Kleine Einblicke - Mathilda Grace - E-Book

Kleine Einblicke E-Book

Mathilda Grace

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Beschreibung

Eine Sammlung von 25 Kurzgeschichten in Anlehnung an meine Ostküsten-Reihe. Meine Charaktere werden sich von Geschichte zu Geschichte abwechseln. Es gibt dabei keinen genauen Plan oder gar eine feste Storyline. Auszug aus dem Inhaltsverzeichnis der Druckversion: Seite 5 => Willkommen im Leben (Rachel) Seite 10 => Ich liebe dich (Connor) Seite 19 => Es gibt für alles ein erstes Mal (Tristan) Seite 31 => Am Anfang steht das Wort (Connor) Seite 43 => Tanz mit dem Teufel (Daniel) Seite 56 => Geister der Nacht, haltet Wacht (Daniel) Seite 65 => Schlafende Schönheit (Adrian) Seite 79 => Leben und leben lassen (Nick)

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EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2018

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Mathilda Grace

KLEINE EINBLICKE

Kleine Einblicke

2. Auflage, Februar 2019

Impressum

© 2019 Mathilda Grace

Am Chursbusch 12, 44879 Bochum

Text: Mathilda Grace 2010/2014

Foto: Engin_Akyurt; Pixabay

Coverdesign: Mathilda Grace

Web: www.mathilda-grace.de

Alle Rechte vorbehalten. Auszug und Nachdruck, auch einzelner Teile, nur mit Genehmigung der Autorin.

Sämtliche Personen und Handlungen sind frei erfunden.

Kurzgeschichtensammlung

Liebe Leserin, Lieber Leser,

ohne deine Unterstützung und Wertschätzung meiner Arbeit könnte ich nicht in meinem Traumberuf arbeiten.

Mit dem Kauf dieses E-Books schaffst du die Grundlage für viele weitere Geschichten aus meiner Feder, die dir in Zukunft hoffentlich wundervolle Lesestunden bescheren werden.

Dankeschön.

Liebe Grüße

Mathilda Grace

Eine Sammlung von 25 Kurzgeschichten in Anlehnung an meine Ostküsten-Reihe. Die Charaktere werden sich von Geschichte zu Geschichte abwechseln. Es gibt dabei keinen genauen Plan oder gar eine feste Storyline.

Willkommen im Leben

Rachel Bennett ist eine Vollblutmutter und hat ihre Familie gern um sich. Besonders an Weihnachten. Und ganz besonders dann, wenn ihre Familie um ein Mitglied reicher geworden ist.

»Der Junge macht sich.«

Rachel lächelte und würzte dabei den Weihnachtsbraten nach, der im Ofen vor sich hin brutzelte, bevor sie aufstand, Will amüsiert ansah und fragte, »Meinst du Daniel oder Connor?«

Will lachte leise und trat hinter sie, um ihr einen Kuss auf den Nacken zu geben und sie dann zu umarmen. Das machte er jetzt seit über vierzig Jahren so und sie liebte es immer noch. Will Bennett, der Mann ihrer Träume. So wie in diesen romantischen Romanen, die Rachel zu gerne las und aus denen sie die Namen ihrer drei Kinder hatte. Und dieses Weihnachten hatten sie zusätzlich zu den eigenen Kindern noch einen möglichen Schwiegersohn hinzubekommen. Endlich. Rachel hatte schon befürchtet, dass Connor sich vielleicht nie von dieser furchtbaren Beziehung zu seinem Banker erholen würde. Aber nun gab es Daniel Hanson in seinem Leben. Diesen verschüchterten, jungen Mann, der eine noch sehr viel schlimmere Vergangenheit zu verarbeiten hatte, als ihr zweitältester Sohn.

»Ich meine Daniel. Aber unser Bursche macht sich genauso gut. Es wird den Beiden guttun, einander zu haben«, meinte Will und warf einen neugierigen Blick in einen der Töpfe, der auf dem Herd stand und in dem Reis köchelte. »Woher haben unsere Jungs bloß diesen neumodischen Geschmack? Reis. Tze. Es geht doch nichts über ein paar frisch gekochte Kartoffeln.« Rachel lachte leise und öffnete einen weiteren Topf, in dem Wills geliebte Kartoffeln kochten. »Du bist so gut zu mir.«

»Ich weiß«, neckte Rachel ihren Mann und horchte auf, als lautes Gelächter aus dem Wohnzimmer zu ihnen in die Küche drang. »Was hat Tristan jetzt wieder gemacht?«

Will lachte leise. »Ich sage nur ein Wort: Mistelzweig.«

Rachel seufzte kopfschüttelnd. »Irgendwann bekommt er von Daniel dafür eins hinter die Ohren.« Sie runzelte die Stirn und sah Will an. »Wird er damit klarkommen?«

Will sah sie fragend an. »Mit der Vorstrafe und dem ganzen Hickhack, der dazugehört?« Rachel nickte und darauf zwinkerte er ihr zu. »Nick hilft ihm dabei und wir helfen auch. Das machen wir schließlich schon, seit unsere Jungs geboren sind.«

»Will? Er ist nicht unser Junge.« Will lächelte nur und gab ihr damit die Antwort, die Rachel sich von ihm erhofft hatte. »Sag' es ihm noch nicht. Wir sollten ihn nicht erschrecken.« Erneut war aus dem Wohnzimmer schallendes Gelächter zu hören. »Ich glaube, diese Mistelzweigsache wird ihn noch eine ganze Weile beschäftigen.«

»Nicht nur ihn«, meinte Will amüsiert. »Connor läuft seit Tagen mit einem dermaßen gedankenlosen Grinsen durch die Gegend, dass er bald einen Laternenpfahl mitnimmt.«

»William«, tadelte Rachel halbherzig, weil sie gleichzeitig mit ihm lachen musste. »Ärgere unseren Sohn nicht. Er ist schließlich verliebt. Ich hatte schon Angst, er würde sich nie mehr trauen.«

»Ich auch«, gab Will zu und seufzte. »Dieser Banker hat ihm sehr wehgetan, aber ich denke, Daniel wird die Risse kitten, die Connor noch in seinem Herzen hat.« Will runzelte die Stirn. »Rachel? Wann sind unsere Kinder eigentlich groß geworden?«

»Das frage ich mich auch andauernd«, antwortete sie seufzend und musste schmunzeln, als Will abwinkte, weil sie ganz genau wusste, was jetzt gleich kam. Und ihr Mann enttäuschte sie auch nicht.

»Für mich werden sie immer kleine Jungs bleiben.« Will rieb sich die Hände. »Jetzt müssen wir noch Tristan unter die Haube bringen und dann...«

Rachel schüttelte äußerst energisch den Kopf und warf ihm dabei einen warnenden Blick zu. »Er braucht deine Einmischung nicht.«

»Habe ich mich je eingemischt?«, tat Will unschuldig und grinste sie jungenhaft an, was Rachel erneut und tief seufzen ließ, bevor sie sagte,

»William, du mischt dich immer ein. Das hast du bei Daniel auch getan.«

»Das war rein ärztlicher Natur«, hielt er wie erwartet dagegen, aber Rachel wollte nicht, dass er sich bei Tristan einmischte. Ihr Ältesten würde hoffentlich selbst einen Weg finden, um zu tun, was er längst hätte tun müssen, aber so wie Connor bei Daniel gezögert hatte, zögerte Tristan nun bei... Sie schob den Gedanken beiseite und sah Will finster an.

»Und das war auch dein Glück, sonst hättest du Connor nicht so schnell davon überzeugen können, dir Daniel vorzustellen. Charlie hat recht, du bist ein Kuppler und ich will nicht, dass du Tristan damit in eine Ecke drängst. Er ist nicht so wie wir damals waren, er braucht noch Zeit.«

»Zeit... pah!«, machte Will und verdrehte die Augen zur Decke. »Wenn unser Ältester sich weiter soviel Zeit lässt, kneift er ihm im Altersheim später vielleicht mal in den Hintern, aber mehr auch nicht.«

Rachel musste sich ein Lachen verkneifen. »William!«

»Ja, mein geliebtes Weib?«, fragte der mit einem frechen Grinsen zurück, was Rachel nun doch lachen ließ. Er war wirklich unmöglich und deswegen liebte sie ihn ja auch so sehr.

»Hallo.«

Sie sahen gemeinsam zur Tür, wo Daniel stand und sie vorsichtig anlächelte. Rachel lächelte zurück. »Hallo Daniel. Ärgert Tristan dich schon wieder?«

Dass Daniel, statt einfach zu nicken, genervt die Augen Richtung Decke verdrehte, ließ Rachel innerlich freudig eine Hand nach oben reißen. So schüchtern Daniel oft noch war, er taute auf. Nach und nach, immer Schritt für Schritt, und es war wundervoll, ihm dabei zuzusehen. Mitzuerleben wie aus diesem völlig verängstigten Mann langsam wieder der Mensch wurde, der er früher einmal gewesen sein musste.

»Er braucht ganz dringend ein Hobby«, murmelte Daniel mit einem Kopfschütteln und runzelte im nächsten Moment fragend die Stirn. »Störe ich euch?«

»Nein«, antwortete Rachel und schüttelte Wills Hände ab, der das mit einem breiten Grinsen quittierte, bevor er sich wortlos an den Küchentisch setzte, um einen Blick in die Tageszeitung zu werfen. »Magst du mir helfen?«, fragte Rachel an Daniel gewandt, der schon zu überlegen schien, wie er wieder gehen konnte, ohne unhöflich zu wirken. Im Umgang mit Menschen war er noch sehr vorsichtig und das verstand Rachel gut. Aber vielleicht würde ihn die Überraschung im Kühlschrank ein wenig aufheitern. »Meine Männer sind zwar allesamt ganz tolle Burschen, aber ich sage dir, verlasse dich niemals auf ihr Urteil, wenn es ums Vorkosten geht.«

Daniel sah sie verblüfft an. »Vorkosten?«

Rachel grinste verschmitzt und deutete auf den Kühlschrank. »Ein Vogel hat mir gezwitschert, dass du eine Naschkatze bist.«

Für einen kurzen Moment zögerte Daniel, dann siegte die Neugier und er warf einen Blick in den Kühlschrank, wo sie schon am frühen Morgen auf einem Tablett acht Schälchen Pudding hingestellt hatte, die eigentlich für den Nachtisch gedacht waren. Aber Rachel hatte bewusst acht Portionen gekocht, obwohl sie zum Essen nur sieben Personen sein würden. Sein genießerisches Seufzen ließ sie äußerst zufrieden zu Will schauen, der zufrieden lächelte.

»Wieso acht?«, stellte Daniel da aber auch schon die Frage, mit der sie gerechnet hatte. »Kommt noch jemand zum Essen?«

Rachel sah Unruhe und Nervosität in seinen Augen aufblitzen, als er sie ansah, und schüttelte den Kopf. »Das hätten wir dir gesagt, Daniel. Das achte Schälchen war übrig, also falls du rein zufällig Hunger hast...« Sie ließ den Satz unbeendet und lächelte nur, als Daniel mit einem zweiten Seufzen zurück in den Kühlschrank sah, bevor er fragte,

»Für mich?«

»Ja, für dich. Und lass ihn dir nicht von Tristan klauen.«

Rachel lachte, als Daniel sie kurz dankbar angrinste und bereits im nächsten Moment samt Pudding aus der Küche verschwunden war. Es dauerte keine zehn Sekunden bis...

»Mum?«, empörte sich Tristan lautstark. »Wieso kriegt Daniel den Nachtisch vor dem Essen?«

»Weil er, im Gegensatz zu dir, ein netter Junge ist«, neckte sie ihren Ältesten, was der natürlich wie erwartet mit einem Schnauben kommentierte. Connor, Daniel und Nick lachten im Wohnzimmer los, genauso wie Will und sie selbst, bevor Rachel sich wieder dem Herd zuwandte, um nach den Kartoffeln und dem Reis zu sehen. Als sich Wills Hände kurz darauf wieder um ihren Bauch herum schmuggelten, lächelte sie und lehnte sich gegen ihren Mann. »Er ist ein toller Junge. Und er wird hier glücklich werden, das spüre ich.«

Ich liebe dich

Connor ist enttäuscht, denn Daniel hat ihm wochenlang etwas sehr Wichtiges verschwiegen. Er verlässt ihn und ihr gemeinsames Haus, um spazieren zu gehen und in aller Ruhe darüber nachzudenken, ohne auch nur im Ansatz zu erahnen, was er damit auslöst.

»Ich wusste einfach nicht, wie ich es dir sagen soll. Connor, es tut mir leid.«

Connor schüttelte den Kopf und ließ Daniel in der Küche stehen. Er wollte nur noch hier raus. Raus aus dem Haus. Ihrem Haus. Ihrem gemeinsamen Leben. Einem Leben, um das sie gekämpft hatten, dass sie sich langsam und stetig aufgebaut hatten, und immer noch am weiterbauen waren. Einem Leben, dass sie seit Monaten miteinander teilten. An guten genauso wie an weniger guten Tagen. Und dazu gehörte für Connor auch, dass man sich gegenseitig die Wahrheit sagte. Immer. Ob diese Wahrheit nun bequem war oder nicht. Da gab es keine Ausnahmen, besonders nicht für ihn, weil er nun einmal die Gewissheit brauchte, dass Daniel immer ehrlich zu ihm war. Sie hatten beide zuviel durchgemacht, als dass er das Risiko eingehen wollte, etwas ungesagt zu lassen und Daniel damit ungewollt zu verletzen.

Und Connor hatte bis eben gedacht, dass das für sie beide galt. Aber scheinbar tat es das nicht. Warum hatte Daniel geschwiegen? Warum hatte er ihm nichts davon erzählt, beziehungsweise, warum hatte er es erst getan, als es gar nicht mehr anders ging? Warum nicht freiwillig und vor allem früher? Was war nur schiefgelaufen, dass sie sich einander nicht mehr alles sagen konnten? Hatte er irgendetwas getan, dass Daniel an ihm zweifeln ließ? Wenn ja, was? Und warum sprach der dann nicht mit ihm darüber? Connor verstand es einfach nicht. Was hatte er nur falsch gemacht?

Sein Handy klingelte, aber er ignorierte es. Er wollte jetzt mit niemandem reden. Er wollte nachdenken. Ob es wirklich an Daniels neuem Job lag? Aber wieso? Meine Güte, es war doch bloß ein Job. Was hatte Daniel nur von ihm erwartet oder befürchtet? Wovor hatte er Angst? Etwa, dass er ihn verlassen könnte, weil er zufällig den gleichen Beruf hatte wie sein Ex-Freund? Connor schnaubte. Daniel sollte ihn eigentlich besser kennen. Er sollte wissen, dass Connor sich viel mehr darüber freute, dass er einen Job gefunden hatte, der ihm auch Spaß machte, denn Daniel wollte wieder ein normales, geregeltes Leben führen. Ein neuer Job war da nur ein weiterer Schritt in die richtige Richtung. Wie hätte Connor sich da nicht für ihn freuen können?

»Verdammt, Dan!«, schimpfte er vor sich hin und ignorierte die verdutzten Blicke der Passanten, an denen er gerade vorbeilief.

Connor wusste nicht mal genau wo er gerade war, aber das war ihm egal. Es wurde langsam dunkel, der Himmel war voller dicker Wolken und passend zu seiner getrübten Laune würde es wohl bald anfangen zu regnen. Ihm war bewusst, dass Daniel sich Sorgen machen würde, wenn er zu lange wegblieb oder in den Regen geriet, aber er wollte und musste sich jetzt erst mal beruhigen, bevor er nach Hause ging. Wie er das anstellen sollte, war Connor aber auch nicht ganz klar. Er war nicht wütend auf Daniel. Aber er war enttäuscht. Enttäuscht und verletzt über dessen Schweigen.

Dabei war es ihm vollkommen egal, dass Daniel bald in einer Bank arbeiten würde. Es war ihm auch egal, dass der denselben Beruf wie sein Ex hatte. Es war ihm sogar scheißegal, dass Daniel andauernd vergaß, die Haustür hinter sich richtig zuzumachen – er war in der Beziehung eben ein Schussel, was machte das schon? Es störte ihn auch nicht, dass Daniel sich andauernd seine T-Shirts klaute, um in ihnen zu schlafen – im Gegenteil, Connor liebte es, dass er das tat, obwohl Daniel seine Sachen viel zu groß waren. Und es war ihm ebenfalls egal, dass Daniel ab und zu noch vor ihm zusammenzuckte, wenn er ihn nicht kommen hörte – das würde sich mit der Zeit geben und wenn sie eines hatten, dann Zeit.

Aber Connor war nicht scheißegal, dass Daniel ihm seinen neuen Job wochenlang vorenthalten hatte. Nicht nur für einige Tage, die er mit Sicherheit gebraucht hätte, um die richtigen Worte zu finden, bevor er ihm davon erzählte. Das hätte Connor verstanden. Daniel musste vor einer Entscheidung eben immer erst alle Seiten genauer beleuchten und darüber nachdenken. So hatte Connor ihn kennengelernt und so liebte er ihn auch. Aber dass Daniel bereits seit Wochen einen Job in der Tasche und ihm das vermutlich weiter verschwiegen hätte, wenn er nicht den Brief von der Bank gefunden hätte... nein, das war ihm nicht egal. Ganz und gar nicht.

Sein Handy fing erneut an zu klingeln. Connor verdrehte genervt die Augen, bevor er den Anrufer wegdrückte, ohne einen Blick aufs Display zu werfen, nur hielt den das nicht davon ab, ihn weiter zu nerven. In den nächsten paar Minuten klingelte sein Handy wieder und wieder und wieder. Das konnte auf gar keinen Fall Daniel sein, so etwas würde der niemals machen. Connor knurrte und ließ sich schließlich auf einer Bank am Wegrand nieder, bevor er sein Handy aus der Hosentasche zog, um nachzusehen, wer da so penetrant war.

Tristan.

»Hast du nichts Besseres zu tun, als mir mit deinen Daueranrufen auf den Keks zu gehen?«, fragte er, ohne sich mit einer Begrüßung aufzuhalten, was seinen Bruder leise fluchen ließ, bevor er verbal zurückschoss.

»Nein, ich habe nichts Besseres zu tun, als meinem Blödmann von Bruder hinterher zu telefonieren, weil mein zukünftiger Schwager mich mit Schluckauf, heulend und einem Nervenzusammenbruch nahe anruft, weil du ihn verlassen hast. Was, zum Teufel, ist bei euch los?«

Wie bitte? Verlassen. Aber er hatte doch gar nicht... Connor sah auf sein Handy, ob er sich das Gespräch auch nicht nur einbildete, denn der Gedanke war ihm gerade gekommen, und hielt es sich dann kopfschüttelnd wieder ans Ohr. »Dan hat bei dir angerufen?«

Tristan schnaubte. »Ja, hat er, weil du ihn ja immer weggedrückt hast... hättest du jetzt vielleicht mal die Güte, mir zu erklären, was los ist?«

»Ich habe ihn nicht verlassen und du...« Weiter kam er nicht.

»Wieso erzählt er mir das dann?«, fuhr Tristan ihm ins Wort und Connor verkniff sich einen saftigen Fluch.

»Bin ich Hellseher? Ich habe nicht...«

»Was hast du angestellt? Du musst etwas angestellt haben, sonst hätte er nicht so geweint.«

»Würdest du mal damit aufhören, dich wie eine Glucke aufzuführen und mich ausre...«

»Ich glucke, wann ich will und du...«

»Lass mich doch endlich mal ausreden, verdammt!«, schrie Connor erbost ins Handy, als Tristan ihm wieder ins Wort fuhr, und danach war endlich Ruhe. »Ich habe einen Brief gefunden.«

»Was für ein Brief?«, hakte Tristan nach und am liebsten hätte er seinen Bruder dafür durchs Telefon gezogen.

»Tristan!«

»Schon gut, red weiter.«

»Er hat einen Job gefunden. In der Bank. Schon vor Wochen. Heute war ein Brief in der Post, wann er nächste Woche anfangen soll und so weiter. Dan hat ihn gelesen und in der Küche liegenlassen, weil Zeke wieder einen Vogel ins Haus gejagt hatte, du kennst ihn ja... Ich wollte nicht reinsehen, ihm den Brief nur bringen, aber...« Connor seufzte leise. »Er hat mir nichts davon erzählt, Tris. Er weiß es schon seit Wochen und erzählt mir nichts davon.«

»Du warst enttäuscht, oder?«, fragte Tristan leise und besorgt. »Nicht wegen dem Job, sondern weil er nichts gesagt hat.«

»Hm«, machte Connor zustimmend.

»Was hat Dan zu dir gesagt, als du ihn gefragt hast?«

»Dass er nicht wusste, wie er es mir sagen sollte«, antwortete Connor und rieb sich die Augen.

»Wegen deinem Ex?«

»Schätze schon.«

»Hast du ihn gefragt?«

Connor lehnte sich auf der Bank zurück und seufzte. »Nein, ich bin gegangen. Spazieren, aber mehr auch nicht. Ich habe nicht vor, ihn zu verlassen. Keine Ahnung, wie er darauf kommt.«

»Wie meinst du das, du bist gegangen?«, fragte Tristan verblüfft und wollte es scheinbar nicht glauben. »Augenblick mal... Connor, sag' mir jetzt nicht, du hast ihn einfach alleine zu Hause sitzen lassen und bist abgehauen.«

Wie bitte? Connor schnaubte. »Das stimmt doch gar nicht. Ich bin nicht abgehauen. Ich wollte nur...«

»Spazieren gehen... ja ja.« Tristan stöhnte frustriert auf. »Du bist ein Idiot, Connor, ehrlich mal. Hast du ihm das gesagt, bevor du weg bist? Nein. Natürlich denkt Daniel jetzt das Schlimmste. Er ist unser vorsichtiger und ängstlicher Daniel, schon vergessen? Er traut sich wochenlang nicht, es dir zu sagen, weil er Angst hatte, dass du wegen dem Job sauer auf ihn bist und deine erste Reaktion ist, sofort das Haus zu verlassen? Denk mal darüber nach, wie das auf ihn gewirkt haben muss! Du hast ihm all seine Ängste damit nur bestätigt, obwohl du es gar nicht so gemeint hast. Aber woher soll er das denn wissen?«

»Oh mein Gott«, murmelte Connor entsetzt, als er begriff, worauf Tristan hinauswollte und was er vorher in seiner Enttäuschung gar nicht gesehen hatte. »Verdammt!«

»Eben«, meinte Tristan daraufhin tadelnd und Connor konnte fast vor sich sehen, wie sein Bruder gerade den Kopf schüttelte. »Sieh zu, dass du nach Hause kommst, bevor er irgendwas Dummes anstellt, okay? Und ruf' mich an, sobald ihr euch wieder liebt habt, ja?«

»Danke, Tris«, was alles, was ihm dazu einfiel.

»Dank mir später und jetzt geh' endlich.«

Connor schloss die Haustür auf, da fielen gerade die ersten Regentropfen vom Himmel, was Zeke, der ihm bellend entgegenkam, wieder einmal faszinierend genug fand, um sich an ihm vorbei aus der Haustür zu drängeln. Mit einem amüsierten Schmunzeln ließ er den frechen Racker einfach laufen. Das Gartentor war zu, auf die Straße würde er somit nicht kommen und das war das Wichtigste für ihn. Zeke wurde in diesem Haus sowieso mindestens ein Mal in der Woche aus irgendwelchen Gründen trocken gerieben oder in der Wanne blitzblank geschrubbt. Schlammlöcher fand der Racker nämlich immer noch ganz toll.

»Connor?«, fragte Daniel auf einmal leise und Connor drehte sich zu ihm hin.

Daniel stand mit verunsichertem Blick einige Schritte entfernt, hatte die Hände nervös in die Hosentaschen geschoben und schien am liebsten davonlaufen zu wollen. Connor verfluchte sich umgehend selbst, weil er solch ein Dummkopf gewesen war und nicht begriffen hatte, was sein Weggang bei Daniel auslösen würde. Er musste sich sofort entschuldigen und erklären, warum er gegangen war, bevor Daniel noch unsicherer wurde, obwohl das kaum mehr möglich schien.

»Ich...« Weiter kam er nicht.

»Es tut mir leid, Connor. Ich hatte einfach Angst, dass du genau so reagierst, wie du auch reagiert hast und ich wusste nicht, wie ich dir sagen sollte, dass ich da arbeite und ich...«

»Dan«, unterbrach er Daniels Redefluss mit einem Lächeln. »Mir tut es leid... Ich hätte nicht ohne Erklärung aus dem Haus gehen sollen und ich bin auch nicht sauer wegen des Jobs, okay?«

»Oh.« Daniel blinzelte. »Aber...«

»Ich war einfach nur enttäuscht und verletzt, weil du mir nichts davon erzählt hast«, erklärte Connor genauer. »Dan, es ist nur ein Job. Nicht mehr. Glaubst du wirklich, ich vergleiche dich deswegen mit...« Er stockte kurz, um dann nachgebend die Luft auszustoßen. »Patrick. Er heißt Patrick. Und nur weil er auch Banker ist, genau wie du, heißt das doch nicht, dass ich euch deswegen automatisch miteinander vergleiche. Ich habe ihn geliebt, ja, aber Patrick ist meine Vergangenheit. Du bist meine Gegenwart, Dan, nicht er. Daran ändert auch dein neuer Job in der Bank nichts.«

»Nur deine Gegenwart?«, fragte Daniel schüchtern, nachdem er ihn eine Weile angesehen und sich dabei sichtlich entspannt hatte, was Connor grinsen ließ, bevor er den Kopf schüttelte und die wenigen Meter überbrückte, die sie voneinander trennten, um Daniel an sich zu ziehen.

»Nein, nicht nur die Gegenwart, sondern auch die Zukunft. Unsere Zukunft. Ich liebe dich, Dan. Nicht deinen Job oder deinen Namen und auch nicht dein Bankkonto. Ich liebe dich. Das ganze Paket.«

»An meinem Bankkonto gibt’s auch nichts zu lieben, so leergefegt wie das ist«, konterte Daniel so trocken, wie nur er es konnte und Connor prustete los, bevor er sagte,

»Du bist unmöglich.« Zu einem Konter kam Daniel nicht, als Zeke just in dem Augenblick zustimmend bellte und dabei an ihnen vorbei die Treppe hoch rannte – eine Spur von Laub, Feuchtigkeit und Erde hinter sich herziehend. Connor verdrehte tief seufzend die Augen. »Wieso kommt mir dieser Anblick nur so bekannt vor?«

Daniel löste sich von ihm, eindeutig zwischen Lachen und Fluchen hin und her schwankend, brachte am Ende aber nur ein unterdrücktes Kichern zustande, bevor er kopfschüttelnd zur Haustür ging, diese schloss und ihn dann grinsend ansah. »Du bist dran.«

»Wie meinst...?« Connor brach ab, als es ihm wieder einfiel. Sie hatten gewettet, ob Zeke es in dieser Woche noch ein drittes Mal schaffen würde, verdreckt ins Haus zu gelangen und er hatte gerade eindeutig verloren. Ergo, er musste Zeke putzen. »Ich ertränke ihn in der Wanne.«

»Einspruch«, sagte Daniel in Nicks typischem Anwaltstonfall, was sie erst mal lachen ließ.

»Ich färbe ihn rosa als Strafe«, schlug Connor als Nächstes vor, was auch nicht auf Gegenliebe stieß, Daniels Kopfschütteln nach zu urteilen. »Dann lass mich ihm wenigstens einen Zopf mit einer rosa Schleife einflechten.« Daniel lachte, schüttelte aber trotzdem den Kopf. »Du gönnst mir auch gar nichts.«

»Ich könnte mich vielleicht überreden lassen, mit dir zu baden«, schlug Daniel vor und Connor schmunzelte.

»Bevor oder nachdem ich die Wanne nach der Putzaktion wegen Zeke wieder saubergemacht habe?«

»Connor!«

Connor lachte schallend los, schnappte sich Daniel und küsste ihn, bevor er ihm frech zuzwinkerte und sagte, »Ich bade Zeke und kümmere mich um die Wanne, inklusive Schaumbad, und du sorgst für etwas zu Essen und zu Trinken. Wir müssen schließlich feiern.«

Daniel sah ihn ratlos an. »Feiern?«

Connor lächelte. »Wer von uns hat einen neuen Job, hm?« Daniel wurde umgehend rot, was ihn zu einem weiteren Kuss verleitete, den er erst wieder löste, als Daniel genießerisch seufzend die Arme um ihn legte. »Lass uns baden und feiern.«

»Okay«, hauchte Daniel und Connor verkniff sich ein Schmunzeln, weil die leichte Röte auf Daniels Wangen Bände sprach. Er war und würde wohl immer ein wenig schüchtern bleiben, aber das störte ihn nicht im Mindesten. »Rufen wir Tristan vor dem Bad an oder danach, um Entwarnung zu geben?«

Connor lachte leise. »Mir hat er gesagt, ich soll mich melden, sobald wir uns wieder lieb haben.«

»Dito«, meinte Daniel grinsend und schnaubte dann. »Außerdem hat er noch gedroht, dass er mir im Schlaf die Haare grün färbt, wenn wir das nicht wieder hinkriegen.«

»Grün?« Connor grinste. »Na ja, besser als pink wäre es in jedem Fall gewesen, aber... Aua!«

Daniel hatte ihm tadelnd in die Seite geboxt. »Das geschieht dir Recht. Also? Wann rufen wir ihn nun an?«

Gute Frage. Connor überlegte und dabei kam ihm ein Gedanke. »Wie wäre es mit mittendrin? Immerhin schulden wir meinem lieben Bruder noch eine saftige Retourkutsche.« Daniel sah ihn fragend an. »Der Kinoabend mit Nick, die Schnecke im Popcorn und die Erdbeerkondome auf meiner Motorhaube. Du erinnerst dich?«

Daniel kicherte. »Ach stimmt, da war ja noch was.«

Connor knurrte gespielt. »Ja, ich weiß, du und Nick, ihr fandet das äußerst komisch.«

»Ich hätte ein Bild von deinem Gesicht machen sollen, als du auf einmal die Schnecke in der Hand hattest.« Daniel prustete los, als er stöhnend die Augen verdrehte, um danach grinsend zu verkünden, »Ich liebe dich, Connor Bennett. Und das, obwohl dein Bruder nicht ganz dicht ist und unser Hund wahrscheinlich gerade unser Bett vom Kopf- bis Fußende total einsaut.«

»Ja, wohl wahr«, gluckste Connor, im nächsten Augenblick zuckte er genauso zusammen wie Daniel, dann starrten sie sich erst mal an. »Was hast du gerade gesagt?«, fragte er schließlich, weil er nicht sicher war, ob er sich das eben nur eingebildet hatte, oder...

»Ich liebe dich.«

Nein, er hatte es sich definitiv nicht eingebildet. Connor blieb der Mund offenstehen. Wie lange hatte er darauf gewartet? Wie sehr hatte er die letzten Monate gehofft, dass Daniel es ihm irgendwann sagen würde. Dass er wirklich bereit sein würde, es auszusprechen. Und jetzt tat er es. Einfach so. Hier. Nach einer albernen Debatte über Schnecken, Kondome und... Zeke bellte.

»Oh, verdammt. Er ist wirklich im Schlafzimmer.«

Daniel machte Anstalten, sich von ihm zu lösen, was Connor damit verhinderte, indem er Daniel erneut an sich zog und ihn küsste, bis der wieder seufzte und sich so eng an ihn schmiegte, dass kein Blatt mehr zwischen sie gepasst hätte. Was kümmerten ihn Kondome, Schnecken, Tristan und ihr dreckiger Hund im Schlafzimmer, wenn er stattdessen den Mann küssen konnte, den er über alles liebte und der ihm gerade gesagt hatte, dass er es ebenfalls tat.

»Ich liebe dich auch«, murmelte Connor an Daniels Lippen, worauf der überglücklich lächelte und ihn, statt etwas zu sagen, einfach wieder küsste.

Es gibt für alles ein erstes Mal

Ein Dinner bei Kerzenschein, eine Rose für Nick, und ein Anzug für sich selbst. Tristan hat an alles gedacht, um diesen Abend für sie beide perfekt zu machen.

Tristan hatte alles organisiert. Das romantische Essen, mit den dazugehörigen Kerzen auf dem Tisch, die einzelne blutrote Rose auf Nicks Teller, und natürlich auch seine Kleidung. Ein Anzug. Er zog unbehaglich am Kragen. Am liebsten hätte er sich wieder in Jeans und Shirt geworfen, aber dieser Anlass war zu besonders dafür und für Nick tat er beinahe alles. Sogar einen Anzug anziehen. Nicht, dass er noch nie im Leben einen getragen hatte, aber diese Dinger machten ihn jedes Mal nervös, obwohl Tristan wusste, dass ihm der schwarze Anzug perfekt stand. Er war Schauspieler und hatte genug Kostüme getragen, um zu wissen, worin er gut aussah. Und ein Anzug gehörte dazu. Was aber nichts daran änderte, dass die Krawatte ihn langsam aber sicher erstickte.

»Wo bleibst du nur?«, fragte er leise und sah auf die Uhr an der Küchenwand. Nick war überfällig. Zwei Stunden mittlerweile, und langsam machte Tristan sich Sorgen. Dass Nick länger arbeiten musste kam öfters vor, aber allgemein sagte er dann Bescheid, und gerade heute hätte er nie damit gerechnet. Sie hatten schließlich etwas Wichtiges vor.  

Doch wenn Nick nicht bald kam, konnten sie den Abend streichen. Und mit ihm auch sein erstes Mal. Tristan seufzte, fuhr sich durch die Haare und seufzte erneut. Sein erstes Mal mit Nick. Himmel. Schon der Gedanke daran sorgte bei ihm für ein Flattern im Magen. Tristan hatte keine Angst davor, im Gegenteil. Er wollte es tun. So sehr, dass es ihm körperlich schon fast wehtat, auch nur daran zu denken. Nick hielt ihn schließlich seit Wochen hin, weil er der Meinung war, dass er zu ungeduldig war. Zu ungeduldig, von wegen. Tristan musste lachen, als er sich daran erinnerte, wie verdattert Nick ihn gestern zuerst angesehen hatte, als er ihm gesagt hatte, dass es heute passieren musste, sonst würde er über ihn herfallen. Nicks Überraschung hatte allerdings nicht lange angehalten.

»Du willst also über mich herfallen?«, fragte Nick nach einer Weile süffisant grinsend und setzte sich über seinen Schoß, als er nickte. »Gut, dann ist es wohl wirklich an der Zeit, dass ich dich hemmungslos vernasche. Aber jetzt will ich erst mal etwas Anderes von dir. Etwas zum lecken und knabbern und kosten.«

Tristan kam nicht zu einem Widerspruch, als Nick sich abrupt an ihm hinunter schob, um dann das zu tun, was er andauernd tat, ohne dabei den letzten Schritt zu tun. Stattdessen trieb Nick ihn mit seinen Händen und Lippen zum dritten Mal in dieser Nacht förmlich in den Wahnsinn, um danach, als Tristan noch völlig atemlos nach Luft rang, seelenruhig zu verkünden,

»Was hältst du von einem Dinner? Mit Kerzenschein und allem, was dazu gehört? Wir könnten in Ruhe etwas essen, uns dabei die ganze Zeit anschmachten und dann...« Nicks Blick verhakte sich liebevoll mit seinem. »...werde ich dich lieben. Die ganze Nacht lang.«

Tristan seufzte, weil sein verräterischer Körper allein bei der Erinnerung an ihr Gespräch reagierte, als wäre er ein Teen-ager vor seinem ersten Sex. Aber irgendwie war er das ja auch. Immerhin war es Nick, an den gerade dachte, und Nick würde der erste Mann sein, mit dem er schlief. Falls der heute noch mal nach Hause kam. Dabei hatte er sich so darauf gefreut, es endlich zu tun. Vor allem wenn er daran dachte, wie ausführlich Nick allein beim Vorspiel war. Er hatte nie gedacht, dass man sich solange nur mithilfe von Mund und Händen beschäftigen konnte.

Vor allem der Mund. Nick konnte Dinge mit seinem Mund anstellen. Bei keiner Frau hatte er es so intensiv erlebt, wie wenn Nick sich über ihn hermachte. Tristan lief rot an bei der Erinnerung daran, als Nick ihn vor ein paar Wochen im Theater mit dem Mund verwöhnt hatte. Einfach so. Sie waren an dem Abend nicht einmal verabredet gewesen. Nick war nach der Vorstellung plötzlich hinter der Bühne aufgetaucht, da war er gerade auf dem Weg unter die Dusche gewesen, hatte ihn ohne ein Wort der Erklärung mit dem Rücken gegen die Flurwand gepresst und war danach vor ihm auf die Knie gegangen.

»Bist du verrückt?«, fragte er und schaute hektisch beide Seiten des Gangs entlang. »Wenn jetzt jemand kommt...«

Nick lachte leise und sah verrucht zu ihm auf. »Wenn hier jemand kommt, dann du. Aber falls es dich beruhigt, ich beeile mich.«

Tristan schnaubte. »Du beeilst dich nie.«

»Willst du dich etwa darüber beschweren?«, fragte Nick frech und zog ihm im nächsten Moment die Samthose nach unten.

Und während Tristan sich noch fragte, wie Nick es so schnell geschafft hatte, die nervigen Schnüre zu lösen, für die er selbst jedes Mal ewig brauchte, hatte der längst Nägel mit Köpfen gemacht und ihn mit seinen warmen, weichen Lippen fest umschlossen, worauf Tristan dann auch wieder einfiel, dass er unter dieser Hose nackt war. Aber da war es für einen erneuten Einspruch bereits zu spät.

Tristan räusperte sich. Wenn er so weitermachte, würde er einen frischen Anzug brauchen. Vielleicht sollte er kalt duschen. So was half gelegentlich. Nur würde er sich danach wieder in diesen Anzug hüllen müssen und das musste echt nicht sein. Wie schaffte Nick es nur, sich jeden Morgen freiwillig in Hose, Hemd, Krawatte und sehr oft auch noch in eine Weste zu zwängen. Gegen das Jackett hatte er nichts, aber der restliche Kram ging ihm von Minute zu Minute mehr auf die Nerven. Dabei sah Nick toll aus in seinen Anzügen. Tristan seufzte leise. Nick sah sogar so umwerfend in Anzügen aus, dass er beinahe täglich das dringende Bedürfnis verspürte, ihn frühmorgens nach der Dusche sofort wieder auszuziehen.

Ein paar Mal hatte er das auch schon getan. Mit dem Ergebnis, dass Nick jedes Mal zu spät in seine Kanzlei gekommen war und sich abends dafür an ihm gerächt hatte. Tristan grinste in sich hinein. Das war glattweg ein Grund, es bei nächster Gelegenheit mal wieder zu tun. Immerhin hatte Nick ihn nach dem letzten Mal gleich in der Küche vernascht. Aber wie. Er stöhnte wimmernd auf und sein Körper zuckte wie von selbst, als er sich daran erinnerte, wie heftig ihr Geknutsche gewesen war und wie überrumpelt er sich gefühlt hatte, als Nick ihn auf den Küchentisch gedrängt hatte. Aber nicht, um zu tun, was er sonst immer tat, nämlich ihn mit dem Mund zu verwöhnen bis er kam, sondern stattdessen...

Tristan zuckte erschrocken zusammen, als er begriff, dass das an seiner Kehrseite Nicks Zunge war. »Nick, was...?«

»Scht«, murmelte der nur und hielt ihn fest. »Genieß es einfach, Tris.«

Als wenn er eine andere Wahl gehabt hätte. Nick würde ihn nicht vom Tisch herunterlassen, das zeigte sein bestimmender Griff ihm deutlich. Aber schon im nächsten Moment wollte Tristan nicht mehr weg. Heiß und feucht, war sein erster Gedanke. Verführerisch, wild und hemmungslos, sein zweiter. Und dann stöhnte er nur noch, als Nick mit seiner Zunge wieder und wieder über den zuckenden Muskel glitt, bis er schließlich sogar in ihn eindrang.

Tristan presste seine Hacken auf die Tischplatte und bäumte sich Nick entgegen, weil er mehr wollte, auch wenn er gleichzeitig gar nicht wusste, wo er mit diesen ganzen überschäumenden Gefühlen hin sollte, die gerade auf ihn einstürmten. Das war so... Er fand kein Wort dafür. Tristan wusste nur, dass er davon kommen würde, wenn Nick nicht aufhörte, ihn auf diese intime Art zu reizen. Und der hatte offensichtlich nichts dergleichen vor.

»Nicky...«, stöhnte er, beide Hände an die Seiten des Tisches gekrallt, um irgendwie Halt zu finden.

»Komm für mich!«

Tristan holte tief Luft. Schluss jetzt. Nick war nicht zu finden und er frönte hier unanständigen Erinnerungen. Sein Blick wanderte zum x-ten Male auf die Uhr, dann griff er nach dem Telefon, um es noch mal in der Kanzlei und auf Nicks Handy zu versuchen. Ohne Erfolg. Nick war nirgends zu erreichen. Hoffentlich war ihm nichts passiert. Tristan schauderte unwillkürlich, als er sich dabei an Nicks Autounfall vor drei Wochen erinnerte, denn der saß ihm immer noch in den Knochen, dabei hatte Nick keinen Kratzer abbekommen, als dieser Trottel bei rot über die Ampel gefahren und ihm in die Seite gekracht war.

Trotzdem war Tristan erst mal tausend Tode gestorben, als Linda, Nicks Sekretärin, ihn angerufen hatte, um es ihm zu erzählen. Und kein Schwein hatte ihm später im Krankenhaus etwas sagen wollen, weil er mit Nick zwar eine Beziehung haben durfte, aber im Notfall keinerlei Rechte hatte, Entscheidungen für Nick zu treffen. Ein Missstand, den sie mittlerweile längst mit notariell beglaubigten Verfügungen behoben hatten.

»Verdammt, wo steckst du denn nur?«, fragte er in die Stille der Küche hinein, sah erneut auf die Uhr und blies im nächsten Moment die Kerzen aus. Es war fast elf Uhr abends. Er würde keine Sekunde länger hier herum sitzen und Däumchen drehen. Die Polizei anrufen, um eine Vermisstenanzeige aufzugeben, konnte er sich sparen, daher wollte Tristan erst mal in der Kanzlei vorbeifahren und danach, für den Fall der Fälle, die umliegenden Krankenhäuser ansteuern.

Um zwei Uhr morgens schloss Tristan, das Handy am Ohr, um Connor aus dem Bett zu klingeln, die Wohnungstür auf. Er hatte keine Spur gefunden. Weder in der Kanzlei, noch in den umliegenden Kliniken. Nick war wie vom Erdboden verschluckt. Er hatte alle Ecken, die er kannte, abgefahren, ohne etwas zu entdecken. Kein Wagen mit Panne am Straßenrand, kein rauchendes Wrack nach einem Unfall. Niemand, auf den Nicks Beschreibung passte, war in den Notaufnahmen in der näheren Umgebung eingeliefert worden, und auch einen Toten hatte es nicht gegeben. Tristan hatte sogar bei Adrian nachgefragt, der ihm versprochen hatte, sich bei der Polizei ein bisschen umzuhören und sich sofort zu melden, wenn er etwas herausfand.

»Weißt du eigentlich wie spät es ist?«, maulte Connor ihn an und im Hintergrund konnte er Daniel murmeln hören. Normalerweise hätte Tristan die zwei geneckt, aber dafür hatte er gerade zuviel Angst um Nick.

»Nick ist weg«, sagte er und schob sich dabei die Schuhe von den Füßen, um sie einfach in die Ecke zu kicken.

»Wie weg?«, hakte Connor nach.

Tristan knöpfte den Mantel auf. »Wir waren heute zum Abendessen verabredet, aber er ist nicht nach Hause gekommen. An sein Handy geht er auch nicht, er ist einfach nirgendwo aufzufinden. Weder im Krankenhaus, noch in einer Leichenhalle. Ich habe alles abgesucht und überall herum gefragt, ob ihn jemand gesehen hat. Ich habe vor ein paar Minuten sogar bei Adrian angerufen, der sich bei den Cops umhören will. Connor, ich...«

Weiter kam Tristan nicht, als plötzlich das Flurlicht anging und er, nach dem ersten Blinzeln, fassungslos auf Nick schaute, der in der Küchentür stand und ihn mit einem sichtlich verlegenen Lächeln ansah. Was zum...?

»Was ist los?«, fragte Connor und riss ihn aus seiner Starre.

»Hat sich erledigt, er ist hier«, murmelte er und Connor stöhnte erleichtert auf.

»Gott sei Dank. Ruf' morgen an. Ich will wissen, was los war.«

Sein kleiner Bruder legte auf, bevor er noch etwas sagen konnte und Tristan war ihm dankbar dafür, denn er konnte sich im Moment nicht entscheiden, ob er Nick erleichtert um den Hals fallen, oder ihn lieber anschreien sollte, weil der einfach so dastand. Tristan entschied sich dafür beides zu tun, daher warf er die Wohnungstür hinter sich zu, den Autoschlüssel auf die Kommode und hing seinen Mantel an die Garderobe, bevor er zu Nick hinüberging, ihn fest am Kragen seines Jacketts packte und erst mal herrisch küsste, um ihn danach wutentbrannt gegen den Türrahmen zu pressen.

»Ich bin fast gestorben vor Angst. Wo, zum Teufel, warst du?«

Nick grinste schief. »In der Drogerie.«

Wie bitte? Tristan stutzte. »Wieso?«

Statt einer Antwort zog Nick aus seiner Hosentasche eine Packung Kondome und hielt sie ihm unter die Nase. »Deswegen. Und ich komme so spät, weil die beim Gerichtsgebäude wegen Krankheit geschlossen ist und ich erst mal eine andere finden musste. Dabei habe ich mich verfahren, dann war der Tank leer und ich musste zu Fuß weiter, um Benzin zu holen. Und der Akku vom Handy ist auch alle, sonst hätte ich dich längst angerufen. Ich bin erst seit knapp dreißig Minuten hier. Es tut mir leid.«

Tristan wollte nicht lachen. Wirklich nicht. Aber dieser Blick, mit dem Nick ihn ansah, resigniert und genervt zugleich, er konnte nicht anders und lachte schallend los. All das für Kondome? Nicht zu fassen. Ein halbes Drama und hundert graue Haar mehr, nur wegen einer dämlichen Packung Kondome. Ob er Nick verraten konnte, dass er beim Einkauf für das Abendessen selbst eine Packung mitgebracht hatte, weil er auch nicht sicher gewesen war, ob sie noch welche da hatten? Nein, besser nicht. Es war schon peinlich genug, nicht zu wissen, ob man Kondome zu Hause hatte oder nicht. Früher wäre ihm so etwas nicht passiert. Aber früher hatte er auch keine feste Beziehung mit Nick gehabt.

»Das ist nicht lustig«, murrte Nick halbherzig und seufzte, weil er ihn daraufhin amüsiert ansah. »Na ja, irgendwie schon, aber ich kann trotzdem nicht mehr darüber lachen. Ich wollte ja schon immer mal nachts durch die Stadt spazieren, aber ganz bestimmt nicht, um Benzin zu holen, weil ich vergessen habe zu tanken.«

Tristan verkniff sich ein weiteres Lachen. »Wir können das Essen warmmachen. Alles halb so wild«, sagte er stattdessen und lehnte sich gegen Nick, um ihm beruhigend durch die Haare zu streicheln, woraufhin Nick ihn in die Arme nahm. »Geht es dir gut, Nicky? Also mal abgesehen von deinen etwas angegriffenen Nerven?«

»Ja. Und du?«, fragte Nick zurück und klang auf einmal irgendwie merkwürdig. Tristan nickte, statt zu antworten, und wollte gerade nachfragen, was los war, doch Nick war schneller. »Tristan? Dieser Anzug...« Sein Freund holte tief Luft und da ahnte er, was gleich kam. »Wieso hast du...? Ich meine, du magst keine Anzüge.«

Tristan versteckte sein zufriedenes Lächeln an Nicks Schulter. Er hatte gehofft, dass Nick den Anzug bemerken und vor allem auch kommentieren würde. »Ich wollte gut aussehen für dich«, meinte er schlicht, obwohl das nur die halbe Wahrheit war. Aber Nick wusste auch ohne Erklärung, dass er ihn mit dem Anzug heißmachen wollte, und Nicks schneller Reaktion nach zu urteilen, hatte Tristan sein Ziel erreicht. »Gefalle ich dir so?«

Nick ächzte gequält. »Du könntest einen Kartoffelsack tragen und ich würde trotzdem bei jeder sich bietenden Gelegenheit über dich herfallen. Und das weißt du ganz genau, Bennett.«

»Okay, das merke ich mir fürs nächste... Nick!« Tristan lachte, als der ihm plötzlich die Kondome in die Hand drückte und ihn dann hochhob. Um Halt zu finden, schlang er seine Beine um Nicks Hüfte und seine Arme um dessen Nacken. »Hast du denn keinen Hunger nach deiner Irrfahrt?«, fragte er, obwohl er am liebsten geschnurrt hätte. Wenn Nick jedes Mal so auf ihn reagierte, sobald er einen Anzug trug, würde er sich mehr von den Dingern anschaffen müssen.

»Ich habe Hunger, ja...« Nick stieß die Tür ihres Schlafzimmers auf, setzte ihn auf dem Bett ab und sah ihn an. »Auf dich. Seit Stunden kann ich an nichts anderes mehr denken, als daran, was wir heute Nacht tun wollten, und dann kommst du in diesem Aufzug durch die Tür...« Nick sah ihn begehrlich an. »Ich will dich, Tris. Und ich will dich jetzt. Hast du was dagegen?«

Statt einer Antwort hob Tristan die Hand, in der er die Packung Kondome hielt, und nahm eins aus der Packung, um diese danach auf den Nachttisch zu werfen, bevor er sagte, »Ausziehen, Kendall! Ich will dich nackt.«

Und als hätte Tristan mit diesen zwei Sätzen irgendein geheimes Stichwort gegeben, fielen sie übereinander her. Hände griffen nach allem, was sie erreichen konnten. Zerrten an Knöpfen, Gürteln und Reißverschlüssen. Öffneten ungeduldig Krawatten und kämpften dann lachend gegen Hemden, Hosen, störrische Socken und zu eng sitzende Unterwäsche, bis sie am Ende endlich nackt und Haut an Haut waren. Doch selbst das reichte ihnen nicht aus. Münder liebkosten warme Haut, bissen sanft und gleichzeitig fordernd zu, um danach zärtlich über alle auf diese Weise malträtierten Körperstellen zu lecken. Hände streichelten, massierten und griffen zu, um überall und nirgends zu sein.

Sie konnten einfach nicht genug voneinander bekommen und irgendwann fand sich Tristan unter Nick wieder, eine Hand fest ins Laken und die andere in Nicks Schulter gekrallt, während sich sein williger Körper dessen glitschigen Fingern tief in ihm wieder und wieder entgegen schob. Er wollte mehr von diesem unglaublichen Gefühl, das ihn jedes Mal Sterne sehen ließ, sobald Nicks schlanke Finger über diesen ganz besonderen Punkt in ihm strichen. Aber es reichte einfach nicht aus. Es reichte schon seit Wochen nicht mehr aus. Er wollte mehr, viel mehr.

Tristan stöhnte frustriert. »Nick, bitte. Mach schon.«

»Tris, nicht so schnell. Es wird wehtun, wenn ich nicht...«

Tristan schüttelte energisch den Kopf und sah Nick beinahe schon flehend an. »Hör' auf, mich zu quälen. Ich weiß, was ich will, und ich will es von dir. Nur von dir.«

»Verdammt«, fluchte Nick leise, zwischen Sorge und Nachgeben hin und her schwankend und da beschloss Tristan nachzuhelfen. Er schob eine Hand zwischen Nicks Beine und griff zu, was den zischend nach Luft schnappen ließ, bevor er ihn erregt ansah.

»Schlaf mit mir«, flüsterte Tristan eindringlich und schob sich erneut und soweit er konnte, Nicks Fingern entgegen, um dann seine Muskeln anzuspannen, während er Nick mit den Fingern streichelte. Er ließ den Daumen dabei provozierend langsam über dessen feuchte Spitze gleiten, woraufhin Nicks ganzer Körper erbebte und der mit einem Stöhnen die Augen schloss. Tristan wusste genau, wie er sein Ziel erreichen konnte, er hatte schließlich genügend Zeit gehabt, Nicks Körper und dessen Reaktionen auf jegliche seiner Berührungen kennenzulernen. Es war ihm egal, dass es zuerst ungewohnt, vielleicht sogar schmerzhaft, sein würde. Er hatte genug darüber gelesen und es gab für alles ein erstes Mal im Leben. Wenn er Nick nicht gleich bekam, würde er rabiat werden. »Ich will, dass du mich liebst, Nicky. Jetzt.«

»Wie kann man nur so ungeduldig sein?«, knurrte Nick halbherzig und schaute lächelnd auf ihn hinunter, um gleichzeitig die Finger aus ihm zu ziehen.

Tristan schnaubte und ignorierte das Gefühl der Leere in sich, um Nick stattdessen liebevoll zu streicheln, während er ihm dabei zusah, wie er Kondom und Gleitgel an Ort und Stelle brachte. »Ich fessle dich ans Bett, wenn du mich noch länger warten lässt«, kam er der Frage zuvor, ob er sich wirklich sicher war, die Nick ihm gerade stellen wollte, dessen Gesichtsausdruck sprach Bände. »Ich liebe dich.«

»Ich liebe dich auch«, flüsterte Nick und küsste ihn, während er sich in Position brachte.

»Wow«, murmelte Tristan in die Stille ihres Schlafzimmers hinein und drehte den Kopf zu Nick, der ihn lächelnd ansah. »Wann können wir das wiederholen?«

Nick lachte leise und stützte sich neben ihm auf einem Ellbogen ab, bevor er sagte, »Heute nicht mehr, das würde dir dein sexy Hintern übelnehmen«, und ihm zärtlich über die Wange strich. »War es so, wie du es dir vorgestellt hast?«

»Besser«, antwortete Tristan ehrlich, obwohl er seine Ungeduld verflucht hatte, weil es anfangs doch recht ungewohnt gewesen war. Aber Nick hatte ihm alle Zeit der Welt gelassen, um sich daran zu gewöhnen und das, was dem anfänglich seltsamen Gefühl schließlich gefolgt war, hatte das tausendfach wieder aufgewogen. »Dass es sich so anfühlen würde...« Er schüttelte ungläubig den Kopf und schaute fragend zu Nick. »War es bei deinem ersten Mal auch so... so...? Ich weiß nicht, wie ich es ausdrücken soll.«

»Anfangs fühlte es sich merkwürdig an, aber dann... als ich mich daran gewöhnt hatte...« Nick lächelte. »Es war neu, heftig, und es war gleichzeitig wunderschön.« Nick zwinkerte ihm zu. »Und es wird mit jedem Mal besser.«

»Wusste Adrian eigentlich, dass du ihn liebst?«, fragte Tristan, ohne darüber nachzudenken und verfluchte sich im nächsten Moment dafür. »Tut mir leid. Ich wollte nicht...«

»Ja«, unterbrach Nick ihn leise, bevor er die Frage zurücknehmen konnte, und brachte ihn dazu, sich mit dem Rücken zu ihm auf die Seite zu legen. »Und er hat es ignoriert.«

»Warum?«, hakte Tristan ebenso leise nach und lächelte, als Nick sich an ihn schmiegte. »Klette.« Nick schnaubte in seinen Nacken. »Was denn? Stimmt doch.«

Mit Nick gemeinsam in einem Bett zu schlafen, war immer noch ein Abenteuer, denn während er aus jeder Bettdecke ein Knäuel machte, klammerte sich Nick im Schlaf an ihm fest, sodass er sich morgens oft genug erst mal aus dessen Armen freikämpfen musste. Was bereits mehr als einmal in einer wilden Kissenschlacht geendet war, die er liebte. So wie er Nick liebte. Tristan sah über seine Schulter und begegnete dessen nachdenklichem Blick.

»Entschuldige. Ich hätte nicht fragen sollen.«

Nick küsste ihn auf die Schulter, bevor er sagte, »Adrian wusste es schon, bevor ich es wusste, und er hat es ignoriert, weil es so nicht mit uns funktioniert hätte. Ich liebe ihn, das werde ich für den Rest meines Lebens tun. Aber ich liebe ihn nicht auf die Art, wie ich dich liebe, und wie es für eine Beziehung sein sollte. Das wusste er von Anfang an. Und weil er mehr Herz hat, als er zugeben würde, hat er mich freigegeben. Deinetwegen, Tris. Damit ich um dich kämpfen konnte, nachdem ich so bescheuert war und dich fast aus meinem Leben vertrieben hätte.«

Tristan bekam eine Gänsehaut. Da war soviel Liebe in Nicks Augen und vor allem in seinen Worten, er konnte nicht anders, als ihn zu sich zu ziehen und zu küssen. »Ich liebe dich«, flüsterte er an Nicks Lippen, nachdem sie sich wieder voneinander gelöst hatten. »Und ich gebe dich nie mehr her.«

»Wirklich? Nie mehr?« Nick sah ihn amüsiert an. »Selbst wenn ich graue Haare und falsche Zähne habe, und einen Krückstock brauche?«

Tristan prustete los. »Du bist echt unmöglich, Nicky.«

Der grinste ihn frech an. »Ich weiß. Und dein unmöglicher Freund fragt sich gerade, ob er dich wohl dazu überreden kann, mit ihm zu schlafen.«

Tristan war irritiert. »Aber du hast doch gerade noch gesagt...« Er brach mitten im Satz ab, als der Groschen fiel. »Oh.« Nick warf ihm ein verschmitztes Lächeln zu. »Ähm, dir ist klar, dass ich das noch nie gem...«

Weiter kam er allerdings nicht, denn Nick rutschte ein Stück zur Seite und drehte ihn dabei auf den Rücken, um sich danach einfach auf seine Hüfte zu setzen. Tristan spürte, wie er umgehend darauf reagierte und Nicks Grinsen machte ihm klar, dass der das genauso spürte und es ihm überaus gut gefiel. Kein Wunder. Sein Körper war ein Verräter, aber Tristan würde den Teufel tun und sich darüber beschweren. Jedenfalls nicht ernsthaft.

»Das ist eine unfaire Taktik«, meinte er daher und biss sich mit einem lauten Keuchen auf die Unterlippe, als Nick ein Stück tiefer rutschte und sich an ihm zu reiben begann. Tristan stöhnte auf und legte seine Hände an Nicks Seiten, um dessen Bewegungen ein wenig zu steuern. »Eine wirklich sehr, sehr unfaire Taktik.«

»Soll ich aufhören?«, wollte Nick süffisant grinsend wissen, sie beide dabei mit einer Hand umfassend, während er sich vorbeugte und mit der zweiten Hand neben seinem Kopf abstützte, um sich über die Lippen zu lecken. »Oder soll ich dich lieber küssen? Überall und nirgends, bis du an nichts Anderes mehr denken kannst, als mir den Verstand aus dem Kopf zu ficken.«

Verdammt. Er liebte es, wenn Nick so redete. Tristan legte eine Hand in dessen Nacken, um Nick zu sich runter zu ziehen, bis sie Nase an Nase waren. »Hoffentlich musst du heute nicht vor Gericht erscheinen.« Nick sah ihn neugierig an, was Tristan grinsen ließ. »Wenn ich mit dir fertig bin, wirst du nicht mehr vernünftig auf einem Stuhl sitzen können.«

Nicks darauffolgendes Grinsen als schmutzig zu bezeichnen, wäre eine schamlose Untertreibung gewesen. »Ach ja? Na dann zeig mal, was du kannst«, forderte Nick ihn heraus und küsste ihn, während er gleichzeitig den Druck seiner Hand langsam und stetig erhöhte, bis sie gemeinsam aufstöhnten und Tristan mit einer Hebelbewegung dafür sorgte, dass Nick unter ihm zu liegen kam.

»Dein Wunsch ist mir Befehl«, meinte er und schob sich zwischen Nicks Beine, die der auch willig für ihn spreizte. Diese Nacht der ersten Male war definitiv noch nicht vorbei.

Am Anfang steht das Wort

Connor weiß, dass man miteinander reden muss, um eine Beziehung lebendig zu halten. Er weiß auch, dass Daniel und er noch einiges zu lernen haben, was das betrifft. Er hat nur nicht erwartet, dass es so schwer sein würde,

den ersten Schritt zu tun.

Florida soll im Frühjahr wunderschön sein.

Nicht zu heiß, nicht zu feucht – genau das richtige Wetter für uns. Zumindest hatte ich mir das so gedacht, als ich die zwei Wochen Urlaub buchte und ihn Daniel zu seinem Geburtstag im Dezember schenkte.

Das ist jetzt einen Monat her und so wie Cumberland seit Tagen im Dauerregen und Sturm versinkt, versinkt auch Daniel immer mehr in sich selbst. Das ist der schlimmste Winter seit Jahren und zwar nicht nur wegen diesem Mistwetter. Normalerweise haben wir Schnee. Über Weihnachten lag auch welcher, aber da war ich zu sehr damit beschäftigt mir Sorgen um Daniel zu machen. Das tue ich immer noch und wenn er heute aus der Bank kommt, werde ich ihm sagen, dass ich den Urlaub storniere, damit er endlich aufhört so unglücklich auszusehen, wenn er sich unbeobachtet fühlt.

Wie konnte ich nur so dumm sein? Ich habe wirklich gedacht, es wäre eine gute Idee und würde Daniel gefallen. Wir waren noch nie zusammen im Urlaub. Florida ist nicht zu weit weg von hier, aber gleichzeitig fast wie eine andere Welt. Ich habe sogar extra den Frühling ausgesucht. Im Sommer ist es in Florida viel zu heiß, als dass Daniel sich mit seinen Narben wohlfühlen könnte und genau die sind das Problem. Selbst Schuld. Ich habe nicht daran gedacht. Ich habe es nicht einmal kommen sehen. Er geniert sich nicht mehr vor mir, meinen Eltern oder den Menschen hier. Aber Cumberland ist nun mal Cumberland und nicht der Sonnenstaat Florida.

Er hat mir nicht gesagt, dass er nicht fahren will. Aber das war gar nicht nötig. Sein Gesicht hat Bände gesprochen und seither ist die Stimmung zwischen uns angespannt. Wir streiten nicht, was wohl besser wäre, denke ich, aber wir sind einfach verstummt. Ich finde keine Worte, weil ich nicht weiß, was ich sagen soll oder besser, was ich sagen kann, und Daniel grübelt. Tagein, tagaus überlegt er und ein paar Mal sah es aus, als würde er das Wort ergreifen, aber er hat es nicht getan.

Stattdessen entwickelt er sich vor meinen Augen zurück zu diesem unsicheren Mann, der mir damals sauer hinterher rief, als ich beim Autofahren nicht aufgepasst und ihm eine volle Ladung Regenwasser verpasst habe. Das muss sofort aufhören. Daniel hat sich weit nach vorn entwickelt. Er ist glücklich hier. Mit mir und seinem Leben. Ich werde nicht zusehen, wie er wieder unglücklich wird, nur weil ich so ein Trampel bin. Vielleicht haben Tristan und Nick Lust auf zwei Wochen Florida. Dann würde ich um die horrenden Gebühren beim Stornieren herumkommen, außerdem haben die beiden nach ihrem total chaotischen Beziehungsstart eine Verschnaufpause verdient. Um Emma und Tasha können wir uns ja derweil kümmern.

Himmel noch mal, wie konnte mir das nur passieren? Ich habe doch immer einen so guten Draht, wenn es um Daniel geht, warum habe ich nicht daran gedacht, was so ein Urlaub für ihn bedeutet? Was es in seinen Augen heißt, mit kurzen Sommerklamotten herumzulaufen, sich vielleicht an einen Strand zu legen? Medizinisch darf er es, daran liegt es nicht. Psychisch allerdings sieht die Sache ganz anders aus. Daniel hat Angst. Vor den Blicken der Leute, vor vielleicht dummen Kommentaren, oder, und ich glaube, das wäre das Schlimmste für ihn, vor neugierigen Fragen.

Dabei hatte ich nicht einmal darüber nachgedacht an den Strand oder ins Meer zu gehen. Ich war eher auf die beiden Nationalparks und Fort Jefferson aus. Vor allem die Everglades sollen wunderschön sein. Dazu etwas Sightseeing in Miami oder Orlando und vielleicht ein Besuch im Freizeitpark. Ansonsten, einfach Urlaub und entspannen. Mehr nicht. Das hätte ich Daniel allerdings vorher sagen sollen, schätze ich, denn wie die meisten Menschen verbindet er Florida automatisch mit Sonne, Strand und Meer. Diese Einsicht kommt nur leider ein paar Wochen zu spät.

Unser Telefon klingelt und reißt mich aus meinen Schuldgefühlen.

Ich habe zwar keine Lust abzunehmen, aber es könnte ja durchaus wichtig sein. »Wer stört?« Kurzes Schweigen, dann lacht Tristan, und ich bin umgehend genervt. »Hast du nichts zu tun?«, fahre ich Tristan an, was mir sofort wieder leidtut, aber da ist es zu spät.

»Ich dachte mir schon, das was im Busch ist. Ich habe seit Tagen so ein komisches Gefühl«, kontert er ernst und der Drang, den Kopf auf die Tischplatte zu schlagen, wird fast übermächtig. Wie macht er das bloß immer?

Eigentlich sollte ich schreiben. Stattdessen sitze ich schon den ganzen Morgen in unserer Küche. Seit Daniel nach dem Frühstück zur Arbeit gegangen ist. Ich habe weder den Tisch abgeräumt, noch Zeke seinen Spaziergang gegönnt. Deswegen liegt er auch beleidigt unter dem Küchentisch. Er ist genauso sauer auf mich, wie ich es selbst bin, aber, und dabei will ich es gar nicht, ich bin auch sauer auf Daniel. Zumindest ein bisschen.

Wieso hat er kein Vertrauen zu mir, was diesen Urlaub angeht? Er weiß doch, dass ich Rücksicht auf ihn nehme. Wenigstens sollte er das wissen. Wieso redet er nicht mit mir? Er hat Angst, ist völlig unsicher und hat vermutlich jede Menge Bedenken wegen Florida, und trotzdem schweigt er. Das tut weh. Viel mehr, als ich mir hier und jetzt zugestehen will. Fällt es mir deshalb so schwer, den Schritt auf Daniel zuzugehen, mit ihm zu reden? Oder warte ich insgeheim darauf, dass er es tut? Ich bin mir absolut nicht sicher, und das gefällt mir nicht.

»Raus damit, Con!«

Ich könnte einfach auflegen und...

»Wenn du jetzt auflegst, steige ich sofort ins Auto und komme rüber.«

»Mist, verdammter!«

Tristan lacht leise, bevor er mich liebevoll, aber doch mehr als eindringlich drängt, ihm endlich zu erzählen, was los ist. Das tue ich dann auch, weil alles Andere sinnlose Zeitverschwendung wäre. Wenn Tristan einmal Lunte gerochen hat, lässt er nicht locker, bis er weiß, was passiert ist. Er fragt, hört zu, fragt nach, hört zu. Kein Verurteilen, kein in Schubladen stecken. Er hört einfach zu, macht sich seine Gedanken und spricht diese am Ende aus. Da ist er rigoros, auch wenn mir oft nicht gefällt, was er zu sagen hat. Das ändert allerdings nichts, weil ich später allgemein einsehe, dass er Recht hat.

»Und warum sagst du ihm das nicht einfach?«

»Keine Ahnung.« Ich seufze leise. »Warum tut er es nicht?«

»Das solltest du Dan fragen, nicht mich«, hält Tristan dagegen, was nicht gerade hilfreich ist.

Soweit war ich auch schon, aber ich will es nicht. Dan ist dran, den Mund aufzumachen. Ich stolpere innerlich über meinen letzten Gedanken. Gott, bin ich dämlich. Dan ist dran. Das ist Unsinn für Kinder, nicht für erwachsene Leute. Wenn das so weitergeht, fange ich noch an zu schmollen wie ein beleidigter Teenager. Wenn ich es mir recht überlege, tue ich es schon, glaube ich. Herrgott.

»Wahrscheinlich denkt er wirklich, du willst die zwei Wochen am Strand herumhängen. Stattdessen hast du vor, eine Art von Roadtrip zu machen, was auch logisch ist, weil ich bezweifle, dass Dan sich jemals wieder an einen öffentlichen Strand wagen wird. Himmel noch mal, Connor. Rede mit ihm, kleiner Bruder, mehr musst du gar nicht tun. Normalerweise kriegst du die große Klappe kaum zu und bei so etwas Wichtigem passiert das Gegenteil?«

Es ist wohl besser, wenn ich darauf nicht antworte, sonst könnte Tristan dahinterkommen, dass ich ein kleines bisschen wütend auf Daniel bin, weil der...

»Connor?«

»Hm?«, frage ich ahnungsvoll.

»Mal abgesehen von der Tatsache, dass du ein Blödmann bist, kann es außerdem sein, dass du wütend bist?«

»Ich bin wütend, weil ich ein Idiot bin«, gebe ich ihm Recht, es ist nur nicht das, was Tristan gemeint hat. Allerdings bin ich im Ablenken nicht gerade gut, was seine nächsten Worte beweisen.

»Davon rede ich nicht, Con.«

»Ich verstehe nicht, was du meinst«, wiegle ich ab, habe aber so das Gefühl, dass Tristan sich das nicht gefallen lassen wird.

»Doch, ich glaube, das tust du. Und willst du auch wissen, warum ich das glaube?«

»Nein?«

Tristan lacht kurz. »Du weichst mir jedes Mal so plump aus, wenn du weißt, dass ich weiß, was in deinem Dickschädel los ist.«

Darauf sage ich nichts mehr, was Tristan sehr wohl Antwort genug ist, aber er hat ausreichend Taktgefühl, um es mir nicht unter die Nase zu reiben. Normalerweise neckt er mich mit solchen Dingen immer, aber so wie Tristan spürt, wenn irgendetwas im Busch ist, spürt er auch, wenn es nicht der richtige Zeitpunkt für Rumalbereien ist.

Ich bin wütend auf Daniel, so wie ich wütend auf mich bin, und ich schäme mich dafür, gerade weil ich weiß, wie unsicher Daniel ist. Es fällt ihm nun mal nicht leicht, immer ehrlich und offen zu sein. Dazu hat er aus seinem Leben zu lange ein Geheimnis gemacht. Jahrelanges Verdrängen und Angst haben, kann ein Jahr Beziehung zu mir nicht ungeschehen machen. Es wird immer Gelegenheiten geben, an denen er zögern wird, mir direkt ins Gesicht zu sagen, was los ist. Das ist mir sehr wohl klar und trotzdem bin ich genau deshalb beleidigt. Manchmal verstehe ich mich selbst nicht.

Mein Seufzen lässt Zeke aufsehen. »Ich bin so dämlich.«

»Nein, bist du nicht«, widerspricht Tristan. »Aber du wirst ewig warten müssen, wenn du denkst, Dan kommt damit von allein zu dir. Soweit ist er noch nicht. Also rede mit ihm. Sei ehrlich. Sag' ihm offen, was in dir vorgeht. Was du denkst und fühlst.«

Ja, klar, damit er sich total in sein Schneckenhaus zurückzieht und die nächsten Jahre nicht mehr herauskommt? »Damit er sich noch schlechter fühlt, als ohnehin schon?«

Tristan flucht. »Nein, du Idiot. Damit er begreift, dass du ein Mensch bist, mit denselben Gefühlen wie er. Du kannst nicht immer nur auf ihn Rücksicht nehmen, Connor. Das macht dich kaputt.«

»Aber...«

»Hat es nach deiner Vergewaltigung bei mir funktioniert?«

Ich zucke zusammen und schweige.

»Eben«, beantwortet sich Tristan daraufhin die Frage selbst. »Du liebst ihn und du bist da für ihn, das weiß Dan. Aber es darf kein Dauerzustand sein, dass du immer wie auf Eierschalen um ihn herum tänzelst. Er muss dir offen sagen, was ihm wegen Florida im Kopf herumgeht und du musst ihm offen sagen, dass es dir wehgetan hat, dass er solange geschwiegen hat, ganz einfach. Vor Problemen läuft man nicht davon, Con. Dass das nicht gutgeht, wissen wir beide nur zu gut.«

»Ich wünschte, ich könnte es.«