Notärztin Andrea Bergen 1336 - Isabelle Winter - E-Book

Notärztin Andrea Bergen 1336 E-Book

Isabelle Winter

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Beschreibung

Fassungslos lauscht Notärztin Andrea Bergen den aufgeregten Ausführungen ihres Mannes Werner, der gerade die Blutanalyse der kleinen Mina Brand aus dem Labor erhalten hat. Das Kind muss sofort behandelt werden, denn es leidet an der gefährlichen Infektionskrankheit Malaria tropica - in weit fortgeschrittenem Stadium!

Doch Minas Mutter Jutta ist für Kinderarzt Dr. Werner Bergen nicht mehr zu sprechen - sie hat allen Schulmedizinern abgeschworen und vertraut nur noch dem selbst ernannten Heiler Jonas und seinen mysteriösen Tropfen! Und nun hat sie ihre kleine kranke Tochter in die Hände dieses Scharlatans gegeben!

Als Andrea und Werner Bergen noch am selben Abend bei Jonas Waldbrecht klingeln, ist sein Bauernhaus verwaist, und auch von Mina fehlt jede Spur! Doch die Kleine schwebt in akuter Lebensgefahr! Wenn nicht ein Wunder geschieht, ist sie verloren ...

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EPUB

Seitenzahl: 128

Veröffentlichungsjahr: 2017

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Inhalt

Cover

Impressum

Gefährliche Tropfen

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: wavebreakmedia / shutterstock

Datenkonvertierung eBook: Blickpunkt Werbe- und Verlagsgesellschaft mbH, Satzstudio Potsdam

ISBN 978-3-7325-5450-8

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

Noch immer kann ich nicht fassen, dass mein ehemaliger Patient Thomas Meurer gestorben ist. Doch als ich heute mit meinen Sanitätern in sein Haus kam, konnte ich nichts mehr für ihn tun. Niemand wusste, dass Herr Meurer die Chemotherapie im Städtischen Krankenhaus eigenmächtig abgebrochen hatte, um sich von diesem selbst ernannten Heiler Jonas Waldbrecht behandeln zu lassen, der in der Stadt sein Unwesen treibt! Pah, als hätten dessen sogenannten »Wundertropfen« auch nur den Hauch einer Chance – gegen Krebs! Unverzeihlich, was dieser Scharlatan schwer kranken Menschen vorgaukelt!

Und nun habe ich erfahren, dass Jutta Brand ihre kleine Tochter Mina in die Obhut dieses Verbrechers gegeben hat! Das Mädchen leidet seit einer Thailand-Reise an der gefährlichen Malaria tropica und braucht dringend ärztliche Hilfe! Jutta hat sich von diesem Waldbrecht beschwatzen lassen. Doch ich werde nicht zulassen, dass auch noch ein hilfloses Kind wegen dieses skrupellosen Mannes stirbt. Ich weiß noch nicht, wie – aber ich werde diesem Betrüger das Handwerk legen …

Helena Jansen holte ihre Lernunterlagen, den Notizblock und die dicken Fachbücher aus ihrer großen Umhängetasche und stapelte alles auf den Sofatisch.

Sie war gerade in der weitläufigen Villa von Jutta und Fabian Brand angekommen, um auf deren Tochter aufzupassen, während die Eheleute ausgingen. Später, wenn die kleine Mina im Bett war, wollte sich Helena ihren Lernsachen widmen. Während sie dafür alles vorbereitete, versuchte sie, die lauten, aufgebrachten Stimmen auszublenden, die aus der Küche drangen.

»Schon wieder bist du zu spät nach Hause gekommen«, schimpfte Jutta. »Wenn wir es jetzt nicht rechtzeitig zum Restaurant schaffen und unsere Reservierung futsch ist, ist das ganz allein deine Schuld.«

Ihr Mann Fabian blieb ruhig, doch man hörte ihm an, dass auch er angespannt war.

»Ich bin gerade mal fünf Minuten zu spät gekommen, und das auch nur, weil die Schranke bei der Tiefgarage unter dem Büro geklemmt hat und ich erst den Hausmeister rufen musste.«

»Die Schranke, na klar«, höhnte Jutta. »Oder hat dich vielleicht deine neue Kollegin aufgehalten? Diese hübsche Blonde aus der Marketingabteilung? Chantal oder Jaqueline oder wie sie hieß.«

Überrascht lachte Fabian auf, aber es klang kein bisschen amüsiert.

»Du meinst wohl Jenny. Und, nein, mit der habe ich das letzte Mal auf der Firmenfeier gesprochen, auf der du auch warst. Mit der Marketingabteilung habe ich nämlich generell wenig zu tun, und mit Jenny im Speziellen überhaupt nichts.«

»Behaupten kannst du viel«, fauchte Jutta. »Aber ich stehe bei deiner Arbeit nicht hinter dir, um dich zu beobachten. Woher soll ich wissen, ob du die Wahrheit sagst? Dass du dauernd so spät nach Hause kommst, spricht jedenfalls Bände, mein Lieber.«

»Ich habe doch jetzt hundert Mal gesagt, dass ich kaum fünf Minuten zu spät war.« Nun wurde auch Fabians Stimme lauter. »Übrigens sitze ich seither herum und warte darauf, dass du dich fertig machst. Und das seit einer geschlagenen halben Stunde, weil du wieder ewig gebraucht hast, um dich für ein Kleid zu entscheiden und dich zu schminken.«

»Jetzt machst du mir deswegen auch noch Vorwürfe?«, fuhr Jutta auf. »Ihr Männer seid doch alle gleich. Einerseits wollt ihr, dass wir Frauen immer perfekt aussehen. Andererseits gebt ihr dumme Kommentare ab, wenn wir einen entsprechenden Aufwand betreiben. Und wenn wir euren Erwartungen nicht mehr genügen? Nun, dann serviert ihr uns für eine Jüngere, Hübschere ab.«

Fabian stöhnte gequält. »Das kann doch unmöglich dein Ernst sein. Zum tausendsten Mal: Ich betrüge dich nicht, habe dich nie betrogen und werde es auch nicht tun. Was um alles in der Welt muss ich machen, damit du mir glaubst?«

»Vielleicht solltest du aufhören, mit dieser Jenny zu flirten«, entgegnete Jutta spitz.

»Nun hör doch endlich mit diesem Mist auf«, presste Fabian hervor. »Wir drehen uns im Kreis, merkst du das nicht? Von deinem ständigen Gezeter bekomme ich Kopfschmerzen.«

»Weißt du, was ich glaube? Deine Kopfschmerzen kommen von einer inneren Blockade. Ja, unbewusst hast du vermutlich ein schlechtes Gewissen, weil du darüber nachdenkst, mich zu verlassen – für eine andere Frau!«

»Du hast ja vollkommen den Verstand verloren«, erwiderte Fabian zornig.

»Und jetzt streitest du wieder sinnlos mit mir herum, dabei müssten wir längst los«, fuhr Jutta unbeirrt fort. »Du weißt, wie überlaufen die Trattoria Angelo ist. Wenn wir nicht bald auftauchen, geben sie unseren Tisch einem anderen Paar!« Ihre Stimme wurde mit jedem Wort lauter und schriller.

Kurz war es still, dann fragte Fabian mühsam beherrscht: »Willst du überhaupt ausgehen? Auf mich machst du nämlich nicht den Eindruck, als hättest du Lust auf einen schönen, romantischen Abend.«

Das plötzliche Klirren von zerbrechendem Porzellan ließ Helena zusammenzucken. Mit gesenktem Kopf starrte sie auf ihre Bücher auf dem Wohnzimmertisch hinab und wünschte, die beiden Eheleute würden endlich aufhören zu streiten. Hatte Jutta gerade ernsthaft mit Geschirr geworfen?

Die Glasplatte des Tisches zeigte Helena ihr Spiegelbild: die großen bernsteinfarbenen Augen, die weichen schokoladenbraunen Locken, die ihr bis weit über die Schultern fielen. Ihre rosigen Lippen, die sonst meist lächelten, waren jetzt zu einem schmalen Strich zusammengepresst.

Helena wollte nicht lauschen, aber Jutta und Fabian waren so laut, dass es sich nicht vermeiden ließ. Unfreiwillig wurde sie zur Zeugin des handfesten Ehestreits – wie so oft in letzter Zeit. Bei den Brands schien immer häufiger der Haussegen schief zu hängen.

»Was soll das heißen?« Jutta schluchzte nun. »Warum fragst du das? Willst du den Abend etwa lieber mit einer anderen verbringen? Mit Jenny vielleicht?«

Helena rieb sich mit der Hand über die Stirn. Sie konnte sich gut vorstellen, dass Fabian Kopfschmerzen bekam, denn sogar bei ihr kündigte sich allmählich ein Pochen hinter den Schläfen an. Juttas Stimmungsschwankungen waren wirklich schwindelerregend! Fabian bewies eine Engelsgeduld, fand Helena, doch mittlerweile schien er von den ständigen Zickereien seiner Frau genug zu haben.

Als sie bemerkte, dass Mina ins Wohnzimmer getapst kam, sprang Helena eilig auf.

»Hallo, kleine Maus«, sagte sie sanft und hob das blond gelockte Mädchen hoch. »Ich passe heute Abend wieder auf dich auf, ist das nicht toll? Wollen wir ein bisschen spielen?«

Schnell trug sie die Kleine die Treppe hoch zum Kinderzimmer. Mina sollte nichts vom Streit ihrer Eltern mitbekommen. Sie wirkte schon bedrückt genug.

»Was möchtest du denn spielen?«, fragte Helena freundlich.

»Weiß nicht«, war die gemurmelte Antwort. Minas himmelblaue Augen blickten traurig drein.

»Du hast doch eine neue Barbie-Puppe bekommen, nicht wahr? Möchtest du sie mir zeigen?«, versuchte sie, Mina abzulenken.

Das zauberte nun doch ein Lächeln auf die Lippen des kleinen Mädchens. Schnell kramte Mina in ihrer Spielzeug-Schublade nach der geliebten Puppe, um sie Helena zu zeigen.

Helena seufzte. Es gefiel ihr gar nicht, in letzter Zeit so oft mit den Ehestreitigkeiten der Brands konfrontiert zu sein. Das erinnerte sie unangenehm an ihr eigenes Elternhaus, wo es ständig Auseinandersetzungen gegeben hatte. Aber als Babysitterin zu kündigen kam trotzdem gar nicht infrage.

Erstens war sie finanziell auf den Nebenjob angewiesen, um ihr Studium zu finanzieren. Jutta und Fabian waren sehr großzügig. Zweitens, und das war der wichtigere Grund, wollte sie Mina nicht verlassen. Das süße kleine Mädchen, das aussah wie ein Engel, war ihr längst ans Herz gewachsen.

Als sich die Kinderzimmertür öffnete, blickte Helena hoch. Ihr Herz schlug höher, sobald sie Fabian erblickte. Innerlich verfluchte sie sich für diese Reaktion: Er war ein verheirateter Mann! Begriff ihr dummes Herz nicht, dass er tabu war? Und selbst wenn er nicht mit Jutta verheiratet wäre, würde Helena einfach nicht in seiner Liga spielen. Sie war doch nur eine mittellose Studentin, die sich mehr schlecht als recht durchschlug. Er hingegen war ein erfolgreicher Geschäftsmann, wohlhabend, weltgewandt und unverschämt attraktiv.

Jetzt gerade war er aber nur ein trauriger, erschöpfter Ehemann und Familienvater. Er versuchte, es vor ihr zu verbergen, doch sie merkte ihm an, dass ihn der Streit mit Jutta mitgenommen hatte. Sogar seine grünen Augen, die sonst so intensiv wie zwei Smaragde strahlten, wirkten jetzt blass und verwaschen. Seine schwarzen Haare waren zerzaust, als hätte er unzählige Male ruppig mit den Händen hindurchgestrichen.

Trotzdem sah er so gut aus, dass sich ein Kribbeln in Helenas Bauch ausbreitete. Der gut geschnittene Anzug betonte seine schlanke, sportliche Figur; die waldgrüne Krawatte unterstrich den Farbton seiner Augen. Wie immer, wenn sie ihn sah, dachte sie insgeheim, dass sein Gesicht so schön war, als hätte es ein Künstler entworfen.

»Wir sind dann jetzt weg«, informierte er sie. »Gegen dreiundzwanzig Uhr sind wir wieder zu Hause, denke ich. Du weißt ja, wo du alles findest.«

Sie nickte. »Alles klar«, entgegnete sie leise. In seiner Gegenwart fühlte sie sich immer so schüchtern und nervös wie ein Schulmädchen. »Dann bis später, ich wünsche euch viel Spaß und einen schönen Abend.«

Von Mina verabschiedete Fabian sich mit einem Küsschen auf die Stirn und zerzauste liebevoll ihre hellblonden Haare. Bevor er das Kinderzimmer verließ, um sich mit seiner Frau auf den Weg zum schicken Restaurant zu machen, wandte er sich noch einmal an Helena.

»Tut mir leid.« Die Verlegenheit war ihm deutlich anzumerken. »Ich weiß nicht, ob du die hässliche Szene vorhin mitbekommen hast, aber …« Er räusperte sich. »Na ja, es ist mir sehr peinlich. Entschuldige bitte.«

»Schon okay«, stammelte sie und unterdrückte ein sehnsüchtiges Seufzen, als er die Tür schloss.

***

Erschrocken sah Dr. Andrea Bergen den Patienten an, der vor ihr im Bett lag und kaum bei Bewusstsein war. »Herr Meurer«, rief sie bestürzt aus.

Die Notärztin war mit ihrem Team zu einem Einsatz gerufen worden. Dabei hatte sie nicht damit gerechnet, dass sie den Patienten, dessen Ehefrau den Notruf verständigt hatte, bereits kannte.

Herr Meurer war vor einer Weile im Elisabeth-Krankenhaus wegen seiner Darmkrebserkrankung behandelt worden. Auch wenn er nicht ihr eigener Patient gewesen war, hatte Andrea ihn dort immer wieder gesehen und sich mit ihm unterhalten.

Als er dann nicht mehr zu den Behandlungen aufgetaucht war, hatte sie automatisch angenommen, er hätte den Krebs besiegt, und sich für ihn gefreut. Sie war gar nicht auf die Idee gekommen, sich zu erkundigen, ob sich sein Zustand wirklich gebessert hatte und er wieder gesund war.

Nun wurde ihr jedoch schlagartig klar, dass von Gesundheit überhaupt keine Rede sein konnte. Herr Meurer war so stark abgemagert, dass er an ein Skelett erinnerte. Die wächserne, blasse Haut spannte über seinen eingefallenen Wangen, die Augen lagen tief in den Höhlen. Er atmete schwach und rasselnd. Einmal öffnete er die Augen für einen Moment und schien Andrea wahrzunehmen, dann starrte er wieder ins Leere und verlor kurz darauf das Bewusstsein.

Mit ein paar großen Schritten durchquerte die Notärztin den Raum und eilte zu ihm. Rasch begann sie, ihn zu untersuchen und seine Vitalfunktionen zu kontrollieren.

»Ich dachte, es geht bergauf«, schluchzte seine Frau, eine mollige Dame mit blonden Strähnchen. »Der … der Arzt hat gesagt, mit Akupunktur und Schonkost kann mein Thomas den Krebs besiegen. Er … er hat uns sogar einen genauen Ernährungsplan geschrieben. Und Thomas hat sich streng daran gehalten!«

»Ein Kolonkarzinom lässt sich doch nicht mit Akupunktur und Schonkost heilen!«, rief Andrea entsetzt aus. »Ihr Mann hätte weiterhin seine Chemotherapie gebraucht. Seit wann geht es ihm denn so schlecht? Sie hätten schon viel früher Hilfe rufen müssen!«

Sie wollte die verzweifelte Ehefrau in dieser schlimmen Lage nicht auch noch mit Vorwürfen überhäufen, doch sie war so entsetzt über Herrn Meurers Zustand, dass die Worte einfach aus ihr herausgeplatzt waren. Hatte der Patient tatsächlich auf die Behandlung verzichtet, die er so dringend benötigte? Unwillkürlich schüttelte Andrea den Kopf, während sie fortfuhr, den schwer kranken Mann zu untersuchen.

»Aber im Krankenhaus ging es ihm doch so schlecht!« Frau Meurer rang schluchzend nach Atem. »Erst die Operation, dann diese entsetzliche Chemotherapie. Mein Thomas wurde immer schwächer und schwächer! Einmal hat er gesagt: ›Gerti, diese Chemotherapie bringt mich noch um, wenn es der Krebs nicht tut.‹»Und in einem Anflug von verzweifeltem Trotz fügte sie hinzu: »Der Arzt, zu dem wir dann gegangen sind, hat auch gesagt, so eine Chemo ist das reinste Gift. Wir müssten Thomas’ Körper entgiften, hat er gesagt.«

»Was war das bloß für ein Arzt?«, stieß die Notärztin ungläubig hervor. Ihr schwante Übles.

»Er … er war eigentlich kein zugelassener Arzt«, schniefte die Ehefrau verzweifelt. »Aber … Das hat uns nichts ausgemacht, er hatte doch so viel Ahnung!«

Schockiert schluckte Andrea. Doch jetzt war keine Zeit, über das Wie und Warum nachzudenken. Im Augenblick zählte nur, dass Herr Meurer überlebte.

»Wir müssen ihn so schnell wie möglich ins Krankenhaus bringen, jede Minute zählt«, rief sie Jupp Diederichs und Ewald Miehlke zu.

Der Rettungsassistent und der Rettungssanitäter hatten bereits reagiert und die Trage aus dem Auto geholt, jetzt legten sie dem Patienten einen Zugang, sodass die nötigen Medikamente schnell und effizient verabreicht werden konnten. Das Team war gut aufeinander eingespielt, jeder Handgriff saß. Jeder von ihnen wusste genau, was er zu tun hatte.

In größter Eile bahnte sich Jupp mit dem Rettungswagen seinen Weg durch den Verkehr. Sie schienen förmlich durch die Straßen zu fliegen, auf denen ihnen die anderen Autofahrer dank Blaulicht und Sirene hastig Platz machten. Andrea gab ihr Bestes, um den Patienten zu retten – und doch kam jede Hilfe zu spät.

Kurz nachdem sie losgerast waren, setzte das Herz des Patienten zum ersten Mal aus. Mit intravenös verabreichtem Adrenalin konnte Andrea es wieder zum Schlagen bringen, doch wenig später kam es zu einem weiteren Herzstillstand. Noch bevor sie das Elisabeth-Krankenhaus erreichten, starb Herr Meurer, ohne dass Andrea irgendetwas dagegen tun konnte.

***

Als die Notärztin nach der Arbeit nach Hause kam, versuchte sie, sich nichts anmerken zu lassen. Das Familienleben sollte nicht unter ihrem harten Beruf leiden. Lächelnd begrüßte sie ihre Familie, half ihrer Schwiegermutter Hilde beim Kochen und lobte ihre Tochter Franzi herzlich für die guten Schulnoten.

Kurz darauf kam ihr Mann Werner aus seiner Kinderarztpraxis, die er in einem Anbau der Jugendstilvilla eingerichtet hatte, herüber in die Wohnräume.

»Gerade pünktlich zum Essen«, sagte Andrea schmunzelnd, »und genau eine Minute zu spät, um beim Kochen zu helfen.«

»Da war mein Timing ja wieder perfekt«, antwortete er unschuldig, nahm sie in die Arme und gab ihr einen sanften Kuss.

Erst nach dem Essen, als Franzi sich in ihrem Zimmer an den Rest ihrer Hausaufgaben setzte und Hilde sich mit einem Krimi in ihren Lieblingssessel zurückzog, fragte Werner leise: »Willst du darüber reden? Ich merke dir doch an, dass dich etwas beschäftigt.«

Andrea seufzte. »Merkt man mir das so deutlich an? Ach, Werner, du glaubst nicht, was heute passiert ist. Ein Patient hat die Krebstherapie abgebrochen, die ihm das Leben hätte retten können, und hat sich stattdessen von irgend so einem skrupellosen Scharlatan behandeln lassen.«

Als sie daran dachte, wurde ihr vor Wut ganz übel. Der selbst ernannte Arzt hatte den Meurers nicht nur das Geld aus der Tasche gezogen; mit seinen falschen Versprechungen hatte er Herrn Meurer schlussendlich dem sicheren Tod überlassen. Wie konnte dieser Kerl das mit seinem Gewissen vereinbaren?

Werner sog scharf die Luft ein und schüttelte entsetzt den Kopf. »Der Patient hat es nicht überlebt?«, erkundigte er sich vorsichtig.