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Thomas Häring

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Beschreibung

Was ist das Leben? Hat es einen Sinn und wenn ja, welchen? Acht Menschen im Urlaub auf einer Insel auf der Suche nach sich selbst und mit der Hoffnung im Blick, daß alles besser wird. Lauter unterschiedliche Charaktere, die ihre freie Zeit dazu nutzen wollen, um sich selbst besser kennenzulernen und zu verstehen.

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Seitenzahl: 134

Veröffentlichungsjahr: 2015

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Undank ist der Welten Klon

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Impressum neobooks

Undank ist der Welten Klon

Früher hatte ich immer geglaubt gehabt, daß die Mehrzahl von Klo Klon lauten würde, aber dann hatte ich diesen verrückten Professor getroffen, der mir heimlich meinen genetischen Fingerabdruck abgenommen hatte und aus meinen in Massen ausgefallenen Haaren hatte er mein Ebenbild geschaffen und das stand nun samt seinem Schöpfer vor meiner Haustür. „Hallo, Herr Witschke, das hier ist Ihr Klon. Wollen Sie nicht gleich mal mit ihm aufs Klo gehn? Passen Sie bitte gut auf ihn auf!“ verlangte der irre Wissenschaftler und dann war er auch schon verschwunden. Da stand ich nun, ich armer Thor, und war noch genauso nackt wie zuvor. Wenigstens schien das meinen Klon nicht zu stören, die Nachbarin im Haus gegenüber machte dagegen gleich immer ein großes Geschrei, aber die Polizistin, die dann jedesmal herbeigerufen wurde, freute sich immer aufs Neue über meinen Anblick und verschwand dann meistens für eine halbe Stunde mit mir in meinem Haus. Ehrlich geschrieben wußte ich zunächst überhaupt nicht, was ich mit meinem Klon anfangen sollte, doch da es ihm genauso ging, brachte ich ihn erst einmal ins Haus. Dort zeigte ich ihm alle Räume und erklärte ihm das Nötigste, jedoch stellte ich sehr schnell fest, daß er nicht wirklich etwas begriff. „Das kann ja was werden“, dachte ich mir und merkte plötzlich, daß mein Goldfisch in seinem Mund zappelte. Oh je!

Mit der Zeit gewöhnten wir uns aneinander und ich programmierte ihn so gut ich konnte. Er lernte recht schnell und ich richtete ihn so ab, wie ich ihn brauchte. Das Tolle an meinem Klon war, daß er keine Fragen stellte, aber trotzdem hervorragend zuhören konnte. So nickte er verständnisvoll, wenn ich mich über meinen Chef beschwerte, lauschte gebannt, sobald ich über meine privaten Probleme sprach und hörte sich sogar meine selbst komponierten Klavierstücke an. Irgendwann konnte ich mir gar nicht mehr vorstellen, ohne meinen George Kloni, wie ich ihn liebevoll nannte, zu leben und wußte auch nicht mehr, wie mir das früher gelungen war. Er machte mir das Frühstück, putzte die Wohnung, brachte den Müll raus, kochte, wusch ab, staubsaugte, goß die Pflanzen, kurz und gut: Er machte alles, worauf ich eigentlich keinen Bock hatte. Doch dann machte ich eines Tages meinen ersten großen Fehler. Ich war leicht erkältet und ziemlich müde, also schickte ich ihn in die Arbeit und schärfte ihm ein, daß er nichts weiter reden solle, dann würde niemand den Schwindel bemerken. Er hielt sich daran, doch als ich am Tag darauf wieder selbst malochen ging, da hagelte es Lob von allen Seiten, sogar mein Chef klopfte mir auf die Schulter und schon in dem Moment hätte mir klar sein müssen, daß ich dieses Spiel nicht gewinnen konnte, denn Kloni war einfach besser als ich. Damals habe ich das natürlich noch nicht begriffen, sondern mich nur darüber gefreut, daß alle so zufrieden waren. „Du bist ein guter Junge“, lobte ich Kloni zuhause. „Ich weiß“, bemerkte er selbstzufrieden und auch das hätte mir zu denken geben müssen. Zu jener Zeit hatte ich bereits seit zwei Jahren eine Freundin, die ich sehr mochte, auch wenn sie mir manchmal tierisch auf die Nerven ging. Eines Tages hatte ich keine Lust darauf, mir ihr stundenlanges Lamento anzuhören, weshalb ich Kloni zu ihr schickte, damit er sie fickte. Am darauffolgenden Tag sprang sie mir überglücklich in die Arme und bedankte sich noch einmal voller Begeisterung für die „schönste Nacht meines Lebens“. „Was hast Du denn mit der gemacht?“ wollte ich von Kloni wissen. „Das, was sie von mir wollte“, lautete seine Antwort. Ich erschrak fürchterlich, denn das bedeutete ja, daß ich in Zukunft immer an der Potenz und Verspieltheit meines Klons gemessen wurde und das war rein gar nicht in meinem Interesse. Außerdem hatte sich meine Freundin auch noch für die Blumen bedankt. Ich hatte ihr noch nie Blumen geschenkt! Schön langsam begann mir zu dämmern, daß man seinem Klon vielleicht nicht zu viele Aufgaben zuschanzen sollte, denn er war ohne Zweifel in vielen Dingen besser als ich und er wurde auch immer selbstbewußter.

Eines Tages kamen Polizisten in mein Haus und durchsuchten alles. Sie fanden jede Menge Sachen, von denen sie nichts wissen konnten und am Abend stellte ich Kloni zur Rede: „Sag mal, bist Du noch ganz dicht? Wenn das so weitergeht, dann bringst Du mich noch in den Knast.“ Er zuckte nur mit den Schultern und entgegnete: „Ich habe von Dir gelernt, daß es in diesem Land verboten ist, Bomben zu basteln.“ „Du bist ja schlimmer als ein kleines Kind. Also, paß mal gut auf ...“ Und dann erklärte ich ihm ganz genau, wie es bei uns ablief. Daß der Ehrliche immer der Dumme war und daß man manchmal Dinge tun mußte, die man eigentlich nicht tun durfte, aber am Ende schien er es begriffen zu haben, denn er faßte zusammen: „Wenn ich also hier alleine wohnen möchte, dann muß ich Dich umbringen, auch wenn ich das eigentlich nicht darf.“ Ich stutzte. George Kloni war drauf und dran, mir den Rang abzulaufen und offensichtlich plante er bereits einen Putsch. Daraufhin änderte ich meine Strategie und stellte auf „teile und herrsche“ um. Ich gewährte ihm einige Freiheiten, er durfte sogar abends alleine außer Haus, denn ich wußte, daß er sich besser und anständiger benehmen würde, als ich es je konnte. Das Problem an der Sache war bloß, daß ich feststellen mußte, daß Kloni wesentlich beliebter war als ich und daß er sich mehr und mehr anschickte, mich überflüssig zu machen. Ich verdrängte meine Sorgen, indem ich etwas Flüssiges zu mir nahm und ich verwahrloste immer mehr. Meine Freundin traf sich nur noch mit Kloni, sie hatte von mir die Schnauze voll und wußte Bescheid, daß es mich inzwischen in doppelter Ausführung gab. Im Grunde hatte sich alles geändert. Kloni ging zur Arbeit, machte den Haushalt und führte eine glückliche Beziehung. Ich dagegen hing den ganzen Tag nur herum und wußte nichts mit mir anzufangen. So hatte ich mir das alles nicht vorgestellt. Irgendwann hatte ich keinen Alkohol mehr, weshalb ich mich aufraffte und das Haus verließ. Mein Orientierungssinn hatte stark nachgelassen und so verlief ich mich, bis ich plötzlich vor einem Haus stand, das eine merkwürdige Klingel hatte, welche mich so faszinierte, daß ich sie drücken mußte. Der verrückte Professor öffnete und rief entsetzt: „Kloni! Du meine Güte! Was hat er denn nur mit Dir gemacht?“ „Ich bin nicht Kloni. Kloni kriecht gerade meinem Chef in den Arsch, danach fickt er meine Freundin in den Arsch und ich bin total im Arsch“, gestand ich resigniert. „Ach so ist das“, murmelte er und bat mich herein. Er machte mir einen Zaubertee und danach ging es mir noch schlechter. Am Ende einigten wir uns darauf, daß ich bei ihm einziehen und sein Assistent werden sollte. Wenn das von Anfang an sein Ziel gewesen war, so hatte er es nun erreicht.

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Seufzend legte sich die Nacht schlafen. Sie hatte Angst im Dunkeln, auch eine Psychotherapie hatte ihr nicht geholfen. Auf der Höhe der Mitte des Berges hatten sich Barbara und Sonja ein Nachtlager eingerichtet. „Weißt Du, eigentlich bin ich froh, daß ich kein Berg bin“, flüsterte Barbara und schüttelte ihren lockigen Kopf. „Manchmal redest Du einfach nur Blödsinn“, fiel Sonja dazu ein. Sie schaute in die dunkle Nacht und dachte an ihren Ex-Freund, den sie bei ihrer letzten Bergbesteigung in den Abgrund gestoßen hatte. „Warum mußte sich das Arschloch auch über meine Sommersprossen lustig machen?“ erinnerte sich Sonja und dann versuchte sie zu schlafen, denn sie hatten einen anstrengenden Tag hinter sich. Der Mond war gerade auf Diät, er nahm ab und deswegen fühlte er sich etwas komisch. Leise legten sich die Träume über die erstarrte Welt, sie benebelten die Menschen und starteten die Heimkinovorführungen, billige Unterhaltung, an die sich am nächsten Morgen nur die Wenigsten erinnern würden können. Barbara und Sonja hatten sich an jenem Tag heftig gestritten, es war dabei um Grundsätzliches gegangen, ihre Freundschaft hing an einem seidenen Faden. Normalerweise war es so, daß einen Extremerlebnisse zusammenschweißten, doch in jenem Film war es genau andersherum. Barbara konnte nicht einschlafen, sie dachte angestrengt nach: „Wir sind viel zu verschieden und wir sind Beide zu starrköpfig. Klar, es geht hierbei nur um eine Freundschaft und um keine Beziehung, aber so kann es nicht weitergehen. Wir zanken uns wegen Kleinigkeiten und das ist ziemlich nervenaufreibend.“ Der Wind hauchte sanfte Luftzüge an ihr Gesicht, doch sie verstand nicht was er nuschelte, denn er flüsterte viel zu undeutlich. Ringsherum war alles still, die Tiere schliefen, die Natur ruhte und Sonja röchelte. Alles war soweit in bester Ordnung, doch Leben bedeutete mehr als Sicherheit und Normalität. Aus der Tiefe der Nacht hörte man weit unten Motorengeräusche. Barbara schaute sehnsuchtsvoll in den Himmel. Wieder mal weit und breit kein UFO in Sicht. Oft wünschte sie sich, von Außerirdischen abgeholt und auf deren Planeten mitgenommen zu werden, denn sie hatte das Leben auf der Erde ziemlich häufig satt. Mittlerweile war sie 29 Jahre alt und wußte immer noch nicht so recht, wohin ihr Weg noch führen sollte. Sie hatte Arzthelferin gelernt und nach ein paar Jahren im Beruf aufgehört und ein Studium begonnen, das sie inzwischen abgeschlossen hatte. Eigentlich ein abwechslungsreiches und erfülltes Leben, könnte man meinen, doch das täuschte. Sie träumte von einem anderen, aufregenderen Leben und die Bergtour war nur der Anfang vom Beginn eines neuen Lebensabschnittes. Am Abend des nächsten Tages würden sie wahrscheinlich denn Gipfel erreichen, bis dahin hatten sie noch Zeit. Schön langsam wurde auch sie müde und schlief irgendwann ein. Die Nacht dagegen war wieder aufgewacht, denn sie hatte einen unruhigen Schlaf. Nicht immer war sie so melancholisch, doch da sie nie die Sonne sah, gehörte sie eher zu den düsteren Gestalten, denen man den Lichtmangel schon anmerkte. Während viele Menschen in ihren Betten lagen, befanden sich Barbara und Sonja gefangen in der freien Natur, aber sie fühlten sich gut, wenn auch erschöpft.

Merlin sprach nicht viel, nicht einmal dann, wenn er redete. Er wohnte in einer kleinen Einzimmerwohnung in Berlin und verdiente sich seinen Lebensunterhalt, indem er billigen Schmuck verkaufte. Was auch immer Merlin sich für sein Leben vorgenommen hatte, das konnte es wohl kaum gewesen sein. Den lieben langen Tag stand er auf den Straßen Berlins herum und bot seine Ware an. Merlin hatte keine Freunde, nur Kunden. Er führte ein tristes, eintöniges Leben, in dem die einzige Abwechslung darin bestand, daß er seinen Standort täglich wechselte. Das hatte rein gar nichts mit Angst vor der Polizei zu tun, denn Merlins Job war total legal. Er wollte halt nicht andauernd dieselben Leute sehen müssen, was sogar in so einer großen Stadt wie Berlin möglich gewesen wäre, man brauchte nur jeden Tag ins Parlament gehen. Merlin war ein guter Beobachter und verfügte über beachtliche psychologische Qualitäten, die ihm niemand zugetraut hätte. Er konnte Menschen gut einschätzen und wußte, wie er mit welchen Typen umzugehen hatte. Irgendwie schmiß er Perlen vor die Säue, denn für seinen Job war er überqualifiziert, doch da er nicht studieren konnte, durfte und wollte, waren seine Erfahrungen und Tricks einfach verschenkt. Andererseits machte das Ganze seinen Job einigermaßen erträglich und doch wußte er, daß es so nicht weitergehen konnte, da sich alles immer nur wiederholte und nichts Neues passierte. Merlin war ein Zauderer, der alle Entscheidungen, die anstanden, hundertmal überdachte, da er Angst davor hatte, einen Fehler zu machen und genau deswegen kam es häufig zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung und damit hatte er den Salat. Seine Eltern lebten außerhalb von Berlin, hin und wieder stattete er ihnen einen Besuch ab, doch man hatte sich nicht mehr viel zu sagen. Da sich seine Schwester mit einem Kosmetiksalon selbständig gemacht und an billigem Schmuck kein Interesse hatte, war der Kontakt zu ihr fast vollständig abgebrochen. Merlin wußte, daß es an der Zeit war, sein Leben zu ändern und genau deswegen hatte er diese Reise gebucht, die ihn in wenigen Tagen auf Lanzarote bringen sollte. Dort erhoffte er sich Antworten auf die Fragen des Lebens, warum auch immer. Seine Wohnung war nicht sonderlich geschmackvoll eingerichtet, er besaß nur das Notwendigste und im Grunde ging es ihm nur darum, seine Miete zu bezahlen und seine Lebensmittel erstehen zu können. Seitdem er die Schule verlassen hatte, trieb er sich als Straßenverkäufer herum und da er nun auch schon 25 Jahre alt war, wurde es höchste Zeit, langfristigere Pläne als bisher zu schmieden. Er liebte die Gewohnheit, denn solange er alles unter Kontrolle hatte, fühlte er sich sicher, doch andererseits dürstete sein Herz nach Abwechslung und Lebensfreude. Zu lange hatte er sich treiben lassen und in seinem Trott vor sich hin gelebt. Zwar besaß er nicht den Mut, alles hinter sich zu lassen und von vorne anzufangen, aber immerhin begann er einzusehen, daß es so nicht weitergehen konnte. Die Erkenntnis war also vorhanden, es fehlte lediglich noch die Umsetzung, doch schon bald würde sich zeigen, in welche Richtung sein Leben führen würde.