Ruheloses Herz - Nora Roberts - E-Book
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Ruheloses Herz E-Book

Nora Roberts

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Beschreibung

Der Rennpferdtrainer Brian Donnelly ist legendär für seine sanften Hände, mit denen er seinen Beruf ausübt. Die Tiere und seine Freiheit bedeuten ihm alles. Auf Royal Meadows soll er nun die aussichtsreichsten Pferde eines vermögenden Züchters trainieren. Kaum dort angekommen, verliebt er sich in Keeley, die Tochter seines Arbeitgebers. Obwohl er sie für viel zu verwöhnt hält. Er, der sich niemals binden wollte, verliert sein Herz. Doch er begeht den Fehler zu denken, dass die wunderbare Frau nicht interessiert ist – und setzt so die Liebe auf’s Spiel.

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Seitenzahl: 332

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Nora Roberts

Ruheloses Herz

Roman

Aus dem Amerikanischenvon Emma Luxx

Wilhelm Heyne Verlag München

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Die Originalausgabe Irish Rebel ist bei Silhouette Books, Toronto, erschienen. Die deutsche Erstausgabe ist im MIRA Taschenbuch erschienen.

Wilhelm Heyne Verlag in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München Copyright © 2000 by Nora Roberts Published by Arrangement with Eleanor Wilder Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2003 by MIRA Taschenbuch in der Cora Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg

Covergestaltung: t.mutzenbach design

1. KAPITEL

Für Brian Donnelly stand fest, dass die Krawatte die Erfindung einer rachsüchtigen Frau war, ein Folterinstrument, mit dem man einen Mann so lange würgen konnte, bis er genug geschwächt war, dass man das Ende packen und ihn hinter sich herzerren konnte. Eine Krawatte zu tragen bedeutete für Brian, dass er ständig das Gefühl hatte zu ersticken, dass er nervös war und sich irgendwie albern vorkam.

Aber in vornehmen Countryclubs mit ihren glatten, auf Hochglanz polierten Fußböden, den Kristalllüstern an der Decke und den Blumenvasen, deren Inhalt aussah, als ob er von der Venus stammte, kam man um eine Krawatte, geputzte Schuhe und ein wichtigtuerisches Gehabe nicht herum.

Er wäre viel lieber im Reitstall gewesen, auf der Rennbahn oder in einem gemütlichen Pub, wo man eine Zigarre rauchen und reden konnte, wie es einem beliebte. Das waren, zumindest in Brians Augen, wesentlich geeignetere Orte, um geschäftliche Angelegenheiten zu besprechen.

Aber Travis Grant hatte ihm immerhin den Flug bezahlt, und der war von Kildare nach Amerika nicht gerade billig gewesen.

Rennpferde zu trainieren hieß, dass man sich in sie hineinversetzen musste, wenn man wirklich gut mit ihnen arbeiten wollte. Menschen brauchte man natürlich auch irgendwie, aber eher am Rande. Countryclubs waren für Reitstallbesitzer und Leute, die sich zum Vergnügen und aus Prestige- oder Profitgründen auf der Rennbahn herumtrieben.

Ein einziger Blick durch den Raum genügte, um Brian zu verraten, dass die meisten der hier Anwesenden noch nie in ihrem Leben einen Stall ausgemistet hatten.

Dennoch, wenn Grant herausfinden wollte, ob er, Brian, sich in einer so feinen Umgebung anständig benehmen konnte, war er verdammt gut beraten, es auch zu tun. Bis jetzt hatte er den Job nämlich noch nicht. Und er wollte ihn.

Royal Meadows war eine der besten Vollblutpferdefarmen nicht nur in dieser Gegend. Sie hatte sich in den letzten zehn Jahren beständig weiterentwickelt, sodass sie mittlerweile zu den besten der Welt gehörte. Brian hatte die amerikanischen Pferde, von denen jedes einzelne eine Augenweide war, in Curragh laufen sehen. Das letzte hatte er erst vor einigen Wochen beobachtet, als das Fohlen, das er trainiert hatte, das Pferd aus Maryland um eine halbe Kopfeslänge geschlagen hatte.

Aber eine halbe Kopfeslänge genügte, um die Siegerprämie einstreichen zu können, von der ihm als Trainer ein Anteil zustand. Darüber hinaus hatte es offenbar auch gereicht, die Aufmerksamkeit des berühmten Mr. Grant auf sich zu ziehen.

Und jetzt war er auf dessen Einladung hin in Amerika in einem eleganten Countryclub, dessen Mitglieder aus den besten Kreisen stammten.

Die Musik fand er öde. Sie machte ihn einfach nicht an. Aber wenigstens hatte er ein Bier vor sich und eine gute Aussicht auf das bunte Treiben. Das Essen war reichlich und genauso übertrieben hergerichtet wie die Leute, die sich am Büfett bedienten. Diejenigen, die tanzten, taten es mit mehr Würde als Begeisterung, was seiner Meinung nach eine Schande war, obwohl man schlecht etwas dagegen sagen konnte, solange die Band nicht mehr Leben in sich hatte als eine Tüte durchweichter Chips.

Trotzdem war es ein Erlebnis, den Schmuck glitzern und das Kristall funkeln zu sehen. Sein letzter Arbeitgeber in Kildare hatte seine Angestellten jedenfalls nicht in den Countryclub eingeladen.

Obwohl der alte Mahan eigentlich ganz in Ordnung gewesen war. Und seine Pferde hatte er weiß Gott geliebt – zumindest solange sie sich am Ende auf dem Siegerpodest stolz aufbäumten. Trotzdem hatte Brian keine Sekunde überlegt und gekündigt, als sich ihm diese Chance hier geboten hatte.

Und wenn er den Job nicht bekam, würde er einen anderen kriegen. Auf jeden Fall würde er eine Weile in Amerika bleiben, und wenn sie ihn bei Royal Meadows nicht nahmen, fand er bestimmt etwas anderes.

Er kam gern viel herum, und er mochte das Gefühl, jederzeit seine Tasche packen und woanders hingehen zu können. Und weil er so viel herumkam, hatte er schon in einigen der besten Reitställe Irlands gearbeitet.

Es gab keinen Grund anzunehmen, dass er in Amerika weniger Glück haben würde. Im Gegenteil. Amerika war ein großes Land.

Er trank einen Schluck Bier, und als er wenig später Travis Grant hereinkommen sah, zog er eine Augenbraue hoch. Er erkannte Grant sofort, ebenso wie seine Frau, die aus Irland stammte und wahrscheinlich ihren Teil dazu beigetragen hatte, dass man ihm dieses Angebot gemacht hatte.

Grant war groß und stattlich gebaut, mit breiten Schultern und dichtem schwarzen, von silbernen Strähnen durchzogenem Haar. Sein markantes Gesicht war von der Sonne gebräunt. Seine Frau, die volles kastanienbraunes Haar hatte, wirkte neben ihm so klein und zierlich, wie er sich eine Fee vorstellte.

Sie hielten sich an den Händen.

Das fand er überraschend, wahrscheinlich, weil er eine so öffentlich zur Schau gestellte Zuneigung von seinen eigenen Eltern nicht kannte.

Hinter ihnen erschien ein junger Mann. Die Ähnlichkeit mit Travis Grant war unverkennbar, und Brian wusste, dass es einer seiner Söhne war, weil er ihn von der Rennbahn in Kildare kannte. Brendon Grant, der offensichtlich auserkoren war, in die Fußstapfen des Vaters zu treten. Und er schien sich in dieser Rolle wohl zu fühlen – genauso wie die schlanke Blondine an seinem Arm.

Die Grants hatten fünf Kinder, wie er in Erfahrung gebracht hatte. Eine Tochter, nach Brendon noch einen Sohn und dann ein Zwillingspärchen. Brian nahm nicht an, dass jemand, der so privilegiert aufgewachsen war wie sie, sich mit dem täglichen Kleinkram, der auf einer Pferdefarm anfiel, befassten. Er ging nicht davon aus, dass sich ihre Wege oft kreuzen würden.

Dann kam sie hereingerauscht … lachend.

Ein seltsames Gefühl erfasste ihn. Einen Augenblick lang sah er nur sie. Sie war zierlich, und sie strahlte übers ganze Gesicht. Selbst aus der Entfernung erkannte er, dass ihre Augen so blau waren wie die Seen in seiner Heimat. Das leuchtend rote Haar, das aussah, als stünde es in Flammen, fiel ihr in großen weichen Wellen über die Schultern.

Sein Herz hämmerte drei Mal hintereinander hart und schnell, dann schien es kurz stillzustehen.

Sie trug ein langes, fließendes blaues Kleid, das einige Farbtöne dunkler war als ihre Augen. Und an ihren Ohren funkelten Brillanten.

Er hatte noch nie in seinem Leben etwas so Schönes, etwas so Perfektes gesehen. Etwas so Unerreichbares.

Weil sich seine Kehle plötzlich staubtrocken anfühlte, hob er sein Bierglas und trank einen Schluck, wobei er verärgert registrierte, dass seine Hand ganz leicht zitterte.

Davon lässt du die Finger, Donnelly, ermahnte er sich. Erlaub dir nicht mal im Traum, daran zu denken. Das musste die älteste Tochter des Meisters sein. Und die Prinzessin des Hauses.

Sobald sie den Raum betreten hatte, gesellte sich ein elegant gekleideter Mann mit vornehmer Sonnenbräune zu ihr. Als Brian sah, wie sie ihm kühl und hochnäsig die Hand reichte, entfuhr ihm ein verächtlicher Ton.

Ah ja, sie war in der Tat eine Prinzessin. Und wusste es auch.

Jetzt kam der Rest der Familie herein, unübersehbar die Zwillinge Patrick und Sarah. Brian wusste, dass sie erst kürzlich achtzehn geworden waren. Die beiden waren ein hübsches Paar, groß und schlank, mit kastanienbraunem Haar. Das Mädchen lachte und gestikulierte lebhaft.

Jetzt drehte sich die ganze Familie zu der Prinzessin um, wodurch – vielleicht absichtlich – der Mann, der gekommen war, um ihr seine Aufwartung zu machen, an den Rand gedrängt wurde. Aber er ließ sich nicht beirren, sondern legte ihr eine Hand auf die Schulter. Sie warf ihm einen Blick zu, lächelte und nickte.

Gleich darauf jedoch trat er – auf ihr Geheiß hin, wie Brian vermutete – einen Schritt beiseite. Eine Frau wie sie war es wahrscheinlich gewohnt, einen Mann mit einem Fingerschnippen wegzuschicken oder herbeizuwinken. Und hatte bestimmt keine Schwierigkeiten, ihn dazu zu bringen, dass er selbst für das beiläufigste Tätscheln mindestens so dankbar war wie der Hund der Familie.

Nach diesen Überlegungen fühlte er sich schon wesentlich sicherer. Er trank noch einen Schluck Bier und stellte daraufhin sein Glas ab. Und entschied, dass jetzt ein ebenso günstiger Zeitpunkt war wie jeder andere, um sich den vornehmen, berühmten Grants zu nähern.

»Und dann hat sie ihm mit ihrem Spazierstock einen Schlag in die Kniekehlen versetzt«, fuhr Sarah lachend fort. »Und er ist mit dem Gesicht voraus in den Ginster geflogen.«

»Bei so einer Großmutter würde ich sofort nach Australien ziehen«, warf Patrick ein.

»Aber Will Cunningham braucht gelegentlich einen Dämpfer. Ich war selbst schon manchmal versucht, ihm einen zu geben.« Delias funkelnde Augen begegneten Brians. »Oh, Sie haben es ja geschafft!«

Zu Brians Überraschung ergriff sie herzlich seine Hände, drückte sie und zog ihn dann in den Kreis ihrer Familie.

»Erfreut, Sie wiederzusehen, Mrs. Grant.«

»Ich hoffe, Sie hatten eine angenehme Reise.«

»Ohne Zwischenfälle, was dasselbe ist.« Da Konversation nicht unbedingt zu seinen Stärken gehörte, wandte er sich jetzt Travis zu und begrüßte ihn mit einer knappen Verbeugung: »Mr. Grant.«

»Brian. Ich habe gehofft, dass Sie es heute Abend noch schaffen. Brendon haben Sie ja bereits kennen gelernt.«

»Ja. Haben Sie auf das Fohlen gesetzt, von dem ich Ihnen erzählt habe?«

»Sicher. Und da es fünf zu eins war, schulde ich Ihnen zumindest einen Drink. Was möchten Sie?«

»Ich nehme noch ein Bier, danke.«

»Aus welchem Teil Irlands kommen Sie denn?«, fragte Sarah. Sie hatte die Augen von ihrer Mutter. Ein warmes Grün und neugierig dreinblickend.

»Aus Kerry. Und Sie sind Sarah, richtig?«

»Richtig.« Sie strahlte ihn an. »Und das ist mein Bruder Patrick und das meine Schwester Keeley. Brady ist schon wieder an der Uni, deshalb sind wir heute Abend nicht ganz vollzählig.«

»Nett, Sie kennenzulernen, Patrick.« Mit einer wohlerwogenen Kopfbewegung wandte er sich Keeley zu. »Miss Grant.«

Sie hob – nicht weniger wohlerwogen – eine dünne Augenbraue. »Mr. Donnelly. Oh, vielen Dank, Chad.« Sie nahm das Champagnerglas entgegen, wobei sie mit der Hand ganz kurz den Arm des Mannes streifte, der es ihr gebracht hatte. »Chad Stuart, Brian Donnelly aus Kerry. Das ist in Irland«, fügte sie trocken hinzu.

»Oh. Sind Sie mit Mrs. Grant verwandt?«

»Nein, diese Ehre habe ich leider nicht. Es gibt immer noch einige, die nicht mit ihr verwandt sind.«

Patrick lachte schallend, was ihm einen tadelnden Blick seiner Mutter eintrug. »Oje, wir stehen wie üblich wieder mal mitten im Weg herum! Wir sollten diese Herde an unseren Tisch treiben. Ich hoffe, Sie leisten uns Gesellschaft, Brian«, sagte Mrs. Grant.

»Möchtest du tanzen, Keeley?«, fragte Chad artig, der mit vorschriftsmäßig angewinkelten Ellbogen vor ihr stand.

»Sehr gern«, sagte sie in Gedanken und trat einen Schritt vor. »Etwas später.«

»Passen Sie gut auf, dass Sie nicht auf den Scherben des Herzens ausrutschen, das Sie eben zerbrochen haben«, sagte Brian, während sie zusammen an den Tisch der Grants gingen.

Sie schaute zu Chad und wieder zurück. »Oh, ich stehe ziemlich fest auf meinen Füßen«, versicherte sie ihm, dann entschied sie sich, zwischen ihren beiden Brüdern Platz zu nehmen.

Weil ihm ihr betörender Duft in die Nase gestiegen war, legte er Wert darauf, sich ihr gegenüber zu setzen. Er lächelte ihr kurz zu, dann begnügte er sich damit, Sarah zuzuhören, die ihn bereits in ein Gespräch über Pferde verwickelt hatte.

Keeley, die an ihrem Champagner nippte, gelangte zu dem Schluss, dass sie sein Aussehen nicht mochte. Er hatte von allem ein bisschen zu viel. Seine Augen waren zu grün, noch grüner als die ihrer Mutter. Man konnte sich gut vorstellen, dass er einen Gegner mit einem einzigen scharfen Blick in die Knie zwingen konnte. Und es war ihm zuzutrauen, dass er sich auch noch daran ergötzte. Sein Haar war dunkelbraun, doch die vielen helleren Strähnen darin verhinderten, dass es ein ruhiger Ton war, außerdem war es so lang, dass es sich über dem Kragen und an den Schläfen kräuselte.

Seine Gesichtszüge wirkten genauso scharf wie seine Augen, mit einer kleinen Einkerbung am Kinn und einem schön geformten Mund, der für ihren Geschmack ein bisschen zu viel Sinnlichkeit ausstrahlte.

Sie fand, dass er eine Statur wie ein Cowboy hatte, langbeinig, hager und muskulös, und dass er für den Anzug und die Krawatte viel zu ungeschliffen wirkte.

Es störte sie nicht, dass er sie ständig ansah. Und auch wenn er es nicht tat, fühlte es sich so an, als ob er es täte. Jetzt begegneten sich zufällig ihre Blicke. Sein Lächeln war so unverschämt, dass sie ihn am liebsten wütend angefaucht hätte.

Weil sie ihm diese Genugtuung nicht geben wollte, stand Keeley auf und schlenderte in Richtung Damenlounge.

Sie hatte die Tür noch nicht ganz geschlossen, als Sarah hinter ihr auftauchte. »Gott! Sieht er nicht umwerfend gut aus?«

»Wer?«

»Also wirklich, Keeley.« Sarah verdrehte die Augen und ließ sich auf einen der gepolsterten Hocker vor dem großen Schminkspiegel sinken. »Wer wohl? Brian natürlich. Ich meine, er sieht doch wirklich toll aus, oder? Diese Augen! Und dieser Mund …! Und dann hat er auch noch so einen knackigen Po! Ich bin nämlich extra hinter ihm hergegangen. Also los, sag schon, was meinst du?«

Lachend setzte sich Keeley auf den Hocker neben sie. »Ich finde dich erstens einfach unmöglich. Und zweitens denke ich, würde Dad ihn postwendend ins nächste Flugzeug nach Irland setzen, wenn er dich so reden hörte. Und drittens meine ich, dass mir bis jetzt weder sein angeblich so knackiger Po noch sonst etwas besonders an ihm aufgefallen ist.«

»Lügnerin.« Sarah überprüfte ihr Aussehen im Spiegel, während ihre Schwester einen Lippenstift aus ihrer Tasche kramte. »Ich habe bemerkt, wie du ihn mit diesem typischen Keeley-Grant-Blick gemustert hast.«

Belustigt gab Keeley, nachdem sie sich die Lippen nachgezogen hatte, den Lippenstift an Sarah weiter. »Na schön, dann sagen wir eben, dass mir das, was ich gesehen habe, nicht besonders gefallen hat. Er ist einfach nicht mein Typ.«

»Meiner schon. Wenn ich nicht nächste Woche aufs College müsste, würde ich glatt …«

»Aber du musst«, sagte Keeley, die plötzlich wegen der bevorstehenden Trennung eine leise Wehmut verspürte. »Außerdem ist er viel zu alt für dich.«

»Ein kleiner Flirt kann nie schaden.«

»Und deswegen flirtest du ständig.«

»Das mache ich nur als Ausgleich, weil du immer die Nummer mit der Eisprinzessin abziehst. Oh, hallo, Chad«, äffte Sarah ihre Schwester nach, wobei sie eine distanzierte Miene aufsetzte und würdevoll mit der Hand wedelte.

Sarahs unflätiger Kommentar brachte Keeley zum Kichern. »Würde ist sicher kein Makel«, meinte Keeley, obwohl ihre Mundwinkel zuckten. »Du könntest auch eine Portion davon vertragen.«

»Deine reicht für uns beide.« Sarah sprang auf. »Ich gehe. Vielleicht schaffe ich es ja, diesen süßen Typ auf die Tanzfläche zu locken. Ich wette, er bewegt sich irre aufregend.«

»Oh ja«, erwiderte Keeley, während ihre Schwester zur Tür hinausschlüpfte. »Das wette ich auch.«

Obwohl es sie natürlich nicht im Mindesten interessierte.

Männer interessierten sie eben einfach nicht besonders. Punkt. Zurzeit jedenfalls nicht. Sie hatte ihre Arbeit, die Farm und ihre Familie. Sie war voll beschäftigt und glücklich. Ab und zu mal unter die Leute zu gehen ist okay, überlegte sie. Ein Abendessen mit einem anregenden Gesprächspartner, toll. Hin und wieder eine Verabredung fürs Theater oder zu irgendeiner Veranstaltung, prima.

Doch alles, was darüber hinausging … nun, um sich darüber den Kopf zu zerbrechen, fehlte ihr einfach die Zeit. Und wenn dies eine Eisprinzessin aus ihr machte, na und? Das Dahinschmelzen überließ sie lieber Sarah. Aber falls Vater Donnelly wirklich einstellen sollte, werde ich ihn und meine Schwester während der kommenden Woche trotzdem gut im Auge behalten, nahm sie sich beim Aufstehen vor.

Sie hatte die Damenlounge kaum verlassen, als auch schon wieder Chad auftauchte und sie um einen Tanz bat. Weil sie immer noch an Sarahs Stichelei mit der Eisprinzessin denken musste, schenkte sie ihm ein so strahlendes Lächeln, dass er sie verblüfft anschaute, bevor er ihr seinen Arm bot.

Brian hatte nichts dagegen, mit Sarah zu tanzen. Welchem Mann würde es keinen Spaß machen, einige Minuten lang ein hübsches junges Mädchen im Arm zu halten und ihrem Geplapper zuzuhören?

Er fand sie irgendwie niedlich. Komischerweise erschien sie ihm gar nicht verwöhnt und war zutraulich wie ein junger Hund. Nach zehn Minuten wusste er, dass sie vorhatte, Tiermedizin zu studieren, irische Musik liebte, sich mit acht den Arm gebrochen hatte, als sie von einem Baum gefallen war, und dass sie ein offenbar angeborenes Talent zum Flirten hatte.

Anschließend tanzte er mit Delia Grant, und es war ein echtes Vergnügen, den vertrauten Klang des irischen Akzents in ihrer Stimme zu hören und den herzlichen Empfang zu spüren.

Er hatte gehört, dass sie vor vielen Jahren nach Amerika und Royal Meadows gekommen war, wo ihr Onkel Patrick Cunnane als Pferdetrainer bei Travis Grant gearbeitet hatte. Und weil sie ebenso wie ihr Onkel ein Talent im Umgang mit Pferden hatte, hatte man sie angeblich als Pferdepflegerin eingestellt.

Doch als sich Brian jetzt mit der zierlichen, eleganten Frau auf der Tanzfläche drehte, tat er diese Geschichten als Märchen ab. Er konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, wie diese Frau einen Stall ausmistete – genauso wenig wie ihre hübschen Töchter.

Der Club war eigentlich gar nicht mal so übel, und gegen das Essen ließ sich auch kaum etwas einwenden, obwohl ein Mann mit einem großen saftigen Steak natürlich besser bedient gewesen wäre. Trotzdem schmeckte es gut und machte satt, auch wenn man sich erst durch alle möglichen exotischen Sachen hindurchstochern musste, bevor man auf irgendetwas Bekanntes stieß.

Obwohl sich der Abend am Ende als nicht so schlimm wie befürchtet herausstellte, war Brian doch froh, als Travis vorschlug, ein bisschen an die frische Luft zu gehen.

»Ihre Familie ist wirklich sehr nett, Mr. Grant.«

»Ja, das kann man wohl sagen. Und sehr laut. Ich hoffe nur, Ihr Gehör hat nicht gelitten, nachdem Sie mit Sarah getanzt haben.«

Brian grinste, aber er war vorsichtig. »Sie ist charmant … und ehrgeizig. Tiermedizin ist eine Herausforderung, besonders wenn man sich auf Pferde spezialisiert.«

»Im Grunde genommen wollte sie schon immer Tierärztin werden. Obwohl sie natürlich ihre Phasen hatte«, fuhr Travis fort, während sie einen breiten, mit weißem Kies bestreuten Weg hinuntergingen. »Balletttänzerin, Astronautin, Rockstar. Irgendwie landete sie dann allerdings doch immer wieder bei Tierärztin. Sie wird mir fehlen, wenn sie nächste Woche aufs College geht. Aber wenn Sie hier in Amerika bleiben, wird Ihre Familie Sie bestimmt auch vermissen.«

»Ich bin schon seit Jahren von zu Hause fort. Falls ich mich hier niederlassen sollte, wird das kein Problem sein.«

»Meine Frau hat Heimweh nach Irland«, erzählte Travis. »Ein Teil von ihr ist immer noch dort, auch wenn sie hier noch so tief verwurzelt ist. Das kann ich gut verstehen. Aber …« Er sprach nicht weiter und musterte Brian eingehend in dem Licht, das aus dem Haus auf den Weg fiel. »Wenn ich einen Trainer einstelle, erwarte ich von ihm, dass er mit dem Kopf und dem Herzen hier in Royal Meadows ist.«

»Selbstverständlich, Mr. Grant.«

»Sie wechseln ziemlich häufig die Stellung, Brian«, fügte Travis hinzu. »Zwei Jahre, manchmal auch drei, dann kündigen Sie.«

»Richtig«, bestätigte Brian ruhig und nickte. »Länger hat es mich bis jetzt einfach noch nirgends gehalten. Aber solange ich in einer Stellung bin, bin ich voll bei der Sache.«

»Das habe ich gehört. Paddy Cunnane will endlich in den Ruhestand gehen, und bis jetzt ist es mir noch nicht gelungen, einen geeigneten Nachfolger für ihn zu finden. Die Idee, Sie zu einem Gespräch einzuladen, stammt von Paddy.«

»Ich fühle mich geschmeichelt.«

»Das sollten Sie auch.« Zu Travis’ Zufriedenheit spiegelte sich auf Brians Gesicht nicht mehr als höfliches Interesse. Er mochte Männer, die ihre Gedanken für sich behalten konnten. »Sobald Sie sich ein bisschen ausgeruht haben, möchte ich Sie bitten, auf die Farm rauszukommen.«

»Ich bin ausgeruht genug. Und ich bin gern in Bewegung.«

»Verstehe.«

»Schön. Dann komme ich also gleich morgen früh bei Ihnen vorbei und schaue mir an, wie Sie die Dinge handhaben, Mr. Grant. Und anschließend können wir uns unterhalten und sehen, ob wir in unseren Vorstellungen übereinstimmen. Sind Sie einverstanden?«

Ganz schön großspurig, der Bursche, dachte Travis und verkniff sich ein Lächeln. Er konnte seine Gedanken ebenfalls für sich behalten. »Ja, keine Einwände. Kommen Sie, gehen wir wieder rein. Ich spendiere Ihnen noch ein Bier.«

»Danke, aber ich glaube, ich verabschiede mich jetzt lieber. Die Nacht ist schnell um.«

»Na schön, dann bis morgen.« Travis gab Brian die Hand und schüttelte sie herzlich. »Ich freue mich.«

»Gleichfalls.«

Sobald er allein war, zog Brian eine schlanke Zigarre aus seiner Brusttasche und zündete sie an, dann stieß er eine dicke Rauchwolke aus.

Paddy Cunnane hatte ihn empfohlen? Dieser Gedanke erfüllte ihn mit Stolz und Nervosität gleichermaßen. Die Behauptung, dass er sich geschmeichelt fühlte, war stark untertrieben gewesen. In Wahrheit hatte es ihn fast umgehauen. Paddy Cunnane war in der Welt der Reitställe eine Legende.

Der Mann trainierte Champions so wie andere Leute frühstückten – mit schöner Regelmäßigkeit.

Brian hatte ihn im Lauf der Jahre einige Male gesehen und nur ein einziges Mal mit ihm gesprochen. Deshalb war er so erstaunt, dass Paddy Cunnane überhaupt Notiz von ihm genommen hatte, auch wenn er nicht gerade an einem Minderwertigkeitskomplex litt.

Travis Grant suchte einen geeigneten Nachfolger für Paddy. Nun, dieses Ziel strebte Brian nicht an, da er nicht vorhatte, über längere Zeit an einem Ort zu bleiben. Obwohl er fest entschlossen war, seine Duftmarken zu hinterlassen, falls Grant ihn einstellte.

Na schön, morgen würde man weitersehen.

Während er den Weg wieder hinaufzugehen begann, registrierte er, dass sich vor ihm Licht und Schatten kurz verlagerten. Gleich darauf sah er Keeley Grant durch eine Glastür auf eine mit Steinplatten belegte Terrasse treten.

Schau sie dir an, dachte Brian. So kühl und einzigartig und perfekt. Sie wirkte, als wäre sie für das Mondlicht gemacht. Oder vielleicht war das Mondlicht ja auch für sie gemacht. In den Falten ihres weich fallenden, langen blauen Kleides spielte der Wind, während sie die Terrasse überquerte. Sie schnupperte an den rost- und butterfarbenen Blumen, die am Rand in einem großen Steinkrug blühten.

Ohne nachzudenken, pflückte er von dem Rosenstrauch neben sich eine Knospe ab und schlenderte damit auf die Terrasse. Als sie Schritte hörte, drehte sie sich um. Über ihr Gesicht huschte ein Ausdruck von Verwirrung, der jedoch so schnell kühler Höflichkeit wich, dass er ihm entgangen wäre, wenn er sie nicht die ganze Zeit angesehen hätte.

»Mr. Donnelly.«

»Miss Grant«, sagte er in demselben förmlichen Ton, dann hielt er ihr die Rose hin. »Diese Blumen da sind ein bisschen zu schlicht für Sie. Die hier passt besser zu Ihnen.«

»Finden Sie?« Sie nahm die Rose entgegen, wahrscheinlich weil alles andere unhöflich gewesen wäre, aber sie schaute sie weder an, noch roch sie daran. »Ich mag schlichte Blumen. Trotzdem danke. Amüsieren Sie sich gut?«

»Es hat mich gefreut, Ihre Familie kennenzulernen.«

Sie taute genug auf, um ihn anzulächeln. »Sie haben noch nicht alle Mitglieder kennengelernt.«

»Wie ich gehört habe, haben Sie noch einen weiteren Bruder, der schon wieder auf dem College ist.«

»Brady, ja, und außerdem sind da noch meine Tante und mein Onkel, Cathleen und Keith Logan, und ihre drei Kinder von der benachbarten Three Aces Farm.«

»Ach ja, ich habe von ihnen gehört. Ich glaube mich zu erinnern, dass sie einige Male bei Pferderennen in Irland waren. Kommen sie nicht in den Club?«

»Doch, normalerweise schon, aber im Moment sind sie verreist. Wenn Sie hier bleiben, werden Sie sie noch ziemlich häufig zu sehen bekommen.«

»Und Sie? Wohnen Sie noch daheim?«

»Ja.« Sie schaute zu dem beleuchteten Clubhaus hinüber und sehnte sich danach, zu Hause zu sein. Die Vorstellung, in diesen heißen, überfüllten Raum zurückzugehen, erschien ihr plötzlich fast unerträglich.

»Die Musik hört sich aus der Ferne besser an.«

»Hm?« Sie machte sich nicht die Mühe, ihn anzusehen, und wünschte sich nur, er möge sie endlich allein lassen.

»Die Musik«, wiederholte Brian. »Wenn sie nicht so laut ist, ist es besser.«

Weil sie seine Meinung uneingeschränkt teilte, lachte sie. »Und wenn man sie überhaupt nicht hört, ist es am besten.«

Überrascht lauschte er ihrem Lachen. Da schwang Wärme mit. Wie warmer Rauch, der einem die Sinne benebelt. Ohne darüber nachzudenken, was er tat, legte er ihr die Hände um die Taille und versuchte, Keeley näher an sich zu ziehen. »Davon verstehe ich nichts.«

Sie erstarrte. Obwohl sie nicht zusammenzuckte, wie es viele andere Frauen in einer derartigen Situation wahrscheinlich getan hätten. Sie stand einfach nur angespannt da.

»Was soll das denn?«

Die eisigen Worte ließen ihm keine andere Wahl, als seinen Griff um ihre Taille zu verstärken. Sein Stolz verbot es ihm, nachzugeben. »Tanzen. Ich habe vorhin gesehen, dass Sie tanzen. Und hier draußen ist es besser als in dem Gewühl da drinnen.«

Vielleicht war sie einverstanden. Vielleicht war sie sogar belustigt. Trotzdem war sie daran gewöhnt, gefragt und nicht einfach gepackt zu werden. »Ich bin extra nach draußen gegangen, um nicht mehr tanzen zu müssen.«

»Das stimmt doch gar nicht. Sie wollten nur dem Trubel entkommen.«

Sie bewegte sich mit ihm im Takt der Musik, weil es sonst wie eine Umarmung ausgesehen hätte. Und Sarah hatte Recht, er bewegte sich wirklich ziemlich aufregend. Da sie hohe Schuhe trug, war sie auf Augenhöhe mit seinem Mund. Und ich selbst habe ebenfalls recht gehabt, entschied sie. Dieser Mund war viel zu sinnlich. Langsam legte sie ihren Kopf zurück, bis ihre Blicke sich trafen.

»Wie lange arbeiten Sie schon mit Pferden?« Sie fand, dass dies ein unverfängliches Gesprächsthema war.

»Irgendwie schon mein ganzes Leben. Und Sie? Reiten Sie selbst auch, oder betrachten Sie die Pferde nur aus der Ferne?«

»Ich kann reiten.« Seine Frage ärgerte sie so, dass sie ihm am liebsten ihre Siegermedaillen und Pokale ins Gesicht geschleudert hätte. »Falls Sie hier bleiben, würde das eine große Umstellung für Sie bedeuten. Ein neuer Job, ein fremdes Land, eine andere Kultur.«

»Ich liebe Herausforderungen.« Irgendetwas an seinem Tonfall, irgendetwas an der Art, wie er seine Hand auf ihrem Rücken spreizte, veranlasste sie, ihn wachsam zu betrachten.

»So jemand zieht nach einer bestandenen Herausforderung oft weiter, schon wieder auf der Suche nach der nächsten. Es ist das Spiel eines Menschen, dem es an Ernst und Verantwortungsgefühl mangelt. Mir sind Leute lieber, die sich dort, wo sie leben, etwas Lohnenswertes aufbauen.«

Das war zweifellos richtig, deshalb hätten ihm ihre Worte eigentlich nicht so einen Stich versetzen dürfen. »So wie Ihre Eltern.«

»Ja.«

»Das ist leicht gesagt, wenn man sich nie etwas mit eigenen Händen aufbauen musste.«

»Mag sein, ich ziehe trotzdem diejenigen vor, die sich mit langem Atem etwas erarbeiten, als die, die ständig nur irgendeine Gelegenheit oder Herausforderung beim Schopf ergreifen.«

»Und Sie glauben, dass ich aus diesem Grund hier bin?«

»Das weiß ich nicht.« Gleichmütig zuckte sie die Schultern. »Ich kenne Sie nicht.«

»Richtig. Aber Sie glauben, mich zu kennen. Der Stallbursche, der dauernd nur nach dem nächsten Pokal schielt, mit Dreck unter den Fingernägeln, der nicht weggeht, egal wie oft er sich auch die Hände schrubbt. Und viel zu weit unter Ihnen stehend, als dass Sie auch nur Notiz von ihm zu nehmen bräuchten.«

Überrascht, nicht nur von den Worten, sondern auch von der Vehemenz, mit der sie vorgebracht worden waren, versuchte sie, einen Schritt zurückzuweichen, aber er hielt sie fest. Ganz so, als hätte er ein Recht dazu.

»Das ist lächerlich. Es ist unfair und unwahr.«

»Es spielt keine Rolle, für keinen von uns beiden.« Er würde es nicht zulassen, dass es eine Rolle für ihn spielte, obwohl sie zu halten in ihm eine völlig irrwitzige Sehnsucht hervorrief, die er unter keinen Umständen dulden durfte.

»Weil ich nicht davon ausgehe, dass wir uns oft über den Weg laufen werden, selbst wenn mir Ihr Vater diesen Job anbieten und ich ihn annehmen sollte.«

Sie sah, dass seine grünen Augen vor Zorn loderten. »Sie irren sich, Mr. Donnelly. Und zwar sowohl in mir und meiner Familie als auch darin, wie meine Eltern ihre Farm führen. Ihre Schlussfolgerungen sind falsch und beleidigend.«

Er musterte sie mit hochgezogenen Augenbrauen. »Frieren Sie, oder sind Sie wütend?«

»Was soll das heißen?«

»Sie zittern.«

»Mir ist kalt«, stieß sie hervor, zornig darüber, dass sie sich so von ihm hatte provozieren lassen. »Ich gehe wieder hinein.«

»Wie Sie möchten.« Er trat einen Schritt beiseite, allerdings ohne ihre Hand loszulassen, und als sie sie ihm entziehen wollte, sagte er mit zur Seite geneigtem Kopf: »Sogar der Stallbursche lernt einige Manieren.« Damit brachte er sie zur Terrassentür. »Danke für den Tanz, Miss Grant. Ich wünsche Ihnen noch einen unterhaltsamen Abend.«

Er wusste, dass es ihn den Job kosten konnte, aber er musste einfach herausfinden, ob hinter dieser Wand aus Eis nicht wenigstens ein kleines Feuer brannte. Deshalb zog er ihre Hand an seinen Mund und streifte mit den Lippen ihre Knöchel. Provozierend langsam, vor und zurück, wobei er ihr tief in die Augen schaute.

Das Feuer loderte ganz kurz auf. Und glomm immer noch tief in ihr, als sie sich von ihm losriss, um sich wieder unter die sogenannte feine Gesellschaft zu mischen.

2. KAPITEL

Es hatte etwas Magisches, wenn das bleiche Licht der Morgendämmerung über den Reitställen heraufzog und sich der Nebel über den Weiden erhob. Das Klirren der Pferdegeschirre und das dumpfe Stampfen der Hufe klang wie Musik, sobald sich Stallburschen, Trainer und Pferde an die Arbeit machten. Es duftete nach Pferden, Heu und Spätsommer.

Brian stellte sich vor, dass die Anhänger wahrscheinlich bereits beladen waren. Bestimmt hatte der Verantwortliche die Pferde bereits ausgesucht, die zu ihrem täglichen Training zur Rennbahn gebracht oder für ein Rennen hergerichtet wurden. Aber auf der Farm gab es andere Arbeit.

Hier mussten verstauchte Knöchel behandelt, Medikamente verabreicht und Ställe ausgemistet werden. Helfer würden im Oval Hürden errichten oder umstellen.

Er entdeckte nichts, das auf etwas anderes als beste Qualität hingedeutet hätte. Da war diese gewisse adrette Ausstrahlung, auf die nicht alle Reitstallbesitzer Wert legten – vor allem nicht, wenn sie Geld kostete. Reitställe, Scheunen, Schuppen, alles war fein säuberlich gestrichen, in einem glänzenden Weiß, mit dunkelgrünen Verzierungen. Die Zäune waren ebenfalls weiß und in perfektem Zustand. Die Weiden, Pferche und Koppeln wirkten so gepflegt wie die Empfangshalle einer renommierten Firma.

Darüber hinaus gab es auch noch Atmosphäre. Wer sich so etwas leistete, war entweder geschäftstüchtig oder reich oder beides. Auf den grünen Hügeln standen wie hingetupft wirkende dicht belaubte Bäume. Inmitten einer von einem weißen Zaun umgebenen Koppel erspähte Brian eine riesige alte Eiche. Die Reitställe weiter hinten wurden durch eine fein säuberlich gestutzte grüne Hecke von der Rennbahn abgegrenzt.

Derartige Bemühungen verdienten Brians Ansicht nach Anerkennung. Sie nutzten den Pferden ebenso wie den Menschen. Sowohl Mensch als auch Tier hatten seiner Erfahrung nach in einer angenehmen Umgebung mehr Spaß an der Arbeit. Bestimmt war die hübsche Pferdefarm der Grants schon in Hochglanzmagazinen abgebildet gewesen.

Und das Wohnhaus sicher auch, überlegte er. Weil es ein beeindruckender Anblick war. Obwohl es vorhin, als er daran vorbeigefahren war, fast noch dunkel gewesen war, hatte er das elegante Steinhaus mit seinen Balkonen und den schmiedeeisernen Verzierungen gesehen. Und mit den schönen großen Fenstern, vor denen sich ein weitläufiges Land ausbreitete.

Über einer großen Garage gab es ein zweites Gebäude, das eine Miniaturausgabe des Haupthauses war. Und dort waren, wie er gesehen hatte, ebenfalls Blumenbeete und Sträucher angepflanzt worden. Und große Schatten spendende Bäume.

Aber ihn interessierten nur die Pferde. Wie sie untergebracht waren, wie sie behandelt wurden. Die Reitställe und alles, was damit zusammenhing, würden in seinen Verantwortungsbereich fallen – wenn man ihm den Job anbot und er ihn annahm. Der Besitzer war einfach nur der Besitzer.

»Bestimmt möchten Sie sich die Ställe anschauen«, sagte Travis, während er mit Brian darauf zuging. »Paddy muss jeden Moment hier sein. Dann sollten wir eigentlich in der Lage sein, Ihre Fragen zu beantworten.«

Brian hatte bereits alle Antworten, die er brauchte, ihm reichte, was er sah. Die Ställe waren von innen ebenso gepflegt wie von außen, mit leicht schräg abfallenden, sauber geschrubbten Zementfußböden. Die Türen der Boxen waren aus massivem Holz, und jede trug ein diskretes Namensschild aus Messing. Stallburschen waren dabei, das alte Stroh auf Schubkarren zu verfrachten und die Boxen mit frischem auszulegen. In der Luft hing ein starker süßer Geruch nach Pferden, Hafer und Einreibemittel.

Travis blieb vor einer Box stehen, in der eine junge Frau sorgfältig den Vorderfuß eines braunen Pferdes bandagierte. »Wie geht es ihr, Linda?«

»Schon viel besser. In einigen Tagen wird sie aus dem Gröbsten raus sein.«

»Eine Verstauchung?« Brian betrat die Box und fuhr dem Jährling mit den Händen über Beine und Bauch. Linda warf ihm einen forschenden Blick zu, dann schaute sie Travis an, der nickte.

»Das ist Bad Betty«, informierte Linda Brian. »Sie rebelliert gern. Sie hat eine leichte Verstauchung, aber das wird sie nicht lange hindern, wieder irgendeine Dummheit anzustellen.«

»Na, du? Bist du eine Unruhestifterin?« Brian nahm Bettys Kopf zwischen seine Hände und schaute ihr tief in die Augen. Und war wie elektrisiert von dem, was er dort entdeckte. Von dem, was er spürte. Hier ist Magie, dachte er. Magie, die sich entfaltete, sobald man die Zauberformel fand.

»Zufälligerweise mag ich Unruhestifter«, flüsterte er.

»Passen Sie auf, sie wird Sie beißen«, warnte Linda ihn. »Besonders wenn Sie ihr den Rücken zudrehen.«

»Du wirst mich doch nicht beißen, Süße?«

Wie um ihn zu provozieren, legte Betty die Ohren flach, und Brian grinste. »Alles klar, verstanden. Wir werden miteinander auskommen, solange ich nicht vergesse, dass du der Boss bist.« Als er ihr mit einer Fingerspitze über den Hals fuhr, schnaubte sie ihn an. »Du bist hübscher, als gut für dich ist.«

Während Linda ihren Vorderfuß fertig bandagierte, redete er weiterhin leise auf Betty ein, wobei er unbewusst ins Gälische verfiel. Das Pferd stellte die Ohren auf und beobachtete ihn jetzt eher interessiert als boshaft.

»Sie möchte laufen.« Brian trat einen Schritt zurück und taxierte die Stute. »Sie ist dazu geboren. Um zu laufen und um zu siegen.«

»Das sehen Sie auf einen Blick?«, fragte Travis.

»Das lese ich in ihren Augen. Sie wollen sie doch bestimmt nicht gleich decken lassen, Mr. Grant. Sie muss erst Rennen gewinnen. Unbedingt.«

Jetzt drehte er Betty absichtlich den Rücken zu, und als die Stute den Kopf hob, schaute er sie über die Schulter hinweg an. »Ich glaube nicht, dass du mich beißen wirst«, sagte er ruhig. Sie maßen sich noch einen Moment mit Blicken, dann warf Betty den Kopf zurück, was man als ein Schulterzucken interpretieren konnte.

Travis ging belustigt einen Schritt zur Seite, um Brian durchzulassen. »Sie terrorisiert die Stallburschen.«

»Weil sie es zulassen, und sie ist wahrscheinlich intelligenter als die meisten von ihnen.« Er deutete auf die gegenüberliegende Box. »Und wer ist dieser würdevolle alte Herr hier?«

»Das ist Prince, ein Sohn von Majesty.«

»Von Majesty von Royal Meadows?«, fragte Brian, während er die Box betrat. In seiner Stimme schwang Hochachtung mit. »Na, Sir, deine beste Zeit ist vorüber, stimmt’s?« Brian fuhr dem betagten Kastanienbraunen sanft über den Kopf. »Seinen Vater habe ich vor vielen Jahren in Curragh laufen sehen, da war ich noch ein Stalljunge. So etwas wie ihn hatte ich bis dahin noch nie gesehen und später auch nie wieder. Mit einem seiner Söhne habe ich später gearbeitet. Er braucht sich seiner Nachkommenschaft nicht zu schämen.«

»Ja, ich weiß.«

Travis führte ihn herum und zeigte ihm die Sattelkammer, den Besamungsstall und die Geburtsställe, die hinter einer Koppel lagen, in der ein Einjähriger an einer langen Leine auf Herz und Nieren geprüft wurde, und dann das Oval, wo gerade ein bildschöner Hengst in Gesellschaft eines wohlerzogenen Wallachs seine Runden drehte.

Bei ihrem Herankommen schaute sich ein drahtiger kleiner Mann mit einer blauen Kappe auf dem Kopf um. Aus einer seiner Taschen baumelte eine Stoppuhr, und auf seinem faltigen Koboldgesicht lag ein fröhliches Grinsen.

»Dann haben Sie die Tour also schon hinter sich? Und wie finden Sie unsere kleine Farm hier?«

»Sehr nett.« Brian streckte eine Hand aus. »Freut mich, Sie wieder mal zu sehen, Mr. Cunnane.«

»Die Freude ist ganz auf meiner Seite, junger Brian aus Kerry.« Paddy erwiderte Brians Händedruck. »Ich habe ihnen gesagt, dass sie Zeus noch nicht laufen lassen sollen, Travis. Ich dachte mir, dass ihr euch das vielleicht ansehen wollt.«

»King Zeus, Sohn von Prince«, erklärte Travis. »Er läuft gut für uns.«

»Er hat Ihnen letztes Jahr den Belmont Stakes geholt«, erinnerte sich Brian.

»Richtig. Zeus läuft gern lange Strecken. Keiths Fohlen hat ihm zwar den Derby weggeschnappt, aber beim Breeder’s Cup war er wieder da. Er ist ein starker Konkurrent und wird Champions zeugen.«

Paddy winkte einen Jockey auf einem prachtvollen Kastanienbraunen heran. Das Fell des Pferdes glänzte dunkelrot in der aufgehenden Sonne, die schneeweiße Blesse auf seiner Stirn hatte die Form eines Blitzes. Er tänzelte zur Seite und bäumte sich auf.

Brian erkannte mit einem Blick, was er für ein Prachtexemplar vor sich hatte.

»Na? Was halten Sie von ihm?«, fragte Paddy.

»Herrliche Form«, war alles, was Brian sagte.

Zweihundert Pfund reines Muskelfleisch auf unwahrscheinlich langen, eleganten Beinen. Ein breiter Rücken, ein schlanker Rumpf, ein prächtiger Kopf. Und Augen, aus denen unbändiger Stolz leuchtete.

»Okay, Bobbie«, sagte Paddy zu dem Jungen. »Es geht los. Und halt ihn nicht zurück. Er kann sich heute ruhig mal ein bisschen ins Zeug legen.« Eine kleine Melodie pfeifend, lehnte sich Paddy gegen den Zaun und zog seine Stoppuhr aus der Tasche.

Die Daumen in die Hosentaschen gehakt, schaute Brian Zeus nach, der auf die Rennbahn zurücktrabte, wo er sich wieder tänzelnd aufbäumte, bis ihn der Junge zur Ordnung rief. Dann stellte sich der Reiter in den Steigbügeln auf und beugte sich über diesen langen, kraftvollen Hals. Einen Moment später schoss Zeus wie ein schimmernder Pfeil vorwärts. Diese langen Beine hoben, streckten, senkten sich, und als er die erste Kurve nahm, flogen sie so, dass die Erdklumpen unter seinen Hufen wegspritzten wie Kugeln.

Der Donner der Hufe hallte in der Luft wider.

Brians Herz hämmerte im selben Rhythmus in seiner Brust. Als Pferd und Reiter kehrtmachten, flog die Mütze des Burschen in hohem Bogen durch die Luft. Paddy brummte zufrieden vor sich hin, als er auf die Stoppuhr drückte.

»Nicht übel«, sagte er trocken und hielt sie hoch.

Brian brauchte keinen Blick darauf zu werfen. Er hatte eine im Kopf und wusste, dass er gerade einen zukünftigen Champion beobachtet hatte.

»So etwas sieht man nicht oft, Mr. Grant.«

»Und er weiß es.«

»Wollen Sie ihn in die Finger bekommen, Junge?«, fragte Paddy.

Man musste wissen, wann man sich nicht in die Karten schauen lassen durfte und wann es klüger war, sie offen auf den Tisch zu legen, und Brian wusste es. »Ja.« Er musste sich zurückhalten. Vor Ungeduld hätte er am liebsten wie ein Pferd getänzelt, als er sich wieder an Travis wandte: »Wenn Sie mir den Job anbieten, nehme ich ihn, Mr. Grant.«

Travis nickte und streckte eine Hand aus. »Gut. Willkommen auf Royal Meadows. Gehen wir einen Kaffee trinken.«

Brian schaute Travis verblüfft nach, während der bereits wegging. »Einfach so?«, murmelte er.

»Er hatte sich schon vorher entschieden«, sagte Paddy. »Sonst wären Sie jetzt gar nicht hier. Travis verschwendet nicht gern Zeit, und zwar weder seine eigene noch die von anderen Leuten. Nach dem Kaffee können Sie zu mir rüberkommen, ich wohne über der Garage. Dann erzähle ich Ihnen ein bisschen mehr über Ihre Arbeit.«

»Ja, gut, bis dann. Und danke.« Leicht benommen beeilte sich Brian, Travis einzuholen.