Einklang der Herzen - Nora Roberts - E-Book
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Einklang der Herzen E-Book

Nora Roberts

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Beschreibung

Die junge Adelia verlässt die heimatliche Farm in Irland, um bei ihrem Onkel, in Amerika nach dem Tod ihrer Eltern einen Neuanfang zu wagen. Auf der Pferdefarm, auf der Paddy arbeitet, stellt sie ihr besonderes Einfühlungsvermögen in Pferde unter Beweis. Die impulsive, bescheidene Rothaarige wird Pferdepflegerin. Als ihr Onkel einen Herzinfarkt erleidet, verspricht der Farmbesitzer Travis Grant, sich um Delia zu kümmern. Die Pferdeflüsterin weiß nicht, dass er mit Kümmern die Liebe meint, die Liebe zwischen zwei gleich klingenden Seelen.

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Seitenzahl: 210

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Nora Roberts

Einklang der Herzen

Roman

Aus dem Amerikanischenvon Tess Martin

WILHELM HEYNE VERLAG MÜNCHEN

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Die Originalausgabe Irish Thoroughbred ist bei Silhouette Books, Toronto, erschienen.

Die deutsche Erstausgabe ist im MIRA Taschenbuch erschienen.

Wilhelm Heyne Verlag in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München. Copyright © 1981 by Nora Roberts Published by Arrangement with Eleanor Wilder Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2009 by MIRA Taschenbuch in der Harlequin Enterprises GmbH, Hamburg

Covergestaltung: t.mutzenbach design

1. KAPITEL

Adelia Cunnane starrte aus dem Fenster, ohne die wundervollen Formen der Wolken zu bemerken. Manche schwebten als Berge, andere als Gletscher, vorüber oder sie verschmolzen zu eisverkrusteten Seen.

Doch obwohl sie zum ersten Mal in einem Flugzeug saß, fand Adelia den Ausblick nicht sonderlich interessant. Ihr Kopf war voll mit Zweifeln und Fragen, zudem hatte sie schon jetzt schreckliche Sehnsucht nach der kleinen Farm in Irland.

Aber sowohl die Farm als auch Irland waren bereits sehr weit entfernt. Jede Minute, die verging, brachte sie Amerika näher – und völlig fremden Menschen. Nichts in ihrem Leben hatte sie darauf vorbereitet. Adelia seufzte.

Ihre Eltern waren bei einem Autounfall ums Leben gekommen, als sie zehn Jahre alt war. Die ersten Wochen hatte Adelia wie in einer Art Nebel verbracht. Sie hatte sich in sich zurückgezogen, um die Trennung nicht zu spüren, das fremde und beängstigende Gefühl der Verlassenheit. Langsam hatte sie eine Mauer um ihren Schmerz errichtet. Und sie hatte sich in die Arbeit gestürzt wie eine Erwachsene.

Lettie Cunnane, die Schwester ihres Vaters, übernahm die Verantwortung sowohl für die Farm wie für das Kind, und das mit strenger Hand. Sie war keine unfreundliche Frau, aber auch keine liebevolle. Geduld gehörte nicht zu ihren Stärken, sie hatte wenig Verständnis für das unberechenbare, manchmal auch aufbrausende Kind ihres Bruders.

So blieb die Farm im Grunde das Einzige, was Adelia und ihre Tante verband. Sowohl die ältere Frau wie auch das Kind bauten eine enge Beziehung zu dem fruchtbaren, dunklen Boden auf, der ihre ganze Arbeitskraft forderte.

Fast dreizehn Jahre lebten und arbeiteten sie zusammen, bis Lettie einen Schlaganfall erlitt. Adelia musste sich daraufhin allein um die Farm und um ihre gelähmte Tante kümmern. Tag und Nacht kämpfte sie ums Überleben. Sie hatte ständig zu wenig Zeit und zu wenig Geld.

Als sie nach sechs langen Monaten wieder einmal allein zurückblieb, war Adelia vollkommen verzweifelt und erschöpft. Obwohl sie unaufhörlich geschuftet hatte, war sie gezwungen, die Farm zu verkaufen.

Sie hatte ihrem einzigen lebenden Verwandten, dem älteren Bruder ihres Vaters, geschrieben, um ihn über den Tod seiner Schwester in Kenntnis zu setzen. Padrick war vor zwanzig Jahren nach Amerika ausgewandert. Er hatte umgehend mit einem warmherzigen Brief geantwortet und mit dem schlichten Satz geendet: »Komm nach Amerika! Dein Zuhause ist nun bei mir.« Also hatte sie ihre wenigen Habseligkeiten gepackt und sich von Skibbereen verabschiedet und dem einzigen Heim, das sie jemals gekannt hatte.

Ein plötzliches Absacken des Flugzeugs riss Adelia aus ihren Gedanken. Sie drückte sich in ihren Sitz und berührte das kleine goldene Kreuz, das sie immer um den Hals trug. In Irland wartet nichts und niemand mehr auf mich, dachte sie, während sie gegen ein flaues Gefühl im Magen ankämpfen musste. Padrick Cunnane war die einzige Familie, die sie noch hatte, und die einzige Verbindung mit ihrer Vergangenheit.

Sie versuchte, die plötzlich aufsteigende Furcht zu bezwingen. Amerika oder Irland – was für einen Unterschied machte das schon? Sie würde zurechtkommen, wie immer. Auf keinen Fall wollte sie ihrem Onkel zur Last fallen, diesem fast fremden Mann, den sie nur aus Briefen kannte und zum letzten Mal gesehen hatte, als sie kaum drei Jahre alt gewesen war. Sie würde schon einen Job finden, überlegte sie, vielleicht auf dem Gestüt, von dem Paddy so oft geschrieben hatte. Mit Tieren zu arbeiten lag Adelia im Blut. In den letzten Jahren hatte sie sogar medizinische Kenntnisse hinzugewonnen; oft hatten Nachbarn sie zu einer besonders schweren Geburt eines Kalbes gerufen oder sie gebeten, eine Wunde zu nähen. Sie war vielleicht nicht besonders groß, aber stark – und sie war eine Cunnane. Bei diesem Gedanken straffte sie die Schultern.

Bestimmt gab es für sie eine Stelle auf Royal Meadows, wo ihr Onkel als Trainer für Rennpferde arbeitete. Zwar wurde dort wahrscheinlich niemand gebraucht, der Felder pflügen oder Kühe melken konnte, aber wenn es darauf ankam, würde sie ihren Lebensunterhalt auch als Küchenmädchen verdienen. Mit gerunzelter Stirn überlegte sie, ob es in Amerika überhaupt Küchenmädchen gab.

Das Flugzeug landete, Adelia stieg aus und betrat den Dulles International Airport in Virginia. Sie war fasziniert von den vielen Menschen und den verschiedenen Sprachen, die um sie herumschwirrten.

Sie betrachtete eine indianische Familie in traditioneller Tracht, dann fiel ihr Blick auf zwei Teenager in ausgewaschenen Jeans, die Hand in Hand liefen. Ein Geschäftsmann, der seine Aktentasche an sich presste und es sehr eilig zu haben schien, stieß ihr den Ellbogen in die Seite.

In der Lobby sah sie sich auf der Suche nach einem bekannten Gesicht um. Um sie herum bewegten sich die Leute so schnell und hastig, dass sie befürchtete, niedergetrampelt zu werden.

»Dee! Kleine Dee!« Ein untersetzter Mann mit vollem grauem Haar kam auf sie zu. Sie hatte kurz die Gelegenheit, in helle blaue Augen zu blicken, die sie an ihren Vater erinnerten, bevor sie in eine herzliche Umarmung gerissen wurde. Es war eine Ewigkeit her, dass sie einem Menschen so nahe gekommen war.

»Ich hätte dich überall auf der Welt wiedererkannt, kleine Dee.« Er schob sie ein wenig von sich weg, musterte sie mit feuchten Augen und lächelte zärtlich. »Als ob Kate vor mir stehen würde! Du bist deiner Mutter wie aus dem Gesicht geschnitten.« Er starrte sie weiter an, studierte ihr kastanienrotes Haar, das ihr in glänzenden Wellen über die Schultern fiel, das tiefe Grün ihrer Augen, die schmale Nase und die vollen Lippen, die Tante Lettie immer als schamlos bezeichnet hatte.

»Wie wunderschön du bist«, sagte er schließlich seufzend.

»Onkel Paddy?«, fragte sie nur, obwohl unendlich viele andere Fragen durch ihren Kopf schwirrten.

»Wer sollte ich wohl sonst sein?« In seinen vertrauten Augen lag ein Ausdruck von Liebe und Freude, gemischt mit Zweifeln, und mit einem Mal wurde sie von einer Welle des Glücks übermannt.

»Onkel Paddy«, flüsterte sie und warf ihm die Arme um den Hals.

Als sie über den Highway fuhren, starrte sie voller Verwunderung aus dem Fenster. Nie zuvor hatte sie so viele Autos auf einmal gesehen; sie schossen in unglaublicher Geschwindigkeit an ihnen vorbei. Alles bewegte sich so schnell, und der Lärm, dachte sie mit Verwunderung, der Lärm reicht, um die Toten zu wecken. Kopfschüttelnd begann sie, ihren Onkel mit Fragen zu bombardieren.

Wie lange dauerte die Fahrt? Fuhr jeder in Amerika so schnell? Wie viele Pferde gab es auf Royal Meadows? Wann durfte sie sie sehen? Die Fragen purzelten ihr nur so über die Lippen. Geduldig beantwortete Paddy eine nach der anderen. Ihr melodischer Tonfall klang in seinen Ohren wie eine sanfte Sommerbrise.

»Und was wird meine Aufgabe sein?«

Er wandte den Blick einen Moment von der Straße ab, um sie anzusehen. »Du brauchst nicht zu arbeiten, Dee.«

»Aber ich möchte arbeiten, Onkel Paddy, ich möchte so gerne. Ich könnte mich doch um die Pferde kümmern. Ich habe ein Händchen für Tiere.«

Er zog seine dicken grauen Augenbrauen zusammen. »Ich habe dich doch nicht den weiten Weg kommen lassen, damit du hier arbeitest.« Bevor sie protestieren konnte, fuhr er fort. »Und ich weiß nicht, was Travis davon halten würde, wenn ich meine eigene Nichte einstelle.«

»Oh, aber ich kann alles machen.« Sie schob sich eine glänzende Strähne aus dem Gesicht. »Die Pferde striegeln, Ställe ausmisten … ganz egal.« Sie blickte ihn flehend an. »Bitte, Onkel Paddy, wenn ich nichts zu tun habe, werde ich bestimmt innerhalb von einer Woche verrückt.«

Paddy drückte ihre Hand. »Wir werden sehen.«

So vertieft in das Gespräch und fasziniert von dem strömenden Verkehr, hatte sie jegliches Zeitgefühl verloren. Als Paddy in eine Auffahrt fuhr, blickte sie erstaunt um sich.

»Das ist Royal Meadows, Dee«, verkündete er mit ausladender Geste. »Dein neues Zuhause.«

Sie fuhren durch ein breites Steintor auf einen langen, gewundenen Weg, der von blühenden Hecken gesäumt war. In der Ferne entdeckte sie saftige grüne Weiden und friedlich grasende Pferde.

»Das ist die beste Pferdefarm in ganz Maryland, glaub mir«, fügte Paddy stolz hinzu. »Und meiner Meinung nach auch die beste in ganz Amerika.«

Nachdem er um eine Ecke gebogen war, lag das Haupthaus vor ihnen. Adelia hielt den Atem an. Es handelte sich um ein dreistöckiges prachtvolles Gebäude, dessen Fenster in der Sonne glitzerten. Grazile schmiedeeiserne Balkone verliefen um die oberen beiden Stockwerke. Das Haus war von sanft abfallendem Rasen und stattlichen Bäumen umgeben, die gerade aus dem Winterschlaf erwachten.

»Wundervoll, nicht wahr, Dee?«

»Ja«, stimmte sie zu, ein wenig eingeschüchtert von der Größe und Eleganz des Anwesens. »Ich habe noch nie ein prächtigeres Haus gesehen.«

»Nun, unser Domizil ist nicht ganz so glanzvoll.« Er fuhr nach links ab. »Aber es ist hübsch, und ich hoffe, du wirst dich dort wohlfühlen.«

Adelia richtete ihre Aufmerksamkeit auf ihren Onkel und schenkte ihm ein Lächeln, das ihr Gesicht zu einem Kunstwerk machte. »Ich werde mich bestimmt wohlfühlen, Onkel Paddy. Hauptsache, wir beide sind zusammen.« Impulsiv küsste sie ihn auf die Wange.

»Ach, Dee, ich bin so froh, dass du da bist.« Er drückte ihre Hand. »Du hast den Frühling mitgebracht.«

Als der Wagen hielt, entdeckte sie ein großes weißes Gebäude, bei dem es sich, wie Paddy erklärte, um die Stallungen handelte. Zäune und Pferdekoppeln erstreckten sich in die Ferne. Der Duft von frisch gemähtem Heu und Pferden schwebte in der Luft.

Als sie sich ungläubig umsah, schoss ihr durch den Kopf, dass sie nicht etwa von einer Farm auf eine andere gereist war, sondern von einer Welt in die andere. Sie dachte an den winzigen Stall zu Hause, der ständig hatte ausgebessert werden müssen und an das kleine Stück Weideland. Hier war so viel Platz, und dies alles gehörte nur einem einzigen Mann. Am Horizont, wo die sanften Berge begannen, entdeckte sie Stuten und glücklich herumtollende Fohlen.

Travis Grant hieß der Besitzer, wie ihr jetzt wieder einfiel. Paddy hatte in seinem Brief von ihm erzählt. Travis Grant wusste offensichtlich, mit man sich um seinen Besitz kümmerte …

»Das ist mein Haus.« Paddy deutete aus dem Fenster. »Besser gesagt: unser Haus.«

Sie folgte mit dem Blick seiner Hand, dann schrie sie leise auf. Das Erdgeschoss bestand aus einer großen, weißen Garage, in der, wie sie später erfuhr, die Anhänger und Pferdetransporter untergebracht waren. Das Gebäude war fast zweimal so groß wie das Bauernhaus, in dem sie ihr bisheriges Leben verbracht hatte. Es sah aus wie eine Miniatur des Haupthauses.

»Komm rein, Dee. Schau dir dein neues Zuhause an.«

Er führte sie über einen schmalen Schotterweg eine Treppe hinauf zur Eingangstür. Sie betraten einen hellen, gemütlichen Raum mit blassgrünen Wänden und glänzenden Holzböden. Ein bunt kariertes Sofa und dazu passende Sessel standen vor einem Kamin. Die hohen Fenster boten einen herrlichen Blick auf die weitläufigen Berge.

»Oh, Onkel Paddy!« Sie seufzte und hob hilflos die Arme.

»Komm, Dee, ich zeige dir den Rest.«

Er präsentierte ihr die blitzsaubere Küche und ein cremeweiß eingerichtetes Badezimmer. »Und das ist dein Zimmer, Liebes«, sagte er, als er die Tür gegenüber aufstieß. Es war kein besonders großes Zimmer, doch ihr kam es riesig vor. Die Wände waren hellblau gestrichen, weiße Vorhänge flatterten aus den geöffneten Fenstern. Die Tagesdecke auf dem Bett war blauweiß gemustert, auf dem Holzboden lag ein flauschiger weißer Teppich. Im Spiegel über einer Kommode erblickte sie ihr eigenes, erstauntes Gesicht. Die Vorstellung, dass dies ihr Zimmer sein sollte, trieb ihr Tränen in die Augen. Sie blinzelte hastig, drehte sich um und schlang ihrem Onkel erneut die Arme um den Hals.

Später schlenderten sie zu den Ställen. Adelia hatte ihr Reisekleid gegen Jeans und Baumwollhemd getauscht, ihre roten Locken zusammengebunden und eine ausgebleichte blaue Kappe aufgesetzt. Eine kleine Gruppe von Leuten umringte ein braunes Vollblutpferd.

»Was ist hier das Problem?«, fragte Paddy.

»Paddy, gut, dass du zurück bist«, begrüßte ihn ein großer, kräftiger Mann mit offensichtlicher Erleichterung. »Majesty hatte gerade mal wieder einen seiner Anfälle. Er hat Tom ziemlich böse getreten.«

Paddy wandte sich an einen kleinen jungen Mann, der auf dem Boden hockte und sich jammernd das Bein hielt.

»Ist es sehr schlimm, Junge? Hast du dir was gebrochen?«

»Nee, nix gebrochen.« Aus seiner Stimme klang mehr Empörung als Schmerz. »Aber ich schätze, dass ich ein paar Tage lang nicht reiten kann.« Er blickte kopfschüttelnd zu dem Pferd. »Dieses Vieh ist vielleicht das schnellste der Welt, aber gleichzeitig bösartiger als eine Katze, der man auf den Schwanz getreten hat.«

»Er sieht nicht bösartig aus«, bemerkte Adelia, woraufhin sie aus mehreren Augenpaaren gemustert wurde.

»Das ist Adelia, meine Nichte. Dee, das ist Hank Manners, der zweite Trainer. Tom Buckley, der hier auf dem Boden, das ist unser Reitjunge. Und das hier sind die Stallburschen George Johnson und Stan Beall.« Nachdem sie sich die Hände geschüttelt hatten, richtete Adelia ihre Aufmerksamkeit wieder auf das Pferd.

»Sie verstehen dich nicht, stimmt’s? Dabei bist du so ein feiner Kerl.«

»Miss«, sagte Hank warnend, als sie die Hand hob, um dem Pferd über die Nüstern zu streicheln. »Das würde ich nicht tun. Er hat momentan nicht die beste Laune, außerdem mag er Fremde nicht.«

»Nun, wir werden nicht lange Fremde sein.« Lächelnd begann sie ihn zu streicheln, Majesty schnaubte durch seine großen Nüstern.

»Paddy!«, rief Hank, doch Adelias Onkel brachte ihn mit einer Handbewegung zum Schweigen.

»Was für ein schönes Pferd du bist! Noch nie habe ich ein schöneres gesehen, das meine ich ernst.« Adelia sprach weiter, während sie mit einer Hand über seinen Nacken und die Flanke glitt. »Du bist für Turniere gemacht – starke, lange Beine und eine schöne, breite Brust.« Das Pferd blieb ruhig stehen, die Ohren aufmerksam aufgestellt. Noch einmal liebkoste sie seine Nüstern, bevor sie schließlich die Wange an seinen Hals schmiegte. »Ich wette, du sehnst dich nach jemanden, mit dem du dich unterhalten kannst.«

»Ich fasse es nicht.« Hank betrachtete Adelia kopfschüttelnd. »Noch nie hat er jemanden so nah an sich herangelassen, nicht einmal dich, Paddy.«

»Tiere haben auch Gefühle, Mr. Manners.« Sie richtete sich auf. »Er will einfach ein bisschen verwöhnt werden.«

»Nun, junge Dame, Sie scheinen auf jeden Fall zu wissen, wie man mit ihm umgehen muss.« Er grinste sie belustigt und zugleich erstaunt an. Dann wandte er sich wieder an Paddy. »Trotzdem muss er geritten werden. Ich rufe Steve an.«

»Onkel Paddy.« Adelia ergriff seinen Arm, ihre Augen glänzten vor Aufregung. »Ich kann das. Lass mich ihn reiten.«

»Ich glaube nicht, dass ein junges Mädchen wie Sie mit einem wilden Feuerhengst wie Majesty umgehen kann«, wandte Hank ein, bevor Paddy etwas erwidern konnte. Adelia reckte das Kinn.

»Es gibt nichts auf vier Beinen, was ich nicht reiten kann.«

»Ist Travis schon zurück?« Paddy unterdrückte ein Lächeln.

»Nein.« Er betrachtete Paddy mit zusammengekniffenen Augen. »Du willst deine Nichte doch nicht wirklich auf ihm reiten lassen?«

»Ich würde sagen, sie hat ungefähr die richtige Größe für ihn – sie wiegt nicht mehr als fünfundvierzig Kilo.« Er betrachtete seine Nichte von Kopf bis Fuß, während er sich mit einer Hand das Kinn rieb.

»Paddy.« Hank legte ihm eine Hand auf die Schulter.

»Du bist eine Cunnane, nicht wahr, Mädchen? Wenn du sagst, dass du mit ihm fertig wirst, dann ist das so, bei allem, was mir heilig ist.«

Adelia strahlte ihren Onkel an.

»Der Himmel weiß, was der Boss davon halten wird«, murrte Hank.

»Überlass Travis ruhig mir«, entgegnete Paddy mit leiser Autorität.

Schulterzuckend gab Hank sich geschlagen.

»Einmal um die Rundbahn, Dee«, wies Paddy sie an. »In dem Tempo, in dem du ihn noch im Griff hast. Man kann ihm ansehen, dass er mal wieder seinen Kopf durchsetzen will.«

Sie zog ihre Kappe tiefer ins Gesicht, nickte und beobachtete dabei, wie Majesty ungeduldig mit den Hufen scharrte. Geschickt schwang sie sich in den Sattel. Als Hank das große Gatter öffnete, beugte sie sich über Majestys Hals und flüsterte ihm ins Ohr.

»Bist du bereit, Dee?«, rief Paddy. Er nahm eine Stoppuhr aus der Tasche.

»Wir sind bereit.« Sie richtete sich auf und holte tief Luft.

»Los!«, schrie er, und Pferd und Reiterin preschten los. Adelia beugte sich tief über Majestys Hals und trieb ihn zu dem Tempo an, nach dem es ihn dürstete. Wind schlug ihr ins Gesicht, brannte in ihren Augen. Sie jagten in einer Geschwindigkeit über die Bahn, die sie noch nie zuvor erlebt, sich nicht einmal vorgestellt hatte, aber nach der sie sich offenbar immer gesehnt hatte. Es war ein wildes und berauschendes Abenteuer.

Pferd und Reiterin flogen über die Bahn, und nur der Wind und die Sonne waren ihre Begleiter. Adelia lachte und schrie. Ein ungeahntes Gefühl von Freiheit überkam sie und ließ sie alle Sorgen und Befürchtungen vergessen, die ihr Leben so lange getrübt hatten. Sie hatte das Gefühl, auf Wolken zu reiten, allen Verpflichtungen und Ängsten zu entfliehen. Schließlich zügelte sie das Pferd, brachte es zum Stehen und schlang die Arme um seinen schimmernden Hals.

»Sie Teufelskerl!«, rief Hank voller Verwunderung aus.

»Was hast du denn erwartet?« Paddy schien so stolz zu sein wie ein Pfau mit zwei Schwänzen. »Sie ist eine Cunnane.« Er hielt Hank die Stoppuhr hin. »Die Zeit ist auch nicht schlecht.« Lächelnd schlenderte er zu Adelia, die gerade vom Pferd sprang.

»Oh, Onkel Paddy!« Ihre Augen blitzten in ihrem geröteten Gesicht wie Smaragde. Begeistert riss sie sich die Kappe vom Kopf. »Das ist das tollste Pferd der Welt! Es war, als würde ich Pegasus höchstpersönlich reiten!«

»Das haben Sie wirklich gut gemacht, junge Dame.« Hank streckte ihr die Hand hin und schüttelte bewundernd den Kopf, begeistert über ihre Reitkunst und ihr schimmerndes Haar, das sich jetzt über ihre Schultern ergoss.

»Vielen Dank, Mr. Manners.« Sie schüttelte ihm lächelnd die Hand.

»Sagen Sie Hank zu mir.«

Sie grinste. »Hank.«

»Nun, Adelia Cunnane.« Paddy legte einen Arm um ihre Schultern. »Royal Meadows hat soeben eine neue Pferdepflegerin eingestellt. Dich.«

Als Adelia im Bett lag, starrte sie mit aufgerissenen Augen an die Decke. In so kurzer Zeit war so viel geschehen, dass ihre Gedanken einfach nicht zur Ruhe kamen. Nach dem Ritt hatte Paddy sie durch die Stallungen geführt, ihr die Sattelkammer gezeigt und sie mehr Menschen vorgestellt, als sie jemals an einem einzigen Tag getroffen hatte.

Danach hatte Paddy das Abendessen zubereitet, ohne ihre Hilfe anzunehmen. Der Herd schien mehr mit Magie als mit Technik zu tun zu haben. Und es gab eine Maschine, die das Geschirr nur durch Drücken eines Knopfes wusch und trocknete – ein Wunderwerk! Über solche Geräte zu lesen war etwas anderes, als sie tatsächlich mit eigenen Augen zu sehen … das machte es einem leichter, an Elfen und Kobolde zu glauben. Als sie diesen Gedanken ihrem Onkel gegenüber erwähnte, warf er den Kopf zurück und lachte, bis ihm Tränen über die Wangen strömten, dann erdrückte er sie fast in seinen Armen wie Stunden zuvor am Flughafen.

Sie aßen an dem kleinen Tisch am Küchenfenster, und sie beantwortete all seine Fragen über Skibbereen. Mit funkelnden Augen lauschte Paddy ihren farbenfrohen Beschreibungen und haarsträubenden Geschichten, die sie mit temperamentvollen Gesten unterstrich, wobei sie hier und da die Wahrheit ein wenig strapazierte. Doch trotzdem bemerkte ihr Onkel die Trauer, die in ihren Worten mitschwang. Er drängte sie, früh schlafen zu gehen, um am nächsten Morgen ausgeruht zu sein.

Adelia gönnte sich das ungewohnte Vergnügen, ausgiebig zu baden; Tante Lettie hätte das für sündhafte Zeitverschwendung gehalten. Als sie schließlich zwischen die kühlen, frischen Laken schlüpfte, war es ihr unmöglich, sich zu entspannen. Ihr Kopf war so voller neuer Eindrücke und Bilder. Und ihr Körper, der es gewöhnt war, bis zur vollkommenen Erschöpfung gefordert zu werden, kam mit der wenigen Bewegung des Tages nur schlecht zurecht. Adelia kletterte wieder aus dem Bett, zog Jeans und Hemd an, stopfte ihr Haar wieder unter die Kappe und glitt lautlos aus dem Haus.

Die Nacht war klar und kühl; nur das hartnäckige Rufen einer Schwarzkehl-Nachtschwalbe durchbrach die Stille. Im Mondlicht fand sie den Weg zu den Stallungen. Die Ruhe und der vertraute Geruch der Pferde erinnerten sie an zu Hause, und mit einem Mal verspürte sie eine Zufriedenheit, die sie noch nie zuvor gekannt hatte.

Vor der Stalltür zögerte sie, unsicher, ob sie es wirklich wagen konnte, hineinzugehen. Als sie die Hand schließlich ausstreckte, packte jemand sie am Arm und riss sie herum. Einen Moment lang wurde sie in die Höhe gehoben wie eine kleine Katze.

»Was tun Sie da? Und wie sind Sie überhaupt hier hereingekommen?«

Sprachlos starrte Adelia den Mann an, der mit dieser barschen Stimme zu ihr sprach und über ihr aufragte wie ein Riese. Sie versuchte zu antworten, doch die Worte blieben ihr im Hals stecken, als sie in den Stall gezerrt wurde.

»Na, dann lass dich mal ansehen«, knurrte der Mann und knipste das Licht an. Als er sie herumwirbelte, fiel ihre Kappe zu Boden, und ihr herrliches Haar floss über ihren Rücken.

»Was zum … Sie sind ein Mädchen!« Er ließ sie los. Adelia trat einen Schritt zurück.

»Wie scharfsinnig von Ihnen.« Sie rieb sich energisch den Arm und funkelte ihn mit ihren grünen Augen wütend an. »Und wer sind Sie, dass Sie es wagen, unschuldige Leute zu überfallen und ihnen fast die Knochen zu brechen? Nichts als ein grober Klotz sind Sie! Dafür, dass Sie mich zu Tode erschreckt und mir fast den Arm gebrochen haben, sollten Sie die Peitsche zu spüren bekommen …«

»Für so einen Winzling haben Sie ein ganz schönes Temperament«, bemerkte der Mann amüsiert, der sich fragte, wie er sie jemals mit einem Jungen hatte verwechseln können. »Ihrem Akzent nach zu urteilen handelt es sich bei Ihnen vermutlich um Paddys Nichte – die kleine Dee.«

»Ich bin Adelia Cunnane und nicht Ihre kleine Dee.« Sie musterte ihn mit unverhohlener Abneigung. »Und nicht ich spreche mit Akzent, sondern Sie!«

Er legte den Kopf in den Nacken und brach in lautes Gelächter aus, was Adelias Wut nur noch mehr anstachelte. »Ich freue mich sehr, zu Ihrer guten Laune beizutragen.« Sie verschränkte die Arme vor der Brust und schüttelte den Kopf so heftig, dass ihre roten Locken flogen. »Und wer in aller Welt sind Sie?«

»Ich heiße Travis«, antwortete er noch immer lachend. »Travis Grant.«

2. KAPITEL

Adelia starrte ihr Gegenüber an, während ihre Wut langsam verrauchte. Travis Grant war groß und kräftig. Die aufgerollten Ärmel seines Hemdes enthüllten muskulöse Unterarme. Seine Gesichtszüge waren wie gemeißelt, klar und scharf. Die blauen Augen bildeten einen überraschenden Kontrast zu seiner gebräunten Haut, volle schwarze Locken fielen ihm bis auf den Kragen. Er grinste noch immer.

Das war also der Mann, für den sie arbeiten sollte. Das war der Mann, bei dem sie einen guten Eindruck hinterlassen musste. Doch stattdessen hatte sie ihn lauthals beschimpft. »Himmel!«, wisperte sie, schloss einen Moment die Augen und wünschte, im Erdboden versinken zu können.

»Es tut mir leid, dass wir uns unter so … ähm …« Er zögerte. »… unter so verwirrenden Umständen kennengelernt haben, Adelia. Paddy ist ganz aus dem Häuschen, seit er weiß, dass Sie kommen.«

»Ich habe nicht damit gerechnet, Sie vor morgen früh zu treffen, Mr. Grant.« Sie klammerte sich verzweifelt an ihren letzten Rest von Stolz. »Onkel Paddy sagte, Sie wären noch nicht zurück.«

»Und ich habe nicht erwartet, einer kleinen Fee über den Weg zu laufen, die in meine Ställe einfällt.« Travis grinste erneut.

Adelia richtete sich zu ihrer vollen Größe auf und warf ihm einen hochmütigen Blick zu. »Ich konnte nicht schlafen, also wollte ich ein wenig spazieren gehen. Und mal nach Majesty sehen.«

»Majesty ist ein äußerst nervöses Pferd.« Er musterte sie von Kopf bis Fuß. »Sie sollten lieber Abstand von ihm halten.«

»Und wie soll ich das tun?«, fragte sie streng. »Schließlich werde ich ihn künftig regelmäßig trainieren.«

»Einen Teufel werden Sie tun!« Er kniff die Augen zusammen. »Wenn Sie glauben, dass ich so ein winziges Persönchen wie Sie auf dieses erstklassige Pferd loslasse, dann müssen Sie den Verstand verloren haben.«

»Ich wurde bereits auf Ihr erstklassiges Pferd losgelassen.« Langsam wurde sie wieder zornig. »Ich bin mit ihm in einer ganz passablen Zeit eine Runde geritten.«

»Das glaube ich nicht.« Er trat einen Schritt auf sie zu, woraufhin sie den Kopf noch weiter in den Nacken legen musste. »Paddy würde Sie niemals auf Majesty steigen lassen.«

»Es ist nicht meine Art, zu lügen, Mr. Grant«, gab Adelia feierlich zurück. »Majesty hat nach Tom getreten, deswegen bin ich für ihn eingesprungen.«

»Sie haben Majesty geritten?«, wiederholte Travis leise.