutig, offen und ehrlich. Sie hofft so, dass die dicke Frau sie sofort aus der Küche jagen wird.

Die dicke Frau betrachtet sie verächtlich von der Seite und behauptet: „Dass du eine Hure bist, habe ich sofort gesehen. Dein Gesicht ist ganz ohne jede Sorgenfalten. Auch deine Hände sind zart und feingliederig. Den Zustand der Unwissenheit werde ich bei dir heute beenden. Du wirst mir noch dafür danken. Ein Weib, das dem Ehemann kein Essen zubereiten kann, ist wertlos. Du wirst doch auch einmal einen Mann und eigene Kinder bekochen wollen. Oder? Komm und setz dich dort an den Tisch zu dem Haufen frischer Pilze aus dem Wald. Pilze putzen wirst du doch können?“

„Ich will es versuchen!“, erwidert Aphrodite und ist am Boden zerstört. Zu Hause in Schweden hat sie um diese Art Arbeit immer einen großen Bogen gemacht. Schlimmer kann die Frau sie nicht bestrafen, klagt sie und setzt sich den Tränen nahe an den Tisch. Mit dem gereichten kleinen Messer beginnt sie, die Pilze zu putzen.

Ein kleines Häufchen geputzter Pilze hat sich schon angesammelt.

Die Köchin Rosa kommt, begutachtet ihre Arbeit und keift: „Wer soll den Dreck von dir denn fressen? Putz diese Pilze noch einmal!“

Damit schiebt die Frau die Pilze zurück in den Haufen schmutziger Pilze.

Verzweifelt fängt Aphrodite ihre Arbeit erneut an.

Drei völlig nackte junge Mädchen mit Bündeln voll Knüppelholz auf den Köpfen betreten die Küche. Flink werfen sie ihre Last neben dem Herd ab. Die völlige Erschöpfung ist den Mädchen anzusehen. Das Brandzeichen als Sklavin auf den nackten Schultern erklärt, warum sie alle drei nackt sind. Wieder wird es Aphrodite bewusst, dass Sklaven für Freie eben nur Tiere sind. Auf den Feldern und in den fernen Bergwerken arbeiten Sklaven grundsätzlich nackt. So müssen auch die armen Mädchen nackt in den Wald gehen und Holz sammeln. Ohne Kleidung werden die armen Geschöpfe keine Flucht wagen.

Rosa zeigt auf Aphrodite und kommandiert: „Ihr faulen Nacktärsche helft der Hure am Tisch dort, die Pilze zu putzen!“

Die drei nackten Mädchen nicken gehorsam und setzen sich zu Aphrodite. Die Hilfe ist Aphrodite willkommen. Der Berg Pilze will bei ihr einfach nicht abnehmen. Den Mädchen geht die Arbeit flink von der Hand. Aphrodite kommt aus dem Staunen gar nicht heraus.

Eine Weile erträgt Aphrodite das Schweigen. Weil in der Küche sonst viel geredet und gelacht wird, glaubt auch Aphrodite, das Wort an die Mädchen richten zu dürfen. Leise spricht sie die Mädchen an: „Ich bin Aphrodite, wer seid ihr?“

„Mit einer Hure reden wir nicht. Dann schickt uns der Herr auch noch ins Freudenhaus. Halte also dein Lästermaul und putz lieber schneller die Pilze. So langsam, wie du arbeitest, das ist ja unglaublich“, erwidert das Mädchen in der Mitte schroff. Die anderen beiden Mädchen nicken zustimmend mit bösem Blick.

„Dann eben nicht“, erwidert Aphrodite beleidigt und putzt die Pilze schweigend weiter.

Die Mittagssonne scheint in die Küche. Mit Hilfe der schweigsamen nackten Mädchen nimmt der Berg Pilze sichtbar ab. Aphrodite hat Durst. Längst hat sie beobachtet, wo alle in der Küche ihren Durst stillen. Es ist ein hoher Holzeimer am Herd, der voller Wasser ist. Eben wurde frisches Wasser in den Holzeimer gegossen. Kurz entschlossen steht Aphrodite auf und geht zum Eimer. Aus dem großen Löffel, der im Eimer steht, nimmt sie einen kräftigen Schluck Wasser.

Der große Löffel wird ihr aus der Hand gerissen und Rosa brüllt sie aggressiv an: „Wer hat dir erlaubt, den Tisch zu verlassen!“

„Nie-nie-niemand!“, stottert Aphrodite.

Die Frau fuchtelt wütend mit dem großen Holzlöffel und bellt: „Mach deinen fetten Arsch blank! Ich will dich Gehorsam lehren.“