My Almost Ex - Piper Rayne - E-Book

My Almost Ex E-Book

Piper Rayne

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Beschreibung

Was würdest du tun, wenn deine erste große Liebe plötzlich wieder auftaucht und sich nicht an eure Trennung erinnern kann? Als Adam eines Abends seine Ex-Frau in einer Bar wiedertrifft, verschlägt es ihm die Sprache: Warum tut Lucy so, als wären sie immer noch ein glückliches Paar? Schließlich war sie diejenige, die ihn vor einem Jahr ohne jegliche Erklärung verlassen hat. Adam wüsste liebend gern den Grund dafür. Doch scheinbar lässt sich die Zeit tatsächlich zurückdrehen: Denn Lucy hat nach einem Unfall ihr Gedächtnis verloren und kann sich nicht mehr an die Trennung erinnern. Offiziell sind die beiden immer noch verheiratet – und dann ist da Alicia, Adams neue Freundin… Alle Bände der spicy Greene-Family-Serie: Band 0.5: My Twist of Fortune Band 1: My Sexy Enemy Next Door Band 2: My Almost Ex Band 3: My Secret Vegas Wedding Band 3.5: A Greene Family Summer Party Band 4: My Sister's Flirty Friend Band 5: My Unexpected Surprise Band 6: My Sexy Famous Rival Band 6.5: A Greene Family Vacation Band 7: My One True Ex Best Friend Band 8: My Fake Fiancé Band 9: My Brother's Forbidden Friend Band 9.5: A Greene Family Christmas

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My Almost Ex

Die Autorin

PIPER RAYNE ist das Pseudonym zweier USA Today Bestseller-Autorinnen. Mehr als alles andere lieben sie sexy Helden, unkonventionelle Heldinnen, die sie zum Lachen bringen, und viel heiße Action. Und sie hoffen, du liebst das auch!

Das Buch

Was würdest du tun, wenn deine erste große Liebe plötzlich wieder auftaucht und sich nicht an eure Trennung erinnern kann?Als Adam eines Abends seine Ex-Frau in einer Bar wiedertrifft, verschlägt es ihm die Sprache: Warum tut Lucy so, als wären sie immer noch ein glückliches Paar? Schließlich war sie diejenige, die ihn vor einem Jahr ohne jegliche Erklärung verlassen hat. Adam wüsste liebend gern den Grund dafür. Doch scheinbar lässt sich die Zeit tatsächlich zurückdrehen: Denn Lucy hat nach einem Unfall ihr Gedächtnis verloren und kann sich nicht mehr an die Trennung erinnern. Offiziell sind die beiden immer noch verheiratet – und dann ist da Alicia, Adams neue Freundin…Alle Bände der spicy Greene-Family-Serie:

Band 0.5: My Twist of FortuneBand 1: My Sexy Enemy Next DoorBand 2: My Almost ExBand 3: My Secret Vegas WeddingBand 3.5: A Greene Family Summer PartyBand 4: My Sister’s Flirty FriendBand 5: My Unexpected SurpriseBand 6: My Sexy Famous RivalBand 6.5: A Greene Family VacationBand 7: My One True Ex Best FriendBand 8: My Fake FiancéBand 9: My Brother’s Forbidden FriendBand 9.5: A Greene Family Christmas

Piper Rayne

My Almost Ex

Roman

Aus dem Englischen von Sybille Uplegger

Forever by Ullsteinforever.ullstein.de

Deutsche Erstausgabe bei Forever

Forever ist ein Verlag der Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin September 2023© Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2023Wir behalten uns die Nutzung unserer Inhalte für Text und Data Mining im Sinne von § 44b UrhG ausdrücklich vor.Die amerikanische Originalausgabe erschien 2021 unter dem Titel: My Almost Ex© 2021 by Piper RayneUmschlaggestaltung: zero-media.net, MünchenTitelabbildung: © FinePic®E-Book powered by pepyrus

ISBN 9783958187672

Emojis werden bereitgestellt von openmoji.org unter der Lizenz CC BY-SA 4.0.

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Inhalt

Die Autorin / Das Buch

Titelseite

Impressum

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Epilog

Und wieder das übliche Einhorngeschwafel

Leseprobe: The Trouble with #9

Social Media

Vorablesen.de

Cover

Titelseite

Inhalt

Kapitel 1

Kapitel 1

»Das ist meine Frau.«Adam Greene

Adam

»Hat diese Frau dich etwa gerade Babe genannt?«, fragt meine neue Freundin Alicia in einem Tonfall, der nahelegt, dass sie es nicht fassen kann.

Mein Mund ist zu trocken, um ihr eine Antwort zu geben. Ich kann nicht aufhören, »diese Frau« – Lucy! – anzustarren, während sich meine Gedanken schneller überschlagen als ein Rennwagen, der aus der Kurve geflogen ist.

Und bitte denkt nicht, dass ich ein Drecksack bin, der seine Freundin betrügt. Denn das bin ich nicht. Vor einem Jahr hat mich die Frau, die mich eben mit »Babe« angesprochen hat und die – noch – meine Ehefrau ist, ohne ein Wort der Erklärung verlassen. Und jetzt, nachdem ich eine schwere Depression überwunden habe und endlich wieder Licht am Ende des Tunnels sehe, kommt sie mir nichts, dir nichts in die Brauerei meiner Brüder spaziert und tut so, als wären wir immer noch glücklich verheiratet. Dabei habe ich sie seit ihrem Verschwinden weder gesehen noch mit ihr gesprochen.

Andererseits hat sie mir auch nie irgendwelche Scheidungspapiere geschickt, und ich bin erst letzte Woche zum Anwalt gegangen, um ihn zu bitten, die erforderlichen Unterlagen fertigzustellen.

Alicia klammert sich an meinen Arm, weil mein Blick immer noch auf Lucy ruht. Meine Beinahe-Ex-Frau umarmt der Reihe nach meine Familienmitglieder und beteuert, wie sehr sie sie alle vermisst habe, bis sie irgendwann vor Cades Freundin Presley steht. Eigentlich sind wir hier, um die Verlobung der beiden zu feiern. Cade hat Presley heute einen Antrag gemacht. Zum Glück ist er daran gewöhnt, dass bei uns praktisch nie etwas nach Plan läuft – wie in den meisten Großfamilien.

Einen Moment später erspähe ich auch Lucys Mutter Susan, die sich ihren Weg durch die Menge der Schaulustigen bahnt. Alle tuscheln und starren uns an. Es hätte wirklich keinen ungünstigeren Zeitpunkt für Lucys Auftritt geben können.

»Susan?«, frage ich in der Hoffnung, dass sie mir erklären kann, weshalb Lucy so tut, als wären wir noch ein Paar.

Sie reagiert nicht sofort. Stattdessen wirft sie einen besorgten Blick auf ihre Tochter. Er ist so verstörend, dass mich ein vager Verdacht beschleicht. Mein Magen krampft sich zusammen. »Was zum Teufel ist hier eigentlich los?«

Susan dreht sich zu mir um. Sie sieht mich durch zusammengekniffene Augen tadelnd an und lässt gleichzeitig die Schultern hängen. »Sie hatte einen Unfall, der … Sie hat ihr Gedächtnis verloren, Adam. Sie leidet an Amnesie.«

»Und?«

Alicias Brust presst sich gegen meinen Bizeps, als hätte sie Angst, ich könnte die Flucht ergreifen.

»Sie denkt, ihr seid immer noch glücklich verheiratet.«

Das nervöse Gefühl in meinem Magen verwandelt sich in Übelkeit. Verheiratet sind wir, so viel ist richtig. Aber definitiv nicht glücklich.

»Du bist verheiratet?« Abrupt lässt Alicia mich los.

Ich fahre mir mit der Hand durchs Haar und suche den Blick meines Vaters, als könnte der die Sache für mich in Ordnung bringen. »Nur noch auf dem Papier.«

»Und du hast es nicht für nötig gehalten, mir das zu sagen?«

Die letzte Person, mit der ich mich jetzt streiten will, ist Alicia. Wir kennen uns noch nicht lange. Sie ist mein erster Dating-Versuch, seit Lucy mich verlassen hat.

»Entschuldigung.« Lucy kommt zu uns zurück und schiebt sich zwischen Alicia und mich. Sie hatte schon immer ein Händchen dafür, anderen unmissverständlich klarzumachen, dass ich ihr gehöre. Wenn ich mich recht erinnere, fand ich das früher sexy.

»Wer ist das?«, raunt sie mir ins Ohr.

»Lucy, wir sollten jetzt gehen.« Susan nimmt die Hand ihrer Tochter und will sie von mir wegziehen.

»Warum denn? Schau doch mal, ich habe Adam gefunden.« Doch noch während sie auf mich deutet, verblasst ihr Lächeln, und sie schaut Hilfe suchend zu ihrer Mom. »Moment mal … heißt das …?«

»Ihr seid nicht mehr zusammen«, sagt Susan.

Aus Lucys Kehle dringt ein erstickter Aufschrei, und sie weicht hastig von mir zurück. »Oh.«

Dann schaut sie zu Alicia, als wäre sie der Grund für unsere Trennung gewesen. Zorn steigt in mir hoch. Wenn sie wissen will, wer daran schuld ist, sollte sie einen Blick in den Spiegel werfen.

Meine Familie steht um uns herum und sagt kein Wort – was einem Wunder gleichkommt. Offenbar ist eine Frau mit Amnesie nötig, um sie zum Schweigen zu bringen.

Vielleicht ist gerade nicht der beste Moment für einen Scherz, aber ich habe keine Ahnung, wie ich sonst mit der Situation umgehen soll. Die Verzweiflung in Lucys Blick bringt mich fast um. Ich will, dass es ihr wieder gut geht. Am liebsten würde ich ihr sagen, dass sie mich zurückhaben kann, wenn sie will. Aber was würde das nützen? Niemand kann ungeschehen machen, was vor einem Jahr passiert ist.

Sie zeigt auf Alicia. »Gehörst du zu Adam?«

»Wir müssen jetzt wirklich gehen. Es tut mir sehr leid.« Susan zieht Lucy an ihre Seite. »Einen schönen Abend noch.«

Ich öffne den Mund, um etwas zu sagen, auch wenn ich nicht weiß, was. Also schließe ich ihn wieder und starre den beiden wortlos hinterher. Alicia schmiegt sich wieder an mich, als erwarte sie, dass der Abend nach dieser kleinen Unterbrechung ganz normal weitergeht. Doch auf einmal fühlt sich alles falsch an.

»Bin gleich wieder da«, sage ich und mache mich von ihr los.

»Ich dachte schon, er würde einfach nur dastehen und nichts tun«, sagt Cade, als wäre das ein Verbrechen. Ich bin Lucy nichts schuldig. Sie hat mir das Herz gebrochen. Und jetzt hat sie durch einen Unfall ihr Gedächtnis verloren – na und? Das ist nicht mehr mein Problem. Wenigstens versuche ich mir das einzureden, während ich mir einen Weg durch die Menge bahne. Auf der Kopfsteinpflasterstraße draußen vor der Brauerei hole ich Susan und Lucy ein.

Susan hat ihrer Tochter den Arm um die Schultern gelegt, und die beiden unterhalten sich leise, während immer mehr Leute stehen bleiben, um sie zu begrüßen.

»Lucy!«, rufe ich.

Schlagartig verstummt die Geräuschkulisse an diesem letzten Abend vor Beginn der Touristensaison, und ein dröhnendes Schweigen senkt sich über den Platz.

Lucy dreht sich um, und ich verlangsame meine Schritte. Doch ehe ich bei ihr bin, tritt Susan zwischen uns und hebt die Hand, um mich am Näherkommen zu hindern.

»Adam, bitte. Das ändert nichts an dem, was zwischen euch vorgefallen ist. Es tut mir leid, dass wir euch heute Abend gestört haben, aber das hier ist keine gute Idee.«

Lucy wischt sich mit dem Handrücken die Tränen aus den Augen, und ich knirsche unwillkürlich mit den Zähnen, weil ich es nicht ertragen kann, sie traurig zu sehen. Auch wenn ich wünschte, ich wäre immun dagegen. Um an Susan vorbeizugelangen, gehe ich einen Schritt zur Seite, aber sie macht dieselbe Bewegung.

»Sie ist meine Frau«, sage ich.

Susan wirft mir einen Blick zu, der mir zu verstehen gibt, dass das eine Lüge ist und wir das beide wissen.

»Du kannst nicht erwarten, dass mich eine solche Nachricht kaltlässt«, presse ich hervor.

Lucys Lippe zittert, während sie tief Luft holt. Abgesehen davon, dass uns praktisch die gesamte Stadt zuschaut und ihre Mutter zwischen uns steht, kommt mir das Ganze wie der Abend vor, an dem sie mich verlassen hat: Sie versucht krampfhaft, ihre Tränen zu unterdrücken, und ich versuche, zu ihr durchzudringen, damit sie mir erklärt, was um alles in der Welt hier gerade vor sich geht.

»Bitte. Ich bin nur auf Anraten ihres Arztes mit ihr nach Sunrise Bay gekommen, um zu sehen, ob sie sich vielleicht an etwas erinnert.«

»Susan.« Hinter uns erklingt die tiefe Stimme meines Vaters. Gleich darauf spüre ich seine große Hand auf meiner Schulter.

»Hank.« Die Antipathie, die Susan für unsere Familie hegt, ist deutlich zu hören. Sie war von Anfang an der Meinung, dass ich nicht der Richtige für ihre Tochter bin. Deshalb ist es auch keine Überraschung, dass sie jetzt versucht, mich von ihr fernzuhalten.

»Warum suchen wir nicht einen Ort, an dem wir uns ungestört unterhalten können«, schlägt Dad vor. »Wir könnten zu uns gehen oder …«

Wieder hebt Susan abwehrend die Hand. »Wir fliegen morgen zurück nach Idaho. Ich habe mich schon bei Adam dafür entschuldigt, dass wir euren Abend unterbrochen haben.«

»Aber …«, setze ich an.

Mein Dad macht einen Schritt auf Susan zu. »Du kannst nicht von Adam verlangen, dass er nach einer Neuigkeit wie dieser einfach in sein Leben zurückkehrt und so tut, als wäre nichts gewesen. Er verdient zumindest Antworten auf ein paar Fragen.«

Ich nicke, als wäre ich immer noch der Neunzehnjährige, der neben ihm steht, während er mit Susan und Lloyd Davis telefoniert und sie nach ihrem Segen für die Hochzeit fragt.

»Bei allem Respekt – es war nicht deine Tochter, die vor einem Jahr weinend vor meiner Tür stand. Es wird ja wohl einen Grund geben, weshalb ihre Ehe nicht funktioniert hat. Wenn ich gehässig wäre, würde ich jetzt sagen, ich habe es gleich gewusst, Hank.«

»Wann war der Unfall?«, frage ich.

Susan schüttelt den Kopf, als weigere sie sich, meine Frage zu beantworten.

»Vor gut drei Monaten«, sagt Lucy. »Mein erstes Mal auf einem Pferd, und ich wurde abgeworfen – das hat man mir jedenfalls gesagt.«

Susan seufzt.

»Lass die Kinder doch miteinander reden«, appelliert Dad an sie.

Susan reibt sich mit der Hand die Stirn und atmet tief ein. Dann wirft sie einen Blick auf Lucy, tritt einen Schritt auf uns zu und senkt die Stimme. »Eigentlich wollten wir in Anchorage übernachten, aber ich kann auch zu Mandi fahren und dort ein Zimmer für uns mieten, wenn sie noch eins frei hat. Lucy ist sehr aufgewühlt. Ich hätte nie damit gerechnet, dass sie so schnell Fortschritte macht. Das hat uns beide überrumpelt. Bisher sind ihre Erinnerungen nur bruchstückhaft zurückgekommen, ganz langsam, im Laufe von Wochen. Kommt morgen Vormittag zu uns, wir reden, sobald sie sich ein bisschen beruhigt hat.«

Das kann ja wohl nicht ihr Ernst sein. Doch als ich mich erneut an ihr vorbeidrängeln will, hält Dad mich am Arm fest.

»Das ist ein guter Vorschlag«, sagt er.

Ich schnaube empört, weil ich jetzt sofort mit Lucy reden will.

»Gegen neun Uhr«, sagt Susan, und mein Dad willigt ein.

Sie dreht sich zu Lucy um, aber ich lege ihr eine Hand auf den Arm. »Wenn du von Fortschritten sprichst …?«

Sie tätschelt Lucys Hand, woraufhin Lucy erneut zu weinen anfängt. »Sie hat sich erst wieder an dich erinnert, als sie dich gesehen hat.«

Mein Dad seufzt, und es fühlt sich an, als würde mein Herz einen Augenblick lang stillstehen. Das ganze letzte Jahr über habe ich versucht, Lucy zu vergessen. Sie aus meinem Gedächtnis zu tilgen, weil die Gedanken an sie einfach zu schmerzhaft waren. Ich kann mir nicht vorstellen, wie es wäre, wenn ich mich überhaupt nicht mehr an unsere gemeinsame Zeit und all die schönen Momente erinnern könnte. Gleichzeitig beneide ich sie, weil sie nicht die Last dessen tragen muss, was zwischen uns passiert ist.

»Dann sehen wir uns morgen«, beendet mein Dad die Unterhaltung.

Susan und Lucy wenden sich zum Gehen. Unsere Blicke begegnen sich kurz, als sie noch ein letztes Mal zurückblickt, ehe sie von der Menschenschar verschluckt wird.

Kapitel 2

»Hör auf, am Spielfeldrand zu stehen und zuzuschauen.«Cora Turner

Lucy

Meine Mutter lotst mich durch die Menge. Am liebsten würde ich mich von ihr losreißen und zurück zu Adam laufen – mich in seine Arme werfen und mir von ihm sagen lassen, dass alles wieder gut wird. Dass die Vergangenheit keine Rolle mehr spielt. Stattdessen unterdrücke ich meine Tränen, während ganz Sunrise Bay uns verstohlene Blicke zuwirft und hinter vorgehaltener Hand tuschelt. Meine Mom drückt mich an sich, während wir den kurzen Weg zu Mandis B&B zurücklegen.

Auf einmal flackert eine Erinnerung vor meinem geistigen Auge auf, als wäre sie in einem dunklen Raum verborgen gewesen und als hätte Adam die Tür aufgeschlossen und das Licht angeschaltet.

Wir waren dreizehn, seine Stiefmutter Marla hatte eine riesige Geburtstagsparty für ihn organisiert, mit Ballons und Luftschlangen an der Pergola neben dem Pool. Sein Dad hatte vor einiger Zeit zum zweiten Mal geheiratet, und etwa ein Jahr zuvor war die ganze Patchworkfamilie in das Haus der Greenes oben am Hügel gezogen.

Ich kam zusammen mit meiner besten Freundin Cory auf die Party. Adam und seine Freunde veranstalteten einen Arschbomben-Wettbewerb und schenkten den anwesenden Mädchen kaum Beachtung. Irgendwann kamen seine älteren Brüder Fisher und Xavier mit Fishers Kumpel Cam aus dem Haus. Die meisten Mädchen glotzten mit offenem Mund, als die Jungs sich die T-Shirts auszogen und wilde Sprünge in den Pool machten, bei denen das Wasser so hoch spritzte, dass sogar die Schüsseln mit Chips nass wurden.

Adam hockte am Poolrand, während seine Brüder ihn und die anderen Jungs damit aufzogen, dass auf seiner Party die Mädchen alle auf der einen und die Jungs auf der anderen Seite saßen. Irgendwann fingen wir an, Spiele zu spielen – ich glaube, es war Marlas Idee. Wir veranstalteten kleine Schwimmwettbewerbe und spielten Fangen, und allmählich löste sich die Trennung zwischen den Geschlechtern auf. Alle Mädchen mochten Adam. Er war witzig und nett, aber ich wusste, dass viele vor allem deshalb auf ihn standen, weil er ein Greene war. Bisher war jeder Junge aus seiner Familie Quarterback in der Footballmannschaft der Sunrise Bay Highschool gewesen. Fisher war sogar Kapitän und Quarterback gleichzeitig, obwohl es Gerüchte gab, dass Xavier seine Position in der Elften übernehmen würde, weil er so ein Ausnahmetalent war. Logischerweise ging man davon aus, dass auch Adam später mal auf der Position des Quarterbacks spielen würde.

Aber ich mochte Adam aus anderen Gründen. Nachdem Toby Turner mir zwei Jahre zuvor die Hose runtergezogen und mir den Spitznamen »Rainbow« eingebracht hatte, weil mein Slip mit kleinen Regenbögen bedruckt war, hatte Adam es ihm während der Weihnachtsaufführung vor einem voll besetzten Zuschauerraum mit gleicher Münze heimgezahlt. Als er von Mrs Fields abgeführt worden war, hatte er mir grinsend zugezwinkert. Er hatte meine Rache ausgeübt und damit bewusst eine Menge Ärger riskiert.

»Reiterkampf!«, rief Cam und riss mich aus meinen Gedanken.

In den zwei Jahren, die seitdem vergangen waren, hatte sich viel verändert. Wir waren älter geworden, und manchmal hörte man, dass Adam langsam in den Stimmbruch kam. Ich füllte inzwischen mein Bikinioberteil aus, und seit ich meine Periode bekommen hatte, waren auch meine Hüften breiter geworden. Ich war unter lauter Jungs aufgewachsen, aber so langsam veränderte sich meine Sichtweise auf das andere Geschlecht.

»Na los, du bist mit Adam in einem Team.« Cora stieß mir den Ellbogen in die Rippen, während wir am Rand des Pools saßen.

Ich schüttelte den Kopf und ließ meine Füße ins Wasser baumeln. »Nein.«

»Hör auf, einfach nur am Spielfeldrand zu stehen und zuzuschauen. Ich weiß doch, dass du ihn magst.«

Amara hatte bereits Kurs auf Adam genommen. Ich war neidisch auf sie, weil sie keinerlei Berührungsängste hatte. Also zog ich mir das Zopfgummi aus den Haaren und machte meinen Pferdeschwanz neu, als wäre mir das alles vollkommen egal.

Cora knuffte mich noch einmal. »Luce, ich weiß, dass er auf dich steht.«

»Nein, das weißt du nicht.«

»Das wissen alle, spätestens seit dem Vorfall mit Toby Turner.«

Ich mochte Cora wirklich gern, aber das mit der Hose war zwei Jahre her. Außerdem machte Adam gerade eine schwierige Phase durch, weil sein Vater und Marla geheiratet hatten. Seitdem hatte sich in seinem Leben einiges verändert – vermutlich auch seine Einstellung zu mir.

Cam kam rüber und zeigte mit dem Finger auf uns. »Was ist mit euch beiden los?«

Cameron Baker war der Mädchenschwarm von Sunrise Bay, Running Back in der Footballmannschaft und so was wie Fishers Sidekick. Hätte Hank Greene nicht die Ex-Frau seines Cousins geheiratet, wäre die Familie Baker womöglich die am meisten angesehene Familie des Ortes gewesen. Die Bakers betrieben den Fischereihafen und boten zahlreichen Einwohnern Arbeitsplätze. Cameron war ein charmanter Typ, der gern flirtete. Aber er war nicht Adam Greene.

»Du bist Lucy Davis, stimmt’s?«, fragte er.

Cora lachte laut, weil er meinen Namen kannte.

»Adam!« Er schnippte mit den Fingern und winkte ihn zu sich.

Adam kam angeschwommen. Mir fiel auf, dass sein Kreuz deutlich breiter war als noch im letzten Sommer.

»Was ist?«, fragte er, ohne Blickkontakt zu Cora oder mir aufzunehmen.

»Du und Lucy seid ein Team. Spring ins Wasser«, wies Cameron mich an, als wäre es für mich das erste Mal in einem Pool.

»Ich soll mich auf seine Schultern setzen?« Im Stillen betete ich, dass Cameron mich nicht dazu zwingen würde – obwohl ich es mir gleichzeitig wünschte.

»Cam.« Adam schüttelte den Kopf, und ich blieb am Poolrand sitzen.

»Komm schon. Ich tue dir einen Riesengefallen.«

»Wie bitte?«, rief Adam, und seine Stimme rutschte eine Oktave in die Höhe.

Cam tätschelte ihm die Schulter. »Eines Tages wird er auch nicht mehr wie ein Frosch klingen.«

Ich glaube, der Grund, weshalb viele Menschen die Greenes so beneideten, war ihre große Familie. Auf einen Außenstehenden wirkten sie wie eine verschworene Gemeinschaft. Als Fishers bester Freund war auch Cameron quasi ein Familienmitglied. Ich selbst hatte nur einen drei Jahre alten Bruder und mir immer mehr Geschwister gewünscht, die für mich da waren und auf mich aufpassten.

»Jetzt stellt euch nicht so an. Los geht’s.« Er deutete auf Cora. »Du kannst meine Partnerin sein.«

»Das ist total unfair. Du bist viel größer als ich«, beklagte sich Adam.

»Stimmt.« Cam sah sich um. »Turner, schwing deinen Arsch hier rüber.«

Cora stöhnte. »Ich steige nicht auf Tobys Schultern.«

»Ach, komm schon«, flehte Cam.

Toby schwamm zu uns. Wir hatten uns nach dem Hosenvorfall versöhnt, und er und Adam waren danach sogar Freunde geworden. Am Ende konnten wir Cora dazu überreden, sich auf Tobys Schultern zu setzen. Sobald sie im Wasser war, ließ Adam sich tiefer sinken, sodass ich seinen Rücken erklimmen konnte. Er hielt mich an den Schienbeinen fest, und wir erhoben uns langsam aus dem Wasser. Ich stützte mich mit den Händen auf seinem Kopf ab und staunte, wie seidig sich seine Haare unter meinen Fingern anfühlten.

»Okay, Mädels. Auf drei versucht ihr, die andere runterzuschubsen. Jungs, immer schön stark bleiben.« Flankiert von Fisher und Xavier, lehnte Cam am Poolrand und sah uns zu. »Eins. Zwei. Drei.«

Adam und Toby bewegten sich aufeinander zu. Cora und ich lachten mehr, als dass wir gegeneinander kämpften. Ich schwankte, und Adams Hände auf meiner nackten Haut brachten meine Hormone in Wallung. Ich war so sehr auf die Berührung konzentriert, dass ich, als Cora mir einen Stoß versetzte, das Gleichgewicht verlor und nach hinten ins Wasser fiel. Als ich bis zum Grund des Pools sank, fasste Adam mich an den Hüften und zog mich wieder hoch. Wir beide tauchten auf und starrten einander an.

»Tut mir leid«, sagte ich leise.

Er schüttelte seine Haare aus. »Kein Ding. Alles okay bei dir?«

Ich nickte. Wir waren nur wenige Zentimeter voneinander entfernt, und er hatte mich noch nicht losgelassen. Sein Blick wanderte zu meinen Lippen, und auf einmal schien es, als hätte die Party um uns herum aufgehört zu existieren und es gäbe nur noch uns. Ich fuhr mir mit der Zunge über die Unterlippe, weil ich mal gelesen hatte, dass es nicht gut war, wenn man einen Jungen küsste und trockene Lippen hatte. Er sah so gut aus, dass ich keinen klaren Gedanken mehr fassen konnte.

»Es gibt Kuchen!«, rief Mrs Greene in dem Moment, und alle beeilten sich, aus dem Wasser zu kommen.

Adam drehte sich grinsend um. Als er die Hände von meinem Körper nahm, tat er es langsam, als ließe er mich nur widerwillig los. In dem Moment wusste ich, dass Adam Greene und ich füreinander bestimmt waren. Ich schrieb es an jenem Abend sogar in mein Tagebuch.

Ehe wir den Eingang des B&B erreichen, bleibe ich stehen und schließe kurz die Augen, um sicherzugehen, dass die Erinnerung nicht wieder verschwindet. Ich stelle mir den jungen Adam in Badehose vor, wie er mich anlächelt.

Ja, sie ist noch da.

»Ich hatte Tagebücher«, sage ich.

»Wie bitte, mein Schatz?« Mom zieht die Eingangstür auf.

In den letzten drei Monaten war sie mir wirklich eine große Hilfe. Dank ihr sind schon viele Erinnerungen zurückgekommen. Aber nach Sunrise Bay wollte sie eigentlich nicht mit mir fliegen. Ihrer Meinung nach hatte sich an dem Grund meiner Flucht vor einem Jahr höchstwahrscheinlich nichts geändert, und weil ich selbst nicht wusste, weshalb ich damals gegangen war, fürchtete sie eine Verschlimmerung meines Zustands bei der Rückkehr. Doch ich ließ nicht locker, und am Ende willigte sie ein, weil sie Angst hatte, ich könnte mich sonst allein auf den Weg machen.

»Ich habe früher Tagebuch geschrieben.«

»Ach ja?«

Ich nicke. »Hast du nie welche zu Hause gefunden?«

»Du hast dein Zimmer ausgeräumt, bevor du …« Sie verstummt, als sie an die Rezeption tritt, die durch einen mir unbekannten jungen Mann besetzt ist.

Wir buchen ein Zimmer für die Nacht, und sobald wir es bezogen haben, lasse ich mich aufs Bett sinken. »Mom.«

Sie ist damit beschäftigt, sich Mantel und Schuhe auszuziehen, und schaut auf ihr Handy, als hätte sie mich gar nicht gehört. Erst jetzt wird mir bewusst, dass sie mir nie von Adam erzählt hat – davon, dass ich verheiratet war. Wie konnte sie mir so etwas verschweigen?

»Mom«, sage ich noch einmal.

»Was ist denn, Schatz? Ich habe keine Tagebücher gefunden.« Sie starrt beim Reden auf ihr Telefon.

»Kannst du mich bitte ansehen?«

Sie hebt den Kopf.

»Können wir darüber sprechen, was für einen riesengroßen Fortschritt ich gemacht habe? Ich habe mich gerade daran erinnert, dass ich auf der Party zu Adams dreizehntem Geburtstag war. Ich meine … bis vor zwanzig Minuten wusste ich nicht mal, dass es ihn gibt.«

Sie legt ihr Handy weg, setzt sich zu mir auf die Bettkante und nimmt meine Hände. »Genau davor hatte ich Angst. Ich will ganz ehrlich sein: Ich hatte gehofft, du würdest dich vielleicht nicht mehr daran erinnern, dass du verheiratet bist. Als du zu uns nach Idaho kamst, warst du so durcheinander und verzweifelt. Du bist einen ganzen Monat lang nicht aus dem Bett aufgestanden.«

»Warum haben wir uns getrennt?«

Sie schüttelt den Kopf. »Ich weiß es nicht. Du wolltest es nicht sagen.«

»Warum nicht? Warum hätte ich es dir nicht sagen sollen?« Ich runzle die Stirn.

Sie seufzt, ein klares Zeichen dafür, dass sie mir Informationen vorenthält und nicht mit der Wahrheit herausrücken möchte. »Ich glaube, du hattest Angst, dass ich dir sage, ich hätte es von Anfang an gewusst.«

»Warum hättest du das sagen sollen?«

»Weil wir gegen die Hochzeit waren.« Sie tätschelt meine Hand. »Ich habe mir dich nie als verheiratete Frau vorgestellt, Luce. Dein Vater und ich waren mit eurer Ehe nicht einverstanden, deshalb kam es zum Streit und …«

Ich entziehe ihr meine Hände, stehe auf und schaue aus dem Fenster. Von unserem Zimmer aus kann man die Bucht sehen. »Warum wart ihr dagegen?«

Wieder ein Seufzer. So langsam geht mir das auf die Nerven. »Das ist eine lange Geschichte.«

»Dann ist es ja gut, dass wir heute nichts mehr vorhaben.«

Sie steht ebenfalls auf und nimmt ihren Kulturbeutel, um ins Bad zu gehen.

»Mom«, sage ich flehend. »Du kannst mich darüber nicht im Unklaren lassen. Dr. Lipstein hat gesagt, wenn ich Fragen habe, musst du sie mir beantworten, weil dadurch vielleicht meine Erinnerungen zurückkommen.«

In den vergangenen drei Monate hatte ich hin und wieder das Gefühl, dass meine Mutter mir etwas verschweigt. Zum Beispiel sagte mein Bruder Zane irgendwann mal etwas, das für mich überhaupt keinen Sinn ergab, und meine Eltern lenkten das Gespräch sofort in eine andere Richtung.

»Manche Dinge bleiben besser in der Vergangenheit. Du bist zu uns zurückgekommen, können wir es nicht dabei belassen?«

Frustriert ringe ich die Hände. Was hat sie denn erwartet, was passiert, wenn wir hierher zurückkehren? Hat sie gehofft, dass ich mich an nichts erinnere und dieser Teil meiner Vergangenheit für immer verschüttet bleibt? Allmählich wird mir klar, weshalb sie nicht wollte, dass ich nach Sunrise Bay fliege.

»Entweder du sagst es mir, oder ich lasse es mir von Adam erklären. So oder so – ohne eine Antwort werde ich Sunrise Bay nicht verlassen.« Ich verschränke die Arme vor der Brust.

»Okay, okay. Gib mir nur einen Moment Zeit, um mich bettfertig zu machen und das alles zu verarbeiten, danach können wir reden.« Sie öffnet die Tür und verschwindet den Gang hinunter.

Ich warte, bis ich höre, wie am Ende des Flurs die Badezimmertür zugeht, dann schnappe ich mir meine Jacke und schlüpfe aus dem Zimmer. Wenn sie erst darüber nachdenken muss, wird sie mir garantiert nicht die ganze Wahrheit sagen. Um meine Erinnerungen wiederzubekommen, muss ich die Sache also selbst in die Hand nehmen.

Ich gehe nach unten, schleiche an der Rezeption vorbei und zur Tür hinaus. Als ich Mandi sehe, die Adam mit dem Finger gegen die Brust sticht, bleibe ich wie angewurzelt stehen.

»Was ist hier los?«, frage ich.

Beide drehen sich um. Adam macht einen Schritt auf mich zu, doch Mandi umfasst sein Handgelenk und hält ihn fest.

Anscheinend sind meine Familienmitglieder nicht die Einzigen, die uns voneinander fernhalten wollen.

Kapitel 3

»Falls ich morgen tot bin, war es höchstwahrscheinlich deine Mutter.«Adam Greene

Adam

Mandi hält mein Handgelenk dermaßen fest umklammert, dass ich Angst habe, sie könnte mir mit ihren Fingernägeln die Pulsader aufschlitzen.

Lucy bleibt kurz hinter der Eingangstür stehen.

Meiner Stiefschwester Mandi gehört das B&B, und ich wette, dass sie von meiner Familie zum Wachtposten erklärt wurde, für den Fall, dass ich hier aufkreuze. Sobald ich mit meinem Pick-up auf den Parkplatz gefahren bin, kam sie ins Freie gelaufen und befahl mir, wieder umzukehren.

Aber wie kann ich das? Alicia habe ich längst nach Hause gebracht. Sie versuchte noch, mich zum Reinkommen zu bewegen, indem sie mir in den Schritt fasste, aber leider regte sich dort rein gar nichts – offenbar sind Erektionsstörungen unvermeidbar, wenn die eigene Ehefrau, die man seit einem Jahr nicht mehr gesehen hat, plötzlich in der Stadt auftaucht. Am Ende habe ich mich an der Haustür von ihr verabschiedet.

Eigentlich wollte ich danach nach Hause fahren und ins Bett gehen. Wirklich. Vermutlich hätte ich nicht schlafen können, aber bis zum nächsten Morgen zu warten, so wie mein Vater es vorgeschlagen hatte, schien mir der richtige Weg zu sein.

Aus unerfindlichen Gründen bog mein Truck jedoch während der Fahrt mehrmals falsch ab, und auf einmal fand ich mich vor dem B&B wieder.

»Hey, Luce«, sagt Mandi, die immer noch mein Handgelenk umklammert. Im Ernst, sie besitzt geradezu übermenschliche Kräfte. »Hast du einen Wunsch?«

Lucy schüttelt den Kopf, und unsere Blicke begegnen sich kurz im trüben Schein der Parkplatzbeleuchtung. »Nein, ich wollte nur ein bisschen frische Luft schnappen.«

»Wo ist deine Mutter?«, will Mandi wissen.

»Die macht sich gerade bettfertig.« Lucy zieht den Reißverschluss ihrer Jacke hoch und tritt von einem Fuß auf den anderen, »Adam, wollen wir reden?«.

Ihre Stimme klingt so zittrig und heiser, dass ich sie kaum wiedererkenne. »Gern.«

»Adam …« In Mandis Tonfall schwingt eine Warnung mit, doch ich hebe abwehrend die Hand.

»Es ist mein Leben.«

Daraufhin schweigt sie, und Lucy schenkt ihrer früheren Freundin ein Lächeln. Mandi ist nur ein Jahr älter als wir, und als Lucy und ich in der Schule ein Paar wurden, hingen Lucy, Mandi, Chevelle und ich oft zusammen bei uns im Keller ab. Ob Lucy sich daran noch erinnert?

»Ich möchte keinen Suchtrupp losschicken müssen, okay? Lauft also bitte nicht zu weit weg«, sagt Mandi, als wir uns zum Gehen wenden.

»Keine Sorge. Ich bringe sie spätestens in einer Stunde zurück.«

»In einer Stunde?«, ruft Mandi schrill.

Doch ich beachte sie nicht weiter, weil ich die ganze Zeit daran denken muss, dass Lucy gerade neben mir in Richtung Bucht spaziert. Es ist Ewigkeiten her, seit ich sie das letzte Mal gesehen habe, und ihr jetzt wieder nahe zu sein, fühlt sich zugleich seltsam und verstörend normal an.

Lucy schaut sich um, während wir uns immer weiter von der Zivilisation entfernen.

Kurz vor Beginn der Touristensaison herrscht in unserem kleinen Ort Sunrise Bay mehr Betrieb als sonst, aber das B&B liegt zum Glück ein wenig abseits des Trubels. Die meisten Gäste, die bei Mandi übernachten, amüsieren sich wahrscheinlich gerade auf dem Platz im Ortszentrum, wo heute Abend ein Großteil der Festivitäten zum Saisonstart stattfindet. Ich suche eine Stelle auf den Felsen an der Küste, an der wir uns niederlassen können. Kaum habe ich mich gesetzt, hebe ich kleine Steine auf und werfe sie ins Wasser. Meine Hände müssen etwas zu tun haben, damit sie nicht auf dumme Gedanken kommen, wie beispielsweise Lucy zu berühren.

Ich weiß nicht genau, wie ich das Gespräch beginnen soll, also sage ich dummerweise das Erste, was mir in den Kopf kommt. »Wenn ich morgen tot bin, war es höchstwahrscheinlich deine Mutter.«

»Sie mag dich wohl nicht besonders?« Lucy setzt sich neben mich, sammelt ebenfalls einige Steine auf und wirft sie ins Meer.

Ich betrachte sie. Der Anblick ihres vom Mond beschienenen Gesichts erinnert mich an die Nächte in unserer Hütte oben in den Bergen. Damals schauten wir in den Sternenhimmel und liebten uns auf der Terrasse. Ich schließe die Augen. Diese Zeiten sind vorbei. Wir sind nicht mehr das naive Paar, das glaubte, die Liebe könne alles überwinden. Ganz im Gegenteil. Ich habe am eigenen Leib erfahren, dass sie das nicht kann.

»Woran erinnerst du dich noch?«, frage ich sie.

Ich weiß praktisch nichts über Amnesie außer dem, was ich aus Filmen kenne, und die sind vermutlich keine zuverlässige Informationsquelle. Einmal hat Lucy mich gezwungen, eine romantische Komödie mit ihr über einen Mann zu schauen, der lange im Koma gelegen hat. Als er aufwacht, erfährt er, dass er eine Verlobte hat, die sich in der Zwischenzeit allerdings in seinen Bruder verliebt hat. So ein Pech.

»Anfangs an gar nichts. Ich wusste nicht mal mehr, wie ich heiße. Aber die Ärzte haben meine Eltern angerufen, und sobald ich sie sah, konnte ich mich wieder an sie erinnern. Erst dachten sie, mein Gedächtnisverlust wäre nur vorübergehend, aber dann kamen lange Zeit erst mal keine neuen Erinnerungen.«

»Und mich hast du auch vergessen?«

»Anscheinend«, sagt sie. »Ich konnte mich an meine Eltern erinnern, aber viel mehr war da nicht. Erst als ich dich gesehen habe, ist mir wieder eingefallen, dass du mein Mann bist.«

»Bald dein Ex-Mann.« Als sie die Schultern betroffen hängen lässt, ermahne ich mich im Stillen, einen weniger aggressiven Ton anzuschlagen.

»Darf ich dich fragen, was zwischen uns vorgefallen ist? Haben wir uns wegen deiner Freundin getrennt?«

Ich muss laut lachen. Natürlich hält sie mich für den Schuldigen. Zorn brodelt wie ein heißer Schmerz in meinem Magen. Es fällt mir immer noch schwer, über eine der demütigendsten und schmerzhaftesten Erfahrungen meines Lebens zu sprechen. »Ich war dir nicht untreu. Du hast mich verlassen.«

Sie runzelt die Stirn. »Warum?«

Was habe ich verbrochen, dass ich diese Folter erleiden muss? Warum kommt diese ganze Scheiße ausgerechnet jetzt wieder hoch, nachdem ich gerade das Schlimmste überwunden hatte? Ich blicke zu den Fischerbooten. Am liebsten würde ich ins Wasser springen, zu ihnen schwimmen und mehrere Monate auf See verbringen.

Ich zucke mit den Schultern und versuche mir nichts anmerken zu lassen. »Du hast gesagt, dass du mehr vom Leben willst. Dass du nicht mehr glücklich bist.«

»Oh.« Sie klingt müde und kleinlaut.

Ich habe immer noch den Impuls, sie zu trösten, und verwünsche mich gleichzeitig dafür. Das ist die Aufgabe eines Ehemannes, nicht eines zukünftigen Ex-Mannes.

Weil ich zu aufgewühlt bin, um still zu sitzen, stehe ich auf und gehe ein paar Schritte in Richtung Ufer. Der schwarze Himmel ist mit Sternen übersät. Für manche ist dieser Anblick bestimmt der Inbegriff von Romantik, aber nicht für uns. Diese Tage sind lange vorbei.

»Wie kann es sein, dass ich mich nicht daran erinnert habe, als ich dir begegnet bin? Im ersten Moment war ich einfach nur glücklich.« Sie zieht die Knie an die Brust, stützt das Kinn darauf und starrt aufs Wasser.

»Bestimmt fällt dir bald wieder ein, weshalb du so unglücklich mit mir warst«, sage ich spöttisch. Und genau aus dem Grund werde ich mich von ihr fernhalten. Ansonsten besteht die Gefahr, dass ich mich wieder auf sie einlasse, nur damit sie mir ein zweites Mal den Boden unter den Füßen wegzieht. Ich kann mich nicht noch einmal aus dieser abgrundtiefen Verzweiflung zurück ans Licht kämpfen. Das schaffe ich einfach nicht.

»Auf dem Weg zum B&B ist mir die Party zu deinem dreizehnten Geburtstag wieder eingefallen.«

Ich drehe mich zu ihr um. Ein kleines Lächeln umspielt ihre Lippen. Ich weiß noch, dass ich sie auf der Party zum ersten Mal berührt habe. Ich war Cam so dankbar dafür, dass er an dem Tag Reiterkämpfe vorgeschlagen hat.

»Als ich an dem Tag die Kerzen ausgeblasen habe, habe ich mir gewünscht, dass du meine Freundin wirst.«

Sie holt scharf Luft, und ich wünschte, ich hätte dieses Detail für mich behalten. Ich bin mir nicht sicher, ob ich ihr jemals davon erzählt habe.

»Wirklich?«

»Das war vor über zehn Jahren. Erste Jugendliebe und so.« Ich werfe einen weiteren Stein, und er versinkt in der schwarzen Tiefe. Meinem Herzen geht es ähnlich.

»Du konntest schon immer gut werfen«, sagt sie.

Ich nicke. »Das ist alles, woran du dich erinnerst? Dass wir verheiratet sind, dass du mit dreizehn auf meiner Geburtstagsparty warst und dass ich gut werfen kann?« Ich kehre zurück zu den Felsen und setze mich.

»Bisher ja. Tut mir leid.«

»Was tut dir leid?«

»Ich sehe, dass meine Rückkehr dich aufwühlt. Dass ich dich wütend mache.«

Ich seufze.

»Was ist?« Sie streckt die Beine aus und will mir die Hand auf den Arm legen, zieht sie jedoch wieder zurück. »Rege ich dich auf?«

Ich schüttle den Kopf. »Es ist nur seltsam … Du weißt nicht mehr viel über mich, außer dass ich dein Mann bin, aber du kannst trotzdem noch meine Körpersprache lesen.«

»Ja, das ist wirklich komisch. Mein Arzt meinte, es sei bei jedem Fall anders. Er hat mich ermutigt, hierherzukommen, aber meine Mom hielt das für keine gute Idee. So langsam kann ich auch nachvollziehen, warum.«

Ihre Eltern sind so ziemlich das Letzte, worüber ich in diesem Moment mit ihr sprechen will. Ich bin nicht der Richtige, um ihre Erinnerungslücken zu füllen.

Vielleicht gebietet es der Anstand, sie freundlich aufzunehmen und ihr zu helfen, aber das ist nicht meine Aufgabe. Nicht mehr. »Wieso?«

»Mom meinte, sie und Dad wären nicht auf unserer Hochzeit gewesen?«

Ich schnaube. Selbst wenn Lucy krank ist, versucht Susan noch, einen Keil zwischen uns zu treiben.

»Gibt es da etwas, das ich wissen sollte?«

Ich lasse den Kopf in den Nacken sinken. »Das muss sie dir sagen, nicht ich.«

»Ist das dein Ernst?« Sie erhebt die Stimme, und im ersten Moment bin ich irritiert davon. Sicher, wir haben uns das eine oder andere Mal gestritten, aber Lucy war Grundschullehrerin und verlor fast nie die Beherrschung oder wurde auch nur laut. Früher habe ich immer gesagt, dass ich niemanden kenne, der so geduldig ist wie sie.

»Kannst du dir vorstellen, wie es sich anfühlt, nichts zu wissen?« Sie steht auf und macht sich auf den Weg zurück in Richtung des B&B. »Ich dachte, uns verbindet etwas, und du bist ehrlich zu mir. Du bist mein Ehemann.«

»War!«, rufe ich. »Ich war dein Ehemann, bis du mich verlassen hast. Es tut mir leid, dass du vom Pferd gefallen bist und dich nicht mehr erinnern kannst, aber hast du auch nur den Schimmer einer Ahnung, was ich im letzten Jahr durchgemacht habe? Die Liebe meines Lebens hat mich verlassen, und ihre einzige Erklärung war: ›Du machst mich einfach nicht mehr glücklich‹.«

Ihre Schultern sinken herab, und sie dreht sich langsam zu mir herum. »Ich kann mich an nichts mehr erinnern.«

»Das heißt aber nicht, dass es nicht passiert ist.«

Sie hockt sich wieder hin und vergräbt das Gesicht in den Händen. »Du hasst mich.«

Scheiße. Ich knirsche mit den Zähnen und balle die Hände zu Fäusten. »Nein, ich hasse dich nicht. Ich …«

»Lucy!«, schreit Susan von der Veranda des B&B, ehe sie die Stufen hinuntereilt.

»Verdammt«, brumme ich.

Lucys Kopf schnellt in die Höhe. »Und meine Mutter hasst du auch?«

Ich schüttle den Kopf, antworte jedoch nicht. Lucy weiß nichts mehr von der Hölle, die sie wegen ihrer Mutter durchmachen musste. Wahrscheinlich erinnert sie sich nur noch an die Eltern aus ihrer Kindheit. So oder so, ich werde garantiert nicht derjenige sein, der ihr dabei hilft, die Wahrheit herauszufinden.

»Du kannst sie nicht einfach mitnehmen«, sagt Susan, als sie schwer atmend bei uns ankommt.

Hinter ihr folgt Mandi – zusammen mit meinem Stiefbruder Jed. Er sieht mich an und seufzt, um mir zu verdeutlichen, wie beschissen er die Situation findet.

Ach ja? Wem sagst du das?

»Ich habe sie nicht mitgenommen«, entgegne ich durch zusammengebissene Zähne.

»Und das soll ich dir glauben? Du hast doch eine neue Freundin, warum kümmerst du dich nicht um die?«

Lucy steht auf, und ihre Mutter legt ihr einen Arm um die Schultern.

»Susan, das ist nicht fair«, sagt Mandi. »Ich war dabei. Lucy wollte selbst mit Adam sprechen.«

»Das stimmt, Mom«, sagt Lucy.

Ich atme aus, raufe mir die Haare und dehne meinen Nacken, um die Verspannung dort loszuwerden.

Susan ignoriert den Einwurf ihrer Tochter. »Na, komm, Schatz. Lass uns wieder reingehen.«

»Sie ist nicht mehr zehn«, sage ich.

Jed stöhnt.

Mandi seufzt.

Susan bleibt stehen und dreht sich um. »Deine Antipathie mir gegenüber ist nicht hilfreich.«

»Vielleicht wäre ein Anruf aus Idaho hilfreich gewesen.«

»Okay, wir gehen jetzt.« Jed legt mir einen Arm um die Schultern, als wäre ich betrunken.

»Hör auf deinen Stiefbruder, Adam. Wir sehen uns dann morgen früh.« Die beiden Frauen entfernen sich. Lucys Blicke sind voller Fragen.

Sobald sie weg sind, setze ich mich wieder hin, lehne mich zurück und starre in den Himmel. Wie zum Teufel bin ich in diese Situation geraten? Jed lässt sich neben mir nieder, und Mandi folgt seinem Beispiel. Keiner sagt etwas. Sie geben mir keine Ratschläge oder schreiben mir vor, was ich tun soll. Sie sitzen einfach nur da und geben mir den Raum, den ich brauche, um meine Gedanken zu ordnen.

Warum verachtet Susan Davis unsere Familie so sehr? Wir sind schließlich immer füreinander da, und das ist mehr, als man von ihr behaupten kann.

Kapitel 4

»Haben Sie etwa auch vergessen, dass Sattelschlepper Sie plattmachen können wie einen Pfannkuchen?«Dori Bailey

Lucy

Mom schläft noch tief und fest, als ich mich aus dem Zimmer schleiche. Diesmal habe ich ihr einen Zettel hingelegt, auf dem steht, dass ich mein Handy mitgenommen habe. Die letzten zwei Monate über bin ich regelmäßig joggen gegangen, weil ich dabei den Kopf frei bekomme und der permanente Druck, mich erinnern zu müssen, beim Laufen wenigstens vorübergehend verschwindet.

Mandi ist zum Glück nirgends zu sehen, allerdings bin ich mir ziemlich sicher, dass der Mann an der Rezeption mich kennt, denn er runzelt die Stirn, als ich ihm zuwinke und nach draußen trete. In Idaho hatte ich wenigstens nicht andauernd das Gefühl, dass alle anderen mehr über mich wissen als ich selbst. Hatten wir ein gutes Verhältnis zueinander? Waren wir in unserer Kindheit verfeindet? Wer weiß?

Ich setze meine Kopfhörer auf, scrolle durch meine Lauf-App und wähle passende Musik aus. Momentan befinde ich mich in einer Grunge-Phase. Meine Mom meint, sie wisse zwar nicht mehr, was für Musik ich früher gehört hätte, aber so düster sei sie nicht gewesen. Zu gern würde ich Adam fragen, denn wenn es einer weiß, dann vermutlich er. Aber leider scheint er nicht bereit zu sein, solche Informationen mit mir zu teilen.

Ich laufe los. Hoffentlich verirre ich mich nicht im Wald und werde von einem Bären angefallen.

Ich weiß nicht genau, wie lange ich schon unterwegs bin, aber nach einer Weile laufe ich einen Hügel hinauf und gelange an eine zweispurige Straße, die ich überqueren muss, weil der Waldweg auf der anderen Seite weitergeht. Ich reduziere das Tempo und jogge auf der Stelle, während ich nach Autos Ausschau halte. Rechts steigt die Straße leicht an. Ich will gerade einen Fuß auf den Asphalt setzen, als mit hoher Geschwindigkeit ein Cadillac an mir vorbeisaust. Hastig weiche ich zurück. Durch die Scheiben erhasche ich noch einen kurzen Blick auf weiße und blaue Haare, ehe ich kopfschüttelnd die Fahrbahn überquere. Hoffentlich finde ich jetzt wieder zurück in meinen Rhythmus.

Der Cadillac kommt mit quietschenden Reifen zum Stehen. Ich werfe einen Blick über die Schulter und fummle mir die Kopfhörer aus den Ohren, um nachzuschauen, ob etwas passiert ist oder ich um mein Leben rennen muss, weil gleich ein Axtmörder aus dem Auto aussteigt.

»Jetzt habe ich meinen Kaffee verschüttet!«, ruft eine Frau.

Die Tür geht auf, und ich hole mein Smartphone aus der Tasche meiner Jogginghose, um notfalls die Polizei rufen zu können. Mein Daumen schwebt schon über der 9.

Doch meine Angst legt sich, als Adams Großmutter Ethel aussteigt. Es ist schön, sie wiederzusehen – und noch schöner, dass ich auf Anhieb weiß, wer sie ist.

»Ich bin von oben bis unten bekleckert!«, schimpft die andere Frau.

»Beruhig dich, ich kaufe dir einen neuen.« Ethel schüttelt den Kopf.

»Einen neuen Wagen oder einen neuen Kaffee?«

»Sei still, du alte Hexe. Meine Enkeltochter ist wieder da.« Mit weit ausgebreiteten Armen überquert Ethel die Straße, als wäre sie ganz sicher, dass die entgegenkommenden Fahrzeuge schon für sie anhalten werden. »Lucy!« Sie schließt mich in die Arme. »Oh, meine Lucy. Ich habe schon gehört, dass du zurückgekommen bist – natürlich ausgerechnet in dem Jahr, in dem ich zum ersten Mal den Abend vor Saisonbeginn versäume. Die Leiden des Älterwerdens.« Sie beugt sich zu mir und versteckt ihren Mund hinter der Hand. »Verstopfung ist im wahrsten Sinne des Wortes eine ganz beschissene Sache.«

»Gut zu wissen.« Dankbar, dass ich mich an sie erinnern kann, erwidere ich ihre Umarmung.

»Ich wusste, dass du mich nicht vergisst.«

Ich muss lachen. »Es freut mich, Sie zu sehen, Mrs Greene.«

»Mich vergisst man eben nicht so leicht.« Sie hakt sich bei mir unter und zieht mich zum Wagen. »Komm. Dori und ich sind auf dem Weg in die Stadt, um den Start der Touristensaison zu feiern.«

Doch ich bleibe mitten auf der Straße stehen und entziehe ihr möglichst höflich meinen Arm. »Der ganze Trubel ist mir noch zu viel.«

»Oh, verständlich.«

Die Beifahrertür öffnet sich, und eine Frau mit blauen Haaren steigt aus. Ich habe das Gefühl, dass ich sie kennen müsste.

»Lucy«, sagt sie. »Wie schön, Sie zu sehen.«

»Danke.« Ich lächle.

»Ich bin Dori. Wissen Sie was? Die Frau eines meiner Enkel ist Ärztin. Zu der sollten Sie mal gehen. Sie ist sehr gut.«

»Sie ist Hausärztin, Dori, keine Neurologin«, wirft Ethel ein.

»Mach sie nicht schlecht. Immerhin hat sie Medizin studiert.«

Die beiden sind wirklich eine Nummer für sich.

»Tut mir leid, Dori hat schlechte Laune«, sagt Ethel, an mich gewandt.

»Aber erst, seit ich deinetwegen Kaffee auf meiner Hose verschüttet habe.« Sie inspiziert besagte Hose, deren Blauton zu dem in ihrer geblümten Bluse passt. Das Outfit bringt die Farbe ihrer Haare noch stärker zur Geltung.

»Weil ich Lucy gesehen habe.« Ethel strahlt mich an.

Vielleicht kann sie mir ja die angespannte Situation zwischen meiner Mutter und Adam erklären.

Mist. Ich werfe einen Blick auf mein Handy. Halb neun. Ich bin seit über einer Stunde unterwegs. Als hätte Mom meine Panik gespürt, leuchtet in diesem Moment ihr Name auf dem Display auf, und mein Handy vibriert.

»Ich muss los. Es hat mich sehr gefreut, Sie beide wiederzusehen«, sage ich, ehe ich Ethel umarme und Dori ein Lächeln schenke. Ich habe beschlossen, nicht länger so zu tun, als würde ich jemanden kennen, wenn dem nicht so ist. Es fühlt sich unangenehm an, jemanden zu umarmen, ohne zu wissen, wer die andere Person ist.

»Geht es dir gut?«, fragt Ethel.

Ich mache ein paar Schritte rückwärts. »Bestens, ich muss bloß meine Laufrunde hinter mich bringen und dann zurück zu meiner Mom ins B&B.«

»Wir können Sie doch mitnehmen«, schlägt Dori vor.

Ich lehne dankend ab und wende mich ab, um weiterzulaufen, als ein Sattelschlepper um die Kurve biegt. Der Fahrer hupt, aber ich stehe wie gelähmt da.

»Lucy! Runter von der Straße!«, schreit Ethel.

Als ich sie ansehe, erwache ich aus meiner Erstarrung und rette mich durch einen Sprung zur Seite. Leider befinde ich mich neben dem Weg, wo die Böschung abschüssig ist, und so rutsche ich in einen Graben, der von der Schneeschmelze noch ganz schlammig ist. Der Sattelschlepper donnert mit einem Windstoß an mir vorbei, und ich bleibe im Graben liegen, weil mir die Sache so unfassbar peinlich ist.

Die beiden alten Frauen spähen auf mich herab.

»Haben Sie etwa auch vergessen, dass ein Sattelschlepper Sie plattmachen kann wie einen Pfannkuchen?«, erkundigt sich Dori.