Notärztin Andrea Bergen 1452 - Isabelle Winter - E-Book

Notärztin Andrea Bergen 1452 E-Book

Isabelle Winter

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Beschreibung

"Es ist ein Mädchen", sagt der Arzt, als er Amelie das Neugeborene sanft in die Arme legt. Sie schluchzt überwältigt auf. Sie und ihr Mann Alexander sind überglücklich. Ja, die Hauptsache ist natürlich, dass das Kind gesund ist - und trotzdem hat Amelie insgeheim gehofft, ein kleines Mädchen zu bekommen: eine wunderbare, kleine Prinzessin namens Paula.
Doch schon im Kindergarten-Alter gibt es erste Situationen, die darauf hinweisen, dass die kleine Paula sich als Junge fühlt. Von den Eltern wird das erst nicht richtig ernstgenommen. Im Gegenteil! Amelia versucht ihrem Kind auf ihre Weise zu helfen, indem sie es zwingt, mädchenhafte Kleider zu tragen und sich die Haare lang wachsen zu lassen. Tatsächlich scheint sich Paula zu "besinnen", bis sie voller Entsetzen die ersten Anzeichen der Pubertät an ihrem Körper bemerkt ...

Hinter jedem Leben steckt ein Schicksal! Es ist Zeit, Tabus zu brechen und
von diesen Schicksalen zu erfahren.
Für mehr Solidarität, gegen Hass, Diskriminierung und Ausgrenzung: Band 1452 der BASTEI-Serie "Notärztin Andrea Bergen" erzählt auf sehr einfühlsame und empathische Weise die Geschichte eines mutigen Jungen, der als Mädchen zur Welt kam. Lesen Sie einen sehr beeindruckenden Roman, der Vorurteile beseitigt und so die Welt ein Stück besser macht! So muss gute Unterhaltung heute sein!


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Seitenzahl: 121

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Inhalt

Cover

Ich bin ein Junge!

Vorschau

Impressum

Ich bin ein Junge!

Transsexualität ist ein Thema, das wir nicht länger totschweigen dürfen!

Von Anfang an habe ich akzeptiert, dass sich Franzis Freund Paul, der als Paula geboren wurde, als Junge fühlt und so auch gesehen werden möchte. Schließlich ist er nur durch eine Laune der Natur im Körper eines Mädchens zur Welt gekommen. Schon im Kindergarten fühlte sich alles Mädchenhafte für ihn falsch und quälend an!

Seine Eltern leiden ebenfalls sehr unter der Situation – und sind damit heillos überfordert. Vor allem Amelie Brandt will einfach nicht wahrhaben, dass sie einen Sohn – und keine Tochter – hat und verwehrt Paul jeden Rückhalt! Doch ich bin mir sicher, dass ihm nur Verständnis und Akzeptanz helfen können, sein schweres Schicksal zu meistern.

Und daher wage ich nun einen ersten mutigen Schritt, damit Paul endlich als Junge glücklich werden kann ...

»Es ist ein Mädchen«, beglückwünschte der Arzt sie lächelnd.

Überwältigt schluchzte Amelie Brandt auf. Die Geburt hatte sich lange hingezogen und war so schmerzhaft gewesen, dass sie sich in manchen Momenten einfach nur gewünscht hatte, das alles würde aufhören. Sie war schweißgebadet und so erschöpft, dass sie kaum den Kopf heben konnte.

Doch jetzt war der Schmerz beinahe vergessen, als der Arzt ihr das Neugeborene sanft in die Arme legte. Ihr Baby. Ihr wunderbares kleines Mädchen.

Ihr ging das Herz vor Liebe und Zärtlichkeit förmlich über, als sie in das winzige Gesicht blickte. Noch nie hatte sie etwas so Schönes, Perfektes gesehen. Ihre Hände zitterten leicht, als sie ihr Baby hielt. Unendlich behutsam und vorsichtig streichelte sie mit dem Zeigefinger über die Wange der Kleinen und küsste ihre Stirn. Wie winzig und zerbrechlich das Mädchen war!

»Sie ist wunderschön«, stammelte Alexander überglücklich. Er war kreidebleich im Gesicht, hatte ebenso wenig geschlafen wie sie und jetzt die ganze Zeit an ihrer Seite ausgeharrt, während sie ihre Fingernägel in seine Hand gedrückt und sie fast zerquetscht hatte. Doch seine warmen hellbraunen Augen strahlten vor Glück.

Er setzte sich auf die Bettkante und breitete sanft die Arme um seine Frau und die neugeborene Tochter. Amelie kuschelte sich in seine sichere Umarmung. Er lehnte die Stirn gegen ihre. Einen Moment lang schlossen sie beide die Augen und genossen schweigend das Gefühl, als Familie komplett zu sein. Ihr Baby jetzt bei sich zu haben, dessen Geburt sie so sehnlich erwartet hatten, war ein unglaubliches Gefühl.

Es war für sie nicht leicht gewesen, schwanger zu werden. Lange Zeit hatten sie es versucht und schon mit dem Gedanken gespielt, sich über die Möglichkeiten der Medizin zu informieren. Auch der Gedanke an Adoption war Amelie in den Sinn gekommen. Sie hatten sich so sehr ein Kind gewünscht, doch das Schicksal schien gegen sie zu sein.

Und dann das. Die plötzliche Morgenübelkeit. Der positive Schwangerschaftstest. Die Freudentränen, die bei ihnen geflossen waren, und die Schwangerschaft, die Amelie wie einen schönen Traum erlebt hatte. Noch immer konnte sie nicht ganz glauben, dass sie ab jetzt und für alle Zeit nicht mehr zu zweit, sondern zu dritt waren.

»So ein hübsches Mädchen!«, sagte die Krankenschwester lächelnd.

»Oh ja«, flüsterte Amelie.

Immer wieder war sie von Verwandten und Freunden gefragt worden, ob sie schon wussten, ob es ein Mädchen oder ein Junge werden würde. Und stets hatten sie gesagt, dass sie sich überraschen lassen wollten und dass doch das Wichtigste war, dass das Kind gesund zur Welt kam.

Amelie hatte das ernst gemeint, klar, doch tief in ihrem Herzen hatte sie doch ein wenig gehofft, dass es ein Mädchen sein würde. Wenn sie von ihrer Zukunft mit dem Kind geträumt hatte, dann hatte sie stets ein süßes Mädchen mit blondem Haar vor sich gesehen: ihre wunderbare, kleine Prinzessin.

»Wie soll die Kleine denn heißen?«, erkundigte sich die Schwester.

»Paula«, antworteten Alexander und Amelie wie aus einem Mund.

***

Golden fielen die Strahlen der Wintersonne herein, brachen sich an den Papiersternen, die Amelie ins Fenster gehängt hatte, und malten Muster auf den weichen Teppich im Kinderzimmer. Buntstifte und Papier lagen hier verteilt, ebenso wie Plastiktiere und Legosteine.

Amelie und Paula saßen inmitten des wunderbaren Chaos und spielten fröhlich miteinander. Es wurde Amelie nie langweilig, sich mit ihrem Kind zu beschäftigen. Sie hatte so lange auf Kindersegen gehofft, nun genoss sie jede Sekunde mit ihrer kleinen Tochter.

Sie konnte stundenlang mit Paula über einen Regenwurm staunen oder einem Käfer hinterherschauen, sich an ihren Zeichnungen freuen oder die Lieder aus dem Kindergarten mit ihr singen.

Jetzt bauten sie einen kleinen Zoo für Paulas Plastiktiersammlung. Dann griff das Mädchen nach Stift und Papier und begann zu zeichnen. Amelie lehnte sich zurück und streckte die Beine, die vom langen Sitzen auf dem Teppich schon ganz steif waren.

Ein seliges Lächeln trat auf ihre Lippen, ein warmes Gefühl breitete sich in ihrer Brust aus. Wie sehr sie dieses Kind liebte! Noch immer gab es manchmal diese Momente, in denen sie überhaupt nicht glauben konnte, dass sich ihr sehnlichster Wunsch erfüllt hatte. Es war beinahe zu schön, um wahr zu sein.

Liebevoll betrachtete sie Paula. Das Mädchen beugte sich über das Blatt Papier und zog sorgfältig Linien, die ein Kunstwerk bildeten, das Amelie noch nicht so recht erkennen konnte. Paulas hübschem Gesicht mit den rosigen Wangen war die Anstrengung anzusehen, ihre sonst so glatte Stirn war vor Konzentration gerunzelt. Ihre Zungenspitze ragte sogar ein wenig aus dem Mund, weil sie sich so sehr bemühte, eine tolle Zeichnung anzufertigen.

Paulas blonde lange Haare glänzten im Sonnenlicht wie gesponnenes Gold. Die Haarfarbe hat sie eindeutig von Alexander, dachte Amelie lächelnd. Wenn die beiden nebeneinandersaßen und die Köpfe zusammensteckten, ging das golden schimmernde Dunkelblond ihrer Haare beinahe übergangslos ineinander über. Doch die großen, blauen Augen hatte Paula von ihr geerbt.

»Schatz, willst du dich für die Karnevalsfeier im Kindergarten als Prinzessin verkleiden?«, fragte Amelie.

Sie sah ihre Tochter schon im rosafarbenen Kleidchen mit Diadem auf dem Kopf vor sich. Die Haare könnte Amelie ihr zu Löckchen eindrehen. Wie süß Paula in so einem Kostüm aussehen würde! Sogar ohne Verkleidung gab sie eine perfekte kleine Prinzessin ab.

Doch Paula überlegte kurz und verzog unwillig das Gesicht. »Nein, Mama. Das ist doch was für Mädchen.«

Fragend legte Amelie den Kopf schief. »Was meinst du denn, Schatz?«

Paula schüttelte unwillig den Kopf. »Prinzessin. Das ist ein Kostüm für Mädchen«, wiederholte sie. »Die Lisa hat gesagt, sie wird Prinzessin. Und die Emma auch. Doch die Jungen machen das alle nicht.«

Amelie lachte verblüfft aus. »Aber Schatz, du bist doch ein Mädchen!«

Paula schnappte empört nach Luft und warf den Stift beiseite. »Bin ich nicht!«, rief sie und lief stapfend aus dem Raum.

Seufzend schüttelte Amelie den Kopf, musste aber schmunzeln. Kleine Kinder hatten nun mal immer wieder Wutanfälle, die aus Sicht der Erwachsenen gar keinen Sinn ergaben. Amelie hatte geglaubt, diese Trotzphase hätten sie hinter sich gelassen. Aber offenbar war es so, wie die anderen Eltern sagten, mit denen sie auf dem Spielplatz plauderte: Auf eine Phase folgte die nächste, mit Kindern wurde es einem niemals langweilig.

Als Amelie später in der Küche stand, das Geschirr spülte und noch einmal an die kurze Szene dachte, musste sie lachen. Wie gern wüsste sie, was in Paulas Kopf vor sich ging! Das Kind kam manchmal auf die drolligsten Ideen. Als Erwachsener konnte man da nicht mithalten, was die überschäumende Fantasie betraf.

Das Mädchen hatte sich beruhigt und schaute jetzt im Wohnzimmer friedlich eine Cartoon-Serie. Und Amelies Gedanken wanderten wieder zur bevorstehenden Karnevalsfeier im Kindergarten. Alle Eltern waren gebeten worden, sich um Verkleidungen für ihre Kinder zu kümmern. Paula würde in einem Prinzessinnenkleid einfach unglaublich süß aussehen. Und wenn sie das nicht wollte, dann konnte sie ja vielleicht als Fee gehen.

***

Reges Treiben herrschte im Einkaufszentrum in der Innenstadt. Unzählige Leute kamen am Samstag hierher, um zu shoppen, durch die Läden zu bummeln oder sich in den Cafés im Obergeschoss mit Freunden zu treffen.

Auch einen kleinen Friseurladen gab es hier. Mit baumelnden Füßen saß Paula auf dem Stuhl. Ein Umhang war über ihre Schultern gebreitet worden. Die Sommerferien waren vorbei, das zweite Jahr in der Grundschule stand bevor.

»Über den Sommer ist dein Haar wirklich gewachsen wie Unkraut«, sagte Amelie lächelnd und zerzauste sanft Paulas Haare, die schon fast bis zum Hosenbund des Mädchens reichten. Bevor es mit der Schule wieder losging, war ein Friseurbesuch dringend nötig.

Die sympathische Friseurin, eine junge Rothaarige, zückte die Schere. »So, was soll's denn sein?«, fragte sie munter. »Wie heißt du denn, meine Kleine?«

»Paul«, erwiderte Paula selbstbewusst.

Die Friseurin schaute verwirrt drein. Bestimmt fragte sie sich, ob sie sich gerade verhört hatte. »Oh, das ist aber ein ungewöhnlicher Name für ein Mädchen.« Fragend blickte sie zu Amelie herüber.

Die schüttelte eilig den Kopf. »Paula. Sie heißt Paula.«

Doch auch das Mädchen schüttelte den Kopf, und zwar ganz energisch. »Das ist nicht wahr. Ich heiße Paul.«

Amelies Wangen röteten sich. Was war nur in das Kind gefahren? Das war nicht das erste Mal, dass ihre Tochter solche Dinge sagte. Schon neulich hatte sie darauf bestanden, als Paul angesprochen zu werden, doch Amelie hatte gedacht, das Thema hätte sich von selbst erledigt und das Mädchen hätte es vergessen.

Aber offenbar war das Thema noch nicht ausgestanden. Sie erinnerte sich daran, dass sie selbst als Kind eine Weile gern als Angelique hatte angesprochen werden wollen, weil sie diesen Namen viel glamouröser als ihren eigenen gefunden hatte. Lustig und harmlos. Auch bei Paula steckte wohl nichts weiter dahinter. Aber warum musste sich das Kind ausgerechnet einen Jungennamen aussuchen? Das war doch etwas seltsam.

Die Friseurin wirkte immer noch verwirrt, lachte dann aber.

»Nun, ob Paula oder Paul, jetzt geht es den Haaren an den Kragen. Was darf ich denn machen?«

Amelie griff nach den seidigen Haaren ihrer Tochter. »Die Spitzen müssen unbedingt ab, die sind nach dem Urlaub am Meer ganz spröde«, seufzte sie. »Leider. Und pflegeleichter wäre es auch, wenn sie ein ganzes Stück kürzer wären. Vielleicht so?«

Sie deutete auf die Höhe von Paulas Schulterblättern. Die blonde Mähne stand Paula gut, das Mädchen sah damit wie eine kleine Fee oder Prinzessin aus, und Amelie tat es leid um jeden Zentimeter, der geopfert werden musste, aber hier musste man natürlich Vernunft walten lassen.

Doch Paula hatte ihren eigenen Willen. Sie nahm die Haare mit der Hand im Nacken zusammen, sodass ihr keine goldenen Strähnen mehr nach vorne über die Schultern hingen, und deutete dann auf Ohrenhöhe. »Ich will sie gerne kurz haben. So.«

Amelie schluckte. Was waren denn das für neue Töne?

»Was? Aber Paula, du hast so schöne Haare! Richtig kurz können wir sie wirklich nicht abschneiden lassen. Die langen Haare stehen dir sehr gut.«

Paula funkelte sie entschlossen an. »Die Jungen in meiner Klasse haben fast alle kurze Haare. Eigentlich trägt nur Finn das Haar bis zum Kinn, die anderen Jungs haben alle kürzere Frisuren.«

Nervös lachte Amelie. »Ja, die Jungen! Aber du bist doch keiner.«

»Ich hätte die Haare gerne so«, beharrte Paula und deutete auf ein Bild im ausliegenden Hochglanzmagazin.

Amelie riss die Augen auf. Da war ein junger Mann mit einem Kurzhaarschnitt abgebildet. Auf keinen Fall würde sie zulassen, dass ihr hübsches Mädchen sich mit so einer Frisur entstellte! Paula hatte wunderbares Haar, dicht und seidig mit einem wunderschönen, goldenen Glanz. Es wäre ewig schade, sie aus einer Laune heraus abzuschneiden.

»O Paula, das würdest du ganz sicher gleich bereuen«, legte sie Widerspruch ein. »Und wenn sie erst mal ab sind, kann man sie nicht einfach wieder ankleben. Weißt du, mir ist so was selbst mal passiert. Ich war da auch etwa in deinem Alter, in der Grundschule. Meine beste Freundin und ich haben Friseursalon gespielt und uns gegenseitig die Haare mit einer Bastelschere geschnitten. Wir hatten so viel Spaß. Sie hat mir einen Pony geschnitten. Doch dann war die Reue groß. Ich habe so geweint, als ich in den Spiegel geschaut habe. Meine schönen Haare waren ab, wir hatten sie auf Schulterlänge gekürzt, und natürlich waren sie unregelmäßig und ausgefranst geschnitten. Und der Pony war ganz windschief.

Der Friseur hat am nächsten Tag versucht, die Katastrophe zu retten, doch natürlich konnte er auch nicht zaubern. Nachdem er die Haarspitzen begradigt hatte, reichten sie kaum noch bis zur Schulter – mit einem kurzen, geraden Pony. Jedes Mal habe ich mich beim Blick in den Spiegel geärgert und mir meine langen, schönen Haare zurückgewünscht.«

»Es dauert Jahre, bis sie wieder diese Länge hätten«, sprang die Friseurin Amelie zur Seite. »Man sagt, Haare wachsen im Monat ungefähr einen Zentimeter. Also, bis du wieder so tolle Haare bis zur Hüfte hättest ...« Sie versuchte, die Länge zu überschlagen, und schüttelte dann entsetzt den Kopf.

Aber Paula ließ sich nicht beirren. »Das ist mir egal«, sagte sie leise. »Es gefällt mir nicht mehr. Ich will ja gar nicht, dass sie nachwachsen. Ich möchte, dass sie kurz sind.«

»Vielleicht wäre ja ein Kompromiss möglich. Wie wäre es, wenn wir uns auf halber Strecke treffen und die Haare schulterlang schneiden?«, schlug die Friseurin vor und warf Amelie dabei einen mitleidigen Blick zu, der besagte: Kinder haben nun mal einen eigenen Kopf.

Unglücklich seufzte Amelie. Ja, natürlich hatte jedes Kind seinen eigenen Willen. Sie wünschte nur manchmal, sie wüsste, was hinter Paulas Stirn vor sich ging. Manchmal verstand sie ihr eigenes Kind überhaupt nicht. Auf was für verrückte Ideen das Mädchen kam!

***

Nach dem Friseurtermin waren sie mit Alexander im Einkaufszentrum verabredet, der in der Zwischenzeit ein paar Einkäufe erledigt, sich nach einem Grill umgesehen und seine neue Brille abgeholt hatte. Amelie und Paula standen am Rande der Rolltreppe und hielten im Menschengewirr nach ihm Ausschau.

»Da ist Papa«, rief Paula.

Amelies Herz pochte ein wenig schneller, als sie ihren Mann sah, der durch die Menschenmenge auf sie zukam und sich den Weg zu ihnen bahnte. Seit so vielen Jahren waren sie nun schon verheiratet, und trotzdem kribbelte es noch immer in ihrem Bauch, wenn sie ihn erblickte. Hochgewachsen wie er war, überragte er die meisten anderen Menschen. Sein Blick suchte und fand sie, und auf sein attraktives Gesicht trat ein warmes Lächeln.

»Die Brille steht dir gut«, sagte sie lächelnd, trat auf ihn zu und ließ sich in seine Umarmung sinken.

Seine Lippen streiften ihre. »Ja? Der Optiker meint, ich sehe damit intelligent aus.« Er grinste. »Falle ich damit in dein Beuteschema?«

Sie lachte. »Tust du das nicht immer, Herr Brandt?«

»Intelligent aussehen oder in dein Beuteschema fallen?« Er zwinkerte.

Sie schenkte ihm einen unschuldigen Blick und zuckte mit den Schultern. »Vielleicht beides, vielleicht eines davon. Das bleibt mein Geheimnis.«