Suche Mann, der lieben kann - Manuela Lewentz - E-Book

Suche Mann, der lieben kann E-Book

Manuela Lewentz

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Beschreibung

Plötzlich Klaus! Über Umwege kommt der Dachdecker in Lottes Haus und wirbelt ihr Leben durcheinander. Um den Überblick zu wahren, ruft Lotte ihre Freundinnen Karin, Petra und Ina zu einem Mädelsabend. Mit Prosecco lässt sich die Frage: "Wieso nur sind Männer so unterschiedlich?" leichter klären. Auch die Freundinnen kennen die Höhen und Tiefen der Liebe. "Liebe bringt nicht nur Schmetterlinge, nein, auch Bauchschmerzen", so das einstimmige Resümee der Freundinnen. Auf die Männer verzichten möchte aber keine der Mädels. "Männer sind wie Sahnetorte", so Lotte. "Ich liebe die süße Verführung, leider aber hält der Genuss nicht lange an." Ein lustiger Roman für den nächsten Urlaub. Tauchen Sie ein in die oft "wahren" Momente einer vermeintlichen Liebe. Witzig, humorvoll und sehr real - der neue Roman von Manuela Lewentz.

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Inhaltsverzeichnis

Suche Mann, der lieben kann

Lotte

Ina

Karin

Der nächste Morgen

Ein paar Tage später

Lotte

Realität

Vincenz

Lotte

Anton

Klaus

Lotte

Ina

Kleiner Rückblick

Lotte

20.20 Uhr

Samstag

Montag

Petra

Ina

Endlich Freitag

Karin

Franz

Ina

Lotte

Der nächste Tag

Franz

Lotte

23 Uhr

5 Uhr

Ina

Der nächste Nachmittag

Eine Woche später

Petra

Der nächste Tag

Ein paar Tage später

Lotte

Karin

Lotte

Petra

Der nächste Morgen

Ina

14 Uhr

Anton Wall

Der nächste Tag

Karin

Der gestrige Tag

Lotte

Der nächste Morgen

Ein paar Tage später

Anton Wall

Lotte

Eine Woche später

19 Uhr

Eine halbe Stunde später

Drei Wochen später

Suche Mann, der lieben kann

Lotte

„Männer sind wie Sahnetorte“, so mein Impuls beim Aufwachen. Ich liebe die süße Verführung, leider nur hält der Genuss nicht lange an. Verträumt denke ich an gestern Abend. Bilder kommen vor mein geistiges Auge, die mich sogleich wieder aufwühlen. Energisch schüttele ich meinen Kopf, denn schon wieder denke ich an Klaus. Mit ihm kam nicht nur ein begnadeter Dachdecker in mein Haus, sondern auch ein Sahnetörtchen der besonderen Art.

Wie ein Schmetterling, der seinem Kokon entflohen ist, fühle ich mich heute Morgen. Klaus, so meine Überlegung, der Mann hat mich verzaubert. Schon der erste Blick in seine Augen, das kurze Abscannen seines Körpers, seine raue Stimme, haben mich angemacht. Dieser Mann ist so ganz anders als die Männer, die ich bisher in mein Leben gelassen habe, obgleich er einer großen Liebe von mir sehr ähnelt. Kurz halte ich vor meinem Kleiderschrank inne, kritisch beäuge ich meine Garderobe. Fühle ich mich heute mehr als Mädchen oder als Vamp? Schon wieder ist Klaus in meinem Kopf. So, wie ich ihn erleben durfte, er steht mehr auf ein seriöses Erscheinungsbild. Eventuell täusche ich mich auch in ihm und seine Zurückhaltung ist nur der Auftakt zu einem Spiel der großen Gefühle. Lächelnd greife ich zu dem kleinen roten Minikleid. Jeder Mann steht auf ein sexy Outfit, so meine Entscheidung, somit auch Klaus.

Im Flur fällt mein Blick freudig in den Spiegel.

Mein Blick in den Spiegel zeigt mir heute Morgen dennoch auch, mir fehlt eine Portion Schlaf. Mein Leben steht wieder einmal auf dem Kopf, auch das ist nicht neu für mich. Für spannend, aufregend und beglückend halte ich trotzdem die momentane Situation. „Leben bedeutet für mich, Champagner zu trinken, die süßen Früchte zu kosten, ebenso die Männer, zumindest die Sorte, die es in meinen Augen wert ist, mein Leben zu bereichern.“ Lydia Lowere, meine Tante, hatte so ihre ganz eigenen Ansichten auf das Leben. Oft denke ich, Lydia hat es verstanden zu leben, zu genießen, in jeder Hinsicht.

Noch einmal schaue ich in den Spiegel und denke, die Farbe, so meine Überlegung, lenkt von der Blässe meines Gesichtes ab. Ein Blick auf meine Armbanduhr zeigt mir, ich muss nun mein Haus verlassen, die Arbeit wartet auf mich.

Beschwingt fahre ich nach Limburg zu meinem Café in der Altstadt. „Sexy Kleid“, begrüßt mich meine Aushilfe. „Ist das für den Typen von gestern? Den würde ich auch nicht“, an der Stelle unterbreche ich die Unterhaltung. „Diese Zweideutigkeiten heben wir uns für den Feierabend auf“, binde ich meine Schürze um.

Gähnend kämpfe ich mich durch den Vormittag und bemühe mich, meine Schicht zu bewältigen. Im Kopf habe ich immer wieder die Bilder von gestern Abend, in der Nase trage ich noch den Duft von Klaus. Dieser Mann sitzt in meinem Kopf, lenkt mich mit den Erinnerungen an die gemeinsamen Stunden ab und ich zeige mich vor den Gästen unkonzentriert und verträumt. „Ich habe keinen Tee bestellt!“ Irritiert blicke ich die Frau an, die sich gerade beschwert. Wo sind nur meine Gedanken, ermahne ich mich selbst. In meinem Kopf brennt die Frage: Mag mich Klaus? Bin ich anziehend für ihn? Zuerst empfand ich seine Zurückhaltung wie einen Auftakt zu einem Spiel zwischen uns. Vordergründig scheint alles bestens zu laufen und doch gibt er mir Rätsel auf.

Mein kleines Missgeschick habe ich rasch wieder behoben und meinen weiblichen Gast milde gestimmt.

Meine Tätigkeit in meinem kleinen Café ist trotz der Anstrengung, die dahintersteckt, pure Freude. Für mich persönlich sind die Begegnungen mit den Menschen wie Inspiration für meine zweite Leidenschaft, das Schreiben. Immer wieder lasse ich Wortfetzen, die ich im Café beim Bedienen an den Tischen aufgeschnappt habe, oder aber auch die Verhaltensmuster der Gäste in meine Kolumnen einfließen. Meiner Meinung nach braucht jeder Autor die Abwechslung im Alltag als Inspiration für seinen Beruf. Die Tatsache, dass ich in einem 300-Seelen-Ort auf dem Land lebe, schenkt mir die Ruhe zum Schreiben, jedoch nicht die Inspiration. Persönlich kann ich sagen, mit der Tätigkeit in Limburg und dem Schreiben habe ich die perfekte Kombination für mich gefunden.

Unweigerlich kommt mir mein väterlicher Freund Vincenz in den Sinn und ich spüre, mir fehlt seine Nähe. Gemeinsam mit seiner Lebensliebe Rosalinde sowie meiner Freundin Ina und Johann, seinem Sohn, war er über ein halbes Jahr auf Weltreise. Vincenz hatte ich gerade am Anfang sehr vermisst. Oft wollte ich ihn spontan anrufen, um seinen Rat bitten, doch dann fiel mir ein, Vincenz weilt gerade tausende Kilometer entfernt von mir. Ebenso erging es mir mit Ina. Meine Freundin habe ich so sehr vermisst, dass ich oft an ihrer Türe stand und erst in diesem Moment wieder daran dachte, die Freundin ist auf Reisen. Nicht vorstellen konnte ich mir, auch nur eine Woche zu überleben, ohne mit Ina zu sprechen, sie zu sehen. Seit der Grundschule waren wir zusammen, fast täglich.

Selbst Männer konnten uns nicht trennen und das, obwohl wir so unterschiedlich sind, von unserer Mentalität her.

„Ich komme schon in vier Tagen wieder zurück“, diese Nachricht habe ich mit Freude aufgenommen und die Tage bis zu Inas Rückkehr gezählt. Endlich ist die Zeit der räumlichen Trennung überwunden und meine lieben Herzensmenschen sind wieder in meiner Nähe.

,,Es ist nicht viel zu tun, Sie können gerne nach Hause fahren“, spricht mich meine Aushilfe an. Ob Sie bemerkt hat, wie durcheinander ich heute bin? Egal, ihr Angebot nehme ich lächelnd an und bin schon Minuten später in meinem Auto.

Rasch kommen meine Gedanken an Ina und Vincenz zurück. Mit Freude habe ich schon am Morgen eine Nachricht von Vincenz auf meinem Laptop entdeckt, noch vor meiner Arbeit habe ich diese geöffnet und gelesen.

Liebste Lotte,

für einen Mann in meinem Alter war diese Reise ein großes Glück. Abenteuer sind wie das Salz in der Suppe. Neue Blickwinkel halten jung und schenken mir den Eindruck, noch viele Jahre auf dieser Erde zu weilen.

Soweit meine positiven Eindrücke, liebe Lotte, die ich dir natürlich noch in einem privaten Gespräch ausführlich erläutern möchte.

Mit Wehmut habe ich aufgenommen, dein Liebesleben steht einmal mehr auf dem Kopf. Franz hat mich kontaktiert und somit bin ich informiert über das Ende eurer Beziehung. Wirklich, Lotte! In einem Jahr, so meine Gedanken, höre ich wieder Lobeshymnen aus deinem Mund, die Franz in den Himmel heben.

Dass er kein einfacher Mensch ist, gewiss, das glaube ich dir aufs Wort. Jedoch muss der Mann auch seine guten Seiten haben, ansonsten würdest du nicht immer wieder, in regelmäßigen Abständen seine Nähe suchen. Verzeih mir, liebe Lotte, dass ich so offen und ehrlich schreibe. In meinem Alter möchte ich keine Verrenkungen mehr machen und tun und sagen können, was ich möchte. Vergiss bitte nie, ich liebe dich wie meine eigene Tochter.

Gestern am Abend habe ich deinen Nachbarn und ehemaligen Postboten getroffen. Du kannst dir denken, was ich jetzt ansprechen werde, deinen neuen Besucher. Der Mann soll schon regelmäßig sein Auto vor deinem Haus parken, auch schon über Nacht geblieben sein.

Für mich ist dein Verhalten nicht nachzuvollziehen, jedoch bemühe ich mich um Verständnis und möchte nicht alt und stur erscheinen. Rosalinde hat einmal mehr beruhigend auf mich eingeredet und mir gesagt, ich solle dich dein Leben leben lassen.

Wichtig für mich ist, meine Liebe, zu wissen, es geht dir gut.

Vielleicht besuchst du uns in den nächsten Tagen einmal und erzählst etwas aus deinem Leben.

Bis dahin, Vincenz

So richtig glücklich macht mich die Nachricht von Vincenz nicht. Allerdings war ich auch beruhigt zu wissen, mein väterlicher Freund ist schon informiert über mein Liebesleben und dank Rosalinde auch milde gestimmt. Ob sie mich mag oder redet sie vielmehr Vincenz nur ein, geduldig mit mir zu sein? Eingestehen muss ich mir, zunächst eifersüchtig auf Rosalinde gewesen zu sein. Mit ihr kam eine Wende in das Leben von Vincenz und plötzlich war ich nicht mehr der absolute Mittelpunkt für ihn. Zuvor waren Vincenz und ich oft zusammen. Wann immer Vincenz geschäftlich unterwegs war, hatten wir über E-Mail den Kontakt bewahrt und telefoniert. Vincenz war Teil meins Lebens. Sogar in sein altes Haus hat er mich mitgenommen und mir das Zimmer seiner verstorbenen Tochter gezeigt. Immerzu hat er davon gesprochen, ich erinnere ihn an seine Tochter wie sie zu Lebzeiten war. Unbändig und voller Tatendrang sei sie gewesen, so seine Worte. Anfangs war ich geschockt über den Vergleich zu mir. Aber dann habe ich gelernt, Vincenz ist ein Mensch, der sagt, was er denkt, ohne seinen Worten noch eine nette Verpackung anzufügen.

Ich bemühe mich, meine aufkeimende Sentimentalität zu unterdrücken. Vincenz hat meinem Leben wieder eine Richtung gegeben. Mit dem Erwerb des Hauses, in dem ich mein Café in Limburg betreibe, hat mich Vincenz vor den steigenden Mietpreisen gerettet. Monat um Monat hatte ich zuvor gekämpft und immer mehr Stunden gearbeitet, um mir die Kosten für eine weitere Aushilfe zu ersparen. Meinem väterlichen Freund war nicht entgangen, wie sehr die Arbeit mich beanspruchte und mich immer müder aussehen ließ. Seitdem ich die Miete nicht mehr aufbringen muss, habe ich ein leichteres Leben. Eigentlich hat Vincenz nicht nur mir geholfen, mit dem Kauf des Hauses.

Automatisch kommt mir auch Anton Wall in den Kopf. Anton ist ein begnadeter Künstler, jedoch ein schlechter Kaufmann. So erfolgreich er seine Gemälde verkauft, das Geld in sein Haus kommt, so wachsen auch seine Wünsche und somit ist das Geld rasch wieder weg. Mit dem Künstler teile ich das Haus, so hat es Vincenz gewollt.

Kennengelernt habe ich Anton Wall, als er die alte Villa meiner Tante Lydia Lowere in Frankfurt gekauft hatte. Für Anton waren die Räume der alten Villa eine Inspiration und die dort entstandenen Gemälde sind für mich die schönsten Werke aus seinen Händen, die ich bis heute sehen konnte. Anton Wall wird es nicht leichtgefallen sein, die Villa gegen seine heutige Wohnung einzutauschen. Trotzdem wird es ihm wie mir gehen, wir sind dankbar für die Hilfe von Vincenz und der damit verbundenen Möglichkeit, eine Existenz zu haben. Wenige Tage durfte auch ich in der Villa wohnen. Frankfurt, die alte Villa, diese Eindrücke möchte ich nicht missen und mir ist bewusst, für mich wird es mein verrücktestes Abenteuer auf Erden bleiben. Einmal eintauchen in die Welt von Glamour und Glitzer, Tür an Tür mit Menschen leben, die mit Chauffeur fahren und jede Menge Personal haben. Es war ein Traum! Anton hat seine Zeit in der alten Villa ebenso genossen, wie er mir oft genug berichtet hat. Für mich ist Anton ein verrückter Mensch und wenn ich fragen würde, wie er mich sieht, die Antwort dürfte in etwa dieselbe sein. Auch wenn wir sehr unterschiedliche Charaktere sind, halten wir doch zusammen. Oft fühle ich mich wie magisch angezogen von Anton Wall. Es gibt Tage, da muss ich ihn in seinem kleinen Atelier aufsuchen. Oft sitze ich nur in der Ecke und schaue Anton zu, wie er sich in der Welt seiner Farben bewegt und malt. Wir beide lieben das Außergewöhnliche, jeder von uns auf seine Art. Begnadet sind für mich die Talente von Anton. Mit seinen Gemälden hat er schon viele Kunstinteressierte in mein Café gelockt. Ich seufze bei dem Gedanken, wie oft seine Gemälde mich schon gedanklich auf Reisen geschickt haben, sobald ich davorstand. Besonders die Portraits meiner verstorbenen Tante Lydia Lowere nehmen mich immer wieder emotional aufs Neue gefangen. Mit Lydia an meiner Seite, so bin ich mir sicher, wäre ich aufgeblüht und meine Entwicklung wäre anders verlaufen. Nur in den ersten Jahren meines Lebens durfte meine Tante Lydia auf mich aufpassen und ich ihre Nähe genießen. Meine Mutter hatte Lydia eines Tages den Umgang mit mir verboten. Traurig musste ich mich dem Willen und Handeln meiner Mutter beugen, die so ganz anders im Verhalten ist als ihre Schwester es war.

Ich habe so viel von Lydia gehört und in den Zeitschriften gelesen. Sie war schillernd und lebendig. Beim Eintauchen in ihre Welt, bei meinem ersten Besuch in der alten Villa, ich war überwältigt und fasziniert zugleich. Plötzlich war ich Lydia so nah. Sie hatte mir die Villa vererbt und was ich in ihrem Haus entdecken konnte, es war für mich eine fremde Welt, die mich jedoch magisch anzog. Meine Traurigkeit kam zum Vorschein mit der Gewissheit, dass ich nicht genügend Zeit habe mit meiner Tante verbringen dürfen. Von meiner Tante Lydia habe ich in der wenigen Zeit, die ich ihr nahe sein durfte, viel Positives gelernt. Nach ihrem Tod hat Lydia Lowere mir durch das kurzfristige Eintauchen in ihre Welt gezeigt zu leben.

Wehmütig denke ich erneut an die alte Villa in Frankfurt zurück, in der Lydia bis zum letzten Atemzug so glücklich war. Leider kam mit der Villa auch der Schuldenberg meiner Tante in mein Leben und somit war ein Ende des Abenteuers, in ihren Räumen zu leben, unabwendbar für mich.

Abenteuer gehören zum Leben, so die Worte meiner Tante Lydia, die ich heute verstehe. Viel zu wenige Menschen können sich frei bewegen und so leben, wie sie es vom Herzen her möchten. Lydia hat sich dieses Recht genommen, bei der Wahl ihrer Männer und bei der Kleidung. Auch diesbezüglich habe ich viel gelernt. Früher war ich ein richtiges Landei, eine junge Frau, die niemandem auffiel. Bequeme Leggings und lange Pullover gehörten zu mir wie zottelige Haare mit Ansatz. Puh! Wie gut zu wissen, diese Zeit liegt weit hinter mir und gehört der Vergangenheit an. Offen sagen kann ich, mit dem Erbe von Lydia kam eine große Veränderung in mein Haus. Eine Veränderung, die sich auch auf meine Freundinnen ausgewirkt hat. Viele Gespräche kreisten plötzlich um Lydia Lowere und ihre Art zu leben, und wir stellten uns Fragen, die wir zuvor nie in unseren Köpfen hatten. Ina hat am längsten gebraucht, aus ihrem Kokon zu schlüpfen, muss ich grinsend denken. Sie fühlte sich viel zu lange innerlich gefangen.

Mein Handy klingelt und holt mich aus meiner Melancholie heraus, als ich gerade vor meinem Haus ankomme. „Kannst du noch einen Nachtisch vorbereiten?“ Ina hört sich gehetzt an. „Gerade habe ich an dich gedacht“, lasse ich die Freundin wissen und steige aus meinem Auto. Eigentlich habe ich mir eine Antwort erhofft, doch Ina schweigt. „Soll ich vielleicht auch den Kartoffelsalat zubereiten?“, meine Frage lockt ein kurzes Aufstöhnen bei der Freundin hervor. „Meine Stimme, Lotte, nicht wahr? Ich klinge einmal mehr gehetzt, obgleich ich das nicht möchte.“

„Mein Angebot steht, Ina.“ Mit dem Handy am Ohr eile ich in mein Haus. Kurz höre ich die Freundin tief einatmen. „Nein, auf keinen Fall. Ich war jetzt so lange von zu Hause weg, es ist an der Zeit, einmal wieder meine Küche zu benutzen. Außerdem muss die angefallene Wäsche nicht an einem Tag gewaschen und gebügelt werden“, jetzt klingt ein Lachen durch das Telefon und ich freue mich spontan auf das Treffen am Abend, was ich auch sage. „Richtig vermisst habe ich meine Freundinnen“, fügt Ina an, bevor sie das Telefonat beendet. Im Anschluss gehe ich an mein Fenster und schaue über die Straße zu Inas Haus. Es tut mir so gut zu wissen, meine Freundin ist wieder in meiner Nähe.

An was für einen Nachtisch Ina gedacht hat, frage ich mich selbst, das habe ich leider nicht mehr von ihr erfahren. Üblicherweise gibt es Eis, doch daran kann sie nicht gedacht haben, so meine Überlegung. Eis gehört für Ina ebenso wie für mich zur Grundausstattung im Eisfach. Wie auch immer, so dramatisch finde ich es nicht, dass mir Ina keine konkrete Vorstellung mitgeteilt hat, denn mir ist spontan eine Idee in den Kopf gekommen. Lächelnd nicke ich in mich hinein. Zumindest Karin und Ina werden sich an meiner Idee erfreuen. Ob Ina noch nicht die Zeit gefunden hat, ausgiebig den Kühlschrank und ihren Eisschrank zu füllen? Wenn sie mir nur im Vorfeld eine Nachricht gesendet hätte, so gerne wäre ich für sie einkaufen gegangen. Mit Sicherheit wollte die Freundin keine Umstände machen, so ist Ina. Umso verwunderlicher ist ihr Anruf. Dem Grübeln über die Frage, wieso Ina meine Hilfe benötigt, schenke ich keine weitere Beachtung mehr. Mit einem Male ist meine Auswahl der Garderobe für den Abend wichtiger für mich.

Die neue rote Bluse muss ich heute tragen und dazu einen Minirock mit Stiefeletten. Mir schwant schon beim Anziehen, was ich von Ina hören werde. Meine liebe Freundin wird mich am Abend bestimmt mit einer kleinen Spitze empfangen. Vom Grunde her habe ich die kleinen Einwände von Ina zu meinem Verhalten schon vermisst. Mir macht es diebische Freude, mich jetzt anzuziehen, in der Gewissheit auf die Reaktion am Abend.

Wie ich mich auf den Mädelsabend freue! Richtig schön finde ich, Karin bleibt für einige Tage hier und wird bei mir übernachten. „Dresden ist wunderschön“, hat sie mir gestern noch am Telefon gesagt. „Nur“, druckste Karin herum, „ich vermisse meine Freundinnen.“ Oh, weh! Hoffentlich hängt nicht schon wieder der Haussegen schief bei Karin und Hermann Josef, so mein erster Gedanke nach diesen Worten. Die kleine Abwechslung und Auszeit von Dresden wird Karin bestimmt gefallen, davon bin ich überzeugt. In meinen Augen gibt es keine perfekte Beziehung, zumindest keine, die wie in den Märchen von früher ist, die mir vorgelesen wurden, und die alle mit einem Happy End ausgehen. Um eine Beziehung müssen Frau und Mann kämpfen. Leider, so meine Erfahrungen der letzten Jahre, haben die Herren der Schöpfung dies rasch vergessen. Mir kommt Klaus in den Kopf und ich strahle unvermittelt. Kurz frage ich mich, wird er ebenso rasch wie die anderen Männer vergessen, sich zu bemühen? Ist er in wenigen Wochen wieder raus aus meinem Leben? Klaus ist anders als die Männer, die vor ihm in mein Leben kamen. Einerseits finde ich sein Verhalten reizvoll, andererseits auch sonderbar. Seine Zurückhaltung ist ja süß aber auf Dauer nicht richtig für mich. Ob es an mir liegt, dass Klaus so zurückhaltend war? Gefalle ich ihm nicht? Diesen Gedanken verwerfe ich rasch wieder. So, wie wir uns haben kennenlernen dürfen, es muss Schicksal sein. Wir sind füreinander bestimmt! Dieser Gedanke gefällt mir schon besser und steigert meine Laune. Aufgedreht wie ein Teenager, beäuge ich mich im Spiegel. Mir gefällt, was ich sehe. Trotz, oder gerade wegen, meiner etwas rundlichen Figur steht mir das neue Outfit. Wo steht geschrieben, nur den dünnen Mädchen stehen Röcke? Ist es nicht vielmehr so, dass Männer auf Frauen stehen, die etwas mehr an Weiblichkeit mitbringen?

Meine Gedanken wandern zu Klaus und unserem ersten gemeinsamen Essen in einer Pizzeria. „Endlich mal eine Frau, die nicht nur erzählt, ich esse gerne Pizza“, diese Worte waren wie Balsam für meine Seele. Die Worte von Klaus ließen meinen Blick im Anschluss über meinen Bauch streifen, der in dem engen Shirt, das ich an diesem Abend trug, so richtig schön zur Geltung kam. Meine Röllchen, die ich spontan zählte, brachten es auf drei. Mein Verhalten war Klaus aufgefallen. „Wirklich, Lotte, mir gefällt was ich sehe“, warf er nach und steckte sich ein großes Stück Pizza mit extra viel Käse in seinen Mund. Lachend blickte ich in seine Augen. Einen Augenblick war ich erschrocken, dachte ich doch, in den Augen von Klaus ein Zucken zu bemerken. Wieso nur bin ich so unsicher und hinterfrage sein Verhalten? Zehn Tage liegen zwischen diesem Essen und dem heutigen Tag.

Unser Kennenlernen war so spektakulär, für mich ist es ein Zeichen gewesen, der Hinweis auf ein großartiges Erlebnis. Ebenso auf eine gemeinsame Zukunft. Dieses Mal werde ich die Liebe finden, die ich bis heute noch immer gesucht habe. Wie nur meine Freundinnen reagieren werden, wenn sie von den Umständen erfahren, wie ich Klaus kennenlernen durfte. Für mich ist es außergewöhnlich, dass ich den Brief von Klaus ausgerechnet in einer alten Tasche finden durfte. Insbesondere mit dem Hintergrundwissen, dass dies zu einem Zeitpunkt passierte, der so weit weg liegt von dem Tag, als Klaus den Brief verfasst hat. Vorerst scheint alles gut zu sein. Weder Klaus noch ich haben in der Zwischenzeit den Partner für das gemeinsame Leben gefunden, obgleich auch er schon lange auf der Suche ist.

Mein Blick fällt auf meine Armbanduhr. Es ist 16 Uhr und somit habe ich noch genügend Zeit, produktiv zu werden. Meine Chefredakteurin hat sich gemeldet und mir das neue Thema für die Sommerkolumnen mitgeteilt.

Frau Krautwinkel hat einen siebten Sinn für meine seelische Verfassung und sie schafft es immer wieder, mich zum Staunen zu bringen. Beschwingt eile ich die Stufen vom Schlafzimmer meines alten Hauses hinunter in die Küche. Zunächst koche ich mir einen Kaffee, die Seele soll verwöhnt werden vor der Arbeit, sage ich mir selbst. Damit ich auch wirklich entspannt an den PC gehe, gönne ich mir noch einen Schokoriegel, um den Zuckerspiegel aufrechtzuerhalten, wie ich mir selbst sage.

Liebe Lotte Wolke,

bei den Leserinnen kommt Ihre, in meinen Augen sehr eigentümliche, Art zu schreiben, erstaunlich gut an. Damit kann ich leben. Für mich sind die Verkaufszahlen ausschlaggebend und die sind kontinuierlich gut, auch dank Ihrer Kolumnen. Ihr neues Thema für die Sommerkolumnen trägt den Titel:

Die Liebe kommt oft unerwartet – auch über Nacht?

Liebe Frau Wolke, bitte denken Sie beim Schreiben auch daran, es gibt Frauen, die bei dem Thema Liebe sensibler sind als Sie! Von Ihnen erwarte ich Beiträge, in denen sich viele Leserinnen wiederfinden, nicht nur Lotte Wolke! Habe ich mich deutlich genug ausgedrückt? Eine Kollegin von Ihnen ist erkrankt und daher wünsche ich den ersten Beitrag schon für den morgigen Tag auf meinem PC.

Mit besten Grüßen Krautwinkel Chefredakteurin

Das Schreiben lese ich noch einmal durch, obgleich ich es schon am Morgen aufmerksam gelesen habe. Mein Schokoriegel tut mir gut, der Kaffee ebenfalls. Mit etwas zeitlichem Abstand kann ich in dem Auftrag auch seine gute Seite sehen. Immerhin darf ich regelmäßig meiner Leidenschaft, dem Schreiben, nachkommen. Die Tatsache, meine Beiträge werden veröffentlicht, inzwischen auch auf einem Onlineportal, finde ich super. Somit können die Leserinnen über dieses Portal zeitnah meine Zeilen lesen und viele melden sich über einen Online-Zugang bei mir und geben mir ein Feedback, noch vor der Veröffentlichung in der Zeitschrift, was ich genieße.

Wie rasch sich inzwischen die Welt dreht, wie schnell Menschen sich austauschen können. Noch vor einigen Jahren mussten meine Leserinnen auf die wöchentliche Zeitschrift warten.

Meine Gedanken wandern erneut zu Klaus. Versonnen schaue ich kurz über meinen Laptop in den Garten. Das erste Treffen und die spontane Sympathie, die mich beim ersten Blick in seine Augen gleich überfiel, kommen in meinen Kopf. Mir hat auch sehr gefallen zu sehen, Klaus treibt viel Sport und hat muskulöse Arme. Ebenso sympathisch sind mir seine schulterlangen Haare. Bei Männern habe ich dies schon immer gerne gesehen. Wieso nur ein Mann wie Klaus über diesen Weg eine Partnerin sucht? So wie er aussieht, er kann auf jeder Kirmes eine Frau finden. Beim Nachdenken kommt mir in den Sinn, dass mehr Menschen einen Partner über das Internet suchen als oftmals vermutet wird.

Ob ich am Abend meinen Freundinnen von dem Kennenlernen, den wirklich außergewöhnlichen Umständen berichten soll? Vom Grunde her weiß ich schon jetzt, ich muss und ich will reden und ich bin schon ganz nervös in Erwartung auf die Reaktionen meiner Freundinnen, wenn sie die Wahrheit erfahren haben. Meine Idee, die eigene neue Begegnung mit einem Mann, der mein Herz im Sturm erobert hat, in die Kolumne einfließen zu lassen, fängt an, Besitz von mir zu nehmen. Ich beginne zu schreiben:

Liebe Leserinnen,

mir ist eine neue Aufgabe aus der Redaktion aufgetragen worden. Wie so oft musste ich zunächst schmunzeln und war auch für einen Moment verwundert. Dann aber konnte ich der neuen Überschrift für die Sommerkolumnen etwas Positives abgewinnen. „Die Liebe kommt oft unerwartet – auch über Nacht?“ Das kennt man aus Songs, doch im wahren Leben ist das nicht so oft der Fall. So zumindest war meine Einstellung noch bis vor wenigen Tagen.

Meine Meinung habe ich geändert. Ja! Ich habe sie gefunden, die spontane Liebe, den Menschen, der über Nacht in mein Leben kam und es schlagartig veränderte. Seit diesem Moment ist er in meinem Kopf und ich muss ständig an ihn denken. In meinem Bauch spüre ich wieder die Schmetterlinge. Ein Gefühl, das ich so sehr liebe. Dieses Mal war es tatsächlich das Schicksal, das uns zusammengeführt hat. Sie werden nun denken, wie romantisch das klingt und ja, ich bin noch immer überwältigt von den Umständen. Über Umwege, so darf ich schmunzelnd berichten, bin ich dem Mann begegnet. Klaus kam in mein Leben per Zufall.

Gut, ich war, zumindest vor sehr langer Zeit, online aktiv geworden und habe den Prinzen für mein Leben mit Kontaktanzeigen gesucht, die ich ganz individuell verfasst habe. Besonders meine Kontaktanzeige mit der Überschrift Suche Mann zum Renovieren hatte für Aufsehen und viele Rückmeldungen gesorgt. Gefunden habe ich nur Frösche, so mein Resultat. Eine kurze Ausnahme für mich war die Zeit mit Franz. Ja, ich habe ihn geliebt und fest daran geglaubt, wir überstehen jeden Wind gemeinsam und schweben auf der Wolke des Glücks. Tatsache aber ist, ich bin irgendwann von der Wolke geflogen und unsanft wieder auf meinen eigenen Beinen gelandet. Wahrheitsgemäß muss ich sagen, zunächst landete ich auf dem Po und musste lernen, mich wieder auf eigenen Beinen zu bewegen.

Natürlich habe ich in meinem Herzen und in meinem Kopf noch immer schöne Erinnerungen an die gemeinsame Zeit mit Franz, leider aber auch die an den Herzschmerz. Euphorisch bin ich gerade bei dem Gedanken an die neue Begegnung. Eine neue Liebe ist wie ein neues Glück, so wird es in einem Song beschrieben. Ja! Ich spüre Energie in mir, Kraft und bin voller Tatendrang. Die Liebe wirkt beflügelnd, nicht nur auf mich. Regelrecht spüren kann ich, meine treuen Leserinnen, meine Schwestern im Herzen, Sie möchten mehr erfahren.

Bevor ich heute schon zu tiefe Einblicke in meine Seele gebe, bin ich neugierig auf Eure Zuschriften. Wie seht ihr das neue Thema und wem ist die Liebe unerwartet begegnet? Interessant für mich ist auch zu erfahren, ist es einer von euch gelungen, diese Liebe auch festzuhalten? Meine treuen Leserinnen, die mich über Jahre schon kennen, fragen sich jetzt, wieso ist Lotte heute so verschlossen, was nur ist passiert mit ihr? Sie denken, dass Lotte so zurückhaltend schreibt, nicht direkt alles in Worte fasst, was mit Klaus in Verbindung zu bringen ist, sei schon ungewohnt. Sie möchten von den schönen Umständen um unser Kennenlernen erfahren? Auch diesen Wunsch kann ich verstehen. Doch heute zeige ich mich noch verschlossen, dafür gibt es einen Grund.

Zumindest dieses Rätsel möchte ich rasch auflösen: Für den heutigen Abend hat Ina zu einem Mädelsabend eingeladen und ich möchte verhindern, dass Ina, Karin oder Petra schon online über mein Liebesleben informiert sind, bevor ich mit den Freundinnen darüber gesprochen habe. Wie eine kleine Familie sind die Mädels für mich und daher bitte ich euch, meine treuen Leserinnen, noch um etwas Geduld. Nur so viel kann ich schon andeuten, ich lasse eine kleine Bombe los! Was mir passiert ist, fällt unter die Rubrik: Schicksal. Selbst beim Schreiben muss ich die Aufregung unterdrücken, die sich noch immer in mir ausbreitet, wenn ich daran denke, wie alles anfing. Außergewöhnlich, das Wort bringt noch nicht zum Ausdruck, was ich erleben durfte.

Mein Fazit: Ich glaube an die Liebe, die unerwartet kommt und somit ist diese Kolumne wie für mich vorgesehen. Tiefe Einblicke in meine Gefühlswelt kann ich schon heute versprechen und hoffentlich darf ich von vielen schönen Momenten schreiben.

Fünf Buchstaben signalisieren eine erneute Veränderung in meinem Leben. Nein, bitte denkt nicht an Franz! Das Kapitel habe ich abgeschlossen, auch wenn ich förmlich die Reaktionen von meinen Leserinnen, die mich seit Jahren kennen, spüre und meine zu hören. „Wer an die Liebe glaubt, muss auch offen sein für den Moment und die Veränderung“, Worte meiner Tante Lydia Lowere, die ich für die Wahrheit halte, noch heute!

In meinem Herzen lodert wieder das Feuer!

Im Geiste umarme ich euch und freue mich auf zahlreiche Rückmeldungen und Anregungen zum Leben und zu dem wunderschönen Thema: Die Liebe kommt oft unerwartet – auch über Nacht?

Eure Lotte

Ina

Meine Weltreise war traumhaft schön. Die vielen Eindrücke, die ich gewinnen konnte, sind eine Bereicherung für mich. Meinem Freund Johann bin ich auch wieder nähergekommen, in jeder Hinsicht. Endlich kann ich mich einem Mann gegenüber öffnen, bin selbstbewusster und mit mir und meinem Körper im Reinen. Glücklich bin ich über die Tatsache, Johann hat mir meine Zeit zum Öffnen gelassen. Er ist ein Partner, der an meine Seite passt.

Versonnen schaue ich mir noch einmal den Tisch an, den ich bereits eingedeckt habe. Mir scheint, ich habe an alles gedacht. In Gedanken gehe ich noch die nächsten Handgriffe durch, die ich erledigen muss, bis meine Freundinnen eintreffen. Geschäftstüchtig nehme ich den Kartoffelsalat aus dem Kühlschrank, kurz haftet mein Blick auf dem kühlgestellten Prosecco. Drei Flaschen, das dürfte ausreichen. Zufrieden lege ich die Bockwürstchen in einen Topf mit Wasser. Noch einmal blicke ich über den bereits gedeckten Tisch. Die Servietten mit dem hübschen Muster stechen mir ins Auge. Diese habe ich im Urlaub gekauft. Zufrieden drehe ich mich um und suche mein Schlafzimmer auf, um mich umzuziehen.

„Ina?“ In meine Überlegungen, was ich für den Mädelsabend anziehe, höre ich die Stimme von Johann. „Ich gehe zum Abendessen zu meinem Vater und Rosalinde“, steht Johann vor mir, als ich gerade ausgezogen bin. Lächelnd sehe ich ihn an. „Nimmst du Wolfi mit?“ Mein kleiner Sohn ist ganz vernarrt in Rosalinde und in Vincenz, den Vater von Johann. „Mache ich nicht immer alles, was du dir wünschst? Für mich kannst du so nackt bleiben.“ Johann sieht mich schelmisch an. „Ich liebe dich“, gehe ich auf den Mann zu, dem mein Herz gehört, umarme ihn und spüre in diesem Moment die Erregung meines Freundes. „Wie lange werden deine Mädels bleiben?“, höre ich seine Worte, die leise in mein Ohr dringen.

Kichernd schiebe ich ihn ein Stück von mir. „Nimmersatt!“, werfe ich ihm lachend entgegen. „So ein böses Mädchen, schickt mich aus dem Haus“, albert Johann und packt zeitgleich die Tasche mit Wolfis Utensilien zusammen. Grinsend bleibe ich in seiner Nähe, obgleich ich mich sputen muss. Mein Outfit ist noch nicht ausgewählt. Meine neuerliche Gelassenheit bekommt mir gut, wie ich selbst erkennen kann. „Küss mich!“, ziehe ich Johann noch einmal zu mir. „Soll ich anrufen, wenn die Mädels sich davongeschlichen haben?“ Sehnsüchtig blicke ich zu ihm. Johann grinst. „Nur gut, dass ich bei meinem Vater willkommen bin“, betont lustig verlässt er wenig später mit Wolfi auf dem Arm unser Haus. Wie gut es mir in meiner Beziehung geht, denke ich zufrieden und mit einem Male weiß ich, was ich heute Abend tragen werde. Mein neues Kleid, das ich mir auf der Reise gekauft habe, ziehe ich über. Ein Blick in den Spiegel zeigt mir, ich sehe gut aus, für meine Verhältnisse sogar sexy.

Zurück in der Küche stelle ich das Wasser für die Bockwürstchen an. Ohne dieses Ritual zur Vorbereitung würde mir etwas fehlen für unser Abendessen beim Mädelsabend. Bis auf Petra stoße ich mit diesem Essen immer auf Zuspruch. Rasch fange ich an, für die Freundin etwas vorzubereiten, damit auch Petra zufrieden ist. Petra, so denke ich, hat sicherlich monatlich nur die Hälfte an Ausgaben für Lebensmittel wie ich.

Beim Nachtisch habe ich die Verantwortung an Lotte abgetreten. Obwohl, bisher waren wir immer mit Eis und Sahne zufrieden, ich ärgere mich nun, das nicht bedacht zu haben. Unser Lieblingsessen ist nicht als kalorienarm oder gesund einzustufen, doch wir mögen es so. Um ehrlich zu sein, mir ist ein Stück Fleischwurst lieber als Radieschen. In dem Zusammenhang denke ich erneut an Petra. So schlank wie Petra möchte ich nicht einmal sein. Nur, das stimmt leider auch, die Rollen an meinem Bauch werden größer und hartnäckiger. Johann hat vor wenigen Tagen „Specki“, gesagt, als ich aus der Dusche kam. Zunächst war ich geschockt, doch dann hat er mir ein Handtuch gereicht und mich sanft abgetrocknet. Beim anschließenden Sex hat mir nichts gefehlt und soweit ich mich erinnere, war Johann sehr glücklich in meinen Armen geworden. Ob Petra wirklich so viel Freude an Tomaten, Gurken und grünen Salatblättern findet? Egal, sie wird sich an ihrem Salat erfreuen und Lotte und Karin an den Bockwürstchen und meinem Kartoffelsalat.

Ein Blick in den Flurspiegel lässt mich strahlen. Mein Outfit gefällt mir und ich bin neugierig auf die Reaktion der Freundinnen. Noch immer denke ich, es ist gewagt, so ein kurzes Kleid zu tragen, dann aber denke ich an die Worte der Verkäuferin. „Mit siebzig werden Sie gewiss dieses Kleid nicht mehr tragen und die ewige Jungend ist niemandem vergönnt. Was Sie jetzt verpassen, ist womöglich niemals mehr nachzuholen. Momente sind da, um diese zu genießen, so oft wir können.“ In diesem Augenblick war Lydia Lowere in meinem Kopf. Diese Frau war mir zunächst so fremd in ihrem Verhalten. Alles, was ich nach dem Tod von Lottes Tante über ihr Leben erfahren durfte, es hat mich zunächst geschockt. Heute denke ich anders über Lydia Lowere und sehe in ihr die Frau, die stark genug war, so zu leben, wie es für sie richtig erschien. Heute sehe ich ein, diese Frau hat, zumindest ansatzweise, viel Weisheit besessen und Selbstbewusstsein. Noch einmal drehe ich mich vor dem Spiegel, schwelge in der Erinnerung an Lydia Lowere und finde, so wie ich heute aussehe, sie wäre begeistert von mir. In meine Überlegungen höre ich die Klingel meiner Haustüre.

Als Erste steht Karin vor mir, mit einer Reisetasche in der Linken. „Hat dich niemand am ICE-Bahnhof abgeholt?“, mein Blick wandert beim Öffnen der Tür in den Garten. Keine Spur von Lotte oder Petra ist zu sehen. „Petra hat mich abgeholt, sie ist gerade noch zu Lotte gelaufen, um ihr ein Buch zu bringen.“ Karin umarmt mich lieb und kommt ins Haus. „Ein Kochbuch“, fügt Karin grinsend nach. „Lotte soll, zumindest was die Ansicht von Petra betrifft, gesünder leben.“

„Als ob Lotte sich darum kümmern würde“, nehme ich Karin die Strickjacke ab. „In den nächsten Tagen werde ich bei Lotte übernachten und, das habe ich schon Petra versprochen, etwas auf Lottes Essgewohnheiten schauen.“

Mir kommt spontan der fremde Wagen in den Kopf, den ich bei Lotte vor dem Haus gesehen habe. Leider hatte ich noch keine Zeit Sie darauf anzusprechen. „Ja, dann hoffe ich einmal, unsere Freundin hat auch Zeit für dich eingeplant.“ Meine Worte irritieren Karin für einen Moment. „Muss ich deine Bemerkung verstehen?“ Kurz zögere ich, überlege, ob es richtig ist, Karin zu ängstigen und eventuell voreilige Schlüsse zu dem Wagen und einem neuen Freund von Lotte zu ziehen. Das Klingeln an der Tür erlöst mich aus der prekären Situation.

„Gut seht ihr aus!“ Meine Worte spiegeln das wider, was ich gerade denke. „Sexy Outfit“, lobe ich Lotte, die mich verwundert ansieht. „Oh, ja, danke“, stottert sie verlegen. Dann mustert sie mich „Du trägst kniefrei? Ina? Meine Freundin ist kaum wiederzuerkennen“, fügt Lotte nach. Sichtlich erstaunt betrachtet sie mich noch einmal genauer. „Grandios, Ina! Du siehst um Jahre jünger aus. Ich dachte schon, heute bekomme ich einen Seitenhieb zu meinem kurzen Rock“, lautes Lachen folgt Lottes Worten. Petra legt mir zwei Flaschen Prosecco in die Hände. „Ina hat sich zu einem hübschen Schwan gewandelt.“ Meine Wangen glühen auf dem Weg in meine Küche. Ja, es stimmt, ich habe mich in den letzten Monaten verändert, sehr, um es auf den Punkt zu bringen. „Meine Liebe zu Johann hat mich innerlich befreit. Heute denke ich, noch vor einem Jahr habe ich in einem Kokon gesteckt und mir wenig zugetraut. Heute will ich das Leben spüren und ich habe ab und an Angst vor dem Tod.“ „Bitte!“, Karin eilt zum Kühlschrank und holt eine gekühlte Flasche Prosecco zum Vorschein. „Keine traurigen Themen, zumindest nicht ohne triftigen Grund, Mädels!“ „Karin hat Recht. Wir sollten uns den heutigen Abend mit schönen Themen versüßen und dazu passt meine Neuigkeit!“ Lottes Worte lassen uns kurz innehalten. „Darf ich noch die Gläser füllen?“ Meine Frage wird nur mit einem Nicken von Petra beantwortet. „Neuigkeiten, sehr schön! Hoffentlich nur gute!“ Karin wirkt amüsiert und ich denke, Lotte will uns von dem neuen Freund erzählen. Mal sehen, was Karin zu der Aussicht sagen wird, gemeinsam mit dem Unbekannten in Lottes Haus zu schlafen. Karin spürt, dass ich kurz nachdenke und übernimmt selbstverständlich meine Rolle als Gastgeberin. Schweigend nehme ich anschließend ein Glas von Karin entgegen.

„Prost!“, fordert Lotte uns auf zu trinken. Ich ahne schon, jetzt kommt die neue Liebesgeschichte von Lotte auf den Tisch. „Hat der Wagen, den ich vor deinem Haus habe stehen sehen, damit zu tun? Wenn ich nicht so mit Wäschewaschen, Bügeln und Einkaufen von Lebensmitteln beschäftigt gewesen wäre, ich hätte schon bei dir geklingelt.“ Karin und Petra haben meine Worte nicht aufgenommen, sie sind in ein Gespräch vertieft. Lotte verdreht ihre Augen. „So, so, das ist dir also aufgefallen?“ Ohne auf meine Antwort zu warten, geht sie zu dem Esstisch. Petra und Karin haben ebenso den Tisch angesteuert und daher tue ich es den Freundinnen gleich.