Notärztin Andrea Bergen 1322 - Isabelle Winter - E-Book

Notärztin Andrea Bergen 1322 E-Book

Isabelle Winter

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Beschreibung

Fassungslos lauscht die schöne Katharina den Worten des Arztes an ihrem Krankenbett. Ihre Wirbelsäule soll verletzt sein? Ihre Beine gelähmt? Nein, das kann - das darf nicht sein!

Doch nach einigen Tagen ist es traurige Gewissheit: Katharina wird von nun an auf den Rollstuhl angewiesen sein! Die bislang so sportliche und abenteuerlustige Frau fällt in tiefste Depressionen und trifft eine fatale Entscheidung - aus Liebe, wie sie meint ...

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Seitenzahl: 126

Veröffentlichungsjahr: 2017

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Inhalt

Cover

Impressum

Rückkehr im Rollstuhl

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: shutterstock / wavebreakmedia

Datenkonvertierung E-Book: Blickpunkt Werbe- und Verlagsgesellschaft mbH, Satzstudio Potsdam

ISBN 978-3-7325-4432-5

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

Seitdem seine Verlobte, die bezaubernde Katharina, ihn während seines USA-Trips ohne ein Wort verlassen hat, ist mein Kollege Richard Voigt nicht mehr wiederzuerkennen. Aus dem stets gut gelaunten, unternehmungslustigen Mann ist ein wahrer Einsiedler geworden, der jede freie Minute nach Katharina, der Liebe seines Lebens, sucht! Doch jede Spur, die er verfolgt, verläuft im Sand – und am Ende steht er stets mit leeren Händen da, allein …

Inzwischen kann ich Richard kaum noch in die Augen sehen, denn ich könnte ihm sagen, was er so verzweifelt zu erfahren sucht: Ich weiß, wo Katharina sich vor aller Welt versteckt. Aber ich habe ihr versprochen, darüber Stillschweigen zu wahren. Vor allem Richard soll es nie erfahren – denn Katharina ist gelähmt …

Andrea Bergen löste ihren zerzausten Zopf, fuhr sich ein paar Mal mit den Fingern durchs Haar und strich es glatt. Ihr rasender Puls beruhigte sich allmählich, als sie kühles Wasser über ihre Handgelenke laufen ließ.

Ihre Einsätze als Notärztin verlangten stets, dass sie voll und ganz da war und sich nur auf ihre medizinischen Aufgaben konzentrierte. Adrenalin durchströmte ihren Körper, wann immer sie aufopferungsvoll um Menschenleben kämpfte. Auch diesmal war das nicht anders gewesen, als sie einen jungen Mann versorgt hatte, der nach einem starken Stromschlag einen Herzstillstand erlitten hatte.

Alles ist gut ausgegangen, dachte die Notärztin erleichtert. Das Herz des Patienten schlug wieder, er war außer Lebensgefahr und befand sich mittlerweile im Elisabeth-Krankenhaus. Für Andrea stand nach diesem anstrengenden Einsatz eine kleine Auszeit auf dem Programm: Ihre Mittagspause war angebrochen.

Sie warf noch einen Blick in den Spiegel im Personal-WC, band ihre dunkelblonden Haare zu einem neuen Zopf zusammen und machte sich auf den Weg zum Personalrestaurant. Als sie eintrat, sah sie gleich ein paar andere Ärzte, Krankenschwestern und Pfleger, die sich zwei Tische zusammengeschoben hatten und sich beim Essen angeregt unterhielten.

Dietmar Krug hatte sie schon entdeckt. Der hochgewachsene blonde Arzt winkte ihr eifrig zu und deutete einladend auf einen freien Stuhl. Andrea nickte, bestellte sich einen großen Teller heißer Gemüsesuppe, folgte dann der Einladung und setzte sich zu den Kollegen an den Tisch.

Es tat gut, dem unbeschwerten Geplauder zu lauschen und sich selbst daran zu beteiligen. Beinahe konnte Andrea vergessen, dass noch vor kaum einer halben Stunde ein Menschenleben am seidenen Faden gehangen hatte und sie es nur mit Mühe und Not geschafft hatte, dem jungen Mann das Leben zu retten. Hier und jetzt sprach niemand über die ernste Arbeit; das einzige Thema waren die Feierabendpläne.

»Wir gehen nach der Arbeit in eine Bar«, sagte Lea, eine junge Assistenzärztin, mit einer vagen Geste, die sie selbst und ein paar Kolleginnen einschloss. »Will sich noch jemand anschließen? Du vielleicht, Richard?«

Ihr Tonfall war betont gleichgültig, doch Andrea entging nicht, dass sich Leas Wangen röteten und dass sie es kaum wagte, Dr. Richard Voigt anzusehen. Der brillante Chirurg war erst seit Kurzem am Elisabeth-Krankenhaus angestellt, doch jetzt schon flogen ihm die Herzen nur so zu. Mehr als einmal hatte Andrea Krankenschwestern gehört, die sich kichernd und tuschelnd über ihn unterhielten.

»Leider nicht«, sagte er bedauernd, »Ich habe schon etwas vor. In einem kleinen alten Schloss am Stadtrand findet eine Vernissage statt, die will ich mir nicht entgehen lassen.«

Ein allgemeines sehnsüchtiges Seufzen ging durch die Runde. »Eine Kunstausstellung! Wie kultiviert er ist! Ein echter Traumtyp«, flüsterte Lea ihrer Sitznachbarin zu. Auch diese hatte beinahe Herzchen in den Augen, als sie Richard Voigt ansah.

Andrea, die die Worte mit angehört hatte, konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. Sie selbst war glücklich verheiratet und gegen Dr. Voigts Charme immun, doch sie konnte verstehen, warum viele andere Damen ihn so anziehend fanden: Mit seinen beinahe schwarzen Haaren, dem gepflegten Bart und der tiefen, wohlklingenden Stimme war er ausgesprochen attraktiv. Seine klugen dunklen Augen schienen einem direkt in die Seele blicken zu können.

Aber nicht nur sein Äußeres oder sein beruflicher Erfolg als Chirurg ließen die Frauenherzen höherschlagen: Er war gebildet, vielseitig interessiert und noch dazu sportlich. War es da ein Wunder, dass die jungen Ärztinnen und Schwestern ihm sehnsüchtig hinterherblickten?

Amüsiert fragte sich Andrea, ob Lea oder eine der anderen Frauen, die gerade so begeistert an seinen Lippen hingen, bei ihm Erfolg haben würden.

***

Es war bereits dunkel, als Richard Voigt das alte Schloss erreichte. Kies knirschte unter den Reifen seines Autos, als er durch den Park mit dem alten Baumbestand fuhr und schließlich vor dem Gebäude parkte. Schwungvoll stieg er aus und betrat voller Vorfreude das ehrfürchtige Gemäuer.

An den stuckverzierten Wänden hingen großformatige Gemälde, die durch geschickte Beleuchtung optimal in Szene gesetzt wurden. Die Kunstausstellung war gut besucht: Männer in schicken Anzügen und Frauen in eleganten Kleidern schlenderten umher, bestaunten die Bilder und diskutierten über Kunst, manche mehr, andere weniger fachkundig. Auch ein paar Reporter konnte Richard ausmachen. Kellner trugen Tabletts mit Champagner und Häppchen herum.

Er schnappte sich eines der Gläser, wechselte ein paar Worte mit einigen Bekannten und wandte sich dann den Bildern zu.

Richard hatte keine allzu hohen Erwartungen gehabt, denn weder kannte er die Künstlerin, noch war er leicht zu beeindrucken. Doch nun konnte er nicht anders, als über die faszinierenden Werke zu staunen. Bewundernd folgte sein Blick den kraftvollen Pinselstrichen. Die Bilder strahlten eine Energie aus, die ihn sofort gefangen nahm und eine Saite tief in ihm zum Klingen brachte.

Vor einem Gemälde, das ihn besonders beeindruckte, blieb er nachdenklich stehen und vergaß ganz die Zeit. Je länger er es ansah, desto mehr Details entdeckte er und desto mehr Interpretationen fielen ihm ein. Er hätte hier ewig stehen bleiben können, ohne sich je zu langweilen.

Eine Frau trat neben ihn, so nahe, dass ihr nackter Arm den Ärmel seines Sakkos berührte. Er konnte beinahe die Hitze ihrer Haut spüren.

»Und, was halten Sie davon?«, fragte sie.

Überrascht sah er neben sich und blickte in zwei wunderschöne graugrüne Augen mit langen Wimpern. Lange blonde Haare umgaben ein ebenmäßiges Gesicht mit hohen Wangenknochen und vollen Lippen. Die goldenen Sommersprossen, die ihre Nase zierten, hatte sie nicht überschminkt. Ihr knielanges schwarzes Kleid war im Vergleich zu denen der anderen anwesenden Damen schlicht und geradezu schmucklos, aber trotzdem oder gerade deswegen stach die Frau aus der Menge heraus. Zweifellos war sie die Schönste im Raum.

»Es ist interessant«, sagte er, nachdem er sie neugierig gemustert hatte. »Ein wenig düster, aber auf jeden Fall faszinierend und vielschichtig. Und wie finden Sie es?«

Die Fremde schürzte nachdenklich die Lippen. »Es ist okay, könnte aber noch viel besser sein. Die Künstlerin muss noch viel lernen. Vielleicht hatte sie ja einen schlechten Tag, als sie es gemalt hat.«

Er zog die Augenbrauen hoch. »Das ist aber ein hartes Urteil. Was würde die Künstlerin denken, wenn sie Sie hören könnte?«

Sie grinste verschmitzt. Ihre Augen funkelten wie die einer Katze. »Oh, wissen Sie, sie würde sich mir anschließen. Ich bin nämlich die Malerin.«

»Oh!«, machte er verdattert. Eine schlagfertigere Antwort fiel ihm in dem Augenblick nicht ein. Verlegen strich er sich über den Bart und überlegte, ob er sie mit seiner Aussage wohl beleidigt hatte. Nahm sie ihm übel, dass er das Bild als düster bezeichnet hatte?

Doch sie warf den Kopf in den Nacken und lachte so frei und unbeschwert, dass auch auf seine Lippen automatisch ein Lächeln trat.

»Nun schauen Sie doch nicht so ängstlich«, sagte sie. »Ich bin nicht beleidigt, im Gegenteil. Ich fühle mich geschmeichelt.«

Erleichtert grinste er und streckte dann rasch die Hand aus, als ein Kellner mit einem Champagner-Tablett vorbeiging, um ein Glas für die schöne Malerin zu organisieren. Dankend nahm sie es entgegen und nippte genussvoll daran. Jede ihrer Bewegungen war anmutig und geschmeidig wie die einer Katze.

»Sie sind also Katharina Kaiser?«, stellte er fest.

Sie nickte und sah ihm dabei so neugierig in die Augen, dass er das Gefühl hatte, ihr forschender Blick könnte all seine Geheimnisse lesen. »Nun haben Sie mir aber etwas voraus. Sie wissen meinen Namen, aber ich Ihren nicht.«

»Richard Voigt«, stellte er sich vor und reichte ihr die Hand.

Obwohl ihre Hände schmal und zierlich waren, war ihr Händedruck angenehm fest und selbstbewusst.

»Also … Wie lange malen Sie denn schon?«, fragte er.

Der Blick aus ihren Katzenaugen wurde nachdenklich. »Seit ich denken kann. Aber wissen Sie, was? Ich mache schon den ganzen Abend belanglosen Smalltalk. Ist das nicht furchtbar langweilig?«

»So? Worüber wollen Sie sich denn stattdessen unterhalten?«, fragte er schmunzelnd.

Sie trat noch einen Schritt auf ihn zu, sodass die Spitzen ihrer Sandaletten beinahe gegen seine Schuhe stießen. Federleicht legte sie eine Hand auf seine Brust, und mit einem Mal fiel ihm das Atmen schwer. Ein Hauch ihres Parfums stieg ihm in die Nase – ein herrlich unkonventioneller Duft, der nichts mit den üblichen süßen Blumendüften gemein hatte, die er oft an Frauen wahrnahm. Sie war ihm so nah, dass er die silbernen Sprenkel im Graugrün ihrer Augen erkennen konnte.

»Ich will dich kennenlernen, Richard«, sagte sie freiheraus. Sie hatte einfach begonnen, ihn zu duzen, und das war ihm nur allzu recht. Alles, was mehr Nähe zwischen ihm und dieser wunderschönen Frau schuf, kam ihm gelegen. »Sag mir, was dein größter Traum ist. Was willst du im Leben unbedingt noch erreichen? Was willst du erleben?«

Verwirrt schluckte er: Es war ihr gelungen, ihn aus dem Konzept zu bringen. Normalerweise war er es, der in Gesprächen den Ton angab, doch Katharina schien sich nicht um Konventionen zu scheren. »Ich weiß nicht«, sagte er schulterzuckend. »Es wäre toll, eines Tages Chefarzt zu werden. Ja, ich schätze, das ist wohl mein größtes Ziel im Leben.«

Tadelnd schnalzte sie mit der Zunge. »Das ist nicht dein größter Traum, das sehe ich dir an. Du sprichst bloß das aus, was die Gesellschaft von dir erwartet. Wofür brennst du wirklich?«

Ihre Augen und ihre Stimme übten eine seltsam hypnotische Wirkung auf ihn aus. Als er über ihre Worte nachdachte, fiel ihm mit einem Mal etwas ein, von dem er schon als Jugendlicher geträumt hatte: »Ich will irgendwann nach Kapstadt reisen und mit Haien tauchen«, hörte er sich sagen.

Als sie lächelte, schien die Sonne aufzugehen. »Das gefällt mir. Haie haben mich auch schon immer fasziniert.« Plötzlich griff sie nach seiner Hand und zog ihn einfach mit sich. »Komm, lass uns hinausgehen«, sagte sie. »Hier drin ist es doch furchtbar stickig und langweilig.«

Ohne zu zögern, folgte er ihr. Gemeinsam verließen sie das Schloss und spazierten durch den Park. Das Licht des Vollmonds verlieh der Szenerie etwas Unwirkliches, Magisches und reichte aus, um sich zurechtzufinden.

Als Katharina mit einem Absatz ihrer hochhackigen Schuhe an einem Pflasterstein hängen blieb, stolperte sie gegen Richard. Er fing sie auf, spürte ihren schlanken Körper in seinen Armen und ertappte sich bei dem Wunsch, sie noch länger festzuhalten. Doch sie lachte bloß, zog die Sandaletten aus und lief barfuß weiter.

Immer wieder drehte sie sich lächelnd zu ihm um. Mit dem weit schwingenden schwarzen Kleid, den langen Haaren, den nackten Füßen und dem leichtfüßigen Gang erinnerte sie ihn an eine geheimnisvolle Fee, die ihn immer weiter in ein Märchenland führte. Doch das machte ihm nichts aus – solange ihre schmale warme Hand in seiner lag, wäre er ihr bereitwillig überallhin gefolgt.

Ein leises Rauschen verriet, dass sie sich einem Gewässer näherten. Sie folgten dem Geräusch und erreichten bald einen Springbrunnen, dessen Wasser im Mondlicht silbern schimmerte.

»Wie hübsch«, stellte Katharina leise fest. Sie ließ die Schuhe, die sie in der Hand getragen hatte, einfach achtlos fallen und kletterte über den Rand in den Brunnen. Sie jauchzte, als das kalte Wasser ihre Haut benetzte.

Er hatte gerade noch Zeit, seine guten Lederschuhe auszuziehen, dann stand er auch schon neben ihr im Brunnen. Ausgelassen bespritzten sie einander mit Wasser, ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, dass sie längst erwachsen waren. Anmutig wie eine Elfe drehte sich Katharina dann im Kreis, wandte das Gesicht zum Himmel und schloss genussvoll die Augen.

Bewundernd sah er sie an. Sie war nicht nur die schönste, sondern auch die außergewöhnlichste Frau, die er je getroffen hatte. Ihre Haut und ihre Haare schimmerten im blassen Mondlicht, als wäre sie tatsächlich ein übernatürliches Wesen. Er konnte sie überhaupt nicht einschätzen; ihre unkonventionelle Art verwirrte ihn und zog ihn gleichzeitig unwiderstehlich an. Nie zuvor hatte ihm eine Frau auf Anhieb so sehr gefallen wie sie.

»Du bist schöner als jedes Gemälde«, entfuhr es ihm spontan.

Sie sah ihn an, und ihre Augen strahlten vor Freude. Statt ihm schlicht für das Kompliment zu danken, zog sie ihn an seinem Sakko-Revers näher zu sich und stellte sich auf die Zehenspitzen. Während er sich noch überrumpelt fragte, was sie wohl vorhatte, spürte er plötzlich ihre Lippen auf seinen.

Katharinas Kuss hatte nichts Scheues, Unsicheres an sich. Zärtlich erkundeten ihre Lippen seinen Mund. Er brauchte einen Augenblick, um seine Überraschung zu überwinden, dann handelte sein Körper wie von selbst: Er schlang die Arme um sie und erwiderte den Kuss leidenschaftlich.

Ihre Lippen schmeckten nach Minze und Honig, und es war ihm, als hätte er nie etwas Köstlicheres geschmeckt. Es kümmerte ihn nicht, dass sie einander gar nicht kannten, dass sie mitten in einem Brunnen in einem Schlosspark standen und dass diese Situation absolut verrückt war. All das fühlte sich einfach richtig an. Nirgends wäre er gerade lieber gewesen. Sein Kopf hatte Sendepause, sein Herz übernahm die Führung.

Viel zu schnell war der Moment vorbei. Sie beide atmeten schwer, als sich ihre Lippen voneinander lösten. Stimmen drangen vom Schloss herüber; man suchte offenbar nach der Künstlerin, die heute Abend noch eine kurze Rede über ihre Ausstellung halten sollte.

»Tut mir leid, ich muss weg«, sagte sie und schenkte ihm noch ein Lächeln. »Auf Wiedersehen, Fremder.«

Schon war sie leichtfüßig über den Brunnenrand gestiegen, hatte sich ihre Sandaletten geschnappt und eilte davon. Es dauerte nicht lange, bis die Dunkelheit sie verschluckt hatte.

»Warte!«, rief er ihr hinterher. »Gibst du mir deine Telefonnummer?« Und als er merkte, dass sie ihn gar nicht mehr hören konnte, fügte er leiser hinzu, mehr an sich selbst als an sie gerichtet: »Werden wir uns wiedersehen?«

Sie war so rasch verschwunden wie Cinderella im Märchen, als die Uhr auf dem Ball Mitternacht geschlagen hatte – doch sie hatte nichts hinterlassen, nicht einmal einen gläsernen Schuh. Benommen stand er da, schaute ihr hinterher und fragte sich, ob er nur geträumt hatte oder ob sich das alles wirklich abgespielt hatte. Nur eines wusste er genau: Er musste diese Frau wiedersehen, denn sie hatte ihm das Herz geraubt.

***

Mit seinen nassen Hosenbeinen und Socken war Richard nicht zur Ausstellung zurückgekehrt. Ein paar Minuten war er noch im Park geblieben, hatte die kühle Abendluft tief eingeatmet und darauf gewartet, dass sich sein rasendes Herz beruhigte, bevor er sich auf den Heimweg machte. In dieser Nacht fand er kaum Schlaf, all seine Gedanken kreisten um die schöne Malerin und den unerwarteten Kuss.