DUST 5: Schlachtfeld Erde - Martin Kay - E-Book

DUST 5: Schlachtfeld Erde E-Book

Martin Kay

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Beschreibung

Seit über einem Jahr herrscht Frieden in der Galaxis. Das Scardeenische Reich gehört der Vergangenheit an, sein Wissenschaftsrat wurde aufgelöst und der Großmeister ins Exil verbannt. Die Freie Republik ist der neue Staatenbund der Kolonien des alten Reiches. Während es Simon McLaird zur Erde zurückgezogen hat, zerstreuen sich auch die anderen alten Gefährten in alle Winde. Sean Harris verbringt seinen vermeintlichen Lebensabend mit seiner Frau Natasha auf einer unwirtlichen Wüstenwelt und Sherilyn Stone und Ken Dra ziehen sich aus der Organisation Shadow Commands zurück, um eine Familie zu gründen. Aber dann erhebt sich ein neuer Feind, der lange Zeit im Verborgenen agierte. Erneut werden Simon McLaird und seine Freunde zu den Waffen gerufen, als eine Flotte unbekannter Herkunft die Erde bedroht und sie in ein Schlachtfeld zu verwandeln droht ...

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Seitenzahl: 209

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Inhalt

Ein Vorwort für Leute, die Vorwörter lesen, und jene, die es normalerweise nicht tun

Teil 1 Die grüne Invasion

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

Teil 2 Die Ghost Fighters

11

12

13

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19

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21

22

23

24

Epilog

Glossar

Weitere Atlantis-Titel

Martin Kay

DUST 5 – Schlachtfeld Erde

Eine Veröffentlichung des Atlantis-Verlages, Stolberg Mai 2018 Druck: Schaltungsdienst Lange, Berlin Titelbild: Dirk Berger Umschlaggestaltung: Timo Kümmel Lektorat und Satz: André Piotrowski ISBN der Paperback-Ausgabe: 978-3-86402-587-7 ISBN der E-Book-Ausgabe (EPUB): 978-3-86402-603-4 Besuchen Sie uns im Internet:www.atlantis-verlag.de

Ein Vorwort für Leute, die Vorwörter lesen, und jene, die es normalerweise nicht tun

Liebe Leser,

Relaunches, Reboots, Neuauflagen: All das ist nicht nur dazu da, Nostalgiker zu besänftigen und bei Laune zu halten, sondern kann unter Umständen auch etwas völlig Neues für Sie bereithalten. So wie diese Geschichte hier. DUST wird fortgesetzt. Das muss man sich erst einmal auf der Zunge zergehen lassen. Erst im Heftroman 2001, dann im Paperback 2004, dann im E-Book und 2012 die erste Fortsetzung mit DUST 4 – jetzt das Revival mit neuem Lektorat in frischer Verpackung und wieder eine Fortsetzung. Ja, ganz richtig, denn dieses Mal halten Sie wirklich frischen Text in den Händen. Ganz gleich, ob in gedruckter oder digitaler Form, Schlachtfeld Erde erzählt die Geschichte um Simon McLaird und Jee A Maru weiter.

Nachdem die Episode um das Scardeenische Imperium abgeschlossen ist und scheinbar Frieden in der Galaxis herrscht, bekommen es McLaird und seine Freunde nun mit einem Feind zu tun, der gar nicht so wirklich neu ist, sondern in den früheren Romanen immer Häppchen für Häppchen mitverarbeitet wurde. Sie erinnern sich an Jeremiah und Harry Thorne, denen es an Bord eines fremden Raumschiffs nicht gerade gut erging? Prima, denn das ist der neue Feind, dem sich unsere Gefährten gegenübersehen – zunächst einmal in den schottischen Highlands, bis kurz darauf ein neuer Krieg über die Galaxis hereinbricht.

Betreten Sie mit mir, Simon McLaird, Sherilyn Stone & Co. das Schlachtfeld Erde.

Viel Vergnügen beim Lesen wünscht Ihnen Ihr

Martin Kay

Teil 1 Die grüne Invasion

1

In den Tiefen des Alls, weit draußen im Perseus-Spiralarm, über 15 000 Lichtjahre von der Erde entfernt, umkreiste ein kleiner Wüstenplanet namens Gussara mit vier weiteren Begleitern einen blauen Riesenstern und dessen viel kleineren roten Begleiter. Gussara stand der blauen Sonne am nächsten und wurde täglich von ihren sengenden Strahlen gegrillt. Oberflächentemperaturen von mindestens 40 Grad sorgten für eine öde und triste Welt, auf der sich kaum Leben entwickelte. Es gab nachtaktive reptilienähnliche Geschöpfe, die sich tagsüber im schneeweißen Sand eingruben, um der unbarmherzigen Hitze zu entgehen. Trotz der fehlenden Flora besaß Gussara eine für Menschen atembare Atmosphäre. Das Bodengestein produzierte unter der Sonneneinstrahlung tagsüber Sauerstoff, wie die Chlorophylle einer Pflanze. Dies und die Tatsache, dass Gussara reich an verschiedenen Bodenschätzen war, verschlug einige Siedler aus dem ehemaligen Scardeenischen Reich hierher.

Einer dieser verwegenen Farmer war Sean Harris, früher Lieutenant bei der irdischen Organisation Shadow Command, der sich nach dem Sieg über den Großmeister Scardeens gemeinsam mit seiner Gefährtin Angel ins Einsiedlertum zurückgezogen hatte. Nach dem dreijährigen galaktischen Krieg brauchte er Ruhe und wollte den Rest seines Lebens in Frieden verbringen.

Zumindest Letzteres hatte er bisher nicht gefunden. Neben der täglichen harten Arbeit stand auch jede Menge Ärger auf der Tagesordnung. Wie so oft diskutierte Harris wütend mit dem Aufsichtsroboter an der Haltestelle des wöchentlichen Postschiffes, das zwischen einigen scardeenischen Kolonien, Scardeen Prime und auch Gussara pendelte.

»Was heißt, das Schiff war noch nicht da? Es hat bereits einen Tag Verspätung.«

Die Fotozellen des Roboters blinkten. Er war bis zum Unterleibsansatz humanoid geformt, bestand jedoch aus Metall. Dort, wo man sein Blechgesicht vermutete, befand sich ein ovales Display, das die computergenerierte Version eines menschlichen Antlitzes darstellte. In diesem Fall ein männliches, menschliches Gesicht. Vom Unterleib abwärts war der Roboter auf einem Gestell montiert, das ihm erlaubte, hinter dem Tresen des kleinen Haltestellengebäudes hin- und herzufahren, aber nicht, seinen Posten zu verlassen.

»Es tut mir außerordentlich leid, Sir.« Die Stimme des Roboters klang synthetisch und leicht verzerrt, als spreche ein Mensch durch einen Stimmverstärker. »Ich kann nur wiederholen, was ich Ihnen gerade schon gesagt habe. Kapitän Habrice …«

Harris fuhr ihm mit einer barschen Geste ins Wort. »Ja, ja, jetzt mach mal die Ölschleuder zu! Ist sowieso Geldverschwendung, dich hier rumsitzen zu lassen.«

»Entschuldigen Sie, Sir, aber es ist absolut notwendig, einen qualifizierten Bera…«

»Qualifiziert?« Harris lachte halb. »Wann warst du das letzte Mal zur Inspektion, Blechfresse?«

Die Maschine war nicht darauf programmiert, sarkastische Bemerkungen zu interpretieren und entsprechend darauf zu reagieren, sodass ihre Entgegnung sachlich und erklärend ausfiel.

»Die letzte Inspektion liegt erst …«

»Ach sei schon ruhig, du Elektroschrott!« Harris drehte dem Automaten den Rücken zu. Er verließ den Pavillon und trat in den heißen Sand. Augenblicklich raubten ihm die Temperaturen den Atem und er schob sich die Schutzmaske vor das Gesicht, die die Atmosphärenluft Gussaras auf einigermaßen angenehme und atembare Temperaturen herunterkühlte. Gleichzeitig fuhren die Servomotoren des Anzugkühlsystems hoch und kämpften gegen die Hitze an. Harris blickte nach oben und suchte den Himmel ab, als könnte er das Postschiff mit bloßem Auge ausmachen. Nach einiger Zeit schüttelte er den Kopf und stapfte durch den Sand zurück zu seinem Gleiter.

»Ich komme morgen wieder!«, rief er über die Schulter zurück in Richtung Pavillon. Die Tür war längst geschlossen. Der Roboter konnte ihn nicht mehr hören. Er startete die Aggregate des Schwebers und drückte den Schubregler nach vorn. Die plötzliche Beschleunigung ließ das Fahrzeug einen Satz machen, ehe es zwei Meter über dem Sandboden hinwegfegte. Gut eine Stunde dauerte der Flug zurück zu seiner Farm weit draußen im Grenzland. Er hätte einen Claim in der Nähe der Haltestelle oder einer Siedlung haben können, doch dann wäre es mit der Abgeschiedenheit, die er sich so sehr gewünscht hatte, nicht weit her gewesen. Als er eintraf, parkte er den Gleiter direkt vor dem Eingang des Haupthauses und stürmte wütend ins Innere.

Angel erwartete ihn bereits. Statt ihrer engen Kampfkombi, in der er sie kennengelernt hatte, trug sie zivile Kleidung und hatte das rote Haar hochgesteckt. Sie war eine von unzähligen Klonen einer außerirdischen Entität, die als Wiedergutmachung für den tragischen Unfall Natasha Quires Aspekte ihrer selbst in die Körper Natashas projizierte. Als durchnummerierte Soldatinnen der Allianz von Cloudgarden trug auch Angel eine Bezeichnung: Natascha 6-Omega.

Doch diese gehörte der Vergangenheit an, seit sie mit Sean Harris zusammen war.

»Offensichtlich war Habrice noch immer nicht mit dem Postschiff da«, sagte Angel, während Harris in dem Wohnraum auf und ab schritt.

Er sah auf und blickte sie an. Schuldbewusst atmete er tief durch, ging zu Angel hinüber und nahm sie in die Arme.

»Tut mir leid, wenn ich so aufgebracht bin. Wir brauchen aber dringend diese Maschinenteile für die Wasserregenerationspumpe.«

Sie lächelte ihn verständnisvoll an. »Ich weiß.« Dann schlug sie plötzlich einen anderen Ton an. »Als du dich damals zurückziehen wolltest, war mir jede Welt recht, wenn ich nur mit dir zusammen sein konnte. Aber mal ganz ehrlich, bist du mit dem Leben auf Gussara zufrieden? Es gibt Hunderte von Welten, die wesentlich wirtlicher und auch wirtschaftlicher sind als Gussara. Willst du den Rest deines Lebens hier verbringen?«

Die Frage versetzte ihm einen Stich im Herzen. Er hatte sie erwartet und gefürchtet, sich selbst aber nie eingestehen wollen, dass Angel unzufrieden mit dem Leben sein könnte.

»Ich … hätte dich fragen sollen.«

»Du hast mich gefragt«, sagte sie. »Das war okay. Ich bin hier mit dir. Aber ist es das, was du willst? Ich sehe, wie du dich ärgerst, schuftest, dir Sorgen wegen der Vorräte machst, stöhnst, wir hätten uns lieber einen Waldplaneten suchen sollen. Fliehen. Abstand gewinnen. Ja. Aber für den Rest unseres Lebens?«

Harris starrte in die grünen Augen Angels. Er biss sich auf die Unterlippe und spürte, wie sein Mund trocken wurde. Verlegen räusperte er sich. »Du … ich … ja, verdammt noch mal, du hast recht.« Er wich ihrem Blick aus und wandte sich ab. »Gussara raubt mir den letzten Nerv. Ganz ehrlich, es hat mir schon nach den ersten fünf Wochen gereicht.«

Angel berührte ihn an der Schulter und drehte ihn sanft zu sich herum. »Warum hast du das nie erwähnt?«

Er machte eine abwehrende Geste. »Du hättest mich für verrückt erklärt, erst dich hierherzuschleppen und dann zu jammern, dass es nicht das war, was ich mir vorgestellt habe.«

Angel seufzte. »Du sturer Blödmann.«

»Ich …«

»Ja, das bist du. Wegen deiner Sturheit haben wir ein ganzes Jahr verschenkt. Wir hätten uns längst woanders niederlassen und unser Leben genießen können, statt uns hier abzurackern.«

Sie hatte verdammt noch mal recht. Und es lag weder an Bequemlichkeit, noch an den finanziellen Mitteln. Sie waren Helden der Galaxis und konnten jederzeit überall in der Freien Republik einkehren. Allein seinem Starrsinn war es zu verdanken, dass sie in dieser Ödnis abhingen, als würden sie sich selbst für etwas geißeln, das sie nicht begangen hatten.

Beschämt senkte er den Kopf. »Es tut mir leid, Schatz.«

Statt ihn zu schelten, schlang sie die Arme um seinen Hals, zog ihn zu sich heran und küsste ihn.

»Morgen werde ich zur Poststelle zurückfahren und dem Roboter alles verkaufen, was wir haben. Wir kehren nach Scardeen zurück, vorausgesetzt, du willst dorthin, und von dort aus sehen wir weiter und schmieden Pläne. Was denkst du?«

Angel strahlte und küsste ihn erneut.

2

Ein lautes Hupen riss Simon Thomas McLaird aus seinen Erinnerungen. Eben noch war er gedanklich ein Jahr in die Vergangenheit gereist und hatte an seine Freunde gedacht, die er draußen in der Galaxis zurückgelassen hatte, nur um selbst zu Erde zurückzukehren und dort seinen Frieden zu finden. Im nächsten Moment wäre er fast von einem Lkw überfahren worden, weil er unachtsam die Straße überqueren wollte.

Seit über einem Jahr hielt sich McLaird wieder auf der Erde auf. Versteckt vor den Erinnerungen an die Gräueltaten, die er im Namen der Freiheit begangen hatte, und versteckt vor den irdischen Nachrichtendiensten, für die er immer noch der Mensch war, der den Erstkontakt mit Außerirdischen hatte.

Bisher war ihm die Verdrängung der Vergangenheit gut gelungen. Obwohl er sich unter falschem Namen wieder selbst einbürgerte und weitgehend das Licht der Öffentlichkeit scheute, erholte er sich gut. Ein Jahr Urlaub auf der Erde. Doch vor zwei Tagen war er durch einen intensiven Albtraum an alles, was er hatte vergessen wollen, erinnert worden. Seitdem beschäftigte ihn die Vergangenheit wieder.

»Kannst du Penner nicht aufpassen!«, rief der Fahrer des Lkws, der wegen McLaird hatte bremsen müssen.

Er sah auf und presste die Lippen aufeinander. »Was weißt du schon? Nichts weißt du.«

Der Fahrer hatte es nicht einmal gehört. Er fuhr an und McLaird überquerte die Straße, nachdem der Truck vorbeigefahren war. Am nächsten Kiosk kaufte er sich eine USA Today und setzte seinen Weg zur U-Bahn-Station fort. Unterwegs überschlug er die Schlagzeilen.

Steuersenkung.

Naturkatastrophe in Taiwan.

Der unheimliche Botaniker mordet wieder.

Präsident hält Fernsehansprache zur Lage der Nation.

McLaird faltete die Zeitung und klemmte sie sich unter die Armbeuge. Die Subway war überfüllt. Er reihte sich in den Strom der Pendler ein und blickte auf seine Uhr. Noch knapp 45 Minuten bis zu seinem Vorstellungstermin bei Computeronics, einer Firma, die Mikroprozessoren für Großrechner herstellte. Er brauchte endlich einen vernünftigen Job. Bisher hatte er sich durch diverse Nebenbeschäftigungen über Wasser gehalten. Meist als Verkaufshilfe in Supermärkten, aber er hatte auch Fotoserien an Zeitungen und Magazine verkauft. Seine wahre Berufung sah er im IT-Geschäft. Als Systemprogrammierer blieb ihm auch nicht viel übrig, als wieder in dem Geschäft Fuß zu fassen. Es sei denn, er fügte Berufskiller und Genozidexperte seinem Portfolio hinzu. Er biss die Zähne zusammen, als die Erinnerungen auf ihn eindrangen und ihm körperliche Schmerzen zufügten. Er hatte über 70 000 Raumschiffe des Scardeenischen Imperiums durch Falscheingabe von Sprungkoordinaten im Herzen der Sonne Cloudgardens aus dem Hyperraum springen lassen, wo sie innerhalb einer Nanosekunde verdampft waren.

McLaird wankte und hielt sich am Rolltreppengeländer fest.

Am Bahnsteig fuhr ein U-Bahn-Wagen ein. McLaird ließ sich von der Masse treiben. Er sicherte sich einen Sitzplatz und schlug die USA Today auf, um die Artikel zu durchforsten. Er blieb an der Botanikergeschichte hängen.

Es gibt eine bestechende Ähnlichkeit zu dem vor zwei Wochen begangenen Mord an Sandra Lorrigan, die durch Vogelbeeren vergiftet worden war. In diesem Fall, der sich gestern Nacht im Huntington Park von Los Angeles ereignete, wurde das Opfer von Schlingpflanzen erwürgt. Als Beweis führt die Polizei Chlorophyllrückstände am Hals des 37-jährigen Mannes an. Sollte es sich bei den Morden um ein und denselben Täter handeln, der Menschen mit natürlichen Waffen tötet? Die beiden Morde geben dem LAPD noch Rätsel auf …

McLaird faltete die Zeitung zusammen. An der nächsten Haltestelle musste er aussteigen. Seine Gedanken kreisten noch ein wenig um die seltsamen Morde, dann konzentrierte er sich auf das bevorstehende Vorstellungsgespräch. Er brauchte den Job.

Vor der Eingangstür von Computeronics wurde er von einem Wachmann angehalten.

»Sie arbeiten hier nicht? Dann muss ich Ihnen einen Besucherausweis ausstellen. Aus welchem Grund sind Sie hier?«

»Ich habe einen Vorstellungstermin.«

»Name?«

McLaird zögerte. Fast hätte er seinen richtigen Namen genannt. »Cameron. Calvin Cameron.«

Der Wächter suchte in seinem Computer nach dem Namen. »Ah, hier. Cameron. Alles klar.«

Nachdem er einen Besucherausweis erhalten hatte, erklärte der Uniformierte ihm den Weg. »Mr Travis erwartet Sie bereits.«

McLaird fuhr mit dem Aufzug in den siebzehnten Stock und wurde vor dem Büro des Chefs von einer älteren Dame mit hochgesteckten Haaren und einer überdimensionierten Hornbrille, die jetzt wieder chic geworden waren, empfangen.

»Sie sind Mr Cameron?« Ihre Stimme klang schrill und schmerzte fast in den Ohren.

»Guten Morgen! Ja, der bin ich.«

Die Sekretärin nickte und drückte eine Taste an der Gegensprechanlage. »Mr Travis, hier ist Mr Cameron.«

»Soll warten!« Die Antwort aus dem Lautsprecher klang scharf, als wäre es im Moment ungünstig.

Die Frau nickte und deutete mit der Hand auf einen gegenüberliegenden Raum, dessen Tür offen stand. »Würden Sie bitte im Warteraum Platz nehmen?«

McLaird verzog die Mundwinkel. Offenbar machte es sich sein neuer Arbeitgeber zur Aufgabe, Leute warten zu lassen, wenn er eigens dafür einen Raum eingerichtet hatte wie in einer Arztpraxis. McLaird begab sich zu dem Zimmer, das mit zwei Sitzbänken, einem Tisch und einem an der Wand hängenden Flachbildfernseher ausgestattet war, auf dem FoxNews liefen.

Es gab keine Zeitschriftenauslage und McLaird verspürte keine Lust, in der USA Today weiter zu stöbern, also gab er sich dem Programm hin. Die Nachrichten wurden von einem Werbespot unterbrochen. Dann rückte eine Moderatorin ins Bild. Hinter ihr wurde eine computergenerierte Darstellung der Milchstraße eingeblendet und die Sprecherin las aus ihrem Text vor, dass sämtliche Radioteleskope der Welt, Signale aus dem All aufgefangen hatten. Des Weiteren sei über den schottischen Hochmooren eine größere Anzahl unbekannter Flugobjekte gesichtet worden.

»Die Herkunft der scheibenförmigen UFOs ist nach wie vor unbekannt«, berichtete die Nachrichtensprecherin. »Während sowohl die britische als auch die US-Regierung von möglichen Prototypen einer neuen Flugzeugtestreihe ausgeht, sind sich Astronomen und SETI-Forscher einig, dass die beschriebenen Objekte keineswegs irdischer Bauart sind. Bisher ist es niemandem gelungen, diese auf Fotos oder Film festzuhalten.« Die Frau legte eine Pause ein. »Chicago. Der Bürgermeister der Stadt erklärte …«

In diesem Moment erschien die Sekretärin in der Tür des Warteraums. »Sie können jetzt zu Mr Travis hinein, junger Ma…«

3

Der Mann mit der sportlichen Pilotensonnenbrille und dem Schnäuzer legte seine rechte Hand auf den von grünem Licht umgebenen Abdruck auf dem Display. Die vorgezeichnete Hand leuchtete kurz auf und eine weiche, androgyne Stimme sagte: »Identifiziert, Agent 13. Passieren Sie.«

Jake Rollins schob mit dem Zeigefinger die Brille über seinen Nasenrücken nach oben und sah noch einmal zurück zu dem gebogenen Korridor, aus dem er gerade gekommen war. Kein Anblick, den man normalerweise in Langley zu sehen bekam. Rollins wandte sich nach vorn. Die Panzertür ihm gegenüber öffnete sich mit einem leisen Surren. Dahinter sah er einen verdunkelten Raum. Rollins runzelte die Stirn, trat ein und wartete.

»Okay. Ich bin hier. Was nun?«

Als Antwort blitzte ein Scheinwerfer auf und stach direkt in Rollins Augen. Geblendet kniff er die Lider zu und hielt abwehrend einen Arm hoch.

»Was soll der Mist?«

»Sie werden Ihre Anweisungen nun von jemand anderem erhalten, Agent 13.« Die Stimme kam von jenseits des Scheinwerfers und klang seltsam verzerrt. Rollins konnte nicht einmal einordnen, ob sie männlich oder weiblich war.

»Das kann nicht Ihr Ernst sein. Wer sind Sie überhaupt?«

»Mein Name spielt keine Rolle«, sagte die Stimme ton- und emotionslos. »Aus Sicherheitsgründen ziehe ich es vor, anonym zu bleiben. Ich bin vom Head of CIA Operations zum Projektleiter einer neuen Operation namens Hellfire ernannt worden. Sie sind mir als Agent zugeteilt worden.«

Rollins kämpfte noch immer mit dem grellen Licht und glaubte, sich verhört zu haben. Diese Art von Briefing hatte er noch nie erlebt – und er arbeitete schon einige Jahre für die CIA. Allerdings hatte er von einer Sache schon gehört.

»Hellfire?«, hakte er nach. »Die Nachfolgeoperation zu Shadow Command? Glaubt das Pentagon etwa immer noch an diesen Hokuspokus von außerirdischen Intelligenzen? Die Air Force hat sich vor einigen Jahren nicht sehr beliebt gemacht mit ihrem E.T.-Gesülze.«

Hinter dem Scheinwerfer hörte er ein Lachen. »Sie irren sich, Nummer 13. Seit 1949 untersucht die US-Regierung das UFO-Phänomen. Vergeblich. Das Pentagon, die Air Force und die NASA haben jahrzehntelang auf diesem Sektor zusammengearbeitet. Informationsmaterial aus allen Teilen der Welt wurde auf Mikrofilm im Wright-Patterson-Stützpunkt archiviert. Ende der Sechziger stellten wir das Projekt Blaubuch ein, gründeten parallel jedoch Shadow Command. Die Schatten führten fort, was zuvor begonnen wurde, diesmal jedoch inoffiziell. Sie sammelten Daten, bereiteten sich vor. Bis sie im September vor zwei Jahren spurlos verschwanden. Zuvor waren unbekannte Flugobjekte nicht nur geortet, sondern auch gesichtet worden.«

Rollins schürzte die Lippen. Eine Stimme hinter blendend grellem Licht konnte ihm viel erzählen. Nicht nur, dass er derlei Schwachsinn nicht glaubte, die Art und Weise, wie er hier behandelt wurde, war alles andere als konventionell und üblich. Er sollte sofort nach Langley zurückkehren und bei seinem bisherigen Vorgesetzten Beschwerde einreichen.

»Sprachlos, Rollins?«

Der Angesprochene stieß einen Laut aus, der irgendwo zwischen einem verhaltenen Lachen und einem Schnauben angesiedelt war. »Sicher nicht. Sie glauben, Außerirdische hätten die Mitglieder von Shadow Command entführt? Alle?«

»Nicht nur die Mitglieder. Auch ihre Familien.«

»Blödsinn!«

»Haben Sie eine andere Erklärung?«

»Was soll das jetzt? Spielen wir Cluedo? Ich hab nicht genug Informationen und Beweise, um auch nur ansatzweise mitdiskutieren zu können. Das, was Sie mir da auftischen, höre ich heute zum ersten Mal.«

»Ich werde Ihnen sagen, was passiert ist, Agent 13.«

Na jetzt bin ich aber gespannt, dachte Rollins und überlegte, ob er in die Innentasche seines Sakkos greifen und die Packung Zigaretten herausfischen sollte. Schmacht nach einem Glimmstängel hatte er. Und dieses Briefing schien länger zu dauern und langweiliger zu sein, als die üblichen, die er kannte.

»Shadow Command ist zu den Außerirdischen übergelaufen«, sagte die Stimme.

Rollins konnte sich ein Lachen nicht verkneifen. Vielleicht wurde es doch nicht langweilig, sondern eher amüsant.

»Das ist absurd.«

Die Stimme ging nicht darauf ein, sondern fuhr fort: »Kurz bevor die Schatten von der Bildfläche verschwanden, wurde ihr Organisationsleiter, ein Mann, der unter dem Decknamen Der General operierte, von seinen eigenen Leuten umgebracht. Warum sollten die Agenten nicht desertiert sein und ihre Familien mitgenommen haben?«

Rollins schüttelte fassungslos den Kopf. »Sie müssen mir schon mehr Futter geben, als ein Stück Fleisch hinzuwerfen, das bereits angenagt ist. Ich kaufe Ihnen das bisher nicht ab. Überzeugen Sie mich! Wie viele Agenten betrifft das, mitsamt ihren Familien?«

»Über zweitausend.«

»Und die sind einfach so in ein Raumschiff gestiegen und nach Alderaan geflogen, oder was?«

»Aldebaran«, korrigierte die Stimme.

»Meine Güte, das war ein Beispiel!«

»Ich weiß, aber Sie sollten das schon ernster nehmen, Agent 13.«

Rollins hob eine Hand. »Angenommen, nur rein hypothetisch angenommen, an der Sache ist etwas dran und Sie können mir das auch noch beweisen, nachdem Sie endlich dies bescheuerte Funzel ausgeschaltet haben, warum dann jetzt Operation Hellfire?«

Die Stimme schwieg für einige Sekunden. Rollins wollte schon fragen, ob der andere noch da war, als er dann doch eine Antwort erhielt.

»Es ist wieder geschehen.«

Rollins’ Kinnlade fiel herunter. Er starrte direkt in den Scheinwerfer und blinzelte erst, als seine Augen zu tränen begannen. »Was?«

»Neue UFOs sind gesichtet worden.«

»Verscheißern Sie mich nicht! Solche Scherze drücken mir immer auf den Magen, wissen Sie?«

»Das sind keine Scherze, Agent 13.« Diesmal klang die androgyne Stimme nicht emotionslos, eher etwas aufgebracht.

»Okay, okay.« Rollins hob abwehrend beide Hände. »Und wofür brauchen Sie jetzt mich? Ich hab einen ziemlich guten Analysejob in Langley und …«

»Sie, Agent 13, sind von der CIA abkommandiert worden und unterstehen jetzt Operation Hellfire und meinem Kommando. Sie finden heraus, wer diese fremden Wesen sind und was Sie auf der Erde wollen. Möglich, dass ein früherer Lieutenant der U.S. Army mit ihnen kooperiert. Falls er sich noch auf der Erde befindet, nehmen Sie Kontakt zu ihm auf und bringen Sie ihn her.«

Rollins hob die Brauen. »Ein Army-Lieutenant? Kein Agent von Shadow Command?«

»Nein. Sein Name ist Simon Thomas McLaird.«

4

Mit einem Schulterblick vergewisserte sich McLaird, dass ihm niemand in die Seitengasse gefolgt war. Dann erst öffnete er die Lieferantentür und trat in das privat finanzierte Institute of Science of Los Angeles, ISLA abgekürzt, für das er mal eine Sicherheitssoftware geschrieben hatte. In einem anderen Leben. Bevor er Jee A Maru und Ken Dra kennengelernt hatte. ISLA verzichtete auf Sicherheitsmaßnahmen wie Wachmannschaften, dafür waren ihre Forschungen zu unspektakulär. Ein paar Labore. Ein paar Forschungsprojekte für Pharmakonzerne. Mehr gab es hier nicht.

McLaird durchquerte ein halbes Dutzend Korridore in sterilem Weiß, bis er eine Tür erreichte, die mit LABOR 2 beschriftet war. Ohne zu zögern oder anzuklopfen, öffnete er sie und betrat den angrenzenden Raum. Eine Glaswand trennte Vorzimmer und Arbeitsplatz voneinander. Hinter der Scheibe arbeitete ein Afroamerikaner mit kurz geschorenen Haaren und in einem grünen Kittel an einem Mikroskop.

Es knirschte, als der Schwarze aufsah, McLaird erkannte und das Okular dennoch weiterdrehte, bis es den Objektträger zerquetschte und das Glas zersprang.

»McLaird!«

McLaird hob einen Finger an die Lippen. »Schttt! Du weckst noch den ganzen Verein.«

»Verdammt, du hast mir eine Probe zerstört!«

»Charlie, du Retortenarsch.« McLaird grinste, schüttelte dem anderen die Hand und klopfte ihm auf die Schulter.

»Ich glaub’s ja nicht.« Charlie Stevens schüttelte lächelnd den Kopf und musterte McLaird von Kopf bis Fuß. »Dich hab ich ja seit Jahren nicht mehr gesehen. Was tust du hier?«

»Ich war in der Gegend und dachte mir, ich spring auf einen Kaffee vorbei.«

»Mann, was hab ich gelacht«, sagte Charlie. »Jetzt mal raus mit der Sprache!«

McLaird wurde übergangslos ernst. »Hör zu, ich weiß, dass du dich früher gerne mit UFOs beschäftigt hast.«

Charlie verzog die Mundwinkel. »Weswegen ich in der Schule oft genug gehänselt wurde. Worauf willst du hinaus?«

McLaird ging um den Labortisch herum und verschränkte die Arme vor der Brust. »Sagen wir so: Ein Vögelchen hat mir etwas gezwitschert. Du untersuchst doch etwas, das mit der Sichtung in Schottland zusammenhängt.«

Charlie stieß die Luft aus. »Du mischst dich in Sachen ein, die dich nichts angehen, McLaird.«

»Vielleicht geht es dich ja nichts an …«

»Ach ja? Du Klugscheißer musst es mal wieder besser wissen, richtig? Warum gehst du nicht einfach durch diese Tür und wir vergessen beide, dass du jemals hier gewesen bist?«

»Bro …«

»Nichts Bro, Bro!«

»Keine Ahnung, was dich so aufbringt, aber ich brauche Informationen«, sagte McLaird.

»Lies Zeitung. Sieh fern.«

McLaird hätte gelacht, wenn es ihm nicht ernst mit seiner Bitte gewesen wäre. Er ließ seinen Blick schweifen, doch aus der Anordnung der Reagenzien, der Papiere auf dem Tisch oder der Bilder auf den Monitoren konnte er nicht ableiten, woran Charlie Stevens wirklich arbeitete. Sein Verdacht war ein Schuss ins Blaue gewesen. Er spürte, dass er richtiglag und sein alter Kumpel ihm etwas verheimlichte.

»Du oder ein paar Leute von euch waren in Schottland.«

»McLaird!«

»Was habt ihr gefunden?«

»Ich … sage nichts.« Unsicherheit schwang in Charlies Worten mit.

»Habt ihr Strahlung vor Ort gemessen? Landeplätze gesichtet?«

Charlie verdrehte die Augen und hob warnend einen Zeigefinger. »Also gut, du Nervensäge. Das ist aber topsecret. Wenn irgendjemand herauskriegt, was ich tue, dann habe ich gleich die Regierung vor der Tür stehen.«

McLaird nickte.

»Ich war in Schottland«, sagte Charlie. »Nördlich von Deanich Lodge in der Nähe von Moorewood Castle. Die Sauerstoffkonzentration war in der Gegend ungewöhnlich hoch.«

»Eine Auswirkung wovon?«, fragte McLaird. »Chemische Reaktionen in einem Moor?«

Der Schwarze schüttelt den Kopf. »Um die Werte zu produzieren, hätte man dort einen Wald von der Größe des Amazonasgebietes pflanzen müssen. So, das war schon alles. Mehr hab ich nicht für dich.«

McLaird dachte nach, konnte sich aber im Moment keinen Reim darauf machen. Er drehte sich um und machte Anstalten zu gehen.

»Warte!«, rief Charlie. »Was hast du vor?«