Herzensangelegenheiten - Mathilda Grace - E-Book

Herzensangelegenheiten E-Book

Mathilda Grace

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Beschreibung

Überarbeitete Neuauflage, November 2018 Samuel Becks ist ein zielstrebiger Ex-Soldat der es gewohnt ist, seine Ziele und Wünsche durchzusetzen. Für ihn gibt es nichts, das nicht erreichbar wäre, egal wie hart man dafür kämpfen muss. Als er sich jedoch in Devin Felcon verliebt, den er in der Reha seines Bruders kennengelernt hat, gerät Samuel verdammt schnell an seine Grenzen, denn es gibt Dinge im Leben, die kann man nicht kontrollieren.

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EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2015

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Mathilda Grace

HERZENSANGELEGENHEITEN

Herzensangelegenheiten

2. Auflage, November 2018

Impressum

© 2018 Mathilda Grace

Am Chursbusch 12, 44879 Bochum

Text: Mathilda Grace 2012

Foto: BarbaraALane; Pixabay

Coverdesign: Mathilda Grace

Web: www.mathilda-grace.de

Alle Rechte vorbehalten. Auszug und Nachdruck, auch einzelner Teile, nur mit Genehmigung der Autorin.

Sämtliche Personen und Handlungen sind frei erfunden.

Romance

Liebe Leserin, Lieber Leser,

ohne deine Unterstützung und Wertschätzung meiner Arbeit könnte ich nicht in meinem Traumberuf arbeiten.

Mit deinem Kauf dieses E-Books schaffst du die Grundlage für viele weitere Geschichten aus meiner Feder, die dir in Zukunft hoffentlich wundervolle Lesestunden bescheren werden.

Dankeschön.

Liebe Grüße

Mathilda Grace

Samuel Becks ist ein zielstrebiger Ex-Soldat der es gewohnt ist, seine Ziele und Wünsche durchzusetzen. Für ihn gibt es nichts, das nicht erreichbar wäre, egal wie hart man dafür kämpfen muss. Als er sich jedoch in Devin Felcon verliebt, den er in der Reha seines Bruders kennengelernt hat, gerät Samuel verdammt schnell an seine Grenzen, denn es gibt Dinge im Leben, die kann man nicht kontrollieren.

Devin besteht darauf, dass seine Lieblingslady erwähnt wird.

Samuel grinst darüber. Nathan auch. Amber sowieso.

Daher ...

Für dich, Corina.

Prolog

Langsam verstand Samuel Becks die Welt nicht mehr. Das war schon die dritte Einladung, die Devin Felcon mit einem rigorosen »Nein!« und verärgert blitzenden Augen abgeschmettert hatte. Was macht er bei diesem Sturkopf nur verkehrt?

Samuel schüttelte ratlos den Kopf, während er in die Straße einbog, die ihn direkt zum Haus seiner Eltern bringen würde, und runzelte die Stirn. Dabei war er extra zu der Werkstatt von Devins Freund Colin McDermott gefahren, an deren Aufbau Devin mitbeteiligt war, um ihn nicht in der Reha vor allen anderen anzusprechen. Privatsphäre war für Devin Felcon wichtig, das wusste er von seinem Bruder Kendrick, und trotzdem hatte Devin ihn gar nicht richtig zu Wort kommen lassen, sondern ihm erklärt, dass er nicht interessiert war.

Eine Lüge, das wusste er, immerhin waren ihm Devins Blicke in der Rehaklinik, wenn er Kendrick bei dessen Übungen half, bereits vor einigen Wochen aufgefallen. Was also machte er verkehrt, dass Devin sich strikt weigerte mit ihm auszugehen? Am Rollstuhl konnte es nicht liegen, denn sein kleiner Bruder saß seit seiner Geburt im Rollstuhl und Samuel hatte sich noch nie daran gestört, ob ein Mensch behindert war oder nicht. Wo lag also der Fehler bei ihm? Hatte er Devins Signale falsch verstanden? Aber wenn er nicht interessiert war, wieso beobachtete Devin ihn dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit? Samuel fand eigentlich, dass er eine gute Menschenkenntnis besaß, was auch mit ein Grund gewesen war, warum er zur Armee gegangen war, aber aus Devin Felcon wurde er einfach nicht schlau.

Samuel seufzte und fuhr in die Einfahrt. Sein Vater stand in der offen stehenden Garage vor der Harley, die er derzeit aufmotzte, und starrte die Maschine mit finsterem Blick an. Samuel lächelte. Sein Dad hatte die Hände in die Seiten gestemmt, also ärgerte er sich über irgendwas. Er lächelte noch mehr, als ihm einfiel, dass er diese Gestik bereits vor Jahren von seinem Vater übernommen hatte und oft genauso dastand, sobald er wütend war. Er parkte den Wagen und gesellte sich zu seinem Vater.

»Will sie nicht so wie du?«

»Seit wann wollen heiße Ladys so, wie wir Männer es gerne hätten?«, fragte sein Vater ohne aufzusehen zurück und brachte ihn damit zum Lachen. »Und? Wann stellst du uns den Jungen nun vor?«

Die Frage hatte kommen müssen. Samuel verdrehte seufzend die Augen gen Himmel, da in diesem Haus einfach nichts geheim blieb. »Dad.«

Sein Vater begann zu lachen und zwinkerte ihm zu, bevor er sich wieder der Harley zuwandte. »Aha, er hat deine Einladung also zum dritten Mal abgelehnt? Kein Wunder, so wie du immer rangehst.«

»Ich hätte dir nicht davon erzählen sollen«, grummelte er und musste erneut lachen, als sein Vater ihm dafür tadelnd gegen die Schulter schlug. »Dad!«

»Du bist nun mal genauso direkt und geradeheraus wie ich, damit kann nicht jeder umgehen«, konterte sein Vater schulterzuckend und wandte sich ihm zu. »Was ist los, Sam?«

Es hätte ihn auch gewundert, wenn sein Vater ihm die Unruhe nicht angemerkt hätte. Als hochdekorierter Ex-Marine gab es wenig, was Nathaniel Becks entging, und wenn es um seine eigenen Söhne ging, war sein Vater wie eine Radarantenne auf Dauerempfang, der absolut gar nichts entging. Als Teenager hatte Samuel das oft genervt, da es ihm nie gelungen war, etwas lange vor seinem Vater zu verbergen, was besonders in puncto Sex und Liebschaften zu einigen peinlichen Gesprächen zwischen ihnen geführt hatte. Mittlerweile war Samuel alt genug, um seine Vorteile daraus zu ziehen, denn Gespräche mit seinem Vater waren im Allgemeinen sehr hilfreich, um die Dinge aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten. Vielleicht half ihm das ja auch bei Devin.

»Ich verstehe ihn einfach nicht«, gab er deshalb ehrlich zu. »Warum lehnt er sämtliche meiner Einladungen ab, beobachtet mich bei Kendricks Reha aber trotzdem bei jeder Gelegenheit?«

»Hm«, machte sein Vater überlegend und runzelte die Stirn. »Hast du schon einmal in Betracht gezogen, dass er schüchtern sein könnte?«

»Schüchtern?« Samuel blickte seinen Vater erstaunt an. »Du solltest ihn bei der Reha reden hören. Der Mann ist alles, aber garantiert nicht schüchtern.«

»Dann wirst du dich wohl mehr anstrengen müssen, mein Junge«, war alles, was sein Vater darauf erwiderte, und irgendwie wurde Samuel auf einmal das Gefühl nicht los, dass er mit etwas hinter dem Berg hielt. »Warst du bei Amber?«

Samuel nickte lächelnd. »Sie hat mir gnädig erlaubt, mit ihr und ihren Puppen Tee zu trinken. Und sie hat gefragt, ob Oma und Opa am Wochenende mit ihr in den Zoo gehen.«

Sein Vater gluckste. »Wenn es weiter nichts ist. Das dürfte kein Problem sein. Kommst du mit oder hast du Unterricht?«

»Weiß ich noch nicht. Außerdem hat sie ohnehin darauf bestanden, dass Oma und Opa mit ihr gehen«, erklärte Samuel amüsiert und fragte sich gleichzeitig zum vermutlich tausendsten Mal, wie er es damals im Vollsuff hinbekommen hatte, dieses Wunder zu erschaffen.

»Nathaniel? Samuel? Essen ist fertig«, rief seine Mutter, bevor er nachhaken konnte.

»Wir kommen«, rief sein Vater und sah ihn an. »Hast du was im Auto oder ...?«

Er grinste. »Nein, ich gehe mir gleich die Hände waschen, dann musst du dir keine Ausrede einfallen lassen, was du mir wegen Devin eben nicht erzählen wolltest.«

»Frecher Bengel«, murrte sein Vater, grinste aber gleichzeitig, was Samuel erneut lachen ließ.

Sein Dad warf daraufhin mit einem dreckigen Lappen nach ihm und Samuel nutzte die Gelegenheit zur Flucht. Er grinste immer noch, als er ins Badezimmer trat, um sich die Hände zu waschen. Sein Vater war eine Nummer für sich und da sie sich laut seiner Mum verdammt ähnlich waren, hatte er vermutlich auch recht. Vielleicht sollte er es wirklich ein bisschen langsamer angehen lassen, was Devin betraf. Noch langsamer würde allerdings bedeuten, dass sie sich in fünfzig Jahren im Altersheim in den Hintern kniffen. Devin Felcon war eine sehr harte Nuss, die er zu knacken gedachte. Aber um das zu tun, musste er unbedingt herausfinden, warum Devin jeden Annäherungsversuch von ihm im Keim erstickte. Denn obwohl er es abstritt, Devin war an ihm interessiert und Samuel hatte nicht vor, so schnell aufzugeben.

Er sah mit einem herausfordernden Lächeln in den Spiegel. »Mach dich bereit, erobert zu werden, Devin Felcon«, murmelte er und fuhr herum, als Kendrick auf einmal hinter ihm lachte. »Musst du immer lauschen?«

Sein kleiner Bruder kam mit seinem Rollstuhl ins Badezimmer. »Kann ich was dafür, wenn du unserem Spiegel deine Eroberungspläne erzählst, während ich aufs Klo will?«

»Für einen achtzehnjährigen Frischling bist du verdammt frech«, konterte er amüsiert und wusste genau, was jetzt kam.

»Für einen so alten Knacker hast du ... Hey!« Kendrick lachte, als Samuel ihn aus seinem Rollstuhl hob und drohend über die Badewanne hielt. »Wehe. Das erzähle ich Mum und Dad.«

»Verräter«, grollte er gespielt und setzte Kendrick wieder in den Rollstuhl.

Obwohl sie fünfzehn Jahre Altersunterschied trennten, verstand er sich super mit Kendrick, dabei waren die ersten Jahre nach dessen Geburt nicht leicht gewesen. Kendricks Behinderung hatte das Leben in ihrer Familie völlig über den Haufen geworfen, aber ihre Eltern wären nicht ihre Eltern gewesen, wenn sie das nicht in den Griff bekommen hätten. Zwischen Kendrick und ihm waren kaum Unterschiede gemacht worden, obwohl sein kleiner Bruder im Rollstuhl saß, und das rechnete Samuel seinen Eltern heute noch hoch an. Sie hatten bei Problemen immer ein offenes Ohr für ihn gehabt, trotz anhaltender Reha und ihres Hausumbaus. Ein Leben ohne seinen Bruder konnte sich Samuel gar nicht mehr vorstellen, auch wenn Kendrick beizeiten eine echte Nervensäge war.

Er lächelte ihn an. »Ich liebe dich, kleiner Bruder.«

»Ich dich auch.« Kendrick grinste breit. »Aber mein Magen bringt mich um, wenn ich nicht gleich was zu essen kriege.«

Samuel prustete los.

1. Kapitel

Irgendwann würde er Devin Felcon erwürgen, so viel stand fest. Er würde sich am besten für unzurechnungsfähig erklären lassen und ganz sicher damit durchkommen.

Samuel starrte merklich verärgert auf die Straße und bog an der nächsten Kreuzung ab. Was war mit diesem Kerl bloß los? Selbst Kendrick fing mittlerweile an sich darüber zu wundern, denn in der Reha kam sein Bruder ganz wunderbar mit Devin aus, und auch mit Kilian McDermott, der über drei Ecken irgendwie ebenfalls zu den Felcons gehörte. Aber wehe Samuel fiel ein, Devin ein Lächeln zu schenken oder ihn anzusprechen. Wenn er Glück hatte, bekam er keine wütende Antwort, sondern nur einen finsteren Blick.

Samuel schnaubte frustriert, als er sich seinen letzten Versuch, Devin zu einem Date einzuladen, erneut durch den Kopf gehen ließ, und fuhr kopfschüttelnd auf den großen Parkplatz vor Chelseas Apartment. Devin hatte ihn nur angesehen und dann mit einem leisen und eindeutig abfälligen Schnauben den Kopf geschüttelt.

Vielleicht sollte er es einfach sein lassen. Immerhin versuchte er sein Glück jetzt schon seit einem Monat und Samuel hatte nicht vor, sich wegen Devin Weihnachten verderben zu lassen. Nur noch zwei Wochen, dann war Dezember. Die Weihnachtsbeleuchtungen hingen bereits seit Anfang November überall in der Stadt, ein toller Anblick. Samuel liebte Weihnachten. Seiner Meinung nach war es die schönste und auch die verrückteste Zeit des Jahres und wegen Weihnachten war er jetzt auch hier.

Chelsea und er mussten sich langsam überlegen, was sie Amber schenken wollten. Außerdem hatte Chelsea ihm vor ein paar Stunden eine Nachricht auf seiner Mailbox hinterlassen, mit der Bitte vorbeizukommen, weil sie mit ihm reden musste. So eine Nachricht bedeutete allgemein, dass sie mit ihrer Truppe einen neuen Einsatz bekommen hatte, aber Samuel hoffte, dass es dieses Mal vielleicht etwas Anderes war. Immerhin stand Weihnachten vor der Tür.

»Wow, welche Laus ist dir denn über die Leber gelaufen?«, fragte Chelsea, nachdem sie ihm die Tür geöffnet hatte.

Samuel verdrehte die Augen. »Die Laus heißt Devin Felcon.« Bevor Chelsea nachhaken konnte, sah er über ihren Kopf hinweg zum Wohnzimmer. »Ist die Maus noch wach?«

Chelsea lachte leise. »Nein. Sie hat natürlich gewartet, um ihren Daddy zu sehen, aber vor einer halben Stunde ist sie eingeschlafen und das soll auch bitte so bleiben. Komm rein und erzähl mir von der Laus. Sieht er gut aus?«

»Oh ja, verdammt gut«, antwortete Samuel und folgte Chelsea ins Wohnzimmer, wo sie sich auf die Couch setzten. Samuel grinste, als er das überall herumliegende Spielzeug entdeckte. Bei Chelsea sah es auf den ersten Blick immer aus, als hätte eine Bombe eingeschlagen, weil Amber ihr Zeug immer in der gesamten Wohnung verteilte. »Welcher Tornado ist denn hier durchgezogen?«

Chelsea stöhnte und lachte zugleich. »Als wenn du das nicht wüsstest. Lenk nicht ab. Du wolltest mir von der Laus erzählen.«

»Grüne Augen, braunes Haar, volle Lippen, ein umwerfendes Lächeln, und wenn ich grüne sage, dann meine ich grün.«

Samuel seufzte genüsslich, denn Devins Augen waren der Wahnsinn. Für ihn jedenfalls. Ein Blick hatte ausgereicht, seither gingen ihm das faszinierende Grün nicht mehr aus dem Kopf. Schon als kleiner Junge hatte er die Augen anderer Menschen wahnsinnig faszinierend gefunden, weil sie so viel sagen konnten, selbst wenn der Mensch, dem sie gehörten, schwieg. Und auch heute sah er anderen Menschen zuerst in die Augen, auch wenn Devin Felcons irgendwie immer nur Blitze in seine Richtung zu schießen schienen.

»Murano? Wie die Gläser?«, wollte Chelsea wissen und riss ihn aus seinen Gedanken.

Samuel schüttelte den Kopf. »Nein, noch um einiges dunkler. Mehr wie der Edelstein.«

»Du hattest schon immer ein Faible für Augen.« Chelsea zwinkerte ihm zu und Samuel grinste breit, da sie auch grüne Augen hatte. Allerdings hellere als Devin. »Und sonst?«

»Er sitzt im Rollstuhl, aber ich würde sagen, er ist etwa einen halben Kopf kleiner als ich. Schlank, mit tollen Muskeln genau da, wo sie sein sollen.«

»Hör auf, sonst werde ich neidisch«, neckte Chelsea ihm und setzte sich seitlich auf die Couch, um ihn besser ansehen zu können. »Du interessierst dich ernsthaft für ihn, oder?«

»Ich finde ihn wunderschön«, antwortete er ehrlich und daraufhin sah Chelsea ihn erst verblüfft an, um danach freudig zu lächeln.

»Sam, du bist ja verliebt.«

Tja, so sah es aus. Diese Erkenntnis hatte Samuel schon vor einigen Tagen gehabt, nachdem Devin in der Reha einen weiteren Einladungsversuch mit einem wütenden »Hast du nichts Besseres zu tun?« abgeschmettert hatte. Jeder andere, ob Mann oder Frau, hätte sich spätestens ab da anderweitig umgesehen, aber Samuel hatte nur in der Umkleide gestanden, Devin nachgesehen und sich gefragt, wie er diesen Eisblock zum Schmelzen bringen konnte.

Oh ja, er war verliebt, deswegen war Samuel auch so hartnäckig, was Devin betraf. Aber der wollte ihn augenscheinlich nicht, obwohl er ihm bislang keinen vernünftigen Grund dafür genannt hatte. Und genau das wurmte Samuel immer mehr. Wenn Devin klar und deutlich mit der Wahrheit herausrücken würde, warum er nichts mit ihm zu tun haben wollte, wäre das für ihn in Ordnung gewesen. Aber nein, Devin begnügte sich lieber mit finsteren Blicken und unwirschen Antworten.

»Er macht mich wahnsinnig«, gestand er mit einem tiefen Seufzen. »Seit ich Ken bei der Reha helfe, nachdem sein Freund Danny zur Armee gegangen ist, beobachtet er mich, aber sobald ihn anspreche und zu einem Date einladen will, blockt er sofort ab. Das geht jetzt seit einem Monat so, und wenn er damit weitermacht, erwürge ich ihn bei nächster Gelegenheit, anstatt ihm zu sagen, dass ich in ihn verliebt bin.«

»Hm«, machte Chelsea überlegend. »Vielleicht hatte er bisher noch keinen Freund. Ist er schüchtern?«

Samuel schnaubte. »Von wegen. Du solltest ihn mal hören. Dieser Mann ist nicht schüchtern, genau das ärgert mich ja so. Warum sagt er mir nicht, was ihn stört? Und dass er noch keinen Freund hatte, kann ich mir nicht vorstellen. Er dürfte in etwa mein Alter haben und mit dem Aussehen ...«

»Würdest du ihn aufgeben, wenn er dir sagt, was los ist?«

»Nur sehr ungern«, gab Samuel zu und verzog das Gesicht bei der Vorstellung. »Aber ich bin kein Schwein. Wenn er mir ehrlich sagt, warum er nichts mit mir zu tun haben will, dann höre ich auf, ihn zu belästigen. Zumindest gibt er mir immer das Gefühl, sobald ich in seine Nähe komme. Ach ja, bevor du fragst, nein, es gibt keinen anderen Mann an Devins Seite und er steht auch nicht auf Frauen. Dessen bin ich mir sicher, beziehungsweise ich habe Ken ausgehorcht.«

Chelsea grinste. »Du bist unmöglich, Sam, aber andererseits kann ich dich verstehen. Ich finde, du solltest mit Devin sprechen. Und zwar direkt. Er soll dir sagen, was Sache ist, damit du Bescheid weißt. Sonst machst du dich auf Dauer nur unglücklich. Ich meine, du bist jetzt schon in ihm verliebt. Was, wenn das Gefühl noch intensiver wird?« Chelsea zog ein finsteres Gesicht. »Wenn er dir wehtut, weil er zu feige ist, seinen Mund aufzumachen, verpass ich ihm eine, sobald ich aus Birma zurück bin.«

»Du ... Was?« Samuel sah Chelsea fassungslos an, als der Groschen fiel. Darum ihre Nachricht. »Ausgerechnet Birma? Weißt du, wie gefährlich es da drüben ist?«

Chelsea nickte und grinste ihn schief an. »Das ist mir bewusst, aber die Menschen dort brauchen Hilfe, das weißt du. Jeder aus der Truppe hat sich freiwillig für den Hilfseinsatz gemeldet, Sam, wie hätte ich es nicht tun können?«

»Für Amber?«, fragte Samuel und deutete mit der Hand in Richtung Kinderzimmer. »Birma ist lebensgefährlich, Chelsea. Wie oft haben selbst Hilfsorganisationen davor gewarnt, dorthin zu gehen?« Chelsea lächelte nur, was ihn resigniert seufzen ließ. »Wieso musst du nur immer und überall helfen wollen?«

»Weil irgendjemand damit anfangen muss, Sam«, antwortete Chelsea entschlossen. »Ich weiß, was in Birma los ist, aber wir wollen es trotzdem tun. Amber hat ein gutes Leben und ich möchte dabei helfen, dass auch Kinder in Birma ein besseres Leben bekommen. Es ist gefährlich, ich weiß, aber ich kann bei so was nicht wegsehen. Das konnte ich noch nie. Deswegen bin ich zur Armee gegangen. Um zu helfen. Das weißt du doch.«

Samuel fuhr sich durch die Haare. »Wie lange?«

Chelsea wusste sofort, was er wissen wollte. »Zu Weihnachten sind wir wieder hier. Amber bleibt solange bei meinen Eltern, wie sonst auch. Du musst dich um nichts kümmern. Ist alles längst geklärt.«

So war Chelsea. Sie sorgte für alles vor und kümmerte sich darum, dass es Amber gut ging. Obwohl ihre Tochter ein Unfall gewesen war und sie sich beide nicht mehr daran erinnern konnten, was in jener Nacht überhaupt passiert war, liebte er seine beiden Mädchen, wenn auch jede auf eine andere Weise. Chelsea war eine tolle Mutter und Amber ein tolles Mädchen. Eigentlich war sie für Samuel sogar ein kleines Wunder, denn er hatte schon immer Männer geliebt und daher auch nie erwartet, eines Tages Vater zu werden.

»Ich würde sie jederzeit nehmen«, sagte Samuel leise und schob den Anfall von schlechtem Gewissen beiseite, weil Chelsea sich die meiste Zeit um Amber kümmerte. Sie hatten gemeinsam so entschieden und es war das Beste so, denn er hatte nun mal keinen geregelten Tagesablauf und genau den brauchte ein kleines Kind.

»Das weiß ich doch.« Chelsea lächelte ihn an und sah dann kurz in den Flur, auf die Tür zu Ambers Kinderzimmer. »Dass wir mal so was Tolles hinkriegen, wer hätte das gedacht.«

Samuel musste ungewollt lachen. »Es wäre zwar nett, wenn ich mich noch daran erinnern könnte, aber leider, leider ...«

Chelsea erwiderte sein Lachen. »Geht mir nicht viel anders, aber deshalb werde ich diese Nacht noch lange nicht wiederholen. Du bist zwar ein toller Freund, Becks, aber mehr nicht.« Chelsea zwinkerte ihm zu. »Was nicht heißt, dass wir unsere Kleine nicht trotzdem groß kriegen. Und was deine nicht gestellte Frage betrifft, das wollte ich nämlich auch mit dir bereden, jetzt wo alles unter Dach und Fach ist ... Ich habe ein Testament gemacht.«

»Was?«, fragte Samuel überrascht, denn damit hatte er jetzt nicht gerechnet. »Wozu brauchst du ein Testament?«

»Sam.« Chelsea lächelte nachsichtig. »Ich weiß, wir reden so gut wie nie über die Armee, seit du ausgestiegen bist, aber die Gefahr ist nun mal da. Wenn mir wirklich etwas passiert, möchte ich, dass Amber abgesichert ist. Wir sind nicht verheiratet, wir sind nicht mal ein Paar, und daher würde sie automatisch zu meinen Eltern kommen. Aber das möchte ich nicht. Nicht einfach so. Deswegen habe ich ein Testament gemacht. Du bist ihr Vater. Du stehst in Ambers Geburtsurkunde und wenn ich sterbe, hast du die freie Wahl sie zu dir zu nehmen oder sie bei meinen Eltern zu lassen. Ich habe alles gerichtlich festlegen lassen und schon mit Mum und Dad gesprochen. Sie sind einverstanden.«

Chelsea hatte recht. Sie redeten seit seinem Ausstieg wirklich nicht über die Armee und es war auch richtig und wichtig, dass sie dafür sorgten, was im Notfall mit Amber geschah. Chelsea hatte all diese Sachen schon immer viel besser im Blick gehabt als er, aber trotzdem machte es Samuel hochgradig nervös, dass sie auf einmal davon anfing. So knapp vor ihrem Einsatz in Birma. Das war ja fast wie eine Art dunkler Vorahnung. Normalerweise glaubte Samuel nicht an derartige Dinge, aber Chelseas neuer Einsatz bescherte ihm ein schlechtes Gefühl.

»Wieso erzählst du mir das ausgerechnet heute?«

»Weil du recht hast. Birma ist gefährlich und ich bin nicht blöd. Ich weiß, dass dieser Einsatz mein riskantester sein wird. Daher wollte ich, dass du jetzt Bescheid weißt.« Chelsea erhob sich und begann das Spielzeug zusammenzuräumen. »Dein Blick verrät dich, Sam, und bevor du fragst, natürlich mache ich mir Sorgen.«

»Warum fährst du dann?«, fragte er missmutig und Chelsea grinste. »Weil du eben nicht anders kannst, ich weiß.« Samuel seufzte. »Wie hast du es Amber erklärt?«

»Gar nicht.« Sie zog Ambers Plastikkiste unter dem Couchtisch hervor, wo abends alle Spielsachen hineingehörten. »Sie ist fünf Jahre alt, Sam. Ich habe ihr erzählt, dass ich, falls ich eines Tages von einer meiner Reisen nicht nach Hause komme, in den Himmel geflogen bin und von dort auf sie aufpasse.«

Oh Mann, damit wollte er sich nun wirklich nicht befassen müssen. Weder heute noch sonst irgendwann. Samuel rieb sich übers Gesicht und seufzte. »Chelsea ...«

»Belassen wir es dabei, okay?«, lenkte sie ein. »Wenn ich im Einsatz sterbe, kannst du ihr die Wahrheit sagen, sobald du es für richtig hältst. Ich werde dir da nicht reinreden, das habe ich nie getan und ich werde es auch nie tun. Und jetzt verzieh dich und gib deiner Tochter einen Kuss, bevor du zu der Laus namens Devin fährst und mit der Faust auf den Tisch haust.«

Samuel musste einfach grinsen, es ging nicht anders. »Sehr wohl, Frau Feldwebel.« Als sie ihm dafür ein Kuscheltier gegen den Kopf warf, lachte er und stand auf, um spielerisch zu salutieren, ehe er nachgebend die Hände hob, weil Chelsea schon drohend ein weiteres Kuscheltier in der Hand hielt. »Wann fliegst du? Soll ich dich zum Flughafen bringen?«

»In zwei Tagen und ich nehme mir ein Taxi, das geht einfacher, da ich noch nicht genau weiß, wann wir abfliegen.«

»Okay«, meinte Samuel und seufzte, als Chelsea daraufhin lächelte und in den Flur zeigte. »Weißt du, manchmal wünschte ich, du wärst eine olle Ziege, mit der ich mich wenigstens ein Mal vernünftig streiten kann«, maulte er und wurde wie erwartet ausgelacht, was Samuel erneut seufzen ließ.

Chelsea Rea war einfach zu gut für diese Welt. Das hatte er schon am Tag ihres Kennenlernens gemerkt, und daran hatte sich in all den Jahren auch nicht das Geringste geändert. Samuel konnte sich nie richtig mit ihr streiten und er konnte ihr auch nicht böse sein. Chelsea wäre wohl die perfekte Schwiegertochter für seine Eltern gewesen, aber dazu würde es niemals kommen. Nicht zum ersten Mal beneidete Samuel den Mann, den Chelsea eines Tages heiraten würde, aus tiefstem Herzen.

»Was mache ich hier eigentlich?« Samuel runzelte die Stirn. »Also mal abgesehen davon, dass ich mit mir selbst rede.« Ein Lachen im Hausinneren schreckte ihn auf. »Das ist doch völlig bescheuert. Ich bin dreiunddreißig Jahre alt und kriege es nicht auf die Reihe an eine Tür zu klopfen.«

Samuel seufzte und sah auf die Klingel neben der Tür. Was war an dem Ding denn gefährlich? Er sollte sie wirklich langsam benutzen, ehe einer von den Felcons auf die Idee kam diese Tür selbst zu öffnen, um den Müll rauszubringen oder sonst etwas. So einfach sich Chelseas Idee angehört hatte, so schwer tat sich Samuel mit der Umsetzung, seit er etwas weiter die Straße runter geparkt hatte und zum Haus von Devins Eltern gelaufen war, um mit Devin zu reden. Klartext, wenn möglich. Doch anstatt zu klingeln und genau das zu tun, stand er schon seit einigen Minuten vor dem Haus und starrte die Tür an.

Sehr mutig, dachte Samuel und schalt sich einen Feigling. Mehr als klare Worte sagen konnte Devin nicht tun, und Samuel brauchte genau diese Worte, damit er endlich wusste, woran er war. Sein Problem war nur, dass er im Gegenzug nicht wusste, was er tun würde, wenn Devins Antwort wirklich gegen ihn sprach.

»Ich könnte David auch wegen der Ausstellung fra... Oh ... Hi, Sam.«

Samuel starrte verdutzt auf die offene Haustür, in der Kilian stand und ihn angrinste. Er kannte den Teenager aus Kendricks Reha. Sein Bruder mochte den Neffen von Colin McDermott, Devins bestem Freund und seit kurzem auch Geschäftspartner, der eben in den Flur trat. Colin hielt inne und begann im nächsten Moment zu grinsen. Samuel war sich nicht sicher, was er von diesem Grinsen halten sollte. Es bescherte ihm allerdings eine Gänsehaut und das konnte kaum etwas Gutes bedeuten.

»Dev, du hast Besuch. Dieser nette Typ, über den du nicht reden willst und dessen Einladungen du regelmäßig, und zwar nicht gerade sehr höflich, ablehnst.«

»Colin!«

Genau diese Reaktion hatte er von Devin erwartet. Samuel wäre am liebsten im Boden versunken. »Ähm ...«

»Du hast einen Verehrer?«, fragte plötzlich eine weibliche Stimme aus dem Hintergrund und Samuel verstummte entsetzt. Das war wahrscheinlich Devins Mutter und dem hinterhältigen Grinsen von Colin McDermott nach zu urteilen, hatte der Devin und ihn gerade absichtlich ins Messer laufen lassen.

Samuel wusste nicht, ob er ihm dafür dankbar sein sollte, denn so wie es sich anhörte, bekam Devin in der Küche soeben die Leviten gelesen, was vielleicht zu seinen Gunsten ausfiel. Devins Mutter schien jedenfalls nicht sonderlich darüber amüsiert zu sein, ihren erbosten Worten wie »unhöflich«, »keine Erziehung« und »schlechtes Benehmen« nach zu urteilen, die eindeutig darauf abzielten, wie Devin ihn abgewiesen hatte.

Kilians amüsiertes Kichern erinnerte Samuel wieder daran, dass er hier nicht allein stand. »Hi Kilian, was macht denn der Kunstkurs?« Von dem Kunstkurs wusste er von Kendrick. Offenbar war der Junge ein sehr talentierter Maler. »Ken hat mir davon erzählt.«

»Der ist toll, aber nur halb so aufregend wie das hier.«

Frech kam ja bekanntlich weiter. Samuel lachte leise. »Das kann ich mir lebhaft vorstellen.«

»Kilian ...«, drohte Colin, was Kilian ebenfalls lachen ließ.

»Ich steig ja schon ein. Beeil dich lieber, sonst kommen wir zu spät und ich will Mik unbedingt noch das Bild für sein Restaurant geben, bevor ich schlafen gehe.« Kilian schob sich an ihm vorbei. »Bis bald, Sam, und grüß Ken von mir, ja?«

»Mache ich«, versprach er.

Colin zog sich seine Jacke über und kam sichtlich amüsiert neben ihm zum Stehen. »Nimm es mir nicht übel, Becks, aber das war dringend nötig. Der letzte Mann, der so viel Geduld hatte wie du, musste erst nach Australien flüchten, damit sein Partner begreift, was er gerade im Begriff ist zu verlieren.«

Samuel runzelte die Stirn. »Und damit willst du mir was sagen?«

Daraufhin verschwand der amüsierte Blick und machte einem ernsten Platz. »Ich weiß nicht, was im Augenblick mit ihm los ist«, sagte Colin leise, mit Blick ins Haus. »Normalerweise redet Devin nie lange um den heißen Brei herum, aber irgendetwas an dir irritiert ihn offenbar mächtig und ich hoffe sehr, dass du hergekommen bist, um herauszufinden, was es ist.«

»Das hatte ich vor.«

»Gut.« Colin nickte zufrieden und sah ihn an. »Dann tritt ihm in den Arsch, ehe ich es tue. Derzeit geht er nämlich nicht nur dir mächtig auf die Nerven.« Samuel konnte nicht anders als zu grinsen und das war scheinbar die Reaktion, die Colin hatte haben wollen, so wie er lachte und ihm danach auf die Schulter klopfte, bevor er Kilian folgte. »Ich bin sehr gespannt, ob wir uns nach heute Abend wiedersehen werden, Becks.«

»Abwarten«, meinte Samuel, obwohl ihn die Antwort darauf ebenfalls brennend interessierte. Wenn selbst Devins bester Freund ihn unterstützte, obwohl sie sich nicht kannten, musste Devin in den vergangenen Wochen wirklich unausstehlich gewesen sein. »Übrigens ... Mein Name ist Sam, nicht Becks.«

Colin grinste ihn über die Schulter hinweg an. »Nenn mich Colin. Bis bald, Sam.«

Samuel sah dem Mustang nach, bis er um die nächste Ecke bog. Sein Dad hätte diesen Klassiker von Wagen mit Sicherheit mit einem äußerst zufriedenen Lächeln bedacht. Dagegen kam sein eigener Ford Pick-up nicht an. Andererseits war ein Auto für ihn sowieso nur zum Fahren und Lasten transportieren da, nicht zum Schwärmen, fand Samuel und sah zurück ins Haus. Devin stand direkt vor ihm auf der Schwelle und Samuel wich erschrocken einen Schritt zurück.

»Hast du mich erschreckt.«

»Scheinbar nicht genug, immerhin bist du hergekommen.«

Samuel verkniff sich ein frustriertes Stöhnen. Na das fing ja gut an. Die bissige Antwort, die ihm dafür auf der Zunge lag, verkniff er sich und trat stattdessen weitere zwei Schritte zurück auf die Veranda, um dabei die Arme vor der Brust zu verschränken und Devin auf diese Weise eindeutig klarzumachen, dass er nicht vorhatte zu gehen. Jedenfalls nicht gleich. Falls sie sich heute Abend wirklich zum letzten Mal sahen, wollte er dafür auch einen Grund wissen. Einen vernünftigen.

»Warum willst du nicht mit mir ausgehen?«, fragte er daher und vermutlich ein wenig zu laut, aber das war Samuel gerade egal. »Und dieses Mal hätte ich gern eine richtige Antwort.«

»Ich habe meine Gründe.«

Das war keine Antwort. Wie üblich. Langsam wurde Samuel wirklich sauer. »Und welche wären das?«, hakte er nach und betete inständig um die Geduld, das hier durchzuhalten, ohne Devin an die Gurgel zu gehen. »Du bügelst mich immer nur eisig ab, wenn ich dich nach einem Date frage. Ich kann keine Gedanken lesen, Devin, also wäre es nett von dir, wenn du mir endlich klipp und klar sagen würdest, wo dein Problem liegt.«

»Ich will nicht«, konterte Devin völlig unbeeindruckt und sah ihn auch so an.

Samuel schnappte entrüstet nach Luft. »Und warum nicht? Was stört dich nur so an mir?«

»Deine Nase.«

»Meine ...« Samuel brach verdattert ab, dann schnaubte er und sah Devin wütend an. »Du spinnst doch. Meine Nase? Das ist wirklich die dümmste Ausrede, die ich je gehört habe. Wenn du nichts von mir willst, warum wirfst du mir dann bei der Reha immer solche Blicke zu? Machst du das aus Spaß?«

»Wer sagt denn, dass ich nichts von dir will?«

Wie bitte? Das war doch zum aus der Haut fahren. Samuel holte tief Luft. »Ich schrei gleich«, fluchte er und stemmte die Hände in die Seiten. »Du machst mich noch wahnsinnig. Wenn ich dir genauso gefalle, wie du mir gefällst, Devin Felcon, warum, zum Teufel, willst du dann nicht mit mir ausgehen?«

»Deswegen.«

Samuel war so schnell vor Devins Rollstuhl und hatte seine Hände um die Armstützen gelegt, dass Devin zusammenzuckte, was ihm zwar sofort leidtat, aber Samuel würde keinen Millimeter zurückweichen, bis er eine Antwort hatte. »Deswegen ist keine Antwort. Wieso? Und diesmal bitte die Wahrheit, Devin. Ich akzeptiere sie, aber ich will es endlich wissen. Das bist du mir schuldig und das weißt du.«

»Ist dir nie in den Sinn gekommen, dass ich Angst haben könnte?«, fragte Devin, nachdem er ihn eine Weile schweigend gemustert hatte und Samuel dabei aufgefallen war, dass er in Devins Augen nichts lesen konnte.

Eine ziemlich verblüffende Feststellung, aber Devins Antwort, was seine Frage betraf, toppte das um Längen. Er hatte mit vielem gerechnet, aber nicht mit so einer Antwort. Samuel ließ den Rollstuhl los und trat einen Schritt zurück. Devin hatte Angst? Vor ihm? Vor einem Date? Aber weshalb? Gut, er war vielleicht etwas zu aufdringlich gewesen, doch das hätte Devin ihm jederzeit sagen können. Nein, nicht nur können. Müssen. Samuel hatte ihm nie Angst einjagen wollen.

»Oh mein Gott«, murmelte er entsetzt und wich noch weiter zurück. »Ich glaube, es ist besser, wenn ich jetzt gehe. Es tut mir leid, Devin. Ich wollte dir niemals Angst einjagen. Bitte entschuldige.« Samuel wandte sich ab. »Ich lasse dich ab sofort in Ruhe.«

»Sam, warte bitte«, bat Devin daraufhin und klang plötzlich ganz anders. Offener. Nicht mehr so abweisend.

Er drehte sich um, blieb aber auf der Treppe stehen. »Ja?«

»Sam ...« Devin fuhr sich seufzend durchs Haar. »Ich hatte und habe keine Angst vor dir, das hast du falsch verstanden. Sam, sieh mich an. Ich sitze nicht erst seit gestern in diesem Rollstuhl und für mich ist es nicht gerade alltäglich, dass mich jemand auf ein Date einladen möchte. Noch dazu, wenn es der erste Mann überhaupt ist, verstehst du? Davor habe ich Angst, nicht vor dir.«

»Der erste?« Samuel begriff, als Devin nickte, und seine Gefühle überschlugen sich. Die vorherige Wut und das Entsetzen über das, was er glaubte getan zu haben, verpufften ins Nichts. Chelseas Vermutung war wirklich richtig. Samuel konnte nicht verhindern, dass er rot wurde. »Oh ... Ich verstehe ... Also, ich ... Ähm ... Ich dachte, du wärst längst ... Ich meine, in unserem Alter und bei deinem Aussehen ...« Devin begann leise zu lachen und Samuel räusperte sich verlegen. »Ich sollte besser die Klappe halten, oder?«

»Ja«, gluckste Devin.

»Okay«, gab er nach und konnte nicht anders als grinsen, weil Devin ihn daraufhin amüsiert anschaute. So gefiel er ihm schon viel besser, aber da gab es noch etwas, das er unbedingt wissen musste. »Warum hast du mir das nicht einfach gesagt? Auch wenn ich ziemlich nervig war, du hättest nur etwas sagen müssen.«

»Das wollte ich aber nicht.«

»Das ist mir schon klar, aber warum nicht?«

Devin seufzte leise. »Sam, hör einfach auf mich zu bedrängen, okay?«

»Bedrängen?«, fragte er ratlos nach. »Aber ich ... Mein Gott, ich möchte dich doch nur kennenlernen. Ich hatte nie vor ...«

»Das weiß ich«, unterbrach Devin ihn ruhig. »Sam, versteh das bitte nicht falsch, aber seit wir uns kennen, benimmst du dich wie die sprichwörtliche Axt im Walde. Du kommst mir vor wie ein Jäger, der nur seine Beute vor Augen hat, die in dem Fall ich bin. Mag ja sein, dass das bei anderen Männern funktioniert, aber bei mir wird es das nicht, weil ich so etwas auf den Tod nicht ausstehen kann, klar?«

»Ich ...« Samuel brach ab, weil er nicht wusste, was er dazu sagen sollte. »Ich weiß nicht, was ich sagen soll.«

»Ist dir schon mal aufgefallen, dass du immer nur zu mir gekommen bist, wenn du ein Ziel vor Augen hattest?«

»Was?«, fragte Sam ratlos und Devin nickte.

»Während der Reha hast du mehrfach versucht, mich auf einen Drink zu bequatschen. Vor Colins Werkstatt wolltest du mich zum Essen einladen. Seit über einem Monat tauchst du ständig in meiner Nähe auf, aber heute ist das erste Mal, dass du zu mir kommst, um mich zu sehen. Ja, du wolltest von mir wissen, was das Ganze soll, aber um ehrlich zu sein, warte ich darauf schon länger. Dass du hier aufgetaucht bist, ist das allererste Mal, dass du mir das Gefühl gibst, meinetwegen hergekommen zu sein und nicht wegen eines Hintergedankens.«

Samuel starrte Devin vollkommen sprachlos an. Sein Vater hatte so was von recht gehabt, wurde ihm klar und das machte ihn nur noch mehr verlegen, weil er es von allein nicht begriffen hatte. Sein ganzes Leben war er zielstrebig gewesen und hatte immer für das gekämpft, was ihm wichtig war. Dass er dieselbe Taktik nicht eins zu eins auf Devin übertragen konnte, war eigentlich logisch, aber trotzdem hatte Samuel es nicht verstanden. Bis jetzt.

»Ich ... Das ... Ich wollte dich nicht bedrängen ... Wirklich, Devin, das du musst mir glauben.« Er schüttelte den Kopf. »Ich wollte dich kennenlernen. Das will ich noch. Aber mehr nicht. Also nicht sofort. Ich will nicht, dass du von mir denkst, ich hätte dich angesprochen, weil ich mit dir ins Bett will oder was auch immer.« Samuel schaute verlegen zu Boden.

»Welche Musik magst du?«, fragte Devin nach einer Weile, die sie geschwiegen hatten, und Samuel sah überrascht auf.

»Alles?« Er zuckte die Schultern, als Devin die Stirn runzelte. »Querbeet, meine ich. Ich höre, was mir gefällt. Außer diesem Rap-Mist, das ist für mich keine Musik. Und mit Klassik kann ich auch nichts anfangen.«

Devin grinste. »Dito. Welche Filme?«

Was sollte das denn jetzt werden? Eben hatte Samuel noch darauf gewartet, für immer von diesem Grundstück verwiesen zu werden, da er bei Devin offensichtlich alles falsch gemacht hatte, was man falsch machen konnte, und jetzt fragte der ihn nach seinem Musikgeschmack und seinen Lieblingsfilmen? Samuel zuckte erneut die Schultern.

»Dasselbe wie bei Musik. Was mich anspricht, das sehe ich mir an.«

»Bestimmte Schauspieler?«

Samuel überlegte kurz. »Stephen Lang hat nette Muskeln, genauso wie Vin Diesel. Michael Biehn ist klasse in Aliens und Termintor, und ich mag die geheimnisvollen, mysteriösen Typen in Anzügen. Horatio Caine, Mac Taylor, Aaron Hotchner und so weiter. Warum?«

»Serienfreak?«, stellte Devin eine Gegenfrage, ohne auf seine zu reagieren, und Samuel lächelte in sich hinein. Bekam er etwa gerade eine zweite Chance? Wenn ja, würde er sie nutzen.

»Nicht wirklich«, antwortete er ehrlich. »Aber ich sehe sie gern, wenn ich Zeit und Lust dazu habe.«

»Bücher?«, kam sofort die nächste Frage. Samuel lachte leise, was Devin belustigt grinsen ließ, bevor er nickte. »Ah, ich verstehe. Du willst dich nirgends wirklich festlegen. Geht mir genauso.«

Samuel schmunzelte und trat zu Devin auf die Veranda. »Devin? Was soll die Fragerei?«

»Kannst du dir das nicht denken?«

Doch, das konnte er, aber er wollte es von Devin hören. »Sag mir einfach die Wahrheit.«

»Ich wollte wissen, ob wir zueinander passen könnten.«

»Und?«

»Als ob du das nicht wüsstest«, konterte Devin und verdrehte die Augen, aber jetzt, wo Samuel verstanden hatte, was Devin von einem Mann erwartete, würde er es anders angehen. Keine plumpen Fragen nach Dates mehr, entschied er und hockte sich vor Devin.

»Lass uns Zeit miteinander verbringen.«

»Kein Date?«

»Du willst doch keine Dates.«

Devin grinste und sah kurz an ihm vorbei in die Nacht, bevor sich ihre Blicke erneut trafen. »Meine Eltern gehen fast jeden Abend um den Block spazieren. Ich begleite sie öfter und sie würden sich auch über deine Gesellschaft freuen.«

Das war eine Einladung. »Morgen?«, fragte Samuel leise.

»Wir gehen so gegen halb neun los.«

»Ich werde pünktlich sein.«

2. Kapitel

Zwei Wochen und vier Spaziergänge später war Dezember, und Samuel lief ständig mit einem zufriedenen Grinsen durch die Gegend.

Mal abgesehen von der leichten Sorge um Chelsea, die noch weitere drei Wochen in Birma bleiben würde, hätte sein Leben nicht besser können. Er hatte einen Job, eine tolle Tochter und einen Freund. Na ja, um Devin so zu nennen, war es natürlich noch etwas früh, aber seit er Chelseas Rat angenommen und ehrlich mit Devin gesprochen hatte, verbrachten sie regelmäßig Zeit miteinander. Und wenn Samuel Glück hatte, würde sich Devin heute vielleicht sogar auf seine Einladung einlassen.

Aber das war erst für heute Abend geplant. Die nächsten Stunden gehörten Kendrick, der neben ihm im Auto saß und gerade schimpfend auf seinem Mp3-Player herumtippte. »Will er nicht?«, fragte Samuel und Kendrick schüttelte den Kopf.

»Ich glaube, er hat letztens in der Reha Wasser abgekriegt. Mist, ich habe kein Geld für einen neuen.«

»Bald ist Weihnachten. Ich schenk dir einen.«

»Du?« Kendrick sah ihn amüsiert an. »Mister, ich sprenge für mein Leben gerne technische Geräte allein durch Blicke in die Luft?

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Impressum

Texte © Copyright by Mathilda Grace Am Chursbusch 12 44879 Bochum [email protected]

Bildmaterialien © Copyright by Foto: BarbaraALane; Pixabay Coverdesign: Mathilda Grace

Alle Rechte vorbehalten.

ISBN: 978-3-7393-1031-2