Jenseits der Harmonie - Harper Bliss - E-Book

Jenseits der Harmonie E-Book

Harper Bliss

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Beschreibung

Ihr Leben war eine Tragödie. Ihre Biografin eine zweite Chance. Als gefeierter Weltstar ist die Musikikone Izzy am Ziel ihrer Träume - bis der Verlust ihrer Stimme ihr Leben erschüttert. Der Musik beraubt, beschließt sie, allem ein Ende zu setzen. Doch dann steht plötzlich Leila vor ihrer Tür, die den Auftrag erhalten hat, Izzys Biografie als letztes Geschenk an ihre Fans zu schreiben. Zwischen den beiden Frauen entsteht eine überraschende Verbindung, und zum ersten Mal seit langem keimt Hoffnung in Izzy auf. Doch reicht dieser Funke aus, um sie zurück in ein erfülltes Leben und zu einer neuen Liebe zu führen? Denn von Izzys Entscheidung hängt nicht nur ihr eigenes Glück ab, sondern auch das von Leila…

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Seitenzahl: 376

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Inhaltsverzeichnis

Von Harper Bliss außerdem lieferbar

Kapitel 1

Der Brief

Kapitel 2

Der Brief

Kapitel 3

Der Brief

Kapitel 4

Kapitel 5

Der Brief

Kapitel 6

Der Brief

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Der Brief

Kapitel 13

Der Brief

Kapitel 14

Der Brief

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Epilog

Nachwort

Ebenfalls im Ylva Verlag erschienen

Über Harper Bliss

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Von Harper Bliss außerdem lieferbar

Wer verliebt sich schon in eine Prinzessin?

Küsse und Wellenrauschen

Ein Kuss wie kein zweiter

Vielleicht nur dieser eine Kuss

Eine Französin zum Küssen

Zwei Herzen allein, suchend, vereint

Die Erfahrung von Liebe

Ergreif die Sterne

Summer’s End: Eine lesbische Liebesgeschichte

Sommergeflüster zu zweit

Kaffee mit einem Schuss Liebe

Kapitel 1

In sechs Monaten werde ich tot sein. In 183 Tagen, um genau zu sein. Und ich kann es kaum erwarten. Aber fürs Erste tröstet mich schon der bloße Gedanke daran.

Ich starre auf meinen Monitor und der Cursor blinkt mir spöttisch vom weißen Hintergrund meines Word-Dokuments entgegen. Dies soll die erste von vielen Seiten werden. Doch so langsam, wie ich derzeit arbeite, müsste ich den Tag meines geplanten Ablebens eventuell doch etwas nach hinten verschieben, und das will ich nicht. Ich habe mich bewusst für dieses Datum entschieden – so bewusst, wie man einen solchen Tag nur wählen kann.

Einen Tag nach meinem sechzigsten Geburtstag werde ich mich von dieser Welt verabschieden. Doch wie sich herausgestellt hat, muss man etliches berücksichtigen, wenn man sterben will. Und ich will, dass alles bis ins letzte Detail geplant ist. Mein Perfektionismus wird mich bis zu meinem letzten Atemzug begleiten.

Das Problem ist, dass ich es nicht gewohnt bin, mich selbst um alles zu kümmern. Meine persönliche Assistentin Daisy organisiert alle meine Termine. Meine Köchin Rian versorgt mich mit fast allen Mahlzeiten. Mein Zuhause hier in New York unterliegt Harrys Obhut und mein Agent Ira hat in den letzten fünfunddreißig Jahren dafür gesorgt, dass jeder meiner Wünsche erfüllt wird. Doch von meinem größten Wunsch hat er noch keine Ahnung.

Wie erklärt man jemandem so etwas auch? Wenn es einen vernünftigen Weg gibt, habe ich ihn noch nicht gefunden. Und ich hatte eigentlich jahrelang Zeit, mir etwas einfallen zu lassen.

Es ist fast zehn Jahre her, dass mir der Gedanke erstmals in den Sinn gekommen ist. Anfangs nur flüchtig, als fürchte er sich davor, zu einer ausgewachsenen Idee heranzureifen. Es war die Ahnung einer Möglichkeit, die sich in unbedachten Momenten an mich herangeschlichen hat.

Es dauerte Monate, bevor sie es wagte, länger als eine Sekunde zu verweilen, und bevor ich es wagte, danach zu greifen und mich wirklich näher damit zu befassen. Es dauerte Jahre, bis ich mir sicher war, dass es das ist, was ich will.

Aber meine Gewissheit gilt eben nur für mich. Ich kann sie anderen nicht aufzwingen. Genau deswegen möchte ich sie in diesem Brief erklären, in dem ersten von vielen.

Mein liebster Ira, beginne ich.

Doch bevor ich weiterschreibe, muss ich entscheiden, ob ich ihn vorher ins Bild setze oder nicht. Davon wird schließlich abhängen, was in dem Brief steht, und darüber habe ich mir immer wieder den Kopf zerbrochen. Wenn ich ihm von meinem Plan erzähle, kann ich mir das Schreiben sparen, aber er wird versuchen, mir das Ganze auszureden. Oh ja, und wie er es versuchen wird.

Ira kennt mich besser als jeder andere, und er wird trotzdem mit aller Macht und seinem Einfluss, den er auf mich hat, versuchen, mich von meiner Entscheidung abzubringen. Auf solche Gespräche kann ich verzichten. Daher schreibe ich ihm lieber. Ich schätze, es muss noch nicht heute sein. Doch das habe ich mir gestern auch schon gesagt. Und vorgestern. Ich kann es nicht ewig vor mir herschieben.

Ich schließe das Dokument und werfe einen Blick auf die Liste mit den Namen der Menschen, die am 19. März 2021 einen Brief erhalten sollen. Wenn ich bedenke, welches Leben hinter mir liegt, hätte ich mehr Namen erwartet. Aber es stehen nur wenige auf der Liste.

Vielleicht sollte ich fürs Erste mit einem Brief an alle beginnen und die persönlichen Anmerkungen später hinzufügen, sobald ich das Wichtigste formuliert habe.

Mein Telefon klingelt. Es ist mein Privatanschluss. Nur eine Handvoll Leute hat diese Nummer, und die Anrufe laufen nicht erst über Daisys Apparat, sondern erreichen mich direkt.

Wenn man vom Teufel spricht: Es ist Ira.

»Izzy!« Er klingt atemlos. »Ich habe gerade erfahren, dass Bruce vom Pferd gefallen ist.«

»Wie bitte?« Bruce ist der Biograf, mit dem ich seit zwei Jahren an meinem finalen Projekt arbeite. Auch wenn er natürlich nicht weiß, dass es wirklich mein allerletzter großer Auftritt ist.

»Es sieht übel aus. Er liegt im Koma.«

»Oh nein.« An einem schlechten Tag hätte ich Bruce heimlich als verfluchten Glückspilz bezeichnet. »Wird er wieder?«

»Ich weiß es nicht. Das kann man noch nicht sagen. Aber …« Ich kenne Ira. Die Rädchen in seinem Gehirn stehen niemals still, und das Geschäft kommt immer an erster Stelle. Deshalb zahle ich ihm schließlich seine fünfzehn Prozent. »Ich habe mit dem Verleger gesprochen. Sie haben jemanden, der einspringen kann.«

»Soll das ein Witz sein?«

»Das Buch ist so gut wie fertig, Izzy. Das gesamte Material ist da.«

Ich atme geräuschvoll aus und achte darauf, dass Ira mein widerwilliges Seufzen hören kann. »Wen schlagen sie vor?«

»Leila Zadeh.« Seinem Tonfall nach sollte ich beeindruckt sein.

Ich denke scharf nach. Ich habe den Namen schon mal gehört, kann ihn aber nicht zuordnen.

»Sie schreibt viel für den Metropolitan«, erklärt Ira.

»Aber wir können Bruce nicht ersetzen. Dafür ist das Projekt schon zu weit fortgeschritten.«

»Ich weiß. Du hast recht.« Das ist Iras Lieblingssatz. »Triff dich doch einfach mit ihr. Schau mal, ob ihr euch versteht. Ganz formlos und ohne Druck.«

Ohne Druck? Von wegen.

»Ich weiß nicht, Ira.«

Die Sache mit der Biografie hat mich von Anfang an nicht ganz überzeugt. Ich mag es nicht, wenn jemand so tief in meinem Leben herumwühlt, und habe mich nur wegen meines geheimen Plans darauf eingelassen. Denn wenn meine Biografie erscheint, werde ich längst tot sein. Ira hat mich dazu überredet, indem er mir das Ganze als eine Art Vermächtnis verkauft hat.

Und Bruce ist ein sehr angenehmer Zeitgenosse. Man kann gut mit ihm reden und er neigt nicht zu Unterstellungen. Er hat mich nie bedrängt, und am Ende hat ihn seine zurückhaltende Arbeitsweise ans Ziel geführt. Armer Bruce. »In welchem Krankenhaus liegt er? Ist er bestmöglich versorgt?«

»Natürlich«, erwidert Ira ruhig. »Wir können ihn besuchen, sobald sie es uns erlauben.«

»Schick mir die Unterlagen von dieser … Wie heißt sie noch? Dann überlege ich es mir.«

»Schon unterwegs.« Er schweigt kurz. »Alles in Ordnung, Izzy?«, fragte er schließlich.

»Ich habe so viel Zeit mit Bruce verbracht und hatte keine Ahnung, dass er reitet.«

»Hm.« Ich höre ihn schlucken. »Es war sein Job, alles über dich herauszufinden. Nicht andersherum.«

Eine Minute nachdem wir uns verabschiedet haben, erinnert mich mein Handy daran, dass es Zeit für mein Work-out ist. Zeit für die heiße Trainerin in meinem virtuellen Fitnessstudio. Ramona ist der einzige Grund, warum ich mich jeden Tag einlogge. Ramona selbst und die süchtig machende Mischung aus Endorphinen und Erregung, die sie in mir auslöst.

Nach den schlechten Neuigkeiten brauche ich eine Ablenkung. Doch der Hinweis, der in diesem Moment auf meinem Bildschirm erscheint, kündigt das Eintreffen einer neuen E-Mail an. Sie stammt von Ira, Betreff Leila Zadeh.

Das muss alles warten, bis Ramona mich zum Schwitzen gebracht und mir beim Vergessen geholfen hat.

Der Brief

Meine lieben Freunde,

anfangs wird es euch sicher schwerfallen, aber ich bin mir sicher, dass ihr irgendwann verstehen werdet, warum ich diesen Weg beschritten habe. Vielleicht nicht bis ins letzte Detail, und vielleicht nicht auf dieselbe Weise, wie ich gespürt habe, dass dies der einzige Ausweg für mich ist. Aber ihr werdet es irgendwann verstehen. Deshalb schreibe ich euch diesen Brief.

Ich habe sehr lange über diesen Schritt nachgedacht. Über viele Jahre. Ich habe mir die Entscheidung, mir das Leben zu nehmen, nicht leicht gemacht, da dürft ihr euch ganz sicher sein. Ich habe mich intensiv damit auseinandergesetzt und jede mögliche Alternative überdacht. Aber seien wir ehrlich: Zwischen Leben und Tod gibt es nicht viel. Wobei das vielleicht gar nicht stimmt. Der Tod hat nur ein Gesicht, das Leben dagegen hat viele.

Man kann das Leben mit aller Macht umarmen, wie es bei dir der Fall ist, Ira. Du packst jeden Stier bei den Hörnern, lässt dich auf jede Herausforderung ein, egal, wie viel sie dir abverlangt, und stellst dich ihr mit vollem Einsatz. Ich liebe diese Eigenschaft an dir, aber für mich kommt sie nicht infrage. Seit der Operation ist meine Bereitschaft, mich in dieser Form auf das Leben einzulassen, nur noch sehr gedämpft vorhanden, anfangs war ich sogar eher depressiv, aber das hat sich mit der Zeit gelegt.

Ich möchte euch wissen lassen, dass ich meine Entscheidung nicht aus einer Depression heraus treffe. Als ich wirklich Depressionen hatte, bin ich zu Dr. March gegangen und er hat mir hindurchgeholfen. Darum geht es hier also nicht. Dies ist die bewusste Entscheidung gegen das Leben und für den Tod.

Ich habe ein privilegiertes, wundervolles Leben geführt, von dem viele als Kind träumen. Es war wirklich ein Wunder. Es ist unglaublich, wie sich alles für mich gefügt hat, als ich noch jung war. Ja, es gab Druck und der Ruhm bringt seine eigenen Hürden und Herausforderungen mit sich. Aber es war fantastisch. Wenn ich religiös wäre, würde ich behaupten, dass ich gesegnet war. Und dabei bleibt es, egal, was passiert ist.

Gerade wegen all meiner wunderbaren Erlebnisse kann ich mit so großer Entschlossenheit sagen, dass es für mich nun genug ist. Ihr denkt vielleicht, dass ich nicht das Recht habe, so etwas zu entscheiden, aber ich bin anderer Meinung.

Dies ist mein Leben. Warum sollte ich damit nicht tun, was ich möchte, selbst wenn das bedeutet, es vorzeitig zu beenden? Abgesehen davon kann man mein Leben kaum als kurz bezeichnen. Manche sagen vielleicht, dass sechzig kein Alter ist, um abzutreten. Aber ich habe manchmal das Gefühl, dass ich in diesen sechzig Jahren viele Leben geführt habe. Das der Sängerin – allein dadurch habe ich mehr als genug erlebt. Und dann das der Frau, die ich nach dem Ende meiner Karriere wurde. Alles in allem war es eine verrückte, hektische und oft wilde Reise. Eine Reise, von der ich dennoch genug habe.

Kapitel 2

Als es klingelt, geht Harry – er besteht darauf, dass ich ihn als meinen House Manager bezeichne – zur Tür, um Leila Zadeh hereinzulassen. Ich habe mir das Material von Ira angesehen und mich schließlich bereit erklärt, mich mit ihr zu treffen. Ich möchte wenigstens die Möglichkeit haben, meine Biografie doch noch zu beenden.

Die Uhr tickt. Noch 180 Tage.

Ich habe den beigelegten Fotos entnommen, dass Leila Zadeh ein Glamourgirl ist, und mich entsprechend angezogen: ein cremeweißer Hosenanzug, glänzende Ohrringe, sogar ein bisschen Lippenstift. Aber als Harry und Leila ins Wohnzimmer kommen, stehe ich einer Frau in Jeans und einer locker sitzenden Bluse gegenüber.

»Miss Adler.« Sie schenkt mir ein breites Lächeln. »Es ist mir eine Ehre, Sie kennenzulernen.«

Da ist sie wieder, die Ehrerbietung, in der ich mich früher gesonnt habe. Inzwischen verabscheue ich sie, weil ich genau weiß, wie wenig sie wert ist. »Ebenso.« Ich gebe ihr die Hand. Sie hat einen festen Griff. Kein Anzeichen von Nervosität in Form von feuchten Handflächen.

»Was für ein großartiges Haus.« Leila hat ihre tiefschwarzen Haare zu einem festen Knoten gebunden und auch ihre Augen sind kohlrabenschwarz. Ihr Lippenstift ist feuerrot. »Und Sie sehen natürlich umwerfend aus.«

Ach du liebe Zeit. Jetzt reicht es aber mit der albernen Schmeichelei. Hat Ira sie nicht gebrieft? Vielleicht doch, und Leila hat sich entschieden, seinen Ratschlag zu ignorieren. Wer weiß? Vielleicht meint sie es sogar ernst. Aber umwerfend ist schon lange kein Begriff mehr, den ich mit mir in Verbindung bringe. Wahrscheinlich, weil umwerfende Menschen meistens nicht dazu neigen, sterben zu wollen.

»Kann ich Ihnen etwas zu trinken anbieten? Kaffee? Tee? Oder auch etwas Stärkeres?«

»Was immer Sie trinken.« Sie wirft einen Blick auf das Cocktailglas auf dem Couchtisch.

Erwischt. Andererseits ist es irgendwo auf der Welt immer spät genug für einen Amaretto Sour. Ich nicke Harry zu, der sich hastig aufmacht, um meinem Gast ihren Drink zu mixen.

Wir setzen uns und ich betrachte Leila Zadeh noch einmal in Ruhe. Laut ihrem Lebenslauf ist sie neunundfünfzig Jahre alt, genau wie ich. Sie hat eine üppig geschwungene Figur. Ihre Haut hat einen warmen Goldbraunton, und sie scheint immer zu lächeln. Elegant schlägt sie die Beine übereinander.

»Ich freue mich wirklich sehr, dass Sie bereit sind, sich mit mir zu treffen. Bruce’ Unfall war ein Schock.«

»Kennen Sie ihn gut?« Ich mustere sie weiter. Sie hat zahllose Fältchen um die Augen, wahrscheinlich, weil sie so viel lächelt.

»Ziemlich gut, ja. Wir haben schon oft zusammengearbeitet. Ich bin, ähm, mit Ihrem Projekt vertraut.«

»Sind Sie das?« Ich ziehe die Augenbrauen hoch. Mir ist klar, dass Leila viel mehr über mich weiß als ich über sie. Das ist fast immer der Fall, wenn ich jemanden kennenlerne.

»Sagen wir, ich habe mich in den letzten Tagen sehr intensiv mit dem Thema Isabel Adler beschäftigt.« Sie wirft mir einen freundlichen Blick zu. »Ihre Geschichte ist faszinierend, und das ist noch eine Untertreibung.«

Harry klopft leise, dann betritt er mit einem Tablett das Zimmer. Er reicht Leila ihren Drink und zwinkert mir kurz zu, bevor er geht.

Vielleicht sollte ich Harry auch einen Brief zukommen lassen. Er arbeitet noch nicht lange für mich, aber ich habe ihn wirklich gern. Außerdem führt er sich nicht auf, als hätte er einen Besen verschluckt, wie es bei meinem vorherigen House Manager der Fall war. Er nimmt weder seine Arbeit noch sich selbst zu ernst und verbreitet damit eine Leichtigkeit, die dieses Haus meistens bitter nötig hat.

»Sie haben sich also schon in Bruce’ Notizen eingelesen?« Leila klingt, als wäre es längst beschlossene Sache, dass sie das Projekt übernimmt.

»Notizen?«, wiederholt sie. »Ich habe von seinem Lektor viel mehr bekommen als nur ein paar Notizen. Der erste Entwurf ist praktisch fertig. Nur die letzten Kapitel fehlen.«

Also hat Bruce mich hingehalten. Bei unserem letzten Gespräch hat er behauptet, dass er langsam, aber sicher vorankäme. Vielleicht wollte er erst die letzten Kapitel schreiben, bevor er sein Werk mit mir teilt. Sie betreffen die letzten und elenden zehn Jahre meines Lebens und mir ist bewusst, dass ich Bruce einen viel zu kleinen Einblick in meine Gefühlswelt gegeben habe. Aus dem, was er weiß, konnte er bislang kaum eine stimmige Geschichte schreiben. Zumindest nicht, ohne etwas zu erfinden oder mir Gefühle anzudichten, die ich vielleicht nie hatte.

Ich habe ihn in den letzten Monaten ziemlich zur Verzweiflung getrieben, das ist mir klar. Ich habe mich ganz langsam darauf vorbereitet, ihm von der schwersten Zeit meines Lebens zu erzählen – und nun müssen wir ihn ersetzen.

»Ich wundere mich ein bisschen, Miss Zadeh.« Laut ihren Unterlagen ist sie nicht verheiratet. »Ich dachte, Ihr Besuch heute ist eine Art … Vorstellungsgespräch.« Mir ist bewusst, wie herablassend das klingt. Es ist ein Test, auch wenn meine Bemerkung der Wahrheit entspricht. »Bei Ihnen dagegen klingt es, als wäre es eine Selbstverständlichkeit, dass Sie meine Biografie schreiben dürfen.« Wer hat ihr eigentlich Bruce’ Manuskript gegeben? Ich muss Ira danach fragen, wenn Leila weg ist. Dieses Buch enthält schließlich sehr persönliche Informationen über mein Leben.

»Oh.« Sie öffnet überrascht ihre perfekt geschminkten Lippen. »Nun, ich bin es eigentlich nicht mehr gewohnt, mich um einen Job zu bewerben. Normalerweise werde ich gebeten, ein Projekt zu übernehmen.«

Ich kann nicht anders als zu lächeln. Leila Zadeh lässt sich nicht so leicht aus der Ruhe bringen. Das gefällt mir schon mal.

»Ich habe Ihren Lebenslauf gelesen, sehr beeindruckend.« Ich fixiere sie und versuche, mich unnahbar zu geben. In Wirklichkeit bin ich jedoch eher amüsiert. »Allerdings habe ich das Gefühl, dass wir beide nicht wirklich auf demselben Stand sind. Sie wissen alles, was ich Bruce über mich erzählt habe. Aber ich kenne nur Ihre beruflichen Erfolge.«

Sie nimmt einen Schluck von ihrem Drink, bevor sie vorsichtig das Glas absetzt und einladend die Hände öffnet. »Ich bin ein offenes Buch für Sie, Miss Adler. Sie können mich fragen, was immer Sie wollen.«

»Ich wusste nicht mal, dass Bruce reitet. Aus irgendeinem Grund fühle ich mich deshalb schuldig.« Ich schüttele den Kopf und trinke ebenfalls einen Schluck. »Ich habe ihn nie gefragt, was er so macht. Er ist nicht der Typ Mensch, bei dem man auf die Idee kommt, ihn nach seinem Leben zu fragen.«

Saubere Leistung, Izzy. Wenn ich zu verstehen geben wollte, dass mich Bruce’ Privatleben kein Stück interessiert hat, hatte ich garantiert Erfolg.

Doch Leila nickt, als hätte sie genau verstanden, was ich ausdrücken will. »Er ist eher jemand, der im Hintergrund bleibt. Nach allem, was ich von ihm gelesen habe, scheint das für ihn gut zu funktionieren.«

Ich lache in mich hinein. Diese verflixten Journalisten. Sie führen dich an der Nase herum, bis sie alle deine schmutzigen Geheimnisse kennen. »Und wie gehen Sie solche Projekte an?«

»Ich bin etwas … direkter.« Um ihre Mundwinkel zeigt sich ein Lächeln. »Etwas präsenter.« Das glaube ich angesichts ihres Lippenstifts sofort.

»Falls Sie das Projekt übernehmen …« Ich kann nicht anders. Es ist, als würde mich etwas zwingen, sie von oben herab zu behandeln. Ich verstehe es selbst nicht. »Wie würden Sie vorgehen?«

Ihr breites Lächeln betont die winzigen Fältchen ihrer Haut. »Ich würde versuchen, die Lücken zu füllen.« Sie sieht mir direkt in die Augen. »Ich würde Sie fragen, wie Sie Ihre Stimme verloren haben.«

Rums. Leila Zadeh redet nicht um den heißen Brei herum. Damit ist sie das genaue Gegenteil von Bruce.

Ich nicke und greife nach meinem Glas. Heutzutage kann ich trinken, so viel ich will. Schließlich gibt es keinen Grund mehr, meine Stimme zu schonen. Und darauf, dass meine Leber noch über Jahrzehnte zuverlässig meinen Körper entgiftet, bin ich auch nicht angewiesen.

»Nachdem wir uns etwas besser kennengelernt haben, versteht sich.« Sie legt den Kopf schief. »Tatsächlich würde ich Sie gern zu mir zum Abendessen einladen, damit wir uns ein bisschen aneinander gewöhnen können. Es geht schließlich um ein großes Projekt, das ich mit Sicherheit nicht unterschätzen werde, nur weil ich erst so spät dazugestoßen bin.« Sie verengt die Augen. »Bei der Gelegenheit haben Sie dann auch die Chance, mir auf den Zahn zu fühlen.«

Ein Abendessen bei ihr zu Hause? Wovon redet sie da? Ich bin nicht darauf aus, neue Freundschaften zu schließen. Vor diesem Termin war ich allenfalls halbherzig daran interessiert, meine Biografie zu beenden. »Das ist wirklich nicht nötig, Miss Zadeh.«

»Bitte nennen Sie mich Leila.« Sie senkt die Stimme, bis sie tief und warm klingt. »Und ich wünschte, Sie würden meine Einladung annehmen. Lassen Sie sich ruhig Zeit. Aber mein Bauchgefühl sagt mir, dass wir dieses Projekt zusammen zum Erfolg führen können.« Sie zögert kurz und streicht sich mit der Zunge über die Unterlippe. Dann greift sie nach ihrem Glas. »Und bringen Sie mir bitte das Rezept mit.« Sie seufzt auf. »Einfach köstlich.«

Im Gegensatz zu Bruce’ leiser Zurückhaltung sind Leilas Mittel der Wahl Mut und Charme, und ich kann mich dem tatsächlich nicht ganz entziehen. Im Gegenteil. Ihr Respekt zu Beginn war vielleicht nur ein Trick oder auch eine Angewohnheit. Oder sie ist davon ausgegangen, dass ein bisschen Theater nötig ist, um einen Fuß in die Tür zu bekommen.

Was sie jetzt wohl von mir hält? Ich habe inzwischen mehr Fragen als zu Anfang unseres Gesprächs.

»Ich werde mich bei Ihnen melden. Zuerst muss ich mit meinem Agenten sprechen.«

Sie verlagert das Gewicht, öffnet die Beine und schlägt sie andersherum wieder übereinander. »Sehen Sie, Miss Adler –«

»Isabel bitte.«

»Isabel.« Ihr dunkler Blick ist ein wenig beunruhigend. »Ich kenne mich mit Verlusten aus. Ich glaube, ich kann Ihrem Schmerz eine Stimme geben.«

Sie ist so direkt, dass ich froh bin, dass ich schon sitze. Ich bin es nicht gewohnt, dass man so mit mir spricht. Nur Vivian und Ira reden so unverblümt mit mir, und die beiden kenne ich seit Jahren. Leila dagegen ist gerade erst hereingeschneit.

»Wir werden sehen«, erwidere ich gereizt. Noch habe ich schließlich nicht entschieden, ob ich mit ihr arbeiten möchte, und noch muss ich ihr auch nicht zeigen, was ich empfinde. Doch zugegebenermaßen ist die Vorstellung, sich einer Frau wie Leila zu öffnen, nicht ohne Reiz.

»Sie melden sich wegen des Abendessens?« Sie erhebt sich aus dem Sessel, in dem Bruce Stunden verbracht hat. »Rufen Sie mich an, schreiben Sie mir eine Nachricht oder eine E-Mail. Was immer Ihnen recht ist.«

Da ich noch sitze, sieht sie auf mich herab. Doch als ich aufstehe, überrage ich sie um ein paar Zentimeter . Ich bin und war schon immer die größte Frau im Raum.

Sie reicht mir die Hand und ich schüttele sie. Ihre Handflächen sind immer noch trocken.

Der Brief

Nicht mehr singen zu können, ist keine tödliche Krankheit. Nicht wie Krebs oder wie die vielen anderen Erkrankungen, die irgendwann das Herz stillstehen lassen. Aber ihr müsst verstehen, dass sich die jahrelange Unfähigkeit, zu singen, für mich angefühlt hat, als würde ich langsam sterben. Vielleicht ist es falsch, diesen Zustand auf eine Stufe mit einer tödlichen Krankheit zu stellen, aber so habe ich es nun mal empfunden. Es war, als würde ein Teil von mir sterben. Und wenn ein Teil schon so weit ist, warum soll ich nicht ganz gehen?

Ehrlich gesagt habe ich das Gefühl, dass ich nichts mehr habe, wofür es sich zu leben lohnt. Bitte nehmt das nicht persönlich, auch wenn das wahrscheinlich kaum möglich ist. Ihr sollt wissen, dass ich euch alle liebe und dass ihr mir viel bedeutet. Aber das heißt nicht, dass ich mein Leben nur für euch weiterführen kann.

Mir ist bewusst, dass dieses Thema ein großes Tabu ist, und ich habe alles getan, damit ihr nicht allzu sehr unter den Folgen leiden müsst. Ich habe mich um alles gekümmert, um wirklich alles, was mir eingefallen ist. Um jedes Szenario und jede Frage, die im Nachhinein im Raum stehen könnten.

Ich habe klare Anweisungen hinterlassen, was nach meinem Tod geschehen soll. Mit anderen Worten: was zu tun ist, wenn ihr diesen Brief lest.

Natürlich werdet ihr trauern. Das ist normal. Vielleicht bricht es euch sogar für eine Weile das Herz. Es tut mir leid, dass ich euch das zumuten muss. Aber denkt immer daran: Ich habe mich bewusst für diesen Weg entschieden. Ich hatte einfach nicht mehr genug Leben in mir, um jahrzehntelang so weiterzumachen. Ich habe keine Freuden mehr gesehen, die ich genießen und entdecken könnte.

Tatsächlich hat mir in den letzten Jahren nichts mehr Freude gemacht, als diesen Plan zu entwickeln. Den Plan für meinen Tod. Die Erleichterung, ihn zu haben, war riesig. Es ist nicht so, dass ich keine Zweifel gehabt hätte. Natürlich hatte ich die. Deshalb habe ich mir auch Zeit gelassen, um alles gründlich zu überdenken und aus jedem Blickwinkel zu betrachten. Damit ihr euch sicher sein könnt, dass ich keine spontane Entscheidung getroffen habe.

Kapitel 3

»Sie hatte sogar schon den ersten Entwurf gelesen.« Ich werfe Ira einen prüfenden Blick zu. Mir fällt auf, dass er genauso aussieht wie vor fünfunddreißig Jahren. Dabei muss er sich verändert haben. Sein Haaransatz muss zurückgewichen sein, denn er ist inzwischen fast kahl. Aber wenn man jeden Tag mit jemandem zusammen ist, entgehen einem selbst einschneidende Veränderungen. »Ich wusste nicht mal, dass es so etwas wie einen ersten Entwurf gibt.«

Ira winkt ab. »Sie haben im Verlag bestimmt nur schnell etwas zusammengestellt, als sie von Bruce’ Unfall erfahren haben. Irgendeinen Notfallplan. Vergiss nicht, dass wir einen Vertrag mit ihnen haben, und das Buch ist nächstes Jahr eine ihrer wichtigsten Veröffentlichungen.«

»Scheiß auf den Vertrag. Wenn nötig, zahle ich sie aus.«

»Meinst du, Leila ist für den Job geeignet?« Wie üblich ignoriert Ira mein divenhaftes Verhalten einfach.

»Sie geht jedenfalls fest davon aus.«

»Sag einfach Ja oder Nein, Izzy.«

»Ich habe mich noch nicht entschieden. Sie hat mich zum Essen eingeladen.«

Er pfeift durch die Zähne. »Gehst du hin?«

»Ich weiß es nicht.« Im Stillen habe ich mich längst entschieden, aber ein Teil von mir scheint noch nicht bereit, es zuzugeben.

»Ich finde, du solltest es tun.« Natürlich will Ira, dass ich gehe. In letzter Zeit verdient man als Isabel Adlers Agent nicht mehr gut. Doch er ist klug und hat seine Schäfchen vor langer Zeit ins Trockene gebracht. Nur können Männer wie er nie genug Geld auf der Bank liegen haben und die Vorstellung, noch mehr anzuhäufen, ist der Grund, warum er morgens aufsteht. »Und zwar nicht aus den Gründen, an die du gerade denkst.« Er zieht eine Augenbraue hoch, als würde er mich auffordern, nachzuhaken. Nach allem, was wir miteinander erlebt haben, ist Ira eher ein Freund als ein Agent. Das muss ich ihm lassen.

»Sondern?« Ich lächele ihm zu, und er rückt seine Brille zurecht. Er trägt wie üblich ein marineblaues Polohemd, dessen Ärmel eng am Oberarm anliegen.

»Es ist eine Gelegenheit, aus dem Haus zu kommen.« Er sieht sich um. »Versteh mich nicht falsch. Dein Haus ist wunderbar, aber musst du denn dauernd hier sein?«

»Ich gehe oft aus.« Das ist gelogen und wir wissen es beide.

»Okay, sicher. Wenn das so ist, warum kommst du nicht zu mir ins Büro, wenn du mich das nächste Mal persönlich sprechen willst? Wenn du so viel unterwegs bist, sollte das doch kein Problem sein.«

»Lass den Mist, Ira.«

Er zuckt mit den Schultern. »Dachte ich mir.«

»Ich gehe ja hin.«

Ich lasse es klingen, als würde ich Leilas Einladung nur annehmen, um meinen leidgeplagten Agenten glücklich zu machen. In Wirklichkeit gefällt mir Leila recht gut, nachdem ich eine Nacht darüber geschlafen habe. Von ihr geht eine fesselnde Energie aus, die den ganzen Raum erfüllt. Ihr dunkler Blick hat etwas leicht Hypnotisches. Und ich habe mich innerlich schließlich schon darauf vorbereitet, Bruce in aller Kürze und Härte von den letzten zehn Jahren meines Lebens zu erzählen. Ich weiß zwar noch nicht, ob ich auch mit Leila darüber sprechen kann – vielleicht lässt mich meine Stimme wieder im Stich –, aber ich habe nichts gegen einen Versuch einzuwenden.

An diesem Punkt meines Lebens, mir bleiben nur noch 179 Tage, habe ich buchstäblich nichts mehr zu verlieren. So ist das nämlich, wenn man sich entscheidet, sich das Leben zu nehmen: Die alten Sorgen verlieren an Bedeutung.

Letztendlich ist es mir egal, was Leila Zadeh von mir hält. Es interessiert mich nicht mehr, was jemand von mir denkt. Ob man mich bemitleidet, mir einen Tritt in den Hintern geben will oder vergessen hat, dass es mich überhaupt gibt. Das ist alles nicht wichtig. Denn in weniger als sechs Monaten werde ich tot sein.

»Ok. Evie hat nur Gutes über sie erzählt«, erklärt Ira. Evie ist seine neue Assistentin. Andererseits muss sie schon eine ganze Weile bei ihm sein, wenn ich mich an ihren Namen erinnern kann. »Zadeh hat für ihren Bericht über das geschlechtsspezifische Lohngefälle am Theater den Pulitzerpreis bekommen.«

»Ich weiß.« Ich habe sechsunddreißig Grammys gewonnen, die mir nicht das Geringste bedeuten. Oder waren es siebenunddreißig? Ich weiß es nicht genau. Das klingt eingebildet und das ist es auch. Aber manches ist nun mal, wie es ist, und meistens aus gutem Grund.

»Sag mir Bescheid, wie es gelaufen ist. Das Buch wird einschlagen wie eine Bombe. Die Leute können es nicht erwarten, etwas von dir zu hören.« Eigentlich neigt Ira nicht dazu, mich so offen unter Druck zu setzen. Er gehört eher zu den Menschen, die einen heimlich, still und leise manipulieren.

»Hast du irgendwelche Hintergedanken, von denen ich nichts weiß?«, frage ich.

Er schüttelt den Kopf, doch dann stutzt er. »Ehrlich gesagt doch.« Er nimmt die Brille ab. »Du hast dich in letzter Zeit verändert, aber ich weiß nicht, wie ich es in Worte fassen soll. Jedenfalls hoffe ich, dass … irgendwie der Funke überspringt, wenn du mit jemand Neuem arbeitest.«

»Was für ein Funke soll das sein?« Schon seltsam, dass er ausgerechnet dieses Wort benutzt. Mit einem Funken habe ich immer das Gefühl in Verbindung gebracht, auf der Bühne zu stehen. Und genau auf diesen Funken der Vitalität muss ich seit fast zehn Jahren verzichten.

»Manchmal ist das eben so, wenn man jemanden neu kennenlernt«, sagt er vage.

»Oh, richtig. Was das angeht, bist du natürlich Experte. Was für Funken hat Evie denn in dir entzündet, als du sie zum ersten Mal getroffen hast?« Ich werfe ihm einen spöttischen Blick zu. Ich war für Ira nie eine einfache Klientin, nicht mal, als er jedes Jahr Millionen an mir verdient hat. Obwohl die ihn sicher gut über die Bauchschmerzen, die ihm meine Eskapaden beschert haben, hinweggetröstet haben.

»Einige.« Ich mochte Iras Humor schon immer. Wahrscheinlich habe ich ihn aus diesem Grund so lange bei mir behalten. Wir werden uns beide jetzt nicht mehr ändern. Aber ich bin froh, dass Ira den Funken noch spürt. Früher habe ich ihn darum beneidet, das ist nun vorbei. »Und es ist herrlich.«

»Ich halte dich auf dem Laufenden, aber erwarte nicht zu viel Funkenflug, okay?«

»Zumindest sieht sie besser aus als Bruce.« Ira legt ein Lächeln auf. »Wobei man natürlich nicht schlecht von jemandem reden sollte, der so schwer verletzt ist.« Wir haben gestern erfahren, dass Bruce aus dem Koma aufgewacht ist. Aber es wird wohl lange dauern, bis er sich erholt hat.

Um ehrlich zu sein, habe ich nie darüber nachgedacht, ob Bruce gut aussieht oder nicht. Das sagt wahrscheinlich auch schon alles. Leilas Schönheit dagegen ist ziemlich offensichtlich. Oh oh. Mir dämmert etwas.

»Könnte es sein, dass du bei ihrer Wahl die Finger im Spiel gehabt hast?« Ich behalte Ira genau im Auge, vielleicht verrät ihn seine Reaktion.

Er hebt die Hände. »Nein, das würde ich dir sagen. Sie war schon vor zwei Jahren in der engeren Auswahl, bevor wir uns für Bruce entschieden haben.«

»Bitte was?« Daran würde ich mich bestimmt erinnern. Es sei denn, man hätte es mir verheimlicht.

»Oder vielleicht hatten wir sie auch nur anfangs auf der Liste und sie hatte anderweitig zu tun. Ich weiß es nicht mehr. Aber falls du es wissen willst, kann ich nachschauen.«

Ich winke ab, es ist nicht weiter wichtig. Mein Handy summt, um mich an meinen täglichen Termin zu erinnern. Zeit für Ramona.

Gefühlt brauche ich sie heute mehr als sonst. So, als hätte ich zusätzliche Energie, die verbrannt werden will, und ich weiß schon jetzt, dass ich mir gleich besonders viel Mühe geben werde.

Ich verabschiede mich von Ira und lasse ihn von Harry hinausbegleiten. Bevor ich meine Sportsachen anziehe, schreibe ich Leila, dass ich ihre Einladung annehme.

Der Brief

Ich schreibe diesen Brief fast sechs Monate, bevor ich sterben werde. Ich könnte einen Beweis beilegen, aber es erscheint mir überflüssig. Der Punkt ist, dass ich diesen Schritt schon lange Zeit gehen will. Es ist nicht so, dass ich mich durch die letzten Monate meines Lebens gequält habe, aber ich wusste schon seit Jahren, dass es irgendwann so weit sein wird.

Und ja, es ist unfair, dass ich mich auf diesen Tag vorbereiten konnte und ihr nicht. Bitte macht euch keine Vorwürfe, weil euch nichts aufgefallen ist. Ich habe darauf geachtet, dass ihr nichts mitbekommt, und es ist nicht eure Schuld. Falls einer von euch auch nur den Bruchteil einer Sekunde mit dem Gedanken spielt, schuld zu sein, lasst mich euch versichern, dass ihr falschliegt. Ihr hättet nichts tun können, denn es geht hier allein um mich. An diesen Punkt haben mich die Stationen meines Lebens geführt.

Um euch diese Entwicklung deutlicher zu machen, will ich euch von meiner 50/50-Theorie erzählen.

Zwar habe ich aus der Not heraus schon vor der Operation danach gelebt, aber der große Unterschied zwischen dem Vorher und dem Nachher ist, dass ich im Vorher noch eine Stimme hatte. Meine Singstimme. Ich war schon immer zerbrechlich, zart und vielleicht eine Spur zu sensibel für diese Welt. Das ist euch sicher nicht neu. Deshalb ist mir irgendwann bewusst geworden, dass das Leben fast immer auf eine 50/50-Verteilung hinausläuft.

Fünfzig Prozent der Zeit war ich glücklich oder zumindest so etwas Ähnliches. Die anderen fünfzig Prozent der Zeit war ich es definitiv nicht. Ich glaube nicht, dass ich mich in diesem Punkt sehr von den anderen Menschen unterscheide. So geht es vermutlich den meisten. Oder auch nicht. Ich habe keine Befragung durchgeführt und kann daher nur für mich sprechen.

Jedenfalls habe ich mir immer geschworen, dass ich etwas unternehmen werde, falls ich zu viele Neunundvierzig-Prozent-Tage habe. Und mit etwas meine ich, dass ich nicht bereit bin, mich mit einem Neunundvierzig-Prozent-Leben zufriedenzugeben. Denn ehrlich gesagt war das 50/50-Verhältnis schon schwer genug zu ertragen.

Ich hoffe, ich drücke mich verständlich aus, vielleicht aber auch nicht. Um es ganz schlicht zu sagen: Ich war sehr lange die halbe Zeit meines Lebens glücklich. Das war genug. Weil ich meine Stimme hatte. Ich konnte singen. Ich war dankbar für dieses Geschenk und alles, was es mir eingebracht hat. Den Ruhm, das Geld. Aber ehrlich gesagt hätte ich darauf verzichten können, denn heute weiß ich, dass beides nicht viel bedeutet.

Die Zahlung der Versicherung für den Verlust meiner Stimme liegt mir immer noch bleischwer im Magen. Millionen von Dollar für was? Ich würde buchstäblich alles geben, was ich habe, und sogar Millionen an Schulden anhäufen, um noch einen Abend auf der Bühne zu stehen. Weil ich weiß, was das mir bedeutet und eben auch, was Geld mir bedeutet. Es ist nichts dazu im Vergleich.

Nach der Operation musste ich viele Tage ertragen, die weit unter neunundvierzig Prozent lagen, aber das war natürlich zu erwarten. Eines kann man mir sicher nicht vorwerfen: dass ich es nicht versucht hätte. Ich habe wirklich alles versucht, wie ihr wisst. Ich habe nicht aufgegeben, weil meine Stimme es wert war, um sie zu kämpfen. Ich würde sogar behaupten, dass sie das Kostbarste an mir war.

Meine Stimme war nie nur ein Organ, mit dem ich Geräusche produzieren kann. Als meine Stimme mich verlassen hat, hat sie einen Teil meiner Seele mitgenommen. Einen Teil, der mich wirklich ausgemacht hat. Ohne sie bin ich nicht mehr Isabel Adler, sondern jemand anders.

Kapitel 4

Das Erste, was mir auffällt und wodurch ich sie auch in einer größeren Menschenmenge erkennen würde, ist ihr Lippenstift. Ich bin bestimmt schon vielen Frauen begegnet, die denselben Farbton getragen haben, aber an Leila hat er eine besondere Wirkung. Er erweckt ihr Gesicht zum Leben. Vielleicht ist ironischerweise ausgerechnet das, wofür er steht – diese entschiedene, unbestreitbare Liebe zum Leben –, das, was mich anzieht.

Leila trägt wieder Jeans, dieses Mal zu einem Sweatshirt mit tiefem V-Ausschnitt. Für meine Verhältnisse hat sie sich damit nicht besonders schick gemacht, aber wenigstens habe ich dieses Mal auch auf einen größeren Aufwand verzichtet.

Nachdem sie die Tür hinter uns geschlossen hat, küsst sie mich kaum spürbar und rasch auf die Wange. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob diese hauchzarte Berührung überhaupt als Kuss durchgeht, aber ein Anflug ihres Dufts bleibt zurück. Ein volles, fruchtiges Parfüm, das ich gierig einatme.

Gestern, nach meinem Training mit Ramona, das mich wieder einmal verschwitzt und scharf zurückgelassen hat, hat sich ein Gedanke an mich herangeschlichen, den ich bisher immer verdrängt habe. Ich weiß nicht, ob Ramona dafür verantwortlich ist oder doch Leilas Besuch und die Erinnerung an ihren knallroten Lippenstift und den Blick in ihre schwarzen Augen. So oder so, der Gedanke ist mir nicht neu. Ich habe ihn nur bisher ignoriert, auch wenn dies kaum der richtige Zeitpunkt ist, hartnäckige Gedanken auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben.

Als ich Leila ins Wohnzimmer folge, kommt er mir erneut in den Sinn.

Ich muss noch einmal mit einer Frau zusammen sein, bevor ich sterbe.

Aber das ist kompliziert. Ich bin schließlich niemand, der einfach ausgehen und jemanden aufreißen kann. Der Höhepunkt meines Ruhms liegt zwar schon lange hinter mir, aber so was kann ich mir immer noch nicht erlauben. Selbst wenn man mich nicht sofort erkennen, fotografieren und alles in den sozialen Medien verbreiten würde, würde mir schon die bloße Angst vor dem Gerücht, dass ich auf der Suche bin, unüberwindbare Hemmungen bescheren.

Ich habe überlegt, mich auf die professionelle Variante einzulassen und eine Frau für ihre Diskretion zu bezahlen, aber das passt einfach nicht zu mir. Ich müsste dafür eine Reihe mentaler Hürden überspringen und wofür sollte ich das so spät im Leben noch tun? Die geistige Anstrengung ist mir die Mühe nicht wert.

Um bei der Wahrheit zu bleiben, meine Möglichkeiten in diesem Bereich sind sehr begrenzt. Einfach, weil ich bin, wer ich bin. Genauso wahr ist, dass mein Blick wie von selbst zu Leilas Po in ihrer Jeans huscht und sich danach nicht mehr davon lösen will.

»Entschuldigung, wie war das?« Sie hat irgendetwas gesagt, doch ich habe nicht zugehört.

Leila dreht sich zu mir um und befreit mich damit vom Anblick ihres knackigen Hinterns. Sie lächelt mir zu.

»Ich bin berüchtigt für meine Martinis«, wiederholt sie. »Die richtig schmutzige Variante.«

Oh Gott.

Nein, nein, nein, Izzy. Denk nicht mal daran. Aber die Idee krallt sich in mir fest und gräbt ihre Klauen in mich. Mein ganzes Selbst ist von der Vorstellung gefangen, diese roten Lippen zu küssen. Doch deshalb bin ich nicht hier. Mit dieser Absicht habe ich bestimmt nicht das Haus verlassen.

Irgendetwas an Leilas Anblick hat eine gewisse Ausgelassenheit in mir ausgelöst. Und ich sollte wirklich aufhören, an Ramonas Kursen teilzunehmen. Ich bin nicht mehr darauf angewiesen, mein Herz-Kreislauf-System in tadellosem Zustand zu halten. Von jetzt an gibt es für mich nur noch männliche Trainer. Na sicher.

»Sehr gern.« Ich stehe in ihrem Wohnzimmer und weiß nicht recht, was ich mit mir anfangen soll. Leila trägt zehn Zentimeter hohe Absätze und ist damit fast auf Augenhöhe mit mir. Solche Schuhe sind ein Luxus, den ich mir aufgrund meiner ohnehin ungewöhnlichen Körpergröße im Gegensatz zu den meisten anderen Wünschen nie leisten konnte.

»Ich bin sofort wieder da. Machen Sie es sich doch bequem.« Sie berührt mich kurz am Arm und geht rasch davon, vermutlich in die Küche. Na wunderbar. Sie steht auf Berührungen. Ich sollte froh sein, dass sie mich noch nicht umarmt hat.

Reiß dich zusammen, Isabel. Das Ganze gerät außer Kontrolle.

Ich weiß nicht, was in mich gefahren ist. Es kommt mir vor, als hätte jemand einen Schalter in meinem Innern umgelegt, einen, der bisher gut versteckt war. Doch nun, da er einmal umgelegt ist und ich vor Sehnsucht fast umkomme, scheint er sich nicht wieder ausschalten zu lassen.

Ich atme tief durch. Ich werde nicht mit meiner Biografin schlafen. Es sei denn natürlich, ich erlaube Leila gar nicht, meine Biografie zu schreiben. Dann …

Aber nein, so etwas sollte ich nicht einmal denken. Ich habe kaum eine halbe Stunde mit ihr verbracht und bin einfach ein bisschen scharf. Das geht vorbei. Ich fühle mich an die Hitzewallungen erinnert, die ich früher hatte, und auch sie sind mit der Zeit wieder verschwunden. Alles wird gut.

Ich sehe mich um. Das Wohnzimmer ist auf eine fast chaotische Weise gemütlich und ich komme langsam zur Ruhe. Zu wissen, dass man bald stirbt, bringt Momente, in denen man sich extrem lebendig fühlt, mit sich. Sie schleichen sich an einen heran, als wollten sie daran erinnern, dass man noch nicht tot ist. Und wann fühlt man sich schon lebendiger, als wenn man mit jemandem intim wird? Wenn man mit einer hinreißenden Frau zusammen ist?

Denn seien wir mal ehrlich: Leila Zadeh ist wirklich eine Schönheit. Ich würde sie sogar als überwältigend schön bezeichnen. Sie strahlt Eleganz aus, dazu diese vollen Lippen und die nachdenklichen Blicke. Und ich hatte schon sehr lange keinen Sex mehr. Ich hatte das Gefühl, dass ich mir diese Art von Vertraulichkeit nicht mehr erlauben kann. Deshalb versuche ich auch, jeden Gedanken daran zu verdrängen, sobald er aufkommt. Ich weiß nicht einmal, ob ich noch mal eine Frau so nah an mich heranlassen könnte.

Leila unterbricht meine Gedanken, als sie mit zwei Gläsern zurückkommt. Ich bin ihr für beides dankbar: für die Unterbrechung und für den Drink.

»Sollen wir uns setzen?«, fragt sie.

Ich Dummkopf. Ich war so in Gedanken, dass ich immer noch verloren herumstehe.

Wir setzen uns mit unseren Martinis in zwei Sessel, und ich nehme einen Schluck. Er ist wirklich gut. Davon, wie stark er ist, will ich gar nicht erst reden.

»Ich bin so froh, dass Sie gekommen sind, Isabel.« Leila richtet ihren Blick auf mich, und ich werde prompt nervös.

Es kommt mir vor, als könnte ich nun, da ich einmal darüber nachgedacht habe, mit ihr zu schlafen, nicht mehr nicht daran denken. Die Versuchung ist überall. Sie hängt schwer und sinnlich zwischen uns in der Luft, obwohl Leila nichts davon ahnt. Einen weiteren Schluck zu trinken, wird nichts daran ändern, aber ich tue es trotzdem. Was bleibt mir auch anderes übrig?

»Ira hat mir gesagt, dass ich öfter aus dem Haus gehen soll. Also, hier bin ich«, platzt es aus mir heraus.

Als sie lacht, kommt es mir vor, als würde sich eine bunte Seifenblase aus ihrer Kehle lösen, nur um mich zu erfreuen. Du lieber Gott. Ich muss mich wirklich zusammennehmen.

Ich ziehe in Erwägung, einen Trick einzusetzen, der mich in solchen Situationen stets zuverlässig auf den Teppich bringt. Ich verwende ihn allerdings nicht gern und warte daher lieber ab, ob es wirklich nötig ist.

»Können wir offen reden?« Ihr Nagellack hat dieselbe Farbe wie ihre Lippen. Ihre Fingernägel blitzen feuerrot, als sie mit dem Stiel ihres Glases spielt.

»Natürlich.« Aber nicht zu offen, Leila. Vertrau mir: Das willst du nicht.

»Ich frage mich, was Sie zurzeit für ein Leben führen. Wie Ihr ganz normaler Tagesablauf aussieht.«

Warum verzichtet sie nicht endlich auf dieses nette Geplänkel? Sie hat den Pulitzerpreis sicher kaum gewonnen, indem sie um den heißen Brei herumgeredet hat.

»Mit anderen Worten: Sie möchten wissen, was ich den ganzen Tag mache?« Ich lache leise in mich hinein.

»Sie sagten gerade, dass Sie nicht viel ausgehen, und ich nehme an, dass Sie nicht an neuer Musik arbeiten. Wie vertreiben Sie sich die Zeit?«

Vermutlich wäre die Antwort, dass ich mich auf meinen Tod vorbereite, etwas zu offen. »Ich trainiere viel.« Das klingt so albern, dass ich selbst lachen muss.

»Das sieht man.« Liegt da ein Hauch von Bewunderung in ihrer Stimme?

»Und die Cocktailstunde lässt meistens auch nicht lange auf sich warten.« Ich bemühe mich um ein Lächeln.

»Okay, kein Problem, wenn Sie zurückhaltend sind, Isabel. Vermutlich hätte ich etwas behutsamer anfangen sollen. Mein Fehler.« Sie legt den Kopf schief. »Abgesehen davon sind Sie ja auch eigentlich hier, um etwas über mich zu erfahren.« Sie öffnet die Arme, als wäre das alles, was nötig ist. Die Bewegung lenkt meine Aufmerksamkeit auf ihren Ausschnitt und für den Bruchteil einer Sekunde habe ich Schwierigkeiten, den Blick von diesem umwerfenden Bild abzuwenden.

»Ich habe keinen Fragenkatalog dabei.« Ich trinke erneut einen Schluck. »Ich würde nur gern herausfinden, wie wir uns verstehen.«

Leila nickt und schürzt die Lippen. »Ich bin schon ewig Journalistin. Da ist es schwierig, auf einmal auf der anderen Seite des Zauns zu stehen. Insofern weiß ich das zu schätzen.«

»Wohnen Sie hier allein?« Ich sehe mich um. Ich kann keine Fotos von Leila mit einem Partner entdecken. Und auch keine Familienfotos, wie mir auffällt.

»Genau.« Um ihre Augen bilden sich Lachfältchen. »Ich ziehe meine eigene Gesellschaft vor.« Es liegt keine Spur von Zweifel in ihrer Stimme und sie gefällt mir immer besser. »Ich würde mich nicht als Einzelgängerin bezeichnen, aber ich habe es schon immer vorgezogen, in eine leere Wohnung heimzukommen. Ich habe noch nie verstanden, was anderen Menschen daran solche Angst einjagt. Die Ruhe gefällt mir. Die Beschaulichkeit. So kann ich mich am besten von einem hektischen Tag oder einer wilden Nacht erholen.«

Ich ziehe eine Augenbraue hoch. »Sind Sie abends oft unterwegs?«

Sie schüttelt den Kopf. »Eigentlich nicht. Nur ab und zu ein Abendessen mit jeder Menge Alkohol.« Sie nippt an ihrem Drink, als wolle sie andeuten, dass dieser Abend ebenso enden könnte.

»Und Sie arbeiten viel, nehme ich an.«

»Wenn ich mit einem Projekt beschäftigt bin, fällt es mir schwer, davon abzulassen. Glücklicherweise kann ich mir diese Leidenschaft leisten. Richtig tief zu graben.« Sie neigt den Kopf. »Ich konnte Ihnen das bisher nicht sagen, Isabel, aber ich kann es nicht erwarten, mit Ihnen zusammenzuarbeiten.« Sie grinst, als wüsste sie ganz genau, dass sie damit wieder zu weit vorgeprescht ist. »Der Vertrag ist noch nicht unterschrieben, das ist mir bewusst. Aber egal, was kommt, es ist mir eine große Ehre, dass Sie mich besuchen. Wirklich. Ihre Musik …« Sie unterbricht sich. »Ist es für Sie in Ordnung, wenn ich darüber rede? Oder … fühlen Sie sich damit unwohl?«

»Das ist vollkommen okay.« Über was sollten Menschen auch sonst mit mir reden, wenn nicht über meine Musik? Über meine bezaubernde Persönlichkeit?