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Zwanzig Jahre Funkstille. Und plötzlich stehen sie sich wieder gegenüber. Mac und Jamie hatten ihr gemeinsames Leben bis ins kleinste Detail geplant. Doch dann tat Jamie das Undenkbare und verließ Mac für eine andere Frau. Ausgerechnet auf einer Hochzeit begegnen sie sich zum ersten Mal seit zwanzig Jahren wieder. Während Mac den Schmerz von damals noch immer tief in sich trägt, wird Jamie von Schuldgefühlen gequält. Zwischen verletzten Gefühlen und unausgesprochenen Wahrheiten flackert etwas auf, das beide längst verloren geglaubt hatten. Aber wie holt man sich eine Liebe zurück, die man selbst zerstört hat? Und wie lernt man, wieder zu vertrauen, wenn das Herz Narben trägt? Eine gefühlvolle, herzerwärmende Second-Chance-Romance über Vergebung, zweite Chancen und den Mut, es diesmal richtig zu machen.
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Seitenzahl: 341
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Inhaltsverzeichnis
Über das Buch
Über Harper Bliss
Von Harper Bliss außerdem lieferbar
Kapitel 1: Mac
Kapitel 2: Jamie
Kapitel 3: Mac
Kapitel 4: Jamie
Kapitel 5: Mac
Kapitel 6: Jamie
Kapitel 7: Mac
Kapitel 8: Jamie
Kapitel 9: Mac
Kapitel 10: Jamie
Kapitel 11: Mac
Kapitel 12: Jamie
Kapitel 13: Mac
Kapitel 14: Jamie
Kapitel 15: Mac
Kapitel 16: Jamie
Kapitel 17: Mac
Kapitel 18: Jamie
Kapitel 19: Mac
Kapitel 20: Jamie
Kapitel 21: Mac
Kapitel 22: Jamie
Kapitel 23: Mac
Kapitel 24: Jamie
Kapitel 25: Mac
Kapitel 26: Jamie
Kapitel 27: Mac
Kapitel 28: Jamie
Kapitel 29: Mac
Kapitel 30: Jamie
Kapitel 31: Mac
Kapitel 32: Jamie
Kapitel 33: Mac
Kapitel 34: Jamie
Kapitel 35: Mac
Ebenfalls im Ylva Verlag erschienen
Über das Buch
Zwanzig Jahre Funkstille. Und plötzlich stehen sie sich wieder gegenüber.
Mac und Jamie hatten ihr gemeinsames Leben bis ins kleinste Detail geplant. Doch dann tat Jamie das Undenkbare und verließ Mac für eine andere Frau.
Ausgerechnet auf einer Hochzeit begegnen sie sich zum ersten Mal seit zwanzig Jahren wieder. Während Mac den Schmerz von damals noch immer tief in sich trägt, wird Jamie von Schuldgefühlen gequält.
Zwischen verletzten Gefühlen und unausgesprochenen Wahrheiten flackert etwas auf, das beide längst verloren geglaubt hatten. Aber wie holt man sich eine Liebe zurück, die man selbst zerstört hat? Und wie lernt man, wieder zu vertrauen, wenn das Herz Narben trägt?
Eine gefühlvolle, herzerwärmende Second-Chance-Romance über Vergebung, zweite Chancen und den Mut, es diesmal richtig zu machen.
Über Harper Bliss
Nach über sieben Jahren in Hongkong ist Harper Bliss vor einiger Zeit nach Brüssel gezogen, wo sie jetzt mit ihrer Frau und der gemeinsamen, ungemein fotogenen Katze »Dolly Purrton« lebt.
Harper hat zahllose englische Bestseller geschrieben und internationale Preise gewonnen. Sie ist die Autorin von At the Water’s Edge, der French-Kissing-Serie, der High-Rise-Serie und vieler anderer lesbischer Erotik- und Liebesromane. Sie ist die Mitbegründerin von Ladylit Publishing, einem Independent-Verlag, der sich auf lesbische Literatur spezialisiert hat.
Von Harper Bliss außerdem lieferbar
Liebe, entfaltet
Jenseits der Harmonie
Wer verliebt sich schon in eine Prinzessin?
Küsse und Wellenrauschen
Ein Kuss wie kein zweiter
Vielleicht nur dieser eine Kuss
Eine Französin zum Küssen
Zwei Herzen allein, suchend, vereint
Die Erfahrung von Liebe
Ergreif die Sterne
Summer’s End: Eine lesbische Liebesgeschichte
Sommergeflüster zu zweit
Kaffee mit einem Schuss Liebe
Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek
Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.
1. Auflage
E-Book-Ausgabe 2025 bei Ylva Verlag, e.Kfr.
ISBN (E-Book): 978-3-69006-092-9
ISBN (PDF): 978-3-69006-093-6
Dieser Titel ist als Taschenbuch und E-Book erschienen.
Abhängig vom eingesetzten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.
Copyright © der Originalausgabe 2023 bei Ladylit Publishing
Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2025 bei Ylva Verlag
Die Nutzung unserer Werke für Text- und Data-Mining im Sinne von § 44b UrhG behalten wir uns explizit vor.
Übersetzerin: Astrid Ohletz
Übersetzungslektorat: Miriam Lindner
Korrektorat: Tanja Eggerth
Satz & Layout: Ylva Verlag e.Kfr.
Bildrechte Umschlagillustration vermittelt durch Shutterstock LLC; iStock; AdobeStock
Grafiken vermittelt durch Freepik
Coverdesign: Caroline Manchoulas
Kontakt:
Ylva Verlag, e.Kfr.
Inhaberin: Astrid Ohletz
Am Kirschgarten 2
65830 Kriftel
Tel: 06192/9615540
Fax: 06192/8076010
www.ylva-verlag.de
Amtsgericht Frankfurt am Main HRA 46713
Kapitel 1: Mac
Dort drüben ist sie. Die Frau, die mein Herz in Millionen kleiner Teile zerbrochen hat. Jamie Sullivan, Besitzerin von Sully’s Sourdough – und eine außergewöhnlich begabte Betrügerin.
Ich hatte Monate, ja, sogar Jahre Zeit, mich auf diesen Moment vorzubereiten, aber vielleicht ist genau das gar nicht möglich.
Zumindest ist es mir bis hierhin nicht gelungen, denn ich bin definitiv nicht darauf vorbereitet, wie unberührt von der Zeit sie aussieht. Ihr Haar hat immer noch dieses satte Dunkelbraun – das kann doch nicht mehr ihre natürliche Farbe sein? – und sie trägt immer noch denselben langen Pony, der ihre Augen fast verdeckt.
Jamie kommt zu mir herüber und schenkt mir ein bezauberndes Lächeln. »Wow. Gabrielle Mackenzie live und in Farbe. Ich sehe dich ständig im Fernsehen, aber …« Sie hält inne und sieht mir kurz in die Augen. »Darf ich dich umarmen?« Sie schüttelt ungläubig den Kopf.
»Ja, darfst du.« Ich atme tief ein. Das mit uns ist zwanzig Jahre her. Damals musste ich nach unserer Trennung irgendwie mit meinem Leben weitermachen und ihr verzeihen. Verzeihen, dass sie mein Herz in Stücke gerissen hat. Aber ich werde es nie vergessen. Das ist unmöglich.
Ich öffne meine Arme für etwas, von dem ich erwarte, dass es eine oberflächliche Umarmung werden wird und halte dementsprechend einen respektablen Abstand zu ihr, während ich meine Arme vorsichtig um sie lege. Aber Jamie hat andere Pläne – das ist so typisch für sie. Ich hätte es wissen müssen.
Sie zieht mich an sich, und ich habe keine andere Wahl, als meine Nase in ihrem herrlich weichen Haar zu vergraben. Es fühlt sich an wie Seide und duftet nach besonders gut riechenden Blumen.
»Sandra und ihre Heteronormativität, was?«, sagt Jamie und verweilt mit ihrem Mund dabei direkt an meinem Ohr.
»Genau mein Gedanke.«
Wir lassen uns wieder los, und ich habe keine Zeit mehr, meinen Gefühlen nachzuhängen, keine Zeit abzuschätzen, ob noch etwas von dem übrig ist, was ich früher für sie empfunden habe. Denn Sandra, der Grund, warum wir beide hier sind, stürzt sich in diesem Augenblick auf uns.
»Gut«, ruft sie und deutet mit dem Finger erst auf mich und dann auf Jamie. »Es ist geschehen. Es ist vollbracht.« Sie verengt ihre Augen. »Ich bin klug genug, um nicht zu fragen, wie ihr euch bei dieser Reunion gerade gefühlt habt, denn heute geht es ausnahmsweise mal nur um mich.« Sie wackelt mit den Augenbrauen.
Sandra war damals von Anfang an in unsere Fehde verwickelt und genau das tut mir heute immer noch leid. Kein Wunder, dass sie nun darum gebeten – es eigentlich gefordert – hat, dass wir endlich einem Wiedersehen zustimmen, damit wir beide an ihrer Traumhochzeit auf Maui teilnehmen können. Und genau deswegen sind wir nun hier.
»Natürlich geht es nur um dich, meine Schöne.« Jamie streichelt Sandras Schulter und ist dabei immer noch so charmant wie eh und je. »Wo sollen wir hin? Was sollen wir tun?«
Wir?Wir?Wow. Das ging aber schnell und sie ist noch genauso herrisch wie damals. Oder, wie Jamie es zu nennen pflegte: Sie übernimmt die Kontrolle in einer Situation.
»Dieser reizende Mann dort drüben«, Sandra zeigt auf ihren Hochzeitsplaner, den ich schon bei meiner Ankunft heute Morgen kennengelernt habe, »wird euch alles erklären. Das hier ist ja nur die Probe für den großen Tag. Wenn ihr also das Zusammensitzen üben wollt, lässt sich das sicher arrangieren.« Sie zwinkert mir zu.
»Es gibt morgen keine zugewiesenen Sitzplätze bei der Feier?« Jamie klingt erstaunt, denn das ist definitiv eine Tatsache, die für sie undenkbar wäre.
»Nein, setzt euch bei der Trauung einfach auf meine Seite des Ganges«, sagt Sandra. »Und seid nett zueinander. Das ist alles, was ich will.« Auf ihrem Gesicht zeigt sich ein breites Grinsen. »Danke, dass ihr beide hier seid. Es bedeutet mir sehr viel, dass ihr eure, nun ja … Differenzen beiseiteschiebt. Für mich.«
Vielleicht hätte ich genau das schon vor langer Zeit tun sollen, um bei den zahlreichen Partys von Sandra in den letzten Jahren dabei sein zu können. Stattdessen habe ich die alle verpasst, weil ich befürchtet habe, Jamie könnte auch dort sein. Doch so viele Dinge, die nicht passieren sollten, passieren am Ende eben doch noch – um mich daran zu erinnern, muss ich nur einen Blick auf die Frau werfen, die neben mir steht. Und zu Sandras Hochzeit konnte ich auf keinen Fall Nein sagen.
»Diese Feier war die perfekte Ausrede für eine Reise nach Hawaii«, sagt Jamie in ihrem typischen Tonfall und ihr Einwurf müsste an dieser Stelle eigentlich völlig unangebracht klingen. Denn wir sind schließlich nicht wegen eines exotischen Urlaubs hier, sondern wegen unserer Freundin. Aber aus irgendeinem Grund, den ich noch nie verstanden habe, ist das nicht der Fall. Jamie kommt mit allem durch. »Und es ist natürlich eine Ehre, hier zu sein«, fährt sie fort. »Doch ich werde nicht lügen, San, ich bin immer noch ein wenig verwirrt, dass du wirklich den Bund fürs Leben schließen willst. Aber das Leben kann ja manchmal seltsam sein.«
»Das Herz will, was das Herz will«, ist alles, was Sandra darauf noch antwortet, bevor sie von ihrem Hochzeitsplaner in Beschlag genommen wird.
»Und?« Jamie legt den Kopf schief. »Willst du dich zu mir setzen?«
»Warum nicht?« Ich muss mich gar nicht anstrengen, zu lächeln. Vielleicht bin ich gar nicht sauer, weil ich meiner Ex-Verlobten gegenüberstehe, sondern einfach nur froh, etwas Zeit mit meiner ehemals besten Freundin zu verbringen? Das muss es sein.
»Dann komm.« Jamie steuert auf die Stuhlreihen zu, in denen wir sitzen sollen.
So habe ich die Gelegenheit, sie gründlich von hinten zu betrachten. Sie trägt einen zartrosafarbenen Anzug und ihr Hintern sieht in dieser Hose einfach großartig aus.
Schließlich finden wir einen Platz in der mittleren von nur drei Reihen. Es ist keine große Hochzeit, nur die engste Familie von Braut und Bräutigam und eine kleine Anzahl von Freunden.
»Oh! Mein! Gott!«, ertönt plötzlich eine hohe Stimme hinter uns. »Die Hölle ist offenbar zugefroren. Was kommt als Nächstes? Fliegende Schweine?«
Jamie und ich drehen uns um und da steht Alan. Und er starrt uns an. Er ist einer der Freunde, mit denen ich keinen Kontakt mehr hatte, nachdem Jamie und ich uns damals getrennt haben. Er ist jemand, der sich im Laufe unserer Beziehung immer mehr als ihr Freund verstanden hat und ich nehme es ihm nicht übel. Ich verbringe mittlerweile viel Zeit im Ausland, und wenn ich in New York bin, bin ich meistens mit der Arbeit beschäftigt.
»Hi, Darling.« Wir stehen beide auf und Jamie wirft ihm einen Luftkuss zu.
»Mein Gott, Mac! Ich kann es nicht glauben.« Alan streckt seine Hände aus und instinktiv lege ich meine in seine. »Wow, du siehst noch heißer aus als im Fernsehen. Du stehst förmlich in Flammen, Darling. Verdammt, es ist so schön, dich zu sehen. Komm her.« Er zieht mich zu sich und die begeisterten Küsse, die er auf meine Wangen drückt, haben so gar nichts Luftiges an sich.
»Es ist auch wunderbar, dich zu sehen, Alan.« Der enge Freundeskreis um Jamie und mich löste sich damals auf, als sie mich verlassen hatte, und am Ende war Sandra die Einzige, mit der ich über all die Jahre noch engen Kontakt gehalten habe. »Du siehst auch verdammt heiß aus.« Ich lasse meinen Blick über meinen alten Freund schweifen. Er ist immer noch derselbe Mann wie früher, nur sein Haaransatz hat sich zurückgebildet, und sein Gesicht sieht irgendwie wettergegerbt aus. Früher kannte ich jedes intime Detail aus seinem Leben, und jetzt stehen wir uns hier wieder gegenüber, nicht ganz fremd, aber auch nicht mehr wirklich befreundet.
»Babe, komm her.« Alan ruft nach einem Mann, der ein paar Meter entfernt mit dem Rücken zu uns steht.
Er dreht sich um und gesellt sich zu uns.
»Darf ich vorstellen, meine bessere Hälfte. Das ist Charles.« Alan hält seine Hand in die Höhe und wackelt mit den Fingern, um die Aufmerksamkeit auf seinen Ehering zu lenken. »Mein Ehemann.« Er strahlt, als er das sagt.
Offenbar eine Hochzeit, zu der ich nicht eingeladen war. Ich frage mich, wie viele es davon in den letzten Jahren schon gegeben hat. Und bin ich die einzige alleinstehende Person hier? Jamie hat vielleicht keine Begleitung mitgebracht, aber ich bezweifle, dass jemand wie sie single ist – es sei denn, sie will es so. Allerdings sagen die Leute dasselbe auch immer über mich. Als ob die Tatsache, dass mein Gesicht im Fernsehen zu sehen ist, mich automatisch zur besten Partnerin in einer Beziehung macht. Dabei gibt es eine Million Gründe, single zu bleiben. Ich sollte es wissen und mich erst recht mit vorschnellen Annahmen zurückhalten.
Die nächsten Minuten zeigen, dass Charles schneidig, wortgewandt und äußerst höflich ist. Ich frage mich, wie gerade er mit einem Mann wie Alan zusammenkommen konnte, der eine große Klappe hat, völlig unverblümt ist und immer sagt, was er denkt, egal in wessen Gesellschaft er sich gerade befindet.
»Können wir uns zu dir setzen, Mac?«, fragt Charles.
Mac? So nennen mich nur meine Freunde, und ihn habe ich gerade erst kennengelernt. Vielleicht nennt Alan mich immer noch so, wenn er mich im Fernsehen sieht?
»Ich bin ein großer Fan von –«
»Babe.« Alan lehnt sich an Charles’ Ohr und versucht, zu flüstern, aber unauffällig zu sein gehörte noch nie zu seinen Talenten. »Lass den beiden erst mal Raum zum Ankommen.«
»Es ist in Ordnung«, gebe ich zurück. »Wir brauchen keinen Raum.« Warum sollten Jamie und ich Raum brauchen? Wir sind nicht wegen eines Klassentreffens hier, sondern wegen Sandras Hochzeit.
»Trotzdem.« Hat Alan mir gerade zugezwinkert? »Wir sehen uns dann beim Probeessen. Wir sitzen am selben Tisch.« Er zieht Charles hinter sich her, doch ihre Plätze können bei den wenigen Stühlen nicht weit von uns entfernt sein.
»Nimm’s Alan nicht übel«, sagt Jamie. »Du weißt, wie er ist und dass er manchmal seltsame Ideen hat.«
»Und die wären zum Beispiel?« Jamie und ich setzen uns wieder und ich schaue mir ihr Gesicht genauer an. Natürlich ist sie gealtert, aber die Zeit hat es besser mit ihr gemeint als mit Alan. Sie ist immer noch so atemberaubend schön wie damals, als ich sie zum ersten Mal traf – vielleicht sogar noch ein kleines bisschen schöner. Denn die Falten um ihre Augen versprechen die Art von Weisheit, die niemand mit zwanzig oder dreißig hat. Ein Alter, in dem es scheinbar noch ok ist, rücksichtslos mit dem Herzen der Person zu spielen, die man am meisten auf der Welt lieben sollte.
»Sagen wir einfach, er hat eine ziemlich große Sache daraus gemacht, dass du hier bist.«
»Warum?«
Jamie verzieht die Lippen zu einem Grinsen. »Komm schon, Mac. Du weißt doch sicher, warum.«
»Weil wir uns seit zwanzig Jahren nicht mehr gesehen haben?«
»Nun, ja. Obwohl das eigentlich auch gar nicht stimmt. Wir haben uns gesehen –«
»Erwartet Alan ein großes Drama oder etwas in der Art?« Ich habe Jamie aus gutem Grund unterbrochen. Denn ich will sicher nicht noch einmal vor Augen geführt bekommen, wie oft ich ihr fast über den Weg gelaufen wäre oder irgendwo auftauchte, wo ich sie nicht vermutete, nur um dann mit ihr konfrontiert zu werden. Zu einer Zeit, als ich noch lange nicht bereit dafür war. »Dafür ist definitiv zu viel Zeit vergangen.«
»Genau das habe ich ihm auch gesagt.«
»Charles scheint reizend zu sein.«
»Das ist er.«
»Wie lange sind die beiden schon verheiratet?«
»Es sind jetzt bald sieben Jahre.« Etwas funkelt in Jamies Augen.
Ich erinnere mich gut an dieses Glitzern. Es gehörte schon immer zu den Dingen, die sie unwiderstehlich machten – die dafür sorgten, dass ich mich immer wieder aufs Neue in sie verliebte.
»Rate mal, wer die Trauung vollzogen hat?«
So wie sie mich ansieht, kann es nur eine Antwort geben. »Du?«
»Ich wurde als dudeistische Geistliche engagiert. Ist das nicht das Lustigste, was du je über mich gehört hast? Ich als Repräsentantin der Kirche des Dudeismus, die zwei Dudes miteinander verheiratet?«
Das ist genau Jamies Humor. Sie als Repräsentantin des Dudeismus, einer Philosophie- und Religionsparodie.
Aber es ist in der Tat eine lustige Vorstellung und Jamies Lachen ist ansteckend – das war es schon immer. Zwar ist es ein wenig unangenehm, nach all den Jahren hier mit ihr zu sitzen, aber trotz allem, was passiert ist, hat es auch etwas Vertrautes, etwas seltsam Beruhigendes an sich. Zehn Jahre meines Lebens hatte ich das Privileg, Jamie Sullivan auf die intimste Weise zu kennen, die es gibt. Vielleicht sagt es mehr über mich als über sie aus, dass es, im Nachhinein betrachtet, die besten Jahre meines Lebens waren.
»Es passt gar nicht so schlecht zu dir«, sage ich, als unser Gelächter abebbt.
»Hey, ähm, ich war wirklich nervös, dich wiederzusehen.« Plötzlich ist Jamies Gesicht ernst. »Als du damals das erste Mal im Fernsehen aufgetaucht bist, musste ich abschalten, und du weißt ja, wie gern ich Sportsendungen schaue.« Ein leiser Spott klingt in ihrer Stimme mit, als würde sie sich selbst verhöhnen. »Aber ich bin froh, dass du gekommen bist. Dass du jetzt hier bist.«
»Ich bin wegen Sandra hier.«
»Ja. Das sind wir alle.«
Die Plätze um uns herum füllen sich in diesem Moment, als hätte der Hochzeitsplaner einen Schalter umgelegt. Wir werden zum Schweigen gebracht, damit die Probe beginnen kann, und mein erstes richtiges Gespräch mit Jamie seit zwanzig langen Jahren wird damit unterbrochen.
Kapitel 2: Jamie
»Auf Amerika.« Alan hebt sein Champagnerglas. »Wo wir so verklemmt sind, dass wir das Bedürfnis haben, für den besten Tag unseres Lebens zu üben.« Er rollt mit den Augen. »So etwas gibt es sonst nirgendwo auf der Welt, weißt du?« Er zwinkert seinem Mann zu. »Charles und ich waren da sehr unamerikanisch. Wir haben die Probe ausgelassen und sind stattdessen direkt zur Hochzeit übergegangen.«
»Du bist eben ein Cosmopolit, Schätzchen«, sage ich, und mein armes Gehirn kann nichts gegen diesen dummen Kommentar tun. Die Teilnahme an dieser Hochzeit und die Anwesenheit von Mac erinnern mich an die Zeit, als sie und ich unsere eigene Zeremonie geplant haben – an die dunklen Zeiten, bevor die gleichgeschlechtliche Ehe legal war. Wir hatten alles genau durchdacht, all die verschiedenen Schritte akribisch aufgezeichnet und folgten unserem Plan. Bis Cherry auftauchte.
»Das Probeessen ist eher eine Gelegenheit für die beiden Familien des Paares, zusammenzukommen«, sagt Mac mit ihrer sexy Moderatorenstimme, die so klingt, als hätte sie das eben von einem Teleprompter abgelesen. »Weil unser Land so groß ist, neigen wir Amerikaner dazu, häufiger außerhalb unseres unmittelbaren Umfelds zu heiraten als in anderen Ländern.«
»So habe ich das noch nie gesehen.« Charles starrt Mac auf eine Art und Weise an, die deutlich machte, dass er ein echter Fanboy ist. Wer kann es ihm verdenken? Mac ist eine spektakuläre Frau. Sie hat immer noch den schlanken, durchtrainierten Körper der Fußballerin, die sie einmal war. Ihr seidenweiches blondes Haar reicht ihr gerade bis zu den Schultern, ihre strahlend blauen Augen stechen markant hervor und ihr Teint strahlt geradezu. Die ärmellose Bluse lässt ihre Muskeln gut zur Geltung kommen.
Früher haben wir Armdrückwettbewerbe veranstaltet – die Bäckerin gegen die ehemalige Sportlerin. Die Kraft des Knetteigs gegen die Kraft des Fitnessstudios. Mac hat immer gewonnen, verlieren ist einfach nicht ihr Ding.
»Hallo, ihr Lieben.« Sandra hockt sich neben uns an unseren Vierertisch. »Alles in Ordnung?« Sie mustert erst mich, dann Mac.
»Alles in Ordnung«, sagt Alan.
»Mac, es tut mir so leid, aber mein Schwiegervater möchte dich unbedingt kennenlernen. Könntest du ihm nur kurz Hallo sagen, damit er mit seinem Leben weitermachen kann?«
»Sicher.«
Mac scheint an so etwas gewöhnt zu sein. Ihr Aufstieg zum TV-Star kam, nachdem wir uns getrennt hatten. In unserer gemeinsamen Zeit war ihr Platz noch hinter den Kulissen.
Sie steht auf und folgt Sandra an den Familientisch.
»Wie geht es dir?«, fragt Alan, als Mac außer Hörweite ist, und noch bevor ich antworten kann, fährt er fort: »Wie ist es, sie wiederzusehen?«
Ich stoße etwas Luft aus. »Es ist ein bisschen überwältigend. Sie ist so –«
»Stilvoll? Elegant? Charmant? Heiß?« Alan trifft den Nagel auf den Kopf.
»Absolut umwerfend und so bodenständig«, fügt Charles hinzu.
»Wow.« Ich ziehe die Augenbrauen hoch. »Seid ihr jetzt beide in sie verknallt?«
»Ist sie single? Weißt du das?« Alan geht nicht einmal auf meine Frage ein.
»Nein, ich weiß genau so viel wie du.«
»Ich folge ihr auf Instagram«, sagt Charles, »und dort wird nie eine Partnerin erwähnt, obwohl das nicht unbedingt etwas bedeuten muss.«
»Sandra kennt die Antwort bestimmt«, sagt Alan. »Sie müssen immer noch ziemlich eng befreundet sein, wenn Mac den ganzen Weg nach Maui zu ihrer Hochzeit auf sich nimmt.« Er tippt sich wissend ans Kinn.
Wir alle wussten schon seit Monaten, dass Mac hier sein würde. Aber in all der Zeit war es nur eine abstrakte Tatsache, die in der Zukunft lag. Jetzt ist der Moment auf einmal da, und wir sitzen mit ihr an einem Tisch. Mac ist für uns – für mich – wieder real geworden, und egal, wie ich es drehe und wende, es ist ein Schock.
»Keine Sorge, James«, sagt Alan. Er benutzt den Spitznamen, den er mir vor Jahren gegeben hat. »Ich habe meine Fühler schon ausgestreckt und am Ende dieser Nacht werde ich alles wissen, was es über Macs Privatleben zu wissen gibt.« Er seufzt. »Ich kann nur für mich selbst sprechen, aber es ist so schön, sie wiederzusehen. Es ist schon viel zu lange her.«
»So, so, was wollt ihr denn über mich wissen?« Mac steht plötzlich wieder an unserem Tisch, legt ihre Hände auf Alans Schultern und lächelt.
Wir waren offenbar so in unser Gespräch über sie vertieft, dass wir nicht mehr darauf geachtet haben, wo sie ist.
»Na, wir sind neugierig auf dich. Das ist doch ganz normal.«
Dass Mac ihn gehört hat, bringt Alan nicht aus der Ruhe – Indiskretion war schon früher sein zweiter Vorname, und Mac muss sich noch genau daran erinnern, denn auch sie bleibt völlig entspannt.
Sie drückt Alans Schultern und nimmt wieder Platz. »Wenn das so ist, können wir ja gleich zur Sache kommen.«
»Zur Sache kommen? Ich würde es vorziehen, wenn wir das nicht zu wörtlich nehmen und unsere Kleidung anbehalten.« Alan zieht ein entsetztes Gesicht.
Mac schüttelt den Kopf und sieht mich dann mit einem Blick an, der sagt: »Unglaublich, dieser Kerl, oder?«
Darauf kann ich nur mit einem Achselzucken antworten. Alan ist schon fast mein ganzes Leben lang einer meiner besten Freunde. Vielleicht muss sich Mac erst wieder ein wenig an ihn gewöhnen, und obwohl ich seine Gesellschaft und die damit verbundene Heiterkeit schätze, würde ich ihr eigentlich auch gern ein paar Fragen unter vier Augen stellen.
»Aber du hast recht«, sagt Alan. »Was willst du wissen, Mac?«
Doch anstatt ihn ihrerseits mit Fragen zu löchern, wendet sich Mac an mich und für den Bruchteil einer Sekunde befürchte ich, dass sie mich hier vor meinen Freunden fragen könnte, wie es mit Cherry gelaufen ist. Aber das ist nicht ihre Art.
»Bist du single?«, fragt sie stattdessen und ich traue meinen Ohren kaum.
»Booyah!« Alan ahmt mit seinen Fingern eine Explosion nach.
»Ja«, antworte ich wahrheitsgemäß. »Und du?« Die Frage kommt mir wie von selbst über die Lippen.
Mac nickt.
»Ich glaube nicht, dass wir beide hier in diesem Interview viele Fragen beantworten müssen, Babe«, sagt Alan zu Charles. »Wir können uns einfach entspannen und die Lesbenshow genießen.« Er verschränkt die Arme vor der Brust und lehnt sich zurück.
Wahrscheinlich ist er ein wenig beleidigt darüber, nicht im Mittelpunkt zu stehen.
Aber er hat natürlich recht, ich brenne darauf, mehr über Macs Liebesleben nach unserer gemeinsamen Zeit zu erfahren. Sandra hat sich stets geweigert, mit mir darüber zu sprechen, und mir stattdessen nahegelegt, mich auf angemessene Weise bei Mac zu entschuldigen, damit der Weg für eine Freundschaft zwischen uns frei würde. Dann könnte ich sie all das selbst fragen, was ich wissen wollte. Aber Mac machte mir immer wieder unmissverständlich klar, dass sie nie wieder etwas mit mir zu tun haben möchte. Und das war mir nur recht.
»Du musst so viele Bewunderer haben«, sagt Charles, dem die Verblüffung über Macs Geständnis ins Gesicht geschrieben steht.
Doch Mac schüttelt nur den Kopf. Sie hat nie richtig begriffen, wie schön sie ist. Obwohl sie in ihrem Job im Fernsehen sicher viele Komplimente für ihr Aussehen bekommt.
»Stimmt es, dass es ein spezielles Tinder für Berühmtheiten gibt?« Sosehr er sich auch bemüht, Alan kann nicht länger als ein paar Minuten schweigen.
Zu meiner Überraschung nickt Mac. Ich bin nicht überrascht, dass es so eine Dating-App tatsächlich gibt. Aber ich bin überrascht, dass Mac sie benutzt, und es ist eine weitere Erinnerung daran, dass ich nichts mehr über sie weiß – über die Frau, die ich heiraten und mit der ich eine Familie gründen wollte.
»Aaah!« Alan gurrt förmlich. »Hast du sie mal benutzt?«
Mac nickt zögerlich. »Das habe ich, aber … es tut mir leid, Liebling. Ich werde nichts ausplaudern.«
Alan presst beide Hände an seine Brust. »Nicht einmal einen winzigen kleinen Krümel?«
»Ich bin immer noch single, also war es offensichtlich nicht so erfolgreich.« Mac fixiert ihn mit ihrem Blick. »Aber rate mal, wer inzwischen Stammgast in Isabel Adlers Haus ist?« Sie setzt ein triumphierendes Grinsen auf und zeigt damit eine Seite an sich, die entweder neu ist oder an die ich mich nicht erinnere.
Alans Mund bleibt offen stehen. »Nein!«, kreischt er in einer Tonlage, als hätte unser Tisch gerade Feuer gefangen. Die anderen Gäste halten in ihren Gesprächen inne und schauen uns an. »Ihr könnt mich mit jedem anderen auf der Welt aufziehen, aber nicht mit Isabel Adler. Diese Frau ist eine Göttin, und wir sind nur Sterbliche, die ihr zu Füßen liegen.«
Mac bricht in Gelächter aus und ich kann nicht anders, als es ihr gleichzutun. Es gibt Theatralik und es gibt Alan. Aber ich kann auch nicht widerstehen und schaue sie neugierig an.
»Ich bin mit Leila, ihrer Partnerin, gut befreundet«, sagt Mac.
Alan sieht mich mit echter Verzweiflung in seinem Blick an, als hätte er soeben festgestellt, dass er nach der Trennung von Mac und mir offenbar mit der falschen Person befreundet geblieben ist.
»Sie ist eigentlich meine Ex«, fährt Mac fort.
»Die Partnerin von Isabel Adler ist deine Ex.« Alan fährt sich mit dem Handrücken an die Stirn, als ob er jeden Augenblick in Ohnmacht fallen könnte.
»Ja, das kann ich mir gut vorstellen«, murmelt Charles und nickt leicht.
Kann er das? Ich konnte mir Mac nie mit jemand anderem an ihrer Seite vorstellen. Tatsächlich war es immer meine größte Angst, dass ich sie am Arm einer schönen Frau treffe – egal, wie heuchlerisch diese Tatsache auch klingen mag. Denn ich bin diejenige, die für immer dafür verantwortlich sein wird, dass wir uns getrennt haben. Meine Schuldgefühle wegen dieser Tatsache wären wohl deutlich geringer, wenn Mac glücklich verheiratet wäre und den Haufen Kinder hätte, den sie sich immer gewünscht hat.
Aber sie hatte sicher viele Liebhaberinnen, viele Frauen, die sie angebetet haben und ihr nicht das Herz brachen wie ich.
Ich tauche gerade wieder aus meinen Gedanken auf, als Alan fragt: »Verzeih mir meine Indiskretion, Darling.« Er sieht Mac direkt in die Augen und seine Stimme ist fest und feierlich, als wollte er ihr ein Geständnis abringen und sie hätte keine andere Wahl, als ihm zu antworten. Es ist eine von Alans Spezialitäten, einem anderen Menschen seine Geheimnisse zu entlocken. »Aber warum hat es zwischen dir und Leila Zadeh nicht geklappt?«
Mac lacht spöttisch auf, oder ist das ein Kichern? »Sagen wir einfach, ich hatte in meinem Leben gewisse Probleme, Menschen zu vertrauen.«
Das bringt sogar Alan für einige Augenblicke zum Schweigen. Aber zum Glück nicht zu lange. »Es sollte wohl nicht sein«, sinniert er. »Denn Leila sollte mit Isabel zusammen sein.«
»Warum bist dusingle?« Macs Frage überrumpelt mich völlig.
»Hm.« Ich sehe ihr in die Augen. Obwohl das, was sie gerade gesagt hat, eine offensichtliche – und verdiente – Anspielung ist, ist ihr Gesicht freundlich und offen. »Ich bin nicht immer single gewesen. Ich bin eher eine Serienmonogamistin, schätze ich«, bringe ich heraus.
»Oh, das bist du ganz sicher«, kontert Mac. »Nur ohne die Monogamie.«
»Zing!«, wirft Alan ein.
Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll.
»Der war gut, Mac, Schatz. Aber das ist doch jetzt alles Schnee von gestern, oder?« Er zieht die Augenbrauen hoch. »Zwanzig Jahre alte Geschichten.«
»Natürlich«, sagt Mac und nickt. »Es tut mir leid.« Sie berührt mit ihrer Hand kurz meine Schulter und erschreckt mich damit erneut. »Ich hätte das nicht sagen sollen. Alan hat recht. Das ist Schnee von gestern.«
»Bitte, Mac, entschuldige dich nicht.« Ich kann nur hoffen, dass das Lächeln, das ich ihr zuwerfe, meine Schuldgefühle überspielt. Ich musste loslassen, um weiterzumachen, aber ich hatte nie die Gelegenheit, mich richtig bei Mac zu entschuldigen. Damals wollte sie meine Entschuldigung nicht hören – was sollte sie auch mit ein paar sinnlosen Worten anfangen? Dann haben sich unsere Welten im Laufe der Jahre immer weiter voneinander entfernt. Doch jetzt sind wir hier, zwei Jahrzehnte später. »Entschuldige dich niemals bei mir«, sage ich.
Kapitel 3: Mac
Als ich am nächsten Morgen zum Frühstück ins Hotelrestaurant gehe, spricht Charles mich an. »Du kannst dich gern zu uns setzen, aber ich muss dich warnen, Alan dreht völlig durch, weil du Isabel Adler kennst.« Er stößt einen tiefen Seufzer aus und grinst verlegen. »Er hat alle seine guten Manieren vergessen, und er hatte vorher schon nicht so viele.«
Ich schaue zu dem Tisch hinüber, an dem Alan sitzt und er winkt mir zu. Von Jamie ist nichts zu sehen.
»Ich glaube, ich komme mit deinem Mann zurecht«, sage ich.
»Wenn es um Isabel Adler geht, ist er extrem emotional. Aber das ist irgendwie ja auch liebenswert.« Er klingt allerdings selbst nicht ganz überzeugt.
»Ich brauche wohl nicht zu fragen, welches Lied bei eurer Hochzeit zum ersten Tanz gespielt wurde«, scherze ich und freue mich schon jetzt auf den Moment, wenn Alan erfährt, zu welchem Lied Sandra und Tyrone tanzen werden.
Alan steht auf, um mich zu begrüßen und umarmt mich ganz fest. »Ich habe kaum ein Auge zugetan, weil ich plötzlich nur noch einen Menschen von ihr entfernt bin. Einen.« Er hält seinen Finger hoch. »Einer ist nicht null, aber jetzt gibt es so viele Möglichkeiten.«
»Das ist es, was ich meine«, sagt Charles. »Er hat den Verstand verloren.«
»Okay.« Ich strecke meine Hände aus und Alan ergreift sie. »Was kann ich tun, damit du dich davon erholst? Ich kann nicht zulassen, dass du das ganze Wochenende wegen Izzy verrücktspielst. Es ist schon verrückt genug, dass ich mit Jamie hier bin und ich brauche dich, um die Spannung zwischen uns zu entschärfen.«
»Spannung?« Alan legt den Kopf schief. »Was für Spannung?« Er ist offenbar doch noch nicht so aufgedreht, dass er keine Witze mehr reißen kann und drückt weiter meine Hände. »Könnest du mir ein Treffen mit Isabel Adler verschaffen?«
»Babe«, stöhnt Charles. »Das ist zu viel. Außerdem würdest du das nicht verkraften.«
»Oh, das würde ich. Ich würde mich dieser Herausforderung stellen, auf eine Weise, wie du es dir nicht vorstellen kannst.« Er konzentriert sich wieder auf mich. »Wie gut kennst du sie? Siehst du sie ein paarmal im Jahr? Oder trefft ihr euch sogar regelmäßig?«
»Ich bin eher mit Leila befreundet, aber ja, Izzy und ich hängen manchmal zusammen ab.« Ich mache mir eine innere Notiz, dass ich Leila nach dem Frühstück anrufen muss. Sie wird genau wissen wollen, wie mein Wiedersehen mit Jamie war. Aber vielleicht erzähle ich ihr trotzdem nicht zu detailliert davon.
»Ich weiß noch nicht so recht, wie ich das verarbeiten soll«, sagt Alan seufzend.
»Dann hast du ja Glück, dass du mit zwei Lesben in diesem Resort festsitzt«, versuche ich einen weiteren Scherz. »Wir sind sehr gut im Verarbeiten.«
»Da bin ich mir nicht so sicher, Liebling.« Alan kommt für einen Moment wieder zu sich. »Gestern Abend sah es für mich so aus, als hätten Jamie und du selbst noch einiges an Verarbeitung vor euch.«
Er hat auf der einen Seite recht, aber auf der anderen auch wieder nicht. Vielleicht sollten Jamie und ich wirklich ein klärendes Gespräch führen, aber wir können uns genauso gut entscheiden, es nicht zu tun. Unser Leben wird sich dadurch nicht ändern, und ich für meinen Teil bin auch nicht mehr auf eine Art Schlussstrich aus. Was sie getan hat, wird immer ein Teil von mir sein, und damit bin ich heute im Reinen.
»Zurück zu Izzy.« Ich sehe ihm in die Augen.
»Ich weiß, wie ich mich anhöre, und ich bin genau das: der größte Isabel-Adler-Fan, den du je treffen wirst. Ich schwöre bei Gott, Mac. Ich würde alles dafür geben, sie zu treffen.«
»Ich werde sehen, was ich tun kann.« Ich kann diesem Mann, mit dem ich seit Jahren keine Zeit mehr verbracht habe, keine Versprechungen machen. Aber ich habe es auch nicht in mir, ihm die Hoffnung zu nehmen.
»Ich danke dir sehr. Das ist alles, worum ich bitte. Vielleicht gibt es eine Dinnerparty, zu der du uns einladen könntest, jetzt, da wir uns wiedergefunden haben? Ich werde kochen. Es wäre mir eine Ehre, für dich und Leila und Isabel zu kochen.«
»Er ist einhervorragender Koch«, sagt Charles tonlos.
»Vielleicht können wir sogar Jamie einladen«, sagt Alan, als ob dieses Abendessen bereits beschlossene Sache wäre. »Was würdest du davon halten?«
»Du übertreibst es.« Ich lasse seine Hände los. »Jamie ist … Vergangenheit. Ich bin nicht darauf aus, mit ihr befreundet zu sein oder etwas in der Art.«
»Wie wäre es dann mit zwei fabelhaften Schwulen als alte und neue Freunde zur gleichen Zeit?« Alan klimpert mit den Wimpern.
»Mal sehen, wie der Rest des Wochenendes verläuft«, scherze ich. Obwohl es tatsächlich schön ist, Alan zu sehen und seinen Mann kennenzulernen. Sie sind beide eine wunderbare Gesellschaft – und vielleicht würden Izzy und Leila mir dabei sogar zustimmen.
»Aber im Ernst, Mac.« Charles schenkt mir ein Glas Wasser ein. »Wie geht es dir?«
»Wenn ich ehrlich bin, weiß ich es nicht. Das hier fühlt sich ein bisschen an wie in einem Wirbelsturm.« Ich nehme einen Schluck. »Ich will nicht lügen. Es ist seltsam, Jamie wiederzusehen, die Frau, die ich so lange absichtlich gemieden habe. Sie war ein so wichtiger Teil meines Lebens.« Außerhalb der Arbeit war Jamie mein Leben. Ein ganzes Jahrzehnt lang haben wir unsere gesamte Freizeit miteinander verbracht, uns in der Gesellschaft der anderen gesonnt und uns eine fantastische gemeinsame Zukunft erträumt. Ich habe Jamie so sehr geliebt; sie war ein Teil von mir. Und wenn ein Teil von einem so abrupt weggerissen wird, dauert es lange, bis die Wunde heilt. »Ich kann nicht so tun, als hätte ich sie nicht geliebt, und ich kann auch nicht so tun, als wäre das, was zwischen uns passiert ist, nicht passiert.« Ich schaue mich im Zimmer um. »Wo ist sie eigentlich?«
»Wahrscheinlich schläft sie aus, solange sie kann«, sagt Alan. »Sie ist ja sonst immer sehr früh auf, wenn sie arbeitet.«
Ich nicke, und meine Gedanken kehren zu dem lauten Klingeln von Jamies Wecker zu einer unchristlichen Zeit vor fünfundzwanzig Jahren zurück. Zu ihrer Lehrzeit bei Loaves of Love, Brooklyns berühmtester Bäckerei, wo ihr scheinbar immer die Frühschicht zugeteilt wurde.
»Ist sie jetzt nicht in ihrem Laden der Big Boss?«, frage ich. »Bringt das nicht bessere Arbeitszeiten mit sich?« Ich greife nach einem Stück Brot aus dem Korb auf dem Tisch. Als wir noch zusammenwohnten, war Jamie immer von Brot in irgendeiner Form umgeben, einem Sauerteigstarter, der gepflegt werden musste, ein paar Brötchen, die in den Ofen mussten. Seitdem habe ich nie wieder jemanden getroffen, der so über die Krume eines Brotes schwärmen kann.
»Das könnte man meinen«, sagt Alan nur.
»Seid ihr beide immer noch dicke Freunde?« Ich schaue ihm in die Augen. Ich nehme es Alan zwar nicht mehr übel, dass er Jamie mir vorgezogen hat, aber das heißt nicht, dass ich ihn nicht vermisst habe.
»Oh, ja.« Er zieht seine Lippen zu dem berüchtigten Alan-Schmollmund zusammen. »Ich habe wirklich versucht, mit dir in Kontakt zu bleiben, Mac, aber … mit der Zeit ist es mir einfach nicht mehr gelungen.«
»Er hat sich deswegen viele Vorwürfe gemacht und es wurden immer mehr, je näher diese Hochzeit kam.« Charles klopft seinem Mann liebevoll auf die Schulter.
»Es ist okay.« Ich war so lange so wütend, dass ich mich selbst so gut wie unerreichbar gemacht und mich hinter meiner Arbeit versteckt habe. Meine Karriere ging steil bergauf, mein Privatleben hingegen nicht. »Wie du gestern Abend gesagt hast, ist das jetzt alles Schnee von gestern. Aber Jamie wiederzusehen ist so …« Ich stoße etwas Luft aus. Mein Blick schweift zum Eingang des Restaurants, und als hätte ich sie heraufbeschworen, indem ich ihren Namen aussprach, steht sie plötzlich da. Ihre Haare sind zerzaust, und sie trägt kaum Kleidung, außer einem langen und schlabbrigen Stück Stoff, das ihr über die Schultern hängt.
Alan und Charles drehen sich um und folgen meinem Blick. Charles steht auf und führt Jamie zu uns an den Tisch.
»Du siehst aus, als hättest du eine harte Nacht gehabt«, sagt Alan und schenkt ihr ein warmes Lächeln.
»Muss der Jetlag sein.« Jamie heftet ihren Blick kurz auf mich, wendet ihn aber schnell wieder ab, als könne sie mich im Morgenlicht nicht richtig ansehen. »Ich konnte bis in die frühen Morgenstunden nicht einschlafen.«
»Dann hat der Jetlag eine umgekehrte Wirkung auf dich.« Alan sieht Jamie an.
»Du weißt, dass ich ungewöhnliche Arbeitszeiten habe«, gibt sie müde zurück.
»Ich hole dir einen Kaffee.« Charles legt einen Arm um ihre Schultern und drückt sie fest. Er ist so ein netter Mann.
»Danke, Liebling.« Jamie wirft Charles einen Kuss zu, während er ihr eine Tasse Kaffee am Büfett einschenkt, dann sieht sie mich endlich richtig an. »Wie sich herausgestellt hat, ist das Wiedersehen mit dir ein viel größerer Brain-Fuck, als ich erwartet hatte.«
Was soll ich bitte dazu sagen? Dass es mir leidtut? Sicher nicht, denn das tut es nicht. Ich habe nichts falsch gemacht.
»Geht mir ähnlich.« Ich schaue in Jamies erschöpftes Gesicht, sie sieht verletzlich aus. Erschüttert.
»Können wir heute vielleicht reden? Bevor alles losgeht?«, fragt sie. »Ein richtiges Gespräch führen?«
Ich schätze, das ist unvermeidlich, obwohl das Letzte, weswegen ich hierhergekommen bin, ist, alte Wunden wieder aufzureißen und an Narbengewebe zu kratzen, das ewig gebraucht hat, überhaupt zu entstehen. Denn auch wenn ich es damals noch nicht wusste, hat Jamie mir nicht nur das Herz gebrochen. Sie hat auch meinen größten Traum gestohlen. »Sicher.«
»Nach dem Frühstück?« Jamie gelingt ein kleines Lächeln. »Sobald ich mich zusammengerissen habe?«
»Okay.« Warum habe ich Mitleid mit ihr? Das ist genau das Gefühl, von dem ich mir geschworen habe, es nie wieder mit ihr in Verbindung zu bringen.
»Danke.« Ihr dunkler Blick verweilt einen Moment auf meinem, bevor sie eine Scheibe Brot nimmt und sie von allen Seiten begutachtet. »Sieht gar nicht so schlecht aus.« Sie zerdrückt die Kruste zwischen Daumen und Zeigefinger. »Hm«, sagt sie, bevor sie ein Stück abreißt und es sich in den Mund steckt. Sie kaut langsam, als ob sie das delikateste und feinste aller Lebensmittel probieren würde, und zweifelsohne ist es das wohl auch für sie. Ich kann es nicht glauben, aber als ich sie ansehe, als ich Jamie Sullivan in ihrem ganzen müden und ungeschützten Sein betrachte – als ich sehe, wer sie ist und wer sie geworden ist –, schlägt mein betrügerisches Herz schneller.
Kapitel 4: Jamie
»Danke fürs Kommen.« Ich lasse Mac in mein Zimmer. Sie ist angezogen, als käme sie gerade aus dem Fitnessstudio, obwohl ihre Haut völlig schweißfrei ist. »Kann ich dir etwas bringen?«
»Nur etwas Wasser. Es wird ein langer Tag werden und ich möchte nach unserem Gespräch noch schwimmen gehen.« Sie klingt beiläufig, als ob dieses längst überfällige Treffen mit mir hier nur etwas ist, das sie anschließend auf ihrer To-do-Liste abhaken kann.
Ich hole zwei Flaschen Wasser aus der Minibar und führe uns auf den Balkon mit Blick auf den Ozean. Das Wasser ist so blau, dass es sich im Himmel aufzulösen scheint.
»Es ist wunderschön hier, nicht wahr?« Mac lehnt sich gegen die Reling. »So farbenfroh im Vergleich zu New York.«
»Ja, das ist es.« Jetzt, wo sie hier ist, habe ich keine Augen mehr für die Pracht da draußen. Obwohl es ein Schock war, sie zum ersten Mal im Fernsehen zu sehen, war es keine Überraschung, dass Mac es in die Tagesnachrichten geschafft hatte, um über das aktuelle Sportgeschehen zu berichten. Sie hat die Art von offenem, freundlichem Gesicht, von dem man nie genug bekommen kann. Ein Gesicht, das jede lebende Seele gern täglich sehen möchte. »Wie geht es dir, Mac?«, frage ich.
Sie dreht sich zu mir um und verengt die Augen. »Ich verstehe, warum du letzte Nacht nicht viel Schlaf bekommen hast. Es ist, ähm … alles ganz schön viel hier.«
»Hast du denn gut geschlafen?«
»Ja, aber nur weil ich wegen der Arbeit und der Zeitverschiebung fix und fertig war.«
»Du siehst gut aus. Du siehst …« Absolut hypnotisierend aus. Ich kann meinen Satz nicht zu Ende sprechen. Wie zum Teufel soll ich die Entschuldigung vorbringen, die sie so sehr verdient? Wie soll ich die Wogen zwischen uns glätten? Ist das überhaupt möglich nach all dieser Zeit – und nach dem, was ich getan habe?
»Ja?«, fragt Mac.
»Du siehst wirklich gut aus.« Ich lasse meiner Aussage ein schräges Kichern folgen.
»Danke. Ich bin scheinbar vertraglich dazu verpflichtet.«
Es ist so typisch für sie, dass sie ein Kompliment über ihr Aussehen einfach so abtut.
