Mehr Mär vom Meer - Gudrun Anders - E-Book

Mehr Mär vom Meer E-Book

Gudrun Anders

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Beschreibung

Geschriebenes von Küstenfrauen und Meer-Liebhabern Herausgegeben von Gudrun Anders Lieben Sie das Meer? Dann begeben Sie sich mit dieser Anthologie auf die spannende Reise ans grenzenlose Meer der menschlichen Möglichkeiten, die ebenso vielschichtig sind wie die hier beschriebenen Erfahrungen der Mitwirkenden. Sie finden in diesem Buch kurzweilige Texte von Hobby- und auch Profi-Autoren über Meer-Erlebnisse: Impressionen des Meer-er-lebens, unterhaltsame Mitmach-Übungen, lustige und auch zu Herzen gehende Kurzgeschichten, nachdenklich stimmende Haiku und emotionsgeladene Gedichte, aber auch eine Fantasy-Geschichte und tiefgründige An- und Einsichten in den Lauf des Lebens. Lassen Sie sich überraschen von diesen herrlichen Ausflügen ans Meer und tauchen Sie ein in die vergnügliche Überfahrt und die lebendige Vielfältigkeit des meerlichen Daseins. Wir wünschen Ihnen viel Lesevergnügen, gute Erholung und Schiff ahoi! Mit Beiträgen von: Heidi Wallmeier Katja Driemel Rahel Alazza Marion Staar Eva Rochel Vera Klee Anita Ferraris Nadine Greve Martina Zühlke Serian T. Kallweit Barbara Hillmann Mandy Bertram-Plumm Gudrun Anders (Herausgeberin) und anderen.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

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Seitenzahl: 164

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Gudrun Anders

Mehr Mär vom Meer

Geschriebenes von Küstenfrauen und Meer-Liebhabern - Herausgegeben von Gudrun Anders

 

 

 

Dieses ebook wurde erstellt bei

Inhaltsverzeichnis

Titel

Impressum

Vorwort

Am Strand

Das Meer ist meine Seele

Ich liebe das Meer

Magie der Strände

Eine Budderfahrt

Marie

Mehr als ein Traum

Ostsee-Wind

... und es war Sommer

Im Bug

Eine Fantasiereise zum Meer

Auf zu neuen Ufern!

Der Rhythmus des Meeres

Das alte Haus am Meer

Altes Boot am Seeufer

Wilde Wasser

Ozean ist sein

Das Meeres-ABC

Der große Fang

Ein Ozean voller Liebe

Geboren aus dem Meer

Sommerliebe

Ein heilsamer Tag

Tiefe Strudel

Braucht es mehr am Meer?

Bedeutsamkeit

Meeressegen

Entschleunigung

Der Schatz

Hollywoodschaukel

Die mit dem Delphin schwimmt

Der Sonne entgegen…

Ein Neuanfang

Loslassen und endlich MEERzeit genießen

Das Meer

Ekstase

Die Meerprinzessin

HART am WIND

Die Ufer eurer Seele

Meer zum Mitmachen

Ein Traum wurde wahr

Am Wasser sein

Ach, das Meer…

Ich bin ein Ruderboot...

Nicht mehr lieben

Besser leben…

Im schwarzen Meer

Meer-Zeit ist mehr Zeit

Lust auf Meer

Sonnenuntergang

Schreiben Sie doch mal eine Strandszene

Der Stein am Strand

Mitwirkende

Noch mehr Mär vom Meer

Durch Schreiben ins Sein

Life is a story

Vom großen Glück des Schreibens

Impressum neobooks

Impressum

Mehr Mär vom Meer

Persönliche Geschichten, Märchen und Gedichte vom Meer

Geschriebenes von Küstenfrauen und Meer-Liebhabern | Herausgegeben von Gudrun Anders

Motibooks

© Alle Rechte und Copyrights bei der Herausgeberin bzw. den einzelnen Autor:innen.

Nachdruck - auch auszugsweise - nicht gestattet.

Erstausgabe: 12.06.2022

Bilder: Cover und Illustrationen © Pixabay.de. Illustrationen in den Texten von Heidi Wallmeier sowie persönliche Bilder sind von den Autor:innen selbst.

Korrektorat: Eva Rochel.

Kontakt zur Herausgeberin / Verlag:

Gudrun Anders | Email: [email protected]

www.motibooks.de | www.gudrun-anders.de | www.schreiben-und-sein.de

Vorwort

Gudrun Anders

„Wieso ein Buch mit Geschichten vom Meer?“, fragen Sie vielleicht. Das ist ganz einfach erklärt. Ich habe viele Jahre in Aachen gelebt – und da ist das Meer etwa zwei Stunden weit fort. Zu weit für ein Küstenkind …

Dabei habe ich kürzlich folgendes gelesen: „Rund 3,6 Milliarden Menschen oder 60 Prozent der Weltbevölkerung leben im Umkreis von 60 km von der Küste1.“ Wow – so viele! DAS hatte ich nicht erwartet. Vielleicht hatte mich meine Sehnsucht nach Meer so in die Irre geführt. Und andererseits waren da die Abermillionen Urlauber, die jedes Jahr an die Küsten strömten, um dort ihren ver-dienten Urlaub zu verbringen.

Als ich dann – endlich – den Entschluss gefasst hatte, in meine Heimat an der Ostseeküste zurückzukehren und auch schon eine neue Wohnung gefunden hatte, die nur wenige Minuten vom Meer entfernt war, saßen meine beiden Freundinnen Mandy und Sandra in meinem kleinen Büro. Sie verabschiedeten sich von mir mit der spontan ausgedachten Hymne: „Nur fünf Minuten zum Meer – nur füüünfff Minuuuten zum Meeer!“

Es wurde sogar eine „Fünf Minuten zum Meer“-WhatsApp-Gruppe gegründet und die neue Nationalhymne wurde mir per Sprachnachricht in mehreren Varianten übermittelt. Ich war so ge-rührt davon, dass ich mir in den letzten Tagen in Aachen den Gesang mehrfach anhörte. Und ich hörte ihn auch noch, als ich schon längst nur noch fünf Minuten vom Meer entfernt wohnte.

Dabei ist die Idee entstanden, ein bisschen dieser Meer-Sehnsucht an andere Menschen, die viel-leicht gerade kein Meer in Reichweite haben, weiter zu geben. Oder an die, die gerade sehn-süchtig auf den nächsten Urlaub warten. Oder an die Urlauber, die gern von anderen wissen möchten, wie sie das Leben am Meer empfinden und welche Erlebnisse sie hier hatten.

So oder so – in diesem Buch finden Sie ganz, ganz unterschiedliche Erlebnisse und Berichte, Mär-chen, Geschichten und auch Gedichte zum Thema Meer.

Ich hoffe sehr, dass Ihnen diese Auswahl gefällt und Sie Erbauliches und vielleicht auch Be-sinnliches für sich selbst herausziehen können.

Ich hoffe, diese Texte lassen das Meer in Ihnen aufleben und bereiten Ihnen schöne Stunden, ob Sie gerade im Urlaub sind, bei der Arbeit oder Zuhause vom Meer träumen.

Eines darf ich nicht vergessen:

Vielen lieben Dank an die mitwirkenden Autor/inn/en. Danke, dass ihr eure Erlebnisse auf-geschrieben habt! Eure Gedichte und Geschichten sind wunderbar! Es hat mir super viel Spaß ge-macht mit euch dieses vergnügliche Buch zu-sammen zu stellen. Ich liebe diese Meeres-Vielfalt von euch und freue mich, euch begegnet zu sein.

Es grüßt Sie und euch vom Meer,

Gudrun Anders

Neustadt an der Ostsee, im Mai 2022

Am Strand

Rahel Alazza

Ich liege am Strand, im Sand,

das leise Geräusch

der Wellen

und die sanften Strahlen der Sonne

umhüllen mich mit einer angenehmen Wärme,

die mich schützt

vor den wirren Gedanken

in meinen Kopf …

Den Sand lasse ich

durch meine Hände rieseln,

mit dem Wunsch,

dies auch mal

mit meinen Sorgen machen zu können,

um sie dann einfach zu vergessen …

und liegen lassen zu können…

Das Meer ist meine Seele

Gudrun Anders

Wenn Sie mich fragen würden, wann die Liebe zum Meer bei mir erwacht ist, dann würde ich Ihnen vermutlich sagen, dass es zum Zeitpunkt dieses Fotos hier war, Anfang der 60er Jahre:

Nur wenige Wochen auf der Welt, schleppten meine Eltern mich bereits zu unserem Wohn-wagen auf einem Campingplatz in Neustadt an der Ostseeküste mit. Und ich schien sehr interessiert zu sein an Sonne, Strand und Meer. Zuhause eingesperrt, war ich ein kleiner Unruhegeist, aber am Meer war ich still – und in späteren Jahren, als ich bereits laufen konnte, immer am Strand unterwegs.

Schaue ich heute in alte Fotoalben, dann gibt es hier und da ein paar Fotos, die nicht auf dem Campingplatz gemacht wurden: Weihnachten, Geburtstage und andere Familienfeiern wurden häufig geknipst, aber weiter kaum etwas.

Den meisten Raum in den Fotoalben meiner Kindheit nehmen Bilder vom Strand ein: der Campingplatz in allen möglichen Himmels-richtungen, Bilder bei Sand- und Wasserspielen mit meinen Camping-Freunden, Strandburgen bauen, Spaziergänge mit der ganzen Familie am Meer, Bootsausflüge, Segeln und Tretbootfahren, Spielen mit dem Schlauchboot und kleine Lager-feuer am Strand, Seesterne fangen und glitschige Quallen im Wassereimer sammeln. Das obliga-torische gemeinsame Würstchengrillen nicht zu vergessen, was damals noch nicht so verbreitet war wie heute.

Von Frühling bis Herbst waren wir so ziemlich jedes Wochenende auf dem nur rund 40 km ent-fernten Campingplatz in Neustadt an der Ostsee-küste und verbrachten dort auch unseren wohl-verdienten Jahresurlaub.

Der Winter war für mich die schlimmste Jahres-zeit, denn ich vermisste die unbeschwerte Zeit draußen, den Geruch des Meeres und den Schrei der Möwe. Und natürlich meine langjährigen Cam-pingplatz-Freunde.

Nach Weihnachten freute ich mich täglich darauf, dass endlich das Wetter besser wurde, denn das bedeutete, dass es bald wieder losging.

Der alte Wohnwagen wurde dann endlich aus dem Winterquartier geholt und wieder aufgestellt, das Vorzelt angebracht und der Holzboden ein-gebaut. Die Plastik-stühle und ein Tisch wurden von Zuhause mitgebracht, die ersten Klamotten zum Wech-seln verblieben bei den ersten kurzen Tages-besuchen schon im Wohnwagen.

Ich fieberte dieser Zeit entgegen, es war, als wenn die Freiheit mich wieder bekam. Und selbst bei sehr kaltem Wetter konnte mich niemand im warmen Wohnwagen halten – ich musste runter ans Meer. Und das, obwohl wir in der ersten Reihe standen und ich vom warmen Wohnwagen aus das Meer jederzeit sehen konnte.

Als ich Teenager wurde, waren plötzlich aber auch andere Dinge wichtig. Ich hatte nicht mehr diese unbändige Freude am Campingplatz, denn da gab es die Tanzschule, die sonntags nachmittags zum Tanztee einlud und nette junge Leute – vor allem auch vom anderen Geschlecht … – in den heiligen Hallen beherbergte.

Fast gleichzeitig wurde mein Vater schwer krank und damit ging die Zeit auf unserem Campingplatz langsam zu Ende. Stattdessen kauften sich meine Eltern zur Erholung einen Kleingarten am Rande der Stadt.

Im Garten war ich allerdings wenig – es gab dort kein glitzerndes Meer, das mich hätte locken können. Zwar hatte ich früher mal das Sand-buddeln geliebt, aber das war für mich etwas ganz anderes als mit dreckigen Händen in schwarzer Gartenerde zu wühlen.

Nur gelegentlich fuhren wir gemeinsam sonntags zu einem Strandspaziergang nach Travemünde, um an der Promenade nicht nur frische Luft zu tanken, sondern auch um von den Mitmenschen gesehen zu werden.

Ich muss sagen, dass mir damals das Meer nicht wirklich fehlte. Aber das ist eigentlich auch klar, denn von meiner Heimatstadt Lübeck aus, sind es ja nur wenige Kilometer bis ans Meer. Und damit war es eigentlich immer in greifbarer Nähe. Wenn ich mal Sehnsucht nach Meer hatte, fuhren wir halt abends oder am Wochenende mal eben schnell hin, aßen dort zu Abend, sahen uns den Sonnenuntergang an oder gingen zu allen mög-lichen Jahres- und Tageszeiten am Strand spa-zieren.

Als ich Mitte der 90er Jahre meinen damaligen Mann kennenlernte, war die heimische Ostsee, an der wir beide aufgewachsen waren, mehr oder weniger out. Die Ferne lockte uns Mittdreißiger und die Strände in Südfrankreich, Ägypten und auf den Malediven waren für uns damals weitaus interessanter. Und daher war es auch kein Pro-blem für mich, mit ihm nach Aachen umzuziehen, denn wir vermissten das Wasser nicht.

Jahrelang war es spannend, die Eifel zu erkunden. Anfänglich fiel es mir nicht einmal auf, das Aachen keinerlei Wasser – außer einem kleinen Bachlauf – hatte. Manchmal fuhren wir nach Köln und flanierten am Rhein. Das war für uns dann wie ein Tag Urlaub. Gelegentlich fuhren wir auch an die Nordseeküste, die von dort aus rund 220 Kilo-meter entfernt war.

Mir fiel erst nach der Trennung auf, dass mir und meinem Leben etwas sehr Entscheidendes fehlte, aber die Sehnsucht war – noch – aushaltbar. Gelegentliche Kurzbesuche am Wasser betäubten diese Sehnsucht wieder und der menschliche Geist ist ja auch sehr trickreich. Meiner beispielsweise hat (sehr) viele Ausreden erfunden, um mein Leben nicht umkrempeln zu müssen, um wieder in heimatliche Gefilde zurückzukehren: „Viel zu anstrengend“, „meine Freunde sind jetzt alle hier“, „kein Geld“, „hab gerade so ‘nen guten Job“ und noch einige andere Glaubenssätze hielten mich in meiner Wahlheimat gefangen.

Meine Sehnsucht nach dem Meer wurde aber im Laufe der Jahre fast unmerklich schlimmer. Kamen mal in den Nachrichten Bilder aus meiner Heimat-stadt Lübeck, wurde ich traurig. Gab es einen Bericht über die Ostsee im Fernsehen, fand ich mich plötzlich weinend und schniefend auf dem Sofa sitzend wieder. In mir reifte eine Über-zeugung heran: „Irgendwann gehe ich in meine alte Heimat zurück.“

Einige Jahre habe ich in meinem Aachener Exil davon geredet, eines Tages in meine Heimatstadt Lübeck zurückzukehren. Aber immer war die Zeit irgendwie nicht reif oder ich hatte gerade so viele Projekte laufen, die fertig gestellt werden wollten, dass ich keine Kraft mehr hatte, mich um Um-zugsaktivitäten zu kümmern.

Und Ausreden für diesen großen Schritt noch einmal in 600 Kilometer Ferne neu anzufangen, hatte ich natürlich auch jede Menge. Es war nicht so einfach, nach über 25 Jahren einfach so alle Zelte abzubrechen. Das kleine Zelt am Strand aufzubauen, war ungleich einfacher …

Aber mein Entschluss reifte, ich schaffte mir eine Ziel-Collage und die lautete, dass ich mir zunächst ein sicheres finanzielles Polster schaffen und mit einem Fulltime-Job die Rückkehr in die Heimat ermöglichen wollte.

Nach meiner Rechnung konnte ich mit einer Vollzeit-Arbeit genug Geld zurücklegen, um mir den Umzug zu finanzieren und eine kleine Auszeit zu gönnen, um mir den Neustart in der neuen „alten Heimat“ so angenehm wie möglich zu gestalten. Als Freiberuflerin und „freischaffende Künstlerin“ war das für mich manchmal nicht so leicht.

Im Herbst 2020 sollte es dann soweit sein. So jedenfalls mein Plan. Mit genug Rücklage in der Hinterhand wollte ich den Schritt wagen und im Norden ganz neu anfangen. Mein 59ster Geburts-tag im November 2020 schien mir dafür wie geschaffen – so war es noch ein bisschen hin bis zum 60sten ... Soweit meine Vision von meinem neuen Leben.

Aber manchmal kommt es anders als man denkt. … Womit ich nicht gerechnet hatte, war Corona. Im Februar 2020 hatte ich tatsächlich einen Vollzeit-Job gefunden und freute mich, denn nun konnte ich die Monate zählen, bis ich in die Heimat zurückkehren konnte. Nicht jammern – TUN war meine neue Lebenseinstellung.

Auf den Tag genau hatte ich meinen neuen Job vier Wochen inne, als wir im Radio hörten, dass die Corona-Fälle in unserer Region plötzlich über-handnahmen.

Eine Kleinstadt ganz in der Nähe von Aachen wurde der erste Hotspot. Von einem Tag auf den anderen versetzte uns die Firmenleitung ins Homeoffice mit strikten Anweisungen, wer wann unter welchen Bedingungen das Büro betreten darf.

Und mich versetzte man vorsichtshalber aufgrund einer Erkrankung des Immunsystems bis auf weiteres in ein Beschäftigungsverbot. Ich durfte also fortan nur noch Zuhause sitzen und Däum-chen drehen – keinerlei Kontakt zu Kollegen, Freunden oder Kunden. Noch nicht einmal Home-office durfte ich machen, denn auch das bedingte die gelegentliche persönliche Anwesenheit im Gemeinschaftsbüro.

In den ersten Wochen und Monaten ging alles drunter und drüber. Von meinen Kollegen und Freunden hörte ich ständig von neuen Richtlinien, schweren Erkrankungen und sogar Todesfällen im Kreis der Familie. Und was machte ich? ... Ich blieb Zuhause und steckte für eine kurze Zeit komplett den Kopf in den Sand und wurde depressiv. Mein Traum, wieder ans Meer zu ziehen, zerplatze wie eine Seifenblase. Und dabei hatte es sich sooo gut angefühlt!

Niemand konnte mir sagen, wie es für Menschen mit Immundefekten weiter geht. Keiner konnte eine Prognose abgeben, wie lange diese Pandemie wohl dauern würde. Impftermine im großen Impfzentrum waren lange Zeit nicht zu be-kommen, denn ich war ja erst 59 (und nicht 60) Jahre alt und gehörte zwar zur Risikogruppe, aber die war mit dem Impfen in den ersten Monaten noch lange nicht dran. Zudem konnte man noch nicht sagen, ob die Impfung bei uns „Immun-defektlern“ auch wirklich irgendetwas bewirken würde.

Ich musste also abwarten und genau dazu riet mir auch mein Arzt. Und weil ich die letzte in der neuen Firma war, die eingestellt worden war, war ich die erste, die wieder gehen musste. Ich bekam also die Kündigung und ließ noch mehr die Ohren hängen, wie man so schön sagt.

Alle meine Hoffnungen schwanden. Ob ich wohl je an die See zurückkehren würde? Oder war das womöglich ein Zeichen des Universums, dass ich da bleiben sollte, wo ich war?

Die Depression hielt – Gott sei Dank – nicht lange. Jedenfalls nicht lange genug, um meinen Plan nicht doch noch irgendwie zu verfolgen – schließ-lich schlug in mir das Herz einer ehemaligen Un-ternehmerin. Und die Sehnsucht nach Meer war riesengroß, ach, was sag‘ ich – die berührte schon fast den Mond. Allein in der Isolation noch viel, viel größer als im Alltagstrubel!

Ich lenkte mich während der Arbeitslosigkeit so gut es ging ab, schrieb zwei Bücher, mit denen ich mir den Frust von der Seele schrieb und ent-wickelte Onlinekurse aus meinem Fachgebiet, der Buchbranche. So vertrieb ich mir einige Monate die Zeit – und auch damit, mich nach Jobs im Kreis Lübeck und Ostholstein umzusehen.

Im Sommer 2021 fand ich eine interessante Firma im Norden, die einen Job anbot, den ich liebend gern machen würde und der nur wenig Gefahren bezüglich der Ansteckung während der Pandemie mit sich brachte – und bewarb mich. Ich dachte: „Wenn das klappt, dann ist das mein Ticket in die Heimat!“ Aus der Arbeitslosigkeit heraus hätte mir die Arbeitsagentur auch finanziell beim Umzug geholfen, so dass ein kleines finanzielles Pölster-chen verbleiben konnte.

Aber wochenlang tat sich nichts – gar nichts. Telefonisch konnte ich in der Firmenzentrale keinen zuständigen Mitarbeiter erreichen. Wahr-scheinlich hatte auch hier Corona zugeschlagen. Ich musste dringend einen Job finden, die Zeit der Arbeitslosigkeit ging langsam zu Ende – und in Hartz IV rutschen wollte ich nicht. Natürlich schaute ich mich auch noch in Aachen um.

Kurz darauf wurde mir für drei Monate eine frei-berufliche, gut bezahlte Dozententätigkeit ange-boten, die ich erst mal annahm, ein neuer Job im favorisierten Schleswig-Holstein war ja nicht in Sicht. Mein innerer Schweinehund, der manchmal ein bisschen faul ist, jubelte, denn er konnte sich vor dem Umzug und dem damit verbundenen Stress drücken.

Das Herz sprach natürlich eine andere Sprache, denn das wollte nach so vielen Jahren endlich wieder am Strand sitzen, wollte dem Geschrei der Möwen lauschen und die Wellen leise rauschen hören können.

Es gingen weitere fünf Wochen ins Land, da meldete sich tatsächlich jemand von der nord-deutschen Firma und fragte mich, ob ich nun schon in Ostholstein wohnen würde. Ich ent-gegnete schmunzelnd: „Nein, Sie haben mich ja noch nicht eingestellt.“

Darauf bekam ich zur Antwort: „Aber ohne eine Wohnung hier oben, können wir sie ja auch nicht einstellen …“

Es folgten Gespräche mit der Personalabteilung – man wollte mich tatsächlich einstellen und räumte mir eine Frist von vier Wochen ein, in denen der Arbeitsplatz für mich freigehalten wurde. Ich musste irgendwo an der Ostseeküste eine neue Behausung für mich finden, um den Job antreten und mein Leben auf den Kopf stellen zu können. Naja, und um wieder die Meereswellen hören zu können, natürlich!

Und dann ging plötzlich alles rasend schnell. Einen Job hatte ich schon, ich wollte ausmisten, Möbel verkaufen, musste eine Wohnung in Ostholstein haben, den Umzug organisieren, Helfer mobili-sieren, neue Ärzte schon im Vorwege kennen, um weiter mit Medikamenten versorgt zu sein. Und dann waren da ja noch die ganzen Formalitäten, Versicherungen – und natürlich wollten sich alle Freunde und Bekannte von mir persönlich ver-abschieden.

Ich hatte in diesen Wochen keine Zeit zum Nach-denken. Und ich dachte auch nicht mehr viel über Corona nach. Inzwischen ging mir das ganze Ge-rede über Inzidenzen, Quoten und Impfungen schon ziemlich an die Nerven. Ich wollte trotz Corona – oder vielleicht gerade deswegen – zu-rück in heimatliche Gefilde und mich nicht mehr beirren lassen. Corona war überall auf der Welt und mein Leben musste weitergehen! Also konnte ich auch umziehen. Basta!

Durch einen ganz, ganz großen Zufall und mit der großartigen Unterstützung von drei mir bis dato völlig unbekannten Neustädtern fand ich hier – trotz großer Wohnungsnot – eine kleine Wohnung in Marktnähe, konnte daher den Arbeitsvertrag unterschreiben und war nur wenige Tage vor Arbeitsbeginn in meiner neuen, alten Heimat gelandet und fing an, das Leben in der kleinen Hafenstadt Neustadt zu genießen.

Mit inzwischen 60 Jahren war ich in dem geliebten Ort meiner Kindheit gelandet, wo ich die glück-lichsten Momente auf einem Campingplatz ver-bracht hatte, der zwar heute nicht mehr da ist, sondern einer Klinik Platz gemacht hat, aber Gott sei Dank ist das Meer ja nicht verschwunden!

In den ersten Wochen und Monaten hatte ich natürlich alle Hände voll zu tun. Alles war noch ungewohnt. Die Wohnung musste eingerichtet und Straßen und Wege wollten neu erkundet werden.

Das Meer rief mich laut und sehr eindringlich und die Zeit am Meer war einfach nur wundervoll. Je-de freie Minute erkundete ich meine neue Heimat und fand immer wieder den Weg ans Meer, an dessen Anblick ich mich nach so vielen Jahren auf Entzug nicht sattsehen konnte.

Ich freute mich riesig, wieder hier zu sein und entdeckte jeden Tag mein Leben am Meer wieder neu!

Nur wenige Tage später hatte auch meiner kleiner, schwarzer Hund schon seine Lieblingsmorgen-runde: Raus aus dem Haus und vier Minuten spä-ter am Schulwald in der Nähe vom Neustädter Binnensee wie wild herum schnuppern und die neue Hundenachbarschaft entdecken. Herrlich!

Es vergingen ein paar Wochen, in denen ich mich immer mehr einlebte und die Stadt entdeckte, die meine neue, alte Heimat wurde.

Es wurde langsam Frühling und es gab schon wun-derbare, sonnige Tage, in denen viele Einheimi-sche am Strand waren und an so manchem Tag war es in Strandnähe gar nicht mehr so schön still, wie ich es am meisten liebte.

Bei einer meiner ausgiebigen Morgenrunden am Binnensee freute ich mich, zu früher Stunde noch allein am Wasser zu sein. Am Waldesrand blühten die Narzissen, reckten ihr Gesicht der wärmenden Sonne entgegen und freuten sich wohl auch auf das bevorstehende Osterfest.

Mein Hund und ich gingen ein Stückchen weiter als gewohnt und entdeckten im Naturschutzgebiet eine kleine Sitzbank mit Tischchen in der Nähe vom Wasser. Es war noch still und ein bisschen frisch an diesem Morgen. Die Wasservögel waren schon auf Futtersuche und eine große Schar Möwen schwang unweit von uns kreischend die Flügel.