DUST 1: Die vierte Dynastie - Martin Kay - E-Book

DUST 1: Die vierte Dynastie E-Book

Martin Kay

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Beschreibung

Wahrscheinlich wäre Simon Thomas McLaird an diesem Morgen nicht aufgestanden, hätte er gewusst, dass sich sein Leben radikal verändern wird. Das Motocross-Rennen mit seinem Freund Calvin Nash beginnt noch harmlos, doch keiner von den beiden soll je die Ziellinie überfahren. Unvermittelt werden sie Zeugen einer UFO-Landung und befinden sich bald darauf in einer galaktischen Auseinandersetzung von unvorstellbaren Ausmaßen ...

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Seitenzahl: 274

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Inhalt

Band 01: Die Legion von Scardeen

Band 02: Die vierte Dynastie

Band 03 Mazoni – die verbotene Welt

Weitere Atlantis-Titel

Martin Kay

Die vierte Dynastie

Eine Veröffentlichung des Atlantis-Verlages, Stolberg September 2016 Druck: Schaltungsdienst Lange, Berlin Titelbild: Dirk Berger Umschlaggestaltung: Timo Kümmel Lektorat und Satz: André Piotrowski ISBN der Paperback-Ausgabe: 978-3-86402-421-4 ISBN der E-Book-Ausgabe (EPUB): 978-3-86402-422-1 Besuchen Sie uns im Internet:www.atlantis-verlag.de

Band 01:Die Legion von Scardeen

Die Zielerfassung arbeitete nicht mehr. Zahlreiche Bildschirme und Sensoren waren ausgefallen. Nervös blickte Ken Dra auf die Navigationsdisplays, die nur unzureichende Werte lieferten. Der letzte Treffer hatte nicht nur ihre Scanner lahmgelegt, sondern auch die Energieversorgung zu Schilden und Triebwerken geschwächt. Sie waren schutzlos und nur noch halb so manövrierfähig wie vor ihrem Start.

Ken Dra drehte sich im Sitz des Navigators um. Er begegnete Jee A Marus Blick, die am Kommandopult neben dem Captain saß und eine neue Route ausarbeitete. Sie waren den Scardeenern knapp in den Hyperraum entkommen, aber das hieß nicht, dass sie ihre Verfolger wirklich abgeschüttelt hatten.

»Wenn wir weiter hier herumhocken, finden sie uns bald«, sagte der Pilot neben Ken Dra.

Der Navigator, der selbst genügend Flugstunden absolviert hatte, um ein Scoutschiff wie dieses zu fliegen, verdrehte die Augen. Er stand auf und ging zum Kommandopult hinüber. »Wir haben die Koordinaten für unseren Zielflug. Warum nutzen wir sie nicht?«

Der Captain blickte müde auf. Er war ein alter Mann mit haarlosem Schädel, der vornehmlich Frachtflüge zwischen Prissaria und seinen Monden flog. Für diese Mission war er kurzfristig eingesprungen, da der bisherige Kommandant der Roc Sun wegen einer üblen Magenverstimmung das Bett hütete. Aber all seine Erfahrung im Raumflug nützte ihnen jetzt nicht weiter. Ken hätte es ihm am liebsten an den Kopf geworfen, doch aus Respekt vor Jee tat er es nicht. Einmal mehr suchten seine Augen den Blick der schönen Frau mit dem langen, silbrigen Haar.

»Wer hat dir befohlen aufzustehen?«, fragte der Captain, doch die Unsicherheit war deutlich aus seiner Stimme herauszuhören. Er war es nicht gewohnt zu befehlen. Vermutlich hatte er sein Leben lang nichts anderes getan als Frachter geflogen.

Jee A Maru räusperte sich. »Willst du riskieren, direkt in einen Konvoi der Scardeener zu fliegen? Wenn sie unsere Funksprüche zu Pris abgefangen haben, werden sie unser Ziel kennen und uns dort erwarten.«

»Wohin dann? Zurück nach Prissaria?«

Die Frau schüttelte leicht den Kopf. »Nein, so kurz vor Dai Urshar gebe ich nicht auf.«

»Bist du sicher, dass wir auf der richtigen Fährte sind, Schwertträgerin?« Ken Dra zweifelte an Jee A Marus Objektivität. Sie war wie besessen davon, den mysteriösen Planeten zu finden, dass sie nicht mehr nüchtern ihre Chancen abwog. Die Regierung der Drahusem hatte Dutzende von Scoutschiffen wie die Roc Sun in die Weiten des bekannten Weltraums und darüber hinaus entsandt, um Dai Urshar Senekar Tarmalis zu finden. Bisher war nicht ein Schwertträger mit positiven Nachrichten nach Hause zurückgekehrt.

Wenn man mich fragt, dann existiert dieser legendäre Planet gar nicht, dachte Ken Dra. Aber wer fragt schon mich?

Ehe Jee A Maru auf seine Frage antworten konnte, heulte der Annäherungsalarm über das Kommandodeck der Roc Sun. Ken wirbelte herum und war mit zwei Sätzen an seinem Platz.

»Schiff voraus, Ortung drei-drei-fünf«, meldete der Pilot. »Die Bugsensoren sind ausgefallen, wir konnten es nicht rechtzeitig erkennen.«

»Abkippen!«, rief Ken Dra, die Tatsache ignorierend, dass er gar nicht die Befehlsgewalt an Bord hatte. Aber ehe der Captain in seiner Trägheit mal reagierte, musste jemand handeln, bevor es zu spät war.

Das Scoutschiff tauchte durch die Farbschlieren des übergeordneten Kontinuums. Zumindest wurden die Reflexe von Taychonenblitzen durch die Sensoren als Farbmuster interpretiert.

»Wir haben drei Austrittsvektoren!«, verkündete der Navigator sachlich, während er förmlich spürte, wie dem Piloten neben ihm der kalte Schweiß ausbrach. Das Verfolgungsschiff hatte aufgeholt und machte die Waffen feuerbereit.

»Die haben uns gleich!«

»Welche Alternativen, Ken?«, fragte Jee A Maru.

»Prissaria, Zielvektor 1 und der … Moment, hier ist noch ein schwaches Signal. Koordinaten werden in Drahusem übermittelt! Einer unserer Stützpunkte so weit draußen?«

Ken Dra blickte auf das Display. Die Sendequelle, die er gerade geortet hatte, wurde für einen Augenblick stärker, überstrahlte mit einem Koordinatengitter die restlichen Vektoren auf seiner Matrix, geradezu als wolle es ihm mitteilen, dass dies der einzige Weg sei.

Er spürte Jee A Marus Atem in seinem Nacken. Die Schwertträgerin war hinter ihn getreten und betrachtete nun ebenfalls die Werte.

»Dorthin fliegen wir!«, entschied sie.

»Was? Aber das könnte eine Falle sein!«

»Ich fühle, dass es dort mehr gibt. Vor allen Dingen Antworten auf unsere Fragen … und unsere Suche.«

»Mit Verlaub, Jee, aber …«

»Die Schwertträgerin hat entschieden!«, sagte der Captain. »Setze einen Kurs, Navigator. Steuermann, bringen Sie uns bei den Koordinaten aus dem Hyperraum.«

Ken spannte sich, doch gehorchte und übermittelte den Austrittsvektor an das Steuer. Kurze Zeit darauf fiel die Roc Sun aus dem übergeordneten Kontinuum in den Normalraum zurück und fand sich auf direkter Bahn zu einem blaugrün schimmernden Planeten wieder. Ein einzelner Satellit umkreiste die kleine Welt. In der Ferne leuchtete ein gelber Stern.

»Empfange Radiowellen!«

Ken Dra blickte zur Ortungsstation, an der eine junge Drahusem Dienst tat. Das Stirnrunzeln der Frau bewies, dass sie mit den eingehenden Daten nicht viel anfangen konnte.

»Welcher Natur?«, fragte Jee A Maru.

Die Frau schüttelte den Kopf. »Das ist merkwürdig. Die Signale sind viel primitiver als das Funkfeuer, das Ken Dra empfangen hat.«

In diesem Moment schrillte zum wiederholten Mal der Annäherungsalarm durch das Schiff. Auf den taktischen Displays über dem Hauptschirm erschien das scardeenische Verfolgungsschiff. Es handelte sich um einen gedrungenen, waffenstarrenden Angriffsshuttle, der entfernt an einen schlanken Raubfisch erinnerte. Die Kanonen blitzten auf. Strahllanzen stachen durch das All, fegten an der Roc Sun vorbei.

»Ausweichmanöver!«, rief der Captain.

Der Pilot reagierte augenblicklich. Ein dumpfes Vibrieren des Bodens kündete von den unter Volllast hochgefahrenen Triebwerken. Mit zugeschalteten Manövriertriebwerken versuchte der Pilot, Haken zu schlagen, um den Angreifern kein leichtes Ziel zu bieten. Doch immer wieder schlug ein Blitz in die Außenhaut der Roc Sun ein. Jeder Treffer verminderte ihre Schildkapazitäten beträchtlich.

Ken Dra glaubte nicht mehr, dass die Scardeener sie lebend wollten, sonst hätten sie sich längst mit ihnen in Verbindung gesetzt. Die Legion hatte eindeutigen Befehl, jedes Drahusem-Schiff abzufangen und zu vernichten, auch wenn der Rat von Prissaria das nicht wahrhaben wollte.

»Schildverlust bei siebenunddreißig Prozent!«, rief jemand hinter Ken Dra. »Noch ein oder zwei dieser Einschläge, und wir sind vollkommen wehrlos!«

»Können wir den Ausgangsort des Signals bestimmen?«, fragte Jee A Maru gelassen.

»Nicht genau, nördliche Hemisphäre des Planeten, ein großer Kontinent«, sagte Ken Dra, als er die Werte auf dem Navigationsdisplay überflog.

Der Pilot ließ die Roc Sun rollen. Das Schiff schoss auf den kleinen Mond zu, nutzte die Gravitation für ein Abstoßmanöver, das ihm zusätzliche Geschwindigkeit gab – doch das war nur eine Gnadenfrist. Die Roc Sun verfügte nicht mehr über die notwendigen Ressourcen, um dem scardeenischen Verfolger zu entkommen.

Ein weiterer Blitz schlug in die Schilde ein und brachte zwei Schildgitter auf dem Rücken des Scoutschiffs zum Kollabieren. Ein heftiger Ruck erschütterte die Roc Sun.

»Bereiten wir uns auf eine Notlandung vor«, sagte der Pilot, lenkte die Energie der Waffensysteme auf den Antrieb um und gab einen Schubimpuls.

»Das Schildgitter baut sich nicht mehr auf!«

Ken Dra hörte nun doch Sorge in der Stimme Jee A Marus. Nur eine Spur, doch die reichte schon aus, ihn selbst zu beunruhigen. Außer Jee hatte er kaum einen anderen Schwertträger kennengelernt. Er wusste aber, wenn es etwas gab, das sie beunruhigte, dann steckten sie in ernsthaften Schwierigkeiten.

»Sind die Hitzeschilde noch aktiv?«

»Ja, innerhalb der atmosphärischen Toleranz.«

Die Roc Sun ließ den Trabanten hinter sich. Zwei fehlgeleitete Schüsse der Scardeener fegten an ihr vorbei. Im Augenblick des Eintritts in die Atmosphäre fing Ken Dra ein Sensorecho auf. Er schnappte förmlich nach Luft, als er die Dimensionen des Objekts sah, das sich offensichtlich in einer Umlaufbahn um den Mond des Planeten befand. Ehe er die Daten jedoch näher in Augenschein nehmen konnte, verschwand das Objekt wieder vom Schirm. Er zog es vor, den anderen darüber nichts zu erzählen. Entweder hatte er es sich nur eingebildet oder die Sensoren lieferten falsche Daten, was bei der Menge Treffer, die sie bisher eingesteckt hatten, nicht verwunderlich war.

Die Roc Sun durchstieß die äußeren Atmosphäreschichten des grünblauen Planeten. Ken Dra verspürte ein mulmiges Gefühl in der Magengegend. Die fremde Welt sah auf den ersten Blick einladend aus, doch die Scardeener in ihrem Nacken würden ihnen die Hölle heißmachen. Vermutlich erhoffte sich Jee A Maru Hilfe von den Bewohnern. Ken Dra glaubte jedoch, dass die Scardeener diesen Planeten ebenso in ihr Reich einverleibten wie ungezählte Welten zuvor schon.

»Wir haben verschiedene Sprachmuster der Radiosendungen entschlüsselt«, teilte die Frau an der Ortungsstation mit, während das Scoutschiff mit dem Sinkflug über der nördlichen Hemisphäre begann. »Unsere Übersetzungsringe haben eine gemeinsame Basis gefunden. Wir werden in der Lage sein, uns zu verständigen.«

»Ein guter Anfang«, sagte Jee A Maru. Die Anspannung war immer noch aus ihrer Stimme herauszuhören. »Wissen wir, wo wir uns befinden?«

»Nein, nicht kartografiertes Gebiet abseits der bekannten Routen. Dieses System muss sich am äußeren Rand des Spiralnebels befinden. Eine Sonne, neun Planeten, nur der, den wir anfliegen, ist bewohnt. Die Einwohner nennen ihn übrigens Erde.«

Ken Dra seufzte leise, während er den Landeanflug beobachtete. Von dem scardeenischen Schiff war momentan nichts zu sehen, aber er fühlte förmlich, dass sie dort draußen waren und ihnen auflauerten.

Φ

Das Telefon trug die allerwenigste Schuld an der schlechten Laune Harry Thornes. Dennoch starrte er es wie einen Feind an, den er jeden Moment erdrosseln wollte. Es fehlte nicht viel und er hätte es einfach vom Tisch gefegt. Doch der Inhalt des vorhergehenden Gespräches würde dadurch ebenso unabänderlich bleiben wie jetzt schon.

Thorne grübelte über das Telefonat nach. Man hatte ihm gesagt, dass es gewisse Komplikationen geben könnte, doch er hatte nicht so bald damit gerechnet.

Er nahm die angefangene Packung Zigaretten auf, zog einen der Glimmstängel heraus und schob ihn sich zwischen die Lippen. Das Feuerzeug schnappte auf, Thorne nahm zwei, drei tiefe Züge, ehe er die Hand nach dem Hörer ausstreckte und kurz davor innehielt. Er überlegte es sich anders, griff dafür in die Innenseite seines Sakkos und förderte ein Mobiltelefon zutage. Statt einer Nummer drückte er eine einzige Taste, die an keinem herkömmlichen Gerät dieser Art zu finden war, und wartete, bis die Verbindung zustande kam.

»Ja?«

»Wir haben ein Problem«, sagte Thorne.

»Noch nicht«, erwiderte die Stimme am anderen Ende der Leitung. »Momentan haben wir eine Größe, einen Parameter, nicht mehr und nicht weniger. Zugegeben, es könnte sich zu einem Problem entwickeln, aber nicht zu einem ernsthaften.«

Thorne runzelte ein wenig überrascht die Stirn und nahm einen weiteren Zug aus der Zigarette. Der Qualm, den er ausstieß, schien eigenartige Formen anzunehmen und erinnerte ihn entfernt an ein Raumschiff. Er lachte in sich hinein und schalt sich einen Narren. Offenbar sah er schon überall Gespenster.

»Sie regeln das also?«, vergewisserte er sich dann.

»Wir beobachten vorerst. Danach sehen wir weiter.«

Die Antwort des anderen beruhigte ihn keineswegs. Bisher war viel geredet worden, ob seine neuen Partner jedoch auch zu Taten fähig waren, wusste er nicht.

Mein blindes Vertrauen wird mich eines Tages den Kopf kosten, dachte er, nachdem er die Verbindung unterbrochen hatte.

Harry Thorne stand auf, fischte seinen Sommermantel von der Garderobe und verließ das NSA-Büro in Los Angeles.

Φ

LogfileFrom: [email protected]: [email protected]: Re: Schule ist blöd

Hi Sportsfreund,

Du darfst die Sache nicht so eng sehen. Viele Lehrer sind halt so. Ich kenne das noch aus meiner Jugendzeit. Wir haben auch einige Streiche gespielt und sind damit auf die Schnauze gefallen.

Hör zu, Jeremiah, ich bin heute Morgen nicht besonders gut drauf und schreibe Dir nachher noch Mal. Mir stinkt es, dass der Urlaub sich so langsam dem Ende nähert. Und in ein paar Stunden treffe ich mich draußen mit Cal zum Rennen. Ach weißt Du, es gibt Tage, da wäre man am besten im Bett geblieben…

cu

Simon

Φ

Ein nervtötendes Dröhnen lag in der Luft, als die beiden Fahrer die Motoren auf und ab heulen ließen, während sie auf das Startsignal warteten. Die Musik aus dem Inneren eines in der Nähe geparkten Lieferwagens war bei dem Lärm kaum zu hören. Der Besitzer des Vans fand es eigentlich zu heiß, um jetzt ein Rennen zu fahren, aber wenn die beiden Dickköpfe sich einmal etwas in den Kopf gesetzt hatten, waren sie nicht mehr zu bremsen. Einer war sturer als der andere.

Simon McLaird und Calvin Nash sahen sich unentwegt durch ihre Helmvisiere an. Wie zwei Schlangen, die gegenseitig ihre Schwächen abwogen, um im geeigneten Moment zuzuschlagen.

»Diesmal krieg ich dich«, knurrte Nash und vollführte mit seiner rechten Hand eine Drehbewegung, die seine schwere Kawasaki aufheulen ließ.

Der Rennleiter wischte sich zum wiederholten Mal den Schweiß von der Stirn und fragte sich, wie die Fahrer in ihren Ledermonturen die Hitze aushielten. Er warf dem Besitzer des Vans einen fragenden Blick zu. Als dieser nickte, hob er seufzend die zerfledderte, karierte Fahne, die er irgendwann einmal auf einem Trödelmarkt erstanden hatte und gab das Startkommando.

»Auf die Plätze …«

Das Röhren und Knattern schwoll zu einem irren Surren an, das an einen herannahenden Bienenschwarm erinnerte. McLaird und Nash stichelten sich gegenseitig an, puschten sich allein durch ihre Blicke auf. Sie waren schon öfters Rennen hier draußen gefahren, sehr zum Missfallen von Nashs Frau. Dennoch ließ sich Calvin nicht davon abhalten, seinen Freund immer wieder aufs Neue herauszufordern.

»Andere treffen sich zu Pokerrunden und besaufen sich sinnlos in der Kneipe«, versuchte er stets, seine Frau zu beruhigen, wenn er ankündigte, dass wieder einmal ein Trip mit McLaird fällig war.

»Fertig …«

Der Rennleiter senkte die Fahne halb und wartete noch einen Augenblick ehe er sein kräftiges »Los!« in den sonnigen Nachmittag Kaliforniens rief.

Mit einem Ruck preschten die Zweiräder davon und hinterließen eine dichte Staubwolke, die den Rennleiter und den Mann am Lieferwagen vollständig einhüllte und die beiden zum Husten reizte.

»Der Teufel soll euch holen«, krächzte der Besitzer des Vans, obwohl er wusste, dass die beiden ihn unmöglich hören konnten.

Nash und McLaird rasten über den sandigen Boden und verlangten ihren Maschinen schon zu Beginn das Äußerste ab. Die schnelle und gefährliche Fahrt erstreckte sich über eine holperige Strecke auf der ein Schlagloch dem anderen folgte, ein Hügel dem nächsten vorausging und mittelgroße Steine und Findlinge auf dem Weg die Räder in brenzlige Situationen brachten.

Nash überholte seinen Freund und erreichte die nächste Kurve vor ihm. Er schwenkte sein Motorrad herum und sah beiläufig nach oben. Ohne Vorwarnung erzitterte sein Lenkrad. McLaird beobachtete, wie Nashs Maschine ins Wanken geriet. Er verlor die Kontrolle über das Zweirad und stürzte. Das Motorrad überschlug sich mehrere Male und blieb dann mit laufendem Motor auf dem Weg liegen. Nash befand sich zehn Meter vor seiner Maschine auf dem Boden und rührte sich nicht, als McLaird ihn erreichte. Simon sprang förmlich vom eigenen Motorrad, ließ es einfach in den Sand fallen und eilte zu seinem Freund.

»Calvin, alter Junge«, stieß Simon hervor und bettete den anderen in seine Arme. »Hey, Mann, du kannst hier doch nicht mitten in der Wüste abkacken. Du hast ein Rennen zu gewinnen!«

Er öffnete das Helmvisier und den Reißverschluss von Nashs Montur. Nashs Lider flattern und er schlug seine Augen auf.

»Dort …«, stammelte Calvin, hob einen Arm und deutete zitternd zum Himmel hinauf.

Simon runzelte verwundert die Stirn. Doch dann folgte er dem ausgestreckten Arm, blickte nach oben und blinzelte in die Sonne hinein. Ein dunkler Fleck hob sich vor dem lodernden Schein ab. Simons Augen verengten sich. Die Silhouette nahm zigarrenförmige Gestalt an. Für ein Flugzeug war das Objekt zu langsam. Es musste sich um einen Zeppelin handeln.

Irritiert sah Simon McLaird wieder seinen Freund an. »Du bist wegen eines Luftschiffs vom Motorrad gefallen? Wem willst du das denn erzählen?«

»Sieh genau hin, Alter«, forderte Calvin ihn auf. Er schien beim Sturz nicht ernsthaft verletzt worden zu sein, packte Simons Hände und zog sich an ihm hoch, bis er auf dem sandigen Boden zum Sitzen kam. »Sieh genau hin, Simon!«

McLaird rollte genervt die Augen, tat Nash dann doch den Gefallen und blinzelte abermals gegen die Sonne.

»Mein Gott!«, stöhnte Simon McLaird und ließ sich fassungslos in den Sand fallen. »Was ist das?«

Die schwarze Silhouette hatte sich genähert und stand nun in einem Winkel, aus dem sie besser zu erkennen war. Es war definitiv kein Luftschiff. Das zigarrenförmige Objekt glitt auf Simon und Calvin zu, verlangsamte und setzte zur Landung an. Mehr als die dunkle Außenhaut war nicht zu erkennen. Kein Fenster, keine Flügel.

Wie zum Teufel kann es fliegen?, wunderte sich McLaird, während er den Landeanflug des Objekts beobachtete. Er hatte die Spekulationen über geheime Projekte der Air Force mitverfolgt, doch im Allgemeinen nahm man an, dass sie auf dem Gelände von Dreamland getestet wurden – mehrere Hundert Meilen entfernt in der Wüste Nevadas.

»Die müssen sich verflogen haben«, meinte Nash, der wohl ähnlichen Gedanken nachgegangen war. »Machen wir, dass wir von hier verschwinden, ehe sie auf uns aufmerksam werden.«

Aus dem Rumpf schoben sich stelzenförmige Landestützen. Das Ding setzte etwa hundert Meter von Simon McLaird und Calvin Nash entfernt im heißen Wüstensand auf. Simon schätzte seine Länge auf vielleicht fünfzig Meter. Dass es sich tatsächlich nur um ein experimentelles Gefährt handeln konnte, bewies die senkrechte Landung, zu der nur Hubschrauber und Harrier in der Lage waren – dieses Flugzeug gehörte jedoch weder dem einen noch dem anderen Typ an.

Am Rumpf öffnete sich eine Luke, die vorher nicht erkennbar gewesen war. Ein halbes Dutzend Gestalten stürmten wie von Taranteln gestochen aus dem Inneren und machten sich an einer größeren Luke zu schaffen, die wohl zum Frachtraum führte. Die Männer und Frauen schienen Simon und Nash nicht zu beachten, sondern arbeiteten fieberhaft an der Öffnung. Eine Rampe schob sich aus dem Luftgefährt heraus. Die Leute in den braunen Overalls und schweren, schwarzen Stiefeln hetzten sie hinauf und bugsierten kurz darauf ein Fahrzeug aus dem Leib des Flugkörpers. Verblüfft stellte Simon McLaird fest, dass das sportwagenähnliche Vehikel keine Räder besaß, sondern einige Zentimeter über dem Boden in der Luft schwebte.

»Das gibt’s doch gar nicht«, murmelte er.

Nash stieß ihn an. »Los jetzt. Oder willst du irgendwo in den Bunkern der CIA, NSA, Air Force oder was weiß ich wem verschimmeln? Wenn die uns kriegen, dann bringen sie uns zum Schweigen, weil wir zum Sicherheitsrisiko geworden sind.«

»Du siehst zu viele schlechte Filme, Cal«, entgegnete Simon und beobachtete fasziniert das Schwebefahrzeug. Es hatte die schnittige Form eines Ferraris, war jedoch so groß wie eine moderne Großraumlimousine vom Typ eines Chrysler Voyagers. Zu beiden Seiten öffneten sich Flügeltüren und bis auf einen einzelnen Mann stiegen die anderen ein.

Ohne sicht- und hörbaren Antrieb setzte sich der Schweber in Bewegung und fegte über den Sandboden davon, eine kleine Staubwolke hinter sich aufwirbelnd.

»Beeindruckend«, sagte Simon.

Nash hatte sich erhoben, zerrte seinen Freund auf die Füße und riss sich den Helm vom Kopf. »Weg hier, Mac!«

Die beiden wandten sich ab, vergaßen ihre Motorräder und waren kurz davor, in blinder Flucht davonzulaufen, doch eine weiblich klingende Stimme hielt sie plötzlich zurück.

»Warten Sie!«, rief sie. Simon und Calvin verhielten im Schritt und drehten sich zu dem unbekannten Flugobjekt um. Von der Rampe glitt ein zweiter Schweber von ähnlichem Aussehen wie der erste. Der verbleibende Mann öffnete den Einstieg und verschwand hinter dem Steuer. Er blickte kurz in Simons und Nashs Richtung, sah dann aber ungeduldig zu der Frau, die noch in der Luke wartete und die beiden Freunde angesprochen hatte.

Simon McLaird hielt unwillkürlich den Atem an, als er sie sah. Ihr Antlitz schien von ätherischer Schönheit zu sein. Langes, silberfarbenes Haar fiel glatt auf ihre Schultern. Soweit es aus der Entfernung zu beurteilen war, besaß sie perfekte Formen, die durch die schwarze, eng anliegende Montur hervorragend betont wurden. Ihr Outfit mit den weißen, kniehohen Stiefeln stand im krassen Gegensatz zu den Overalls der Männer. Simon fragte sich, ob er es wirklich mit einer der hiesigen Staatsinstitutionen zu tun hatte, denn solche Uniformen hatte er noch nirgends gesehen.

»Wir tun Ihnen nichts!«, sagte die Frau mit sonorer Stimme.

Nash und Simon blickten sich verwirrt an. Noch immer war in ihnen der Drang wegzulaufen. Aber irgendetwas riet McLaird, dass dies nicht notwendig war und die Fremde die Wahrheit sprach.

Die Frau stieg aus der Luke und kam den beiden Freunden ein paar Schritte entgegen. Auf halber Strecke blieb sie stehen und bedeutete ihnen, zu ihr zu kommen. Wie automatisch setzte sich Simon in Bewegung und achtete nicht auf die Proteste Calvins. Als dieser sah, wie zwecklos es war, seinen Kumpel zurückhalten zu wollen, folgte er ihm fluchend.

Als sie der Frau direkt gegenüberstanden, revidierte McLaird sein bisheriges Urteil. Die Frau kam der Vorstellung von einem Engel recht nahe, auch wenn ihr Flügel und Heiligenschein fehlten. Ihr Gesicht war von makelloser Schönheit und in ihren grünen Augen lag eine Güte und Weisheit, wie sie Simon noch nie untergekommen waren.

»Hören Sie«, sagte die Frau. »Wir haben wenig Zeit. Jeden Moment kann das scardeenische Angriffsboot hier eintreffen und uns unter Beschuss nehmen. Bitte, steigen Sie in den Gleiter. Ich erkläre Ihnen später alles … wenn wir in Sicherheit sind.«

»Äh …«, warf Nash ein. »Ich gehe nirgendwo hin!«

»Sehen Sie, schöne Lady«, fügte Simon McLaird hinzu, »wir wissen weder, wer Sie sind, noch …«

Seine Worte wurden von einem schrillen Laut unterbrochen. Ein entfernt an einen Raubfisch erinnernder Körper flog in rasendem Tempo auf den ersten Schweber zu, der sich bereits mehrere Hundert Meter von ihrem Ausgangspunkt entfernt hatte. Ein grelles Lichtbündel traf den Gleiter und sprengte ihn in die Luft. Explosionsdonner hallte über die Hügel, und McLaird und Nash duckten sich instinktiv.

»Verflucht!«, keuchte Nash. »Das … das waren Ihre Leute!«

Die Frau nickte kurz betroffen, dann sah sie, wie der Raubfisch Kurs auf ihren jetzigen Standort nahm.

»Schnell!«, sagte sie. »Kommen Sie!«

Simon und Nash zögerten nicht länger. Sie rannten zu dem wartenden Schweber hinüber und sprangen hinein. Als auch die Frau auf dem Beifahrersitz saß, schlossen sich die Türen und der Gleiter fuhr an. Simon spürte die Beschleunigung kaum, sah jedoch mit wachsender Neugier, dass sie sich mit rasender Geschwindigkeit von dem gelandeten Flugzeug – oder was auch immer es darstellen mochte – entfernten.

Der Gleiter raste in Bodennähe über die Sanddünen hinweg. Von den Rücksitzen aus beobachteten Simon und Calvin, wie ein Lichtblitz aus dem Angriffsboot den Flugkörper der Fremden vernichtete. Die Druckwelle der Detonation erreichte den kleinen Gleiter und schüttelte ihn heftig durch, doch der Pilot brachte das Schwebefahrzeug wieder unter Kontrolle und beschleunigte es.

»Kurs 303!«, sagte die Frau mit Blick auf fremdartige Instrumententafeln. Neugierig beugte sich Simon vor und musterte die Sensortastenfelder und Displays, die alles andere als dem Chrysler-Standard entsprachen. Er wollte eine Frage stellen, schluckte sie aber angesichts der brenzligen Situation hinunter. Die Anspannung, die er von der Seite im Gesicht des Piloten erkennen konnte, mahnte ihn, die Leute erst einmal mit seinen Sprüchen zu verschonen.

Simon bemerkte, dass sie nun in die Richtung flogen, von wo aus sie mit den Motorrädern gestartet waren. Wenn der Raubfisch ihnen folgte, waren ihre Kumpel beim Van in Gefahr!

»Nicht dorthin!« Simons Blick starrte wie gebannt auf die Dünen.

»Warum nicht?«

»Unsere Freunde sind dort!«, antwortete Nash an Simons Stelle.

Die Frau drückte eine Taste, woraufhin sich der vordere Sitz um 180 Grad drehte, sodass sie nun den beiden Männern gegenübersaß.

»Wir haben keine andere Wahl. Dort liegen die Berge – unsere einzige Chance, dem Patrouillenschiff zu entkommen. Hier auf freiem Feld ist die Wahrscheinlichkeit zu überleben …«

Ein erneuter Blitz, dann eine Sandfontäne, die den Gleiter überschüttete.

»Er sitzt uns dicht im Nacken«, stellte der Pilot fest.

»Okay, Leute, der Spaß geht mir zu weit«, platzte McLaird mit einem Mal hervor. »Sagt mir, dass ihr aus Hollywood seid und hier nur einen neuen Science-Fiction-Film dreht, ja?«

»Simon, bist du verrückt?«, schnappte Nash.

»Festhalten!«, rief der Pilot und riss den Schweber scharf zur Seite herum. Die Insassen wurden durchgerüttelt und Nash stieß sich den Kopf an der Decke. Nur dank der Flugkünste des Piloten überlebten sie den nächsten Feuerstoß des Angreifers, der weit aufgeholt hatte. Der Schweber schlug Haken, umrundete eine Hügelkette und beschleunigte auf Höchstgeschwindigkeit. Simon erkannte keine Tempoanzeige, doch die unter ihm dahinsausende Landschaft sagte ihm, dass sie weit mehr als zweihundert Meilen die Stunde machten.

»Ich bin einen großen Bogen geflogen«, sagte der Pilot nach einer Weile. »Wir dürften jetzt nicht mehr auf Ihre Freunde treffen.«

Wieder flammte ein Lichtblitz auf, der diesmal den Gleiter streifte. Das Fahrzeug begann zu vibrieren. Der Geruch von verbranntem Kunststoff machte sich in der Kabine breit.

»Ich kann ihn nicht abschütteln«, keuchte der Pilot und flog den Schweber nun im Zickzackkurs.

»Da vorn sind die Berge«, sagte die Frau. »Durchhalten.«

»Oh Mann«, stöhnte McLaird. »Ich bin definitiv im falschen Film. Cal, nun sag du doch mal was.«

»Verlier jetzt bloß nicht die Nerven, Kumpel«, antwortete Nash. »Ich denke, wir beide haben eine vage Vorstellung, wer diese Leute sind und woher sie kommen. Und wenn du immer noch glaubst, sie wären von der Air Force, dann …« Nash ließ den Satz unvollendet.

Simon sog tief die Luft ein und nickte. »Genau das macht mir Angst«, sagte er leise.

Die Bergkette kam rasch näher, ebenso schnell wie die unaufhörlich abgefeuerten Lichtstrahlen, die den Schweber atomisieren sollten.

»Der hat uns gleich!«, stellte Simon McLaird resignierend fest.

»Jetzt!«, presste der Pilot hervor und ließ den Gleiter in ein Tal hineinjagen. Er durchflog einige Spalten und Hänge, nutzte einen Felsvorsprung aus, als der Raubfisch außer Sicht war, und drosselte dann hart die Geschwindigkeit. Der Schweber hing genau unter dem Felsen in der Luft. Das Summen seiner Antriebsaggregate verstummte. Einige Lichter und Displays auf dem Armaturenbrett erloschen. Atemberaubende Stille herrschte in der Kabine. Der Pilot spähte durch die Sichtfenster und trommelte nervös auf dem Steuerknüppel. Inzwischen hatte die Frau ihren Sitz in eine seitliche Lage gebracht, sodass sie sowohl nach vorn sehen als auch Simon und Calvin im Auge behalten konnte.

»Nun kommt schon«, flüsterte der Pilot. Und just in dem Moment, da er die Worte aussprach, fegte mit donnernden Triebwerken das Angriffsboot über sie hinweg und verschwand in der Weite des Gebirgszugs. Der Pilot atmete auf und ließ nun ebenfalls seinen Sessel elektronisch herumschwingen. Er sah Simon und Calvin an.

»Hier kriegen sie uns nicht.«

Nash stieß den angehaltenen Atem hörbar aus.

»So«, sagte Simon. »Ich glaube, Sie sind uns einige Erklärungen schuldig. Wer sind Sie? Woher kommen Sie? Und so weiter.«

Der Blick der Frau pendelte eine Zeit lang zwischen den beiden Freunden hin und her. Schließlich verharrte er auf McLaird, der sich mit einem Mal ziemlich unwohl in seiner Haut fühlte, als sie ihn so durchdringend musterte.

Ich hätte meine vorlaute Klappe halten sollen, dachte er. Nicht das erste Mal, dass ich damit auf die Schnauze falle.

»Mein Name ist Jee A Maru«, sagte die Frau dann, während sie Simon McLaird noch immer ansah. Sie nickte in Richtung des Piloten. »Mein Begleiter heißt Ken Dra. Und wie Sie sich bestimmt schon denken können, kommen wir nicht … von der Erde.«

Φ

Seine innere Ruhe überraschte ihn selbst. Vielleicht lag es an der sanften Stimme oder den unergründlichen Augen der Frau, die sich als Jee A Maru vorgestellt hatte, dass er nicht ausflippte. Er spürte förmlich, dass es Calvin Nash nicht anders erging. Aber möglicherweise schützte eine mentale Blockade seinen Verstand auch nur vor dem totalen Kollaps, verschonte ihn davor, das Gehörte auch nur im entferntesten Sinn zu begreifen.

Die Verschwörungstheoretiker sprachen im Zusammenhang mit einer UFO-Verschlusssache stets von der Bewahrung der Menschen vor einem Kulturschock. Simon McLaird verspürte nichts dergleichen. Er saß zwei außerirdischen Wesen gegenüber, die sich bisher durch nichts von den Bewohnern der Erde unterschieden, und glaubte ihnen jedes Wort. Die technischen Finessen ihrer Fahrzeuge, der Angriff des raubfischartigen Schiffes mit Strahlenkanonen sprachen für die Glaubwürdigkeit ihrer Geschichte. Und Jee A Marus natürliche Überzeugungskraft trug ein Übriges dazu bei.

Simon und Nash erfuhren, dass die Fremden aus einem weit entfernten Teil des gleichen Spiralarms kamen, in dem sich auch die Erde befand. Sie gehörten zu einem galaktischen Staatswesen, das von einem Wissenschaftsrat regiert wurde. Offenbar hatten sich bereits mehrere Dutzend Sonnensysteme dieser Regierung angeschlossen.

»Unser System ist eine reine Technokratie«, berichtete die schöne Außerirdische und verzog dabei die Mundwinkel, als würde ihr das bloße Aussprechen der Staatsform bereits ein Gefühl der Übelkeit bescheren. »Jegliche Art von Religion ist verpönt. Doch in der Kultur meines und Ken Dras Volkes wurzelt ein tiefer gehendes Weltbild, das nicht allein von Physik und Technik beherrscht wird. Unsere Vorväter mögen mir vergeben, wenn ich sage, dass es sicherlich ein Fehler war, sich je dem Rat von Scardeen anzuschließen. Seitdem er erfahren hat, dass unser Volk im Geheimen noch immer mystischen Riten nachgeht und okkulten Dingen huldigt, begann man mit den Strafaktionen.«

»Welche … Strafaktionen?«, fragte Simon und fuhr sich fahrig durch das kurze, braune Haar.

»Sie schickten ihre Stoßtrupps aus, nahmen ganze Familien gefangen und verschleppten sie von unserer Heimatwelt Prissaria«, sagte Ken Dra gepresst. »Niemand hat sie je wiedergesehen. Mittlerweile verfolgen die Scardeener uns, wo sie nur können, und schicken Strafexpeditionen auf unsere Welt. Noch trauen sie sich nicht, einen Krieg anzuzetteln, um nicht die anderen Kolonien gegen sich aufzubringen, aber ich bin sicher, dass Kampfhandlungen bald unausweichlich sein werden.«

»Hm«, machte McLaird und kratzte sich am Kinn. »Ihr habt also schon einigen Mist durchgemacht. Mit diesen … wie nennt ihr sie? Scara…?«

»Scardeener«, half Jee A Maru aus.

»… scheint nicht gut Kirschen essen zu sein. Und wie heißt euer Volk?«

»Wir sind Drahusem. Von einer kleinen, blauen Welt am Rande des Scardeenischen Reichs. Unser Planet ähnelt dem euren sehr.«

»Und das erklärt dann wohl, warum Sie uns auch so ähnlich sehen, oder?«, meldete sich Calvin Nash zu Wort.

Die Frau lächelte leicht. »Haben Sie denn andere Vorstellungen von Außenweltlern?«

»Oh, da fallen uns eine Menge ein«, zwinkerte Nash. »Kleine grüne Männchen. Tentakelbewehrte Monstren, wurmartige Parasiten – Sie sollten sich mal den Ideenreichtum unserer Literaten ansehen.«

»Soweit es unsere bisherigen Kontakte betrifft, waren alle raumfahrenden Völker humanoid. In unseren alten Schriften wird die humanoide Form als letzte Form vor dem kosmischen Übergang erwähnt. Wir haben versucht, anhand des universellen genetischen Codes aller Lebensformen und dem, was Sie unter Evolution verstehen, eine entsprechende These zu formulieren, sind aber bisher gescheitert.«

»Manche behaupten, Delfine wären die intelligentesten Lebewesen auf der Erde«, warf Simon ein, auch wenn er diese Meinung nicht unbedingt teilte.

»Eine tierische Lebensform?«, fragte Jee A Maru.

»Ja, sie leben im Wasser.«

»Möglich wäre es, dass sich verschiedene Spezies entwickeln, doch es wird sich stets jene weiterentwickeln, die ihre Umwelt technisiert, um eines Tages zu den Sternen aufzubrechen. Andere Kulturen gehen irgendwann mitsamt ihrer Welt unter, wenn der Zeitpunkt des Planetensterbens gekommen ist.«

»Planetensterben?«, wunderte sich Nash und verzog angeekelt die Miene. »Wieso gefällt mir dieser Begriff nicht und löst bei mir eine Gänsehaut aus?«

Ken Dra räusperte sich. »Wir bezeichnen damit das natürliche Ende einer jeden Welt. Hat eine Spezies es geschafft, ihrer Heimat zu entfliehen und sich woanders niederzulassen, dann überlebt sie. Unseren Erkenntnissen nach haben sich jedoch nur humanoide Kulturen interstellare Reisen zunutze gemacht. Deshalb bezeichnen wir die menschliche Form als universell.«

McLaird reckte sich ausgiebig in dem bequemen Sessel des Schwebers. Er war ein wenig verspannt, aber das war angesichts ihrer Lage auch nicht verwunderlich. Umso erstaunter war er, dass es ihm weiterhin so leichtfiel, die Worte der beiden Drahusem zu akzeptieren.

»Ihr Volk scheint noch keine interstellare Raumfahrt entwickelt zu haben«, stellte Ken Dra fest.

Calvin Nash verneinte. »Kaum jemand von uns glaubt ernsthaft daran, dass es draußen im All noch andere bevölkerte Planeten gibt. Na schön, möglicherweise glauben einige Leute daran, doch dass jemand tatsächlich die ungeheuren Strecken zurücklegen kann, ist für uns absurd … na ja, jetzt wo ich Ihnen gegenübersitze, muss ich meine Meinung wohl revidieren.«

»Mir ist eine Sache noch nicht ganz klar«, sagte McLaird. »Wie haben Sie unsere Sprache gelernt? Im Vorbeiflug? Oder wollen Sie mir jetzt erzählen, dass Sie und Ihre Leute uns schon seit dem UFO-Absturz von ’47 in Roswell beobachten?«

Jee A Maru hob die Brauen. Ihr Blick suchte Ken Dra, doch der Pilot zuckte nur die Achseln. Dann streckte sie ihre rechte Hand vor, auf deren Mittelfinger ein metallisch wirkender Ring steckte.

»Das hier ist unsere Möglichkeit zur Verständigung«, erklärte sie. »Der Ring empfängt die Gedankenimpulse von sprachbegabten Lebensformen und wandelt diese in verständliche Worte für uns um. Und natürlich für den Gesprächspartner. Eine Erfindung des Wissenschaftsrates.«