Erinnerung des Herzens - Nora Roberts - E-Book

Erinnerung des Herzens E-Book

Nora Roberts

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Beschreibung

Julie Summers ist begeistert, über das Leben der Filmgöttin Eve Benedict – zwei Oscars, vier Ehemänner und unzählige Geliebte – ein Buch schreiben zu können. Als jemand versucht, Eve zum Schweigen zu bringen, bekommt Julie Angst. Ist es der attraktive Stiefsohn des Stars, Paul Winthrop, der sich auch sehr für die junge Autorin interessiert?

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Das Buch

Julia Summers – alleinerziehende Mutter und Erfolgsautorin – bekommt den Auftrag ihres Lebens: Sie soll für die alternde Filmdiva Eve Benedict deren Memoiren verfassen. Dafür zieht sie zusammen mit ihrem Sohn zu der Schauspielerin nach L.A., aber bei ihrer Arbeit werden ihr Steine in den Weg gelegt. Denn der Hollywoodstar hat nach einer 50 jährigen Karriere mit 2 Oscars, 4 Ehemännern und einer langen Reihe von Verehrern genügend Neider, die das Erscheinen des Buches verhindern wollen. Als Julia immer wieder Drohbriefe erhält, wird der Auftrag mehr und mehr zur Gefahr. Nur Paul, dem Stiefsohn von Eve, schenkt sie ihr Vertrauen  – und ihre Liebe. Ihm gelingt es jedoch nicht, Julia vor Eves brisanten Informationen zu schützen. Je mehr sich die beiden Frauen anfreunden, desto persönlicher und intimer werden die Berichte des Stars. So intim, daß jemand nicht einmal vor einem Mord zurückschreckt …

Die Autorin

Die amerikanische Bestsellerautorin Nora Robersts, geboren in Washington D.C. in Maryland, erhielt für ihre Romane bereits zahlreiche Preise der Romantic Times, und sie gehörte zu den ersten Autoren, die in die Romance Writers of America’s Hall of Fame aufgenommen wurden. Inzwischen hat sie etwa 80 Romane verfaßt, die in mehr als 20 Sprachen übersetzt wurden. Mit ihren spannenden Liebes- und Gesellschaftsromanen avancierte sie zu einer der meist verkauften Autorinnen weltweit.

Inhaltsverzeichnis

Das BuchDie AutorinWidmungPrologKapitel 1Kapitel 2Kapitel 3Kapitel 4Kapitel 5Kapitel 6Kapitel 7Kapitel 8Kapitel 9Kapitel 10Kapitel 11Kapitel 12Kapitel 13Kapitel 14Kapitel 15Kapitel 16Kapitel 17Kapitel 18Kapitel 19Kapitel 20Kapitel 21Kapitel 22Kapitel 23Kapitel 24Kapitel 25Kapitel 26Kapitel 27Kapitel 28Kapitel 29Kapitel 30Kapitel 31Kapitel 32Kapitel 33Copyright

Für Pat und Mary KayMit Dank für ihr Lachen und das gute Essen

Prolog

Irgendwie brachte sie es fertig, den Kopf oben zu behalten und die aufsteigende Übelkeit zu unterdrücken. Es war kein Alptraum, der beim Erwachen verschwinden würde. Allerdings spielte sich alles im Zeitlupentempo ab, genau wie im Traum. Sie kämpfte sich ihren Weg frei, und es war, als ob sie durch einen dichten Vorhang aus Wasser sehen müßte, auf deren anderer Seite sie all die Gesichter der Leute um sich herum sah. Sie hatten hungrige Augen, sie schlossen und öffneten den Mund. Als wollten sie sie verschlingen. Ihre Stimmen schwollen an und verebbten wie Wellen, die gegen Felsen schlugen. Ihr Herz schlug hart und schien manchmal auszusetzen.

Vorwärts, vorwärts, befahl sie ihren zitternden Beinen, während eine feste Hand sie durch die Menge stieß, nach draußen, auf die Treppe des Gerichtsgebäudes. Das grelle Sonnenlicht trieb ihr Tränen in die Augen, und sie suchte nach ihrer Sonnenbrille. Man durfte nicht denken, daß sie weinte. Sie sollten keinerlei Schuldgefühle bei ihr feststellen. Das Schweigen war ihr einziger Schutz.

Sie stolperte und durchlebte einen Augenblick panischer Angst. Nur nicht hinfallen. Sollte sie hinfallen, würde die Meute neugieriger Reporter sich auf sie stürzen, wie wilde Hunde auf ein armes Kaninchen. Sie mußte aufrecht stehen, schweigen und überlegen. Das hatte Eve ihr beigebracht.

Zeig ihnen nie deine Gefühle, Mädchen.

Eve. Sie hätte schreien können; die Hände vors Gesichts schlagen und schreien. Schreien, all ihre Wut, ihre Angst und ihren Kummer einfach hinausschreien.

Fragen stürmten auf sie ein. Mikrophone wurden ihr vors Gesicht gestoßen wie tödliche kleine Pfeile. Begierig verfolgten die Reporter das Ende des Mordprozesses gegen Julia Summers.

»Hexe!«, rief einer. Seine Stimme klang schrill vor Haß. »Kaltblütige Hexe!«

Sie wäre gern stehengeblieben und hätte zurückgerufen: »Woher wollen Sie wissen, wie ich bin? Woher wollen Sie wissen, was ich fühle oder nicht fühle?«

Aber die Tür der Limousine stand offen. Sie stieg in die Geborgenheit gekühlter Luft und dunkler Glasscheiben ein. Die Menge drängte dagegen. Zornige Gesichter blickten auf sie herab wie Geier auf einen noch blutenden Leichnam. Als der Wagen abfuhr, schaute sie starr nach vorn. Die Hände hatte sie im Schoß verschlungen, ihre Augen waren zum Glück trocken geblieben.

Sie sagte nichts, als ihr Begleiter ihr einen Drink reichte. Einen Brandy, zwei Finger hoch. Als sie den ersten Schluck genommen hatte, fragte er ruhig, fast beiläufig, mit der sanften, dunklen Stimme, die sie so geliebt hatte: »Nun, Julia, hast du sie umgebracht?«

1

Sie war eine Legende. Ein Produkt ihrer Zeit, ihres Talentes und ihres gewaltigen Ehrgeizes. Eve Benedict. Männer, die dreißig Jahre jünger waren, bewunderten sie. Frauen beneideten sie. Regisseure umwarben sie, denn sie wußten nur zu gut, daß ihr Name Gold wert war in diesen Zeiten, wo Filme anscheinend von Buchhaltern gemacht wurden. In den fast fünfzig Jahren ihrer Karriere hatte sie Höhen und Tiefen erlebt. Beides war notwendig gewesen, damit sie zu dem werden konnte, was sie werden wollte.

Sie tat, was sie wollte, im Privatleben und im Beruf. Wenn eine Rolle sie interessierte, jagte sie ihr ebenso atemlos und wildentschlossen nach wie ihrer allerersten Rolle.

Wenn sie einen Mann begehrte, schnappte sie ihn sich und trennte sich wieder von ihm, wenn sie genug hatte – aber niemals im Bösen, womit sie gern prahlte. Alle ihre ehemaligen Liebhaber, und derer gab es viele, waren ihre Freunde geblieben. Oder sie besaßen doch wenigstens soviel Vernunft, den Anschein dessen zu wahren. Mit ihren 67 Jahren besaß Eve immer noch einen prachtvollen Körper. Ihre eiserne Energie und die chirurgische Kunst hatten ihr dabei geholfen. Über fünfzig Jahre lang hatte sie hart an sich gearbeitet, bis sie praktisch unangreifbar geworden war. Aus ihren Triumphen hatte sie ebenso gelernt wie aus ihren Enttäuschungen. Heute wurde sie im Königreich Hollywood ebenso gefürchtet wie respektiert.

Sie war eine Göttin gewesen. Jetzt war sie eine Königin mit wachem Verstand und einer spitzen Zunge. Wenige nur kannten ihr Herz, niemand ihre Geheimnisse.

»Bockmist ist das.« Eve schleuderte das Drehbuch auf den Fliesenboden des Solariums und gab ihm einen Tritt. Sie ging würdevoll auf und ab, was ihre darunter pulsierende sinnliche Vitalität kaum kaschieren konnte. »Alles, was ich in den letzten zwei Monaten gelesen habe, war Bockmist.«

Ihre Agentin, eine rundliche, sanft wirkende Frau mit einem eisernen Willen, zuckte mit den Schultern und schlürfte ihren Nachmittagscocktail.

»Ich hab’ dir ja gleich gesagt, daß es Schund ist, Eve, aber du wolltest es trotzdem lesen.«

»Schund, sagst du.« Sie nahm eine Zigarette aus der Lackdose und fahndete in den Taschen ihrer Slacks nach Streichhölzern. »Warum nicht? Ich habe schon viel Schund gespielt und etwas daraus gemacht. Das hier«, wieder versetzte sie dem Drehbuch einen Fußtritt, was ihr offensichtlich Spaß machte, »ist Bockmist.«

Margaret Castle nippte an ihrem Grapefruitsaft mit einem Spritzer Wodka. »Richtig. Diese Miniserien …«

Eve warf den Kopf zurück. Ihr Blick war scharf wie ein Skalpell. »Du weißt, wie ich dieses Wort verabscheue.«

Maggie griff nach einem Stück Marzipan und stopfte es sich in den Mund. »Wie immer du sie nennen willst, die Rolle der Marilou ist dir auf den Leib geschrieben. Seit Scarlett hat es keine so lebendige, faszinierende Schönheit der Südstaaten mehr gegeben.«

Eve wußte das und war bereits entschlossen, das Angebot anzunehmen. Aber sie wollte nicht zu rasch zustimmen. Es ging ihr dabei weniger um ihren Stolz, als vielmehr um ihr Image. »Drei Wochen lang Aufnahmen in Georgia«, maulte sie. »Zusammen mit ständig bumsenden Alligatoren und Moskitos.«

»Liebling, mit wem du ins Bett gehst, das ist deine Angelegenheit.«

Der Scherz wurde mit einem prustenden Gelächter beloht. »Sie haben übrigens Peter Jackson als Robert angeheuert.«

Eve kniff die schönen grünen Augen zusammen. »Seit wann weißt du das?«

»Seit heute morgen.« Maggie lächelte und rutschte ein wenig tiefer in die pastellfarbenen Kissen auf dem weißen Korbsofa. »Ich dachte, es interessiert dich vielleicht.«

Eve blieb nicht stehen. Sie blies den Rauch aus und überlegte. »Er sieht wirklich sehr gut aus, und ist noch dazu ein ausgezeichneter Schauspieler. Da könnte sich das Herumstapfen im Sumpf fast lohnen.«

Jetzt, wo sie einen Anhaltspunkt hatte, zog Maggie den Fisch an Land. »Sie denken daran, Justine Hunter als Marilou zu engagieren.«

»Diese Gans?« Eve fing an, schneller an der Zigarette zu ziehen, schneller hin und her zu laufen. »Sie hat weder genug Talent noch genug Verstand für die Marilou. Hast du sie in Midnight gesehen? Außer ihrem Busen hatte sie nichts zu bieten, gar nichts. Du lieber Himmel!«

Auf diese Reaktion hatte Maggie nur gewartet. »In Right of Way war sie sehr gut.«

»Aber nur, weil sie sich selber spielen konnte, eine dumme Schlampe. Mein Gott, Maggie, sie ist eine Katastrophe.«

»Die Fernsehzuschauer kennen ihren Namen und …«, Maggie wählte ein neues Stückchen Marzipan aus, betrachtete es aufmerksam und lächelte. »Weißt du, sie hat das richtige Alter für die Rolle. Marilou soll Mitte Vierzig sein.«

Eve wirbelte herum. Hochaufgerichtet stand sie im hellen Sonnenlicht und hielt die Zigarette wie eine Waffe in ihren Fingern. Großartig, dachte Maggie, während sie auf die Explosion wartete.

Eve Benedikt war wirklich großartig mit ihrem feingeschnittenen, unvergeßlichen Gesicht, den vollen roten Lippen, dem seidigen, kurzgeschnittenen, ebenholzschwarzen Haar. Ihr Körper war der Traum eines jeden Mannes – schlank und fest, mit vollen Brüsten. Wie immer trug sie Seide in leuchtenden Farben – ihr Markenzeichen.

Dann lächelte sie, ihr berühmtes, schnell aufblitzendes Lächeln, das jedem den Atem verschlug. Sie warf den Kopf zurück und lachte herzlich. »Sinnlos, Maggie. Verdammt noch mal, du kennst mich zu gut.«

Maggie schlug ihre dicken Beine übereinander. »Kein Wunder, nach fünfundzwanzig Jahren.«

Eve ging zur Bar, um sich ein Glas Saft aus frischgepreßten Orangen einzugießen, die aus eigener Ernte stammten. Sie fügte einen großzügig bemessenen Schuß Champagner hinzu.

»Kommen wir zur geschäftlichen Seite.«

»Ich hab’ mich schon damit befaßt. Du wirst eine reiche Frau werden.«

»Ich bin eine reiche Frau.« Eve zuckte mit den Schultern und drückte ihre Zigarette aus. »Wir beide sind reiche Frauen.«

»Nun, dann werden wir eben noch reicher.« Sie hob ihr Glas und prostete Eve zu. Dann klapperte sie mit den Eiswürfeln. »Warum erzählst du mir nicht, weshalb du mich heute hergebeten hast?«

Eve lehnte sich an die Bar und nippte an ihrem Drink. An ihren Ohren funkelten Diamanten, sie trug keine Schuhe. »Du kennst mich wirklich zu gut. Ich trage mich in Gedanken mit einem ganz anderen Projekt. Schon seit langem denke ich darüber nach. Ich brauche deine Hilfe.«

Maggie blickte erstaunt. »Meine Meinung dazu interessiert dich nicht?«

»Deine Meinung gehört zu den wenigen, die mir stets willkommen sind, Maggie.«

Eve setzte sich in einen scharlachrot gepolsterten Sessel mit hoher Rückenlehne. Von hier aus konnte sie in den Garten auf die sorgfältig gepflegten Blumen und die korrekt beschnittenen Hecken schauen. Von einem Springbrunnen sprudelte schäumendes Wasser in ein Marmorbassin. Dahinter befanden sich der Swimmingpool und das Gästehaus im Tudor-Stil, das einem Haus in einem ihrer erfolgreichsten Filme nachgebaut worden war. Hinter einer Reihe von Palmen lag der Tennisplatz, den sie mindestens zweimal in der Woche benutzte, ferner ein kleiner Golfplatz, an dem sie inzwischen das Interesse verloren hatte, und ein Schießstand, den sie vor zwanzig Jahren nach dem Manson-Mordfall hatte errichten lassen. Dann gab es noch ein Orangenwäldchen, eine Garage für zehn Wagen und eine künstliche Lagune. Alles wurde von einer zwanzig Fuß hohen Steinmauer umschlossen.

Für jeden Fußbreit Boden ihres Besitzes in Beverly Hills hatte sie gearbeitet. Ebenso wie sie – einstiges Sexsymbol mit rauchiger Stimme – darum gekämpft hatte, als ernstzunehmende Schauspielerin anerkannt zu werden. Es hatte sie Opfer gekostet, aber daran dachte sie nur selten. Es hatte sie auch Schmerzen gekostet. Das vergaß sie nie. Sie hatte eine hohe Leiter erklommen, die glitschig war von Schweiß und Blut, und sie war lange Zeit an der Spitze geblieben. Aber dort war sie sehr allein gewesen.

»Erzähl mir von diesem Projekt«, sagte Maggie. »Ich werde dir sagen, was ich davon halte, und ich werde dir helfen.«

»Was für ein Projekt?«

Beide Frauen blickten zur Tür, als sie die Stimme des Mannes hörten. Sein leichter britischer Akzent war unverkennbar, obwohl er im Laufe seiner fünfunddreißig Jahre nicht mehr als ein Jahrzehnt in England verbracht hatte. Paul Winthrops Heimat war Kalifornien.

»Du hast dich verspätet.« Aber Eve lächelte nachsichtig und streckte ihm beide Hände entgegen.

»Tatsächlich?« Er küßte erst ihre Hände, dann ihre Wangen. »Hallo, Schönheit.« Er nahm ihr Glas, nippte daran und grinste. »Immer noch die verdammt besten Orangen im ganzen Land. He, Maggie.«

»Paul. Himmel, du siehst deinem Vater von Tag zu Tag ähnlicher. Ich könnte dir im Handumdrehen einen Filmvertrag verschaffen.«

Er nippte noch einmal an Eves Glas und gab es ihr dann zurück. »Ich werde dich eines Tages daran erinnern, wenn alle Stricke reißen.«

Er hatte mahagonifarbenes Haar, das vom Wind zerzaust war. Sein Gesicht war für einen Mann immer etwas zu hübsch gewesen, jetzt war es zu seiner großen Erleichterung vom Wetter gegerbt. Eve studierte es eingehend, die lange gerade Nase, die hohlen Wangen, die tiefblauen Augen, die umgeben waren von einem feinen Liniennetz, das eine Frau zur Verzweiflung gebracht hätte, bei einem Mann aber interessant und charaktervoll wirkte. Er lächelte mit seinem schöngeschnittenen Mund, einem Mund, in den sie sich vor fünfundzwanzig Jahren verliebt hatte – dem Mund seines Vaters.

»Wie geht es dem alten Bastard?« fragte sie.

»Er macht sich ein schönes Leben mit seiner fünften Frau an den Spieltischen von Monte Carlo.«

»Er hat nichts dazugelernt. Frauen und Spiel, das waren schon immer Rorys Schwächen.«

Da er vorhatte, am Abend noch zu arbeiten, goß Paul sich nur Saft ein. Eve zuliebe hatte er seine Arbeiten heute unterbrochen. Das hätte er für niemanden sonst getan. »Erstaunlicherweise hat er mit beiden immer unheimliches Glück gehabt.«

Eve trommelte mit den Fingern auf die Sessellehnen. Vor einem Vierteljahrhundert war sie zwei kurze, wilde Jahre lang mit Rory verheiratet gewesen. »Wie alt ist denn die Neue? Dreißig?«

»Wenn man den Presseerklärungen glauben darf, ja.« Amüsiert schaute Paul zu, wie Eve sich eine neue Zigarette angelte. »Komm, Schönheit, du wirst doch nicht etwa eifersüchtig sein?« Hätte irgend jemand anderes ihr diese Frage gestellt, wäre Eve hochgegangen wie eine Rakete. Jetzt zuckte sie nur mit den Schultern.

»Ich hasse es, zusehen zu müssen, wie er einen Narren aus sich macht. Außerdem wird jedes Mal, wenn er sich in eine neue Ehe stürzt, eine Liste seiner Verflossenen veröffentlicht.« Einen Augenblick lang wurde ihr Gesicht von einer Rauchwolke verdeckt. »Ich verabscheue es, meinen Namen in einer Reihe mit den anderen zu sehen. Über Geschmack läßt sich nicht streiten, aber ich finde, keine von denen hat zu ihm gepaßt.«

»Oh, dein Name hebt sich um so leuchtender von ihnen ab, wie es sich gehört.« Paul hob sein Glas und nickte ihr zu.

»Du findest immer das richtige Wort zum richtigen Zeitpunkt.« Zufrieden lehnte Eve sich zurück. Aber ihre Finger trommelten weiter auf die Sessellehnen. »Ganz der erfolgreiche Autor. Das ist einer der Gründe, weshalb ich dich heute zu mir gebeten habe.«

»Einer der Gründe?«

»Der andere ist, daß ich dich einfach zu selten zu Gesicht bekomme, Paul, wenn du mitten in der Arbeit an einem Buch steckst.« Wieder streckte sie ihm die Hände entgegen. »Ich war zwar nur kurze Zeit deine Stiefmutter, aber du bist immer noch mein einziger Sohn.«

Gerührt zog er ihre Hand an seine Lippen. »Und du bist immer noch die einzige Frau, die ich liebe.«

»Weil du zu wählerisch bist.« Eve drückte seine Hand, bevor sie sie losließ. »Ich habe euch beide aber nicht aus reiner Gefühlsduselei hergebeten. Ich brauche euren Rat.« Sie sog langsam an ihrer Zigarette, um die Spannung zu erhöhen. »Ich habe mich entschlossen, meine Memoiren zu schreiben.«

»Oh Gott!« Das war Maggie. Paul hob lediglich eine Braue.

»Warum?«

Nur sehr wenige hätten das leichte Zögern in seiner Stimme bemerkt. Eve achtete nicht darauf. »Ich habe ein Leben lang um alles kämpfen müssen, das hat mich nachdenklich gemacht.«

»Das ist eine Ehre, Eve«, erklärte Maggie. »Kein Nachteil.«

»Mag sein«, erwiderte Eve. »Es ist immer so gewesen, daß mein Können und mein Körper bewundert wurden. Aber mein Leben – und meine Arbeit – sind noch lange nicht beendet. Ich habe darüber nachgedacht, daß diese fünfzig Jahre im Geschäft alles andere als langweilig gewesen sind. Ich glaube, selbst jemand mit Pauls Phantasie könnte sich keine noch interessantere Story ausdenken, eine mit so verschiedenartigen Charakteren.« Sie lächelte leise, ein wenig böse, ein wenig belustigt. »Es gibt ein paar Leute, die nicht sehr begeistert davon sein werden, ihre Namen und ihre kleinen Geheimnisse gedruckt zu sehen.«

»Und es gibt nichts auf der Welt, was du lieber tun würdest, als alles wieder aufzurühren«, murmelte Paul.

»Nichts«, gab Eve zu. »Warum auch nicht? Jede Soße brennt an, wenn sie nicht von Zeit zu Zeit aufgerührt wird. Ich werde alles frei und offen aussprechen. Es soll keine langweilige Biographie einer berühmten Persönlichkeit werden, einschläfernd wie eine Presseerklärung oder der Brief eines Fanclubs. Ich brauche einen Autor, der meine Worte weder abmildert noch verdreht. Jemanden, der meine Story so aufzieht, wie sie ist, nicht so, wie einige sie gern hätten.« Sie warf einen Blick auf Pauls Gesicht und lachte. »Keine Angst, Darling. Ich habe nicht die Absicht, dir diesen Job vorzuschlagen.«

»Ich nehme an, du denkst schon an jemand Bestimmten.« Er nahm ihr Glas und goß ihr neuen Saft ein. »Hast du mir deshalb letzte Woche die Biographie über Robert Chamber zugeschickt?«

Eve nahm das Glas und lächelte. »Was hältst du davon?«

Er zuckte mit den Schultern. »Gut gemacht, durchaus.«

»Sei kein Snob, Darling. Ich bin sicher, du weißt, daß das Buch ausgezeichnete Kritiken bekam und zwanzig Wochen lang auf der Bestsellerliste der New York Times stand.«

Er korrigierte sie. »Zweiundzwanzig Wochen.«

Eve mußte grinsen. »Es ist ein interessantes Buch, wenn man imstande ist, Roberts Männlichkeitswahn zu verkraften. Aber am meisten hat mich fasziniert, daß der Autor es fertiggebracht hat, eine Anzahl von Wahrheiten zwischen all die sorgfältig plazierten Lügen zu schmuggeln.«

»Julia Summers hat das Buch geschrieben«, warf Maggie ein. »Ich habe sie in Today gesehen, als sie im Frühling die Werbekampagne geleitet hat. Sehr kühl, sehr attraktiv. Sie und Robert sollen ein Verhältnis gehabt haben, sagt man.«

»Wenn das stimmt, hat sie jedenfalls ihre Objektivität dabei nicht eingebüßt.« Eve beschrieb mit ihrer Zigarette einen Kreis in der Luft, bevor sie sie ausdrückte. »Außerdem spielt ihr Privatleben keine Rolle.«

»Aber deins«, sagte Paul. Er setzte sein Glas ab und rückte näher an sie heran. »Eve, mir gefällt der Gedanke nicht, daß du dein Innerstes preisgeben willst. Worte hinterlassen Narben, besonders wenn sie von einem cleveren Autor gezielt eingesetzt werden.«

»Du hast vollkommen recht, deshalb sollen es ja unbedingt meine eigenen Worte sein.« Ungeduldig wehrte sie mit der Hand seinen Protestversuch ab. Er merkte, daß ihr Entschluß bereits feststand. »Paul, ganz objektiv, was hältst du von Julia Summers beruflichen Fähigkeiten?«

»Was sie anpackt, macht sie gut. Vielleicht zu gut.« Der Gedanke war ihm unbehaglich. »Du hast es doch nicht nötig, Eve, dich auf diese Weise der öffentlichen Neugier auszusetzen. Du brauchst weder das Geld noch die Publicity.«

»Mein lieber Junge, deswegen will ich es ja auch nicht machen. Es geht mir dabei, wie bei fast allem in meinem Leben, um meine eigene Befriedigung, meine Selbstverwirklichung.« Sie blickte zu ihrer Agentin hinüber. Sie kannte Maggie gut genug, um sofort zu merken, daß sie bereits angebissen hatte. »Ruf ihre Agentur an«, sagte Eve. »Mach die Sache klar. Ich gebe dir eine Liste mit den Bedingungen, die ich stelle.« Sie stand auf und küßte Paul auf die Wange. »Mach kein so mürrisches Gesicht. Du kannst dich darauf verlassen, daß ich genau weiß, was ich tue.«

Selbstbewußt, mit hocherhobenem Kopf, ging sie zur Bar, um sich ein wenig Champagner nachzuschenken. Aber im stillen hoffte sie, daß sie nicht einen Ball geschossen hatte, der ihr ein Eigentor einbringen würde.

Julia wußte nicht, ob sie soeben das tollste Weihnachtsgeschenk in ihrem Leben bekommen hatte oder eine Menge Schrott. Sie stand an dem großen Erkerfenster in ihrem Haus in Connecticut und schaute den tanzenden Schneeflocken zu. In dem gegenüberliegenden offenen Kamin zischten und knisterten die brennenden Holzscheite. An jeder Seite des Kamins hing ein roter Strumpf.

Der Baum stand genau in der Mitte vor dem Fenster, wie Brandon es gewollt hatte. Sie hatten die sechs Fuß hohe Fichte gemeinsam ausgesucht und ins Wohnzimmer geschleppt. Dann hatten sie den ganzen Abend damit verbracht, sie zu schmücken. Brandon hatte genau gewußt, wo jeder Stern, jede Kugel hängen sollte. Als sie das Lametta in kleinen Büscheln auf den Zweigen verteilen wollte, hatte er darauf bestanden, jeden Faden einzeln aufzuhängen.

Er hatte auch schon den Platz ausgesucht, wo der Baum am Neujahrstag eingepflanzt werden sollte, womit eine neue Tradition in ihrem neuen Heim beginnen sollte.

Brandon war zehn Jahre alt, und Traditionen gingen ihm über alles. Vielleicht deshalb, weil er nie ein richtiges Zuhause gehabt hatte. Julia schaute auf die Geschenkpäckchen unter dem Baum. In ein paar Stunden würde er seine Mutter bitten, eins, nur ein einziges, schon heute am heiligen Abend öffnen zu dürfen. Auch das gehörte zur Tradition. Sie würde es ihm abschlagen. Er würde weiter auf sie einreden. Sie würde so tun, als finge sie an, schwankend zu werden. Er würde sie schließlich überreden.

Und in diesem Jahr konnten sie endlich in einem richtigen Zuhause Weihnachten feiern. Nicht in einem Apartment im Zentrum von Manhattan, sondern in einem Haus mit einem Hof, wo man einen Schneemann bauen konnte, und einer großen Küche, in der man Plätzchen backen konnte. Sie hatte sich so sehr danach gesehnt, ihm all das endlich geben zu können. Sie hoffte, es wog die Tatsache auf, daß er ohne Vater aufwachsen mußte.

Sie fing an, im Zimmer auf und ab zu gehen. Sie war eine kleine, zierliche Gestalt und trug ein überlanges Flanellshirt und ausgebeulte Jeans. Zu Hause zog sie sich immer bequem an und erholte sich von ihren öffentlichen Auftritten als geschniegelte, kühle, überlegene und erfolgreiche Frau. Julia Summers war stolz auf ihr Image in Fernsehsendungen, bei Verlagen und den berühmten Leuten, die sie interviewte. Sie freute sich über ihre geschickten Fragestellungen, die es ihr erlaubten, alles über andere herauszufinden, was sie wissen wollte, während man dabei über sie nur sehr wenig in Erfahrung brachte.

Ihr offizieller Lebenslauf verriet jedem, der es wissen wollte, daß sie als einziges Kind eines erfolgreichen Anwaltpaares in Philadelphia aufgewachsen war. Weiter erfuhr man, daß sie die Brown University absolviert hatte und alleinerziehende Mutter war. Dann wurden ihre beruflichen Erfolge aufgelistet. Aber nirgends war die Rede von der Hölle, die sie drei Jahre lang durchgemacht hatte, bevor ihre Eltern sich scheiden ließen, oder der Tatsache, daß sie völlig auf sich gestellt ihren Sohn zur Welt brachte, als sie achtzehn war. Der Schmerz, den sie empfunden hatte, als ihre Mutter starb, wurde ebenso wenig erwähnt wie der Kummer um ihren Vater, den sie zwei Jahre später verloren hatte. Damals war sie Mitte Zwanzig gewesen.

Obwohl sie nie ein Geheimnis daraus gemacht hatte, war es kaum bekannt, daß sie im Alter von sechs Wochen adoptiert worden war und fast genau achtzehn Jahre später ein Kind zur Welt gebracht hatte, auf dessen Geburtsurkunde vermerkt war: Vater unbekannt. Selbstverständlich kannte sie den Namen von Brandons Vater, aber sie hatte es schon immer verstanden, ihre Geheimnisse und ihre Zunge zu hüten.

Sie genoß es, daß es ihr oft gelang, die sorgfältig errichteten Fassaden anderer Leute einzureißen und in der Öffentlichkeit die Rolle der erfolgreichen Ms. Summers zu spielen, die ihr seidiges dunkelblondes Haar in einem französischen Knoten trug, elegante Kleider in leuchtenden Farben bevorzugte und anscheinend keine Nerven hatte.

Wenn sie nach Hause kam, wollte sie nur noch Julia sein, Brandons Mutter. Eine Frau, der es Spaß machte, das Abendessen für ihren Sohn zu kochen, die Möbel abzustauben, Pläne für einen Garten zu schmieden. Ein behagliches Heim zu schaffen, sah sie als ihre wichtigste Aufgabe an, das Schreiben brachte die dafür notwendigen Mittel ein.

Jetzt, während sie darauf wartete, daß ihr Sohn zur Tür hereingestürmt käme, um ihr von seinen Schlittenfahrten mit den Nachbarskindern zu erzählen, dachte sie über das Angebot nach, das sie gerade telefonisch erhalten hatte.

Eve Benedict.

Ruhelos ging sie hin und her, hob Sachen auf und legte sie an ihren Platz zurück, schob Kissen auf dem Sofa zurecht und ordnete Illustrierte. Die Unordnung im Wohnzimmer war mehr von ihr verursacht worden als von Brandon. Sie stolperte über weggeschleuderte Schuhe und ignorierte einen Korb voller Wäsche, die zusammengelegt werden mußte. Sie überlegte.

Eve Benedict. Schon der Name übte einen unwiderstehlichen Zauber aus. Sie war nicht einfach nur berühmt, nein, diese Frau hatte wirklich das Recht, ein Star genannt zu werden. Ihr Talent und ihr Temperament hatten ebenso dazu beigetragen wie ihr Gesicht. Ein Gesicht, das man seit fast fünfzig Jahren aus dem Fernsehen kannte, das in etwa hundert Filmen zu sehen war. Zwei Oscars, ein Tony, vier Ehemänner  – um nur einen Bruchteil ihrer Trophäen zu nennen. Sie hatte noch das Hollywood von Bogart und Gable gekannt, und sie hatte überlebt, ja, triumphiert, als die Studios in die Hände von Buchhaltern geraten waren.

Nach fast fünfzig Jahren im Scheinwerferlicht würde dies die erste autorisierte Biographie der Benedict werden. Wahrscheinlich war es auch das erste Mal, daß der Star Kontakt zu einem Autor aufgenommen und dieses Angebot gemacht hatte. Aber es war mit gewissen Bedingungen verknüpft, dachte Julia, und ließ sich auf die Couch sinken. Wegen dieser Bedingungen hatte sie ihre Agentin bitten müssen, ihr eine Bedenkzeit einzuräumen.

Sie hörte, wie die Küchentür knallte, und lächelte. Es gab nur einen einzigen Grund für sie, den goldenen Ring nicht sofort zu ergreifen. Und der kam gerade nach Hause.

»Mama!«

»Ich komme.« Sie ging in die Halle hinunter und fragte sich, ob sie das Angebot sofort erwähnen sollte oder erst nach den Feiertagen. Sie kam gar nicht auf den Gedanken, selbst die Entscheidung zu treffen und Brandon dann darüber zu informieren. Sie ging in die Küche und blieb grinsend stehen. Vor ihr stand ein Schneehügel mit dunklen, blitzenden Augen darin. »Bist du nach Hause gelaufen oder gerollt?«

»Es war super.« Brandon kämpfte mannhaft mit seinem nassen, um den Hals geknoteten Schal. »Wir saßen auf dem Schlitten, und Wills großer Bruder hat ihm einen mächtigen Stoß gegeben. Lisa Cohen schrie und schrie die ganze Zeit. Als sie herunterfiel, weinte sie. Und ihr Rotz ist in der Kälte zu Eis gefroren.«

»Klingt hübsch.« Julia kauerte sich hin, um den völlig verwickelten Knoten aufzulösen.

»Ich knallte direkt in eine Schneebank.« Gefrorener Schnee flog durch die Gegend, als er seine Hände, die noch in den dicken Handschuhen steckten, zusammenschlug. »Es war super.«

Er wäre beleidigt gewesen, wenn sie ihn gefragt hätte, ob er sich verletzt hätte, offensichtlich war er nur ein bißchen überdreht. Aber die Vorstellung, wie er mit dem Schlitten in eine Schneebank gerast war, gefiel ihr nicht besonders. Trotzdem gab sie sich Mühe, nicht die besorgte Mutter zu spielen, denn sie wußte, ihr hätte es auch Spaß gemacht. Julia brachte es endlich fertig, den Knoten zu lösen. Sie setzte einen Kessel Wasser auf, um eine heiße Schokolade zu kochen, und Brandon wickelte sich aus seinem Parka.

Als sie sich umdrehte, hatte er die tropfende Jacke bereits aufgehängt und holte sich ein Plätzchen aus dem Weidenkorb, der auf dem Küchenbüfett stand. Sein nasses Haar war wie ihres dunkelblond. Er hatte ihre zierliche Statur, was ihn, wie sie wußte, oft ärgerte. Sein kleines Gesicht war mager, den Babyspeck hatte er früh verloren. Das eigensinnige Kinn war gleichfalls ein Erbteil seiner Mutter. Aber im Gegensatz zu ihren kühlen grauen Augen hatten seine die Farbe goldbraunen Brandys. Darin bestand seine einzige äußere Ähnlichkeit mit seinem Vater.

»Nur zwei«, sagte sie automatisch. »In zwei Stunden gibt es Abendbrot.«

Brandon kaute und fragte sich, wann er anfangen konnte, sie zu bitten, schon heute ein Päckchen öffnen zu dürfen. Er konnte die Spaghettisoße schon riechen, die auf dem Ofen stand, und leckte sich den Zuckerguß genüßlich von den Lippen. Am Weihnachtsabend aßen sie immer Spaghetti, weil das seine Lieblingsspeise war.

In diesem Jahr feierten sie Weihnachten in ihrem eigenen Haus, aber er wußte genau, was wann geschehen würde. Sie würden im Speisezimmer zu Abend essen, weil es ein besonderer Tag war, und anschließend abwaschen. Dann würde seine Mutter Musik anstellen, und sie würden sich mit Brettspielen vor den Kamin setzen. Später würden sie dann die Strümpfe füllen.

Er wußte, daß es keinen Santa Claus gab, aber es machte Spaß, selber Santa Claus zu spielen. Wenn die beiden Strümpfe gefüllt waren, würde er seine Mutter so weit haben, daß sie ihn ein Päckchen öffnen ließ. Er wußte genau, welches er auswählen würde. Es war in silbernes und grünes Papier eingewickelt und rasselte, wenn man es hin und her bewegte. Er hoffte inständig, daß es einen Konstruktionsbaukasten enthielt.

Er stellte sich vor, wie er morgen seine Mutter ganz früh wecken würde, und wie sie herunterkommen, die Baumbeleuchtung einschalten, die Musik und dann die Geschenke öffnen würden.

»Es ist noch eine schrecklich lange Zeit bis morgen früh«, fing er an, als Julia die Schokolade brachte. »Vielleicht könnten wir unsere Geschenke schon heute abend auspacken. Das machen viele Leute, dann brauchst du auch morgen nicht so früh aufzustehen.«

»Oh, das macht mir nichts aus.« Julia lächelte ihm zu. Es war ein ausgesprochen herausforderndes Lächeln. Beide wußten, das Spiel hatte begonnen. »Aber wenn du lieber ausschlafen möchtest, kannst du das ruhig machen. Wir öffnen die Geschenke dann am Nachmittag.«

»Es ist besser, wenn es dunkel ist. Jetzt wird es dunkel.«

»Ja, das ist wahr.« Sie strich ihm das Haar aus der Stirn.

»Ich liebe dich, Brandon.«

Er rutschte auf seinem Stuhl herum. Das war nicht die richtige Art, das Spiel durchzuziehen. »Okay.«

Sie mußte lachen. Sie rückte ihren Stuhl neben seinen. »Ich muß über eine bestimmte Sache mit dir reden. Vorhin habe ich einen Anruf von Ann bekommen.«

Brandon wußte, daß Ann die Agentin seiner Mutter war, und daß es sich bei dem Anruf um einen Auftrag gehandelt haben mußte.

»Wirst du wieder verreisen müssen?«

»Nein. Nicht sofort. Es handelt sich um ein neues Buch. In Kalifornien lebt eine Frau, ein sehr großer Star. Sie will, daß ich ihre autorisierte Biographie schreibe.«

Brandon zuckte mit den Schultern. Seine Mutter hatte bereits zwei Bücher über Filmstars geschrieben. Über alte Leute. Nicht über so interessante wie Arnold Schwarzenegger oder Harrison Ford. »Okay.«

»Aber es ist ein kleines Problem dabei. Diese Frau, Eve Benedict, ist ein großer Star. Ich habe ein paar Filme auf Cassetten.«

Der Name bedeutete ihm nichts. Er trank seine Schokolade. Auf seiner Oberlippe bildete sich ein kleiner brauner Schnurrbart.

»Diese scheußlichen Schwarzweißfilme?«

»Nicht alle sind schwarzweiß. Es geht darum, wenn ich ihr Buch schreibe, muß ich nach Kalifornien gehen.«

Jetzt blickte er mit wachsamen Augen auf. »Wir müssen umziehen?«

»Nein.« Sie schaute ihn ernst an und legte die Hände auf seine Schultern. Sie verstand, wieviel dieses Zuhause ihm bedeutete. Er hatte in seinem Leben nie irgendwo wirklich heimisch werden können, sie konnte ihm das nicht antun. »Nein, wir müssen nicht umziehen, aber wir müßten nach Kalifornien gehen und ein paar Monate dort bleiben.«

»Eine Reise also?«

»Eine sehr lange. Deshalb müssen wir darüber nachdenken. Du müßtest eine Zeitlang dort zur Schule gehen, und ich weiß, daß du dich hier gerade erst richtig eingewöhnt hast.«

»Warum kann sie nicht hierher kommen?«

Julia lächelte. »Weil sie der Star ist und nicht ich, Kindchen. Eine ihrer Bedingungen ist, daß ich zu ihr komme und dort bleibe, bis das erste Konzept fertig ist. Ich weiß selber nicht, ob mir das so recht gefällt.« Sie schaute aus dem Küchenfenster. Das Schneetreiben hatte aufgehört, es war dunkel geworden. »Kalifornien ist weit entfernt.«

»Aber wir kommen bestimmt zurück?«

Wie typisch es für ihn war, gleich wieder zum Hauptpunkt zurückzukehren. »Ja, wir werden zurückkommen. Dies ist jetzt unser Zuhause. Dabei bleibt es.«

»Könnten wir Disneyland besuchen?«

Überrascht und amüsiert schaute sie ihren Sohn an. »Natürlich.«

»Und Arnold Schwarzenegger dort treffen?«

Lachend beugte Julia sich zu ihm hinunter. »Das weiß ich nicht. Aber wir können es versuchen.«

»Okay.« Zufrieden trank Brandon seine Schokolade aus.

2

Es ist alles in Ordnung, sagte sich Julia, als das Flugzeug zur Landung ansetzte. Ihre und Eve Benedicts Agentin hatten in den vergangenen drei Wochen häufig miteinander telefoniert und viel gefaxt. Sie wußte, sie brauchte sich überhaupt keine Sorgen zu machen, aber auch diesmal hatte sie wieder an ihren Nägeln herumgekaut. Jetzt ärgerte sie sich darüber, zumal sie diese ganze Maniküre haßte, erst das Einweichen und Feilen, dann diese schreckliche Qual, den richtigen Farbton herauszufinden. Violett oder Fuchsia? Sie ertappte sich dabei, wie sie das, was noch von ihrem Daumennagel übrig geblieben war, abnagte, und verschränkte die Finger im Schoß.

Ob sie wohl jemals landen würden?

Sie schob die Ärmel ihrer Jacke hoch und zog sie gleich darauf wieder herunter. Brandon schaute mit weitgeöffneten Augen aus dem Fenster. Immerhin hatte sie es fertiggebracht, sich die Angst vor dem Fliegen nicht anmerken zu lassen.

Sie atmete auf, als das Flugzeug endlich den Boden berührte. Gerettet, Jules, sagte sie sich, bevor sie den Kopf an die Rückenlehne sinken ließ. Jetzt mußte sie nur noch das entscheidende erste Interview mit Eve der Großen überleben, sich provisorisch im Gästehaus einrichten, sich darum kümmern, daß Brandon in der neuen Schule zurechtkam, und ihren Lebensunterhalt verdienen.

Halb so schlimm, dachte sie und klappte ihre Puderdose auf, hantierte mit dem Lippenstift und puderte sich die Nase. Wenn sie etwas auf der Welt konnte, dann war es das, ihre Nervosität zu verbergen. Eve Benedict würde nichts anderes in ihrem Gesicht entdecken als Zuversicht und Selbstvertrauen.

»Komm«, sagte sie zu Brandon, als das Flugzeug vor dem Gate zum Stehen gekommen war. Er nahm seine Schultasche in die Hand, sie ihre Aktentasche. Hand in Hand verließen sie das Flugzeug. Noch bevor sie durch das Gate gegangen waren, erschien ein Mann in dunkler Uniform. Er trug eine Kappe. »Ms. Summers?«

Julia zog Brandon etwas näher an sich heran. »Ja?«

»Ich bin Lyle, Miss Benedicts Fahrer. Ich bringe sie direkt zu ihrem Anwesen. Ihr Gepäck wird nachgeliefert.«

Er war nicht älter als dreißig, schätzte Julia und nickte ihm zu. Er hatte die Figur eines Kleiderschranks, was die diskrete Uniform lächerlich wirken ließ. Er führte sie durch den Flughafen. Brandon trödelte und versuchte, alle neuen Eindrücke sofort zu verarbeiten.

Der Wagen wartete am Bordstein. Wagen, dachte Julia, war ein armseliges Wort für diese lange, schnittige, blitzend weiße Limousine.

»Wow«, machte Brandon. Mutter und Sohn verdrehten die Augen und kicherten beim Einsteigen. Im Inneren roch es nach Rosen, Leder und Parfüm. »Ein Fernseher ist da und alles«, flüsterte Brandon.

»Willkommen in Hollywood«, sagte Julia, ließ den schäumenden Champagner stehen und goß für sich und den Jungen feierlich eine Pepsi ein. Sie prostete Brandon zu, dann grinste sie: »Du hast Schmutz im Augenwinkel, Sportsfreund.«

Er redete ununterbrochen, über die Palmen, die Skateboarder, den geplanten Ausflug nach Disneyland. Sein Geplapper beruhigte sie. Sie erlaubte ihm, den Fernseher einzuschalten, verwarf aber den Gedanken, das Telefon zu benutzen. Als sie nach Beverly Hills kamen, war er zu der Meinung gelangt, daß ein Chauffeur einen ganz tollen Job hatte.

»Manche Leute glauben, es ist besser, einen Chauffeur zu haben.«

»Nee, dann kommt man ja nie dazu, selber zu fahren.«

Genau so war es, dachte sie, ganz einfach. Ihre Zusammenarbeit mit berühmten Leuten hatte ihr gezeigt, daß Ruhm seinen Preis forderte. Einer davon war wahrscheinlich, einen Fahrer zu haben, der wie ein Leibwächter gebaut war, dachte sie, während sie einen Schuh abstreifte und den Fuß in den dicken Teppich einsinken ließ.

Sie fuhren an einer hohen Steinmauer vorüber zu einem sehr stabilen schmiedeeisernen Tor. Ein Wächter, auch in Uniform, spähte aus dem Fenster einer kleinen Steinhütte. Nach einem langen Summton öffnete sich das Tor langsam, fast majestätisch, und mit einem Klicken schloß es sich hinter ihnen wieder. Eingeschlossen und ausgeschlossen, dachte Julia, auch das ist ein Preis für den Ruhm.

Die Auffahrt wurde von schönen alten Bäumen gesäumt, und dazwischen waren Sträucher gepflanzt, die in diesem milden Klima früh zur Blüte kommen würden. Auf dem Rasen stolzierten ein Pfau und seine Henne, welche Schreie ausstieß, wie eine Frau. Julia kicherte, als Brandon vor Erstaunen den Mund sperrangelweit aufriß.

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