Notärztin Andrea Bergen 1450 - Isabelle Winter - E-Book

Notärztin Andrea Bergen 1450 E-Book

Isabelle Winter

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Beschreibung

Rita stockt der Atem, als sie sich in dem weißen Spitzentraum im Spiegel betrachtet. Ihre Freundinnen haben recht: Nie hat es eine schönere Braut als sie gegeben - vor allem aber keine glücklichere! Ja, ich bin ein echtes Glückskind, denkt Rita überwältigt. Ich habe einen wunderbaren Beruf und den charmantesten aller Verlobten, Dennis. Und bald schon trete ich mit ihm vor den Traualtar, dann ist mein Glück perfekt ...
Später wird Rita sich noch oft an diese letzten glücklichen Minuten erinnern. Denn schon als sie kurz darauf mit ihrem Brautkleid über dem Arm das Brautmodengeschäft verlässt, geschieht das Unfassbare: Rita erleidet einen schweren Unfall - und danach ist nichts mehr, wie es war. Nach einer komplizierten OP und schlimmen Wochen im Krankenhaus verliert Rita Wohnung, Arbeitsstelle und den Mann, den sie liebt, und findet sich schließlich einsam, mittellos und ohne Hoffnung auf der Straße wieder ...


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Seitenzahl: 126

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Inhalt

Cover

Leben auf der Straße

Vorschau

Impressum

Leben auf der Straße

Nur mit einer Pappe vor dem kalten Asphalt geschützt und einen Becher für Almosen vor sich – so habe ich die junge Rita Winkler vor meiner Lieblingsboutique angetroffen. Die junge Frau war vor wenigen Monaten nach einem Unfall schwer verletzt ins Krankenhaus gebracht worden. Es folgten komplizierte OPs, lange Wochen der Reha – und dann die Entlassung in ein Leben, in dem nichts mehr war wie zuvor! Aus größtem Glück ist die schöne Frau ganz tief gesunken, hat ihre Freunde, den Job, die Wohnung und ihren Verlobten verloren und schlägt sich nun auf der Straße durch! All meine Hilfsangebote hat Rita vehement und unter Tränen abgelehnt – zu groß sind ihre Scham und Verzweiflung ...

Doch ich meine auch noch etwas anderes bei Rita gespürt zu haben: Todessehnsucht. Deshalb habe ich mich gleich heute wieder auf den Weg zu ihrem »Bettelplatz« gemacht. Aber er war verwaist – seit gestern hat niemand Rita mehr gesehen! Und ich mache mir die allergrößten Sorgen ...

Der Bleistift flog förmlich übers Papier, zauberte Linien, Schattierungen und Formen. Abgesehen vom leisen Schaben der Graphitmine auf dem weißen Blatt war es völlig still. Sonnenstrahlen fielen durch die großen Fensterfronten des modernen Gebäudes herein, fingen sich im Glas der Wasserkaraffe auf dem Schreibtisch und warfen faszinierende Reflexe auf die Tischplatte, den Sichtbetonboden, das Zeichenpapier.

Mühelos entstanden die Skizzen unter Ritas Hand. In ihrem Beruf als Innenarchitektin stand ihr eine ganze Reihe von modernen Grafikprogrammen zur Verfügung, doch besonders zu Beginn, wenn sie sich an ein neues Projekt machte, arbeitete sie gerne mit Stift und Papier. Die Entwürfe von Hand zu zeichnen fühlte sich für sie einfach am natürlichsten an.

Sie arbeitete gerade am Konzept für die Neugestaltung einer Luxuswohnung. Frau Arnfels, eine überaus wohlhabende Dame, hatte Kontakt zum Architekturbüro Friedmann aufgenommen. Sie hatte sich an ihrer alten Einrichtung sattgesehen und wollte alles neu, luftiger, frischer haben – dennoch luxuriös und hochwertig. Dabei hatte sie besonderen Wert darauf gelegt, dass Rita Winkler die Umgestaltung der Wohnung übernahm, denn von der jungen Innenarchitektin hatte sie bereits viel Gutes gehört.

Rita lächelte. Es schmeichelte ihr, dass Frau Arnfels ausdrücklich nach ihr verlangt hatte, nicht etwa nach ihrem Chef, Werner Friedmann, der das Architekturbüro vor fünfundzwanzig Jahren gegründet hatte, und auch nicht nach einem ihrer Kollegen, die allesamt gute Arbeit ablieferten.

Ritas Ruf eilte ihr voraus. Das Einrichtungskonzept, das sie letztes Jahr für eine Villa außerhalb der Stadt erarbeitet hatte, war ihr besonders gut gelungen. Was für ein glücklicher Zufall, dass Frau Arnfels mit dem Besitzer der Villa gut befreundet war und ganz begeistert gewesen war!

Sie war jetzt schon sicher, dass die wohlhabende Dame mit ihrer Arbeit zufrieden sein würde. Aus Ritas Kopf sprudelten unzählige gute Ideen. Sie hatte jetzt schon klar vor Augen, wie die großzügigen Räumlichkeiten perfekt zur Geltung kommen würden. Aber sie beherrschte nicht nur ihren Beruf ausgezeichnet, sondern hatte auch einen guten Draht zu den anspruchsvollen Kunden. Sie verstand, was Frau Arnfels vorschwebte, und hatte die Kundin schon in den ersten Gesprächen und beim Besichtigen der Wohnung ganz von sich eingenommen.

»Frau Winkler ... Darf ich Rita sagen? Ich bin jetzt schon froh, dass ich bei Ihnen angefragt habe«, hatte Frau Arnfels gesagt und sich dabei geziert die platinblonden Locken hinters Ohr gestrichen. »Das wird ganz wunderbar aussehen.«

Ein Klopfen an der Tür ließ Rita aus ihrer Arbeit hochschrecken. Sie hob den Kopf und sah zuerst nur einen riesengroßen Blumenstrauß, der sich durch die Tür schob, gefolgt von Ritas Kollegin Martha.

»Der wurde unten am Empfang für dich abgegeben. Schon wieder! Sogar noch schöner als der letzte. Sag mal, dein Dennis hat sich nicht zufällig etwas zuschulden kommen lassen? Laut Klischee schenken Männer doch vor allem dann Blumen, wenn sie etwas ausgefressen haben.« Martha versuchte, es wie einen Witz klingen zu lassen, aber ihr Lächeln fiel dünn aus, und ihre Stimme hatte einen spitzen Unterton.

Rita überging die Bemerkung, die völlig unsinnig war. Dennis liebte sie einfach! Er war verrückt nach ihr, deswegen bereitete er ihr gerne eine Freude, beglückte sie mit Blumen, kleinen Geschenken und anderen Aufmerksamkeiten. Sie wusste, woher der Wind wehte: Martha war eifersüchtig.

Es versetzte Rita einen kleinen, mitleidigen Stich: Es tat ihr leid, Martha so zu sehen. Für ihre rothaarige, hübsche Kollegin musste es schwer sein, das Beziehungsglück anderer Paare hautnah mitzuerleben.

Vor ein paar Monaten hatte Marthas Freund sie für eine andere Frau verlassen. Martha war aus allen Wolken gefallen; in der ersten Zeit nach der Trennung hatte Rita sie immer wieder durch die Bürotür hindurch weinen gehört.

Martha hatte sich bemüht, sich nichts anmerken zu lassen, denn Trost wollte Rita nicht annehmen. Doch ihren geröteten Augen hatte man angesehen, dass es ihr nicht gut ging.

Mittlerweile hatte sie sich gefangen, doch sie hatte neulich in der Mittagspause darüber geklagt, dass sie seither nur schreckliche Dates hatte. Sie tummelte sich auf Tinder und anderen Dating-Plattformen, doch alle Treffen waren die reinsten Reinfälle gewesen. Es sei unmöglich, einen wirklich netten Mann kennenzulernen, hatte sie gejammert.

Und nun musste sie tagtäglich mit ansehen, wie glücklich Rita mit Dennis war. Ob er ihr Blumen ins Büro schickte oder sie nach der Arbeit abholte, um sie in ein tolles Restaurant auszuführen: Rita und Dennis schwebten im siebten Himmel.

»Danke, Martha«, sagte Rita nur und nahm den großen Strauß entgegen. Dabei glitzerte der Verlobungsring an ihrer linken Hand im Licht atemberaubend schön. Ritas Herz machte einen Satz. Nicht mehr lange bis zur Hochzeit!

»Gern geschehen«, erwiderte Martha knapp, und schon war sie wieder verschwunden und hatte die Tür hinter sich geschlossen.

Rita seufzte. Dass sie so glücklich verlobt war, während Martha in der Liebe gerade nur Pech hatte, war nicht der einzige Grund für die Eifersucht der Kollegin. Sie hatten gemeinsam studiert und dann zeitgleich im Architekturbüro Friedmann angefangen. Doch während Martha nach wie vor eher für die einfachen Aufträge eingesetzt wurde, legte Rita eine steile Karriere hin.

Und dabei wusste Martha noch gar nicht, dass Rita demnächst Teilhaberin wurde! Vor Aufregung begann es in Ritas Bauch wild zu kribbeln, als sie daran dachte. Mit ihrem Chef Werner war bereits alles besprochen und in die Wege geleitet. Die harte Arbeit lohnte sich!

Rita stand auf, stellte den Strauß in eine Vase, drapierte ihn auf dem Fensterbrett und schnupperte genussvoll an den duftenden Blumen. Dabei fiel ihr die kleine Karte auf, die zwischen den cremefarbenen Blüten beinahe ganz verschwand.

Für meine Traumfrau, hatte Dennis mit seiner geschwungenen Handschrift geschrieben.

Noch mal kam ein Seufzen über Ritas Lippen, doch diesmal war es ein seliges.

»Und du bist mein Traummann«, flüsterte sie, obwohl er sie nicht hören konnte.

Prickelndes Glück erfüllte sie bis in die Fingerspitzen. Manchmal konnte sie kaum glauben, wie gut es ihr ging. Sie hatte alles, wovon sie träumen konnte! Sie blickte über den Rhein, auf den man aus dem luxuriösen Bürogebäude einen hervorragenden Blick hatte, betrachtete die dahinfließenden Wassermassen, ließ den Blick dann durch ihr hochmodernes Büro im zehnten Stock schweifen und erfreute sich an dem, was sie in ihren jungen Jahren schon erreicht hatte.

Dann setzte sie sich wieder an den Schreibtisch und vertiefte sich in ihre Arbeit. Sie ergänzte die Mappe mit den Entwürfen um Stoffproben und Farbkarten, die verdeutlichen sollten, wie sie sich das Einrichtungskonzept vorstellte. Zufrieden schloss sie die Mappe und verließ das Büro. Es war Zeit für ihren Feierabend, und sie konnte es kaum erwarten, Dennis gleich zu treffen.

Auf dem Gang gab ihr Werner einen Wink und beorderte sie in sein Büro. »Wie läuft es mit dem Arnfels-Auftrag?«, erkundigte er sich.

»Ausgezeichnet«, erwiderte sie selbstbewusst. »Das wird wirklich schön. Die Räumlichkeiten haben viel Potenzial, und ich werde das Beste herausholen.«

Der weißhaarige Mann mit den eisblauen Augen nickte zufrieden.

»Daran zweifle ich gar nicht. Super, weiter so. Die Arnfels hat den Ruf, schwierig zu sein. Aber bei dir ist sie ja ganz zahm. Du hast ein Händchen für die Kunden und ein Auge für Architektur. Übrigens«, er zwinkerte, »der Teilhabervertrag wird gerade vom Notar geprüft.«

Rita schwebte förmlich aus dem Bürogebäude. Das Leben meinte es gut mit ihr.

Ich bin ein echtes Glückskind, dachte sie selig und lief dann freudig ihrem Verlobten entgegen, der auf dem Parkplatz gerade aus seinem Cabrio stieg und ihr entgegenlächelte.

***

Tief schaute Rita in Dennis' graue Augen, in denen sich die tanzenden Kerzenflammen spiegelten. Wie gut er heute wieder aussah! Der hochwertige Anzug saß wie angegossen. Die blonden Haare hatte er mit Gel perfekt in Form gebracht; die Frisur betonte sein attraktives Gesicht mit den hohen Wangenknochen und den weichen, vollen Lippen.

Sanft legte er die Hand auf ihre. Seine Finger wanderten sachte über ihren Handrücken und ließen ihr Herz höherschlagen. Der Kellner brachte die bestellten Speisen, Safran-Risotto mit Garnelen und Steinbutt mit Lavendelkruste, doch Rita und Dennis nahmen das alles kaum wahr. Sie waren ganz aufeinander fokussiert.

»Die Floristin hat sich wegen der Hochzeit gemeldet«, fiel ihr ein. Die Vorstellung, dass sie bald seine Frau sein würde, machte sie vor Vorfreude ganz kribbelig. »Sie hat ein Angebot gemacht. Rosen und Schleierkraut, Eukalyptus und Calla auf den Tischen, an den Bankreihen und für den Brautstrauß, und zwar für ...«

»Was es auch kostet, es ist egal«, fiel er ihr ins Wort, bevor sie den Preis nennen konnte. »Wir heiraten doch nur einmal. Alles soll so sein, wie wir es uns wünschen. Wenn das die Blumen sind, die du gerne hättest, dann ist es selbstverständlich, dass wir sie nehmen.«

Sie lachte leise. »Ach, du wieder. Du weißt, dass ich dich auch liebe, wenn du mich nicht so verwöhnst?«

Er hob die Hand zu ihrem Gesicht und streichelte sanft mit dem Daumen über ihren Mundwinkel und ihr Kinn.

»Das hoffe ich doch. Aber wenn ich dir die ganze Welt zu Füßen legen könnte, würde ich es tun.«

Verträumt sah sie ihn an. Was für ein Glück, dass sie einen tollen Mann wie ihn kennengelernt hatte!

»Übrigens wollte ich dir auch noch etwas sagen. Du hast so viel im Büro zu tun, ich habe auch eine Menge um die Ohren, dazu noch der Hochzeitsplanungsstress ... Lass uns nach Paris fliegen, sobald du den Auftrag für diese reiche Dame abgeschlossen hast und dir ein paar Tage freinehmen kannst«, schlug er vor.

Ein entzückter Laut kam über Ritas Lippen. Was für eine wunderbare Idee! Sie beide in Paris – viel romantischer ging es gar nicht mehr. Sie beugte sich über den Tisch zu ihm und gab ihm einen innigen Kuss.

»Nichts lieber als das«, jauchzte sie.

***

Leise raschelnd glitt die kühle Seide über Ritas Körper. Sie atmete auf. Das Brautkleid passte perfekt, es saß wie eine zweite Haut. Es war die letzte Anprobe, und glücklicherweise waren auch keine weiteren Anpassungen nötig. Sie hatte weder zu- noch abgenommen, und die kleinen Änderungen, die vorgenommen worden waren, waren allesamt makellos geworden.

Mit langsamen, gemessenen Schritten verließ sie die Umkleidekabine. Ihre Freundinnen saßen auf der cremefarbenen Samtcouch, nippten am Sekt und schnatterten durcheinander. Es ging darum, welcher Club gerade angesagt war, welches schicke Fitnessstudio neu eröffnet und wo man neulich einen Prominenten getroffen hatte.

Ein wenig sehen sie aus, als wären sie alle miteinander verwandt, dachte Rita: Alle verdankten sie die blond schimmernden Strähnen demselben Trendfriseur, alle waren sie zart gebräunt und trugen den beerenfarbenen Lippenstift, der gerade modern war, und alle waren sie in Beige und Weiß gekleidet.

Damit fügten sie sich harmonisch in die Umgebung ein: Die gesamte Einrichtung des Brautmodenladens war in Weiß- und Cremetönen gehalten. Unzählige, atemberaubende Roben hingen an den Kleiderstangen – stoffgewordene Mädchenträume aus duftigem Tüll und hochwertiger Spitze, schwerer Naturseide und leichtem Chiffon.

Als Rita aus der Kabine kam, verstummten die Gespräche. Aus großen, runden Augen schauten ihre Freundinnen sie an, klatschten dann begeistert in die Hände, jauchzten vor Begeisterung. Ein paar von ihnen liefen sogar Tränen der Rührung über die Wangen.

»Perfekt! Wunderschön«, lautete die einhellige Meinung. »Dennis wird sein Glück gar nicht fassen können, wenn er am Traualtar auf dich wartet und du so auf ihn zukommst.«

»Sehen Sie? Alles ist wunderbar.« Leicht strich die Brautmodenberaterin mit der Hand über den transparenten Spitzenstoff an Ritas Taille. An dieser Stelle war das Kleid enger genäht worden, um sich perfekt um ihren schlanken Körper zu schmiegen. Nun saß es wie angegossen.

»Oh ja, das stimmt, es ist wunderwunderbar«, flüsterte Rita überglücklich.

Von Kopf bis Fuß betrachtete sie sich im Spiegel. Was für ein hinreißendes Kleid! Durchscheinende Spitze umschloss ihren Oberkörper auf raffinierte Weise. Beinahe sah es so aus, als könnte man ihre Haut durchsehen, doch der Spitzenstoff war mit hautfarbener Seide unterlegt. Der Rock bestand aus weichem, hauchzartem Tüll, der sie wie eine Elfe aussehen ließ.

Das Kleid unterstrich ihren schlanken, durchtrainierten Körper. Der sanfte Weißton bildete einen starken Kontrast zum dunklen, satten Braun ihrer Haare und dem intensiven Grün ihrer Augen, die jetzt sogar noch mehr leuchteten als sonst. So würde sie Dennis bald das Jawort geben. Der Hochzeitstermin rückte näher und näher.

Ihre Freundinnen sprangen auf und scharten sich um sie. Komplimente und liebe Worte prasselten auf Rita ein.

Ihr wurde schwindelig. Konnte man wirklich so viel Glück im Leben haben? Alles, wovon sie je geträumt hatte, war entweder Realität geworden oder lag in greifbarer Nähe. Sie hatte nicht nur einen wunderbaren Verlobten, mit dem eine rauschende Hochzeit bevorstand, sondern auch einen riesigen Freundeskreis und eine tolle Karriere, um die sie manch einer bewunderte.

Es war beinahe zu schön, um wahr zu sein.

***

Unermüdlich kämpften die Scheibenwischer des Rettungswagens gegen den Regen an. Schon den ganzen Tag nieselte es, es wollte überhaupt nicht aufhören.

Andrea Bergen tippte nervös mit den Fingerspitzen über ihre Knie. Sie zwang sich, tief ein- und auszuatmen. Niemandem war geholfen, wenn sie ihren klaren Kopf verlor. Sie musste ruhig und beherrscht agieren, sich konzentrieren, ganz für den Patienten da sein, zu dem sie gerufen würde.

Um ihren Beruf als Notärztin ausüben zu können, musste sie in der Lage sein, eine gewisse Distanz zu jedem der dramatischen Fälle zu bewahren. Das war für sie oftmals das Herausforderndste an diesem Beruf.

Der Rettungssanitäter Jupp Diederichs gab sein Bestes, um den Rettungswagen trotz des durchwachsenen Wetters sicher und dennoch schnell durch das Straßennetz der Stadt zu steuern.

»Wir sind da«, kommentierte er nur knapp, als er vor einem Hochhaus bremste.

Jetzt zählte jede Sekunde. Andrea lief los und hastete zum Aufzug, gefolgt von Jupp und dem Rettungsassistenten Ewald Miehlke. Im Kopf ging sie noch einmal durch, was sie über den Fall wusste: Eine Frau hatte den Notruf gewählt, weil ihr Freund offensichtlich versucht hatte, sich das Leben zu nehmen.

»Kommen Sie, bitte kommen Sie!«, schluchzte eine Frau, die in der offenen Wohnungstür auf sie wartete. Sie war kreidebleich, ihre Augen waren dunkel und weit aufgerissen. Ihre Tränen hatten dunkle, schmutzige Mascara-Streifen auf ihre Wangen gemalt.