Dojnaa - Galsan Tschinag - E-Book

Dojnaa E-Book

Galsan Tschinag

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Beschreibung

Schon in der Hochzeitsnacht wird den beiden klar, dass diese Ehe ein Missverständnis ist: Die starke Dojnaa und der schmächtige Waise Doormak passen nicht zusammen, aber den anderen abzulehnen, dazu waren sie beide zu schüchtern. Dojnaa gibt sich alle Mühe, Doormak zu lieben, und als der ihr unterlegene Doormak beginnt, Bestätigung bei anderen Frauen und bei seinen Trinkkumpanen zu suchen, bleiben ihr immerhin die Kinder. Erst wie er eines Tages ganz wegbleibt, vermisst ihn Dojnaa – zu ihrem eigenen Erstaunen: Alles scheint ihr besser als das Alleinsein. Doch ganz unerwartet erwacht in ihr die alte Jagdleidenschaft wieder. Sie entdeckt ihre Unabhängigkeit und stellt fest, dass es nicht unbedingt die Ehe braucht, um Liebe und Glück zu finden.

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Seitenzahl: 186

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Über dieses Buch

Als ihr Ehemann eines Tages wegbleibt, entdeckt Dojnaa ihre Unabhängigkeit wieder und stellt fest, dass es nicht unbedingt die Ehe braucht, um Liebe und Glück zu finden. Dojnaas Geschichte, auf den ersten Blick fern und fremd, überwindet alle Grenzen und wird zur eindringlichen und heutigen Erzählung über die Sehnsucht nach Liebe und Erfüllung.

Zur Webseite mit allen Informationen zu diesem Buch.

Galsan Tschinag, geboren 1943 in der Westmongolei, ist Stammesoberhaupt der turksprachigen Tuwa. Er studierte Germanistik in Leipzig und schreibt viele seiner Werke auf Deutsch. Er lebt in Ulaanbaatar und verbringt die restlichen Monate abwechselnd als Nomade in seiner Sippe und auf Lesereisen.

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Mehr Informationen, Pressestimmen und Dokumente finden Sie auch im Anhang.

Galsan Tschinag

Dojnaa

Erzählung

E-Book-Ausgabe

Unionsverlag

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Impressum

Die Erstausgabe erschien 2001 im A1 Verlag, München.

© by Galsan Tschinag 2001

© by Unionsverlag, Zürich 2022

Alle Rechte vorbehalten

Umschlag: Ulrike Ottinger

Umschlaggestaltung: Vanina Steiner

ISBN 978-3-293-30350-8

Diese E-Book-Ausgabe ist optimiert für EPUB-Lesegeräte

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Version vom 09.06.2022, 10:36h

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Inhaltsverzeichnis

Cover

Über dieses Buch

Titelseite

Impressum

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Inhaltsverzeichnis

DOJNAA

Doormak kam nicht. Dafür kam der Abend …Die Kunde über die bevorstehende Heirat der beiden …Der Morgen nach der ersten gemeinsamen Nacht war …Überhaupt schien Doormak ein Glückspilz. Dojnaa kam ihm …Jahre hatten sich davon gemacht, ehe man sich …Eines Nachts bellten die Hunde lang und wild …An manchen höheren Stellen ging sie vorbei …Gegen Morgen begann es zu schneien. Es war …Besuch war gekommen, und das wollte der heimkehrenden …

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Über Galsan Tschinag

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Zum Thema Asien

Der nomadischen Frau, auf deren Schultern das Geschick einer untergehenden Welt ruht.

Doormak kam nicht. Dafür kam der Abend, darauf die Nacht und schließlich der Morgen, der seine Weile dauerte, bis er vor dem Tag stand, verblasste und sich darin verlor. Dieser, der neue Tag, wirkte gewaltig zunächst, deutete auf eine lange Strecke hin, erschöpfte sich dann jedoch vorzeitig und endete kläglich unter dem Abend, der seinerseits eilig und mächtig hereinbrach. Der Morgen, der Tag, der Abend und die Nacht lösten einander in eherner Folge ab, kamen und gingen wieder und wieder. Dabei wurden die Tage immer kürzer und die Nächte länger.

Der Winter kam. Und er war ein ungewöhnlicher: Schnee fiel zwar häufig, aber nur in spärlichen Mengen, wie lichter Raureif fast, und auch der Wind blieb jedes Mal aus; so stand die Luft mild. Was Dojnaa ein wenig tröstete, denn das Winterwetter hätte, so wie es bisher war, nicht besser ausfallen können für die Jagd. Nun, es war nicht das Richtige für das Vieh, und wenn da etwas verkehrt ging, dann waren sie und ihre Kinder natürlich auch betroffen, denn sie besaßen schließlich ein paar Yaks und Pferde. Doch was sollte das Gerede vom Wetter, von der Jagd und vom Vieh, wenn der Mann seine Frau und seine Kinder verlassen hatte und sich nun schon seit so vielen Tagen und Nächten draußen in der Welt herumtrieb und möglicherweise bei wildfremden Leuten aufhielt!

Anfangs hatte sie nicht glauben können, dass er wahr machen würde, was er ihr angedroht hatte, obwohl er beim Wegreiten gesagt hatte, diesmal ginge er endgültig. Sie hatte gedacht, er würde, wenn der Zorn verflogen war, in ein, zwei Tagen zurückkommen, so wie er es schon einmal getan hatte. Dann aber, als er nach zwei, vier, nach zehn Tagen immer noch nicht kam, musste sie an seine Worte glauben. Dennoch vermochte sie nicht zu fassen, dass man seine Jurte mit Frau und Kindern darinnen und mit dem Vieh draußen einfach stehen lassen und weggehen konnte.

Da hatte sie längst ihre liebe Not mit den Kindern, die ständig wissen wollten, wohin der Vater gegangen sei, warum er so lange wegbliebe und wann er denn endlich wiederkäme. Auch war es schwer wegen der Nachbarn, einem kinderlosen Ehepaar in vorgerücktem Alter.

Die Frau, Tante Anaj, war ohnehin eine etwas seltsam geratene Person, und nun wurde es schlimm mit ihrer Neugier. Dojnaa wusste bald nicht mehr, wie sie sich der Fragen erwehren sollte, die immer tiefer bohrten und unaufhörlich Salz auf ihre Wunden streuten.

Und der Mann, Onkel Ergek, wahrte unerschütterliches Schweigen, was ihr mit der Zeit bald auch zu viel wurde. Nicht etwa, weil er ein unangenehmer Mensch gewesen wäre. Nein, im Gegenteil: Er war die Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft in Person. Und genau das war es. Dojnaa wurde angesichts der stillen, ständig hellwach lauernden, sie und ihre Kinder umschleichenden Güte immer unsicherer.

Nun aber, nach einem reichlichen Monat, wusste man, es war endgültig. Und diese Erkenntnis hinterließ Öde in ihrer Brust. Es war, als ob ein Sturm durch den Hohlraum hinter den Rippen gerast wäre und dabei Herz und Lunge weggerissen und davongefegt hätte. Erschüttert und entmutigt horchte sie in sich hinein und stieß auf schmerzhafte Stockungen, auf Spuren einer Verwüstung, war sie doch kein junges, dummes Ding mehr, das in eitlem Glück geschwelgt hätte, nicht, als der Mann wegritt, und auch vorher nicht. Das, was vom Leben bevorzugte Menschen Zuneigung, ja hochtrabend gar Liebe nannten, kannte sie nicht und war auch keineswegs erpicht darauf, es kennen zu lernen. Sie hatte ihre Gründe dafür. Denn sie sah doch, wie dumm manchmal zwei Menschen dastanden und sich gern wieder voneinander losgerissen hätten, obwohl sie vorher aufeinander zugeflogen waren, sehr oft gegen einen hohen Preis in Gestalt von vorsätzlichen Zerstörungen und bitterer Mühsal. Und was das Eheleben betraf, so hatte sie ein einfaches, handfestes Verständnis von den Tieren nebenan übernommen: Jedes Männliche passte zu allem Weiblichen und jedes Weibliche zu allem Männlichen.

Sie wusste nicht, wann sie zu dieser Ansicht gelangt war, durch die eigene Erfahrung erst oder früher durch Beobachtungen. Vermutlich musste das Letztere der Fall gewesen sein, denn die Ehe hatte sie damals, die Siebzehnjährige vor dreizehn Wintern, weder begeistert noch erschreckt. Sie war ihr zunächst als eines der gewöhnlichsten und darum gerade harmlosen Dinge vorgekommen, als sie am Horizont ihres Lebens auftauchte. So hatte sie sich ihr gegenüber gleichgültig verhalten, hatte nicht aufgepasst, geschweige denn sich dagegen gewehrt. Das konnte gut der Grund dafür gewesen sein, weshalb sie mit einem Mal dicht und wehrlos davor stand, ohne jeglichen Ausweg. Und als es so weit war, musste sie sich einfach fügen.

Das alles hatte belanglos und mit einem Spiel begonnen, das eine ältere, schlaue Frau mit ihr, der Ahnungslosen, trieb. Der Sinn des Spiels, das seinen Anfang mit einem Wortspiel nahm, auf die ähnlich lautenden Namen gemünzt, und sich schnell in ein Gedankenspiel steigerte, bestand wohl darin, Gemeinsamkeiten und Unterschiede bei ihr, der flinken, wagemutigen Dojnaa, und einem bedächtigen, verschlossenen Burschen aus dem Nachbartal, dem um vier Jahre älteren Doormak, aufzudecken. Der nähere Sinn des Spiels lag darin aufzuzeigen, so könnten sich zwei Menschen zusammentun und einander ergänzen. Der tiefere Sinn jedoch war: ob sie, Dojnaa, etwas gegen jenen und ein Leben mit ihm unter einem Dach hätte? Also war das Ganze ein Heiratsangebot! Dojnaa wusste nicht, was sie darauf sagen sollte. Sie kannte die Spielregeln nicht, also schwieg sie.

Das war nicht richtig. Denn die Werbende sah in dem Schweigen etwas anderes, gar ein: Sie wäre nicht abgeneigt. Was in gewisser Weise sogar stimmte, denn sie hatte nichts gegen den Burschen. Weiter hatte sie allerdings in dem Augenblick einfach nicht denken können.

Die Nachricht musste sich auf schnellen Beinen davongemacht haben. Lange bevor die, um die es ging, sich selber dessen, was ihr bevorstehen sollte, bewusst werden konnte, glaubte die Mitwelt alles zu wissen und sich befugt, darüber zu urteilen. Man klatschte und tratschte, tat aufgeregt, als wäre etwas Unerhörtes im Gange, als hinge das Wohl und Weh eines jeden davon ab. Denn die zwei als ein Paar zu sehen, das wollte keinem so recht in den Sinn. Der Grund dafür lag zunächst nur im rein Äußerlichen: Die Braut war körperlich größer geraten als der Bräutigam, sie überragte ihn nicht nur um einen halben Kopf, sondern war auch um Etliches breiter an den Schultern und um die Hüften. Schuld daran war offensichtlich ihr Vater. Er war ein Riese und hatte die Kraft eines Bären, hieß aber Elefant. Das war sein Titel, denn er war ein Ringer, der jahrelang fast alle Kämpfe bei unzähligen kleinen und großen Festen gewonnen hatte. Dieser Titel eben hatte mit der Zeit den Namen verdrängt, also wurde immer und überall dort, wo der kräftige, berühmte Mann gemeint war, das fremdländische Tier herbeigerufen, von dem man außer dem Namen nichts wusste, aber annahm, es wäre groß und stark. Entsprechend wurde Dojnaa mal Elefanten-Kind, mal Elefanten-Tochter und von manchen Frechen sogar Elefanten-Kalb genannt.

Aber das war wohl nicht das Einzige, was sie in den Augen und im Bewusstsein der Mitwelt zu einem etwas sonderbaren Geschöpf werden ließ. Es musste auch die Lebensweise gewesen sein, die sie neben dem Vater zu führen hatte. Denn er war nicht nur der gefeierte Ringer, sondern auch ein sehr geschickter Jäger. Außerdem war ihm die Frau früh verstorben. So stand ihm sein einziges Kind von klein auf zur Seite, lernte alles von ihm, auch das Jagen. Schon damals hieß es, sie wäre so vortrefflich im Schießen, dass sie den Vater bereits überträfe.

Als Dojnaa erfuhr, wie es um ihren Namen stand, waren die Vorbereitungen für die Hochzeit längst im Gange. Das kam ihr seltsam vor, ein wenig zum Lachen fast. Sie bedauerte es leise, dass sie sich nicht klar geäußert hatte. Was sollte sie nun tun? Sie schaute auf die Menschen ringsum, die angefangen hatten, eine neue Jurte anzufertigen und einzurichten. Sie erschrak und stand entmutigt da. Dann aber dachte sie trotzig: Warum sollte sie eigentlich nicht heiraten, wo es doch alle, fast alle Mädchen taten? Die wenigen, die nicht dazu kamen, waren die Sitzengebliebenen! Und warum sollte der Mann, mit dem sie Jurte, Vieh und Bett zu teilen hatte, nicht Doormak sein, der zwar nicht mehr, aber auch nicht weniger aufzuweisen hatte als die anderen jungen Burschen ringsum?

Ja, sie fand sogar Gefallen daran, wie er im Leben stand: ein Vollwaise, der seit vielen Jahren nun schon bei einer Tante untergebracht war. Dass er weder Eltern noch Geschwister noch Vieh besaß, erschien ihr in Ordnung. Umso besser, dachte sie und versuchte, die Glut des Trotzes in sich zu schüren und zu einem Feuer zu entfachen. Je kleiner die Verwandtschaft, umso geringer womöglich später auch die Reibereien und Streitereien! Und keiner, aber auch keiner würde schließlich behaupten können, die Tochter des Elefanten hätte ihn wegen der Aussicht auf zusätzlichen Besitz und Ruhm geheiratet! So ging sie bedenkenlos in die Ehe, mit so manchen selbst gestrickten Rechtfertigungen, zumal sie vonseiten ihres Vaters eine kleine Bestärkung erhielt. Vielleicht, so sagte dieser, passe dieser Waisenjunge sogar zu seiner Waisentochter.

Sie fand das Eheleben, wie sie es erwartet hatte: angemessen und letzten Endes auch erträglich. Doch gleich am Anfang war die Bemerkung Doormaks gefallen, er fände es komisch.

Was heißt hier es?, fragte sie.

Dass wir zwei zueinander Mann und Frau sein sollen.

So?, hielt sie inne. Du hast es doch gewollt!

Nein, sagte er kühl. Die Tante war es. Und du warst es auch!

Ich war es auch?, fuhr sie hoch. Wie kommst du darauf? Habe ja gar nicht zugesagt, als mir das Angebot gemacht wurde!

Du hast es nicht getan? Ich auch nicht!, kam er ihr eilig entgegen. Dann nahm er von neuem Anlauf: Du hast zwar nicht Ja, aber auch nicht Nein gesagt. War es so?

Ja, gab sie leise zu.

Siehst du!, rief er wie erleichtert aus. Ich aber habe getobt und gesagt: Was soll ich neben der? Ich werde blöd dastehen wie ein Bullenjährling zu einer ausgewachsenen Kuh!

Das hast du gesagt?

Ja!

Und dann hast du trotzdem nichts gesagt, als man daranging, die Jurte zusammenzutragen?

Warum sollte ich da was sagen? Wo ich doch wusste, ich würde so oder so bald heiraten.

Also doch mich?

Nein, irgendeines der vielen heiratsfähigen und -lustigen Mädchen von hier, eines, das zu mir passt.

Und es fand sich keines so schnell?

So ist es. Manch eines, das gern gekommen wäre, sagte denen nicht zu, die an der Jurte hantierten. Und außerdem hörte man von dir, dass du tüchtig zur Hochzeit rüsten würdest.

Das war gemein von Doormak, gewiss. Denn es geschah gleich in der ersten Nacht. Die Hochzeit war vorüber, die letzten Gäste hatten die Jurte verlassen. Dojnaa hatte die schweren Kopf-, Ohr- und Halsgehänge abgelegt und stand zögernd vor dem schmucken, laden- und nadelfrischen Bett mit den beiden davor angebrachten Vorhängen. Wahrscheinlich musste es zum Schlafen noch hergerichtet werden. Nun war sie erst recht ratlos, war so verwirrt, dass sie gegen die Tränen kämpfte. Aber es war schon gut so, wie es eben gekommen war. Denn sie wusste endlich, woran sie war. Es zeugte schließlich auch von seiner Ehrlichkeit und war vielleicht nicht ganz so ernst gemeint, denn er hatte sie ja zum Schluss doch genommen, hatte sie nicht etwa stehen lassen mit all ihren Sachen, über denen sie viele Tage und Nächte lang hatte sitzen müssen, bis sie fertig genäht und gebastelt waren.

So wie er ihr die Hochzeit überlassen hatte, so überließ er ihr jetzt auch das Bett. Denn er sagte, es sei spät geworden, sie sollten sich hinlegen und zur Nachtruhe begeben. Worauf sie erleichtert nach der glitzernden Betthülle griff, sie an einem Zipfel zurückschlug und die kunstvoll gefaltete und zu einem Türmchen gestapelte Schlafdecke mit dem Kopfkissenpaar darüber auseinander brach. Er zog sich rasch aus, bestieg sogleich das straff gespannte, schneeweiße Laken, kroch geräuschvoll unter die soeben entfaltete, ebenso weiße, grell strahlende Decke und streckte sich genüsslich aus. Sie nahm sich Zeit mit dem Entledigen ihrer Kleider, machte mittendrin das Licht aus, und als sie dann nur in Unterwäsche stand, fragte sie mit zittriger Stimme halb flüsternd, ob sie auch ins Bett kommen solle. Doormak gab sich ungehalten: Hast du etwa gedacht, die Hochzeit ist gewesen, damit du als Hütemädchen die rechte untere Jurtenseite einnimmst?

Darauf hatte sie nichts zu erwidern, bestieg behutsam das Bett, streckte sich entlang des Randes aus und blieb still liegen.

Er zog sie zu sich und flüsterte ihr ins Ohr: Wir wollen doch zu Mann und Frau werden, Mädchen.

Das löste in ihr eine prickelnde, wärmende Dankbarkeit ihm gegenüber aus. Da fragte er, ob sie bereits eine Frau sei. Sie überlegte eine Weile und fragte schließlich zurück, ob er denn schon ein Mann sei.

Ja, sagte er selbstsicher.

Jetzt verstand sie und sagte, sie sei auch schon eine Frau.

Schade!, ließ er von sich hören, fragte darauf aber scharf: Womöglich bist du schon schwanger?

Nein, sagte sie bestimmt.

Aber er schien es ihr nicht so schnell abnehmen zu wollen und bohrte weiter: Und wann ist das gewesen?

Vor zwei Jahren, im Frühherbst.

Kenne ich den Glücklichen, der dich einweihen durfte?

Ich glaube nicht. Kannte ihn selber nicht. War auf der Jagd. Mit einem Mal stand er vor mir. Auch ein Jäger, vielleicht von weit her.

Und du hast dich nicht gewehrt?

Sinnlos. Er war riesig. Und mordsstark.

Also war es auch schön!

Scheußlich war es! In Tränen und Rotz lag ich.

Es hat also wehgetan?

Das auch. Aber noch schlimmer war der Schreck, den er mir eingejagt hat. Nächtelang musste ich darauf gegen Albträume kämpfen.

Du hättest ihn hinterrücks erschießen sollen, während er gesättigt von dir ging!

Einen Menschen erschießen? Deswegen doch nicht!

Dann ist es doch schön für dich gewesen!

Nein!

Darauf trat drückende Stille ein. Beide lagen erloschen und verschreckt und atmeten schwer, aber leise, fast verstohlen. Dabei berührten sie einander kaum. So verging eine quälend lange Weile. Er war es, der sich schließlich aus der Erstarrung löste und in die Stille einbrach. Er wandte sich ihr zu und ging sie zaghaft an. Dafür war sie ihm erneut dankbar. Schlimm wäre es gewesen, wenn er sie hätte liegen lassen, unberührt die ganze Nacht über. Nein, das tat er nun doch nicht, fasste sie da und dort an, schob die Leibwäsche auseinander und drang an ihre Blöße heran und schließlich auch noch in ihre Falten ein. Sie zuckte und zitterte zwar jedes Mal, wenn seine Finger über ihren enthüllten Körper weiterglitten, eine weitere unbekannte Bewegung machten. Sie ließ aber alles geschehen, war entschlossen, es, was es auch sein mochte, über sich ergehen zu lassen und tapfer auszuhalten. Nun musste sie erfahren, es war nicht halb so schlimm wie damals. Und das tröstete und erfüllte sie mit einer befreienden Erleichterung. Doch Doormak schien unzufrieden, verharrte in eisigem Schweigen, als er wieder ausgestreckt neben ihr lag. Den Grund dafür sollte sie erst mit der Zeit erfahren.

Er war enttäuscht, eigentlich von sich selber. Doch dieses sich selbst gegenüber einzugestehen, fiel ihm schwer. Denn das soeben Gewesene mit der Frau, mit der er ein Leben zu verbringen in Aussicht hatte, war nichts anderes als die Bestätigung jener Angst, die er schon öfters, einer schmerzenden Wunde gleich, in sich gespürt hatte. Ja, so oft ihm der Gedanke an die Tochter des Elefanten im Kopf erwacht war, hatte er dieses Unbehagen gefühlt. Schon beim bloßen Auftauchen ihres Bildes drohte er zu schrumpfen. Hügelig und unheimlich stand sie inmitten seiner Gedanken. Allein wie sie aussah, war schon eine Zumutung, schien sie doch aus der Lärchenhöhe auf ihn hinabzuschauen. Wie zwergenhaft kam er sich vor. Das ergrimmte ihn. Und insgeheim war er erfüllt von dem sehnlichen, zehrenden Wunsch, es der Unverschämten heimzuzahlen, deren frech-stolze Erscheinung einschüchternd wirkte und damit ihn, den Mann, erniedrigte! Und so rief er sich eine Strophe ins Gedächtnis und hielt sie ihr entgegen, wie man sich mit einem Umhang des eisigen Windes erwehrt:

Sieht mein Sattel auch abgenutzt aus

Kommt er doch auf dich, Fohlen

Sehe ich Mann auch kläglich aus

Komme ich doch auf dich, Mädel …

Und sieh da, das bestärkte ihn so sehr, dass er sich schwor, es der Tochter des Elefanten zu zeigen. Das hieß in aller Klarheit, er wollte ihr früher oder später ans Fell, an die armselig nackte, zuckende Haut rücken, sie in ihrem erhabenen Stolz treffen und von seiner Männlichkeit überzeugen, ja, er wollte sie brechen. Ganz so, wie er mit manch anderer schon verfahren war. Damit hatte er wie die meisten aus der Herde der heranwachsenden menschlichen Böcke, Bullen und Hengste sein zweifelhaftes Häuflein Erfahrung. Bei so manchen Frauen hatte er Erfolg gehabt, einige von ihnen waren junge, schmächtige, da und dort sogar unberührte, zerbrechliche und zittrige Mädelchen gewesen. Jedes Mal, wenn er verrichteter Dinge aufstand und gesättigt und gedämpft davonging, fühlte er ein betörendes, benebelndes Behagen, das sich im Ausmaß jedoch von Fall zu Fall unterschied. Mal kam er sich wie ein Bock, mal wie ein Bulle, und einmal, ein heiliges Mal endlich, wie ein Hengst vor.

Und dies hing ausschließlich von der Haltung seines jeweiligen Opfers ab. Je mehr es sich von dem, was er ihm antat, betroffen zeigte, das heißt, je mehr Gestöhn und Gewimmer er zu hören bekam, umso wohler fühlte er sich, bestätigt in seiner Männlichkeit. Dieser Überzeugung folgend, überlegte er, wie er das Rasseweib am besten angehen, sie überraschen und überwältigen könnte. Dabei wünschte er sich, sie wäre noch Jungfrau, schamhaft und ängstlich. Oh, dann wüsste er sie schon zu behandeln! Voller Ungeduld beschwor er im Geiste die Stunde herbei, die sie ihm in die Schenkel auslieferte: Sie lag unter ihm mit vor Scham brechenden Augen, mit von Schmerzen verzerrtem Gesicht, bebte in Krämpfen, wimmerte und winselte, zog sich zusammen und versuchte, ihm zu entkommen, er aber blieb unnachgiebig, drückte erbarmungslos mit allem Gewicht des Körpers und aller Kraft der Muskeln dagegen, war ein berstendes Bündel aus Sehnen und Knochen, ein fliegender Pfeil, zielend auf sie, auf den Sitz ihrer plump-ungelenken, nichtsnutzen Jungfräulichkeit, mit der ehernen Gewissheit, sie demnächst zu erreichen und zu durchschlagen, auf dass sie vernichtet und geboren ward als Frau, die ihm, dem Mann, mit der Treue eines Hundes und der Liebe einer Mutter fortan dienen würde.