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Dorian hatte die Augen weit aufgerissen und wartete auf das Inferno, das allem ein Ende bereiten sollte. Der ohrenbetäubende Knall sollte es einleiten, doch was dann geschah, war vollkommen anders. Irritiert blickte sich der Dämonenkiller um und schloss sofort die Augen, denn dem Knall folgte, wider jede physikalische Erkenntnis, ein gleißendes Licht, das das Feld überflutete. Dorian warf sich zu Boden. Er wusste nicht, was um ihn herum geschah ...
Nathaniel steht unmittelbar vor der Vollendung seines Plans: der Vernichtung der Schwarzen Familie und der Menschen, um aus den Trümmern der Zivilisation eine völlig neue Welt aufzubauen. Die letzte Hoffnung der Menschheit sind der Dämonenkiller - und ein gefallener, Schwarzer Engel ...
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Seitenzahl: 125
Veröffentlichungsjahr: 2025
Cover
Inhalt
Was bisher geschah
TOD EINES ENGELS
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
mystery-press
Vorschau
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Impressum
Cover
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsbeginn
Impressum
Der ehemalige Reporter Dorian Hunter hat sein Leben dem Kampf gegen die Schwarze Familie der Dämonen gewidmet, seit seine Frau Lilian durch eine Begegnung mit ihnen den Verstand verlor. Seine Gegner leben als ehrbare Bürger über den Erdball verteilt. Nur vereinzelt gelingt es dem »Dämonenkiller«, ihnen die Maske herunterzureißen.
Bald kommt Dorian seiner eigentlichen Bestimmung auf die Spur: In einem früheren Leben schloss er als Baron Nicolas de Conde einen Pakt mit dem Teufel, der ihm die Unsterblichkeit sicherte. Um für seine Sünden zu büßen, verfasste de Conde den »Hexenhammer« – jenes Buch, das im 16. Jahrhundert zur Grundlage für die Hexenverfolgung wurde. Doch der Inquisition fielen meist Unschuldige zum Opfer; die Dämonen blieben ungeschoren. Als de Conde selbst der Ketzerei angeklagt und verbrannt wurde, ging seine Seele in den nächsten Körper über. So ging es fort bis in die Gegenwart. Dorian Hunter begreift, dass es seine Aufgabe ist, de Condes Verfehlungen zu sühnen und die Dämonen zu vernichten.
In seinem Kampf findet Dorian mächtige Verbündete – die Freimaurerloge der Magischen Bruderschaft; den Hermaphroditen Phillip, der stets in fremden Sphären zu leben scheint; den Steinzeitmenschen Unga, der einst dem legendären Weißmagier Hermes Trismegistos diente; den früheren Secret-Service-Agenten Donald Chapman, der von einem Dämon auf Puppengröße geschrumpft wurde; vor allem aber die ehemalige Hexe Coco Zamis, die aus Liebe zu Dorian die Seiten gewechselt hat und ihm einen Sohn, Martin, geboren hat. Aber die Dämonen bleiben nicht untätig: Es gelingt ihnen, mit dem Castillo Basajaun einen wichtigen Stützpunkt der Magischen Bruderschaft in Andorra zu zerstören. Damit bleibt Dorian als Rückzugsort nur noch die Jugendstilvilla in der Londoner Baring Road.
Bei Ausgrabungen in Israel wird ein geheimnisvoller Kokon entdeckt, dem der Angisus Nathaniel – ein »Engel« – entsteigt. Dieser ist schockiert über den Zustand der Erde. Nathaniel plant den Untergang der Dämonen und Menschen, um der Welt einen kompletten Neubeginn zu ermöglichen. Er entführt den Hermaphroditen Phillip aus der Jugendstilvilla, nimmt Abi Flindt den magischen Bumerang ab und verschwindet mit Helena Riedberg.
Nachdem Luguri besiegt wurde, fordert Zakum potenzielle Kandidaten dazu auf, sich als neuer Fürst der Finsternis zu bewerben. Die Schwarze Familie bringt sich in den Besitz der Jugendstilvilla, doch weil dort ein magieloser Zustand herrscht, räumt sie das Gebäude wieder. Die Dämonen ahnen nicht, dass ihr Sklave Ken Harding zu einem Vampir geworden ist und sich rächen will. Abi Flindt spürt Nathaniels Aufenthaltsort auf, wird aber im Kampf mit der Teufelin Angelina grausam entstellt. Nathaniel hat inzwischen seine Auserwählten – darunter Dorian Hunter – versammelt und will den Weltuntergang einleiten. Doch seine abtrünnige Artgenossin Alannah stellt sich ihm in den Weg.
von Martin Kay
Ein Tag zuvor
»Ein bedauerlicher Unfall«, sagte Gordon Cramer, ohne dabei von seinem Papierstapel aufzublicken. Das Büro des Mitbegründers von Cramer & Cramer schien auf den ersten Blick völlig untypisch für ein Vorstandsmitglied. Man dachte vielleicht an einen riesigen Raum, in dem man sich verlor, einen protzigen Schreibtisch, auf dem möglichst wenig Unterlagen zu finden waren, denn die Arbeit hatten ja die Angestellten zu erledigen. Zugegeben, diese Angestellten gab es bei Cramer & Cramer ebenso, aber hier arbeitete der Chef noch selbst, wie man so schön sagte. Das lag daran, dass es einige Dinge gab, die er seinen Angestellten nicht anvertraute.
Gordon Cramer war ebenso wie sein Bruder ein Hexer mit schwarzem Blut in den Adern. Seine Kanzlei besaß Klienten unter biederen Bürgern wie unter den Angehörigen der Schwarzen Familie. Anders als bei Skarabäus Toth wurden ihre menschlichen Mandanten zwar nicht vorsätzlich in den Ruin getrieben – allerdings behielt sich auch Cramer & Cramer vor, einen Großteil des Erbes bei Sterbefällen einzusacken, und in vielen Fällen bestimmte die Kanzlei den Zeitpunkt des Ablebens ihrer Klienten.
Dafür sorgten dann die schwarzblütigen Vorstandsmitglieder oder ihre Familienmitglieder, denn die Kanzlei beschäftigte zum größten Teil auch fähige menschliche Anwälte, die von dem dämonischen Treiben ihrer Bosse nichts wussten.
Das Bedauern, das Gordon Cramer zwar ausgesprochen hatte, war ihm rein äußerlich überhaupt nicht anzusehen, und einmal mehr wurde sich Kenneth Harding bewusst, mit welcher Sorte von Ungeheuern er es zu tun hatte. Er verstand nur noch nicht ganz, warum sein Denken nicht in ähnlichen Bahnen verlief, warum er ihnen nicht hörig war, sondern sie im Grunde verabscheute, ja gar hasste! Der Gang zur Kanzlei war notwendig geworden, wenn er seine weiteren Pläne in Gang setzen wollte. Offiziell galt er als tot, denn Zakum persönlich hatte ihn ja beseitigt. Nun, da er ein Vampir war, stellten die Rechtsanwälte keine besonderen Fragen, als er mit seinem Anliegen an sie herantrat. Zakum hatte Carina und Jasmine aufgetragen, die Jugendstilvilla zu veräußern, doch irgendwie war Ken daran gelegen, gerade dieses Bauwerk, in dem alles seinen Anfang genommen hatte, in Beschlag zu nehmen und es zum Heim seiner zukünftigen Sippschaft zu erküren. Da die beiden Vampirinnen noch nicht die Zeit gefunden hatten, den Anwälten entsprechende Anweisungen zu geben, lag nun alles in Kens Hand – er konnte die Order Zakums entsprechend umformulieren. Zuerst hatte er befürchtet, der Lordkanzler könne hinter seine Machenschaften kommen und ihn endgültig ausradieren, aber später hatte er sich mit dem Gedanken beruhigt, dass das Thema Jugendstilvilla für Zakum erst einmal abgeschlossen war. Was kümmerte ihn schon die eine oder andere Vampirsippe in London?
»Ich vermute, dass der Butler die Schuld an dem Feuer trug«, äußerte Ken auf den eingehenden Satz des Anwalts hin. »Wäre ich nur da gewesen ...«
»Machen Sie sich keine Vorwürfe«, beruhigte Cramer. »Schlimme Dinge passieren manchmal.«
Er zog unter dem Stapel seines Papierwustes ein bestimmtes Blatt hervor, und es war bei der Unordnung erstaunlich, dass er sich nicht erst stundenlanger Sucherei ergeben musste. Harding vermutete, dass auch in diesem Fall die Magie eine Rolle spielte.
»Ich sehe, mein Bruder und Templeton haben Sie unter dem Namen Kenneth Spencer als Erben eingetragen. Geschickt eingefädelt, Mr. Harding. Und nun hat Ihnen Zakum aufgetragen, das Grundstück zu veräußern?«
Harding nickte.
»Hm«, murmelte Cramer. »Ich habe zwar nicht mit meinem Bruder direkt darüber gesprochen, aber ich hatte immer das Gefühl, dass Sie ein Mensch wären ...«
»So kann man sich täuschen«, erwiderte Ken. Es lag in der Natur der Schwarzblütler, die ihnen anhaftende dämonische Aura zu erspüren. Dank des schwarzen Blutes von Carina musste eine solche Ausstrahlung auch Ken anhaften, sodass der andere ihn als Dämon erkannte, obwohl er in Wahrheit nur ein untoter Vampir war. Ohne diese besondere Nebenwirkung hätte Harding einen Haufen Fragen aufgeworfen, denn Cramer wäre sicherlich neugierig gewesen, wie ein Vampiropfer bei helllichtem Tage in sein Büro spazieren konnte, und welcher Teufel den Lordkanzler geritten haben mochte, dass er einen Untoten mit weiteren Geschäften betraute. So aber ging Harding aufgrund seiner Aura als Schwarzblütler durch und genoss einige Freiheiten.
»Es soll ein Scheinverkauf werden«, erklärte er. »Wir wollen den Dämonenkiller glauben machen, dass wir uns aus der Villa zurückgezogen haben, weil wir sie als wertlos erachten. In Wirklichkeit bleibe ich dort wohnen, jedoch unter dem Namen Ken Harding.«
Cramer machte sich einige Notizen auf dem Blatt. Dann kramte er ein Diktiergerät hervor und sprach ein paar Erläuterungen für seine Sekretärinnen auf Band, ehe er sich wieder Harding zuwandte.
»Gut, wir machen einen Scheinverkauf von Spencer auf Harding, richten ein Konto auf Ihren Namen ein und überweisen den Kaufbetrag, damit ihn auch die Banken nachvollziehen können. Das ist überhaupt kein Problem.«
Harding klatschte in die Hände. »Prima, ich wusste, dass ich auf Sie zählen kann.«
»Dafür sind wir da«, erwiderte Cramer, erhob sich und beugte sich quer über den großen, vollgestopften Schreibtisch, um Ken die Hand zu reichen. »Die McTires waren recht wohlhabend. Zwar ist das Haus niedergebrannt, aber auf ihren Konten bei englischen Banken und in der Schweiz haben sich Summen von knapp über einhunderttausend englischen Pfund angesammelt. Ich werde veranlassen, dass die Beträge Ihrem Konto gutgeschrieben werden.«
»Das wäre nett«, sagte Ken einfach nur und musste aufpassen, nicht allzu viel Freude über den beträchtlichen Gewinn zu zeigen.
»Wenn es keine weiteren Fragen gibt, entschuldigen Sie mich jetzt, ich habe noch eine Menge um die Ohren. Ansonsten wissen Sie ja, wo Sie uns finden.«
»Richtig.«
Harding drückte kurz die Hand des anderen und beeilte sich dann, aus dem Büro zu kommen.
Viel zu glatt!, dachte er. Es war zwar erfreulich, dass er alles schnell und sauber über die Bühne gebracht hatte, allerdings passte es irgendwie nicht in den Stil der Schwarzen Familie hinein. Ken hatte mit wesentlich mehr Komplikationen gerechnet. Irgendwie hatte er das ungute Gefühl, dass die Angelegenheit noch ein Nachspiel haben könnte – er musste auf der Hut sein!
Nachdem er die Tür zu Cramers Büro hinter sich geschlossen hatte und gedankenlos am Schreibtisch der Chefsekretärin vorbeigehen wollte, nahm er aus den Augenwinkeln wahr, dass die Person nicht mit der übereinstimmte, die ihn vorhin empfangen hatte. Da wandte er doch leicht den Kopf und kam augenblicklich auf andere Gedanken. Vor einer halben Stunde hatte noch eine steinalte Schabracke dort gesessen, doch die junge Frau, die jetzt mit flinken Fingern über die Tastatur einer elektronischen Schreibmaschine huschte, war der reinste Augenschmaus für Harding. Sie mochte nicht älter als dreiundzwanzig sein, hatte eine Top-Figur und brünettes, hochgestecktes Haar, das ihr in vereinzelten Strähnen an den Seiten herabfiel. Das dezent aufgetragene Make-up unterstrich ihre natürliche Schönheit, statt sie zu verschandeln, und selbst die modische Brille, die ihre rehbraunen Augen verzierte, lieferte ihren Beitrag dazu, dass Ken Harding auf den ersten Blick hin und weg war.
»Soll ich ein Glas holen?«, sagte sie.
Ken war gar nicht aufgefallen, dass sie sich zu ihm umgedreht hatte.
»Bitte?«, fragte er.
»Um Ihre Augen aufzufangen, falls sie herausfallen sollten«, erwiderte die Sekretärin mit einem Augenzwinkern.
Wäre er noch menschlich gewesen, wäre er wohl in dieser Sekunde errötet, obwohl er eigentlich immer schon Erfolg beim weiblichen Geschlecht gehabt hatte. Aber er war kein Mensch mehr, und die Kräfte, die er unfreiwillig erhalten hatte, befähigten ihn, noch mehr Macht und Faszination auf die Frauen auszuüben als in seinem früheren Leben.
»Entschuldigen Sie meine Unhöflichkeit«, brachte er hervor und hielt ihr seine Hand hin. »Mein Name ist Ken Harding, ich bin ein Klient Ihres Chefs.«
Zögernd näherte sich die Hand der Sekretärin der seinen, doch als sie ihm dabei in die Augen blickte, verlor sie sich in seinem hypnotischen Bann, der allen Vampiren anhaftete.
»Ich fand es nicht unhöflich«, gestand sie. »Eher ein Kompliment.«
»Danke, aber nun sind Sie dran«, forderte er sie auf.
»Deborah Scarwind. Ich bin ab mittags in der Kanzlei.«
»Und ich habe mich schon gefragt, wie sich die alte Schnepfe in ein so wundervolles Geschöpf verwandeln konnte«, schmeichelte Ken Harding und erntete dafür ein in seinen Augen bezauberndes Lächeln. Er wollte noch etwas hinzufügen, als die Wechselsprechanlage aufleuchtete und kurz darauf die Stimme Cramers zu hören war.
»Miss Scarwind, kommen Sie in mein Büro!«
»Kein bitte?«, fragte Ken, nachdem die rote LED erloschen und damit die Verbindung zum Chefbüro getrennt war.
Deborah zuckte die Achseln. Sie stand auf und sagte im Vorbeigehen: »So ist er halt.«
So sind Dämonen halt, verbesserte Ken in Gedanken. Laut rief er: »Haben Sie heute Abend schon etwas vor?«
Er wollte sich die einmalige Chance jetzt nicht entgehen lassen. Etwas in ihm drängte ihn dazu, diese Frau auszuführen, sie zu besitzen.
Deborah drehte sich kurz vor der Tür ihres Chefs noch einmal um. Sie lächelte und hatte eine entschuldigende Ausrede auf den Lippen, die sie aber in eine positive Bestätigung umwandelte, als sie sich erneut in Hardings hypnotischen Blick verfing.
»Um acht?«, fragte sie.
»In Ordnung, treffen wir uns bei mir. Baring Road, eine Villa, die im Jugendstil gebaut wurde.«
Die Sekretärin nickte kurz, drückte dann die Klinke hinunter und verschwand im Chefbüro.
Harding atmete tief durch und ballte in Gedanken triumphierend die Faust. Er verließ die Kanzlei, nahm sich ein Taxi und fuhr auf direktem Wege zu seinem neuen alten Domizil. Deborah Scarwind hatte er dazu auserkoren, das erste Mitglied seiner neuen Sippe zu sein.
Es knacke laut, als Gordon Cramer die Hände ineinander faltete und nach außen wegdrückte, kaum dass Ken Harding sein Büro verlassen und die Tür hinter sich geschlossen hatte. Einen Augenblick starrte der Hexer einfach nur die Tür an und überlegte. Er hatte zwar den Fall Baring Road nicht bearbeitet, aber er war sich sicher, dass sein Bruder und Templeton etwas von einem Menschen gesagt hatten, den sich Angelina für ihre Zwecke eingespannt hatte.
Zwei Vampirinnen und ein menschlicher Mann, der als Sündenbock herhalten muss. Da ist doch was faul ...
Er beugte sich vor und drückte die Mitteilungstaste der Wechselsprechanlage.
»Miss Scarwind, kommen Sie in mein Büro!«
Kurz darauf wurde die Tür geöffnet, und die hübsche Sekretärin betrat den Raum. Cramer musterte sie kalt. Sie war Templetons Liebling, allerdings hatte er sie noch nie angerührt.
»Ich spare sie mir für einen besonderen Moment, einen ganz bestimmten Sabbat auf«, hatte der dämonische Anwalt verkünden lassen. Daher war Scarwind für alle anderen tabu, allerdings interessierte dies Gordon Cramer nicht sonderlich, da er ohnehin nichts für Frauen empfand und eher dem eigenen Geschlecht zugetan war.
»Was kann ich für Sie tun, Mr. Cramer?«, fragte Deborah und deutete einen leichten Knicks an, den Templeton schon immer als sehr galant bezeichnet hatte.
»Mein Bruder hat kürzlich geschäftlich mit einem Mr. Kenneth Spencer zu tun gehabt. Er hat die Daten bereits archiviert. Bringen Sie mir die Akten.«
»In Ordnung«, erwiderte Deborah und ging.
In jeder modernen Kanzlei hätte er die geforderten Akten im Computer abrufen können, aber Dämonen verließen sich nicht auf die moderne Technik, verabscheuten sie sogar. Cramer lehnte sich zurück und legte den Kopf in den Nacken.
»Irgendetwas stimmt mit dir nicht, Harding«, murmelte er und registrierte erst einen Lidschlag darauf, dass die Tür ins Schloss fiel, nachdem er die Worte gesprochen hatte. Es spielte keine Rolle, ob Scarwind sie vernommen hatte, denn in welcher Beziehung sollte sie schon zu Harding stehen?
Der Abend war kühl und, wie sollte es anders sein, neblig. Kurz nach neunzehn Uhr hatte das betriebsame Abendleben der Großstadtmetropole begonnen, und so ging es auch nur schleppend über die Straßen voran. Deborah Scarwind wurde von einer seltenen inneren Unruhe geplagt. Sie war normalerweise alles andere als schüchtern und hatte sich des Öfteren schon mit Männern getroffen – allerdings nicht mit Fremden, die sie erst am selben Tag kennengelernt hatte. Das war im Grunde gar nicht ihre Art, und sie konnte ihr Verhalten selbst nicht richtig einordnen. Allerdings musste sie zugeben, dass dieser Harding ein recht faszinierender Bursche war, und attraktiv dazu. Warum sollte sie sich fernab ihres Berufsstresses nicht einmal einen schönen Abend bei Kerzenschein gönnen. Sie hatte sich mittlerweile an die herablassende Art ihres Chefs gewöhnt, und der einzige Grund, warum sie noch für die Kanzlei arbeitete, war, dass der Job verdammt gut bezahlt wurde. Nirgendwo bekam eine Reno-Gehilfin ein Gehalt wie bei Cramer & Cramer. Sie hatte auch bemerkt, dass der Teilhaber Templeton ihr hin und wieder schöne Augen machte, aber bisher hatte er keine Annäherungsversuche unternommen.