Naytnal - Fallen dreams (deutsche Version) - Elias J. Connor - E-Book

Naytnal - Fallen dreams (deutsche Version) E-Book

Elias J. Connor

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Beschreibung

Kittys und Jojos Freundschaft wird auf eine harte Probe gestellt, als der mysteriöse Lord Mik Harrow immer mehr Einfluss auf Jojo zu nehmen scheint. Am goldenen Kaiserturm im Herzen von Naytnal muss schließlich über eine neue Kaiserin des Sterns der Reiche entschieden werden. Nach einem schweren Streit mit Jojo beschließt Kitty, zusammen mit ihrem Freund Dennis auf eigene Faust gegen das Böse zu kämpfen, das Naytnal heimsucht. Mit einigen wenigen Begleitern macht sie sich auf die Suche nach den legendären Traumzeitwächtern. Sie sind die einzigen, die in dieser schweren Situation noch helfen können. Dabei kommt Kitty einem großen Rätsel auf die Spur, das mit dem seltsamen fremden Mann aus ihren Träumen – Rom – zu tun hat... Der vierte Band der siebenteiligen Fantasy-Reihe NAYTNAL verbindet spannende, heroische Fantasy mit bewegenden, emotionalen Momenten einer Liebesgeschichte.

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Elias J. Connor

Naytnal - Fallen dreams (deutsche Version)

Inhaltsverzeichnis

Widmung

Kapitel 1 - Liebster Feind

Kapitel 2 - Im Reich der Träume

Kapitel 3 - Der Spiegel der Seele

Kapitel 4 - Entscheidung am goldenen Kaiserturm

Kapitel 5 - Die Verbannung

Kapitel 6 - Unheimliche Begegnung

Kapitel 7 - Liebe ist stärker als die Angst

Kapitel 8 - Jojos neue Prüfung

Kapitel 9 - Der Untergang der schwebenden Inseln

Kapitel 10 - Vorboten der Endzeit

Kapitel 11 - Kittys schwerster Kampf

Kapitel 12 - Jojos Offenbarung

Kapitel 13 - Die Reise nach Silar

Kapitel 14 - Der letzte Kampf der Traumzeitwächter

Kapitel 15 - Wer die Wahrheit kennt

Über den Autor Elias J. Connor

Impressum

Widmung

Für Jana.

Du bist das Beste, das mir je im Leben passiert ist.

Ich danke dir, dass du ein Teil von mir bist und mich zu einem Teil von dir machst.

Danke für deine Liebe, deine Inspiration, dein Vertrauen.

Ich liebe dich.

Kapitel 1 - Liebster Feind

Der Wind rauschte sachte durch das Fenster des kleinen Raums. Es war warm hier drin, deshalb machte Kitty der kleine Luftzug überhaupt nichts aus. Sie hatte ihre Augen noch geschlossen und ließ den Wind sanft mit ihren langen, leicht gewellten Haaren spielen.

Schon stundenlang lag Kitty auf diesem Bettchen. Sie wusste nicht genau, ob sie während dieser Zeit mal eingeschlafen war, oder die ganze Zeit über wach war und nachdachte. Wenigstens hatte Kitty keinen seltsamen Traum mehr gehabt.

Als Kitty einfiel dass sie in den letzten Stunden nicht geträumt hatte, musste sie plötzlich wieder an ihren Traum von der letzten Nacht denken. Der Traum, über den Lina sagte, es sei gar kein Traum gewesen. Noch immer schien Kitty reichlich durcheinander gewesen zu sein. Sie wusste noch immer nicht genau, was nun wahr war, und was nicht. Dass sie ihn nun hatte, den Stein der Wahrheit, beruhigte sie jedoch etwas. Auch wenn er mit einer Antwort auf sich warten ließ. Aber Kitty war sich sicher, dass er ihr eines Tages die Wahrheit sagen würde.

Plötzlich rumpelte es vor der Türe, die zu Kittys kleiner Hütte führte, in der sie die letzten Stunden verbrachte. Und keine zwei Sekunden später sprang die Türe auf.

„He, Kitty“, sagte Jojo, die ihren Kopf vorsichtig durch die Türe hinein steckte. „Hast du die ganze Zeit nur da gelegen?“

Fast unmerklich nickte Kitty.

„Weißt du, was du alles verpasst hast?“ Jojo fuchtelte mit ihren Armen herum, während sie Kittys Hütte betrat. „Das ist eine richtig tolle Gegend hier. Voll die schönen Irrwege, lauter Verstecke, und man kann hier wunderbar mit dem Tajuna-Ball spielen.“

„Schön“, sagte Kitty teilnahmslos.

Jojo blickte sie an, und als sie merkte, dass offenbar mit Kitty etwas nicht stimmte, setzte sie sich neben sie auf die Bettkante.

„He, komm schon, Kitty“, sagte Jojo. „Komm, rappele dich hoch. In weniger als einer Stunde werden wir sowieso aufbrechen.“

Kitty hätte Jojo gerne vom Stein der Wahrheit berichtet. Aber irgendetwas in Kitty wollte, dass sie das nicht tut. Irgendwie hatte Kitty so ein Gefühl, dass es momentan besser wäre, Jojo zunächst nichts über den wundervollen Stein zu sagen, den sie von Lina bekommen hatte.

„Ich muss noch immer an diesen seltsamen Traum denken“, sagte Kitty stattdessen.

„Du meinst den Traum mit dem Jahrmarkt? Kitty – du wolltest das doch vergessen.“

„Weißt du, Jojo“, begann Kitty, „manchmal weiß ich nicht mehr so genau, was Wirklichkeit ist, und was nicht. Ich meine, was passiert, und was ein Traum ist. Es fühlt sich zeitweise so merkwürdig an, so als würde sich das alles irgendwie vermischen.“

„Ich weiß“, sagte Jojo. „Das Gefühl haben mehrere aus der Karawane. Das muss wahrscheinlich mit den physikalischen Gesetzen dieser Gegend zusammenhängen.“

„Ich denke nicht, dass das einfach nur physikalische Gesetze sind.“

Jojo zog Kitty dann am Arm, und so stand Kitty schließlich aus ihrem Bett auf.

Als Jojo und Kitty aus der Hütte herauskamen, hatten die meisten Leute bereits ihre Kutschen neu beladen. Die, deren Kutschen dem Feuer zum Opfer fielen, hatten neue Kutschen erhalten. Die Bewohner dieses Tals, die Shor’zéen, gaben der Karawane neuen Proviant, neue Zelte und Schlafsäcke.

Als Kitty und Jojo an der kaiserlichen Kutsche ankamen, waren Dennis, Sydney und Natalie bereits fast fertig mit dem Einräumen. Torok, der Wortführer der Shor’zéen, stand bei ihnen.

„Unsere Berechnungen sind nun abgeschlossen“, sagte Torok zu Dennis. „Wir werden in wenigen Minuten aufbrechen können.“ Dann entdeckte er Kitty. „Ah, Kitty, da bist du ja.“

„Was meinst du damit, eure Berechnungen seien nun abgeschlossen?“, interessierte sich Kitty.

„Wir sagten dir ja, dass wir eine weite Reise erheblich verkürzen können. Dank unserer hohen Mathematik sind wir in der Lage, die kürzesten und unmöglichsten Wege zu berechnen“, erklärte Torok. „Das hat mit den physikalischen Gesetzen zu tun.“

„Aha“, machte Kitty, obwohl sie fast nichts verstand. „Torok, ich glaube, es wäre gut, wenn du mit uns im ersten Wagen reisen würdest.“

„Nun“, sagte Torok, „Tuvar, Taljum und ich hatten eigentlich eine eigene Kutsche für uns reserviert. Aber Tuvar und Taljum werden auch gut alleine zurechtkommen. Gerne nehme ich die Ehre an, in der kaiserlichen Kutsche reisen zu dürfen.“

Kitty nickte ihm zu. Dann stiegen nach und nach alle Mitreisenden in ihre Wagen und warteten, dass Kitty das Signal gab, die Karawane in Gang zu setzen.

„Mäuslein, alles in Ordnung bei dir?“, fragte Dennis.

Kitty lehnte wortlos ihren Kopf an seine Schulter.

„Auf geht’s, Troi!“, rief Jojo dem Kutscher zu, nachdem auch Torok, Sydney und Natalie in dem Wagen, der die Karawane anführte, Platz genommen haben. Und dann fuhren sie los.

Zunächst konnte man nichts Ungewöhnliches bemerken. Die Wagen fuhren auf einem breiteren Weg hintereinander her, und die Gegend änderte sich nicht sehr.

Monoton schallte das Geräusch der klappernden Hufen von den Bergen und Hügeln wieder, die das Tal umrandeten. Es war offenbar doch viel größer, als es Kitty oder Jojo zunächst vermutet hatten. Oder sie haben das Tal der Shor’zéen bereits hinter sich gelassen und wussten es nur noch nicht. Auf jeden Fall waren sie bereits seit vielen Stunden unterwegs, und mittlerweile war es auch schon bereits mitten in der tiefen Nacht. Kitty dachte wieder nach.

„Was ist?“, fragte Jojo in die Stille hinein.

„Nichts“, sagte Kitty knapp.

„Was grübelst du? Sieht doch ganz gut aus bis jetzt“, sagte Jojo voller Tatendrang.

„Ich weiß nicht“, sagte Kitty. Sie blickte aus dem Fenster. „Draußen verändert sich gar nichts. Wenn wir schneller weiter kommen, müssten wir es doch merken, oder nicht?“ Kitty wandte sich mit dieser Frage an Torok, der ihr gegenüber saß.

„Wir werden noch merken, wie schnell wir voran kommen“, sagte Torok stolz. „Ihr werdet staunen, wozu unsere Mathematik fähig ist.“

„Kitty, das gefällt mir nicht“, sagte Jojo plötzlich streng, worauf Kitty sie fragend ansah. „Das gefällt mir überhaupt nicht“, setzte Jojo fort. „Du lässt die Mission völlig außer Acht.“

„Was? Spinnst du?“ Kitty schüttelte verständnislos ihren Kopf.

„Du redest die ganze Zeit von deinen Träumen, darüber, wie es dir geht, und was dich beschäftigt“, warf Jojo ihr vor. „Du denkst gar nicht mehr an die anderen. Soll ich dir mal was sagen, Kitty? Das finde ich voll egoistisch und gemein.“

„Aber Jojo... das ist doch gar nicht wahr, was du da sagst“, meinte Kitty mit verzweifelter Mine. „Ich will mehr als alles andere die Mission für uns und unsere Karawane erfüllen. Für alle Menschen in Lantyan. Für ganz Naytnal. Wie kannst du sagen, ich sei egoistisch?“

„Jojo! Kitty!“, versuchte Dennis, die beiden Mädchen zu beruhigen.

„Was ist los?“, stammelte Natalie, die sich gerade verschlafen die Augen rieb.

„Du ziehst dich immer weiter zurück“, meckerte Jojo. „Du sagst nichts mehr, du redest mit niemandem mehr, außer mit Dennis. Neulich sagtest du, du hast das Gefühl, dass ich dich nicht mehr mag. Kitty, weißt du, was ich glaube? Du bist es, die mich nicht mehr mag. Vielleicht magst du ja niemanden mehr. Du mit deinem Alleingang...“

„Was um alles in der Welt redest du da, Jojo? Du bist diejenige, die sich in letzter Zeit so seltsam verhält. Du sagst merkwürdige Sachen. Deine Launen verändern sich im Minutentakt. Eben bist du noch lieb und nett, dann brüllst du herum...“

„Lasst das!“, mahnte Dennis beide Mädchen. „So kommen wir nicht weiter.“

Aber Kitty zeigte sich unbeeindruckt. Jetzt war sie richtig in Fahrt und konnte Jojo endlich mal sagen, was sie die ganze letzte Zeit sie betreffend so beschäftigt hatte.

„Und dann deine Freundschaft zu Mik“, schrie Kitty Jojo an. „Er ist zweifelhaft. Ich weiß nicht, was du an ihm so toll findest.“

„Eifersüchtig bist du, jawohl“, brüllte Jojo.

Sydney, die in der Zwischenzeit auch aufgewacht ist, schüttelte ihren Kopf und blickte Natalie fragend an. Diese zuckte jedoch nur mit den Schultern.

„Ich und eifersüchtig?“, sagte Kitty. „Jojo, es ist mein Ernst. Wir müssen wegen Mik aufpassen.“

„Das kannst du ja gerne machen“, sagte Jojo laut. „Ich vertraue ihm. Ich weiß, dass er uns dorthin bringt, wo wir hin müssen.“ Jojo stand auf und hielt die Hand an den Türgriff. „Weißt du was, Kitty?“, fragte sie nun plötzlich mit einer ganz ruhigen Stimme. „Vielleicht bist du ja nicht die Richtige, um diese Mission zu leiten. Vielleicht hat Naytnal die falsche Kaiserin.“

Dann huschte Jojo, ohne eine Reaktion von Kitty abzuwarten, während der Fahrt aus der Kutsche heraus. Und Kitty vergrub heulend ihren Kopf in Dennis’ Schulter.

„Ist ja gut“, versuchte Dennis, sie zu trösten. „Sie wird sich schon wieder einkriegen.“

„Was ist mit ihr?“, stammelte Kitty. „Sie ist gegen mich. Warum?“

Dennis hielt seine Freundin einfach fest. Er wusste, dass es jetzt nicht viel bringen würde, mit Kitty darüber zu philosophieren, was in Jojos Kopf wohl vorgeht. Momentan konnte auch er diese Situation nicht ändern.

Es war nicht das erste Mal, dass Jojo in der letzten Zeit einen Ausraster bekam. Und wenn sie dann aus der kaiserlichen Kutsche abhaute, zog es sie meistens zu ihrem neuen Schwarm, zu Lord Mik Harrow, der in der zweiten Reihe direkt hinter der kaiserlichen Kutsche ritt.

Kitty konnte Jojo beobachten, wie sie zu ihm ging. Sie sah, wie sie auf sein Pferd sprang, und er sie hoch zog, während die kaiserliche Kutsche plötzlich einen am Boden liegenden Baumstamm umfahren musste. Kitty sah, wie Jojo die Zügel des silbernen Pferdes von Mik in ihre Hände nahm, um sich dann auf den Sprung über den Baumstamm zu konzentrieren. Offenbar wollte sie ihn nicht umgehen, wie es Troi mit der kaiserlichen Kutsche machte. Offenbar wollte Jojo mit Mik und seinem Pferd darüber hinweg springen.

Und dann sprang sie. Und plötzlich schien das Bild anzuhalten. Jojo, Mik und auch das silberne Pferd hingen für einige Sekunden lang in der Luft. Kittys Augen wurden groß vor Schreck. Sie hingen mitten in der Luft, einfach so. Ohne dass sie irgendetwas oder irgendjemand festhielt. Kitty sah genau hin. Die anderen Kutschen fuhren weiter. Es war nur das eine Pferd, welches still in der Luft hing, mit Jojo und Mik auf seinem Rücken.

Nach einigen Sekunden vollendete dann das Pferd von Mik seinen Sprung. Und alles lief plötzlich wieder seinen gewohnten Gang, so als sei nichts gewesen.

„Habt ihr das gesehen?“, stammelte Sydney, die ebenfalls diese Sache verfolgt hatte. Sie wandte sich an Torok. „Was ist das, was das geschehen lässt?“, fragte sie ihn. Aber er schüttelte nur stark verwundert den Kopf.

„Das ist das gleiche Phänomen wie damals mit den Tonschalen. Oder das mit der Schiffstaufe...“, stellte Natalie nachdenklich fest.

„Nein“, sagte Kitty dann leise. „Diesmal ist es anders.“ Sie machte eine Pause und streifte sich Haare von ihrer Stirn. „Als die Tonschalen hinfielen, und bei der Schiffstaufe, da waren nur Dinge betroffen. Leblose Dinge. Jetzt sind zwei Menschen mittendrin gewesen, in etwas, das wir nicht kennen.“

Sydney und Natalie sahen Kitty verwundert an. Troi wollte die Kutsche anhalten, denn er hatte ebenfalls bemerkt, was passiert ist, aber Dennis gab ihm ein Zeichen, dennoch weiterzufahren.

„Versteht ihr nicht?“, setzte Kitty fort. „Diesmal hat sich die Zeit plötzlich um Jojo und Mik herum irgendwie verlangsamt. Und sie schienen es nicht mal gemerkt zu haben.“

„Oh, je...“, machte Natalie.

„Was ist, wenn das noch häufiger passiert?“, fragte Sydney ängstlich.

„Wir müssen herausfinden, wo dieses Phänomen herkommt“, sagte Dennis schließlich. „Und ich vermute, dass es nicht mehr allzu lange dauert, bis wir darauf eine Antwort erhalten.“

Dennis hatte offenbar wieder eine seiner Vorahnungen. Kitty kannte das an ihm sehr gut. Sie wusste auch, dass sie ihm vertrauen konnte, deshalb musste sie nicht weiter fragen, worüber Dennis grübelte. Sie wusste, er würde es ihr sagen, sobald es an der Zeit dazu sei.

Während Kitty und die anderen in der kaiserlichen Kutsche noch immer wegen dem Phänomen zitterten, welches ihnen nunmehr bereits zum dritten Mal begegnet war, schienen Jojo und Mik tatsächlich gar nicht bemerkt zu haben, was gerade eben vor sich ging. Schritt für Schritt ritten sie weiter.

„Na, Jojo, gab es wieder Schwierigkeiten in der kaiserlichen Kutsche?“, lächelte Mik. Er war sichtlich froh darüber, dass Jojo nun wieder bei ihm auf dem Pferd ritt.

„Kitty nervt“, sagte Jojo gereizt.

Aber schon in der nächsten Sekunde, als Mik, der hinter ihr saß, die Arme von hinten um sie legte, huschte ein Lächeln über Jojos Gesicht.

„Jojo, Kitty ist aber deine Schwester“, sagte Mik dann. „Wenn sie nervt, müsst ihr darüber reden.“

„Mit Kitty kann man nicht mehr reden“, sagte Jojo. „Ich verstehe das auch nicht. Früher konnten wir uns immer alles sagen. Wir konnten über alles miteinander reden. Und jetzt?“

Jojo spielte sachte mit ihrem Gewand. Vorsichtig strich ihre Hand immer wieder über das wundervolle Naytnal-Wappen, während sie sich zurück lehnte.

„Weißt du“, sagte sie schließlich lächelnd zu Mik, „ich bin sowieso viel lieber mit dir zusammen. Bei dir fühle ich mich viel...“ Jojo überlegte, aber ihr fiel das Wort nicht ein, welches ihr momentan fehlte.

„Wichtiger?“, fragte Mik schließlich.

„Ja“, flüsterte Jojo. „Bei dir fühle ich mich so wichtig...“

„Jojo, Süße“, sagte Mik zu Jojo, während er ihr sanft über ihr hellbraunes, schulterlanges Haar strich. „Weißt du, dass du eine tolle Kaiserin wärst?“

„Was meinst du damit, Mik?“, fragte Jojo verwundert. „Kaiserin über welches Reich?“

„Über ganz Naytnal“, antwortete Mik. „Du wärst eine tolle Kaiserin für den Stern der Reiche.“ Stolz blickte er Jojo an.

Jojo war sehr beeindruckt davon, aber auch realistisch genug.

„Mik, das ist sehr lieb, dass du das sagst“, entgegnete sie. „Aber du weißt doch, dass nur die Schöpferin des Sterns der Reiche seine Kaiserin sein kann. Und das ist Kitty. Sie baute das Mobile, welches die Türe in diese Welt öffnete. Sie ist die Schöpferin.“

„Sicher ist sie das“, sagte Mik lächelnd. „Aber wem hat sie den größten Anteil ihrer Träume, ihrer Ängste und ihrer Wünsche gewidmet? Wer spielt seit jeher die wichtigste Rolle in Kittys Träumen?“

„Unsere Mom?“, fragte Jojo nachdenklich. „Dennis?“

„Jojo, du bist es“, erklärte Mik. „Stets, und von Anbeginn an, warst du der größte Teil von Kittys Träumen, Ängsten und Wünschen. Du hast das Meiste von dem Stoff ausgefüllt, aus dem sie ihr Mobile baute.“

„Aber dennoch ist sie die Schöpferin.“

„Ja, das schon“, sagte Mik. „Aber wer sagt denn, dass sie immer die Kaiserin bleiben muss? Du hast ein ihr ebenbürtiges Potential für diese Aufgabe. Du verfügst über die gleichen Träume, Ängste und Wünsche wie Kitty. Du hast zu Naytnals Existenz einen großen Teil beigetragen. Es wäre dir angemessen, dass du Naytnals Kaiserin werden würdest.“ Mik klopfte stolz auf Jojos Schulter. „Sei mal ehrlich, hast du noch nie daran gedacht, wie es wäre, wenn nicht Kitty, sondern du die Kaiserin des Sterns der Reiche wärst?“

„Na ja...“, gab Jojo zu, „schon manchmal dachte ich daran.“

„Siehst du?“ Mik lächelte sie an.

„Aber ich kann es doch nicht wirklich werden... oder?“, fragte Jojo.

„Wer weiß?“, lächelte Mik zurück.

In der kaiserlichen Kutsche war es nun wieder sehr ruhig. Kitty war mal wieder am Nachdenken. Nur gut, dass sie nicht mitbekommen hatte, worüber Jojo und Mik sich gerade unterhielten. Oder hatte Kitty vielleicht eine Vorahnung? Sie schaute sehr traurig, sehr müde und mit ihren Nerven am Ende aus dem Fenster hinaus. Wann bloß würde es wieder besser werden?

Plötzlich, und zwar genau in dem Moment als es niemand mehr erwartet hatte, geschah das Merkwürdige: Wie durch Zauberkraft schwebte die kaiserliche Kutsche plötzlich in die Höhe. Kitty, Dennis, Sydney und Natalie schauten verwundert und blickten ängstlich aus dem Fenster hinaus. Und Torok lächelte.

„Es ist schon in Ordnung“, beruhigte er die anderen.

Und dann entdeckten Kitty und die anderen es: Nicht bloß die kaiserliche Kutsche schwebte in die Höhe, auch das Pferd, auf dem Mik und Jojo saßen. Auch die dahinter fahrende Kutsche der Shor’zéen Tuvar und Taljum und auch alle anderen Pferde und Kutschen schwebten auf einmal. Die gesamte Karawane schnellte wie von Geisterhand hoch hinauf. Jetzt schwebte die Karawane circa 1000 Meter über dem Boden. Und mit einem Mal begann sie, sich irre schnell fortzubewegen. Schneller als ein Vogel glitt sie durch die Lüfte. Schneller als ein Flugzeug schwebten alle Wagen und Pferde voran. Schneller als der schnellste Wind schoss nun die ganze Karawane in Richtung Morgen hinein, während am Osthorizont langsam die Sonne wieder aufging.

In weniger als zwei Tagen schaffte es die Karawane, bestückt mit mittlerweile immerhin über zwanzig Kutschen, mindestens doppelt so vielen Pferden und mehreren silbernen Rittern, einen Weg von über zehntausend Kilometern im Flug zurückzulegen. Dafür hätte man auf die herkömmliche Art und Weise garantiert wochenlang gebraucht.

Es war schon helllichter Tag, beinahe schon Abend, als nun erst die Letzten sich langsam an den Flug mit ihren Kutschen gewöhnt hatten. Insbesondere Sydney und Natalie hatten Schwierigkeiten, sich dieser Sache anzupassen. Nun hatten sie es aber geschafft, erst jetzt wo die Flugreise sich beinahe schon ihrem Ende näherte.

Kitty bemerkte es als Erste, wie sie plötzlich wieder langsamer wurden. Sie konnte fühlen, dass die kaiserliche Kutsche an Höhe verlor.

„Was bedeutet das?“, fragte sie an Torok gerichtet. „Werden wir wieder angegriffen?“

„Nein“, beruhigte Torok sie. „Wir werden nur langsamer, weil wir gleich herunter gehen werden.“

„Sind wir am Ziel?“, wollte Dennis dann wissen.

„Wir sind ganz in der Nähe des Ortes, zu dem ihr wolltet“, berichtete Torok. „Wir können nur leider nicht genau dort landen. Das letzte Stück müssen wir zu Fuß gehen.“

„Du... du meinst“, stammelte Kitty, „unter uns ist das Reich der Träume? Einer der geheimsten aller Orte?“

„Es ist unweit von hier“, erklärte Torok.

Aufgeregt sahen Kitty, Dennis, Sydney und Natalie aus dem Fenster. Immer tiefer sank die kaiserliche Kutsche, und die anderen Wagen und Pferde machten es ihr wie durch magische Kraft nach.

Und Kitty bekam dann riesengroße Augen von dem, was sie unter sich sah: Da war eine Ebene, die irgendwie in einem Tal hing. Das Ungewöhnliche daran war, dass die Ebene von dem Bergmassiv exakt kreisrund umrandet wurde.

Kitty sah näher hin. Und erst jetzt, beim zweiten Hinsehen, konnte sie es erkennen: Unter ihnen befand sich keine Ebene, auch kein Tal. Das Ganze war nichts als ein riesiger, großer Krater, der sich kreisrund über eine Felslandschaft erstreckte. Ein Meteorit von der Größe einer Kleinstadt musste ihn verursacht haben. Ohne weiteres war der Krater so groß, das in ihm ein ganzes Land, vielleicht sogar ein ganzes Meer Platz gehabt hätte.

Kitty versuchte Einzelheiten auszumachen. Im Krater schienen mehrere Farben bunt heraus. Bei näherem Hinsehen erkannte sie kleine, merkwürdig aussehende Objekte – vielleicht Häuser – die von der Abendsonne angestrahlt wurden. Kitty konnte auch andere, seltsame Formen entdecken, die ebenfalls bunt leuchteten. In der Gesamtform bildeten die einzelnen Objekte dort unten möglicherweise etwas, das einer Stadt glich. Es schien jedoch völlig aus Glas zu sein. Es musste Glas sein, so wie es das Licht der Abendsonne so reflektieren und brechen konnte, dass es bunt strahlte.

Die Karawane flog langsam über diese seltsamen Gebilde im Krater hinweg und flog über den Rand des Kraters. Gute zehn Kilometer entfernt setzte die Karawane dann schließlich auf.

Als Kitty, Dennis, Sydney und Natalie, gefolgt von Torok, dann die kaiserliche Kutsche verließen, waren bereits alle anderen Mitreisenden schon ausgestiegen, beziehungsweise von ihren Pferden abgestiegen.

Eilig kam Jojo zu Kitty gerannt.

„Wahnsinn!“, rief sie aus. „Das war ja irre, so zu fliegen, nur auf einem Pferd.“

„Wie geht es dir, Jojo?“, fragte Kitty gleich. Sie wollte unbedingt sofort wissen, wie Jojo zu ihr stand. Ob sie ihren Streit zu Beginn dieser Etappe schon wieder vergessen hatte. Sie wollte sich so gerne mit ihr versöhnen.

Aber Jojo blickte Kitty nur kühl an. Dann wandte sie sich sofort Dennis zu.

„Wo sind wir, Dennis?“, fragte sie, und plötzlich wirkte sie sehr sachlich.

„Wir sind mehr als zehntausend Meilen gereist“, sagte Dennis.

„Ich bin sicher, dass ganz in der Nähe der Ort ist, nach dem wir suchen“, sprach Mik, der gerade hinter Jojo zu den anderen angelaufen kam. „Die Gegend, das vermeintliche Tal – alles passt zusammen. Es trifft genau die Beschreibungen, die mir von einem Reich bekannt sind, welches sehr geheim ist. Man nennt es das Reich der Träume.“

„Das hier ist es?“, wunderte sich Jojo. „Sieht etwas trostlos aus dafür – nur Felsgestein, keine Pflanzen...“

„Mir gefällt es“, warf Mik lachend ein. Natürlich gefiel es ihm. Es erinnerte ihn hier vieles an das Silberne Ritter Reich, welches er bewohnte und beherrschte.

„Das Reich der Träume ist nicht hier oben“, verkündete Torok dann. „Das, was sich in dem großen Krater befindet, dies ist das Reich der Träume.“

Dennis trat nachdenklich an Torok heran und schüttelte seine Haare. „Bist du sicher, Torok, dass es dort unten liegt?“, fragte er.

„Ja“, sagte Torok. „Nach unseren Berechnungen muss es dort unten liegen.“

„Und wie kommen wir jetzt dorthin?“, fragte Jojo aufgeregt. Nervös hüpfte sie hin und her. Dann drehte sie sich um, und gleich darauf fand sie selbst die Antwort darauf. „Da ist ein Weg“, sagte sie, als sie einen kleinen Weg sah, der scheinbar an den am Horizont liegenden Rand des Kraters führte. Und zugleich machte sie sich auf.

„Warte, Jojo“, sagte Kitty. „Was ist mit den Kutschen und allem?“

Jojo drehte sich grimmig schauend wieder um.

„Kitty hat Recht“, stellte Torok fest. „Wir müssen die Kutschen und Pferde hier lassen. Bevor wir hinunter gehen, werden wir sie sichern. Außerdem sollten einige Leute als Wachmänner hier bleiben.“

„Das übernehmen wir“, stellte einer der Matrosen klar. Torok nickte ihm zu.

„Meine silbernen Ritter könnten auch Wache halten“, sagte Mik. „Aber aus taktischen Gründen halte ich es für besser, sie in diesen Krater mitzunehmen.“

„Da muss ich Mik Recht geben“, stellte Dennis fest. „Die Gefahr dort unten könnte wesentlich größer sein als hier oben.“

„Gefahr? Welche Gefahr?“, sagte Kitty nachdenklich.

Dennis legte tröstend einen Arm um ihre Schulter. Er musste Kitty nichts sagen. Sie spürte, dass er etwas ahnte, das sehr wichtig war. Und auch Kitty hatte eine seltsame Vorahnung, und je näher sie diesem seltsamen Ort waren, desto mehr Angst bekam sie.

Die meisten der Mitreisenden, außer denen, die bei den Wagen und Pferden blieben, machten sich nun auf den Weg. Langsam schritten sie den schmalen Weg hintereinander entlang, Schritt für Schritt.

Kitty fasste sich immer wieder an ihren geheimnisvollen Schlüssel der Macht. Auch wenn Dennis sie die ganze Zeit über festhielt, wurde ihr Gefühl mit jedem Schritt mulmiger. Kitty erinnerte sich, dass sie sich bei ihrem ersten Arztbesuch so ähnlich gefühlt hatte, bevor sie ihre aller erste Spritze bekommen hatte.

Jojo schien offenbar ein ganz anderes Gefühl zu ereilen. Je näher sie dem Rand des Kraters kamen, desto euphorischer, freudiger und voller Tatendrang wurde Jojo. Sie schien es kaum mehr erwarten zu können, diesen Krater zu betreten.

Nach einem Fußmarsch von etwa einer Stunde kamen die Mitreisenden der Karawane endlich am Rand des immens großen Kraters an, genau rechtzeitig zum Sonnenuntergang.

Was Kitty dann sah, ließ ihr das Herz aufgehen: Der Krater glich von hier oben, wenn man sich direkt am Kraterrand befand, einem riesigen Canyon. Die scheinbar Kilometer hohen Felswände leuchteten zärtlich in der Abendsonne. Einzelne Bäume, Büsche und Pflanzen, die an den steilen Wänden wuchsen, leuchteten ebenso.

Links neben Kitty, Jojo und den anderen stürzte ein mächtiger Wasserfall in die Tiefe. Kitty wunderte sich, dass sie die ganze Zeit sein Tosen nicht hörte. Eigentlich begann er erst zu tosen, als Kitty ihn entdeckte. Aber das majestätische Aussehen, und wie sich das Licht im Wasser brach, ließ Kitty nicht weiter grübeln.

„Es ist irre hier“, hauchte Kitty leise. „Es sieht so schön aus.“

„Wir sollten langsam dort runter gehen“, forderte Jojo vorsichtig.

Plötzlich geschah wieder etwas sehr, sehr Seltsames. Weder Kitty noch Jojo wussten, ob es die ganze Zeit schon da war, oder ob es ihnen nur einfach nicht aufgefallen war. Es sah jedenfalls von hier oben auf einmal so aus, als sei der größte Teil des Kraters von einer seltsamen Glaskuppel überdacht, die alles sich darunter Befindliche halbrund abdeckte.

„Siehst du das?“, fragte Kitty Jojo dann, während sie sich dicht neben sie stellte und auf die seltsame Kuppel zeigte.

„Ich sehe da eine Stadt oder so“, meinte Jojo.

Unter der Kuppel leuchteten die vielen Objekte, die zusammen genommen eine große Stadt oder so ähnlich ergaben. Man konnte jetzt auch mehr Einzelheiten erkennen als vorhin vom Flug aus. Die Gebäude waren fast alle kreisrund. In der Mitte des Kraters war ein spitzer Hügel, auf dem die meisten der runden Gebäude angeordnet waren. Fast sah es aus, als dass sie übereinander hängen würden, so dicht war der Hügel bebaut.

Zwischen den Gebäuden auf dem Hügel – und tatsächlich sahen alle Gebäude so aus, als seien sie Türme aus Glas – zogen steile schmale Treppen ihre Wege ganz nach oben hinauf.

Und nun erblickte Kitty das schönste und am meisten leuchtende Gebäude – das größte runde Haus dieser Stadt, mit den zwei höchsten Türmen. Das Herzstück dieser Stadt stand ganz oben auf dem spitzen Berg, und es schien ein Schloss zu sein, mächtig, majestätisch und wundersam. Es gehörte mit Sicherheit zu den schönsten Schlössern, denen Kitty und Jojo in Naytnal bereits begegnet sind.

„Kommt, Gebieterin“, sagte Mik dann, während er etwas entdeckt zu haben schien. „Hier ist eine Vorrichtung. Daran können wir hinunter gleiten.“

Mik entdeckte dicht neben dem tosenden Wasserfall eine Art Lift. Es gab dort einen Wagen, und der hing an einem silbernen Stahlseil. Man konnte mit dem Wagen ähnlich wie ein Aufzug in die Tiefe fahren. Mik konnte zwar nicht ausmachen, wo der Wagen unten landen würde, aber er vertraute der Sache.

„Ich weiß nicht“, meinte Kitty, als sie dann sah, was Mik entdeckte. „Was ist, wenn es kaputt geht?“

„Aber es ist der einzige Weg“, drängelte Mik. „Die Felswände sind zu steil, um daran herunter zu klettern. Wir sollten es hiermit versuchen.“

„Komm schon, Kitty“, sagte Jojo. „Risiko gehört zum Spiel. Das hast du selbst gesagt.“

Damit hatte Jojo natürlich Recht. Und das überzeugte Kitty dann schließlich.

Der Wagen – eine Art Seilbahn ohne Dach, nur mit einem Geländer zum Festhalten – war groß genug, dass alle auf einmal damit in die Tiefe fahren konnten. Kaum haben alle die Vorrichtung bestiegen, setzte sie sich auch schon von ganz alleine in Bewegung.

„Das läuft ja von alleine“, stammelte Sydney.

„Bestimmt ist unten jemand, der das Ding steuert“, vermutete Kitty.

Das Seil führte dann weiter unten sogar direkt über den riesigen, tosenden Wasserfall. Langsam fuhr der Wagen so dicht darüber, dass einige Wasserspritzer die Mitreisenden trafen.

Auf einmal teilte sich der Wasserfall. Wie durch Zauberkraft ging er plötzlich auseinander. Und schon in der nächsten Sekunde löste sich das Seil, an dem der Wagen hing, in Luft auf, und der Wagen stürzte in die Tiefe.

Es war für die meisten Leute nicht Zeit genug da, um einen Schock zu bekommen. Denn nicht mal zwei Sekunden darauf landete der Wagen völlig weich und sicher irgendwo in einer Grotte. Es war zumindest dunkel hier drin. Das Getöse des Wasserfalls wurde merklich leiser, und nur ein leichter Lichtschein schimmerte von irgendwo her hinein.

„Uff!“, machte Natalie.

„Hat sich jemand etwas getan?“, rief Dennis.

Ein leises Gemurmel entstand, woraus Dennis schloss, dass wirklich alle sicher hier unten gelandet waren.

„Krass!“, meinte Sydney dann. „Wie viel Meter waren das? Das muss endlos gewesen sein. Wie konnten wir dennoch so sicher landen?“

Sydney schaute auf Kitty. Diese jedoch lächelte zurück.

„Ich war es nicht“, sagte Kitty. „Obwohl ich nicht ausschließe, dass hier Zauber im Spiel ist.“

„Wir sollten einen Ausgang finden“, drängelte Mik.

Niemandem schien aufzufallen, dass Mik immer nervöser wurde, fast so als würde er auf etwas warten.

„Da drüben!“, rief Jojo plötzlich.

Jojo hatte ein kleines Tor oder so ähnlich entdeckt. Eigentlich war es nur ein Torbogen, ohne das Tor, welches normalerweise darunter sitzen sollte. Eilig lief sie voran und stapfte, gefolgt von Kitty, Dennis, Sydney, Natalie und Mik, sowie all den anderen aus der seltsamen Grotte heraus.

„Ist dies nun das Reich der Träume?“, fragte Sydney, die neben Dennis lief.

„Noch immer nicht“, sagte Dennis. „Die Grenze befindet sich wahrscheinlich unter der Glaskuppel.“

„Diese Glaskuppel soll uns nicht hindern müssen, zu finden wonach wir suchen“, sprach Mik stolz.

Dennis machte eine viel sagende Geste ihm gegenüber. „Da bin ich mir nicht so sicher“, sagte er leise zu Kitty. Und Kitty nickte ihm zu.

Beide, sowohl Kitty als auch Dennis, hatten seit längerem diese seltsame Vorahnung. Irgendetwas sagte ihnen, dass unter der Glaskuppel eine Gefahr lauern könnte.

Nachdem sie eine Weile weiter liefen, kamen Jojo und Mik zuerst direkt an der Glaskuppel an, dicht gefolgt von Kitty und all den anderen Mitreisenden.

Kitty fühlte ganz vorsichtig über das Glas. Es war kühl. Es fühlte sich kühl an, aber angenehm. Gleichzeitig aber strahlte es irgendwie etwas aus, das Kitty ängstlich werden ließ. Kitty sah nach oben. Die Glaskuppel fand anscheinend kein Ende. Sie musste immens hoch sein. Und hätte Kitty nicht vorhin schon von weitem gesehen, dass es eine Kuppel ist, dann hätte sie es vielleicht für eine endlose Glaswand gehalten.

Jojo, die einige Schritte vor Kitty war, tastete ebenfalls über die Wand.

„Eingang...“, flüsterte Jojo. „Wir brauchen einen Eingang.“

Fragend blickte Jojo an der Wand entlang. Nirgends schien eine Möglichkeit zu sein, hineinzugelangen.

„Zaubere doch einen Eingang“, forderte Mik sie auf. Aber Jojo schüttelte den Kopf.

„Ich weiß keinen Zauber“, sagte sie.

„Und wenn du dein Schwert nimmst?“, überlegte Mik. „Schneide doch einfach ein Loch mit deinem Schwert in die Wand.“

Kitty, Sydney und Dennis waren nun etwas weiter von Jojo und Mik weg und suchten in der anderen Richtung nach einem Eingang, während Natalie gerade zu Jojo und Mik herüber lief, um zu sehen, was sie bis jetzt fanden.

„Ich denke, das ist ein Signal“, sagte Dennis. „Wenn uns die Kuppel nicht hinein lässt, sollten wir vielleicht draußen bleiben.“

„Aber es gibt wichtige Antworten da drin“, überlegte Sydney.

„He, Leute!“, rief Jojo plötzlich. „Hier ist ein Eingang! Genau hier! Wir können rein!“

Eilig machten sich Sydney, Dennis und Kitty auf den Weg zu Jojos Standort.

Natalie war bereits da. Sie sah, was Jojo tat. Jojo versuchte, schnell zu sein, so dass es niemand merkt, außer Mik natürlich. Aber sie war nicht schnell genug. Natalie hatte noch gesehen, wie sie gerade wieder ihr Wasserschwert in der Zaubertasche verstaute.

„Jojo... was hast du getan?“, fragte Natalie leise.

„Wehe, du sagst etwas!“, warnte sie Jojo. „Du bekommst den größten Ärger.“ Sie blickte finster drein, machte eine längere Pause. Dann sprach sie weiter: „Du hast nichts gesehen, hast du verstanden? Die Öffnung war die ganze Zeit schon da gewesen, kapiert?“

Noch bevor Natalie irgendwie antworten konnte, kamen Kitty, Dennis und Sydney an, und hinter ihnen kamen die silbernen Ritter, gefolgt von den anderen Mitreisenden.

„Also“, sagte Jojo. „Dann wollen wir mal.“

„Nicht, Jojo“, sagte Dennis. „Bleibt draußen. Glaubt mir, es ist nicht gut, dort hinein zu gehen.“

„Ach, Dennis, du Angsthase“, lachte Jojo. „Schließlich haben wir die ganze Zeit danach gesucht.

„Jojo, nicht!“, rief Kitty. „Hör auf Dennis. Bitte! Mik, sag ihr doch was.“

Aber weder Jojo noch Mik hörten auf Kitty und Dennis. Eilig und entschlossenen Schrittes marschierten sie durch die Öffnung hinein. Entschlossen betraten sie durch die Öffnung schließlich das Innere der seltsamen, mysteriösen Glaskuppel. Und Kitty sah Jojo hinterher, und sie sah, dass sie kein bisschen Angst hatte.

„Jojo!“, rief Kitty verzweifelt. „Komm zurück!“

Die silbernen Ritter folgten Jojo und Mik dann unter die Glaskuppel. Und wenig später – vielleicht wusste sie gar nicht, warum – lief Natalie ebenfalls hinein. Sie wollte eigentlich bei Kitty, Dennis und Sydney bleiben. Aber irgendwas zog sie einfach mit Jojo und Mik und den silbernen Rittern mit.

Kitty schaute Jojo hilflos hinterher. Jojo drehte sich zu ihr um. Sie lächelte. War es vielleicht doch nicht so gefährlich? Jojo winkte. Sie rief etwas, aber der Ton wurde von dem dichten Glas regelrecht verschluckt. Man konnte nichts verstehen.

Plötzlich kam Torok angelaufen. „Wo sind sie? Wo sind Jojo und der Lord?“, rief er aufgeregt.

„Sie sind hinein gegangen“, sagte Kitty verzweifelt, auf die kleine Öffnung in der Wand zeigend.

„Oh, nein“, sagte Torok.

„Was? Was ist?“, stammelte Kitty sichtlich nervös.

„Wir erfuhren gerade von der Gefahr, die von dieser Glaskuppel ausgeht. Ihr müsst wissen, das Reich der Träume befindet sich normalerweise nicht unter einer solchen Glaskuppel. Es ist diese Kuppel, die es so gefährlich macht.“

Kitty blickte wieder auf Jojo. Noch immer stand sie da und winkte. Kitty rief ihr ängstlich nach: „Jojo! Komm wieder da raus, bitte!“

Aber Jojo schien nichts zu hören. Langsam hob sie ihren Arm an, bewegte ihn langsam zu ihrem Ohr. Dann schien Jojo etwas zu sagen, aber man konnte nicht verstehen, was sie sagte. Auch von innen drang kein Ton nach draußen, genauso wenig wie von außen nach innen.

Kitty blickte Jojo verwundert an. Plötzlich sah sie auf Mik. Er stand offenbar die ganze Zeit an derselben Stelle. Aber warum? Kitty blickte genauer hin. Dann entdeckte sie, dass Mik einen Schritt machte. Ganz langsam lief er.

„Ist da Wasser drunter? Die bewegen sich in Zeitlupe“, stellte Sydney plötzlich fest.

„Nein“, sagte Torok tief betroffen. „Es ist zu spät. Wir können sie nicht mehr retten.“

„Was?“ Jetzt bekam es Kitty richtig mit der Angst zu tun. Heftig klopfte sie an die Scheibe. Aber Jojo reagierte nicht. Ganz, ganz langsam hob sie ihren Arm von ihrem Ohr hinunter. Ganz, ganz langsam drehte sie sich um, und nachdem sie dann minutenlang für den nächsten Schritt brauchte schien das Bild beinahe anzuhalten.

„Es ist die Zeit“, sagte Torok mit sehr betroffener Mine. „Die Zeit hält jeden gefangen, der sich unter diese Kuppel begibt. Es ist die Zeit, die dort drunter so langsam läuft, dass alles zum Erliegen zu kommen scheint. Und Jojo und Mik und Natalie, sowie die silbernen Ritter, sind nunmehr Gefangene der Zeit. Unwiderruflich.“

„Nein...“, stammelte Kitty. Tränen liefen ihr über die Wangen. „Das darf nicht sein. Das darf nicht passiert sein. Jojo, komm da raus, bitte...“

Kapitel 2 - Im Reich der Träume

Dennis hielt seine Freundin fest, während sie ihren Kopf in seine Schulter legte. Er blickte auf Jojo und Mik. Fast bewegungslos standen sie da, noch immer in der gleichen Pose wie schon vor Minuten. Noch immer winkte Jojo. Noch immer war Mik dabei, denselben Schritt zu machen, den er seit Minuten machte.

Plötzlich bemerkte Dennis, dass die Öffnung, die unter die Kuppel führte, langsam zuzugehen schien. Immer merklicher wurde sie immer kleiner.

„Oh, nein“, sagte er.

„Die Öffnung schließt sich“, erkannte Sydney. „Wir müssen was tun.“

Und jetzt bemerkte auch Kitty, dass die Öffnung immer weiter zuging. Bald schon konnte man nur noch einen kleinen Spalt sehen, der ins Innere der Kuppel führte. Was sollte Kitty nun bloß machen? Niemand, auch keiner von denjenigen, die jetzt bei ihr waren, konnte ihr einen Rat geben. Sie wusste nur, dass sie sehr schnell handeln musste. Wenn sie in den nächsten dreißig Sekunden nicht eine Möglichkeit finden würde, Jojo zu helfen, dann wäre Jojo verloren. Und mit ihr Natalie, Mik und die silbernen Ritter, die bereits unter der Glaskuppel waren.

Kitty dachte nach. Und die Sekunden rannen dahin. Was sollte sie nur tun? Was nur? Sachte fühlte sie ihr Medaillon, den geheimnisvollen Schlüssel der Macht.

Daraufhin streckte Kitty eine Hand sachte in die Spalte, die jetzt nur noch Zentimeter breit zu sein schien. Sie spürte, dass ihr Arm sich ein bisschen taub anfühlte, als sie ihn unter die Kuppel streckte. Fragend blickte sie zu Dennis, der sie an der anderen Hand festhielt. Dann tat Kitty das sehr Gefährliche. Sie tat es, weil es besser war, als Jojo alleine zu lassen. Sie nahm die ganze große Gefahr auf sich, und es war die einzige Wahl, die sie hatte.

Vorsichtig lief Kitty dann ebenfalls unter die Kuppel. Sie blickte hinter sich und zog Dennis auch mit hinein. Dann hielt sie sich wieder an Dennis fest und sah, wie die anderen nach und nach das Innere der großen Glaskuppel betraten.

Kitty und Dennis bemerkten, als sie aus der Glaskuppel heraus sahen, dass ganz plötzlich draußen alles irgendwie schneller wurde. Außerhalb bewegte sich plötzlich alles viel schneller, so als würde man einen Videofilm auf schnellen Sichtvorlauf schalten. All die Mitreisenden schienen sich auf einmal blitzschnell zu entschließen, die Glaskuppel ebenfalls zu betreten. Aber kaum waren sie unter der Kuppel, schienen ihre Bewegungen wieder die ganz normale Geschwindigkeit anzunehmen.

Kitty drehte sich um. Hinter ihr stand Jojo und lächelte sie an.

„Na? Hast du dich doch noch entschlossen, mitzukommen?“, fragte sie. „Was warst du eigentlich die ganze Zeit so schnell und heftig am Herumfuchteln? Ich weiß gar nicht, was du wolltest.“

„Jojo“, rief Kitty unter Tränen. Und dann machte sie Anstalten, ihre Schwester zu umarmen. Aber Jojo hob ihre beiden Arme und stieß Kitty leicht von sich weg.

„Jojo... ich hatte solche Angst um dich“, stammelte Kitty. „Weißt du nicht, wie gefährlich es hier ist?“ Kitty schniefte ein wenig und rieb ihre Nase an ihrem Handrücken. „Ihr seid hier Gefangene der Zeit. Wir alle sind Gefangene der Zeit. Torok hat das gesagt.“

„Gefangene der was?“ Jojo sah Kitty ungläubig an. „So ein Unsinn.“

„Es stimmt, Jojo“, sagte Kitty leise. „Die Zeit läuft hier anders als draußen. Die Glaskuppel dürfte normalerweise gar nicht da sein. Hör mir doch zu, Jojo.“

Aber es war hoffnungslos. Jojo wollte Kitty einfach nicht zuhören. Entschlossen schritt Jojo voran, gefolgt von Mik, nachdem sie einen seltsamen Weg mit bunten Pflastersteinen fand. Sie folgte dem Weg, ohne irgendetwas mit Kitty abzusprechen. Jojo handelte nun völlig eigenmächtig, ohne die Kaiserin zu fragen, ja, sogar ohne auf den Rat der Kaiserin zu hören.

Hoffnungslos lief Kitty hinter Jojo, Mik und den silbernen Rittern her. Sie konnte momentan nichts an Jojos Willen ändern, Jojo begriff einfach nicht die Gefahr, in der sie sich befanden. Und Dennis, der Kittys Hand die ganze Zeit nicht losgelassen hatte, wusste dies auch.

„Es ist in Ordnung, Kitty“, flüsterte er leise.

„Aber...“

„Lass Jojo machen. Wir können momentan nichts daran ändern“, erklärte er.

Sydney kam an die Seite von Natalie gelaufen. Freudig darüber, dass es Natalie offenbar ganz gut zu gehen schien, legte Sydney ihr die Hand auf die Schulter.

„Natalie“, sagte Sydney. „Gott sei Dank, dir ist nichts passiert.“

Natalie schaute Sydney mit einem ernsten Gesicht an. Eigentlich war es ein fast teilnahmsloser Blick, den Natalie an den Tag legte. Sie schaute verwundert, gleichzeitig aber irgendwie mechanisch, fast wie eine lebende Puppe.

Sydney merkte natürlich gleich, das mit ihr etwas nicht stimmte. „Was ist? Stimmt etwas nicht mit dir?“, fragte sie.

Natalie schüttelte den Kopf. Sie sah kreidebleich aus, und ihre Haut war blass. Zu gerne hätte sie Sydney, ihrer besten Freundin, anvertraut, was sie gesehen hatte. Aber irgendeine Macht schien das zu verhindern. Auf irgendeine Weise konnte Natlaie Sydney nichts sagen.

Verwundert schaute Kitty nach oben. Jedoch nicht, ohne darauf zu achten, dass Jojo stets in ihrer Nähe bleiben würde.

„Das gibt’s nicht“, murmelte Kitty leise. Und auch Jojo, Dennis, Mik und die anderen sahen nun nach oben.

Den Mitreisenden stockte der Atem. Von hier unten aus sahen sie einen klaren Sternhimmel. Und im Osten kämpften sich bereits die aller ersten Vorboten der aufgehenden Sonne wieder durch die Nacht.

„Früher Morgen? Jetzt schon?“, hauchte Jojo. „Mik, wie lange sind wir denn schon hier drin?“

„Weiß ich nicht“, sagte Mik knapp. „Ist auch nicht so wichtig.“

„Es ist sogar sehr wichtig“, stellte Kitty fest. „Vor zwei Stunden ging die Sonne erst unter – und nun geht sie wieder auf. Da kann doch irgendwas nicht stimmen.“

Jojo sah sich um. Links und rechts von den Mitreisenden waren einige Häuser. Sie sahen seltsam aus. Sie waren hoch und rund. Ganz rund, scheinbar ohne Ecken und Kanten. Auf jedem der Häuser waren kleine, runde Türme. Und die Häuser schimmerten in vielen bunten Farben in der aufgehenden Morgensonne.

Auch Kitty sah sich verwundert die Häuser an, genau wie die anderen der Karawane.

„Hast du so etwas Seltsames schon mal gesehen?“, fragte Jojo Kitty.

Kitty antwortete jedoch nicht. Noch immer war sie sehr durcheinander. Und vielleicht wusste sie momentan gar nicht so richtig, was in ihrem Kopf so vorging.

„Nun, da wir schon mal hier sind“, sagte Dennis, „sollten wir uns vielleicht auf die Suche begeben.“ Dennis drehte sich zu den Mitreisenden. „Wie ihr wisst, sind wir hier, weil dies hier das Reich der Träume sein soll. Der Geburtsort der Traumzeitwächter.“ Er hob seinen Arm in Richtung des Berggipfels, der sich in der Mitte der riesigen Glaskuppel befand. Auf ihm stand ein großes Schloss, welches sehr seltsam aussah – kreisrund, mit zwei hohen, runden Türmen – und es schimmerte und strahlte bunt in der aufgehenden Morgensonne. „Dort oben scheint das Herz dieser Stadt zu sein. Wir sollten uns dorthin begeben.“

„Da sollen wir hoch?“, fragte Sydney, die ratlos auf den spitzen Gipfel sah. „Da führt doch gar kein Weg rauf.“

Kitty atmete tief aus. „Also, versuchen wir es“, sagte sie nachdenklich.

Die Mitreisenden folgten Kitty dann, die, dicht gefolgt von Jojo und Dennis, schließlich den Weg weiter ging, den Jojo fand.

Es war der einzige Weg hier unten. Er schlängelte sich vorbei an den seltsamen, bizarren Häusern. Kitty bemerkte, je länger sie hier herumlief, dass sie immer mehr beeindruckt von dem sanften Licht war, welches die Gebäude ausstrahlten. Kitty bekam ein ganz eigenartiges Gefühl dabei, und sie konnte es absolut nicht einordnen.

Nach etwa einer halben Stunde Fußmarsch kam die Karawane dann am unteren Ende des Gipfels an. Und erst jetzt konnte man richtig erkennen, wie hoch der Berg eigentlich war. Schmal, schlank – aber sehr hoch.

„Hm...“, machte Sydney. Ratlos blickte sie an dem Berg hinauf.

„Kein Weg“, stammelte Natalie.

„Vielleicht gibt es einen Eingang oder so“, mutmaßte Jojo. „Und dann müssen wir von innen hinauf. Vielleicht ist da drin so eine Art Aufzug.“

„Glaube ich nicht“, sagte Dennis. Nachdenklich begann er, am Berg auf und ab zu laufen. „Ich denke, wir müssen klettern.“

Der Berg hatte viele Felsvorsprünge. Man konnte, wenn man sich damit auskennt, durchaus daran rauf klettern, aber es machte dennoch den Anschein, dass es sehr schwer werden würde.

Kitty lief an den Berg heran und berührte sachte einen seiner Felsvorsprünge.

„Das... das ist ja total glatt“, stellte sie daraufhin fest. „Fast wie Glas“

„Das ist Glas“, sagte Mik, der ebenfalls den Berg anfasste. „Alles scheint hier aus Glas zu sein. Sogar die Felsen.“

Jojo versuchte nun, einen der Felsvorsprünge zu erklimmen. Und tatsächlich kam sie einige Meter nach oben, ehe sie dann wieder herunterfiel.

„Autsch!“, fluchte sie.

„Hast du dir weh getan, Jojo?“, fragte Kitty daraufhin, während sie sich zu ihr wandte.

„Nein“, sagte Jojo, den Kopf schüttelnd. „Ich glaub', nicht.“

„Ist wohl doch nicht so einfach“, stellte Natalie dann fest. „Wenn wir irgendwie etwas hätten, das an dem Glas haftet...“

„Was meinst du? Kleber oder so?“, wollte Sydney wissen.

„Vielleicht etwas aus Gummi...“

Und im selben Moment begann etwas in Kittys und Jojos Zaubertasche zu rappeln. Etwas bewegte sich dort drin, und es wartete, herauszukommen.

Vorsichtig öffneten Kitty und Jojo ihre Taschen, und zum Vorschein kamen zwei Paar seltsam aussehende Saugnäpfe, die man an den Händen und Füßen befestigen konnte. Wie Handschuhe und Schuhe konnte man sie anziehen.

„Irre“, sagte Jojo, während sie sich ihr Paar Saugnäpfe über die Hände und Füße stülpte. Dann versuchte sie wieder, die Wand des Glasberges hinaufzuklettern – und es klappte tatsächlich.

„Jetzt können wir da hoch klettern wie Fliegen“, meinte sie lächelnd.

Und auch Kitty zog sich dann ihr Paar Saugnäpfe an.

Gerade als Kitty ebenfalls auf den Berg klettern wollte, kamen noch zwei Paar Saugnäpfe aus ihrer Zaubertasche. Und auch aus Jojos Zaubertasche kamen zwei weitere Paar Saugnäpfe. Und als diese da waren, kamen noch zwei Paar Saugnäpfe heraus. Und dann noch zwei. Während sich Kitty und Jojo verwundert umsahen, kamen so viele Saugnäpfe aus ihren Zaubertaschen, dass die ganze Karawane auf den Berg klettern konnte.

„Okay“, sagte Kitty dann. „Es ist ganz einfach. Zieht die Saugnäpfe an und folgt uns. Macht es einfach genau so wie Jojo und ich.“

Und die anderen folgten Kitty und Jojo schließlich. Es dauerte nicht lange, dann erreichte die Karawane die Spitze des riesigen Berges. Oben angekommen, fanden sie ein sehr seltsam aussehendes, kreisrundes Schloss aus Glas vor.

„Das Herz dieser Stadt“, sagte Dennis.

„Das Herz des ganzen Reiches“, berichtigte ihn Mik.

„Gut. Wir werden rein gehen“, erklärte Kitty, nachdem sie einige Minuten lang nachdachte und das Glasschloss beeindruckt ansah.

Mittlerweile schien die Sonne im abendlichen Himmel im tiefen Westen, und das Schloss spiegelte ein noch schöneres Licht wieder. Man konnte sehr viele kreisrunde Fenster sehen. Und auf den beiden Türmen war eine kreisrunde, kleine Kuppel, ähnlich einer Miniaturversion der Kuppel, die dieses Reich unter sich einschloss. Das Gebäude sah eigentlich nicht aus wie ein Schloss, es sah aus wie ein Haus aus der Zukunft. Etwas Derartiges hatten weder Kitty noch Jojo je zuvor gesehen. Und sie waren beide auch sehr beeindruckt.

Kitty spähte am Schloss entlang, ob es irgendwo einen Eingang hatte. Schließlich fand sie eine Tür, oder zumindest etwas, was einer Tür sehr nahe kam.

„Da könnten wir rein“, sagte sie, auf die Türe zeigend. Und schon lief sie los, in Richtung dieser Türe. Aber gerade als sie sie öffnen wollte, drehte sie sich plötzlich um und blickte Dennis an.

„Dennis“, sagte Kitty. „Es ist Abend. Siehst du?“ Kitty zeigte auf die untergehende Sonne.

Dennis nickte.

„Ein schöner Sonnenuntergang“, sagte Jojo leicht genervt.

„Jojo. Vor zwei Stunden war es noch Morgen. Und jetzt ist es schon Abend“, machte Kitty deutlich.

„Vielleicht sieht es nur so aus“, sagte Mik. „Damals, im Tausend Nächte Schlaf Reich, da ist die Sonne auch tagelang nicht aufgegangen.“

„Ja“, sagte Kitty nachdenklich. „Aber das hier ist etwas anderes. Echt total merkwürdig.“

Jojo zuckte mit den Schultern. Dann zog sie sich die Saugnäpfe aus. „Ich denke, die können wir jetzt abnehmen“, sagte sie. Und die anderen machten es ihr dann nach.

Niemand hatte bemerkt, dass Mik eben so sprach, als sei er im Tausend Nächte Schlaf Reich dabei gewesen. Aber da war er doch noch gar nicht bei der Karawane. Wie konnte es sein, dass er wusste, wie lange die Nacht im Tausend Nächte Schlaf Reich war, und wie es dort aussah? Nur Kitty schaute Mik stutzig an.

Jojo war indessen damit beschäftigt, die Eingangstüre zum Schloss zu öffnen. Jedenfalls versuchte sie es, aber es wollte nicht recht klappen. Am Türgriff rutschte sie ständig mit ihren Fingern ab. Frustriert trat sie gegen die Türe.

„Jojo!“, mahnte Kitty sie. Und Jojo sah sie genervt an und machte eine unmissverständliche Geste mit den Händen.

„Lass mich mal“, sagte Kitty. Dann berührte sie die Türe, und schon ging sie auf. Ganz einfach so. Kitty hatte den Griff nur leicht berührt, und die große Türe öffnete sich mit einem lauten Knarren, was seltsam metallisch klang. „Alles klar“, meinte Kitty. Und dann lief sie hinein, gefolgt von Dennis, Jojo, Sydney und Natalie und den anderen Mitreisenden.

Im Raum schimmerte ein violettes Licht. Es sah aus, als ob die Wand leuchtete, aber tat sie das wirklich? Glühbirnen oder Fackeln waren nicht zu sehen. Aber die Wand strahlte in einem sanften lila Lichtschein.

Kitty drehte sich ein Mal um sich selbst, dann lief sie zu einem der vielen Fenster und sah heraus. Draußen war die Sonne bereits weg, und eine tiefe Nacht begann, während die Sterne bereits aufgegangen waren.

„Ich verstehe das nicht“, sagte Kitty nachdenklich zu Dennis, der neben ihr stand. „Ich hatte vermutet, dass die Zeit hier langsamer läuft. Aber sie scheint genau anders herum zu laufen. Viel schneller als draußen, außerhalb der großen Kuppel, die das ganze Reich einschließt.“

„Nein, Kitty“, sagte Dennis. „Die Zeit läuft tatsächlich langsamer unter der Kuppel. Was wir sehen, ist die Zeit, die außerhalb der Kuppel immer schneller vergeht.“

„Oh mein Gott...“, machte Kitty erschrocken. „Das bedeutet ja dann, dass draußen Tage, Wochen oder sogar Monate vergehen, während wir nur Stunden hier drin sind...“

„Lasst uns das finden, wonach wir suchen“, sagte Mik. „Dann sehen wir zu, dass wir so schnell wie möglich hier raus kommen.“

„Was genau suchen wir?“ Jojo blickte Mik fragend in die Augen.

Und genau in diesem Moment ertönte ein mysteriöses Geräusch. Es war merkwürdig, wie ein metallisches Rauschen. Gruselig zwar, aber gleichzeitig wohlklingend. Und es dauerte nicht lange, dann wurde aus dem Geräusch eine Stimme.

„Suchende“, sagte die Stimme schließlich. Sie klang hell, aber gleichzeitig tief. Es konnte die Stimme eines kleinen Mädchens sein, gleichzeitig aber die eines alten Mannes. Kitty, Jojo und die anderen erschraken. Nur Mik sah relativ gefasst aus.

„Suchende“, wiederholte die Stimme. „Erwartet haben wir Eure Ankunft, Kaiserin von Naytnal.“

„Wer seid ihr? Wo seid ihr?“, fragte Kitty etwas ungeduldig. Eigentlich wollte sie nicht ungeduldig klingen.

Plötzlich trat etwas hervor. Kitty konnte nicht sehen, wo es her kam, aber es war plötzlich da. Vor ihr strahlte ein kleines Licht. Ein Punkt von der Größe eines Glühwürmchens flatterte vor ihr hin und her. Aber Kitty konnte nicht ausmachen, welche Gestalt dieser Lichtpunkt hatte.

„Wir sind das Irrlicht“, sagte die seltsame Stimme nun, und jetzt klang sie definitiv wie die Stimme eines kleinen Mädchens. „Wir sind die Wandler.“

„Die... Wandler?“ Kitty wollte den Lichtpunkt berühren, aber dann traute sie es sich doch nicht.

„Die Wandler, die sich verwandeln können“, erklärte die Stimme – und jetzt klang sie tief wie die Stimme eines Mannes. „Seht her“, forderte die Stimme Kitty auf. Und plötzlich teilte sich das Irrlicht, und eine seltsame Gestalt entstand daraus. Es wurde zu einer Mischung aus einem Mädchen und einem Pferd. Vorne hatte die Gestalt den Körper des Mädchens. Sie hatte aber vier Füße mit Hufen, und hinten einen langen Schweif.

Kitty bewunderte beeindruckt das Irrlicht, das nun eine seltsame Gestalt war.

„Sagt, ist dies das Reich der Träume?“, fragte Kitty dann etwas nervös.

„So ist es“, antwortete das Irrlicht.

„Dann ist dies der Geburtsort der Ta’lar?“, warf Dennis ein.

Die merkwürdige Gestalt wandte sich ihm zu und sah ihn an.

„So ist es“, sagte sie nach einigen Minuten. „Aber ihr werdet hier niemanden finden.“

Und jetzt bemerkte Kitty auf einmal, was ihr die ganze Zeit schon aufgefallen war. Seit sie und Jojo zusammen mit den anderen hier im Reich der Träume angekommen sind, haben sie nicht eine Menschenseele, nicht ein Wesen getroffen. Niemand war hier, außer die Mitreisenden der Karawane.

„Bist du hier ganz alleine?“, fragte Kitty schließlich.

„Wie du sehen kannst, ja“, sagte das Wesen.

„Wo sind sie alle hingegangen?“, wollte Kitty wissen. „Weißt du, wir haben nämlich gehofft, hier auf die Traumzeitwächter zu stoßen.“

„Sie sind nicht hier“, sagte das Wesen. Und nun klang die Stimme nach einer alten Frau, und sie klang sehr traurig und betroffen. „Schon vor langer Zeit sind die Letzten von ihnen auf Reisen gegangen.“

„Auf Reisen?“ Jojo schaute leicht verwirrt.

„Ihr müsst wissen, die Traumzeitwächter verreisen niemals. Sie bleiben stets an ihrem geheimen Ort. Dem Ort, den ihr nun gefunden habt.“

„Aber... jetzt sind sie weg?“, fragte Jojo.

„Warte mal“, sagte Kitty nachdenklich. „Ist dies ihr Wohnort? Ist dies denn nicht der Ort, an dem sie geboren werden, bevor sie dann zu dem geheimsten Ort in ganz Naytnal weiterziehen? Ich dachte, sie würden nur die ersten Jahre ihres Lebens hier verbringen.“

„So ist es auch“, erklärte das seltsame Wesen. „Kommt herüber zur Wand. Ich zeige euch die Geschichte der Ta’lar.“

Während das Wesen zur Wand des großen, runden Raumes lief, verdunkelte sich das Licht plötzlich. Und auf der Wand entstanden leuchtende Konturen. Bald wurden sie zu richtigen Bildern. Es sah aus wie Höhlenmalereien. Kitty und Jojo betrachteten fasziniert diese Bilder. Und insbesondere Dennis sah sie sehr interessiert an.

Zahlreiche Bilder entstanden. Kitty entdeckte dann den Anfang links oben in der runden Ecke. Das erste Bild leuchtete weiß. Es zeigte eine Art Cocoon.

„Ihre Geburt“, sagte sie dann leise.

Auf dem zweiten Bild sah man, wie etwas aus dem Cocoon heraus schlüpfte. Ein Insekten ähnliches Wesen erkannte man dort. Es schien an seinem Oberkörper mehrere Arme zu haben. Und zusätzlich hatte es noch mindestens drei Beine unter sich. Dünne, schmale Beine.

Kitty war zu beeindruckt, um etwas zu sagen. Die Bilder erzählten tatsächlich die Geschichte der Ta’lar. Und Kitty verstand sie.

„Es beginnt mit ihrer Geburt“, erklärte Kitty leise. „Sie kommen in diesen Cocoons zur Welt. Sie werden aus Träumen geboren. Ihr Lebensinhalt besteht ausschließlich aus Träumen. Aber nicht aus ihren eigenen. Es sind die Träume der Menschen.“ Kitty erschrak beinahe vor sich selbst, so fasziniert war sie vor dem, was sie in den Bildern erkannte. Und nicht einmal wandte sie ihren Blick von den vielen leuchtenden Bildern ab.

„Sie sind aus den Träumen der Menschen entstanden. Sie machen die Träume, und sie holen die schlimmen Träume von den Menschen weg. Von Anbeginn an beschützen die Traumzeitwächter all unsere Träume. Dafür sind sie da. Dafür sind sie gemacht worden. Nur dafür leben sie.“

Kitty drehte sich um zur anderen Wand, wo noch mehr leuchtende Bilder entstanden. Sachte streifte sie sich durch die Haare, und sie spürte, wie ihr Körper vor Ehrfurcht zitterte.

„Drei Jahre nach ihrer Geburt werden die Ta’lar zu dem ausgebildet, was sie sein werden“, fuhr Kitty fort, während ihr die anderen gespannt zuhörten. „Sie müssen viele harte Prüfungen absolvieren, um zu den Wächtern über Traum und Zeit zu werden. Und nachdem sie diese Prüfungen bestanden haben, gehen sie zu dem geheimsten aller Orte von ganz Naytnal. Niemand, nicht mal sie selbst, wissen, wo sich dieser Ort befindet. Dennoch aber verreisen sie niemals. Sie verlassen niemals ihre Geburtsstätte, obwohl sie es gleichzeitig tun. Sie nehmen ihren Geburtsort mit. Sie nehmen das Reich der Träume mit dorthin, wo sie später hingehen. Aber jetzt...“ Kitty machte eine lange Pause und atmete tief durch. „Jetzt ist etwas Schlimmes geschehen. Die Ta’lar, die Traumzeitwächter, sind auf eine Reise gegangen. Noch nie zuvor ließen sie das Reich der Träume alleine. Und es hätte niemals geschehen dürfen, dass sie das Reich der Träume alleine lassen. Aber dennoch ist es passiert. Keiner weiß, wohin sie gegangen sind. Niemand weiß, warum sie weg gegangen sind. Man sagt, eine unheimliche Macht sei hinter ihnen her. Man sagt jedoch, eine Gruppe von Menschen und Wesen Naytnals, angeführt von der Kaiserin des Sterns der Reiche, sei unterwegs, um ihnen zu helfen. Auf ihnen liegt die ganze Hoffnung aller Menschen der Erde.“

Kitty fiel sichtlich erschöpft in Dennis’ Arme. Ihr Bericht über die Traumzeitwächter endete an dieser Stelle, und die Bilder konnten oder wollten die Geschichte nicht weitererzählen. Noch immer blickten alle ehrfürchtig die Bilder an und versuchten, zu begreifen, was Kitty gerade erklärt hatte, und was Kitty selbst erst versuchen musste, zu begreifen.

Auf einmal fing das ganze Schloss an zu wackeln. Ein Erdbeben? Hier? Jetzt? Hastig versuchten alle, sich irgendwo festzuhalten. Es erwies sich aber als sehr schwer, denn plötzlich fiel allen auf, dass der große Raum völlig leer war. Hier war nichts. Keine Möbel, keine Geländer, keine Treppen. Einfach nichts.

Und das seltsame Wesen war auch plötzlich verschwunden.

Kitty spürte dann mit einem Mal, wie unter ihr der Boden einzufallen schien. Wie durch magische Kraft schien er sich in Luft aufzulösen. Plötzlich war der Fußboden verschwunden, einfach so. Hilfe suchend wollte sich Kitty an Dennis festklammern, aber plötzlich war sie ganz alleine.

Kitty schwebte. Sie sah sich um. Das Schloss... der Berg... alles verschwand plötzlich. Kitty sah noch immer das seltsame, warm leuchtende violette Licht, welches durch die Nacht leuchtete. Es war das Einzige, das noch da war. Alles andere schien auf magische, mysteriöse Weise spurlos verschwunden zu sein.

„Dennis?“, rief Kitty. „Jojo?“ Niemand antwortete. „Seltsames Wesen... Irrlicht...“, rief Kitty. Aber da war niemand mehr.

Kitty spürte dann, dass sie irgendwo sanft landete. Es könnte eine Wolke sein, so wie es sich anfühlte. Kitty sah herunter. Es war keine Wolke, worauf sie stand. Ein Boden aus warmer Erde befand sich unter ihr. Sie stand sehr weich darauf. So weich, dass es auch Sand hätte sein können. Kitty konnte sehen, dass dieser Sand keine Farbe hatte.

„Ich muss träumen“, sagte Kitty dann leise zu sich selbst.

Instinktiv glitt ihre Hand zu ihrem Anhänger, dem geheimnisvollen Schlüssel der Macht. Sie berührte ihn. Das Medaillon leuchtete so schön, wie es immer leuchtete. Und Kitty spürte seine Kraft. Wenigstens die hatte sie nicht verloren.

Plötzlich bewegte sich der Boden. Ein neues Erdbeben? Kitty fühlte, dass sie wieder in die Höhe schwebte. Getragen von einer seltsamen Kraft, so als habe sie Flügel. Kitty flog richtig. Still schaute sie sich um. Sie wollte sich nicht wehren. Sie wollte dem, was ihr nun geschah, nicht entgegen stehen. Kitty überlegte. Es könnte eine wichtige Botschaft sein, die ihr dieser Traum mitteilen würde.

Auf einmal sah Kitty Dinge. Figuren. Da waren Figuren. Kitty schaute sich um. Es war alles sehr verschwommen, aber es war definitiv etwas da.

Kitty spürte, dass sie plötzlich in die Tiefe stürzte. Und dann merkte sie, dass sie etwas oder jemand fest hielt. Kitty blickte sich um. Sie saß in einer Achterbahn. Kitty saß in einer Achterbahn?

Zwei Kurven und einen Looping machte der Wagen, in dem Kitty nun saß, bevor er in die Haltestelle einfuhr und die Fahrt beendete. Kitty sah andere Leute neben sich, hinter sich und vor sich. Und als sie in die Haltestation hinein schoss, konnte sie noch mehr Menschen erkennen.

„Der Jahrmarkt“, flüsterte Kitty. „Ich bin wieder im Silver Summer.“

Nachdem die Bahn anhielt, entdeckte Kitty ein ihr sehr bekanntes Mädchen, welches offenbar auf sie wartete. Es war niemand anders als ihre Schwester Jojo.

„Wahnsinn“, rief Jojo ihr entgegen, als Kitty aus der Bahn stieg. „Du hast dich echt getraut. Vier Loopings, und du bist sie gefahren.“

Kitty zitterte. War dies jetzt ihre Jojo? Das Mädchen, das gerade noch mit ihr in Naytnal war, im Reich der Träume? Oder war es wieder diejenige Jojo, die ihr damals auf dem Jahrmarkt begegnet ist und zu ihr sagte, dass sie, Kitty, sich das alles nur ausdachte?

„Wie geht es dir?“, fragte Jojo neugierig. „Wie war es?“

„Echt cool“, antwortete Kitty zögerlich. Sie bemühte sich, Jojo anzulächeln. Diesmal wollte sie aus einem bestimmten Grund nicht, dass Jojo etwas merkt. Auch wenn Kitty diesen Grund nicht kannte.

Kitty fühlte plötzlich etwas in ihrer Hand. Es fühlte sich an wie ein kleiner Stein. Kitty öffnete ihre Hand, und sie sah den Stein der Wahrheit. Das wertvolle Geschenk, das Lina ihr machte.

Auf einmal sah Kitty, wie sich auf dem magischen Stein Buchstaben bildeten.

„Du träumst nicht“, las sie dort.

Der Stein sprach mit ihr. Und er sagte Kitty, dass sie nicht träumt. Kitty zitterte. Sie zitterte so stark, dass Jojo es doch bemerkte.

„He, Kitty, was ist los, Schatz?“, sagte Jojo mitfühlend. „Siehst du wieder diese Dinge?“

Kitty konnte gar nicht träumen. Sie schlief ja nicht mal. Aber wenn das hier jetzt echt war, wo war Kitty? Und warum war sie hier?

„Ich weiß nicht, was los ist“, stammelte Kitty.

„Hat dich wohl doch ganz schön mitgenommen, die Fahrt“, mutmaßte Jojo.

Kitty lief dann hinter Jojo her. Sie liefen aus der Haltestelle der Achterbahn heraus. Jojo sagte, dass Tante Missy schon auf Kitty und sie warten würde, am Eingang des Jahrmarkts, um sie abzuholen.

„Tante Missy?“, fragte Kitty. „Ist sie hier?“

Jojo blickte Kitty fragend an, dann lief sie weiter. Vorsichtshalber nahm sie Kitty an die Hand.

„Da“, sagte Jojo plötzlich. „Da vorne ist sie.“

Und auf einmal schwebte Kitty wieder davon. Die Bilder verschwammen wieder und der Jahrmarkt, der Silver Summer, löste sich in Luft auf, so geheimnisvoll wie er eben vor Kittys Augen entstanden ist.

---ENDE DER LESEPROBE---