Notärztin Andrea Bergen 1437 - Isabelle Winter - E-Book

Notärztin Andrea Bergen 1437 E-Book

Isabelle Winter

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Beschreibung

Immer wieder wird die hübsche Miriam Willenborg nach dramatischen Erstickungsanfällen ins Elisabeth-Krankenhaus eingeliefert - und jedes Mal ohne Diagnose wieder entlassen! Nur der junge Assistenzarzt Raphael Bernard will die Sache nicht auf sich beruhen lassen und beginnt, akribisch zu forschen - denn er liebt Miriam seit der gemeinsamen Internatszeit heimlich.
Schließlich stößt er auf eine schlüssige Diagnose - Asbestose! Er weiß, dass Miriam in höchster Lebensgefahr schwebt! Noch heute muss sie aus dem alten Haus ausziehen, das sie seit Jahren renoviert! Doch niemand nimmt Raphael ernst - seine Arztkollegen nicht und am allerwenigsten Miriam! Denn von jeher steht Raphael in dem Ruf, schön, aber inkompetent zu sein und sich alles nur mit dem Reichtum seiner Eltern zu erkaufen ...


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Seitenzahl: 124

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Inhalt

Cover

Der Unterschätzte

Vorschau

Impressum

Der Unterschätzte

Ja, ja, unser schöner Dr. Raphael Bernard! Seit der junge Assistenzarzt bei uns arbeitet, geht es im Krankenhaus zu wie in einem Mädchenpensionat. Wo er auch auftaucht, folgen ihm heiße Blicke und aufgeregtes Getuschel. Kein Wunder, Raphael sieht wirklich umwerfend aus!

Leider ist dies wohl der Grund, warum die Kollegen ihn fachlich nicht ernst nehmen und als Schönling und Lebemann abtun. Doch ich halte von Raphael als Arzt eine Menge! Vor allem für die hübsche Miriam Willenborg, die immer wieder mit mysteriöser Atemnot eingeliefert wird, setzt er sich über alle Maßen ein. Er kennt sie von früher und scheint sie, anders als seine unzähligen Flirts, aufrichtig gern zu haben. Nun ist er sicher, den Grund für Miriams Lungenprobleme gefunden zu haben – doch niemand glaubt an seine Diagnose! Raphael ist verzweifelt, denn auch die schwer kranke Miriam will sich nicht von ihm helfen lassen! Dabei läuft ihr die Lebenszeit davon ...

Tief atmete Dr. Andrea Bergen durch, als sie durch die Tür ins Casino trat. Nach dem Einsatz, von dem sie gerade zurückgekehrt war, fühlten sich die Wärme und der angenehme Suppenduft im Personalrestaurant des Elisabeth-Krankenhauses beinahe surreal an.

Im strömenden Regen hatte sie am Rheinufer ausgeharrt, während Rettungskräfte ihr Bestes gegeben hatten, um einen Mann, der betrunken von der Brücke gefallen war, aus dem Wasser zu ziehen. Die Notärztin hatte sich bereitgehalten, um den Patienten zu versorgen, der schließlich unterkühlt und mit Wasser in der Lunge aus dem Fluss gerettet worden war. Die Kälte war ihr in die Knochen gekrochen.

»Ein Teller Eintopf, bitte«, bestellte sie bei Mariechen Brückmann, der Casino-Wirtin. »Und einen Espresso – nein, einen doppelten Espresso.«

Mit einem mitleidigen Blick nickte Mariechen ihr zu. Sie konnte sich offenbar schon vorstellen, dass die Notärztin einen harten Tag hinter sich hatte.

Dr. Dietmar Krug winkte Andrea fröhlich zu, als er sie erblickte. Sie brachte ein Lächeln zustande und steuerte bereitwillig auf ihn zu. Seufzend ließ sie sich auf den Stuhl ihm gegenüber fallen. Der sympathische Arzt war dank seiner lockeren Art genau die richtige Gesellschaft, um sie jetzt aufzumuntern.

»So ein Sauwetter«, kommentierte er schmunzelnd und deutete auf ihre Haare, die sich in der Stirn noch feucht ringelten. »Und wie es aussieht, bist du mitten hineingeraten.«

»Ja, das kann man wohl sagen. Erinnere mich bloß nicht daran.«

»Na schön, dann versorge ich dich stattdessen mit den allerwichtigsten Neuigkeiten. Wie ich dich kenne, bist du da mal wieder nicht auf dem neuesten Stand.«

Während er ihr gut gelaunt den neuesten Krankenhaus-Tratsch erzählte, schob er sich unglaubliche Mengen an Kuchen und Sahne in den Mund.

Wie so oft wunderte sich Andrea Bergen insgeheim, wie der schlaksige, junge Arzt es schaffte, trotz seines gesegneten Appetits so dünn zu bleiben.

Allmählich merkte sie, dass die Anspannung des Einsatzes von ihr abfiel. Die Kälte verschwand aus ihren Knochen, sie hörte auf zu frösteln. Sie wusste nicht, welche Einsätze nach der wohlverdienten Pause noch auf sie warten würden, doch fürs Erste genoss sie die Auszeit, die Wärme des Personalrestaurants und Dietmars freundliche Worte.

Sehnsüchtig seufzte er, als Grit Mindermann an ihnen vorbeikam. Es war kein Geheimnis, dass er für die hübsche Schwester schwärmte, die aber leider einfach kein Interesse an ihm hatte.

Stattdessen warf Grit jetzt kokett ihre Haare zurück und setzte sich zu Raphael Bernard, dem neuen Assistenzarzt. Damit war sie nicht die Erste: Eine Assistenzärztin saß bereits neben Raphael und versuchte, ihn in ein Gespräch zu verwickeln, während eine Krankenschwester am Nebentisch ihm tiefe Blicke zuwarf.

»Na toll«, schmollte Dietmar. »Was hat der Kerl nur an sich, was ich nicht habe? Sämtliche Frauen im Krankenhaus sind ganz verrückt nach ihm. Ich meine – benutzt der irgendein Parfum mit Lockstoffen? Irgendeinen Grund muss es doch geben, warum ihm die Damenwelt zu Füßen liegt.«

Unauffällig musterte Andrea den Assistenzarzt von Kopf bis Fuß, bevor sie grinsend aufzählte: »Tja, wo soll ich anfangen? Er hat diese tollen braunen Locken. Schokoladenbraune Augen, die so herrlich verträumt dreinblicken. Und siehst du seine dichten Wimpern? In seinem Blick kann man versinken. Oh, und habe ich seine Hände erwähnt? Viele Frauen finden gepflegte Hände an Männern toll. Soll er nicht auch ziemlich wohlhabend sein? Ich sage es nur ungern, aber es gibt durchaus ein paar Frauen, für die das auch als Argument zählt.«

Dietmar schnaubte. »Nun hör schon auf, in der Wunde zu bohren. Ob meine Grit wirklich so oberflächlich ist? Ich wette, abgesehen von seinem großartigen Aussehen hat er nicht viel auf dem Kasten.«

Andrea lachte. »Aus dir spricht die Eifersucht, mein Lieber. Ich glaube, er ist ziemlich talentiert. Hat sein Medizinstudium mit sehr guten Noten abgeschlossen und macht auf mich einen fachkundigen Eindruck.«

Dietmar riss die Augen auf. »Als Nächstes erzählst du mir noch, du hättest dich auch in ihn verliebt, so wie die restliche weibliche Belegschaft des Krankenhauses!«

Vergnügt kicherte Andrea. »Nein, danke. Ich bin mit Werner mehr als glücklich.«

Sein Seufzen kam aus tiefster Kehle. »Wenn Grit das doch nur über mich sagen würde!«

***

»Schönen Feierabend!«, rief Andrea Bergen Raphael über den Parkplatz hinweg zu.

Er hatte gerade in seinen schwarzen Sportwagen steigen wollen, jetzt schaute er hoch und nickte ihr lächelnd zu. »Dir auch! Bis morgen.«

Von Anfang an hatten sie sich gut verstanden. Die dunkelblonde Notärztin mit den klugen, graugrünen Augen war ihm sympathisch, ebenso wie viele andere Kollegen. Überhaupt fühlte er sich im Elisabeth-Krankenhaus wohl.

Sein Lächeln wurde breiter, als der Motor sein unverkennbares, tiefes Brummen ertönen ließ. Eigentlich mochte er keinen Protz – er stammte aus einer wohlhabenden Familie, doch es lag ihm fern, damit anzugeben. Auf Statussymbole wie beispielsweise teure Uhren hatte er nie großen Wert gelegt. Aber das Auto war eine Spielerei, die er sich gerne gönnte. Wie ein kleiner Junge freute er sich über das schnittige Aussehen und das Wissen, wie viele PS unter der Motorhaube schlummerten.

Auf dem Weg in die Innenstadt stellte er das Radio lauter und trommelte mit den Fingern im Takt über das Lenkrad. Dass er an mehreren roten Ampeln warten musste und dass der Verkehr zu dieser Uhrzeit nur schleppend vorankam, störte ihn überhaupt nicht. Gut gelaunt und voller Vorfreude dachte er daran, was er gleich noch vorhatte: Er war mit einer Frau verabredet.

Er hatte Daria letztes Wochenende in einer verrauchten Bar mit viel zu lauter Musik kennengelernt. Es war ein herrlich ausgelassener Abend gewesen. Selbstbewusst war sie auf ihn zugekommen, hatte sich zu ihm an die Theke gesetzt und ihn aufgefordert, sie auf einen Drink einzuladen. Sie hatten getanzt, geflirtet, und am Ende des Abends hatte Daria ihm bereitwillig ihre Handynummer gegeben.

Im Radio wurde ein Liebeslied gespielt, danach philosophierte das Moderatoren-Duo darüber, ob man die wahre Liebe nur einmal im Leben fand oder mehrere große Lieben haben konnte.

Ob Daria die Frau fürs Leben war? Als er jetzt über sie nachdachte, stellte er fest, dass er sich gar nicht mehr genau an sie erinnern konnte. Er sah leuchtend rote Haare vor sich, die über ihren Rücken schwangen, als Daria tanzte. Er sah einen breiten, lachenden, rot geschminkten Mund. Er erinnerte sich an lebhaft blitzende Augen – und an einen Kuss.

Raphael grinste. Nein, die Frau fürs Leben war Daria bestimmt nicht. Aber sie hatten einen tollen Abend miteinander verbracht, und er freute sich schon auf das Date heute Abend.

Als er an einer Blumenhandlung vorbeikam, hielt er spontan an und fuhr gekonnt in eine Parklücke. Daria würde sich bestimmt freuen, wenn er ihr einen Strauß mitbrachte.

Mit großen Schritten lief er über die Straße und auf die kleine Blumenhandlung zu. Ein betörend süßer Duft empfing ihn, als er durch die Tür hineintrat. Unzählige, farbenfrohe Blumen leuchteten um die Wette. Ratlos strich er sich mit der Hand über die Locken. Welche davon sollte er nur auswählen? Welche würden Daria gefallen? Im Grunde genommen wusste er ja kaum etwas über seine neue Bekanntschaft.

Nachdenklich betrachtete er all die Blumen, von denen eine schöner war als die andere.

Ein wenig ist es wie mit den Frauen, schoss es ihm plötzlich durch den Kopf. Es gab so viele wunderschöne, kluge, witzige Frauen – wie sollte man sich da jemals auf eine festlegen, mit der man sein gesamtes restliches Leben verbringen wollte?

Nein, dieses Konzept war nichts für ihn. Mit Heirat und Familiengründung sollten andere Männer glücklich werden, doch er sah diesen Weg nicht vor sich.

***

Miriam Willenborg summte leise vor sich hin, während sie die Blumen liebevoll arrangierte. Wie üblich erfüllte ein traumhafter Duft ihren Laden. Wenn man von so vielen zarten, bunten Blüten umgeben war, konnte man ja nur glücklich sein.

Die Blumenhandlung war ihr Traum, für den sie hart gearbeitet hatte. Sie war unendlich stolz auf alles, was sie sich hier aufgebaut hatte. Schwere Zeiten lagen hinter ihr, so schwer, dass sie gar nicht daran denken wollte. Doch nun ging es endlich bergauf, einen Schritt nach dem anderen. Noch lag viel Arbeit vor ihr, sie musste sich ganz reinhängen, doch die Anstrengung würde sich lohnen, daran glaubte sie fest.

Sie musste schmunzeln, als sie einen Kunden sah, der den Laden gerade betreten hatte und jetzt bei den Schnittblumen stand. Obwohl er ihr den Rücken zuwandte, bemerkte sie, dass er einen ratlosen Eindruck machte. Bestimmt wollte er seiner Liebsten eine Freude machen und war jetzt von der Auswahl überfordert. Er war nicht der erste Mann, der sich hierher verirrte und dann hilflos zwischen den Blumen stand. Aber sie würde ihn natürlich gerne retten und ihn beraten.

Schlank und hochgewachsen war er, das fiel ihr auf, als sie auf ihn zuging. Seine langen Beine steckten in Jeans, und er trug ein Hemd, dessen Ärmel er locker hochgekrempelt hatte, sodass man seine Unterarme sah. Seine verwuschelten, braunen Locken riefen etwas in ihr wach – eine zarte, verschüttete Erinnerung, die sich jetzt den Weg in ihr Bewusstsein bahnte.

Er drehte sich zu ihr um – und sein Anblick traf sie wie ein Blitzschlag. Gerade hatte sie noch den Mund geöffnet, um ihn anzusprechen und zu fragen, wie sie ihm helfen konnte, doch jetzt kam kein einziges Wort heraus.

Aus weit aufgerissenen Augen starrte sie ihn an. War das ein Traum? Die schwache, verblichene Erinnerung, die gerade noch sachte am Rand ihres Bewusstseins gekratzt hatte, schien schlagartig in der Realität gelandet zu sein. Seine atemberaubenden dunklen Augen fixierten sie; dann weiteten sie sich, als er sie erkannte.

»Miriam!«, stieß er hervor.

»Raphael«, sagte sie schwach.

Sie erkannte ihn auf Anhieb, obwohl sie ihn so viele Jahre nicht gesehen hatte. Siebzehn Jahre alt war sie damals gewesen – und die sieben Jahre, die seither vergangen waren, fühlten sich an wie eine Ewigkeit. Es war, als hätte sie ihn in einem anderen Leben gekannt, so fern wie ein Traum, der nichts mit der Realität zu tun hatte. In einem Leben, in dem sie ein anderer Mensch gewesen war.

Immer noch trug er die Locken halblang, als wüsste er, wie unwiderstehlich er damit auf die Damenwelt wirkte – seine Haare weckten den Wunsch, die Finger hineinzuwühlen, um festzustellen, ob sie so weich waren, wie sie aussahen.

Immer noch hatten seine Augen die satte, warme Farbe von geschmolzener Schokolade. Sein Blick war so weich, als hinge er ständig irgendwelchen Träumen nach und hätte den Kopf in den Wolken. Und immer noch bewirkte sein Lächeln, das er ihr jetzt schenkte, dass ihre Knie plötzlich weich wurden.

Unwillkürlich tastete sie mit der Hand nach einer Kante des Verkaufstisches, um sich daran festzuhalten. Hoffentlich bemerkte er das nicht.

»Meine Güte, wie lange ist das her?«, fragte er staunend und schüttelte den Kopf, als könnte auch er kaum glauben, dass sie so plötzlich vor ihm stand.

»Hundert Jahre«, antwortete sie wie aus der Pistole geschossen, »zumindest fühlt es sich so an.«

»Für eine hundertsiebzehnjährige Frau hast du dich aber wirklich gut gehalten. Meine Güte, Miriam, kann es sein, dass du noch hübscher bist als damals?« Sein tiefer Blick schweifte mit unverhohlener Neugier über ihr Gesicht.

Ihre Wangen fühlten sich warm an. Flirtete er etwa mit ihr? Ja, ganz bestimmt! Das bildete sie sich nicht nur ein.

»Ja? Ich wünschte, ich könnte das Gleiche sagen, aber ein wenig sieht man dir das Jahrhundert schon an«, versetzte sie. Zum Glück hörte man ihr nicht an, wie sehr Raphaels plötzlicher Anblick sie aus dem Konzept brachte.

Er lachte. »Warst du immer schon so frech? Ich habe dich als brave Musterschülerin in Erinnerung.«

Das Funkeln in seinen Augen, der intensive Blick, das charmante Lächeln – all das berührte sie. Nur zu gern hätte sie sich eingeredet, sie hätte mittlerweile keine Gefühle mehr für ihn. Doch die Wahrheit war, dass es in ihrem Bauch genauso verrückt kribbelte wie damals. Die Jugendschwärmerei flammte mit einer Heftigkeit auf, die Miriam überrumpelte.

Sie zuckte mit den Schultern. »Menschen ändern sich«, erwiderte sie amüsiert. »Aber du, Raphael? Ich wette, du kaufst hier gerade Blumen für eine Frau, während du mit einer anderen flirtest. Das ist immer noch der alte Raphael.«

Er schaute überrascht, dann lachte er erneut und hob beide Hände in einer entwaffnenden Geste. »Schuldig im Sinne der Anklage. Aber was soll ich denn tun? Ich konnte ja nicht damit rechnen, dass die Eisprinzessin von damals sich in eine Blumenfee verwandelt hat. Das kann einen schon mal durcheinanderbringen.«

Eisprinzessin. Die Bezeichnung versetzte ihr einen Stich. Hatte sie nach außen hin wirklich so gewirkt? Sie war schüchtern gewesen, zurückhaltend, aber doch nicht kühl!

Doch sie ließ sich nichts anmerken, griff nach den Blumen und wählte ein paar tiefrote Rosen für Raphael aus, deren Blüten geradezu samtig glänzten und einen intensiven Duft verströmten.

»Hier, die werden ihr gefallen, deiner Herzdame«, sagte sie, band die Rosen geschickt zu einem Strauß und wickelte sie in knisterndes Seidenpapier.

Als er die Blumen entgegennahm, berührten sich ihre Finger für einen Moment. Unwillkürlich hielt sie den Atem an. Bildete sie es sich nur ein, oder berührte er ihre Hand länger, als es nötig gewesen wäre?

Tief sah er ihr in die Augen. »Danke, Miriam. Versprich, dass wir uns wiedersehen, ja? Wir haben uns so lange aus den Augen verloren – das soll nun nicht die nächsten sieben Jahre so weitergehen.«

Er schenkte ihr noch ein strahlendes Lächeln, dann war er durch die Tür verschwunden und ließ sie mit pochendem Herzen zurück.

***

Sobald sich die Tür hinter Raphael geschlossen hatte, sank Miriam auf den Stuhl hinter der Kasse. Als sie die flache Hand auf ihr Herz legte, spürte sie, wie heftig es hämmerte: so wild, als wollte es ihr aus der Brust springen.

Zum Glück kam gerade kein neuer Kunde herein, denn sie fühlte sich nicht bereit für ein Beratungsgespräch. Sie war nicht einmal sicher, ob sie einen geraden Satz hervorgebracht hätte.

Erinnerungen überrollten sie wie eine gewaltige Woge. Bilder aus der Vergangenheit schwappten über sie hinweg und rissen sie mit. Sie dachte an die Zeit damals im Internat. Es war eine gute Schule gewesen, auf die ihre Eltern sie geschickt hatten: die besten Lehrer, ein altehrwürdiges Gemäuer, umgeben von einem Park mit endlosen Rasenflächen und dunklen, hohen Bäumen.