Knochentief - Sabine Benda - E-Book

Knochentief E-Book

Sabine Benda

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Beschreibung

Knochentief In diesem packenden Roman erleben wir einen Privatdetektiv, der sich in einem Netz aus Intrigen und Verstrickungen verfängt. Die Geschichte ist bisweilen bitter und der Tonfall knallhart. Doch gerade diese Kombination aus Sex, Crime und Mystery macht "Knochentief" zu einem fiesen und unterhaltsamen Lesevergnügen. "Knochentief" besticht durch seine packende Kürze und Würze. Die Geschichte ist so intensiv und mitreißend erzählt, dass man das Buch kaum aus der Hand legen kann. Und am Ende stellt man sich die Frage: War wirklich alles so, wie man vermutete? Oder steckt noch viel mehr dahinter?

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 122

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Sabine und Thomas Benda

Knochentief

Ein knallharter Mystery-Thriller voller Spannung und Intrigen um eine faszinierende Millionärin.

 

 

 

Dieses ebook wurde erstellt bei

Inhaltsverzeichnis

Titel

Knochentief

1. Würzig

2. Torfig

3. Spritzig

4. Knusprig

5. Männlich

6. Neugierig

7. Überwältigt

8. Überrascht

9. Rätselhaft

10. Kloakig

11. Tödlich

12. Dreckig

13. Süß

14. Blind

15. Nass

16. Leer

17. Fiebrig

18. Okkult

19. Rot

20. Komatös

21. Namentlich

22. Sprachlich

23. Verfickt

24. Knochentief

Der Schluss

Über die Autoren:

Impressum neobooks

Knochentief

Mystery-Thriller

Sabine & Thomas Benda

IMPRESSUM

© 2025 Sabine Benda, Thomas Benda

Korrektorat und Lektorat: Sabine Benda

Coverdesign: Sabine Benda

Sabine und Thomas Benda

Josef-Schemmerl-Gasse 16

A-2353 Guntramsdorf

E-Mail: [email protected]

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt.

Hinweis der Autoren: Unsere Bücher sind nur für Erwachsene geeignet!

25.06.2025

1. Würzig

Damals.

Die Flammen züngelten gierig in den Nachthimmel, hatten alles zerstört, was ihm lieb und teuer ge­wesen war. Er kniete auf dem Asphalt, auf dem sich das Löschwasser der Feuerwehr in großen Pfützen sammelte. Die tröstenden Worte des Polizisten, der bei ihm stand, nahm er kaum wahr.

Nur eines war allgegenwärtig für ihn.

Der Geruch.

Verbranntes Fleisch.

Heute.

Es gehörte auf dem Straßenstrich nicht zu den übli­chen Praktiken, doch er stand darauf und war bereit, da­für ein wenig mehr zu zahlen. Manchmal bereute er es, manchmal nicht – heute Nacht tat er es. Seine Zunge schmeckte nach Fotzenwürze, wie er es nannte. Er hasste es, wenn sie kurz vorm Ficken in irgendeiner gottverlassenen Hinterhofgasse gepinkelt hatten.

Was soll das?, fragte er sich. Hat sich bei den Mäd­chen noch nicht herumgesprochen, dass man mit Pissgeschmack keinen Freier zum Wiederkommen einlädt? Bienen fängt man schließlich auch mit Honig, nicht mit Essig!

Harald »Harry« Deckmann beschloss, den üblen Geschmack später zu neutralisieren. Nirgends konnte man das besser als in den städtischen Randzonen. Dort gab es in einem besonders dreckigen Straßenviertel eine Kneipe, die eine Sonderlizenz für nächtlichen Aus­schank nach 02:00 Uhr hatte.

Harry beobachtete die junge Hure, die auf seinem Beifahrersitz hockte und ihre kleinen Brüste in einen viel zu engen BH zwängte. Eine milchweiße Flüssigkeit tropfte an der einen Brustwarze herab, ehe sie hinter dem schwarzen Körbchen verschwand.

»Milcheinschuss?«, fragte er knapp. Seine sonore Stimme passte zu dem buschigen Schnurrbart, der eine hässliche Narbe aus der Jugendzeit verbarg.

»Du sagst es!«, antwortete die blasshäutige Studentin, die sich als Hobbyhure am Wochenende über Wasser hielt. »Hat mir ein Prof angehängt – und will natürlich nicht zahlen wegen seiner Alten!«

Harry überlegte laut. »Ein Prof?«

Die Blondierte lachte. »Sag mal, lebst du hinterm Mond? Prof ist das Kürzel für Professor. Ich bin an der Uni im Stadtzentrum eingetragen.«

»Was studierst du denn?«, hakte der Mann interessiert nach, öffnete das Handschuhfach, suchte nach einer Schachtel mit Filterlosen.

»Germanistik.«

Harry schob sich eine Zigarette in den linken Mundwinkel und ließ das Sturmfeuerzeug aufflammen. Nach dem ersten tiefen Zug reichte er ihr den Glimmstängel hin.

Sie lehnte ab. »Danke. Ich hab seit der Schwangerschaft damit aufgehört.«

»Sollte ich auch«, meinte Harry und zog an der Filterlosen. »Hab nur noch einen Flügel.«

»Flügel?«

»Lunge«, informierte er sie und hüstelte wie aufs Stichwort.

»Krebs?«

»Nope, Süße. Das war Blei.«

Die Hure wirkte ratlos. »Kapier ich nicht!«

»Na, eine Kugel«, klärte er sie auf. »Ein Wichser hat letztes Jahr auf mich geballert.«

»Scheiße, bist du ein Bulle?«, wurde sie besorgt in der Stimmlage. »Nimmst du mich jetzt fest, weil ich illegal anschaffen gehe?«

»Sehe ich so aus?«

»Eigentlich nicht.«

»Ich bin ja auch kein Bulle«, gab er zu und wirkte väterlich fürsorglich, was sie vermisste. »Die Cops«, gestand er, »können mich auch nicht leiden. Ich bin ein störender Privatschnüffler.«

Sie glotzte, was sehr niedlich aussah, wie er feststell­te. »Du bist ernsthaft Privatdetektiv?«

»Seit 30 Jahren.«

»30?«

Er blickte erheitert, dass seine grünen Augen glänz­ten. »Ja, es gibt solch alte Menschen außerhalb der Uni!«

Sie zog sich ihr Shirt zurecht und musterte Harry von der Seite. Dabei klappte sie den Spiegel an der Sonnenblende herunter, ein Licht ging an. Die Blondierte richte­te mit ihren feinen Fingern ihr langes, zerwühltes Haar. »Wie alt bist du denn?«, wollte sie wissen.

Die keck betonte Frage reizte ihn zu einer Gegenfra­ge. »Was schätzt du?« Er fuhr sich absichtlich über den Schnäuzer und legte den Kopf schief und blinzelte.

»Ehrlich oder charmant?«, forderte sie ihn spielerisch heraus.

»Ehrlich natürlich«, antwortete er. »Ich bin Privatdetek­tiv. Wahrheiten gehören zu meinem Job. Ich verkrafte das. Ich verkrafte einfach alles.«

Sie kramte einen sündig roten Lippenstift aus ihrer Handtasche und zog die Lippen nach. Schließlich erwiderte sie: »Nun, du erinnerst mich stark an meinen Vater. Er hat auch einen Bart wie du! Sagen wir mal, du bist 45!«

»Glück gehabt!«, konterte er und schnaufte theatralisch aus. »Mit beidem.«

Sie zeigte feine Runzeln auf der glatten Stirn. »Wie – mit beidem?«

»Ich bin volle 50, und ich bin glücklicherweise nicht dein Vater, sonst hätten wir hier drin ein unmorali­sches Dilemma.«

Sie lachte amüsiert, was ihm wiederholt gefiel.

»Du bist eine witzige Nummer für einen Bullen.«

»Ich bin Detektiv«, verbesserte er sie sanft.

»Für mich kein Unterschied. Ich bin das Mädel, das sich gegen Geld von jedem vögeln lässt.«

»Soll ich dich an deine Ecke zurückfahren?«

»Danke, aber nicht nötig! Zwei Straßen weiter gibt’s einen Sammelpunkt. Ich kenne die Frauen dort. Die sind okay. Zuvor such ich noch die Kirche auf, die gegenübersteht.«

Harry zog drei grüne Scheine aus seinem Portemonnaie. »Hier, nimm! Für dich und dein Kind!«

»Das ist zu viel«, staunte sie.

»Geld ist nicht mein Problem«, erwiderte er. »Deines schon.«

Sie nickte ihm zu, nahm die Scheine und steckte sie in die Tasche.

»Kirche?«, fragte er, weil ihn das Thema ansprang.

Die Hure nickte wieder. »Klar, ich bin gläubig. Ich bin katholisch.«

Das verwunderte ihn. »Du bist katholisch?«

»Aber hallo!«, entgegnete sie frech. »Ja, es gibt katholische Huren – weltweit!« Sie blickte ihn abschätzend an. »Haben Privatschnüffler keinen Glauben?«

»Hab ich mir abgewöhnt«, meinte er. »Ist vor ein paar Jahren verbrannt.«

»Schade«, sagte sie. »Einen guten Glauben kann man immer brauchen, besonders in dieser kaputten Welt.« Die junge Frau öffnete die Beifahrertür. »Also, bis neulich!«, winkte sie.

Er hielt sie zurück. »Noch ein Tipp, Kleine! Pissgeschmack kommt nicht gut, denk dran, okay?«

»Du bist der erste Freier, der meine Ritze lecken durf­te. Aber: Danke für den Hinweis! Tschüss, und bleib selbst sauber, du süßer Fünfziger!«

Fröhlich hüftwackelnd verschwand sie aus seinem Sichtbereich, und Harry war wieder alleine mit sich und seinen Gedanken.

Whisky, dachte er und fuhr los.

2. Torfig

Es hatte sanft zu regnen begonnen, und die Scheibenwischer spielten ein eintöniges Konzert.

Harry Deckmann setzte den Blinker und bog mit sei­nem schwarzen SUV in eine der vielen Seitenstraßen ein, die wie unbedeutende Arme von den meist überfüll­ten Hauptstraßen abgingen. Die breiten Reifen seines geräumigen Wagens durchfuhren ölig schimmernde Pfützen. Der rissige Belag des Asphaltes mit den Schlaglöchern darin, die rostigen Müllcontainer rechts und links sowie die fiependen Ratten, die im Kegel des Schein­werferlichts auftauchten, kennzeichneten die Verwahrlo­sung des Stadtviertels. Harry liebte diese Armutsbezirke der Millionenstadt; er selbst war im kränkelnden Süden aufgewachsen. In diesen sozialen Graubereichen herrschte wenigstens eine brutale Ehrlichkeit, die man im Glanz der Innenstadt und im schillernden Licht der Masken und Lügen nicht mehr finden konnte. Ja, er lieb­te diese pure Ehrlichkeit, auch wenn diese Ehrlichkeit den bitteren Nachgeschmack von Gewalt und Hitze in­nehatte.

Whisky, dachte er erneut.

Es war 03:00 Uhr in der Nacht, und wie der Detektiv richtig vermutet hatte, konnte man um diese verdammte Selbstmörderzeit direkt am Gehsteig vor der schäbigen Eck-Bar parken. Warum Selbstmörderzeit? Harry hatte irgendwann einmal in einer Zeitschrift der Regenbogenpresse gelesen, dass statistisch gesehen die meisten Menschen zwischen 03:00 Uhr und 04:00 Uhr in der Früh Selbstmord begehen würden. Harry hielt solche Statistiken für unterhaltsamen Humbug, um die Wartezeit beim Zahnarzt zu verkürzen. Er hasste Zahnarztbesuche wie seinen fehlenden Lungenflügel oder den verstärkten Harndrang, den er hin und wieder verspürte. Dabei fiel ihm ein, dass die Vorsorgeuntersuchung bei seinem Urologen längst fällig war.

Nachdem er den SUV abgestellt hatte, betrat er die Bar.

Einen schmalzigen Song aus einer Zeit, in der es üblich gewesen war, von roten Lippen und immerwährender Liebe zu singen, nahm er zeitgleich mit dem billigen Parfum wahr, das gestrandete Single-Frauen, meist depressive oder geschiedene, ausdünsteten. Zwei dieser weiblichen Schicksale befanden sich kichernd und lallend am Tresen und ließen sich von nicht minder abgestürzten Männern mit erhitzten Gesichtern unterhalten. Weiter hinten im dunstigen Raum saßen drei ungepflegte Kleiderschränke an einem runden Tisch und hielten abgenutzte Spielkarten in ihren Wurstfingern.

Skat. Harry konnte damit nichts anfangen. Seine Leidenschaft galt dem Lösen von Kreuzworträtseln oder einem guten Buch von Ernest Hemingway. Er dachte kurz daran, dass er seinen Mitgliedsausweis bei der Stadtbibliothek verlängern lassen musste.

Ein Kotzgeräusch ließ den Mann nach rechts blicken. Ein blasser Vollbart mit Tätowierungen am Schweinenacken hatte wohl zu viel intus. Sein Kumpel schob ihm rasch einen geleerten Bierkrug zum breiigen Auffüllen hin.

Harry hasste diese Säufer, die kein Maß halten konnten. Für ihn musste ein Mann wissen, wann Schluss war. Wusste er es nicht, war er für Harry ein erbärmlicher Waschlappen. Alkohol konnte zu einer Geliebten mit Tripper werden. Der Mann wusste dies aus eigener Erfahrung. Er wandte sich angewidert vom sauren Ge­ruch ab und schritt zur Theke hin.

Sein Blick ließ es nicht zu, dass man wegsehen konn­te. »Whisky, torfig im Abgang, pur, ohne Eis, ohne Was­ser, drei Finger breit – und das Glas muss sauber sein!«

Der drahtige Barmann mit dem fehlenden Zahn und der feuchten Aussprache meinte: »Unsere Gläser sind immer sauber, mein Herr!«

»Wenn ich Ihre Kundschaft betrachte, hege ich Zweifel«, lästerte Harry lustig und zog sich einen Barhocker heran.

»Sie sind doch ebenfalls hier, oder?«, konterte die Zahnlücke und zwinkerte. »Es ist eben die Zeit der Einsamen und der Gestrandeten.«

Harry musterte den Barmann, spitzte die vollen Lippen und dachte an das Feuer vor zehn Jahren. Der Geruch des verbrannten Fleisches biss sich in seiner Nase fest, obwohl es unmöglich war. Der Barmann hatte recht – einsam und gestrandet war auch er. Was maßte sich Harry an, besser sein zu wollen als diese anderen Schatten der Nacht? Die waren in ihrer Einsamkeit wenigs­tens in Gesellschaft, doch er hatte nur seine Erinnerung an das verbrannte Fleisch.

»Punkt für Sie!«, gab er zu und strich sich seinen Schnurrbart glatt. »Wie heißen Sie?«

»Benny«, antwortete der Barmann.

»Gut, Benny! Und jetzt hätte ich gerne meinen Drink.«

Aus den Lautsprechern der Jukebox sang ein Mann herzergreifend über dunklen Wein aus Griechenland, ein anderer hielt ein Schäferstündchen im Korn­feld für eine geile Nummer. Harry hatte seinen ersten torfig schmeckenden Whisky leergetrunken, bestellte bei Benny einen weiteren und wünschte sich Jazz aus der Jukebox. Er wusste, dass das nur das Wunschden­ken eines einsamen Privatdetektivs war.

Nach dem dritten Glas verschwanden der quälende Fleischgeruch aus der Vergangenheit und die schlim­men Bilder in seinem angenehm benebelten Kopf. Dolo­res und das Kind waren kurzzeitig begraben. Sie wür­den ganz gewiss wiederkommen.

»Noch einer, mein Herr?«, fragte Benny und hielt ihm die Flasche mit dem Torfigen hin.

»Nein, ein Mann muss sein Maß kennen«, meinte Harry. »Was bin ich schuldig?«

»24,95 für die drei – ohne Trinkgeld!«, antwortete die Zahnlücke hinter dem Tresen.

Harry blätterte ihm drei Scheine hin. »Stimmt so.«

»Beehren Sie uns bald wieder«, wünschte der Bar­mann ihm zum Abschied.

»Ist anzunehmen«, überlegte Harry laut und wollte die Bar verlassen.

An der Tür ins Freie passten ihn ein rot geschminkter Mund und sehr ausladende Brüste ab. Harry stand auf offensichtliche weibliche Angebote, wenn es um Menge und Gier ging.

»Ich habe heute schon bei einer Nutte abgedrückt«, gestand er der Frau nach einem kurzen Smalltalk. »Mein Sack und mein Geldbeutel haben ziemlich gelitten.«

»Ich bin doch keine Nutte!«, ließ sie ihn halb empört und halb amüsiert wissen. »Sehe ich etwa danach aus?«

Harry betrachtete sie von oben nach unten und wieder zurück. »Eigentlich schon«, sagte er. »Aber … wie eine richtig gutaussehende Nutte!«

»Tarnung ist alles!«, konterte sie. »Normalerweise maloche ich brav in einem Altenheim.«

Harry mochte ihre freche Art sofort, außerdem sah sie für die Gegend hier zum Anbeißen süß aus.

»Verheiratet?«, wollte er knapp wissen und konnte seine Augen nicht von ihren Rundungen lassen.

»Gott bewahre!«, entfuhr es ihr, gefolgt von einem heiteren Lachen. »Bist du es etwa?«

Sein Blick wurde kurz düster und ernst, hatte etwas Gefährliches, letztendlich etwas Trauriges. Diese Wandlung schreckte die Frau scheinbar nicht ab. Im Gegen­teil, denn sie ließ ihn keinen Moment aus den Augen.

»Nicht mehr«, erwiderte er schließlich und wurde wieder freundlicher im Gesicht. »Das Thema Ehe ist für mich durch. Es ist buchstäblich verbrannt.«

»Also dann«, freute sich die Schwarzhaarige. »Mein Name ist Mildred … Mildred Hope.«

Er stutzte. »Du nimmst mich auf den Arm, oder? Ist das dein Spitzname? Keiner in Deutschland heißt Mild­red Hope.«

»Doch!«, klärte sie ihn mit einem strahlenden Blau in den Augen auf. »Meine Eltern sind gebürtige Amerikaner.«

»Echte Amerikaner?«, hakte er nach und tat überrascht.

»Ja, aber man kann sie nicht zum Kaffee essen!«, konterte sie humorvoll, zeigte niedliche Grübchen in den Wangen.

Kurz schwiegen sie und verschmolzen mit ihren Au­gen. Beide schienen abzuwägen.

»Ich heiße Harry«, sagte er schließlich, um die Stille zu beenden. »Harry Deckmann.«

Mildred schmunzelte. »Dein Nachname verspricht schon mal gute Unterhaltung!« Dann schaute sie ihn auffordernd an: »Eine persönliche Frage, Harry Deckmann – wenn ich darf?«

Harry Deckmann blickte nicht minder auffordernd zurück: »Tu dir keinen Zwang an!«

Mildred Hope tat sich selbstverständlich keinen Zwang an: »Poppen wir uns bei dir oder bei mir die Seele aus dem Leib?«

3. Spritzig

Satte Regentropfen fielen vom Nachthimmel herab und prasselten gegen das spitz zulaufende Glasdach. Ein Geräusch, das viele an die eigene Kindheit erinner­te. Camping mit Vater und Mutter im Familienzelt. Die Ferien, als die Sommer noch wunderschön und endlos lange gewesen waren. In der Zeit vor dem entsetzlichen Klimawandel, den die Menschheit verbrochen hatte.

»Ich muss sagen, ich bin baff«, staunte die schwarzhaarige Mildred, nachdem sie weiblich gründlich ihren Blick über die Inneneinrichtung hatte schweifen lassen. »Du wohnst in einer schicken Loftwohnung mit einem extra sensationellen Glasdach – und das in der Innen­stadt! Deine Kanzlei muss gut gehen.«

Harry Deckmann legte eine Vinyl-Schallplatte mit Jazz-Variationen auf. »Ich kann nicht klagen«, antwortete er. »Übrigens heißt es Detektei, nicht Kanzlei. Ich bin ja kein Anwalt.«

»Ich Dummerchen«, schmunzelte die Frau und begutachtete die Ölgemälde an der Klinkerwand.

»Hat nichts mit dumm zu tun«, schwächte er ab und schritt auf sie zu. »Viele Menschen verwechseln solche Begriffe. Ist nicht tragisch.« Humorvoll schob er nach. »Ich habe dich ja auch für eine Nutte und nicht für eine Altenpflegerin gehalten.« Er grinste. »Verwechslungen sind menschlich – und andauernd passieren sie.«

Ein Saxophonist erfüllte mit seinem Sehnsuchtsspiel den Raum.

»Von wem ist das?«, fragte Mildred.