Herzensbrecher günstig abzugeben - Manuela Lewentz - E-Book

Herzensbrecher günstig abzugeben E-Book

Manuela Lewentz

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Beschreibung

"Männer sind wie Kaugummi, erst knackig und erfrischend, später nur noch zäh und fade", so Lydia Lowere. Seit Lotte die alten Briefe ihrer verstorbenen Tante gelesen hat, ist sie davon überzeugt, ihr Leben ändern zu wollen. Mit Franz läuft es zwar gut, jedoch fehlen Lotte die Highlights, die kleinen Wunder des Alltags, das prickelnde Extra. Ein Mann, der nicht auf rote Dessous reagiert, ist doch nicht normal! Immerhin, die Abende mit ihren Freundinnen lassen hoffen und sorgen nach wie vor für gute Laune. Der Anruf von Karin kommt, als Lotte mit Petra und Ina im Garten sitzt. Ihr anschließender Entschluss, gleich nach Dresden zu fahren, ist rasch gefasst. Was Lotte nicht ahnt, es warten wieder einmal viele Abenteuer auf die Freundinnen. Ein witziger Roman für die schönen Stunden des Lebens.

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„Mit der Liebe ist es wie in der Lotterie. Man hofft immer auf den Hauptgewinn und kann doch froh sein, keine Niete zu erhaschen“, so Anton Wall, er krümmt sich vor Lachen.

„Ein Trostpreis ist für manchen Menschen im Laufe der Jahre wie ein Hauptgewinn“, muss Anton Wall noch belehrend nachfügen.

Inhaltsverzeichnis

Lotte

Petra

Lotte

Vincenz

Ina

Doktor Peter Schön

Karin

Lotte

Petra

Karin

Lotte

Petra

Lotte

Ina

Johann

Karin

Doktor Peter Schön

Petra

Karin

Lotte

Franz

Lotte

Vinzenc

Ina

Doktor Peter Schön

Petra

Lotte

Vincenz

Lotte

Franz

Petra

Lotte

Doktor Peter Schön

Lotte

Lotte

Ich muss noch immer schmunzeln beim Anblick meiner Einkäufe. Der rote BH, der passende String, alles wirkt so leicht, sogar etwas verrucht, so mein nächster Gedanke. Zufrieden blicke ich in den Schlafzimmerspiegel. Meine Mitgliedschaft im Fitnessstudio zeigt Wirkung. Noch vor einem Jahr hätte ich mich nicht getraut, solche Wäsche zu kaufen, geschweige denn zu tragen. Aufgedreht und mit mir im Reinen hüpfe ich die Stufen hinunter in meine Küche. Der Sektkorken ploppt aus der Flasche, mit einem Jauchzen gieße ich mir ein Gläschen ein. Unvermittelt fällt mein Blick auf die Uhr. Mahnend thront sie über dem Küchentisch. Wie ein Warnschild prangt sie an der Wand.

14 Uhr, so hämmert es in meinem Kopf. Nicht gerade die richtige Uhrzeit, um Sekt zu schlürfen. Ach, diese Grübelei tut mir nicht gut. Das schlechte Gewissen fängt an zu nagen. Die Lust jedoch, etwas Verrücktes zu tun, mischt sich dazu. Viel Zeit zum Nachdenken bleibt mir nicht, es klopft an meiner Küchentür.

„Fräulein Lotte? Das ist jetzt aber …“, das anschließende Hüsteln kenne ich schon.

„Wieso kommen Sie auch immer an die Küchentür? Jeder andere Postbote begnügt sich mit der Haustür. Das Wort Privatsphäre kennen Sie? Soll ich es buchstabieren?“ Kritisch beäuge ich mein Gegenüber. Das Wort ,Privatsphäre‘ kam scharf wie Messerschneide über meine Lippen.

„Tut mir leid“, hastig fliegen mir diese Worte entgegen. Schneller als ich reagieren kann, landet ein Stapel mit Briefen in meiner Hand, ein Päckchen findet seinen Weg auf meinen Küchenboden. Verärgert blicke ich dem flüchtigen Störenfried nach. Die Tatsache, dass mich der Mann kaum kennt und neu hier in der Gegend ist, entschuldigt nicht sein Verhalten. Als ob es auf dem Land so üblich ist, die Haustür zu ignorieren und wie selbstverständlich in den Garten zu marschieren! Sollte ich an mein Gartentörchen ein Schild anbringen lassen wie: Ungebetene Gäste müssen draußen bleiben? Oder: Meine Haustür hat eine Klingel. Bitte diese drücken und ein lautes Willkommen abwarten!

Meine Gedanken wandern kurz zurück ins letzte Jahr. Automatisch denke ich an meinen alten Briefboten. Er hatte auch immer diese Angewohnheit, einfach vor mir zu stehen und ohne große Ankündigung in meinen Garten zu kommen. Ihn habe ich aber von Kindestagen an gekannt. Das war eine ganz vertraute und andere Situation.

Nun ja, so überlege ich, immerhin kann ich mich noch gut in der Wäsche sehen lassen. Lachend schlürfe ich meinen Sekt. Die Laune lasse ich mir nicht nehmen. Viel zu groß ist meine Vorfreude, mich später Franz zu zeigen. Die Hoffnung in mir wächst, dank der aufreizenden Unterwäsche unser Liebesleben wieder in Schwung zu bekommen.

Bis vor ein paar Wochen noch war alles super und ich konnte mich nicht über die Männlichkeit meines Freundes beklagen.

Mein Blick wandert auf die Briefe, die ich gerade erhalten habe. Was, so frage ich mich jetzt, habe ich mir nur dabei gedacht, wieder eine Kontaktanzeige aufzugeben? Alles, was ich wirklich möchte, ist glücklich mit Franz zu werden. Tatsache aber ist, die letzten Wochen haben mir zugesetzt. Glück sieht anders aus und sollte sich auch anders anfühlen. Neugierig drehe und wende ich die Briefe in meiner Hand. Erneut gönne ich mir ein Schlückchen Sekt. Amüsiert wandert mein Blick über meinen Körper. Wie Franz wohl auf mich und meine sündige Wäsche reagieren wird? Ob er mich, wie am Anfang unserer Beziehung, gleich mit ins Schlafzimmer zieht? Um ehrlich zu sein, ich sehne mich nach einer heißen Liebesnacht. Was am Anfang unserer Beziehung so selbstverständlich war, ist heute der Seltenheit gewichen. Woran dies nur liegen mag? In meine alten Verhaltensmuster bin ich nicht wieder zurückgekehrt, zumindest nicht komplett. Dem Wunsch von Franz, mich besser und weiblicher zu kleiden, bin ich gefolgt. Daran kann sein Verhalten nicht liegen. Ob es eine andere Frau in seinem Leben gibt? Kurz überlege ich, ob wir den Zauber der Liebe über den Alltag zerstört haben.

Meinen Hang, immer mal wieder Kontaktanzeigen zu verfassen, diese auch noch abzusenden, kann ich nicht ablegen. Erwartungsvoll sind für mich diese Momente, in denen ich auf der Plattform aktiv bin, kribbelnd und spannend. Vergleichbar kann für manche Menschen der Zauber sein, eine Spielbank zu betreten. Ich setze jedes Mal große Hoffnung in mein Handeln. Wann immer ich glaube, meine Liebe zerrt an meinen Kräften, logge ich mich ein. Erst letzte Woche habe ich wieder eine Kontaktanzeige verfasst und aufgegeben. Verrückte Welt! Heute will ich Franz in roten Dessous verführen, kämpfe wie eine Löwin um unsere Beziehung. Doch erst vor wenigen Tagen habe ich nicht mehr geglaubt, die Kraft zu finden, um zu kämpfen. Kein Wunder, mein Freund hat sich in den letzten Tagen nicht gerade mit Ruhm bekleckert, vielmehr mit einer Arroganz, die schon an die Grenze des Erträglichen kam. Franz, meinen jetzigen Freund, habe ich auch durch eine Kontaktanzeige kennengelernt.

Für viele Monate war er mein Traummann. Obwohl, wenn ich an die Anfänge zurückdenke, oh weh! Das war schon heftig, in jeder Hinsicht. Liebe ohne Hindernisse, diese Worte will ich beim nächsten Versuch verwenden, so meine spontane Eingabe. Ich lache tief und kehlig bei dem Gedanken. Die große Hoffnung, dass irgendwo mein Traummann auf mich wartet, die gebe ich nicht auf. Falls es mit Franz nicht dauerhaft funktioniert, werde ich weitersuchen.

Meiner verstorbenen Tante Lydia Lowere danke ich, wann immer ich in meinem Café weile. Das große Portrait von ihr hängt mitten im Raum. Meine Tante bringt Glamour und ein Hauch der großen weiten Welt in meine Räumlichkeiten.

Lydia Lowere war so viel mutiger als ich es bin. Ich mühe mich ab, trotzdem erreiche ich nie ihre Ausstrahlung. Wieso hatte meine Tante Lydia sich nicht früher bei mir gemeldet? Vielleicht wäre ein Teil ihrer Leichtigkeit auf mich abgefärbt? Ich hätte gelernt, das Leben anders anzupacken. Seit ich meiner Tante auf Umwegen und erst nach ihrem Tod wieder begegnet bin, habe ich mich schon verändert.

Kurz nippe ich an meinem Sekt, dann gehen meine Gedanken weiter auf Reise. Neue Menschen sind in mein Leben getreten, die ich ohne Lydia nie kennengelernt hätte. Die Zeitschriften waren gefüllt mit ihrem Konterfei, nicht zuletzt wegen ihres Hangs, die letzten Jahre an der Seite sehr junger und gutaussehender Männer zu verbringen.

Wenn ich an den Künstler Anton Wall denke, niemals wären wir uns so nah gekommen. Platonisch gesehen natürlich. Anton Wall liebt mehr das männliche Geschlecht. Schade, wie ich finde. Er versteht mich, zumindest jetzt. Die Anfänge unserer Freundschaft waren etwas holprig und kompliziert. Heute ist alles prima. Wir beide haben uns mögen gelernt, ein wenig habe ich mich auch in ihn verliebt. Seine Art die Welt zu sehen, erinnert mich an meine Tante. Es kann kein Zufall sein, dass Anton inzwischen in der Villa meiner Tante lebt und wirkt. Einmal hat mich der Künstler hier in meinem alten Haus auf dem Land besucht und keinen Hehl daraus gemacht, geschockt zu sein.

„Lotte! Herrjeh! Wie kann eine Frau nur in so einem Durcheinander leben?“ Seine Worte hatte ich jedoch mit Humor aufgenommen. Zugeben muss ich auch, zu dieser Zeit war mein Ordnungssinn nicht sehr ausgeprägt.

Mein Handy klingelt, als ich mir gerade ein weiteres Glas Sekt einschenken möchte.

„Du trinkst am helllichten Tag schon Sekt?“, meine Freundin Ina zeigt natürlich kein Verständnis für mein Verhalten. Warum bin ich auch so naiv gewesen, ausgerechnet ihr von meinem Tun zu berichten. Mir hätte doch bewusst sein müssen, wie Ina reagiert.

„Wenn du ein Kind hättest und Verantwortung übernehmen müsstest …“ Ich unterbreche Ina an dieser Stelle: „Du wirst jetzt nicht erwarten, liebe Ina, dass ich dich verstehe. Dazu müsste ich wohl eigene Kinder haben.“

„Stimmt“, erwidert sie, „wahrscheinlich ist es besser, wir lassen das Thema.“

Erleichtert hole ich tief Luft. Rasch hinterfrage ich den Grund ihres Anrufes. „Ich habe heute Mittag frei und wir könnten zusammen Kaffee trinken“, jetzt klingt sie schon freundlicher.

„Gut, dann komm rüber zu mir. Ich kann dir dann auch die neue Wäsche präsentieren und dir von meiner Hoffnung auf eine heiße Liebesnacht mit Franz berichten.“

Von Ina vernehme ich nur ein gehauchtes: „Oh!“ Ich muss lachen und denke mir, diese Reaktion passt zu meiner Freundin. Während Ina mir noch kurz von ihrem neuen Kuchenrezept vorschwärmt, wandert mein Blick wieder zu den Umschlägen, die noch immer in meiner Hand liegen. Inas Ausführungen in die Kunst der guten Küche lasse ich geduldig über mich ergehen. Neugierig liegt mein Blick unterdessen auf den Umschlägen.

„Ich bringe dir gleich ein Stück Kuchen zum Probieren mit“, höre ich sie sagen. Diese Worte gefallen mir. Ich fühle mich gut.

„Dann sehen wir uns gleich zum Kaffee.“ Ohne einen weiteren Kommentar abzuwarten, beende ich das Telefonat. Die Umschläge und den restlichen Sekt nehme ich mit zurück in meine Küche. Die Flasche kommt in den Kühlschrank. Den kläglichen Rest in meinem Glas kippe ich in die Spüle und stelle, wie von Ina erwartet, stattdessen die Kaffeemaschine an. Den kleinen Tisch in meinem Garten decke ich, ohne mir etwas überzuziehen. Wieso auch? Meine Hecke ist so hochgewachsen, hier kann niemand reinsehen. Ich fühle mich so gut, mir ist, als könne ich heute Berge versetzen. Als alles vorbereitet ist, überkommt mich wieder die Neugierde auf meine Post und ich eile zurück in die Küche. Einen ersten Umschlag ritze ich kurzerhand mit einem Küchenmesser auf. Zittrig bringe ich den Brief zum Vorschein. Mit klopfendem Herzen fange ich an zu lesen.

Liebe Unbekannte,

seit gut zwei Monaten versuche ich, über diese Plattform eine Partnerin zu finden. Einige Treffen habe ich schon hinter mich gebracht, jedoch ohne den erhofften Erfolg auf das Glück zu zweit. Zugeben will ich, selbst ein anspruchsvoller und nicht immer einfacher Mann zu sein. Bisher habe ich keinen Schwerpunkt auf die Haarfarbe oder auf das Gewicht der jeweiligen Kandidatin gelegt. Mir ist es allerdings sehr wichtig, dass meine Partnerin gute Umgangsformen hat und sich immer gut kleidet.

Ihre Anforderungen an einen „Mann“ finde ich, um ehrlich zu sein, grotesk. Ich frage mich auch, ob Sie nicht eine Therapie nötig haben. Hier komme ich auch zu dem eigentlichen Grund meines Schreibens. Ich bin von Hause aus Psychologe und biete an, Sie zu therapieren. Wahrheitsgemäß gebe ich zu, Sie interessieren mich, zumindest als Patientin. Eine solche Formulierung bei einer Kontaktanzeige, wie von Ihnen verfasst, habe ich noch nie gelesen.

Ihre Wünsche sind für mich ein Zeichen tiefer Verletztheit, so zumindest interpretiere ich Ihre Annonce in diese Richtung. Überzeugen Sie mich gerne vom Gegenteil, die beiden ersten Treffen sind für Sie kostenfrei.

Ein impotenter Mann wird nicht täglich von Frauen gesucht. Die meisten Männer mit diesem Syndrom haben Probleme, eine Partnerin zu bekommen.

Ich freue mich auf Ihre Rückmeldung! Gerne an die angefügte E-Mail-Adresse.

Ihr

Dr. Peter Schön

Mein Blick löst sich von den Zeilen. Den Brief halte ich aber noch einen Moment in meinen Händen, drehe und wende ihn, um etwas zu finden. Dabei weiß ich nicht einmal, wonach ich suche. Mir gefällt nicht, was ich gerade gelesen habe. Zum Teil stimmt es ja, was Dr. Peter Schön mir geschrieben hat. Mein Wunsch, diesen Herren näher kennenzulernen, ist plötzlich da. Wie er nur aussehen mag? Möglicherweise ist er alt und hässlich, deshalb auch seine zynischen Worte. Oder meint er etwa sein Angebot zu einer Therapie ernst? So ganz will ich diese Erklärung von mir selbst nicht glauben. Mir scheint, es steckt noch mehr dahinter. Neugierde, dies herauszufinden, keimt in mir auf. Zumindest sein Name lässt Hoffnung in mir wachsen auf ein Happy End.

Ein Geräusch hinter mir lässt mich aufhören. Ich denke an Ina und eile sogleich mit dem Brief in meinen Händen in meinen Flur, um ihn und die anderen Briefe zu verstecken. Kurz überlege ich, wo ein geeigneter Platz sein könnte, um die Briefe auch sicher vor Franz zu verbergen. Mir kommt meine Schminkschatulle in den Sinn und ich eile die Stufen zum Bad hinauf.

„Du bist vielleicht verrückt!“

„Ich freue mich auch, dich zu sehen, liebe Ina. Wie ich hören kann, bist du in bester Laune zu mir gekommen!“, sage ich gespielt trotzig. Meine Freundin Ina steht mitten in meiner Küche, als ich aus dem ersten Stock zurückkomme.

„Na, was sagst du?“ Ich drehe mich spontan um die eigene Achse. „Werde ich aus Franz heute Nacht einen Tiger machen?“

Ina räuspert sich.

„Sag schon, Ina! Was denkst du? Wird Franz am Abend die Röte ins Gesicht steigen und hoffentlich noch etwas mehr, bei meinem Anblick“, strahle ich sie an.

Ina schnappt hörbar nach Luft, dann antwortet sie: „Wenn du das Zeug“, ihre Hand macht eine abschätzende Bewegung in Richtung meiner Wäsche, „nötig hast, bei mir läuft noch alles von alleine.“

„Du meinst, mit Feinripp ist der Sex besser?“ Diese Bemerkung kann ich nicht zurückhalten. Eine Weile ist es still.

„Willst du mich beleidigen, Lotte?“ Ina blickt mich aggressiv an.

„Nein, auf keinen Fall. Ist mir nur so rausgerutscht. Lass uns in den Garten gehen“, eile ich voraus. Die Sonne steht heute hoch und steil, die Wärme ist angenehm. Meinen Kopf strecke ich zum Himmel.

Ina, so höre ich, lässt sich auf einem der freien Gartenstühle nieder. Meinen Blick löse ich vom Himmel und schaue zu Ina. Sie nestelt an ihrer Bluse. Wie immer ist sie auch heute korrekt gekleidet, obwohl sich Frau bei 28 Grad doch etwas luftiger zeigen darf. Nicht aber Ina. Wir zwei Freundinnen sind so verschieden, trotzdem hat sie mit ihrer ganz eigenen Art ihren festen Platz in meinem Herzen. Seit der Schulzeit sind wir befreundet.

„Möchtest du dich jetzt nicht umziehen?“ „Wieso?“, mit weit aufgerissenen Augen sehe ich meine Freundin an. Ina, so spüre ich, scheint nervös zu sein, was sicherlich an meinem Outfit liegt. Ich gebe mich geschlagen. „Dann werde ich mir mal ein Kleid überziehen.“ Langsam stehe ich von meinem Stuhl auf.

„Aber hallo! Habe ich nicht mitbekommen, dass wir heute hier eine kleine Swinger-Party haben?“ Auf der Schwelle in meine Küche höre ich diese Worte und drehe mich lachend um. Unerwartet steht meine Freundin Petra vor mir. Petras Augen zeigen schon Tränen vom Lachen. Sie krümmt sich, die Tasche liegt längst auf meiner Wiese. Mir gefällt ihre Reaktion besser als die von Ina. Auch die Worte „Du siehst super toll und sexy aus, Lotte“, nehme ich gerne auf.

„Wie schön, dass alle Menschen meine Klingel schonen, aber das bisschen Strom für den Dong kann ich mir gerade noch leisten.“

Ich verschwinde in meinem Haus, bevor Petra neben Ina sitzt. Meine Worte waren natürlich ironisch gemeint, was Petra einzuschätzen weiß.

„Ist bei dir und Franz die Luft raus?“ Petra stellt ihre Frage, nachdem ich wieder zurück im Garten bin. Jetzt trage ich ein leichtes Sommerkleid. Immerhin hat sie oder Ina schon den Kaffee auf den Tisch gestellt und Tassen dazu. Die Kuchenstücke, die ihren angenehmen Duft verbreiten und mich anziehen, müssen von Ina sein. Petras Blick, als ich herzhaft in ein Stück Schokoladenkuchen beiße, spricht Bände. „Darf ich mich an deinem Obst bedienen?“ Eine Antwort wartet Petra nicht ab, sie ist schon aufgesprungen und eilt in meine Küche. Ihre Taille werde ich auch nach zehn Jahren Mitgliedschaft im Fitnessstudio nie erreichen, denke ich und blicke ihr ein wenig neidvoll nach.

„Das Gehabe mit dem Essen geht mir auf die Nerven.“ Inas Worte kommentiere ich nicht. Petra soll essen, wozu sie Lust hat, so meine Einstellung. Zu oft schon haben wir über sie und ihre Angewohnheit, jeder Kalorie aus dem Weg zu gehen, gesprochen. Sollte ich gelästert sagen? Ja, ab und an haben wir das getan. Seit ich Petra kenne, greife ich auch öfter zu gesundem Essen, was mir nicht schadet. Mit einer Banane in den Händen kommt Petra zu uns zurück.

„Was ist nun mit meiner Frage? Bekomme ich keine Antwort?“ Ach, du liebes bisschen! So direkt kenne ich Petra sonst nicht. Etwas mulmig ist mir schon. Soll ich vor meinen Freundinnen zugeben, dass bei Franz und mir gerade der Alltag eingekehrt ist und ich mich nach ein wenig mehr Abwechslung und Initiative von Franz in unserem Bett sehne?

„Das geht uns doch nichts an.“ Ina nippt nach ihren Worten am Kaffee. Die Betonung lag auf dem Wort uns, was von Petra die Antwort: „Ich möchte schon eine Antwort haben“, hervorruft.

Nach kurzer Überlegung betone ich: „Ina hat doch recht. Was mit mir und Franz im Schlafzimmer passiert, ist wirklich privat.“

Petra reagiert mit Schweigen, pellt die Schale der Banane ab, kaut genüsslich die leckere Frucht und blickt mich dabei unentwegt an. Ihren Blick kann ich nicht richtig deuten.

„Du nervst mich, Petra!“ Nervös rühre ich in meinem Kaffee.

„Wieso reden wir nicht offen? Wir sind doch Freundinnen?“ Petra steckt nach ihren Worten das restliche Stück Banane in ihren Mund. „Bei mir und Marc läuft alles bestens“, erfahren wir nach dem Kauen.

„Wen, bitte, interessiert das jetzt?“ Ina blinzelt Petra an. Mir ist nicht nach Streitereien.

„Ok, wenn du es unbedingt wissen willst, mir fehlt etwas.“

Schweigen. Petra rückt ihren Stuhl näher, was vom Grunde her albern ist. Uns kann hier sowieso niemand hören, sie tut aber sehr verschwörerisch. Ina nestelt erneut an ihrer Bluse, blickt verstohlen zum Boden. Fast wundere ich mich, dass Ina nicht sagt: „Der Rasen muss dringend gemäht werden!“

Da keine von beiden antwortet, ringe ich mich durch, mehr zu erzählen.

„Franz ist noch immer der Mann, den ich begehre. Vielleicht arbeitet er in der letzten Zeit zu viel und vergisst deshalb, dass ich auch meine Bedürfnisse habe.“

Ina reagiert auf meine Worte mit einem skeptischen Blick. Petra lehnt sich im Stuhl zurück und wirkt nachdenklich. Na, prima! Das hilft mir auch nicht weiter. Meine gute Stimmung und die Vorfreude, die ich noch vor einer Stunde bei der Anprobe der neuen Wäsche hatte, lösen sich gerade in Luft auf.

„Du trägst doch auch immer so tolle Wäsche“, fordere ich eine Antwort von Petra ein. Sie lächelt in sich hinein, wie ich sogleich sehen kann und nickt beseelt.

„Ja, von der Wirkung bin ich noch immer überzeugt.“ Petra nippt an ihrem Kaffee. Im Anschluss blinzelt sie mich an. „Hast du dir mal ein gutes Buch gekauft?“

„Jetzt verstehe ich nur Bahnhof“, reagiere ich etwas zu schroff auf Petras letzte Worte. Ina schnappt sich derweil das zweite Stück Schokoladenkuchen, kaut hektisch vor sich hin. Automatisch fällt mein Blick über ihre Figur. Ina ist in den letzten Monaten rundlich geworden. Sie sagt, das sei fraulich und bezeichnet Petra als dürr. Es ist nun einmal Ansichtssache, so die Worte von Karin, der Vierten in unserem Bunde. Ich vermisse die Freundin. Früher haben wir vier Frauen viele schöne Abende erlebt, zusammen. Seit wenigen Wochen lebt Karin in Dresden und erwartet mit Anfang vierzig ihr erstes Kind. Gleich beim Ausbleiben der letzten Periode hatte sie uns informiert. Jetzt ist Karin in der achten Schwangerschaftswoche und plant gerade das ganze Leben mit Volldampf neu. Mit Höchstgeschwindigkeit geht sie alles an, so auch die Vorbereitungen für ihre Hochzeit mit Hermann Josef von Breggele. Täglich kommen neue Ideen per SMS von ihr auf unsere Handys. Karins Wünsche für die Zukunft lassen uns schmunzeln. Selbst das Datum, an dem Karin nach der Geburt wieder ihrer Arbeit nachgehen will, hat sie schon im Kalender angestrichen.

„Dein Kuchen schmeckt übrigens sehr lecker, Ina“, lobe ich meine Freundin und greife beherzt ebenfalls zum zweiten Stück. Petra grinst mich schief an.

„Mir fehlt Karin“, sage ich aus meinen Gedanken heraus.

„Du machst Gedankensprünge“, schüttelt Petra ihren Kopf. Lächelnd fügt sie nach: „Fehlt dir jetzt heißer Sex oder ein Mädelsabend mit Sekt und Chips?“

Auf Petras Worte bin ich kurz sprachlos, dann aber fange ich laut an zu lachen.

Ina findet den Verlauf unseres Gespräches peinlich, wie sie offen betont. „Es gibt doch auch eine Privatsphäre!“ Ihre Bemerkung wiederum lässt mich auf Petras Bemerkung mit dem Buch zurückkommen.

„Was genau willst du mit deiner Frage nach dem Buch sagen, Petra?“ Meine Freundin lacht spitz auf und grinst mich an. „Ich kann dir gerne etwas ausleihen oder auch empfehlen. Du musst mir nur sagen, was du im Bett bevorzugst oder ob es dir nur um ein paar Tipps für das Besondere geht.“

Bevor ich noch einmal bezüglich eines genauen Tipps von Petra für mich nachfragen kann, klingelt mein Handy. Am liebsten, so denke ich, möchte ich jetzt die Unterhaltung mit Petra weiterführen. Der Anruf kommt aber von Karin, daher nehme ich das Gespräch an.

Petra

Schon lustig, meine Freundin in roter Wäsche zu sehen. Bisher habe ich Ina und Lotte nur mit Feinripp verbunden. Es ist gut, dass Lotte sich jetzt aufrafft und etwas für sich tut. Der Sport scheint ihr richtig gutzutun. Nicht nur ihrer Figur, auch ihrem Selbstbewusstsein. Jetzt hoffe ich für Lotte, Franz wird ganz gierig auf den neuen Einkauf reagieren und sie rasch versuchen auszupacken. Meine Fantasie geht kurz mit mir auf eine Reise zu Marc. Ina und Lotte holen mich aber zum Glück Sekunden später wieder in die Realität zurück. Dass Lotte so überrascht auf meine Bemerkung mit dem Buch reagiert hat, mich wundert es.

„Lotte? Du willst mir jetzt nicht sagen, du hast nie ein Buch über Sex und Stellungen gelesen?“, doch eine Antwort bekomme ich nicht mehr, denn Lottes Handy klingelt. Ganz so weltfremd habe ich meine Freundin nun wirklich nicht eingeschätzt. Ina, das spüre ich, mag nicht mit uns über ihr Intimleben sprechen. Sie ist in meinen Augen dafür zu spießig. Schön am Abend die Schlafzimmertür abschließen und immer nur am Samstagabend Sex haben, so meine Überlegung. Kurz verschwinde ich in Lottes Haus, eile in das Badezimmer. Mein Blick in den Spiegel zeigt mir, ich muss die Lippen nachziehen. Wie selbstverständlich öffne ich Lottes kleinen Schminkschrank und suche einen Lippenstift. Statt der richtigen Farbe entdecke ich einen Stapel Briefe, die meine Neugierde wecken. Genau erinnere ich mich an die Zeit, als meine Freundin mit Vorliebe Kontaktanzeigen aufgegeben hatte. Die Antworten kamen auch mit einem Codenamen und einer Nummer als Absender in ihr Haus geflattert. Ob Lotte wieder ihrem alten Hobby frönt? Kurz packt mich die Neugierde und ich bin versucht, einen der Briefe, zumindest einer ist schon geöffnet, zu lesen. Im letzten Moment jedoch entschließe ich mich, es sein zu lassen. Aber mein Entschluss, Lotte auf die gefundenen Briefe anzusprechen, ist schnell gefasst. Wieder im Garten angekommen, wird mein Vorhaben mit Lotte zu sprechen unterbrochen, Lotte telefoniert noch immer.

„Es wird um die geplante Hochzeit gehen“, tuschelt Ina in meine Richtung. Ich nicke. In den letzten Tagen haben wir nichts anderes aus Karins Mund gehört. Sie plant und plant, nur von Hermann Josef und seinen Vorbereitungen habe ich nichts erfahren. Vielleicht, so meine Vermutung, ist das normal und die Frauen planen generell die Hochzeitsfeier, ohne den Bräutigam einzubeziehen? Ich bin kein Fan von Heiraten. Mir macht der Gedanke Angst. So wie es gerade mit Marc und mir läuft, ist für mich alles perfekt. Für mich ist er mein Traummann. Klar, Ecken und Kanten hat auch Marc, ansonsten wäre es sicherlich auch langweilig. Das Wichtigste ist jedoch, wir können miteinander reden, lachen, diskutieren, ohne den Partner zu verletzen und unser Sex ist grandios.

Lottes Gesichtszüge verändern sich. Ihr Gesicht wirkt plötzlich verkrampft auf mich. Ihre Stimme klingt panisch.

„Wir kommen zu dir!“ Diese Worte ihres Telefonates schnappe ich auf, sie lassen mich aufhören. Irgendwas scheint nicht in Ordnung zu sein. Ob Karin einfach nur Hilfe bei der Vorbereitung der Trauung benötigt? Warum sagt Lotte nichts? Sie hält immer noch das Handy am Ohr. Einzelne Wortfetzen fangen Ina, die auch besorgt zu Lotte schaut, und ich auf. „Du Arme! Das muss schrecklich für dich sein … natürlich, wir kommen … Was meint deine Ärztin?“

Ich spüre, es geht hier nicht mehr um die Hochzeit. Ob etwas mit ihrem Baby nicht in Ordnung ist? „Lotte!“ Meine Versuche, die Freundin zu drängen, bezüglich ihres Telefonats endlich etwas zu Ina und mir zu sagen, scheitern. Lotte steht stattdessen auf, sie hält immer noch das Handy am Ohr und geht im Garten auf und ab. Ein ungutes Gefühl überkommt mich.

Gut zwei Minuten später, die ich als eine Ewigkeit empfinde, kommt Lotte an den Tisch zurück. Das Telefonat ist beendet. Unsere Freundin weint. „Karin ist beim Fensterputzen von der Leiter gefallen“, stößt sie hervor. Ina kommt mir mit ihrer Frage zuvor. „Was ist mit dem Baby?“ Lotte hält ihre Hände vor ihre Augen, sie schnieft. „Sie hat das Kind verloren. Karin liegt jetzt im Krankenhaus.“

Mir steigen unvermittelt die Tränen in die Augen. „Sie war doch so happy über die späte Schwangerschaft.“

„Ich fürchte, unsere Freundin hat jetzt keinen Halt bei Hermann Josef“, spricht Ina aus, was wir alle denken.

„Mitten hinein in einen schönen Augenblick kommt diese traurige Nachricht“, Ina schüttelt ihren Kopf. Unvermittelt steht sie auf und fängt an, den Tisch abzuräumen. Es ist ihre Art mit der Nachricht umzugehen. Ich spüre in diesem Augenblick wie lieb mir jede meiner Freundinnen ist. Die Verbundenheit zwischen uns ist nicht zu leugnen.

„Ihr Leben ist aus den Fugen geraten, Karin braucht uns jetzt“, Lotte spricht aus, was ich auch fühle. Wir müssen nach Dresden fahren und uns um Karin kümmern. „Ich habe noch eine Woche Urlaub. Marc muss arbeiten und ich bin frei in meiner Planung. Von mir aus können wir morgen früh starten.“ Lotte möchte am liebsten gleich losfahren. „Wieso nicht jetzt noch nach Dresden aufbrechen?“

Ina gibt zu bedenken, dass sie erst einen Babysitter für ihren Sohn Wolfi organisieren muss. „Meine Eltern werden den Kleinen nehmen, jedoch muss ich erst mit ihnen sprechen. Mir wäre es auch lieber, morgen früh loszufahren.“

Ich schlucke Tränen hinunter und konzentriere mich auf die Vorbereitung unserer Reise.

Unsere Planungen laufen auf Hochtouren. Rasch haben wir im Internet einen ICE gefunden, der morgen um 8 Uhr ab Montabaur losfährt. Online bestelle ich für uns drei Freundinnen die Tickets. Unsere Gedanken sind ganz bei Karin. Begriffe wie: Schwangerschaft, Babykleidung, Kinderzimmer meint Ina, sollten wir vor Karin meiden. „Du meine Güte!“, sage ich nur, denn ich finde nicht, dass Karin so empfindsam ist und glaube auch nicht, dass wir ihr damit einen Gefallen tun. „Wie dem auch sei, sie wird sich mit den Tatsachen auseinandersetzen, so gut kenne ich unsere Freundin.“

Anfügen möchte ich noch, wir können in Dresden nicht jeden Kinderwagen auf der Straße vor Karin verstecken. Diesen Gedanken schlucke ich jedoch runter, auf einen Streit lege ich keinen Wert.

Gegen 18 Uhr sitzen wir noch immer aufgewühlt in Lottes Garten, als Franz erscheint. Er wirkt mürrisch und zeigt keine Freude, mich und Ina zu sehen. Mein Blick huscht automatisch zu Lotte. Ihr Gesicht hat sich mit dem Eintreffen von Franz verändert.

„Es ist höchste Zeit aufzubrechen“, erhebe ich mich von meinem Stuhl. „Ich muss noch eine Tasche für morgen packen und will in Ruhe mit Marc zu Abendessen“, verabschiede ich mich von Lotte. Ina tut es mir gleich und wir verlassen gemeinsam Lottes Grundstück.

„Franz hat sich verändert“, blicke ich mich noch einmal am Gartentor um. Ina winkt nur ab. Ihre Art mit Problemen umzugehen, ist mir nicht gelegen. Ich mag es nicht, alles unter den Tisch zu kehren und immer so zu tun, als sei die Welt in Ordnung. Bei derart wichtigen Dingen ist Schweigen keine Lösung.

„Wir sehen uns morgen am Bahnhof“, eilt Ina davon. Traurig gehe ich zu meinem Wagen. Ob Franz nur sauer war, weil Lotte nicht schon in den Dessous auf ihn gewartet hat? Wie ich meine Freundin kenne, hat sie ihm sicherlich schon eine SMS mit einem kleinen Hinweis gesendet. Sicherlich hat er sich durch unsere Anwesenheit gestört gefühlt? So ganz gefällt mir nicht, was sich in meinem Unterbewusstsein noch an Möglichkeiten für sein Verhalten aufmacht. Unter dem Strich hat mir sein Verhalten überhaupt nicht gefallen. Meine Freundin Lotte hat sich in den letzten Wochen verändert. Mehr als einmal war ich kurz davor, sie darauf anzusprechen. Die Zeit ist reif für ein klärendes Gespräch. Ich will Lotte morgen auf meinen Eindruck ansprechen, so meine Überlegungen.

Bis zu meiner Wohnung in Limburg sinniere ich über Franz. Dann aber, mit dem Abschließen meines Wagens vor unserer Wohnung, verbiete ich mir, weiter zu philosophieren, wieso und warum Franz mürrisch war.

Vor der Tür treffe ich auf Marc. Seine stürmische Begrüßung, seine wahrhafte Freude mich zu sehen, tun mir augenblicklich gut. „Alles in Ordnung mit dir?“ Marc kennt mich inzwischen so gut, er sieht sofort, mich bedrückt etwas. Auf dem Weg in unsere Dachgeschosswohnung berichte ich ihm von Karin und ihrem Sturz von der Leiter.

„Das tut mir sehr leid für Karin. Warum musste sie auch in ihrem Zustand noch Fenster putzen? Dass Hermann Josef das nicht zu verhindern wusste.“

Mir ist nicht nach Philosophieren und Karin hilft es auch nicht mehr. Sie wird lernen müssen, mit der neuen Situation zurechtzukommen. „Das Leben ist nicht immer leicht“, falle ich auf unser Sofa. Zeitgleich streife ich unachtsam meine Schuhe ab, lehne mich einen Moment zurück.

„Soll ich dir auch ein Steak machen?“ Das Angebot von Marc nehme ich sehr gerne an. „Den Salat bereite ich uns zu“, stehe ich wieder auf. Erleichtert beobachte ich beim Zubereiten Marc und bin glücklich, ihn an meiner Seite zu wissen.

Beim Essen erzähle ich Marc, dass wir bereits um 8 Uhr am morgigen Tag nach Dresden fahren. „Das ist sehr gut. Ich muss in den nächsten Tagen viel arbeiten und dann ist auch noch am kommenden Wochenende das Tennisturnier. Mach dir um mich keine Sorgen.“ Später beim Abräumen zieht mich Marc in seine Arme, er küsst mich zärtlich auf meine Lippen und ich genieße diesen Moment der Sorglosigkeit, der wahren Freude und Hingabe.

Am nächsten Morgen ist Marc so lieb und fährt mich nach Montabaur an den ICE-Bahnhof, wo wir auf Lotte und Ina stoßen. Lotte sieht schlecht aus, sie hat dicke Augen, ihre Haut ist fahl. Mich sorgt ihr Anblick und unvermittelt frage ich mich, ob es mit Franz zu tun haben könnte oder ob es nur die Sorgen um Karin sind. Erneut keimt der Wunsch in mir auf, Lotte auf Franz und sein Verhalten anzusprechen.

„Du wirst immer mehr zu einem dressierten Hündchen …“, hören Marc und ich Ina sagen, als wir näherkommen. Noch vor einem Jahr hätte ich mich aufgeregt, jetzt kann ich über Inas Spitzen hinweghören. Vom Weitersprechen hält Lotte sie ab. Sie gibt Ina einen festen Stoß in ihre Seite und unterbricht somit ihre nicht wirklich nette Begrüßung. Marc nimmt mich in den Arm, wir verabschieden uns und mir ist es in diesem Moment egal, was Ina denkt. Ich bin jetzt schon so lange mit Marc zusammen, unsere Beziehung sollte inzwischen als normal angesehen werden. Zumal Ina nicht über mangelnde männliche Nähe klagen sollte. Johann ist nun wirklich ein geduldiger und liebenswerter Partner an der Seite von Ina, so meine Überlegung, als ich Marc nachschaue, wie er in seinen Wagen einsteigt und losfährt.

Auf dem Weg in Richtung Eingang zum Bahnhof kann ich meine Frage an Ina nicht mehr unterdrücken. „Mit dir und Johann ist alles in Ordnung?“

„Natürlich, wieso fragst du?“ Ina keift mich an, das wiederum finde ich unpassend.

„Auf eine schöne und verträgliche Reise“, eile ich an ihr vorbei in den Bahnhof. Mir ist nicht entgangen, dass Lotte Ina zur Seite zieht und mit ihr redet. Wahrscheinlich liegen bei uns einfach die Nerven blank, so meine nächste Überlegung beim Erklimmen der Treppenstufen, die uns zum Bahnsteig führen. Karin ist in unseren Köpfen und somit ist es nur verständlich, dass wir Freundinnen durcheinander sind. Wenn ich mir nur ausmale, mir sei so etwas wie Karin passiert, ich würde durchdrehen. Erst das Chaos der Gefühle sich mit einer späten Schwangerschaft auseinandersetzen und anfreunden zu müssen, danach die Fehlgeburt und mit ihr der hormonelle Umbruch, das stelle ich mir grauenhaft vor.

„Wir werden bei Karin in der Wohnung schlafen können“, berichtet Ina.

Ich bin skeptisch. „Und Hermann Josef? Wie wird er auf unser Erscheinen reagieren?“

So ganz kann und will ich nicht glauben, dass er sich auf uns freut. Ina schüttelt ihren Kopf. Mir fallen die hübschen Ohrringe auf, die sie trägt.

„Er musste zu einem Kongress und kommt erst in drei Tagen zurück.“

Mein Mund öffnet sich automatisch auf Inas Worte, ich bin allerdings nicht in der Lage, einen Kommentar abzugeben. Dafür kommt Lotte umso schneller auf den Punkt. „Der Mann gehört auf den Mond geschossen, das ist doch das Allerletzte! Ausgerechnet jetzt lässt er Karin in so einem Moment alleine.“ Ihre Stimme klingt fassungslos. „Umso wichtiger ist, dass wir jetzt an der Seite von Karin sind.“

Im Abteil überfällt Lotte der Hunger. „Ich habe noch nicht gefrühstückt“, teilt sie uns mit. Gemeinsam mit Ina verschwindet sie im Speisewagen. Mir ist es lieb so. Die nächsten Tage werden sicherlich noch hektisch werden, denke ich und ziehe mein Taschenbuch hervor. Viel Zeit zum Eintauchen in meinen Roman erhalte ich nicht, das Handy von Ina piepst und zeigt den Eingang einer SMS. Sie hat ihr Handy auf der kleinen Ablage liegenlassen. Zunächst zögerlich, dann jedoch von der Neugierde gelenkt, blicke ich auf ihr Handy. Die Nachricht ist von Johann. Öffnen will ich die Nachricht nicht, Ina würde es merken und mir ist bewusst, das wäre auch nicht korrekt. Erneut vertiefe ich mich in meinen Roman. Die Liebesgeschichte gefällt mir. Ein Satz prägt sich besonders in mein Gedächtnis ein:

Nur wer es schafft, auch die tiefsten und innersten Wünsche des eigenen Herzens zu leben, sich zu erfüllen, wird glücklich sein.

Ina und Lotte kommen zurück. Ich kann die beiden schon hören, bevor ich sie sehe. Ein Schmunzeln kommt auf meine Lippen.

„Wir haben dir eine Müslischnitte mitgebracht“, legt Lotte mir die Errungenschaft auf meine Knie. Ina angelt ihr Handy. Kurz streift mich ein Blick, den ich nicht deuten kann, dann vertieft sie sich in ihre SMS.

„Johann will mit mir im Herbst eine Kreuzfahrt machen“, ihre Stimme klingt gelöst. Immerhin, so denke ich, scheint doch alles bei den beiden in Ordnung zu sein.

„Beneidenswert“, gibt Lotte tonlos von sich. „Mir wäre ein Urlaub auf Mallorca lieber gewesen“, ist Inas Reaktion darauf. Rasch blicke ich zu Ina. Von ihr bin ich es nicht gewohnt, Einblicke in ihr Privatleben zu erhalten. Der kleine Ausrutscher ist ihr augenscheinlich auch peinlich.

„Kann mich nicht irgendjemand mitnehmen auf eine Reise?“ Lotte klingt bedrückt. Damit hat sie unsere Aufmerksamkeit. Ich spreche an, was mir am Morgen vor der Abfahrt aufgefallen ist, ihr Aussehen. „Liegt es an Karin oder an Franz? Deine Augen sind rot, Lotte, du hast in der Nacht geweint.“

Mindestens so irritiert wie erleichtert, endlich reden zu können, nickt Lotte. „Meine Idee, Franz mit der neuen Wäsche zu überraschen, ist so etwas von schiefgelaufen, schlimmer hätte es nicht sein können. Wie behämmert von mir zu glauben, er freue sich darauf. Dabei war er es doch, der immer wieder von mir verlangt hat, mehr auf meine Kleidung zu achten. Nur noch, wenn ich einmal erkältet bin, traue ich mich, einen meiner Lieblingsschlafanzüge zu tragen“, Lotte schnieft. Sie angelt ein Taschentuch aus ihrer Hose. Für die Temperaturen ist sie viel zu warm gekleidet, wie mir erst jetzt auffällt. Um sie etwas aufzuheitern, versuche ich einen Scherz.

„Du meinst aber nicht den Schlafanzug mit den Teddybären? Dieses Modell hast du doch entsorgt?“ Ich muss unvermittelt laut lachen bei der Vorstellung, wie Lotte immer damit durch ihr Haus gelaufen ist.

„Niemals habe ich einen schöneren Schlafanzug als den mit den kleinen Teddybären besessen.“ Lottes Antwort kommt direkt und ihre Stimme lässt hören, für sie ist selbstverständlich, was sie gerade sagt.

„Nein! Sag mir bitte, ich habe mich verhört!“ Ich lache grell auf. Zu meiner Freude fallen die Freundinnen in mein Lachen ein und für wenige Sekunden würde jeder Ausstehende glauben, wir sind in Partylaune.

„Es ist höchste Zeit, mehr über den gestrigen Abend zu erfahren“, unterbricht Ina dieses kleine Hoch.

„Franz war gestresst von seiner Arbeit nach Hause gekommen. Dann war er nicht erfreut, auf euch zu stoßen. Wie dem auch gewesen sei, es lief alles schief, mein Vorhaben ist missglückt.“ Lotte sieht uns jetzt traurig an.

„Alles wird wieder gut werden!“ Ina bringt sich ein. Hämisch sehe ich sie an.

„Ha! Leicht gesagt. Wir sollten doch bitte erst einmal Lotte weitererzählen lassen“, diese Bemerkung muss ich beisteuern.