Notärztin Andrea Bergen 1478 - Isabelle Winter - E-Book

Notärztin Andrea Bergen 1478 E-Book

Isabelle Winter

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Beschreibung

Julia ist fasziniert von Verbrechen. Seitdem ihre Kinder aus dem Haus sind, betreibt die Achtundvierzigjährige erfolgreich einen True-Crime-Podcast und spricht darin über wahre Kriminalfälle. Um spannende und unterhaltsame Insider-Informationen aus der Rechtsmedizin gewinnen zu können, kommt ihr eine Idee: Sie nimmt Kontakt zur Pathologie im Elisabeth-Krankenhaus auf und behauptet, sie würde darüber nachdenken, jetzt in ihrem Alter noch mal neu anzufangen und ein Kriminalistik-Studium aufzunehmen. Es funktioniert! Der Rechtsmediziner Dr. Steffen Kohl nimmt sie unter seine Fittiche, als sie ein mehrwöchiges Praktikum beginnt.
Sie ist aufgeregt, als sie zum ersten Mal eine Leiche sehen soll. Doch plötzlich wird sie auch nervös: War das wirklich eine gute Idee? Es ist etwas anderes, aus dem gemütlichen Wohnzimmer heraus über Verbrechen zu berichten, die gefühlt ganz weit weg sind, oder plötzlich selbst mit dem Anblick einer Leiche konfrontiert zu sein.
Doch der große Schock wartet auf sie, als sie den Verstorbenen sieht: Es ist ihr Expartner Thomas! Erschrocken taumelt sie einen Schritt zurück. Es scheint so, als hätte Thomas Suizid begangen, doch obwohl Julia schon lange keinen Kontakt mehr zu ihm gehabt hat, kann sie sich das beim besten Willen nicht vorstellen ...


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Seitenzahl: 106

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Inhalt

Cover

Dr. Bergen und der Rechtsmediziner

Vorschau

Impressum

Dr. Bergen und der Rechtsmediziner

Unsere schlimmsten Befürchtungen sind wahr geworden: Thomas Höfler hat sich nicht selbst das Leben genommen – er wurde ermordet! Die Laborwerte, die dem Rechtsmediziner Steffen Kohl nun vorliegen, lassen nur diesen Schluss zu! Jetzt erscheint auch Julia Heinkes »Unfall«, den sie nur knapp überlebt hat, in einem völlig neuen Licht: Will die Mörderin auch sie ausschalten, weil sie fürchtet, von Julia überführt zu werden?

Von Anfang an hat Julia nicht an die Selbstmord-Theorie geglaubt, denn sie kannte Thomas und war sich sicher, dass er nie den Freitod gewählt hätte. Stattdessen verdächtigt sie Thomas' Frau Clarissa, ihn umgebracht zu haben! Wenn dem so ist, schwebt Julia noch immer in allergrößter Gefahr – auch hier bei uns auf der Intensivstation, wo sie nach dem Anschlag behandelt wird ...

In langsamen, kleinen Schlucken trank Julia Heinke den Kräutertee und spülte den letzten Schluck kurz im Mund herum. Für die Stimme, dachte sie zufrieden. Dann würde gleich kein Räuspern oder Hüsteln die Qualität der Aufnahme stören.

Während dieses kleinen Rituals lief sie durchs Wohnzimmer von Fenster zu Fenster. Draußen schien die Sommersonne strahlend vom Himmel, es war ein herrlich warmer Tag, doch das konnte Julia gerade gar nicht gebrauchen. Überall zog sie die Jalousien zu, sodass nur schmale Lichtstrahlen zwischen den Lamellen hindurchfielen und das Wohnzimmer in einen schummrigen Schein tauchten. Davon abgesehen war die einzige Lichtquelle der Bildschirm ihres Computers, der bläulich vor sich hin strahlte. Den brauchte sie, um ihre Notizen für die heutige Podcast-Folge lesen zu können.

Die Technik stand schon bereit: das gute Mikrofon, das ihre erwachsenen Kinder ihr zu Weihnachten geschenkt hatten.

»Für dein Hobby, Mama, damit du deinen Hörern und Hörerinnen einen Schauer über den Rücken jagen kannst. Und zwar nicht wegen des schlechten Sounds, sondern wegen deiner kleinen Geschichten«, hatten Mia und Marco unter dem Weihnachtsbaum gesagt.

»Kleine Geschichten«, wiederholte Julia jetzt grinsend und schüttelte den Kopf. Sie war es gewohnt, dass ihre Begeisterung ein wenig belächelt wurde, sogar in der Familie. Aber eigentlich fanden Mia und Marco es doch ganz toll, dass Julia ihre Freizeit nicht mit Stricken oder Töpfern verbrachte, sondern sich so etwas Ungewöhnliches ausgesucht hatte.

Zu schade, dass ich die beiden mittlerweile so selten sehe, dachte Julia jetzt mit einem Anflug von Wehmut. Mia war nach dem Abi nach Berlin gezogen und vertiefte sich ganz in ihr Jura-Studium. Marco, der Ältere, hatte mit seiner Frau und dem einjährigen Sohn alle Hände voll zu tun. »Aber jetzt ist keine Zeit für Melancholie«, beschloss sie energisch, nahm noch einen letzten Schluck vom Tee und startete die Aufnahme.

»Liebe Freunde des gepflegten Grusels!«, begann sie mit ihrer klaren, selbstbewussten Stimme. »Herzlich willkommen zu unserer heutigen Folge von Merkwürdige Verbrechen. Ich entführe euch heute an einen ganz besonderen Schauplatz: das sonnige Kalifornien. Aber was sich dort zugetragen hat, wird euch das Blut in den Adern gefrieren lassen. Zumindest ging es mir so. Also schnappt euch eine Tasse Tee und lehnt euch zurück. Alles begann an einem ganz normalen Tag ...«

Fast eine Stunde dauerte es, bis Julia die Folge ihres Podcasts fertig eingesprochen hatte. Dann beendete sie die Aufnahme und streckte sich zufrieden.

Es machte ihr einen riesigen Spaß, die skurrilsten Verbrechen zu recherchieren und sich ganz in die Details zu vertiefen. Stundenlang konnte sie im Internet oder in alten Zeitungsartikeln nach Informationen stöbern. True Crime nannte man das, hatte sie herausgefunden, als sie vor Jahren auf dieses Thema gestoßen war. Ob in Fernsehsendungen, in Videos online oder eben in Podcasts wie dem, den sie selbst hatte: Reale Kriminalfälle übten auf viele Menschen nun mal eine eigenartige Faszination aus.

Während ihre Sendung hochlud, sodass ihre Follower sie anhören konnten, scrollte sie durch die bisherigen Folgen, die sie in der Vergangenheit aufgenommen hatte. Sie las die lieben und faszinierten Kommentare und freute sich darüber, wie viele Leute sie mit ihrem Podcast mittlerweile erreichte. Die wahren Kriminalgeschichten, die sie erzählte, kamen beim Publikum gut an.

Ich könnte dir ewig zuhören, hatte jemand geschrieben.

Ein anderer Kommentar lautete: Ich bekomme gar nicht genug von diesen irrwitzigen Fällen.

Genau so erging es Julia auch, seit sie dieses Genre für sich entdeckt hatte. Sie wusste selbst nicht genau, warum sie davon so gefesselt war, immerhin fand sie es natürlich alles andere als gut, dass diese schlimmen Verbrechen verübt wurden. Aber trotzdem jagte es ihr einen wohligen Schauer über den Rücken, sich damit zu befassen und die Hintergründe zu erkunden.

»Zumindest wird es mir so nicht langweilig«, sagte sie fröhlich, während sie energisch durchs Wohnzimmer lief und die Jalousien wieder hochzog, um den Sonnenschein und das Vogelgezwitscher herein ins gemütliche Wohnzimmer zu lassen.

Wenn sie ehrlich war, musste sie zugeben, dass es nach der Scheidung von Ralph und dem Auszug der Kinder etwas still geworden war, hier im gemütlichen Häuschen am Stadtrand, in dem früher die ganze Familie gewohnt hatte und in dem immer Trubel geherrscht hatte. Im Berufsleben hatte sie nie gestanden; das Studium hatte sie damals, vor einer gefühlten Ewigkeit, zugunsten der Familie abgebrochen.

Sie war Hausfrau und Mutter gewesen, war ganz für Mia und Marco da gewesen. Von vielen ihrer Freundinnen wusste sie, dass diese in ein tiefes Loch gestürzt waren und nichts mit sich und ihrer Zeit anzufangen gewusst hatten, als die Kinder groß wurden.

Doch Julia hatte nicht vor, sich unterkriegen zu lassen. Mit Feuereifer stürzte sie sich in ihre Hobbys, traf viel und oft Freundinnen und verbrachte nun auch viel Zeit mit ihrem True-Crime-Podcast, der ihr Herzensprojekt geworden war.

***

»Gut so! Perfekt! Weiter so. Du wirst deine Ziele erreichen«, feuerte der junge Fitnesstrainer Julia enthusiastisch an.

Sie schenkte ihm ein verkrampftes Lächeln. Was für Ziele denn bitte schön? Weder wollte sie Hochleistungssportlerin werden noch ihre eigenen Rekorde brechen oder gar so aussehen wie die anderen Leute, die sich hier im Fitnessstudio tummelten! Und wo bekamen die nur immer diese übermotivierten Trainer her, die vor lauter Energie kaum stillstehen konnten?

Zum Glück ging dieser junge Hüpfer jetzt weiter zu den schweren Langhanteln, wo sich ein paar muskulöse Männer so sehr abmühten, dass ihre Gesichter rot waren und die Sehnen an ihren breiten Armen deutlich hervortraten.

Nein, Julia war nicht hier, um mit den anderen Gästen des Studios mitzuhalten. Auf den Laufbändern sah sie junge Frauen, deren flache, straffe Bäuche man sah, weil sie obenrum nur raffiniert geschnittene Sport-BHs in knalligen Farben trugen. Ihre langen Haare waren zu hohen Pferdeschwänzen gebunden, die bei jedem Schritt wippten, oder eng am Kopf entlang zu Zöpfen eingeflochten. Obwohl sie eifrig Sport trieben, waren sie aufwendig geschminkt. Andere machten Kniebeugen, wobei sie schwere Hanteln auf ihren Schultern balancierten.

Die Männer – aus Julias Sicht größtenteils unreife Jungs – die sich hier tummelten, strotzten nur so vor Muskeln, die sie auch stolz zur Schau stellten. Trägershirts, die unter den Achseln tief ausgeschnitten waren, entblößten massive Arme.

Einen von ihnen beobachtete Julia fasziniert: Er posierte vor einem der großen Spiegel, ließ seine Muskeln spielen, zog einen Schmollmund und machte dabei zahlreiche Fotos von sich selbst.

Sie hingegen war eigentlich nur hier, weil ihr Hausarzt neulich angemerkt hatte, in ihrem Alter sei es wichtig, seine Fitness nicht ganz zu vernachlässigen und regelmäßig moderate Bewegung zu machen. Sie war immerhin keine zwanzig mehr, auch wenn sie sich mit ihren nun fast fünfzig Jahren immer noch wie ein junger Hüpfer fühlte. Also schwitzte sie hier auf dem Crosstrainer vor sich hin, um etwas für ihre Gesundheit zu tun.

Während sie so ihre Gedanken schweifen ließ, blieb ihr Blick plötzlich an einem der Fernseher hängen, die über den Laufbändern angebracht waren. Gerade liefen da die Nachrichten, es wurde über irgendein Verbrechen in den USA berichtet. Untertitel wurden am unteren Bildschirmrand eingeblendet. Und ein paar Worte stachen Julia geradezu ins Auge: Der Rechtsmediziner äußert sich ... Weiter konnte sie nicht lesen, dann wurde das Programm gewechselt, und jetzt lief ein Musiksender.

Rechtsmedizin! Das war doch ein spannendes Thema. Wäre das nicht etwas für eine Sonderfolge ihres Podcasts? Schon begannen ihre Gedanken zu rasen.

Beinahe wäre sie vom Crosstrainer gefallen, weil ihre Füße einfach stehen blieben, während sich die Pedalen – vom Schwung getragen – weiterdrehten. Hastig hielt sie sich seitlich fest und stolperte vom Sportgerät.

Ihr Notizblock! Ohne den verließ sie nie das Haus, für den Fall, dass ihr spontane Ideen kamen. Jetzt gerade war er in ihrer Tasche im Schließfach eingesperrt.

»Hey, passen Sie auf«, rief der Spiegel-Poser, gegen den sie in ihrer Eile fast gelaufen wäre.

In der Garderobe hockte sie sich auf eine der unbequemen Holzbänke, die nur dazu gedacht waren, kurz zu sitzen, um sich die Sportschuhe zu schnüren oder die Tasche abzustellen. Auf den Knien balancierte sie den Notizblock und begann eifrig, Ideen zu kritzeln.

Wie spannend wäre es denn, einmal in die Pathologie hineinzuschnuppern und einen Rechtsmediziner bei der Arbeit zu erleben? Ihn über seine Arbeit auszufragen? Sie könnte eine Podcast-Folge mit spannenden und unterhaltsamen Insider-Informationen aus der Rechtsmedizin drehen.

Aber würde so ein Arzt mit ihr ganz locker aus dem Nähkästchen plaudern? Wohl kaum. Sie war ja nun nicht gerade eine seriöse Journalistin, die für ein angesehenes Magazin arbeitete; das hätte ihre Chancen auf ein Interview sicherlich erhöht.

Aber eigentlich wollte sie auch gar kein Interview, in dem der Rechtsmediziner Standardantworten gab. Sie wollte einen Blick hinter die Kulissen werfen und ganz nah dran sein. Das wäre nicht nur für sie, sondern auch für ihre Hörer und Hörerinnen viel interessanter.

Nachdenklich tippte sie sich mit dem Kugelschreiber an die Unterlippe. Neben ihr kamen plaudernde Frauen in den Umkleidebereich, sprangen in die Dusche, zogen sich neben Julia um, doch die kümmerte sich gar nicht darum. Sie hatte sich gedanklich an ihrer Idee festgebissen und grübelte angestrengt darüber nach.

Schließlich stand der Plan: Sie wollte Kontakt zur Pathologie im Elisabeth-Krankenhaus hier in der Stadt aufnehmen. Dazu wollte sie behaupten, sie würde darüber nachdenken, beruflich noch einmal neu anzufangen und ein Kriminalistik-Studium aufzunehmen. Wenn sie Glück hatte, würde sie der Rechtsmedizin so näher kommen, als sie zu träumen gewagt hätte. Aber würde das Krankenhaus überhaupt auf ihre Bewerbung antworten?

»Es gibt nur einen Weg, um das herauszufinden«, sagte sie energisch und lief los – noch in ihre Sportklamotten gekleidet –‍, um ihre Bewerbung zu verfassen und die Idee sofort in die Tat umzusetzen.

***

Neugierig betrachtete Julia den Rechtsmediziner Dr. Steffen Kohl. Sie hatte eigentlich eine ganz gute Menschenkenntnis, fand sie. Doch ihn konnte sie nur schwer einschätzen. Der schlanke, hochgewachsene Mann hatte graue Haare, und im ersten Moment hatte sie geglaubt, er wäre ein gutes Stück älter als sie. Doch im Laufe des Bewerbungsgesprächs hatte sie diese Meinung korrigiert: Er war wohl in Wirklichkeit gar nicht viel älter. Dass er auf den ersten Blick so wirkte, lag vielmehr an seiner etwas steifen Haltung. Er war höflich, zurückhaltend. Kultiviert. Etwas kühl vielleicht, aber nicht unfreundlich.

Seine klugen grauen Augen musterten sie aufmerksam, und sie merkte, dass auch er sie ganz genau taxierte. Plötzlich fühlte sie sich vor ihm wie ein offenes Buch. Durchschaute er sie? Merkte er ihr an, dass das alles nur ein Vorwand war, um sich in die Rechtsmedizin einzuschleichen? Bisher hatte sie im Bewerbungsgespräch ein ganz gutes Gefühl gehabt, sie war selbstbewusst aufgetreten und hatte seine Fragen gut beantwortet, soweit sie das beurteilen konnte. Es hatte sich gelohnt, vorab Literatur zu wälzen und sich ins Thema einzulesen.

Ihr Interesse an der Thematik war jedenfalls nicht vorgespielt, sondern aufrichtig. Eigentlich war sie also zuversichtlich gewesen, doch jetzt begann sie, unter seinem intelligenten Blick zu schwitzen.

»Erlauben Sie mir noch eine Frage, Frau Heinke. Warum dieser Neuanfang, den Sie jetzt im Sinn haben? Nehmen Sie es mir nicht übel, aber Sie unterscheiden sich von den üblichen Studienanfängern, die mir sonst unterkommen und vor denen ich manchmal Vorlesungen halte.«

Sie lachte. »Ach, Sie müssen nicht drum herumreden, Sie können es ruhig direkt aussprechen: Ja, ich bin ein bisschen älter als die meisten Studienanfänger. Es ist einfach so, dass ich mich frage, ob das Leben noch mehr für mich bereithält. Ich habe Kinder bekommen und großgezogen, hatte bisher ein gutes Leben, aber nachdem meine Kinder jetzt erwachsen sind und mich nicht mehr brauchen, habe ich mir Gedanken darüber gemacht, was ich eigentlich noch so anfangen und erleben möchte. Um die Füße hochzulegen und jetzt schon meinen Lebensabend einzuläuten, bin ich dann doch zu jung.«

Hatte sie es sich jetzt verscherzt? Gespannt schaute sie ihn an. Seine Miene gab nicht viel preis. Doch dann zuckten seine Mundwinkel hoch, nur ganz leicht, aber sie merkte, dass ihre Antwort ihm gefallen hatte.

»Wann können Sie denn anfangen mit Ihrem Praktikum? Wäre es nächste Woche zu kurzfristig?«, fragte er.

Sie strahlte übers ganze Gesicht. »Wenn es nach mir geht, lieber heute als morgen. Wunderbar, ich freue mich sehr!«