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Wider besseres Wissen hat sich Dr. Andrea Bergen ohne ihre Sanitäter auf den Weg zu der angegebenen Adresse gemacht, denn ein kleines Kind soll in allergrößter Gefahr schweben! Auch wenn die Mutter am Telefon ihren Namen nicht nennen wollte, sieht Dr. Bergen es als ihre Pflicht, alles erdenklich Mögliche zu tun, um dem Jungen zu helfen.
Als sie sich dem Haus mit der Nummer einundzwanzig nähert, steht die Tür einen Spalt offen, und beherzt tritt Andrea ein. Mattes Dämmerlicht empfängt sie - und absolute Stille! Bevor die Notärztin sich bemerkbar machen kann, sieht sie etwas Blitzendes auf sich zukommen und spürt es kurz darauf kalt und schneidend an ihrem Hals! Ein bleiches, wirr erscheinendes Frauengesicht ragt dicht neben ihr auf, und ein Arm hält ihren Nacken wie ein Schraubstock umfangen!
Sie hat mich heimtückisch in die Falle gelockt, ist Andreas letzter bewusster Gedanke, dann wird alles schwarz um sie ...
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Seitenzahl: 123
Veröffentlichungsjahr: 2016
Cover
Impressum
Ein anonymer Notruf
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2016 by Bastei Lübbe AG, Köln
Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: Anne von Sarosdy / Bastei Verlag
Datenkonvertierung E-Book: Blickpunkt Werbe- und Verlagsgesellschaft mbH, Satzstudio Potsdam
ISBN 978-3-7325-3562-0
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
Gerade ist ein mehr als seltsamer Notruf bei uns im Elisabeth-Krankenhaus eingegangen. Eine Frau, die nicht ihren Namen nennen wollte, hat mich zu ihrem schwer kranken kleinen Sohn gerufen. Angeblich ringt er mit dem Tod! Doch ich soll allein kommen – ohne meine beiden Sanitäter Ewald und Jupp –, und ich darf ihnen auch nicht die Adresse weitergeben! Ewald Miehlke und Jupp Diederichs haben mit Engelszungen auf mich eingeredet, auf den anonymen Notruf auf keinen Fall zu reagieren. Aber ich kann doch nicht tatenlos abwarten und riskieren, dass ein kleiner Junge stirbt! Das wäre dann allein meine Schuld!
Auch wenn ich selbst ein mehr als ungutes Gefühl bei der Sache habe, mache ich mich jetzt mit meinem Privatwagen auf den Weg zum Haus dieser etwas wirr klingenden Frau.
Hoffen wir, dass meine dunkle Vorahnung von Gefahr völlig unbegründet ist …
Helena Michels streckte sich genussvoll und lächelte glücklich. Sie war vor dem Klingeln des Weckers erwacht und hatte noch ein wenig Zeit, sich im Bett zu rekeln, bevor sie aufstehen und in den Tag starten musste.
Schwer und warm lag der Arm ihres Mannes Ralf über ihrer Taille. Sie schmiegte sich noch enger in seine Umarmung und genoss es, ihm nah zu sein. An ihre andere Seite hatte sich ihr kleiner Sohn Tobi gekuschelt. Wie so oft hatte er nachts sein Kinderzimmer verlassen und war ins Elternschlafzimmer getapst, um hier weiterzuschlafen.
Ein warmes Gefühl breitete sich in Helenas Brust aus, und ihr wurde bewusst, wie gut sie es hatte: zwischen ihrem Mann und ihrem Sohn zu liegen und den friedlichen Atemzügen zu lauschen, machte sie überglücklich. Zärtlich strich sie über das feine glatte Haar ihres Sohnes und gab ihm einen sanften Kuss auf die Stirn, ganz vorsichtig, um ihn nicht früher als nötig aus dem Schlaf zu reißen.
»Du bist ja schon wach, mein Engel«, ertönte Ralfs verschlafene Stimme.
Helena musste schmunzeln, als sie ihn ansah. Normalerweise war ihr Mann stets wie aus dem Ei gepellt, doch sie sah ihn am liebsten frühmorgens, ohne schicken Anzug und ohne perfekte Frisur.
Schläfrig blickten seine auffälligen eisblauen Augen sie an. Die lackschwarzen Haare, die einen so starken Kontrast zum Blau seiner Augen bildeten, waren zerzaust und hingen ihm in die Stirn. Normalerweise umrahmte sein dunkler Bart sein Gesicht auf perfekte, gepflegte Weise, über Nacht hatten sich jedoch einige Stoppeln auf seine Wangen verirrt.
»Na klar, ich bin schon ewig wach und beobachte dich beim Schlafen«, neckte sie ihn.
Er lächelte, zog sie enger an sich, und gab ihr einen innigen Kuss. Schmetterlinge tanzten in ihrem Bauch. Obwohl sie seit Jahren verheiratet waren, reichte ein Kuss oder eine liebevolle Berührung von Ralf immer noch, um Helenas Herz höherschlagen zu lassen.
»Wollen wir heute Abend gemeinsam essen gehen?«, fragte sie, und legte den Kopf auf seine Schulter.
Seine Finger strichen sanft durch ihr Haar.
»Ich täte nichts lieber als das«, sagte er bedauernd. »Aber am Abend habe ich einen Termin für ein Fernsehinterview. Ich weiß nicht genau, wann ich aus dem Studio komme. Und womöglich muss ich anschließend noch mit ein paar Leuten etwas essen oder in eine Bar gehen: Smalltalk machen, Kontakte knüpfen. Das Übliche eben. Am besten esst ihr einfach ohne mich, du und Tobi.«
Verständnisvoll nickte sie. Ralf war ein vielbeschäftigter Mann. Er war ein anerkannter und erfolgreicher Psychiater, der viel von seinem Fach verstand und einige Fachbücher geschrieben hatte, die sich sehr gut verkauften. Hinzu kamen sein charmantes, weltmännisches Auftreten und seine Attraktivität. All das führte dazu, dass er häufig als Experte eingeladen wurde, wenn in Fernsehsendungen psychologische Themen besprochen werden sollten. Kürzlich erst war er im Frühstücksfernsehen zu Gast gewesen, und heute fand schon wieder ein Experteninterview statt.
»Weißt du eigentlich, wie stolz ich auf dich bin?«, fragte sie liebevoll. Ihre Fingerspitzen glitten hauchzart über seinen Arm bis zu seiner Hand, wo sie sich mit seinen Fingern verschränkten.
Er lachte leise, wobei sein Atem ihre Haut kitzelte.
»So, bist du das? Und wieso genau, wenn ich fragen darf?«
»Das weißt du. Du fragst doch nur nach, weil du gerne Komplimente hören willst, oder?«, vermutete sie augenzwinkernd.
Er zog eine Grimasse. »Du hast mich ertappt. Ich habe mir Streicheleinheiten für mein Ego erhofft.«
Helena grinste. »Na schön, die sollst du haben. Ich habe einfach darüber nachgedacht, wie viel du in deinem Leben schon erreicht hast. Das finde ich wirklich beeindruckend und bewundernswert.«
Er setzte einen sanften Kuss auf ihr Haar.
»Das schaffe ich nur, weil du mir den Rücken frei hältst. Wir sind ein gutes Team.«
»Das sind wir. Ein ganz großartiges Team.« Sie schmiegte ihre Wange an die ihres gutaussehenden, erfolgreichen Mannes, ohne sich darum zu kümmern, dass die rauen Bartstoppeln über ihre Haut kratzten.
Ihr Gespräch hatte nun auch Tobi geweckt. Der Junge streckte sich und gähnte herzhaft. »Mami, Papi, müssen wir schon aufstehen?«
Ralf gab Helena noch einen Kuss, dann stand er auf und zog schwungvoll die Vorhänge auf, sodass mehr Licht ins geschmackvoll eingerichtete Schlafzimmer fiel.
»Na, und ob! Wollen wir Mami zeigen, wie gut du schon deine Zähne putzen kannst?«
Das ließ sich Tobi nicht zweimal sagen: Er sprang auf und lief mit seinem Vater ins Bad, um stolz mit der Zahnbürste zu hantieren.
Helena konnte nicht aufhören zu lächeln, als sie ihren Lieben zusah. Ralf war ein toller Ehemann und Vater. Darum verzieh sie ihm natürlich gerne, dass auch er nicht unfehlbar war: Heute war ihr Hochzeitstag, und offensichtlich hatte er ihn vergessen. Sie nahm ihm das nicht übel, immerhin hatte er viel um die Ohren.
»Ralf?« Sie wollte ihn darauf ansprechen, dass sie heute auf den Tag genau seit sechs Jahren verheiratet waren.
»Ja?« Fragend sah er sie an.
In der Hand hielt er gerade das Haarfärbemittel, mit dem er nicht nur sein Haupthaar, sondern auch den Bart und sogar die Augenbrauen färbte, um stets so gepflegt wie möglich auszusehen. Er achtete penibel darauf, dass keine mittelbraunen Haaransätze sichtbar wurden. Die meisten Leute dachten darum, er hätte von Natur aus so pechschwarz glänzende Haare. Helena wusste jedoch, dass er diese Haarfarbe bevorzugte, weil sie einen so eindrucksvollen Kontrast zum Eisblau seiner Augen bildete.
Sie schmunzelte insgeheim über seine Eitelkeit. Da er heute einen Fernsehtermin hatte, wollte er verständlicherweise ganz besonders gut aussehen.
»Ach, nichts«, entgegnete sie.
Spontan hatte sie beschlossen, den vergessenen Hochzeitstag doch nicht zu erwähnen. Stattdessen nahm sie sich vor, ihren geliebten Ehemann heute Abend nach seinem beruflichen Termin zu überraschen.
***
»Wow, du siehst ja wunderhübsch aus!«, rief Sissi, als Helena mit Tobi an der Hand ihre Wohnung betrat. »Was genau hast du heute noch vor? Was auch immer es ist, du wirst alle anwesenden Männer verrückt machen.«
Helena lächelte etwas verlegen und strich ihr elegantes rotes Kleid glatt.
»Danke, Sissi. Aber der einzige Mann, dem ich gefallen will, ist Ralf. Wir haben heute unseren sechsten Hochzeitstag, und ich will ihn mit einem Musicalbesuch überraschen.«
Mittlerweile hatte Ralf sich mit einer kurzen SMS bei ihr gemeldet und sie darüber informiert, wann er ungefähr fertig sein würde. Helena hatte großes Glück gehabt, und übers Internet zwei gute Plätze in einer Musical-Aufführung heute Abend ergattert. Sie konnte es kaum erwarten, sein Gesicht zu sehen, wenn sie vor dem Gebäude des Fernsehsenders auf ihn wartete und ihm die Karten für sein liebstes Musical präsentierte.
Sie schmunzelte, als sie Sissi durch die Wohnung zur Küche folgte. Ihre beste Freundin hatte einen außergewöhnlich bunten und flippigen Einrichtungsstil. Farbenfrohe Teppiche und Gardinen leuchteten um die Wette, die skurrilen Lampen wirkten beinahe wie Gegenstände aus einer fremden Welt, und filigrane Porzellanfigürchen standen neben modernen Skulpturen. Sissi konnte sich hier ganz selbst verwirklichen und ihrem eigenen Geschmack folgen.
Schmunzelnd hatte Helena schon so manches Mal insgeheim darüber nachgedacht, dass es die meisten Männer vermutlich nicht lange inmitten des bunten Kitsches aushalten würden. Doch Sissi war seit vielen Jahren Single, also musste sie auf niemanden Rücksicht nehmen.
»Wahnsinn, wie lange ihr schon verheiratet seid!«, staunte Sissi, während sie durch die Küche wuselte, und Früchtetee aufbrühte. »Mir kommt es beinahe so vor, als hätte ich eure Hochzeit erst gestern als Trauzeugin miterlebt.«
»Das Gefühl habe ich auch manchmal«, gab Helena zu. »Letztens habe ich die Hochzeitsfotos angeschaut und konnte kaum glauben, wie viele Jahre seither vergangen sind.«
»Und mittlerweile seid ihr Eltern, und der kleine Tobi ist ein so starker großer Mann geworden«, sagte Sissi gut gelaunt, und steckte dem Jungen einen Schokoladenkeks zu. Lachend nahm Tobi das Kompliment und das Plätzchen entgegen und lief dann ins Wohnzimmer, um zu spielen.
»Danke, dass du so kurzfristig Zeit hattest, auf ihn aufzupassen«, sagte Helena und blickte ihrem Kind hinterher.
Sissi machte eine wegwerfende Geste. »Kein Problem. Der Süße macht kaum Arbeit. Als Kinderbetreuerin habe ich mit so vielen Kindern zu tun, und Tobi ist der Bravste von allen. Und ich hatte ohnehin nichts vor, außer einen romantischen Liebesfilm anzuschauen. Das kann ich immer noch tun, wenn Tobi im Bett ist.«
»Du bist die Beste.« Helena drückte ihre beste Freundin kurz.
Sissi lachte und warf sich ihre blonden Locken über die Schulter. »Weiß ich doch«, scherzte sie und ließ sich auf die Küchenbank fallen. »Jetzt musst du das nur noch dem Mann begreiflich machen, den ich vor Kurzem kennengelernt habe. Erinnerst du dich an das blonde Sahnestück, von dem ich dir erzählt habe? Der Kerl hat mir erst das Blaue vom Himmel versprochen. Aber als ich ihm klargemacht habe, dass ich keine Frau für eine Nacht bin, war er plötzlich ganz schnell weg. Seither habe ich nichts von ihm gehört.«
»Das tut mir leid«, sagte Helena mitfühlend. Sie erinnerte sich deutlich daran, wie sehr Sissi von ihrem gut aussehenden neuen Bekannten geschwärmt hatte. »Aber glaub mir, du wirst auch noch die Liebe deines Lebens finden. Du wirst nicht für immer bloß Frösche küssen – irgendwann wird dein Traumprinz darunter sein.«
Sissi zuckte mit den Schultern und schaufelte löffelweise Zucker in ihren Tee. »Vielleicht. Und wenn nicht, habe ich zumindest eine große Sammlung von kitschigen Liebesromanen und -filmen, um mich zu trösten. Vielleicht ist es besser so. Die Männer sind doch im Endeffekt ohnehin alle gleich.«
»Ralf nicht«, widersprach Helena im Brustton der Überzeugung. »Mein Mann ist keiner dieser Kerle, die nur auf ein schnelles Abenteuer aus sind und von einer Frau nur das eine wollen.«
»Also bist du immer noch so glücklich mit ihm wie damals vor sechs Jahren?«, fragte Sissi neugierig. »Verzeih, dass ich so direkt frage, aber ist bei euch alles immer so perfekt und harmonisch, wie es von außen aussieht?«
»Was ist schon perfekt?«, gab Helena zurück. »Ralf ist der beste Mann, den ich mir wünschen kann. Manchmal wünsche ich mir, er wäre nicht ganz so oft weg und hätte mehr Zeit für mich und Tobi, aber seine Karriere ist ihm eben sehr wichtig. Das akzeptiere ich.«
Sissis Augen weiteten sich. »Er ist oft weg? In dem Roman, den ich zuletzt gelesen habe, hatte der Ehemann auch immer weniger Zeit für seine Familie, und willst du wissen, woran das lag? Er hatte eine Affäre.«
Helena verschluckte sich am Tee und rang hustend nach Luft. »Wie bitte?«, fragte sie dann empört. Sie wusste, dass ihre Freundin sich bei solchen Bemerkungen nichts Böses dachte, und wollte darum nicht zu harsch reagieren, doch die unbedachte Aussage ärgerte sie. »Ralf betrügt mich mit Sicherheit nicht, falls du das unterstellen willst. Die Realität sieht anders aus als die albernen Geschichten in deinen Filmen und Büchern. Bei uns gibt es kein unnötiges Drama. Ich liebe ihn, er liebt mich, und wir können uns aufeinander verlassen.«
»Okay, tut mir leid«, ruderte Sissi schnell zurück. »Ich wollte deinem Mann nichts unterstellen. Wenn du ihm vertraust, dann hast du damit gewiss recht.«
Besänftigt nickte Helena. »Ich vertraue ihm absolut. Ich würde meine Hand für ihn ins Feuer legen.«
***
Sehnsüchtig wartete Helena wenig später vor dem Fernsehsendergebäude. Ihr Herz pochte schnell vor Aufregung, wenn sie sich vorstellte, wie erfreut Ralf auf ihren Anblick reagieren würde.
Eigentlich war es zu kühl für das schöne tiefrote Kleid, doch ihr war egal, dass sie ein wenig fröstelte. Sie wusste, wie sehr Ralf dieses sexy Kleidungsstück an ihr liebte, also wollte sie es heute unbedingt tragen. Die hochhackigen Pumps ließen ihre schlanken Beine endlos lang wirken, und an ihrem Hals glitzerte ein strassbesetztes Collier.
Sie warf einen Blick auf die Uhr und strich sich dann ungeduldig mit der Hand durch das brünette Haar, das in weichen, schimmernden Wellen über ihre Schultern fiel. Es konnte nicht mehr lange dauern, bis Ralf das Gebäude verließ. Die Aufzeichnung der Fernsehsendung war höchstwahrscheinlich bereits vorbei, nun machte er vermutlich noch ein wenig Smalltalk und verabschiedete sich.
»Sie sehen aus wie eine Prinzessin«, rief ihr ein junger Mann anerkennend zu, der in einer Gruppe von Freunden an ihr vorbeilief. »Tolles Kleid!«
Helena lächelte. Sie wollte nur Ralfs Prinzessin sein, alle anderen Männer waren ihr egal. Sie kramte die Musical-Karten aus ihrer Tasche, um sie ihm vor die Nase halten zu können, sobald sie ihn sah. Dann richtete sie den Blick wieder auf die Tür des Gebäudes.
Gerade als sie erneut auf die Uhr schauen wollte, schwang die Tür auf. Als Ralf herauskam, schlug ihr Herz höher. Wie gut er aussah! Seine teure Krawatte passte optimal zum gut geschnittenen Hemd, die Frisur lag perfekt. Seinem Gang und jeder Bewegung sah man sein Selbstbewusstsein an. Obwohl sie nicht direkt vor ihm stand, sondern ein kleines Stück entfernt unter einer Straßenlaterne, fiel ihr die faszinierende Farbe seiner Augen auf.
Freudenstrahlend wollte sie ihm entgegeneilen, ihn mit ihrer Anwesenheit überraschen und ihm die Tickets überreichen. Doch da kam hinter ihm eine Frau aus dem Haus. Es war Nora, Ralfs Sekretärin.
An sich war es nichts Ungewöhnliches, dass Nora ihren Chef zu Auswärtsterminen begleitete. Helena war ihr bereits häufig begegnet und wusste, wie sehr Ralf seine Sekretärin schätzte. Doch etwas an der Situation irritierte Helena, und so brachte sie es plötzlich nicht über sich, zu ihrem Mann zu eilen. Stattdessen wich sie tiefer in die Schatten zurück und schaute aus weit aufgerissenen Augen zu Ralf und Nora. Mit einem Mal war ihr eiskalt.
Ralf sagte etwas zu Nora, das Helena nicht hören konnte, und die hübsche junge Blondine lachte herzlich. Sie streckte sich zu Ralf hoch, um ihm ihre Antwort ins Ohr zu flüstern.
»Nein«, hauchte Helena, als in ihr die grausame Ahnung emporstieg, was gleich geschehen würde. Sie wollte den Blick abwenden oder weglaufen, doch vor der Realität konnte sie nicht fliehen, und so stand sie stocksteif da und sah hilflos mit an, wie Sissis gedankenlos daher gesagte Bemerkung sich auf schreckliche Weise bewahrheitete. Die Worte ihrer besten Freundin hallten in ihrem Kopf wider wie eine düstere Prognose.