Notärztin Andrea Bergen 1310 - Isabelle Winter - E-Book

Notärztin Andrea Bergen 1310 E-Book

Isabelle Winter

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Beschreibung

In hilflosem Zorn wirft die achtzehnjährige Lexi die Tür hinter sich ins Schloss und lässt sich schluchzend auf ihr Bett sinken. Es ist so ungerecht, so schrecklich ungerecht! Ihr Zwillingsbruder Micha wird morgen mit der Clique für drei wunderbare Wochen nach Italien fahren - und sie muss wie immer zu Hause bleiben! Und das nur wegen ihres dummen kranken Herzens!

Solange sie denken kann, wird Lexi von ihren Eltern umsorgt und behütet - und sieht ihren Freunden aus ihrem goldenen Käfig heraus beim Leben zu! Irgendwann, das weiß sie, wird sie an der übertriebenen Vorsicht und Fürsorge der Eltern noch ersticken!

Als Micha und die anderen am nächsten Morgen unter Lärmen und Lachen in Richtung Italien aufbrechen und Lexi ihnen traurig nachwinkt, beschließt sie, ihnen heimlich per Anhalter nachzufahren. Am Abend desselben Tages steigt sie zu einem Unbekannten ins Auto - danach verliert sich jede Spur von ihr ...

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EPUB
MOBI

Seitenzahl: 122

Veröffentlichungsjahr: 2016

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Inhalt

Cover

Impressum

Wie konntest du so leichtsinnig sein?

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2016 by Bastei Lübbe AG, Köln

Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: shutterstock / MNStudio

Datenkonvertierung E-Book: Blickpunkt Werbe- und Verlagsgesellschaft mbH, Satzstudio Potsdam

ISBN 978-3-7325-3683-2

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

Nach quälenden Stunden des Wartens hat meine Freundin Silvia endlich einen Hinweis auf den Verbleib ihrer schwer herzkranken achtzehnjährigen Tochter Lexi erhalten – doch die SMS, die das Mädchen gerade einem seiner Freunde geschickt hat, ist kryptisch und gibt gleichzeitig Anlass zu größter Sorge!

Offenbar hat Lexi versucht, ihrem Bruder Micha und der gemeinsamen Clique heimlich nach Italien nachzureisen – per Anhalter und ganz allein! Der SMS merkt man an, dass sie in höchster Eile geschrieben wurde, denn sie ist fehler- und lückenhaft! Allem Anschein nach ist Lexi zu einem gefährlichen Mann ins Auto gestiegen, der sie nun massiv bedrängt und bedroht!

Wir wissen nicht, wo wir sie suchen sollen, doch die letzten Buchstaben ihrer Textnachricht könnten ein Hinweis auf eine Autobahnausfahrt sein, die Micha und seine Freunde am Mittag auf ihrem Weg in den Süden passiert haben! Silvia, ihr Mann Burkhard und ich brechen sofort dorthin auf – aber selbst wenn das Wunder geschieht und wir Lexi finden sollten, fürchte ich, wir kommen zu spät …

Starr blickte Andrea Bergen nach vorne auf die Straße, während der Rettungswagen durch die Stadt raste. Ihre Hände zitterten leicht, ihr Puls raste. Nach außen wirkte sie ganz ruhig, doch innerlich stand sie unter Strom.

Jeder Einsatz war für die Notärztin und ihr Team eine Herausforderung, immer gaben sie ihr Bestes. Doch wenn es um Kinder oder Jugendliche ging, so wie jetzt, war Andrea stets besonders angespannt. Eine Schule hatte einen Notruf abgesetzt, ein Mädchen war zusammengebrochen und benötigte dringend Hilfe.

Unwillkürlich dachte sie an ihre Adoptivtochter Franzi und dankte im Stillen Gott dafür, dass es nicht ihre Schule war, zu der sie unterwegs waren. Das bedeutete, weder Franzi noch eine ihrer Freundinnen war in Gefahr.

Doch zugleich schalt sie sich für diesen Gedanken: Erleichterung war fehl am Platz, immerhin ging es um ein anderes junges Mädchen, das nun dringend Hilfe benötigte. Wirklich erleichtert durfte sie erst sein, wenn sie wusste, dass diese Patientin nicht mehr in Gefahr schwebte.

Am liebsten wollte sie dem Rettungssanitäter Jupp Diederichs sagen, er solle schneller fahren. Jede Minute konnte zählen, wenn es um einen Notfall ging. Was, wenn das Mädchen starb, bloß, weil sie nicht rechtzeitig ankamen? Diese Vorstellung war unerträglich und schnürte der Notärztin die Kehle zu.

Doch es hätte keinen Sinn, Jupp zu einem noch höheren Tempo anzuspornen, er raste ohnehin bereits. Blaulicht und Martinshorn sorgten dafür, dass die übrigen Autofahrer ihnen eilig Platz machten. Rasant brausten sie ihrem Ziel, der Schule, entgegen.

Andrea atmete auf, als sie vor dem Gebäude anhielten. Endlich konnte sie selbst aktiv werden, statt bloß untätig und angespannt im Auto zu sitzen. Sie schnappte sich ihren Notarztkoffer und stürmte los. Ein Lehrer erwartete sie im Eingangsbereich und kam auf sie zu, sobald er sie erblickte.

»Schnell, folgen Sie mir!«, rief er ihr atemlos entgegen und führte sie durch die Gänge des Schulgebäudes. Ihre Schuhsohlen quietschten bei jedem Schritt über den Linoleumboden.

Jugendliche und Lehrer drängten sich auf dem Gang, allesamt kreidebleich, und blickten der Notärztin aus schreckensgeweiteten Augen entgegen. Andrea lief in den Klassenraum und sah die Patientin am Boden liegen. Zwei Lehrerinnen und die Schulsanitäterin knieten neben ihr und kümmerten sich um sie.

Die Schulärztin führte eine Herzdruckmassage durch, die sie nur unterbrach, um das Mädchen zu beatmen. Sie hob den Kopf, als die Notärztin hereinkam.

»Rasch, kommen Sie! Es ist ihr Herz«, rief sie ihr mit zitternder Stimme entgegen.

Dr. Bergen sog scharf die Luft ein, als sie das rothaarige Mädchen sah. Sie kannte die Jugendliche! Das war Alexandra Baumgartner.

Andrea und ihr Mann Werner waren gut mit den Eltern der Siebzehnjährigen befreundet. Sie wusste, dass Alexandra unter einem angeborenen Herzfehler litt und schon als Kind kränklich gewesen war. Das Mädchen nun so bleich und reglos auf dem Boden liegen zu sehen war entsetzlich.

Andrea zögerte keine Sekunde. Sie kniete sich neben Alexandra auf den Boden und begann, mit raschen, routinierten Bewegungen ihre Vitalfunktionen zu kontrollieren.

Rettungsassistent Ewald Miehlke befand sich bereits an ihrer Seite. Sie brauchten nicht viele Worte, um sich miteinander zu verständigen; sie waren ein gut eingespieltes Team. Noch bevor sie etwas sagen konnte, drückte er ihr das transportable EKG-Gerät in die Hand, mit dem sie die elektrische Aktivität des Herzmuskels messen konnte.

»Kammerflimmern«, sagte die Notärztin knapp. Das EKG zeigte Flimmerwellen mit hoher Frequenz auf. »Wir müssen defibrillieren.«

»Sie müssen Lexi helfen, oh bitte, Sie müssen Lexi helfen!«, rief ein Junge immer wieder.

Ein kurzer Blick zur Seite verriet Andrea, dass es sich um Alexandras Zwillingsbruder Micha handelte. Der Junge war so blass, dass seine Sommersprossen deutlich hervorstachen. Tränen schimmerten in seinen blauen Augen. Er wollte zu seiner Schwester, doch ein schwarzhaariger Junge mit auffallend hellgrauen Augen – vermutlich ein Freund von ihm – hielt ihn zurück, damit er nicht im Weg war und die Notärztin ungestört ihre Arbeit verrichten konnte.

»Keine Angst«, sagte sie und versuchte, so zuversichtlich wie möglich zu klingen. »Wir tun unser Bestes für deine Schwester.«

Sie hatte keine Zeit, den verängstigten und besorgten Jungen weiter zu trösten, das musste sie seinen Freunden und den Lehrern überlassen. Die Patientin forderte ihre ganze Aufmerksamkeit.

Andrea bestrich die Kontakte des Defibrillators mit elektrisch leitendem Elektrodengel und drückte sie auf Alexandras Brustkorb auf. »Alle bitte zurücktreten!« Ein Ruck ging durch den zierlichen Körper des Mädchens, als ein kurzer, starker Stromstoß durch ihre Brust gejagt wurde und damit alle Herzmuskelzellen gleichzeitig erregte.

Bei einer Defibrillation verursachte jeder Schock verbrennungsähnliche Gewebeschäden, doch das spielte nun keine Rolle. Es ging um das Leben des Mädchens, es hing an einem seidenen Faden.

Ein Scheppern ließ Andrea zusammenzucken: Micha hatte in hilfloser Verzweiflung gegen einen Metallspind getreten. Doch sie konnte dem Jungen keine Beachtung schenken, stattdessen konzentrierte sie sich weiterhin auf seine Schwester.

»Ich intubiere«, sagte sie knapp.

Gekonnt führte sie einen Tubus durch den Mund in Alexandras Luftröhre ein, um ihre Atmung zu sichern. Ewald Miehlke legte gleichzeitig einen Zugang, um dem Mädchen Medikamente verabreichen zu können. Dann war es auch schon an der Zeit für einen weiteren Defibrillationsversuch. Erneut wurde ein Stromstoß durch Alexandras Herz gejagt, in der Hoffnung, die normale Herzaktivität wiederherzustellen.

Vor Erleichterung atmete Andrea auf, als sie merkte, dass ihre Bemühungen Erfolg hatten. Das Herz des Mädchens begann wieder, gleichmäßig zu schlagen. Es schien noch einmal gut gegangen zu sein, wenngleich man noch nicht mit Sicherheit sagen konnte, dass Alexandra über den Berg war.

So schnell wie möglich transportierten sie die Jugendliche mit einer Trage in den Rettungswagen und fuhren auf direktem Wege zum Elisabeth-Krankenhaus.

***

Lexi pfiff leise vor sich hin, als sie das Haus betrat. Sie kam gerade vom Klavierunterricht nach Hause. Ihre gute Laune lag nicht etwa daran, dass ihr die Musikstunde so gut gefallen hätte, sondern eher daran, dass sie vorbei war: Der strenge Klavierlehrer hatte die Augen verdreht, als ihm aufgefallen war, wie wenig sie geübt hatte, und überhaupt war das Wetter viel zu schön, um den ganzen Nachmittag in geschlossenen Räumen zu verbringen.

Einmal mehr beneidete sie ihren Bruder Micha, der stattdessen beim Fußballtraining gewesen war und sich an der frischen Luft ausgetobt hatte. Am Sport hätte auch Lexi viel mehr Spaß, doch natürlich waren ihre Eltern der Meinung, das sei viel zu gefährlich für sie.

Sie schnaubte leise, als sie die Schuhe in eine Ecke kickte. Wenn es nach ihren Eltern ginge, verließe sie das Haus nur noch in einem Ganzkörper-Schutzanzug. Einfach alles erschien ihnen zu riskant, vor allem sollte Lexi sich in Acht nehmen. So ging das schon, seit sie denken konnte, bereits als Kind hatten ihre Eltern mit Argusaugen über sie gewacht.

Seit Lexi vor etwa einem Jahr mit gefährlichen Herzrhythmusstörungen in der Schule zusammengebrochen war, war das noch schlimmer geworden. Am liebsten wollten ihre Eltern sie gar nicht mehr aus den Augen lassen. Ständig hatten sie panische Angst, ihr könnte etwas passieren.

Lexi seufzte, hängte ihre dünne Jacke an einen Haken und machte sich auf den Weg in die Küche. Sie konnte ihre Eltern ja verstehen: Im Gegensatz zu ihrem Zwillingsbruder Micha, der immer schon kerngesund gewesen war, war sie nicht nur mit einem angeborenen Herzfehler zur Welt gekommen, sondern litt auch noch Asthma. Von Anfang an war sie kränklich gewesen. Da war es kein Wunder, dass sie das Sorgenkind der Familie war.

Aber nun war sie doch schon achtzehn! Ebenso wie Micha hatte sie vor wenigen Wochen ihr Abi gemacht. Nun hatten die Zwillinge Sommerferien, bevor im Herbst das Studium beginnen würde. Aber während Micha die Ferien ganz frei und unbeschwert genießen konnte, wurde bei Lexi penibel genau darauf geachtet, dass sie rechtzeitig nach Hause kam und keine riskanten Unternehmungen machte.

In der Küche bewahrte sie ihre Tabletten auf. Mechanisch nahm sie die Pillen der Reihe nach ein und schluckte sie mit Wasser hinunter. Die Handlung war ihr so sehr in Fleisch und Blut übergegangen, dass sie gar nicht darüber nachdenken musste. Vermutlich hätte sie die richtigen Tabletten selbst im Schlaf gefunden. Immerhin musste sie seit ihrer Kindheit täglich Medikamente einnehmen.

Schicksalsergeben seufzte sie. Die Tabletten erinnerten sie Tag für Tag daran, dass sie nicht so gesund war wie die meisten anderen Jugendlichen. Natürlich nervte es sie oft, nicht genauso zu sein wie alle anderen in ihrem Alter.

Doch was nutzte es, sich darüber den Kopf zu zerbrechen? Sie musste sich damit abfinden und ihr Schicksal tapfer akzeptieren, das war ihr schon vor vielen Jahren klar geworden. Die Dinge waren eben, wie sie waren. Lexi würde für den Rest ihres Lebens Medikamente einnehmen, ihr Notfall-Medizinset in der Tasche mit sich herumtragen und regelmäßig für Kontrollbesuche das Krankenhaus aufsuchen müssen. Dennoch wollte sie ein so normales Leben wie möglich führen und ihre Jugend genießen.

Aus dem Wohnzimmer nebenan hörte sie die Stimme ihres Bruders. Micha machte einen Scherz, über den ein paar andere Leute lachten. Sein Fußballtraining endete früher als ihr Klavierkurs, also war er schon zu Hause. Offenbar hatte er Freunde eingeladen.

Um ihn zu begrüßen, betrat sie das Wohnzimmer. Das Erste, was sie sah, war Michas Haarschopf, der ebenso kupferrot war wie ihre eigenen Haare. Einige ehemalige gemeinsame Klassenkameraden von ihnen beiden sowie ein paar Mitspieler aus seiner Fußballmannschaft waren hier, hatten es sich auf dem großen Sofa bequem gemacht und beugten sich über eine Landkarte, die auf dem Wohnzimmertisch ausgebreitet war. Die meisten Anwesenden waren Jungen, doch es waren auch einige Mädchen darunter.

»Hallo!«, rief sie in die Runde und beäugte die Landkarte neugierig. »Was macht ihr denn da?«

»Hi, Lexi!« Michas blaue Augen sprühten vor guter Laune beinahe Funken. »Wir planen gerade unsere Reise.«

Überrascht blinzelte sie. »Was denn für eine Reise?«

»Habe ich dir noch gar nichts davon erzählt?« Er winkte sie heran und deutete auf die Landkarte. »Wir machen einen Roadtrip nach Italien. Das wird der Hammer! Einfach superspannend. Immerhin sind wir ja jetzt alle volljährig, die meisten von uns haben den Führerschein und dürfen ohne Begleitung fahren, das Abi ist vorüber, das Studium geht im Herbst erst los … Also wann sollten wir die große Freiheit genießen, wenn nicht jetzt?«

Lexis Mundwinkel sanken herab. Dass sie jetzt erst vom geplanten Urlaub erfuhr, versetzte ihr einen Stich. Sonst sprachen Micha und sie doch über fast alles miteinander.

»Warum weiß ich davon denn nichts?«, fragte sie irritiert und verschränkte die Arme vor der Brust. »Vielleicht würde ich ja auch gerne mitkommen.«

Micha lächelte milde. »Ach, Lexi! Das wäre doch viel zu gefährlich für dich. Du fährst mit Mama und Papa ans Meer, so wie wir das immer zusammen gemacht haben.«

»Und das hast du vor mir verheimlicht?«, fragte sie fassungslos.

Er schenkte ihr einen treuherzigen Dackelblick. Offenbar kam ihm jetzt erst in den Sinn, sie könnte etwas dagegen haben. »Tut mir leid«, sagte er. »Ich habe einfach nicht daran gedacht, dir davon zu erzählen. Die Idee ist ja auch noch ganz frisch, wir haben vor Kurzem erst begonnen, darüber nachzudenken.«

»Also kommst du dieses Jahr nicht mit ans Meer? Stattdessen machst du einen spannenden Roadtrip, während ich allein mit Mama und Papa nach Südfrankreich soll?« Sie presste die Lippen zusammen.

Micha zuckte mit den Schultern. »Na ja, ich bin doch jetzt erwachsen.«

Sie funkelte ihn aufgebracht an. »Micha! Hör auf der Stelle auf, mich wie eine kleine Schwester zu behandeln. Ich bin gerade mal fünf Minuten jünger als du. Und ich will mitkommen nach Italien!«

Er seufzte. »Du weißt so gut wie ich, dass das nicht geht. Ich würde dich gerne mitnehmen, aber Mama und Papa würden das niemals zulassen.«

Sie holte tief Luft, um eine empörte Schimpftirade loszulassen. Dass die anderen Jugendlichen ihre Wut mitbekommen würden, war ihr in dem Moment völlig egal. Doch plötzlich ging die Tür auf, jemand kam herein, und Lexi erstarrte in der Bewegung. Mit einem Mal fiel ihr das Atmen schwer, und das lag in dem Fall nicht an ihrem Asthma. Nein, es lag ausschließlich an Finn. Der Protest blieb ihr im Hals stecken, sie brachte keinen Ton hervor.

Sie konnte den Blick nicht von ihm abwenden. Finn war ein ehemaliger Mitschüler von Micha und ihr. Doch obwohl sie viele Jahre lang dieselbe Stufe besucht hatten, hatte sie es niemals geschafft, ihm zu sagen, wie toll sie ihn fand. Ihr Herz klopfte schneller, als sie verstohlen musterte.

Wie gut er wieder aussah! Mit der lässigen Jeans und der schwarzen Lederjacke hatte er etwas unwiderstehlich Verwegenes. Die verwuschelten schwarzen Haare fielen ihm in die Stirn. Sie liebte die beiläufige Handbewegung, mit der er sich die Locken immer wieder beiseiteschob. Als der Blick seiner hellgrauen Augen sie streifte, zog sich eine prickelnde Gänsehaut über ihre Unterarme.

»Hey, Alexandra«, sagte er beiläufig, als er an ihr vorbeiging und sich aufs Sofa fallenließ.

»Hallo, Finn«, flüsterte sie, wurde knallrot und senkte betreten den Kopf, sodass ihr die langen kupferfarbenen Haare vors Gesicht fielen. Sie wünschte, er würde sie Lexi nennen, so wie es fast alle Leute taten. Doch dazu auffordern konnte sie ihn nicht, in seiner Gegenwart konnte sie ja kaum sprechen.

Ohnehin sah er sie bereits gar nicht mehr an, sondern wandte sich an Micha, mit dem er gut befreundet war: »Und, kommt deine kleine Schwester mit nach Italien?«, fragte er.