Prinz gesucht - Frosch geküsst - Manuela Lewentz - E-Book

Prinz gesucht - Frosch geküsst E-Book

Manuela Lewentz

4,9

Beschreibung

Die neue Recherche für Lottes vierteljährliche Kolumne soll nur ein Job sein, doch dann gerät Lottes Leben mal wieder so richtig durcheinander. Das Thema Rund um die ideale Beziehung wirbelt in ihrem eigenen Leben so einiges durcheinander. Immerhin die letzten Monate war Lotte im siebten Himmel. Der Aufenthalt auf Wolke 7 war jedoch zeitlich begrenzt. Der Alltag mit seinen Tücken und nervenden Wahrheiten kam zu rasch. Nur, so fragt sich Lotte inzwischen, wieso verwandeln sich einige Prinzen nach dem Küssen zu einem Frosch, den man lieber nicht mehr küsst und mit in sein Bettchen nimmt? Nur gut, dass Karin und Ina in der Nähe weilen und gemeinsam mit Petra stets für die nötige Abwechslung in Lottes Leben sorgen. Die lange vermissten Mädelsabende mit Sekt und Chips als Ausgleich zu fehlendem Sex zu sehen, fällt Lotte trotzdem schwer. Dann steht plötzlich dieser Wagen vor Lottes Gartentür und mit dessen Fahrer kommt Unruhe ins Haus. Liebesabenteuer sind nicht ausgeschlossen. Ein lustiger Roman, der der Wahrheit sehr nahekommt.

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Die neue Recherche für Lottes

vierteljährliche Kolumne soll nur ein

Job sein, doch dann gerät Lottes Leben

mal wieder so richtig durcheinander.

Das Thema Rund um die ideale

Beziehung wirbelt in ihrem eigenen

Leben so einiges durcheinander.

Immerhin die letzten Monate war Lotte

im siebten Himmel. Der Aufenthalt auf

Wolke 7 war jedoch zeitlich begrenzt.

Der Alltag mit seinen Tücken und

nervenden Wahrheiten kam zu rasch.

Nur, so fragt sich Lotte inzwischen,

wieso verwandeln sich einige Prinzen

nach dem Küssen zu einem Frosch, den

man lieber nicht mehr küsst und mit in

sein Bettchen nimmt?

Nur gut, dass Karin und Ina in der Nähe

weilen und gemeinsam mit Petra stets

für die nötige Abwechslung in Lottes

Leben sorgen. Die lange vermissten

Mädelsabende mit Sekt und Chips als

Ausgleich zu fehlendem Sex zu sehen,

fällt Lotte trotzdem schwer.

Dann steht plötzlich dieser Wagen vor

Lottes Gartentür und mit dessen Fahrer

kommt Unruhe ins Haus.

Liebesabenteuer sind nicht

ausgeschlossen.

Ein lustiger Roman, der der Wahrheit

sehr nahekommt.

Inhaltsverzeichnis

Lotte

Der nächste Morgen

20 Uhr

Der nächste Morgen

Petra

Wenige Tage später

Lotte

Der nächste Morgen

Petra

Marc

Lotte

Petra

Der nächste Freitag

Andreas

Ina

20 Uhr

Lotte

Franz

Petra

Marc

Andreas

Petra

Lotte

Karin

Marc

Petra

Franz

3 Wochen später: Lotte

Ina

6.40 Uhr

19 Uhr

Petra

Lotte

Eine Stunde später

Der nächste Morgen

Andreas

Ina

Lotte: Ein paar Tage später

Karin

Der nächste Tag

Marc

Freitag: Ina

Lotte

Der nächste Morgen

Andreas

Franz

Der nächste Freitag: Lotte

Ina

Samstagmorgen

Neun Wochen später: Lotte

Am Abend

Lotte

Seitdem ich Franz über meine Kontaktanzeige kennenlernen durfte, ist mein Leben um prickelnden Sex, gutes Essen und einen begnadeten Handwerker reicher geworden. Seit einigen Monaten treffe ich Franz regelmäßig, wir verbringen jedes Wochenende zusammen in meinem alten Haus. Leider hat die schöne Fassade inzwischen Risse bekommen, meine kleine heile Welt ist auf den Kopf gestellt.

Die Chefredakteurin von Frau im besten Alter, der Zeitschrift, für die ich vierteljährlich eine Kolumne schreiben darf, hat mich vor eine neue Herausforderung gestellt. Ich soll eine Kolumne zum Thema Die ideale Beziehung schreiben.

Meine erste Reaktion wirft starke Zweifel auf, ob ich die geeignete Autorin für diese Kolumne bin. Minuten verbringe ich grübelnd über meinem Laptop mit dem Versuch, mich in das Thema reinzudenken. Ich gehe gedanklich jedes Paar durch, das ich kenne, immer auf der Suche nach dem idealen Paar, dem beziehungstechnischen Vorzeigepaar, in meinem Umfeld. Zu einem wirklich guten Beispiel finde ich nicht. Den Auftrag einfach ablehnen kommt aber schon aus rein finanzieller Sicht nicht in Frage. Meine Rechnungen stapeln sich bereits wieder auf dem Küchentisch und mein Konto ist zum Ende eines Monats immer im Minus. Komme was wolle, ich werde diese Kolumne schreiben. Zum Glück habe ich noch andere Zeitschriften, für die ich ebenfalls regelmäßig schreibe, trotzdem kann und will ich nicht auf diese Einnahmequelle verzichten.

Kurz finde ich Gefallen bei dem Gedanken, dass ich einfach ein wenig von meiner Erfahrung mit Männern, die mir begegnet sind, mit meiner grenzenlosen Fantasie mische. Der Gedanke fängt an mir zu gefallen, zumal in meinem Leben doch gerade alles läuft. Wie schnell sich allerdings diese Ansicht und der Status meiner Beziehung ändern kann, weiß ich seit meinem Treffen mit Ina.

Am Morgen habe ich mich noch auf das Treffen mit meiner Freundin gefreut. Doch kaum, dass Ina in meiner Küche sitzt, weiß ich, gleich kommt mal wieder eine ihrer Ansprachen. Ich kann meiner Freundin förmlich ansehen, sie will mir einmal wieder gutgemeinte Ratschläge für mein Leben erteilen. Ina fühlt sich, zu meinem Leidwesen, dazu berufen, mich immer wieder in meinem Verhalten korrigieren zu müssen. Heute ist der Status meiner Beziehung zu Franz das Thema, das Ina am Herzen und auf der Zunge liegt.

„Halte deine Augen mal auf!“, blickt sie mich bekümmert an. Ich weiß erst nicht, worauf Ina hinauswill. Dann meint sie, ich führe eine sonderbare Beziehung. Es sei nicht normal, sich nur am Wochenende zu sehen.

„Mir geht es gut, Ina. Ich liebe mein Leben. Nicht alles läuft perfekt, aber ich bin zufrieden.“ Meine aufkeimende Unruhe versuche ich zu verbergen, nippe betont gelassen an meinem Kaffee.

„Wieso trefft ihr euch nur bei dir zu Hause, Lotte?“, hakt Ina nun weiter nach. Sie lehnt sich vor, späht mir skeptisch ins Gesicht. Später will sie noch wissen, ob ich schon einmal Freunde von Franz getroffen habe.

„Es gab noch keine Gelegenheit“, ist meine ehrliche Antwort. Mit der Selbstverständlichkeit, wie diese Worte über meine Lippen kommen, scheint sich parallel in meinem Kopf ein Schalter zu bewegen. Kaum sind meine Worte ausgesprochen, spüre ich in meinem Bauch eine unbestimmte Unruhe aufkommen, die sich jetzt nicht mehr verbergen lässt. Und ich frage mich: Führt Franz ein Doppelleben? Hat er ein Geheimnis? Eine dunkle Seite, die er vor mir verstecken möchte?

Ina hat es geschafft, mein grenzenloses Vertrauen in Franz zum Wanken zu bringen. In diesem Augenblick fange ich an, misstrauisch zu werden. Gedanken, die ich zuvor nie in meinem Kopf hatte, die mir nicht einmal in den Sinn gekommen waren, bringen mich nun zum Grübeln. Ich beschließe daher etwas zu ändern. Mit einem Mal erscheint es mir wichtig zu wissen, was Franz unter der Woche macht, mit wem er sich trifft, wie er lebt usw. Auch von seinem Beruf weiß ich bisher wenig. Diese Tatsache lässt mich nun zweifeln, besonders an meinem Menschenverstand. Liebe macht blind, dieser Spruch fällt mir spontan ein.

Von allen diesen, für mich gerade neuen, Gedanken, berichte ich Ina sogleich. „Die Tatsache“, so Ina zufrieden und mit einem milden Lächeln, „dass ich dich zum Nachdenken animieren kann, macht mich froh! Es wird Zeit, Lotte, dass du erwachsen wirst.“ Die letzten Worte darf ich mir zum wiederholten Male anhören. Entnervt lehne ich mich im Stuhl zurück, freue mich, als Ina sagt, sie müsse ihren Sohn Wolfi bei ihrer Mutter abholen.

Nach dem Treffen mit Ina, finde ich meine neuen Fragen in puncto Franz absurd, komme erneut ins Schwanken. Plötzlich empfinde ich meine Freundin als zu pessimistisch. Die eingehende SMS von Franz am frühen Abend katapultiert mich geradewegs auf Wolke 7.

„Liebste Lotte! Du bist mein großes Glück. Meine Sehnsucht ist grenzenlos nach dir, dein Franz.“

Zufrieden setze ich mich in meinen Garten. Mein Vorhaben, jetzt noch eine Weile an der Kolumne zu arbeiten, scheitert an meiner mangelnden Konzentrationsfähigkeit. Meine Gedanken gehen ungewollt auf Wanderschaft. Inas Worte tanzen in meinem Kopf herum und mit ihnen kommt die Unruhe zurück. Anstatt zu schreiben, fange ich an, über meine Beziehung zu Franz nachzudenken. Der Eingang einer weiteren SMS gegen 22 Uhr lässt mich ruhiger werden. Nach dem Lesen der Worte, die Franz mir gesendet hat, fühle ich mich besser, endlich kann ich wieder lächeln, fühle mich entspannter.

„Liebes, meine Gedanken kreisen nur um dich. Alles, was mit Liebe zu bezeichnen ist, hängt mit dir zusammen. Love.“

Franz kann sehr schön schreiben, damit hatte er mich von Anfang an gefesselt. Und nicht nur damit, grinse ich versonnen über den Laptop hinaus in meinen Garten. Eine halbe Stunde später gelingt es mir, die ersten Zeilen für die neue Kolumne zu schreiben. Richtig in Fluss komme ich nicht, bin aber trotzdem froh, einen Anfang zu haben.

Der nächste Morgen

Karins Anruf kommt, als ich es mir gerade mit einer Tasse Kaffee in meinem Garten gemütlich mache. „Hast du Lust auf einen Mädelsabend?“, ihre Stimme klingt gelöst.

„Heute ist Freitag!“, erinnere ich sie mit fester Stimme. Hörbar nehme ich ihr Schnaufen war. „Oh, freitags ist unsere Lotte ja inzwischen nur noch für Franz reserviert“, kommt rasch und zynisch ihre Antwort. „Bitte, kein Streit! Du weißt doch, wie wichtig mir die Wochenenden mit Franz sind. Es ist nicht böse gemeint.“

Einen kurzen Moment höre ich nichts. Karin scheint zu überlegen. „Ich kann auch jetzt zu dir kommen“, lenkt Karin ein, ihre Stimme ist wieder weicher. „Bis zum Nachmittag muss ich schreiben und dann …“, weiter lässt Karin mich nicht reden. „Na, dann. Wir sehen uns, wenn dein Kalender mal wieder eine Lücke aufweist. Oder du dich erinnerst, auch noch Freundinnen zu haben!“

Mir scheint, sie fühlt sich jämmerlich zurückgewiesen. So ganz unrecht hat Karin nicht, stelle ich nach dem Telefonat fest, was mich wiederum betrübt. Früher gab es für mich nichts Schöneres, als mit Ina oder Karin, gerne auch mit beiden gemeinsam, zu klönen. Als Petra hinzukam, musste ich mich zunächst an ihre eigene Art, das Leben zu meistern, gewöhnen. Inzwischen habe ich auch sie in mein Herz geschlossen. Petra ist die Einzige, die nie meckert und an keinem Freitag versucht, mich von dem Treffen mit Franz abzubringen. Verständnisvoll akzeptiert sie, dass ich von Freitag bis Sonntag nur noch für Franz Zeit haben möchte. Ganz anders sind Ina und Karin.

Das kurze Telefonat mit Karin hat mir nicht gutgetan, erneut erinnere ich mich an die Worte von Ina. Nervös fingere ich mein Handy hervor und schreibe Franz. Die Worte sprudeln nur so aus mir heraus, ganz spontan und ohne wirklich nachzudenken. Als ich auf Senden drücke, wird mir mulmig. Doch dafür ist es jetzt viel zu spät! Mist, verdammt! Ich kann mir vorstellen, dass Franz meine Fragen nicht mag. Ich lese mir die an Franz gesendete Nachricht noch einmal vor:

„Hallo Franz! Meine Seele brennt vor Fragen, die ich beantwortet wissen will. Wieso können wir uns immer nur am Wochenende sehen? Was genau machst du unter der Woche? Meine Bemühungen dich telefonisch zu erreichen, waren stets fruchtlos. Irgendwann habe ich aufgehört, dich unter der Woche anzurufen, gab mich mit deinen wohlgemeinten SMS zufrieden, habe dein Verhalten akzeptiert und geschwiegen. Weder deine Freunde, noch deine Wohnung hast du mir je gezeigt. Ich möchte mehr Halt in meiner Beziehung. Eine gemeinsame Zukunft kann ich so nicht aufbauen. Meine Freundinnen habe ich dir doch auch vorgestellt. Dein Verhalten finde ich befremdend.“

Ohne liebe Grüße oder Küsschen habe ich meine spontanen Gedanken auf die Reise geschickt. Es ist zum Verrücktwerden! Genau in dem Moment, als ich die Nachricht versendet habe, fühle ich ein Stechen in meinem Bauch, innere Unruhe breitet sich aus. Zunehmend komme ich zu der Erkenntnis, einen Fehler gemacht zu haben.

Ob nur Ina und Karin mich aufgestachelt haben, überlege ich. Vielleicht habe ich es längst geahnt und selbst die Fragen bisher nur verdrängt? Meine Wut schwankt zwischen Franz und meinen Freundinnen hin und her. Der Versuch, an meiner Kolumne weiterzuschreiben, scheitert einmal wieder. Ärgerlich denke ich daran, dass ich Karin abgesagt habe und nun wahrscheinlich keine einzige Zeile mehr schreiben werde. Umso länger ich auf eine Antwort von Franz warten muss, umso verzweifelter werde ich.

Um mich abzulenken, ergreife ich die Gartenhandschuhe und rücke dem Unkraut zu Leibe, suche so etwas Ablenkung. Mein Handy trage ich in meiner Hosentasche bei mir, natürlich will ich die Antwort von Franz nicht verpassen. Immer wieder luge ich auf mein Handy, stecke es enttäuscht zurück. Zwei Stunden lässt sich Franz Zeit mit seiner Antwort.

Als ich den Ton für den Eingang einer neuerlichen SMS höre, fällt meine kleine Hacke sogleich auf die Erde. Was, so frage ich mich, werde ich nun lesen dürfen? Ob Franz jetzt ruppig antwortet? Unter Umständen unser Wochenende absagt? Das möchte ich auf keinen Fall. Jetzt glaube ich zu ahnen, allein die Worte meiner Freundinnen haben mich aufgestachelt und verunsichert. Ich verfluche innerlich die beiden und bin wütend auf mich, weil ich mich soweit habe treiben lassen.

Mit gemischten Gefühlen, ängstlich in der Erwartung von Franz‘ Reaktion, zücke ich mein Handy und öffne die SMS. Ich atme noch einmal tief durch, bevor ich die Nachricht lese:

„Liebste Lotte, meine Hand ist immer offen, ebenso mein Herz. Schau in meine Augen, sie spiegeln meine Seele wider. Du musst nur richtig hinsehen und meine Worte mit offenen Ohren aufnehmen, dann wird alles gut. Ich brauche meine Freiheit. Fange bitte nicht an mich einzuengen, das geht nicht gut!

Deinem Wunsch, mehr Einblicke in mein Leben zu erhalten, möchte ich folgen, hoffe jedoch, du willst nicht ganz von mir und meinem Leben Besitz ergreifen. Freunde von mir feiern heute. Wenn es dir so sehr am Herzen liegt, dann treffen wir uns dort. Komm um 20 Uhr in die Gerberstraße 11 nach Lahnstein, dann kannst du meine Freunde kennenlernen, dein Franz.“

Wow! Der Mann kann mich verzaubern. Innerhalb von Sekunden bin ich ein anderer Mensch. Franz hat liebevoll reagiert und jetzt will er mir seine Freunde vorstellen. Ich bin verzückt. Am liebsten möchte ich Ina und Karin anrufen, ihnen sagen, sie haben sich in Franz getäuscht und berichten, wie wundervoll und herzlich er auf meine pampige Anspielung reagiert hat. Ich bin aufgeregt, bin happy und hege das Gefühl, in Franz doch endlich den Mann fürs Leben gefunden zu haben. Mit diesem neuen Gefühl setze ich mich wieder an die Kolumne und ich bringe in den nächsten Stunden doch noch einige ganz anständige Zeilen auf das virtuelle Papier in meinem Laptop. So bemerke ich nicht, wie schnell der Nachmittag in den frühen Abend übergeht.

Ein rascher Blick auf meine Armbanduhr zeigt mir, viel Zeit bleibt nun nicht mehr, um mich für das Treffen mit Franz herzurichten. Ob ich mich noch umziehen soll? Ich blicke an mir herunter, begutachte mein Outfit. Nach kurzer Überlegung komme ich zu dem Ergebnis, für ein Treffen unter Freunden sollte ich gut genug aussehen. Wenn Franz am Wochenende zu mir kommt, ich muss lächeln bei diesem Gedanken, fallen meine Kleider schneller auf den Boden, als ich sie am Morgen anziehen konnte. Wir lieben es natürlich, ländlich und bequem. Obgleich, mir fällt ein, dass Franz oft mit einem Jackett zu mir kommt. Ich habe auch schon darüber gelacht, ihm gesagt, hier in meinem kleinen Dorf reichen ein Shirt, ein Pulli und eine Jeans. Sein anschließendes Kopfschütteln kommt mir in den Sinn, jedoch glaube ich zu ahnen, es war seine Art, sich über mich lustig zu machen. Eben eine liebevolle Geste. Meinen Ausgeh-Beutel ziehe ich von der Kommode im Flur, der Batikstoff bringt mich zum Lächeln.

Ich mag alles Unkomplizierte, Verrückte, mische Farben, die kein anderer Mensch zusammenstellen würde. Ich bin einzigartig, so meine Überzeugung. So gut gelaunt, aufgedreht und von der SMS emotional geputscht, mache ich mich auf den Weg nach Lahnstein.

Im Radio kommen Songs, die mir bekannt sind, glücklich singe ich mit.

20 Uhr

Gerade noch pünktlich biege ich in die Zielstraße ein, entdecke auch sogleich das Haus mit der Nummer 11. Es ist hell erleuchtet. Meine Vorfreude wächst mit jeder Minute. Gleich lerne ich die Freunde von Franz kennen. Ich gehöre endlich ganz in sein Leben. Mit der Suche nach einem Parkplatz tue ich mich schwer. Erneut verliere ich wertvolle Minuten, kann dies aber nicht ändern. Erst gegen zwanzig nach acht stehe ich vor der Tür, an der ich klingeln soll, was mir unangenehm ist. Franz hat sicherlich schon gewartet.

Musik und lautes Lachen klingen an meine Ohren. Hier findet eine Party statt, was mich erfreut. Auf einen langweiligen Abend mit ernsthaften Gesprächen habe ich keine Lust. Mein erster Versuch, in das Haus zu kommen, scheitert. Niemand hat anscheinend die Klingel gehört. Beim zweiten Klingeln erscheint eine blonde Frau an der Tür. Sie ist teuer gekleidet und sieht sehr gut aus, was mir gleich auffällt. „Wir haben doch erst letzte Woche gespendet“, blickt sie mich von oben bis unten an, schlägt dann die Tür wieder zu. Ich bin verwirrt. Was ist das nur für eine schräge Person, frage ich mich, fange aber an zu lachen und glaube noch, es sei einfach nur ein Irrtum. Das nächste Klingeln wird auch erhört. Franz öffnet, ich strahle ihn an, breite meine Arme aus, in Erwartung auf einen zärtlichen Begrüßungskuss, stattdessen hagelt es böse Worte: „Lotte! Du bist unmöglich! Willst du mich blamieren? Vor meinen Freunden und Arbeitskollegen? Wie du nur aussiehst! Ich schäme mich für dich. Besser, du verschwindest gleich wieder.“

Franz wehrt meine Versuche, ihn zu umarmen, ab. Seine Augen zeigen Zorn, von Liebe ist dort keine Spur. Sekunden bin ich nicht in der Lage zu reagieren, starre den Menschen nur an, den ich doch so sehr liebe. Ich will nicht wahrhaben und kann nicht glauben, was ich gerade hören durfte. „Geh bitte!“, fällt die Tür ins Schloss.

Tränen steigen in mir auf. Ohne dass ich es will, weine ich, meine Nase schnieft, ich wische mit dem Arm alles weg. Das ist nicht gerade damenhaft, aber ich fühle mich in diesem Moment so mickrig, so klein, da scheint es auf einen weiteren Fehltritt nicht anzukommen. Wer sollte mich hier auch sehen?

Tickt Franz noch richtig? Diese Frage stelle ich mir selbst. Was wird hier gespielt? Erst die komische Andeutung der blonden Frau und jetzt verhält sich Franz so abweisend mir gegenüber. Immer noch stehe ich vor der Tür, meine Hand wandert noch einmal zu dem Klingelknopf, den ich wie betäubt auch betätige. Wieder öffnet Franz die Tür. „Du solltest jetzt verschwinden!“, zischt er gleich los. „Ich bin extra gleich losgefahren, nachdem ich auf die Uhr gesehen und bemerkt habe, es wird Zeit“, stammele ich. „Du hättest dir ruhig die Zeit nehmen sollen, um ins Badezimmer zu gehen. Lotte! Deine Hände!“, theatralisch reißt er sie hoch. Ich kann deutlich meine schmutzigen Fingernägel erkennen. Ich erschrecke und entziehe sie ihm sofort wieder. „Gartenarbeit“, schluchze ich. Franz schüttelt verächtlich seinen Kopf. Das laute Lachen, das ich anschließend hören darf, kommt von einem mir unbekannten Mann, der nun hinter Franz aufgetaucht ist. „Wer ist die Vogelscheuche?“, japst er vergnügt, „Hast du die angeschleppt?“ Das Lachen klingt erneut hohl in meinen Ohren. Franz sieht mich noch immer mit einer Kälte in den Augen an, die ich so noch nie bei ihm gesehen habe. Mir reicht es, ich drehe mich um und eile davon. Meine Hoffnung, Franz würde mich daran hindern, mir nachrufen oder gar nacheilen, ist umsonst.

Im Auto kommt mir meine Kolumne wieder in den Sinn. Ich lache laut auf, allerdings mehr aus Verzweiflung. Die ideale Beziehung, so glaube ich zu wissen, gibt es nicht. Wie, so überlege ich, kann es sein, dass Liebe in weniger als zehn Minuten zu Eis erfriert? Erst lädt er mich ein, geht auf meinen Wunsch ein, seine Freunde zu treffen, um sich dann über mein Outfit zu beklagen. Jeden Freitag sieht er mich so. Bisher hat er nicht den Eindruck hinterlassen, keine Freude an mir zu finden.

Ich kann den ganzen Stress um die richtige Kleidung nicht nachvollziehen. Das Püppchen-Gehabe einiger Frauen um ihre Kleider, Schuhe und Handtaschen hat mir schon immer Kopfschütteln bereitet. Für mich gibt es wichtigere Dinge, um mein Leben zu gestalten und meine Zeit zu verbringen. Genau von dieser Einstellung war ich überzeugt, habe sie immer wieder bei Treffen mit meinen Freundinnen runtergebetet. Besonders Petra, selbst immer sehr auf ihr Äußeres bedacht, dürfte inzwischen meine Worte auswendig kennen.

„Frauen, die es nötig haben durch Farbklekse im Gesicht oder überstylte Kleidung auf sich aufmerksam zu machen, sind in meinen Augen arme Kreaturen“, um nur eine meiner Bemerkungen einmal aufzulisten.

Eine giftige Bemerkung kam nie von Petra zurück, was mir erst jetzt auffällt. Petra passt nämlich genau in die Kategorie Püppchen-Frau. Sie hat eine Traumfigur, Haut wie Seide, Lippen, die füllig sind ohne Hyaluron, Augen, die strahlen und ein Lachen, das immer ansteckt. Nicht zu vergessen, ihre Art sich zu kleiden. Auch wenn mir weite Strickpullis und Leggings am Herzen liegen, so muss ich doch zugeben, Petra sieht in ihren Kleidern, den modernen Mini-Röcken, den engen Jeans und ebenso in dem perfekt sitzenden Anzug immer wunderschön aus. Mir ist der Aufwand für dieses Ergebnis zu hoch. „Warum sich so verbiegen? Männer tun das doch auch nicht für uns“, habe ich noch vor wenigen Tagen zu ihr gesagt. Petra hatte sanft gelächelt, wie so oft auf meine Worte. „Vom Grunde möchte ich einen Mann, der zuhört, wenn ich rede, der in mir die Frau seiner Begierde sieht, auch im Teddy-Schlafanzug, ungeschminkt und mit wildem Haar.“

Petra reagierte auch auf diese Worte nicht. Ich fühlte mich berufen, weiter zu reden.

„Für mich ist wichtig, dass ich mit meiner Natürlichkeit punkte. Ein Mann sollte mir einen Kaffee zum Morgen in das Badezimmer bringen, am Abend mit mir auf dem Sofa sitzen, in Schlabbersachen Pizza aus der Schachtel essen und zufrieden sein“, fügte ich nach. Petra, so erinnere ich mich, hatte kurz auf meine Äußerungen gezuckt, sich aber noch immer zurückgehalten.

„Träum süß, Lotte! Du warst schon immer gerne in deiner eigenen Welt.“ Diese Spitze kam von Karin. Petra lächelte immer noch sanft, nippte an ihrem Glas Sekt. Ina bemerkte, Natürlichkeit sei wichtig, fast schon unabdinglich, jedoch sollte die nötige Pflege nicht vergessen werden. Ihre Worte gefielen mir nicht ganz, aber wenigstens war sie im Ansatz meiner Meinung.

Unsere Mädelsabende sind selten geworden. Ganz unschuldig an der Misere bin ich nicht. Seit ich Franz an meiner Seite habe, fehlt mir die Zeit für gemeinsame Abende. Warum fällt mir das jetzt ein, da Franz sich so schofelig verhalten hat? Klar, ich bin mit einem Mal einsam. Inzwischen nagen starke Zweifel an mir. Warum nur musste ich Franz so bitterlich enttäuschen? Ausgerechnet an dem Tag, als er mir seine Freunde vorstellen wollte? Wieso kam ich nicht auf die Idee, mir etwas Rouge aufzutragen, meine Haare frisch zu waschen und den Ansatz rechtzeitig vom Friseur kaschieren zu lassen? Nach einem tiefen Seufzer frage ich mich aber auch, warum suche ich die Schuld allein bei mir? Außerdem hatte ich nur wenig Zeit für Vorbereitungen. Trotzdem beruhigt mich auch diese Tatsache nicht wirklich.

Petra, die ich noch auf der Rückfahrt anrufe, reagiert zunächst ungewohnt entnervt. „Lotte! Franz wollte dich seinen Freunden vorstellen, es war kein Spaziergang am Rheinufer oder im Wald“, sie kommt richtig in Rage. Es ist befremdend für mich, wie barsch und direkt sie Kritik übt. „Wie ich dich kenne, meine Liebe, lag es nicht nur an den Leggings. Sicherlich ist dein Haaransatz noch immer grau, deine Haare nicht frisiert?“ Ihr Lachen dringt durch die Freisprechanlage meines Wagens. Wut und Enttäuschung kommen in mir hoch. Jetzt fängt auch noch Petra an zu meckern. Gerade bei ihr habe ich gehofft, einfach nur ein offenes Wort für meine Sorgen zu finden und eine Schulter zum Ausweinen, ohne jedoch eine Giftspritze zu erhalten.

Das Telefonat beende ich wortlos, fahre ziellos durch die Gegend. Mir entgeht nicht, dass Petra unterdessen drei Mal versucht, mich zu erreichen. Erst, nachdem ich noch eine Weile herumgefahren bin, rufe ich sie zurück.

„Das tut mir jetzt leid, wirklich. Soll ich noch zu dir kommen?“, raunt sie in mein Handy. „Weißt du, Lotte, bisher dachte ich immer, leben und leben lassen. Jetzt mache ich mir jedoch große Vorwürfe, dich nicht einmal zur Seite genommen und über deine Kleiderwahl mit dir gesprochen zu haben. Du hast in der Tat einen sehr eigenen Geschmack, Lotte. Sag, soll ich noch zu dir kommen?“

Mir ist nicht nach Reden, ich will Franz, damit kann Petra nicht dienen. „Ich will keine Unterhaltung, ich will Franz“, beende ich das Telefonat. Wie tief bin ich gerade gesunken, so mein nächster Gedanke. Der Mann lässt mich eiskalt vor der Tür stehen, serviert mich barsch ab und ich sehne mich nach ihm? Mache mir noch Vorwürfe, ihn überhaupt gedrängt zu haben, seine Freunde kennenzulernen. Was ist los mit mir?

Zu Hause fingere ich die Tüte mit Chips aus dem Schrank, schenke mir einen Wein ein und verziehe mich auf das Sofa. Launig zappe ich durch die Kanäle, allesamt finde ich nervig. Das Klingeln an der Haustür eine halbe Stunde später will ich ignorieren und so tun, als sei niemand zu Hause. Dann aber klopft es an mein Wohnzimmerfenster, was mich zunächst erschreckt. Unvermittelt erkenne ich jedoch hinter der Scheibe die Silhouetten von Petra und Karin, dahinter den Schatten, der zu Ina passen könnte. Eine Minute später stehen meine drei Freundinnen vor mir.

„Wir machen es uns jetzt gemütlich“, trägt Karin eine Schüssel mit Kartoffelsalat vor ihrem Bauch. Ich fange tatsächlich an zu lächeln, sehe zu, wie die drei den Tisch eindecken und Gläser, Teller, Besteck auf dem kleinen Wohnzimmertisch verteilen. Petra setzt sich im Schneidersitz vor den Tisch. Sie greift wie gewohnt nicht zum Kartoffelsalat, legt nur eine Tomate auf ihren Teller. Sie hat ihre Gewohnheiten beibehalten, überlege ich einen Moment lang. Ihr Verhalten wirkt sehr vertraut und beruhigend auf mich. Mein Blick wandert zu Ina, sie sieht blass aus. „Wo ist dein Kleiner?“, erkundige ich mich nach Wolfi, wie wir ihren Sohn liebevoll nennen. „Ich habe meine Mutter zu Hause, sie passt für zwei Stunden auf Wolfi auf“, ihre Stimme zittert. „Alles in Ordnung?“, möchte ich fragen, lasse es aber sein. Ina scheint es recht zu sein. Ich beobachte, wie sie meinem Blick ausweicht und noch einen Löffel mit Kartoffelsalat auf ihren Teller legt. Ohne darüber nachzudenken, gleitet mein Blick zurück zu Petra, sie nestelt an der Serviette. Ich glaube zu sehen, dass sie wieder lächelt. Beneidenswert, ist mein erster Gedanke, der zweite Gedanke ist: Hoffentlich hat sie nicht wieder Kontakt zu Inas Mann aufgenommen. Mir ist gerade nicht nach noch mehr Problemen. Daher greife ich nach meinem Glas Wein und proste meinen Freundinnen zu. Petra, so weiß ich inzwischen, hat die kleine Runde aktiviert und das Zusammentreffen auf die Schnelle organisiert. Jetzt bin ich doch sehr froh, nicht mehr alleine zu sein. Noch immer schniefe ich, allerdings habe ich jetzt Taschentücher zur Hand. Meine Freundinnen reden viel, versuchen mich abzulenken, was ihnen aber nur teilweise gelingt. Als mein Handy zirpt und den Eingang einer SMS anzeigt, werfe ich mein Glas um, so hastig eile ich zum Schrank, auf dem ich mein Handy liegen habe.

„Völlig verkehrt!“, ruft Karin hinter mir her. „Lass ihn mal zappeln!“, fügt sie aufgebracht nach. „Der Mann soll mir noch mal unter die Augen kommen!“, schimpft sie weiter. Karin hat Temperament. Petra, das wundert mich, steht mit einem Mal neben mir und versucht, mir das Handy zu entreißen. „Das tut dir jetzt nicht gut“, meint sie sanft. „Das ist meine Entscheidung!“, gifte ich sie an und öffne die SMS von Franz.

„Für mich bist du oft ein Rätsel. Doch eines spüre ich: Ohne dich fühle ich eine große Leere in meiner Brust. Können wir telefonieren? Darf ich mein Verhalten erklären? Ich komme gerne jetzt, noch in der Nacht, zu dir geeilt. Meine Lust, dich zu küssen ist groß. Umarmung, Franz.“

Einerseits bin ich happy zu lesen, dass es ihm inzwischen leidtut, wie er mich behandelt hat. Andererseits ist sein Verhalten nicht mit einer kurzen SMS zu entschuldigen. Zwischen den Zeilen lese ich heraus, er will Sex. Dafür also bin ich gut genug? Ich bin kein kleines Mädchen mehr, mit dem man spielen kann, wie und wann es einem gefällt! Karin steht nun auch hinter mir, was ich erst merke, als sie einen bissigen Kommentar von sich gibt. „Lösch die Nummer und vergiss ihn! Franz scheint seinen Spaß an kleinen Spielen zu haben“, sie dreht sich um und greift nach ihrer Tasche, die unachtsam auf dem Boden liegt. „Nicht antworten!“, kommt ein letzter wohlgemeinter Rat von ihr, dann fällt die Tür ins Schloss. Tief Luft holend blicke ich ihr nach. Ina und Petra verabschieden sich ebenfalls.

Der nächste Morgen

Ich habe schlecht geschlafen, mich in der Nacht im Bett unruhig hin und her gewälzt. In einem kurzen Traum sah ich mich in meinem Schlafanzug durch den Garten tanzen, am Gartentor stand Franz, er lachte bissig und sein Blick war kalt. Entgegen jeder Gewohnheit von mir bin ich früh auf den Beinen. Zu meiner eigenen Freude darf ich eine SMS von Petra lesen.

„Jeder neue Tag birgt eine neue Chance!“

Dann hat sie mir ein Video beigefügt, das ich öffne. Prustend vor Lachen höre ich die Musik und sehe mir das Video an. „Liebeskummer lohnt sich nicht …“ Auf diese Musik, auch zu dem Text, sehe ich, wie eine junge Frau zunächst auf ihrem Bett sitzt und weint, dann ihr Gesicht schminkt, sich hübsch anzieht, raus auf die Straße eilt und von einem Fremden eine Rose erhält. Jetzt muss ich erst einmal tief Luft holen. So naiv bin ich nicht zu glauben, mir schenkt heute ein Unbekannter eine Rose. Trotzdem gefällt mir die kleine Botschaft von Petra.

Unter der Dusche halte ich mein Gesicht sehr lange unter den Wasserstrahl. Beim Anziehen komme ich nicht umhin, mich im Spiegel zu betrachten. Ich erschrecke unvermittelt, meine Augen sind dick und rot.

Mir fällt meine Mutter ein, die im Altersheim lebt und die ich schon lange nicht mehr besucht habe. Mein schlechtes Gewissen gewinnt plötzlich Überhand. Ich beschließe, mein frühes Aufstehen zu nutzen, um sie zu besuchen. Auf der Fahrt zum Altersheim, in dem Mutter inzwischen lebt, grübele ich darüber nach, wie ich mein Leben ändern kann. Meine Kolumne kommt mir in den Sinn. Ich ärgere mich darüber, so ein Problem mit dem Schreiben dieses Themas zu haben, mich emotional so einschränken zu lassen. Beim Aussteigen vor dem Altersheim kommt mir eine Idee. Ich kann einfach eine Kolumne über die ideale Beziehung erfinden. Eventuell erfreut es viele unserer Leserinnen? Aber sind Lügen der richtige Ansatz? Sind es wirklich Lügen? Alle Menschen sind doch individuell und was für den einen die ideale Beziehung ist, endet bei anderen in einer Katastrophe. Demnach gibt es weder ein richtig oder falsch, gut oder schlecht und ideal ist das, was jeder für sich als ideal definiert. In diesem Fall also ich, die über die ideale Beziehung schreiben soll. Über meine eigene Idee zweifelnd eile ich die Treppenstufen bis zu Mutters Zimmer hinauf.

Wie so oft sitzt Mutter mit dem Rücken zur Tür in ihrem Rollstuhl und blickt aus dem Fenster. Ich spüre Unwohlsein in mir aufkommen. Das ist nichts Neues und passiert jedes Mal, wenn ich in diesem Haus weile. Meine Angst, hier dem Tod so nah zu sein, sehe ich als Erklärung dafür an. „Dass du noch an deine Mutter denkst? Ich hätte längst tot sein können, Lotte!“, ist die herzliche Begrüßung meiner Mutter. An diese oder ähnliche Vorwürfe bin ich gewöhnt. Mutter hat in ihrem Repertoire keine Nettigkeiten, zumindest nicht für mich. Um ein Gespräch in Gang zu bringen, berichte ich von meiner neuen Kolumne, die ich schreiben soll. Mutter hebt den Kopf, schnaubt und ihre Hände sind mit einem Male unruhig. Sie beginnt, nervös mit den Fingern auf die Lehne ihres Rollstuhls zu klopfen.

„Du bist doch gar nicht fähig, so eine Beziehung zu finden und nicht in der Lage, mir Enkelkinder zu schenken“, sie spricht leise und atmet hektisch. „Was hast du bisher in deinem Leben geleistet, zu Stande gebracht?“ Ihre Stimme ist abrupt sehr laut. Eine Kraft hat sie in ihre Worte gesteckt, die man einer alten Frau normalerweise nicht zutraut. Tränen kommen in meine Augen. Mutter schafft es immer wieder, mir den letzten Mut zu nehmen. Wieso baut sie mich nicht einmal emotional auf? Warum kann sie mir nicht, wie andere Mütter auch, helfen, einfach zuhören und für mich da sein?

„Ich muss fahren“, springe ich von meinem Stuhl auf. Seit ich denken kann, sitze ich bei meinen Besuchen immer verkrampft auf dem Besucherstuhl, so dass ich in Momenten wie diesen rasch wieder aufspringen und weglaufen kann. „Natürlich, geh nur! Wer will seine Zeit schon mit einer alten Frau verbringen, die dem Tod schon in die Augen sieht?“

Im Auto weine ich. Mein Handy piepst, zeigt eine neue SMS an, die mir Franz gesendet hat. Entnervt ergreife ich mein Handy und lasse es unachtsam in meine Tasche fallen, die auf dem Beifahrersitz liegt. Die einzige Person, die mir gerade zum Sprechen einfällt, ist Petra. Ob sie Zeit für mich hat?

Petra

Lotte ist eine ganz entzückende Person. Als ich vor einem guten Jahr plötzlich in ihrem Garten stand, ich hatte eine Autopanne, hat sie mich sogleich bei sich aufgenommen. Die Tage in Lottes Haus waren schön, wenn auch schräg. Lotte lebt in den Tag hinein, sie ist mit ihrer Art so ganz anders als ich. Trotzdem durfte ich in ihr eine herzliche Person als Freundin finden. Nach und nach kam ich auch in ihren Freundeskreis, der, so meine damalige Überraschung, bunt gemischt an Charakteren ist. In meinem Job auf der Bank muss ich pünktlich und zuverlässig sein. Bei mir läuft der Tag recht geplant ab, nur die Liebe kann ich nicht steuern, das wurmt mich sehr.

Lächelnd denke ich einen Moment an die Kontaktanzeige zurück, die Lotte vor einem guten Jahr aufgegeben hatte. Gleich zwei Männer fanden Einzug in Lottes Haus, das Chaos war vorprogrammiert und stellte sich auch rasch ein. Franz war zunächst Karins Kandidat. Jetzt kann ich darüber lächeln. Die beide, Franz und Karin, das hätte niemals funktioniert.

Männer sind für mich wie Schokolade. Sie schmecken gut, machen kurzfristig glücklich, in manchen Fällen noch dick und für die Ewigkeit abhängig.

Ich habe mir Lotte bei ihrem Anruf nach dem missglückten Date mit Franz gleich in ihren Leggings vorgestellt. Schlabberpulli oben, schon ausgewaschen, Socken aus Strick, Birkenstockschuhe. Lotte live eben. Am Abend, zu Hause, wenn es gemütlich wird, dann trage ich die Schuhe auch, nicht aber zu einem Date. Lotte ist zu nachlässig, wenn man mich fragt. „Wie kannst du deine grauen Ansätze immer so rauswachsen lassen? Stört dich das nicht?“, habe ich Lotte erst neulich gefragt. „Wer möchte schon mit einem Farbkasten ins Bett steigen?“, war ihre Antwort. Ein kleiner Seitenhieb, den ich wohl verstanden hatte. Ich denke mir immer, leben und leben lassen. Kein Mensch ist perfekt und dem lieben Gott reicht vermutlich eine von meiner Sorte.

Lotte hat uns bei dem anschließenden Treffen von ihrer neuen Kolumne berichtet. Rund um die ideale Beziehung lautet der Titel. Einen kleinen Moment herrschte nach Lottes Worten Stille. Jede von uns dachte über das neue Thema nach. Ina fand als erste zu ihrer Sprache zurück und hat gewohnt spießig reagiert. „Für mich ist das kein Thema für eine Frauenzeitschrift“, tönte sie. Lotte wurde anschließend darauf hingewiesen, welchen Einfluss ihre Kolumne auf die Leserschaft haben wird, und ermahnt, jedes ihrer Worte gut abzuwägen. Meine Augen habe ich bei Inas strengen Worten gerollt. Einen spontanen Impuls jedoch, ihr zu antworten, habe ich unterdrückt. Ina wird sich nicht mehr ändern, da hilft auch der kleine Wolfi nicht. Ob sie tatsächlich in ihrer Jugend so frisch und locker war, wie Lotte mir berichtete? Es ist kaum vorstellbar für mich. In Lottes Erzählungen aus den Jugendtagen ist Ina ein anderer Mensch.

Karin hatte sich derweil dem Kartoffelsalat gewidmet und mit vollem Mund gemeint: „Die Liebe ist ein Auslaufmodell, und zwar das Einzige seiner Art, das trotzdem immer begehrt bleibt.“ Auf ihre Worte fing ich an zu lachen, leider als Einzige. Ich verstummte sofort und nippte stattdessen an meinem Sekt.

„Ich möchte eigentlich einen Mann, ohne immer gleich an Sex zu denken“, bemerkte Lotte mit melancholischer Stimme. Allerdings hatte sie zu diesem Zeitpunkt schon drei Gläser Sekt getrunken und wirklich ernst nahm ich ihre Worte nicht mehr. „Noch besser wäre ein aktiver und attraktiver Mann fürs Bett und ein sanfter, lieber fürs Leben“, fügte Karin nach. Mir gefiel, was sie sagte. Ich hatte, vielleicht auch schon in Sektlaune, abermals spontan gelacht. Aufgedreht fügte Lotte nach: „Vielleicht sollte ich eine neue Kontaktanzeige aufgeben: Suche den idealen Mann für alle Lebenslagen. Voraussetzung für ein Kennenlernen sind gutes Benehmen, ein ansprechendes Aussehen, ein Lachen, das mich verzaubern kann und eine Potenz, die nicht rund um die Uhr das Leben bestimmt.“ Lotte musste über ihre eigenen Worte so lachen, dass sie kurz ihre Worte unterbrach, sich dann aber rasch sammelte, um uns weiter in Kenntnis über den perfekten Mann fürs Leben zu setzen. „Natürlich sollte Mann schon in der notwendigen Minute Mann sein“, mit lautem Kichern unterbrach sich Lotte erneut.

„Ich kann euch nicht verstehen! Als sei das ganze Leben nur auf Sex und Männer ausgelegt“, stellte Ina ihr Glas auf den Tisch. Sie hatte, wie erwartet, aufbrausend reagiert, was mich jetzt noch schmunzeln lässt. Lotte blickte sie zunächst traurig an, dann jedoch senkte Lotte, gleich einem Schuldeingeständnis, ihren Kopf. Inas Worte im Anschluss, sie hatte zunächst ihre Worte an Lotte gerichtet, später durften Karin und ich ebenfalls ihre Belehrung über uns ergehen lassen, habe ich bewusst verdrängt. Sie ist eben eine Pessimistin. Die Stimmung war nach ihrem Vortrag im Keller, ich habe mich dann mit einer netten Ausrede verabschiedet. Der Abend schien für mich keine angenehmen oder lustigen Momente mehr bereit zu halten.

Auf dem Heimweg denke ich immer wieder über uns Freundinnen nach, auch über die unterschiedliche Auffassung zu Lottes neuer Kolumne.

Noch in der Nacht, als ich wieder alleine in meiner Wohnung auf dem Sofa sitze, kommt mir eine verrückte Idee. Rasch hole ich meinen Laptop hervor und rufe die mir noch vom letzten Jahr bekannte Plattform für Singles im Internet auf. Neugierig und fasziniert klicke ich auf einigen Seiten herum, darf Informationen und Ratschläge lesen, die für mich die Tür zu einem neuen Leben öffnen sollen. Immer wieder kommt mir Marc ins Bewusstsein. Mit Tränen in den Augen lese ich bewusst weiter. Marc, das ist leider die Wahrheit, hat sich für Ina entschieden. Ich kann nicht den Rest meines Lebens alleine sein und zusehen, wie Marc mit Ina und Wolfi glücklich zusammenlebt. Jeden Mann, der mir in den letzten Monaten vor die Augen kam, habe ich sogleich mit Marc verglichen. Ich hoffe wirklich, dass ich dieses Verhalten bald ablege und einem anderen Mann die Chance gebe, die er beim Kennenlernen verdient.

Bis in die frühen Morgenstunden bin ich von dem, was ich auf der Plattform entdecken und lesen darf, angetan. Die anpreisenden Worte: Damit auch Sie nicht mehr länger alleine sind – habe ich noch in Erinnerung behalten. Ich möchte nicht mehr in eine leere Wohnung kommen, sinniere ich noch vor dem Einschlafen. Immer wieder kommt Marc mir in den Sinn, selbst beim Zähneputzen habe ich ihn vor Augen. Er ist der Mann, mit dem ich mir ein wunderbares Leben habe vorstellen können. Noch heute denke ich täglich an ihn, leider scheint dieses Gefühl einseitig zu sein. Marc hat sich nicht mehr bei mir gemeldet. Zwar haben wir dies bei unserer Trennung so vereinbart, wirklich daran geglaubt hatte ich nie. Was in meiner Macht stand, um ihm eine neue Chance für seine Ehe zu geben, das habe ich getan. Selbst meinen Arbeitsplatz habe ich gewechselt, um Marc aus dem Weg zu gehen. Dafür habe ich jetzt durch die Freundschaft zu Lotto regelmäßig Kontakt zu seiner Frau Ina. Wie verrückt das Leben doch sein kann. Vor dem Einschlafen sehe ich Marcs Gesicht noch einmal vor meinem geistigen Auge, dann falle ich in einen unruhigen Schlaf.

Wenige Tage später

Ich liebe diese Sommertage und möchte am liebsten nur in der Natur sein. Zu meiner Freude hat Lotte mich zu sich eingeladen. Gleich nach der Arbeit fahre ich zu ihr und treffe Lotte mit Karin in ihrem Garten sitzend an. Dieser Abend sollte eigentlich meiner Aktion Kontaktanzeige gehören, doch dann rief Lotte an. Kurz habe ich darüber nachgedacht, Lottes Einladung abzulehnen, dann jedoch folgte ich meiner Lust, in einem Garten zu sitzen. Dank meiner spontanen Eingebung habe ich zugesagt. Bei der Plattform für Singles, so meine Überlegung, kann ich mich auch morgen Abend noch anmelden.

Als wir alle zusammen in Lottes Garten sitzen, schaue ich meine Freundinnen etwas genauer an. Unterschiedlicher hätten wir nicht sein können. Lotte, die typische Landmaus, steckt mal wieder in Leggings und Strickpulli, obgleich es warm genug für ein Shirt ist. Ina, die spontan auch gekommen ist, wirkt auf mich wie das Hausmütterchen. Leider finde ich für Marcs Frau keine andere Beschreibung und erwische mich dabei zu hinterfragen, wieso Marc mich verlassen hat, um zu Ina zurückzugehen. Sie ist mal wieder wie eine graue Maus zurechtgemacht. Ihr Haar trägt sie wieder zu einem Dutt gebunden, über die gutsitzende Hose in Grau und mit Bundfalten hat sie ein dunkelblaues Seidenshirt angezogen. Edel, aber wirklich nicht das Richtige für eine junge Frau und schon gar nicht für ein lockeres Treffen mit Freundinnen. Karin, so mein Resümee beim Betrachten, ist immerhin auf eine ihr ganz eigene Art zurechtgemacht. Etwas schrill, wie ich es empfinde, jedoch gepflegt und wenigstens nicht langweilig. Lotte vernachlässigt sich. Als Lotte mich angerufen und eingeladen hatte, habe ich mich getraut, diese Empfindung ihr gegenüber auszusprechen. Sollten Freundinnen sich nicht alles sagen können? Wenn das mal so einfach wäre.

Lottes Anruf kam, als ich gerade meine Blusen bügelte, was ich auch erwähnte. „Das brauche ich nicht, Pullis müssen nur trocknen, dann sind sie schon zum Anziehen bereit“, muss ich aus Lottes Mund hören. „Ja, meine Liebe, so sieht das Resultat auch aus. An deiner Stelle würde ich es auch mal mit Bügeln probieren. Denk doch nur an die Reaktion von Franz auf deine Art, dich zu kleiden!“

Meine Offenheit kam nicht wirklich gut an. Lotte schniefte hörbar ins Telefon und beendete kurz darauf das Telefonat. Ich blieb traurig zurück. Tatsächlich habe ich heute damit gerechnet, Lotte in einem attraktiveren Outfit anzutreffen, jedoch weit gefehlt. Mein Kleid, für das ich mich am Abend entschieden habe, ist schlicht aber dennoch Figur umspielend und somit weiblich sexy.

„Petra, du scheinst dein gesamtes Einkommen in die Geschäfte zu tragen“, höre ich Lotte sagen, während ich an meinem Sekt nippe. Irritiert und überrascht blicke ich zu Lotte. „Soll das jetzt eine Retourkutsche für meine Bemerkung bei unserem Telefonat werden?“

Karin und Ina wechseln Blicke, was mir nicht entgeht. „Wir sollten endlich an das Essen denken“, greift Karin zu den Tellern und fängt an, diese zu verteilen, um die plötzlich aufkommende Spannung zwischen Lotte und mir zu überspielen. „Wir brauchen noch Brot“, höre ich sie rufen und sehe, wie sie schon die wenigen Stufen in die Küche geht. Ina eilt ihr nach, trägt kurz darauf wortlos Besteck für uns alle in den Garten. Nur Lotte und ich bewegen uns nicht.

„Auf einen Zickenkrieg habe ich keine Lust“, halte ich Lotte meine Hand entgegen. „Von mir aus kannst du anziehen, was du möchtest. Es geht mir doch um dich als Mensch, Lotte. Nur …“, kurz fehlen mir die passenden Worte. Zu meiner