Notärztin Andrea Bergen 1368 - Isabelle Winter - E-Book

Notärztin Andrea Bergen 1368 E-Book

Isabelle Winter

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Beschreibung

Streit um Matilda

Als der erfolgreiche Unternehmer Nicolas an diesem Morgen die Tür zum Kinderzimmer öffnet, um seiner kleinen Tochter Matilda einen zärtlichen Kuss auf die Wange zu hauchen, wird sein schlimmster Albtraum wahr: Matildas Bett ist leer - der Großteil ihrer Sachen und ihr bunter Kinderkoffer sind verschwunden! Nach einem hektischen Lauf durch die Villa steht fest: Matilda ist von ihrer eigenen Mutter, der egozentrischen Lianna, entführt worden - der Frau, die Matilda als Baby im Stich ließ und sie nun plötzlich wiederhaben will!
Während Nicolas hektisch nach seinem Handy tastet, um die Polizei zu verständigen, geht ein Anruf von Dr. Werner Bergen ein. Und was Matildas Kinderarzt dem jungen Vater zu sagen hat, bringt Nicolas’ ganze Welt ins Wanken: Matilda, die in den letzten Wochen unter dem ständigen Streit ihrer Eltern immer stiller, blasser und trauriger wurde, leidet an Leukämie! Und unbehandelt wird sie sterben ...

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Seitenzahl: 124

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Inhalt

Cover

Impressum

Streit um Matilda

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Pixel 4 Images / shutterstock

Datenkonvertierung eBook: Blickpunkt Werbe- und Verlagsgesellschaft mbH, Satzstudio Potsdam

ISBN 978-3-7325-7487-2

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Seitdem meine Freundin Sandra als Kindermädchen in der Villa Gutenberg arbeitet, ist endlich ein wenig Glück in das Leben der kleinen Matilda eingezogen, und es ist herzerwärmend mitanzusehen, wie das Mädchen aufblüht und sich Sandra immer mehr anschließt. Für Matildas Vater, den vielbeschäftigten Unternehmer Nicolas, scheint sich ebenfalls alles zum Guten zu wenden – denn die hübsche Sandra lässt auch sein Herz nicht unberührt …

Aber kürzlich ist nach fünf langen Jahren Matildas Mutter Lianna unerwartet aus dem Ausland zurückgekehrt und wieder in die Villa gezogen – die Frau, die Kind und Mann einst im Stich ließ, um ihr eigenes Glück zu suchen! Seither ist zwischen den Eltern ein erbitterter Wettstreit um Matildas Liebe entbrannt, der das Mädchen verwirrt und traurig macht. Im Hause Gutenberg sollen sich, sagt Sandra, die schlimmsten Szenen abspielen …

Nun hat sich die Lage noch einmal dramatisch zugespitzt, wie ich gerade höre! Bei Nacht und Nebel soll Lianna ihre Tochter entführt haben – und so, wie es aussieht, ist Matildas Leben in großer Gefahr …

Dr. Werner Bergen schaute hoch, als die nächste kleine Patientin in seine Kinderarztpraxis kam. Erstaunt weiteten sich seine Augen, als er sah, dass Matilda Gutenberg diesmal nicht von einem Kindermädchen hierher begleitet wurde, sondern von ihrem Vater höchstpersönlich.

»Herr Gutenberg! Guten Tag. Und hallo, Matilda«, begrüßte der Kinderarzt erst den Vater, dann die Tochter. »Na, was fehlt der kleinen Patientin?«

Nicolas Gutenberg machte einen abgehetzten Eindruck. Er trug einen perfekt geschnittenen, sehr hochwertigen Business-Anzug, der seine schlanke Statur vorteilhaft unterstrich. Der schwarze Stoff ließ seine hellgrünen Augen noch intensiver strahlen. An einer Hand hielt er seine Tochter; in der anderen trug er einen Aktenkoffer, über dessen Griff seine Finger nun hektisch trommelten.

Werner konnte sich gut vorstellen, dass Nicolas eigentlich gerade dringend bei der Arbeit sein sollte. Der erfolgreiche Konzernchef hatte aus dem Nichts sein Firmenimperium erschaffen und es zum Selfmade-Millionär gebracht. Dass man in so einer Position allerdings eine Menge Stress hatte, war Werner klar.

Darum erstaunte es ihn auch so, dass der alleinerziehende Vater seine Tochter heute selbst hierherbrachte. Normalerweise übernahmen das Kindermädchen – was ziemlich häufig vorkam, da Matilda leider seit jeher kränklich war und häufig unter Infekten litt.

»Meine Tochter fühlt sich nicht gut«, sagte Nicolas und strich mit der Hand sanft über Matildas kurze hellblonde Haare. »Ich bin unsicher, ob sie in den Kindergarten gehen kann oder ob sie vielleicht wirklich krank ist.«

Tatsächlich machte das Kind einen blassen und etwas müden Eindruck. Immer wieder schniefte sie. Ansonsten schien es ihr aber gut zu gehen. Während Werner ihre Temperatur maß, ihre Lunge abhorchte und in ihren Rachen leuchtete, unterhielt er sich mit ihr, damit sie sich wohlfühlte und nicht nervös wurde. Aber da schien gar keine Gefahr zu bestehen: Munter sah sich Matilda um, ließ die Füße baumeln und begutachtete das Stethoskop neugierig.

»Du bist heute ja mit deinem Papa hier und gar nicht mit deinem Kindermädchen«, stellte Werner freundlich fest. »Lena … oder Mia?«

Beiläufig überlegte der Kinderarzt, wie das Kindermädchen eigentlich geheißen hatte, mit dem er Matilda zuletzt gesehen hatte, aber es fiel ihm beim besten Willen nicht mehr ein. Die Kindermädchen der Gutenbergs wechselten so oft, dass man dabei schon mal den Überblick verlieren konnte.

Nicolas schnaufte. »Lea hieß sie, doch sie arbeitet nicht mehr für uns. Gestern hat sie spontan gekündigt.« Seufzend schüttelte er den Kopf und blickte durch das Fenster hinaus in den Nieselregen. Seine Stimme war leiser, als er fortfuhr: »Schon wieder eine, die es nicht lange bei uns ausgehalten hat. Wir wechseln die Kindermädchen wie andere Leute ihre Unterhemden.«

Matilda meldete sich mit ihrem glockenhellen Stimmchen zu Wort. Lea sagt, ich bin ein kleiner Teufel«, piepste sie, klang dabei jedoch eher wie ein kleiner Engel, ganz gewiss nicht teuflisch.

Erstaunt hob Werner die Augenbrauen. »So? Warum sollte sie das denn sagen? Also, ich kenne dich nur als sehr liebes Kind.«

Matilda strahlte übers ganze Gesicht. »Ja, dich hab ich ja auch gern! Aber die Lea, die ist nicht so nett. Also hab ich ihre Handtasche angezündet.« Ein verschmitztes Lächeln umspielte ihre Mundwinkel.

»Du hast … was?« Werner verschluckte sich fast.

Nicolas rieb sich mit der Hand über die Augen, ihm war die Sache sichtlich peinlich.

»Nicht wirklich angezündet, sie hat nur den Henkel ein kleines bisschen mit der Kerzenflamme angesengt. Und ich habe die Tasche natürlich ersetzt.« Er seufzte. »Aber Matilda, das geht einfach nicht! Ich habe es dir doch erklärt. Du musst aufhören, alle Kindermädchen zu vergraulen. Lea war doch wirklich nett, ich hatte ein gutes Gefühl bei ihr.«

Entschlossen verschränkte das kleine Mädchen die Arme vor der Brust, presste die Lippen zusammen und schüttelte heftig den Kopf.

»Ich mag sie aber nicht. Papa, weißt du, ich mag gar keine Kindermädchen! Du sollst bei mir zu Hause bleiben. Wenn du bei mir bleibst, brauchen wir gar keine Lea, stimmt’s?«

Bekümmert ließ Nicolas die Schultern sinken. »Das würde ich ja gerne, mein Engel«, sagte er leise. »Nichts lieber als das. Aber ich muss arbeiten und Geld verdienen, verstehst du? Ich mache das, damit es dir an nichts fehlt.«

»Ich weiß«, flüsterte Matilda mutlos.

Mitgefühl ergriff Werner, als er die Untersuchung des Mädchens fortsetzte. Matilda wirkte aufrichtig betrübt. Kein Wunder – so eingespannt, wie Nicolas war, hatte er bestimmt nicht viel Zeit für sein Kind. Die ständig wechselnden Kindermädchen schafften es offenbar nicht, für Matilda zu den Bezugspersonen zu werden, die sie brauchte und sich wünschte.

»Matilda ist nur ein bisschen erkältet«, lautete schließlich die Diagnose. »Nichts Wildes. Ich verschreibe einen Hustensaft, das sollte ausreichen.«

»Gott sei Dank«, atmete Nicolas auf.

Bevor er hinausging, schaute er noch einmal zurück. »Herr Dr. Bergen, Sie können nicht zufällig ein Kindermädchen empfehlen, das bereit wäre, Vollzeit für uns zu arbeiten und mit uns unter einem Dach zu wohnen, sodass sie sich jederzeit um Matilda kümmern kann, wenn ich keine Zeit habe? Zuverlässig müsste sie natürlich sein, lieb …« Und mit einem Seitenblick auf Matilda fügte er hinzu: »Und sie müsste Nerven wie Drahtseile haben.«

Werner verkniff sich ein Schmunzeln. So wie das klang, musste ein Kindermädchen im Hause Gutenberg wirklich hartgesotten sein.

»So spontan fällt mir niemand ein. Aber ich werde mich umhören«, versprach er. »Mit Kindern und den dazugehörigen Eltern habe ich immerhin tagtäglich zu tun. Wenn ich auf jemanden stoße, der einen zuverlässigen Eindruck macht, werde ich mich melden!«

***

Andrea Bergen parkte ihr Auto vor der Jugendstilvilla der Familie. Als sie gerade aussteigen wollte, sah sie einen Mann mit einem kleinen Mädchen an der Hand, der die Praxis ihres Mannes Werner gerade verließ, sich in eine schwarze Luxuslimousine setzte und davonfuhr.

»Das war doch Nicolas Gutenberg mit der kleinen Matilda«, murmelte sie. Den gut aussehenden und überaus wohlhabenden Unternehmer hatte sie schon ein paar Mal getroffen – nicht zuletzt deshalb, weil seine Tochter so häufig krank war. Hoffentlich war jetzt alles mit Matilda in Ordnung und es handelte sich nur um einen Routinetermin!

Mit beschwingten Schritten lief die Notärztin zur Eingangstür der Praxis. In einem Anbau der Villa hatte Werner seine Praxis eingerichtet, das restliche Haus bewohnte das Ärzte-Ehepaar mitsamt Tochter Franzi und Werners Mutter Hilde. Meistens arbeitete Andrea länger als Werner, doch heute hatte sie früh Feierabend gemacht – dafür würde sie morgen den Frühdienst im Krankenhaus übernehmen. Sie wollte jetzt kurz bei Werner vorbeischauen, bevor sie es sich mit einem guten Buch auf dem Sofa bequem machte.

»Hallo, Frau Loth«, grüßte sie Werners Sprechstundenhilfe gut gelaunt. »Sagen Sie mal, hat mein Mann gerade einen Patienten?« Sie wollte Werner auf keinen Fall bei der Arbeit stören.

Ute Loth lächelte. »Kein Problem, heute ist wenig los. Der nächste kleine Patient hat seinen Termin in ungefähr einer Viertelstunde.«

Keine zwei Minuten später fand sich Andrea in den Armen ihres Mannes wieder, der ihr einen zärtlichen Kuss gab. Lächelnd schmiegte sie sich an ihn.

»Andrea, Schatz. Was verschafft mir das Vergnügen?«, fragte er schmunzelnd.

Sie zuckte mit den Schultern. »Ach, wie könnte ich meinen Feierabend denn besser beginnen als mit einem kurzen Besuch bei meinem Lieblingsmann?«

Er lachte und zog leicht an ihren dunkelblonden Haaren, um sie zu necken. »Dann will ich mal dafür sorgen, dass sich dieser Besuch für dich auch lohnt«, sagte er, und schon bekam sie einen weiteren Kuss, der ihr Herz höherschlagen ließ.

»Übrigens, war das nicht Nicolas Gutenberg, der da gerade aus deiner Praxis gekommen ist?«, fragte sie dann. »Ist alles in Ordnung mit der kleinen Matilda?«

Werner nickte. »Ja, es ist halb so wild. Mehr Sorgen bereitet mir, dass Matilda irgendwie einen traurigen Eindruck macht.«

Andrea seufzte. »Ich kann mir vorstellen, dass das für die beiden nicht ganz einfach ist. Es ist bestimmt hart, als alleinerziehender Vater für alles alleine verantwortlich zu sein. Und für Matilda ist es mit Sicherheit auch nicht schön, ohne ihre Mutter aufwachsen zu müssen.«

Werner nickte. »Das Mädchen scheint sehr zu leiden, das Gefühl werde ich nicht los, seit ihre Mutter sich aus dem Staub gemacht hat.«

»Wie kann man das nur machen?«, murmelte Andrea leise vor sich hin. »Nicht nur den Partner, sondern sogar das eigene Kind einfach so zurückzulassen und auf Nimmerwiedersehen zu verschwinden …«

Werner zuckte mit den Schultern. »Sie wird wohl ihre Gründe gehabt haben. Nachvollziehen kann ich es aber auch nicht. Matilda benimmt sich so bockig, doch ich denke, eigentlich sehnt sie sich nur nach Liebe und Aufmerksamkeit. Und Herr Gutenberg scheint auch wenig Zeit für sie zu haben, er ist offensichtlich mit seiner Arbeit verheiratet.«

»Armes reiches Kind«, meinte Andrea nur.

»Da fällt mir ein«, sagte Werner, »kennst du zufällig ein gutes Kindermädchen, das gerade auf der Suche nach einer Anstellung ist? Herr Gutenberg sucht eine Betreuung für Matilda.«

Andrea überlegte kurz, dann nickte sie. »Da kenne ich tatsächlich jemanden.« Nachdenklich zwirbelte sie sich eine Haarsträhne um den Finger. »Eine Freundin von mir ist Kindermädchen und sucht wieder eine Anstellung. Sandra Thiel heißt sie. Ich halte wirklich große Stücke auf sie! Gleich morgen werde ich sie fragen, ob sie Interesse hätte.«

***

Geschickt steuerte der Rettungssanitäter Jupp Diederichs den Notarztwagen durch die Straßen der Innenstadt. Hochkonzentriert starrte er durch die Windschutzscheibe nach vorne. Jetzt kam es auf Geschwindigkeit an, jede Minute konnte bei einem Notfall zählen. Gleichzeitig musste Jupp natürlich dafür sorgen, nicht selbst zu einer Gefahr im Straßenverkehr zu werden.

Ewald Miehlke, der Rettungsassistent, versuchte, die Stimmung mit ein paar Scherzen aufzulockern. Dann schwieg aber auch er.

Andrea ging in Gedanken alle Informationen zu dem Einsatz durch, die sie zur Verfügung hatte, und konzentrierte sich, um gleich volle Leistung erbringen zu können. Das Leben eines Menschen konnte von ihrer Geistesgegenwart abhängen. Viel wusste sie noch nicht: Ein Mann war in einem Restaurant zusammengebrochen. Alles Weitere würde die Notärztin vor Ort erst sehen. Im Moment konnte sie nichts tun, außer zu hoffen, dass die Lage nicht allzu ernst war.

»Hier ist es«, sagte Jupp in dem Moment und riss Andrea damit aus ihren Gedanken.

Er hielt den Notarztwagen vor dem kleinen mexikanischen Restaurant an, zu dem sie gerufen worden waren. Hastig schnappte sich Andrea ihren Notarztkoffer, sprang hinaus ins Freie und sah sich kurz um, um sich zu orientieren.

Vor dem Restaurant waren ein paar Tische, Stühle und Bänke aufgebaut worden. Es war ein kühler, aber sonniger Tag, und so gab es einige Menschen, die, mit Jacken ausgestattet, draußen Platz genommen hatten, um die frische Luft zu genießen. Jetzt jedoch saß keiner an seinem Platz, die Teller und Gläser standen unberührt auf den Tischen. Alle Restaurantbesucher standen ängstlich und angespannt um einen Mann herum, der auf einer Bank lag.

Seine Augen waren geschlossen, das Gesicht aschfahl. Erschrocken stellte Andrea fest, dass er nicht zu atmen schien; sein Brustkorb hob und senkte sich nicht.

Mit wenigen schnellen Schritten war Andrea an seiner Seite. Mit sanfter Gewalt musste sie eine Frau – vermutlich seine Ehefrau – beiseiteschieben, die hilflos seinen Handrücken tätschelte. Ihr Gesicht war tränenüberströmt. Mit einem dankbaren Nicken nahm die Notärztin zur Kenntnis, dass eine Kellnerin den Arm um die Ehefrau legte und sie behutsam ein paar Meter weiter führte. So konnte Andrea den Patienten besser untersuchen.

»Er ist einfach zusammengebrochen«, rief ein anderer Restaurantbesucher atemlos. »Ich saß am Nebentisch. Ich … Ich dachte erst, er lacht nur. Aber dann klang es doch eher wie ein Röcheln, und plötzlich … plötzlich ist er in sich zusammengesunken. Wir haben ihn auf die Bank gelegt. Ich habe überlegt, eine Herzdruckmassage zu machen, aber …« Er brach mitten im Satz ab, wirkte mit der Situation völlig überfordert.

Mit raschen, routinierten Bewegungen kontrollierte Andrea die Vitalfunktionen des Patienten und stellte fest, dass weder Atmung noch Puls vorhanden waren. Sie vermutete eine Luftwegsobstruktion durch Fremdkörper, vielleicht hatte sich der Patient beim Essen verschluckt und ein Fremdkörper war in seine Luftröhre geraten. Doch erschrocken stellte sie fest, dass etwas ganz anderes Probleme bereitete: das Herz. Das EKG zeigte Unregelmäßigkeiten an.

»Kammerflimmern«, presste sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Dieses Wort reichte aus, um ihrem Team klarzumachen, wie ernst die Lage war. Diese gefährliche Herzrhythmusstörung führte unbehandelt innerhalb kürzester Zeit zum Herz-Kreislauf-Stillstand.

Jetzt durfte Andrea keine Zeit verlieren. Ihr schoss kurz der Gedanke durch den Kopf, wie bedauerlich es war, dass nicht mehr Menschen Erste-Hilfe-Kurse besuchten, um auf solche Situationen vorbereitet zu sein. Eine Herzdruckmassage wäre in diesem Fall sinnvoll gewesen, sie hätte zumindest einen minimalen Blutfluss zum Gehirn gewährleisten und damit zum Überleben des Patienten beitragen können.

Aber offensichtlich waren alle hier mit der Situation überfordert gewesen, niemand hatte so recht gewusst, was zu tun war, und dazu war vermutlich die Angst gekommen, durch das Eingreifen alles noch viel schlimmer zu machen. Andrea konnte diese Hemmungen nachvollziehen, wünschte aber, es gäbe mehr Menschen, die ihre medizinischen Kenntnisse in Kursen auffrischten.

Jetzt jedoch verdrängte sie den Gedanken rasch, es gab für sie nun Wichtigeres, worauf sie sich konzentrieren musste. Was zählte, war einzig und allein der Patient, der hilflos vor ihr lag und um sein Leben kämpfte.

Andrea hatte das Schluchzen seiner verzweifelten Frau im Ohr, als sie die Elektroden des Defibrillators, den Ewald ihr schon gereicht hatte, an der Brust des Patienten befestigte. Ein Stromschlag wurde durch den Körper und das Herz des Mannes gejagt, in der Hoffnung, das Flimmern damit zu unterbrechen.

Unermüdlich führte Andrea eine Herzdruckmassage durch, bis das Gerät erneut bereit für den Einsatz war. Ein paar Strähnen ihrer dunkelblonden Haare lösten sich aus dem praktischen Pferdeschwanz und fielen ihr ins Gesicht, doch sie kümmerte sich nicht darum, ebenso wenig wie um die Schweißperlen, die ihr auf die Stirn traten. Das einzig Wichtige war jetzt, dass dieser Mann durchkam.