Sommer der Sehnsucht - Karen Sanders - E-Book

Sommer der Sehnsucht E-Book

Karen Sanders

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Beschreibung

Fünf Geschichten rund um Sommer, Sonne, Leidenschaft!

Folgen Sie uns in den "Sommer der Sehnsucht" und lassen Sie sich von weißen Stränden und fernen Ländern verzaubern...

"Mein zärtlicher Entführer" von Karen Sanders.

Isabel zieht es an einsame Strände, um neue Kraft zu tanken. Da taucht plötzlich ein wildfremder Mann auf und zwingt sie, ihm auf seine Jacht zu folgen. Zunächst ist Isabel völlig verängstigt, doch je länger sie mit ihrem Entführer zusammen ist, desto mehr hofft sie, dass sie nicht so schnell gerettet wird -

"Verliebt, verzaubert, verführt" von Marion Alexi.

Im "Sun Beach Club" auf Gran Canaria wollen Nele und ihre Schwester Tonia einen unvergesslichen Urlaub erleben. Ein Flirt gehört selbstverständlich dazu! Allerdings haben sich beide denselben Mann ausgesucht. Das Objekt der Begierde ist der gestresste Jungmanager Bernd Kreuzer -

"In einer heißen Tropennacht" von Nancy Bennett.

Jan tobt. Eigentlich wollte er mit einem Freund eine Abenteuertour durch Madagaskar machen, wie sie nur harte Männer bestehen können. Doch in letzter Minute sagt Jans Partner ab und verkauft die Reise - ausgerechnet an eine Frau. Aber was für eine Frau! Jan wird es heiß in Maikes Nähe. Und das liegt nicht nur an ihrem aufregenden Aussehen, sondern vor allem an den Erwartungen, die sie mit dieser Reise verknüpft -

"Ein Mann wie ein griechischer Gott" von Andrea Fleming.

Christina verschlägt es den Atem, als sie Jorgos zum ersten Mal sieht. Dass es einen solchen Mann wirklich und wahrhaftig gibt! Groß, schlank, leidenschaftlich - schön wie ein griechischer Gott.

Doch als er sie in seine Arme zieht und küsst, merkt sie schnell, dass dieser "Gott" nur allzu sündige Wünsche hat -

"Insel der verlorenen Träume" von Charlotte Vary.

Halfmoon-Bay auf Jamaika - ein Besitz, von dem viele nur träumen können. Für Daniela wird dieser Traum wahr, als Mr. Sheltenham sie dorthin schickt, um seiner kranken Frau Gesellschaft zu leisten.

Zunächst ist Daniela wie geblendet von der all der Schönheit und dem Luxus - und so übersieht sie die Gefahren, die in diesem Paradies hinter jeder Ecke lauern -

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Inhalt

Cover

Über diese Folge

Über die Autorin

Titel

Impressum

Mein zärtlicher Entführer

Verliebt, verzaubert, verführt

In einer heißen Tropennacht

Ein Mann wie ein griechischer Gott

Insel der verlorenen Träume

Fünf Geschichten rund um Sommer, Sonne, Leidenschaft!

Folgen Sie uns in den „Sommer der Liebe“ und lassen Sie sich von weißen Stränden und fernen Ländern verzaubern …

Über diese Folgen

„Mein zärtlicher Entführer“ von Karen Sanders

Um Ruhe zu finden, zieht es Isabel an einen einsamen Strand. Doch ganz allein ist sie nicht, denn plötzlich taucht ein wildfremder Mann auf und zwingt sie, ihm auf seine Jacht zu folgen. Zunächst ist Isabel völlig verängstigt, doch je länger sie mit ihrem Entführer zusammen ist, desto mehr hofft sie, dass sie nicht so schnell gerettet wird …

„Verliebt, verzaubert, verführt“ von Marion Alexi

Im „Sun Beach Club“ auf Gran Canaria wollen Nele und ihre Schwester Tonia einen unvergesslichen Urlaub erleben. Ein Flirt gehört selbstverständlich dazu! Allerdings haben sich beide denselben Mann ausgesucht. Das Objekt der Begierde ist der gestresste Jungmanager Bernd Kreuzer …

„In einer heißen Tropennacht“ von Nancy Bennett

Jan tobt. Eigentlich wollte er mit einem Freund eine Abenteuertour durch Madagaskar machen, wie sie nur harte Männer bestehen können. Doch in letzter Minute sagt Jans Partner ab und verkauft die Reise – ausgerechnet an eine Frau. Aber was für eine Frau! Jan wird es heiß in Maikes Nähe. Und das liegt nicht nur an ihrem aufregenden Aussehen, sondern vor allem an den Erwartungen, die sie mit dieser Reise verknüpft …

„Ein Mann wie ein griechischer Gott“ von Andrea Fleming

Christina verschlägt es den Atem bei Jorgos’ Anblick. Dass es einen solchen Mann wirklich und wahrhaftig gibt! Groß, schlank, leidenschaftlich – perfekt wie ein griechischer Gott. Doch als er sie in seine Arme zieht und küsst, merkt sie schnell, dass dieser „Gott“ nur allzu sündige Wünsche hat …

„Insel der verlorenen Träume“ von Charlotte Vary

Half Moon Bay auf Jamaika – ein Besitz, von dem viele nur träumen können. Für Daniela wird dieser Traum wahr, als Mr Sheltenham sie dorthin schickt, um seiner kranken Frau Gesellschaft zu leisten. Zunächst ist Daniela wie geblendet von der all der Schönheit und dem Luxus – und so übersieht sie die Gefahren, die in diesem Paradies hinter jeder Ecke lauern …

Über die Autorinnen

Karen Sanders

Ende August feiert die beliebte Autorin ihren 40. Geburtstag mit der Familie und vielen Freunden. Sich selbst bezeichnet sie als „typische Jungfrau“: Sie ist ehrlich, zuverlässig und sehr diszipliniert. So sitzt sie jeden Tag schon ab sieben Uhr am Schreibtisch und schreibt ihre Romane. Als Ausgleich treibt sie viel Sport. Sie reitet und schwimmt.

Marion Alexi

Optisch entspricht sie ganz dem Bild der feinen Hamburger Upperclass-Lady. Die gebürtige Hanseatin lebt mit ihrem Mann in einer vornehmen Jugendstil-Villa, kleidet sich klassisch-elegant und wirkt auf den ersten Blick fast ein wenig kühl. Doch schon auf den zweiten Blick wird einem klar: Marion Alexi ist eine sehr leidenschaftliche Frau. Aus Überzeugung sagt sie: „Als Autorin darf man seine Gefühle nicht zähmen, sondern muss sich ihnen ausliefern.“ Das tut sie, wie ihre romantischen Liebesgeschichten beweisen.

Nancy Bennett

Die Autorin hat sich lange in der Welt umgesehen, bevor sie mit Ende dreißig begann, Romane zu schreiben, die nicht nur bei uns in Deutschland große Erfolge feiern. Neben dem Schreiben engagiert sich Nancy Bennett für den Umweltschutz und für die Rettung des Regenwaldes.

Andrea Fleming

Mit ihrer Golden-Retriever-Hündin Greta spaziert Andrea Flemming täglich zwei Stunden im Berliner Grunewald. Dabei entwickelt sie die Ideen für ihre Romane, die sich durch seltene Handlungsdichte und erregende Dynamik auszeichnen. Andrea Flemming gehört seit vielen Jahren zum Kreis der Spitzenautoren moderner Liebesgeschichten.

Charlotte Vary

Seit vielen Jahren ist die beliebte Autorin dem Bastei Verlag ganz eng verbunden. Sie hat schon mehr als hundert Romane geschrieben, und jeder einzelne bürgt für spannende Unterhaltung und ein zu Herzen gehendes Schicksal. Charlotte Vary wohnt im oberbayerischen Rosenheim zwischen Chiemsee und Wendelstein. Wenn die Sonne die Gipfel der Alpen kurz vorm Untergehen noch einmal zum Glühen bringt, spürt sie ein tiefes Glücksgefühl.

Karen Sanders – Marion Alexi – Nancy Bennett – Andrea Flemming – Charlotte Vary

BASTEI ENTERTAINMENT

Digitale Originalausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

Copyright © 2015 by Bastei Lübbe AG, Köln

Titelgestaltung: © shutterstock/Netfalls – Remy Musser

E-Book-Erstellung: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-1529-5

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Mein zärtlicher Entführer

Karen Sanders

Die schöne und reiche Isabel zieht es in eine einsame Bucht, um über ihre gescheiterte Beziehung hinwegzukommen. Aber ganz allein ist sie nicht, denn eines Abends, kurz vor Sonnenuntergang, geschieht das Schreckliche: Wie aus dem Nichts taucht ein gefährlich wirkender Mann vor ihr auf und zwingt sie mit einem Messer, ihm in sein Boot zu folgen.

Zunächst ist Isabel völlig verängstigt, doch je länger sie mit ihrem Entführer zusammen ist, desto mehr hofft sie, dass sie nicht so schnell gerettet wird …

Isabel stand auf dem Balkon ihrer Hotelsuite und blickte hinaus auf das Meer, über das sich die dunkelrote Sonne senkte. Jetzt am Abend verließen die Badelustigen den Strand. Die Urlauber, meist Familien mit Kindern oder verliebte Pärchen, kehrten in ihre Hotelzimmer zurück, um sich für das Dinner vorzubereiten.

Nach dem langen, heißen Tag kam eine leise Brise auf und kündete vom Ende der Sommerzeit. Bald würden die ersten Herbststürme über das Meer toben. Die Saison ging zu Ende.

Isabel legte sich einen leichten Chiffonschal um und setzte ihre Sonnenbrille auf. Sie konnte es kaum erwarten, ihre exklusive Suite zu verlassen, in der sie sich die meiste Zeit des Tages über aufgehalten hatte und die sie langsam wie ein Gefängnis empfand.

Der Portier in der Hotelhalle blickte auf, als sich die Fahrstuhltür öffnete und Isabel hinaustrat. Fast hätte er seine Uhr nach ihr stellen können. Unauffällig wie immer, trat die junge Frau an den Tresen und gab ihren Zimmerschlüssel ab. Sie trug ein kniekurzes blaues Kleid, und ihre Füße steckten in flachen Sandaletten.

Das lange, offene Haar fiel ihr ins Gesicht, das zum Großteil von der Sonnenbrille verdeckt wurde. Um ihren Mund mit den sanften, vollen Lippen lag wie immer die Andeutung eines Lächelns, als sie das „Buonasera“ des Portiers zurückgab.

Zuerst hatte der Mann noch versucht, mit ihr zu plaudern, doch da die Signorina mit dem traurigen Lächeln nie darauf einging, unterließ er es bald.

Während er ihr nachsah und ihren leichten, anmutigen Gang bewunderte, bemerkte er nicht den Hotelgast, der sich aus seinem Sessel mit der hohen Rückenlehne erhob und die Zeitung, hinter der er sich bisher verborgen hatte, beiseitelegte.

Nikolaos war Halbgrieche, und das Bild der jungen Frau, die einsam am Strand von Caorle entlangschlenderte, blieb nicht ohne Wirkung auf ihn.

Der Wind zauste in ihrem Haar, über das die untergehende Sonne einen rötlichen Schimmer legte. Sie war klein und zierlich, fast wie ein Kind.

Entschlossen wischte Nikolaos seine Zweifel beiseite. Dieses Mädchen war nicht hilflos und schon gar nicht unschuldig.

Er löste sich aus dem Schutz eines Schattens und überließ das Mädchen dem Schicksal, das er ihr zugedacht hatte …

***

Es war still – bis auf das Rauschen der Wellen, die an das Ufer schwappten und von dem gewaltigen Sog des Meeres wieder zurückgezogen wurden.

Isabel schloss für einen Moment die Augen und holte tief Luft. Mit all ihren Sinnen nahm sie ihre Umgebung wahr – den frischen, belebenden Duft, die sanfte Berührung der Meeresbrise. Die schmerzenden, tobenden Gefühle, die ihr jeden klaren Gedanken raubten, fanden endlich Ruhe.

Sie nahm die Brille ab und strich mit einem Finger über ihre Wange. Als hätte sie sich verbrannt, zuckte sie zurück.

Die Vergangenheit holte sie ein und haftete wie eine klebrige Masse an ihr, die sich nicht abschütteln ließ. Sie war in das heiße, glutvolle Italien gekommen, um zu vergessen. Aber eigentlich war es ihr Vater gewesen, der sie hierher verbannt hatte.

Isabel näherte sich den auslaufenden Wellen, die sich mit zarten Schaumkronen über den Sand ergossen.

Die Sonne tauchte blutrot in das Meer ein. Bald würde sie endgültig vom Horizont verschwunden sein, und Dunkelheit würde sich über das Land ausbreiten. Die Nacht würde klar und wolkenlos sein, aber ohne Mond, und das Sternenlicht bot einen trügerischen Schein.

Isabel fürchtete sich nicht vor der hereinbrechenden Finsternis. Ihr allabendlicher Spaziergang war wie Balsam für ihre Seele. Ein kurzes Stück noch wollte sie am Strand entlanggehen, bevor sie umdrehen und in ihr Hotel zurückkehren würde.

Als ein Fischerboot unweit von ihr am Ufer anlegte, setzte sie die dunkle Brille wieder auf. Zwei Männer bargen die Beute ihres Fischfangs.

Als hätte ein eisiger Finger sie berührt, kroch Gänsehaut an ihren Armen empor. Von einer unguten Vorahnung beschlichen, machte Isabel kehrt. Der Sand dämpfte jeden Schritt unter ihren Füßen.

Viele Male war sie hier entlanggegangen, doch nie zuvor hatte ein Fischerboot an dieser Stelle festgemacht.

Waren es überhaupt Fischer? Weshalb legten sie nicht am Hafen an?

Ein seltsames Prickeln in ihrem Nacken warnte sie. War da nicht ein leises Geräusch hinter ihr? Alarmiert wollte Isabel zu laufen beginnen. Doch zu spät: Eine Hand fasste nach ihrer Schulter und riss sie grob herum.

Mit einem erschreckten Aufschrei starrte Isabel in das tief gebräunte Gesicht des Mannes. Sie hörte ein Klicken und zuckte zusammen, als eine lange, blanke Klinge direkt vor ihren Augen aus dem Klappmesser sprang. Instinktiv wollte sie zurückweichen, aber die Finger gruben sich hart in ihr Fleisch und hielten sie fest.

Die Lippen des Mannes verzogen sich zu einem lüsternen Grinsen.

„Still!“ Er setzte das kühle Metall an ihren Hals, dort, wo ihre Schlagader wild pochte.

Isabel schluckte trocken. Sie fühlte sich wie gelähmt. Nackte Furcht kroch in ihr empor und erfüllte sie mit Panik. Ihre Knie wurden butterweich, und selbst wenn eine Möglichkeit bestanden hätte, wäre ihr die Flucht nicht gelungen.

Wie Feuerfunken stoben ihre Gedanken durcheinander, formten endlich einen klaren Satz: „Sie können mein Geld haben … meine Handtasche …“

Ein scharfer Schmerz jagte durch ihre Schulter. Der Fremde hatte sie herumgeschleudert, ihren Arm gepackt und ihn auf ihrem Rücken verdreht.

„Bitte!“, stammelte sie. „Oh, bitte …“

„Halt den Mund, dann wird dir nichts geschehen!“

Isabel biss sich auf die Lippen, um ihr leises Wimmern zu unterdrücken. Doch ein roher Stoß brachte sie endgültig zum Schweigen.

Sein Zungenschnalzen klang unangenehm nah an ihrem Ohr, bevor er sie zu seinem Boot drängte.

Isabel stolperte den Strand entlang. Der Kerl wollte sie nicht ausrauben, das stand fest. Aber was sonst mochte er mit ihr vorhaben? Ein schrecklicher Gedanke drängte sich ihr unweigerlich auf. O nein, nur das nicht! Lieber wollte sie sterben.

„Nein! Lassen Sie mich!“, begehrte sie auf und vergaß für einen Moment jegliche Furcht. Mit aller Kraft riss sie sich von ihrem Peiniger los und schlug nach ihm, als er sie wieder einfangen wollte.

Der Mann murmelte eine Verwünschung, bevor er wieder nach ihr griff. Gegen ihn kam sie nicht an. Hilflos fiel sie auf die Knie, und sofort riss er sie wieder empor. Brennender Schmerz fuhr durch ihren Arm, und Isabel stöhnte auf.

Erbarmungslos schleifte er sie zu dem Boot, wo sein Kumpan, geduckt an den Rudern, wartete und ihr mit blitzenden Zähnen entgegengrinste.

Als Isabel sich weigerte, freiwillig in das Boot zu steigen, versetzte er ihr einen harten Schlag.

Unsanft landete sie auf den Brettern des Bootes. Es schwankte, als der Kerl es vom Ufer abstieß und selbst hineinsprang. Sein Freund legte sich in die Riemen, und sie bewegten sich hinaus aufs offene Meer.

O Gott, sie war verloren!

„Hilfe! Hilfe!“ Ihr Schrei hallte grell durch die Nacht.

Schimpfend griff ihr Entführer nach ihr, riss sie an ihren Haaren hoch und lachte nur über ihre Schmerzenslaute.

Er presste seine grobe, übel riechende Hand auf ihren Mund. Isabel wurde schwindlig. In ihrem Kopf summte es, und sie war halb besinnungslos vor Angst.

Inzwischen war die Sonne untergegangen, und Dunkelheit hüllte sie ein. Isabel fühlte sich vollkommen desorientiert, als habe sie jemand in einen schwarzen, schwerelosen Raum geworfen, in dem sie nun haltlos umhertrieb.

Die Stimmen der beiden Männer, die sich belustigt miteinander unterhielten, nahm sie kaum wahr. Doch als einer von ihnen auflachte, fuhr sie erschrocken zusammen. Sie mussten schon ein ganzes Stück auf das Meer hinausgetrieben sein, denn anscheinend war es jetzt nicht mehr nötig, sich ruhig zu verhalten.

Die Hoffnungslosigkeit trieb ihr die Tränen in die Augen. Ihr Magen krampfte sich zusammen, und sie würgte vor Übelkeit.

Der Mann fluchte und schob sie beiseite, damit sie sich über den schwankenden Kahn hinaus übergeben konnte.

Ermattet und gedemütigt ließ sich Isabel zu den Füßen ihrer Entführer sinken. Ihre Finger krallten sich an den feuchten Holzplanken fest, und da spürte sie ihre Sonnenbrille, die herabgefallen war, als man sie in das Boot gestoßen hatte. Ihre Finger tasteten über das Glas, und sie stellte erleichtert fest, dass es nicht zerbrochen war.

Mit zitternden Händen setzte sie die Brille auf. Wie ein Igel rollte sie ihren bebenden Körper zusammen. Die Sinne wollten ihr schwinden.

Irgendwann wurde ihr undeutlich bewusst, wie sie von starken Armen aus dem Boot gehoben wurde.

***

Etwas war anders. Isabel riss die Augen auf, und der Schrecken kehrte mit geballter Macht zurück.

Sie fand sich in einem Raum wieder, der durch ihre getönten Brillengläser stark abgedunkelt wirkte. Unterbewusst fühlte sie ein sachtes Schaukeln und begriff, dass sie sich immer noch auf dem Meer befand.

Was war mit ihr geschehen?

Eine schwarze, bedrohliche Gestalt baute sich vor ihr auf, beugte sich über sie …

Isabel schrie voller Entsetzen. Gleichzeitig rutschte sie von der Koje, stolperte bis zur Wand und sank in einer Ecke zusammen.

„Werden Sie nicht hysterisch!“, fuhr sie eine raue Stimme an. Und nach kurzem Zögern: „Sie haben nichts zu befürchten! Ihr zarter Körper wird von mir unberührt bleiben!“

Seine Worte trieften vor Sarkasmus. Aber Isabel begriff nur, dass ihr das Schlimmste erspart bleiben würde. Nun gut! Alles andere konnte sie ertragen.

Zitternd holte sie Luft und hob ihr Gesicht.

„Und nehmen Sie endlich diese alberne Brille ab. Unter Deck scheint keine Sonne.“

Zögernd richtete Isabel ihren Blick in die Richtung, aus der die Stimme kam. Sie wusste nicht, was sie zu sehen erwartet hatte, ein grausiges Ungeheuer vielleicht. Der Anblick des Mannes, der da inmitten des Raumes aufragte, besänftigte ihre Befürchtungen jedenfalls nicht.

Er hatte die Hände in die Hüften gestemmt und starrte mitleidlos auf sie herab.

Seine Füße steckten in Tennisschuhen, und enge, schwarze Jeans ließen die langen, muskulösen Beine und die schmalen Hüften darunter erkennen. Auch sein Sweatshirt war schwarz. Er hatte die Ärmel hochgeschoben, und Isabel sah kräftige Unterarme. Breite Schultern vervollkommneten das Bild dieses athletisch gebauten Mannes.

Nur kurz schaute sie in sein Gesicht, dann senkte sie entsetzt den Blick.

Markante Züge blieben in ihrem Gedächtnis haften, ein energisches Kinn, hohe Wangenknochen und intensiv funkelnde Augen. Eine Strähne des kurz geschnittenen Haares fiel ihm in die Stirn und unterstrich nur noch seine verwegene Ausstrahlung.

Alles an ihm war dunkel und unheilvoll. Ein schwarzer Schatten. Er verkörperte geradezu das Böse, das über sie gekommen war.

Isabel hatte Angst vor dieser überwältigenden Erscheinung.

Ein geringschätziges Lächeln spielte um seine Lippen.

„Schluss jetzt mit dem Gejammer, darauf falle ich nicht herein. Eine Isabel Franziska Hagenbach verliert nicht so schnell die Kontrolle über sich.“

Isabel war so überrascht darüber, dass er ihren vollen Namen kannte, dass ihr Tränenstrom tatsächlich versiegte. Sein leichter Akzent hatte ihren Namen ein wenig ungewohnt klingen lassen. War er Italiener?

„Woher – woher kennen Sie meinen Namen?“, stammelte sie mit dünner Stimme.

„Ich weiß alles über Sie!“, konterte er überheblich. „Sie können sich also jede Mühe sparen, mir irgendetwas vorspielen zu wollen. Und jetzt stehen Sie endlich auf, und ziehen Sie Ihr Kleid aus!“

„W … was?“ Isabel blieb keine Zeit, um über seine seltsamen Worte nachzudenken. Sein Befehl hallte bedrohlich in ihrem Kopf wider. Ihr Kleid ausziehen? Weshalb sollte sie das tun? Hatte er nicht eben noch versprochen …?

„Das werde ich nicht!“, entgegnete sie mit leiser, aber fester Stimme und machte sich auf eine weitere, schmerzhafte Attacke gefasst.

Als sie es wagte, den Kopf zu heben und ihn anzusehen, musste sie jedoch erkennen, dass er über ihre Reaktion allenfalls belustigt war.

„Aha, die gnädige Frau zeigt Widerspruchsgeist. Doch der ist hier nicht angebracht“, setzte er streng hinzu. „Runter mit dem Kleid! Oder sollte es Ihnen entgangen sein, dass Sie völlig nass und verschmutzt sind?“

Verwirrt strich Isabel mit den Händen über ihr blaues Kleid. Er hatte recht. Überall waren nasse, schmutzige Flecken. Das alte Fischerboot, in dem sie entführt worden war, musste geleckt haben, und sie hatte lange auf den schmierigen Planken gelegen.

„Leider kann ich Ihnen im Augenblick noch keine Kleidung zum Wechseln anbieten, die Ihren Ansprüchen angemessen wäre“, spottete er. „Vorerst muss das genügen!“ Er warf ihr etwas zu, das verdächtig nach einem Herren-Oberhemd aussah. Wahrscheinlich sein eigenes. Spontan hatte Isabel es aufgefangen.

„Sie glauben doch nicht im Ernst, dass ich das anziehen werde?“, entfuhr es ihr.

„Doch, Sie werden“, beharrte er. „Sehen Sie sich doch an! Zitternd und schlotternd wie Espenlaub! Ihr verzärtelter Körper ist nichts gewohnt, aber das wird sich bald ändern. Jedenfalls habe ich keine Lust, die Krankenschwester zu spielen, falls Sie sich erkälten sollten.“

„Aber das hier …“

„Ich entschuldige mich vielmals, dass ich Ihnen nichts Besseres bieten kann – wenigstens im Moment nicht“, unterbrach er sie höhnisch. „Und nun Schluss mit der Debatte. Werden Sie sich freiwillig umziehen, oder soll ich nachhelfen?“

Seine Ankündigung erschreckte sie. Isabel zweifelte keine Sekunde lang, dass er sie wahr machen würde.

Die plötzliche Erkenntnis, dass dieser Mann überaus gefährlich war, ließ sie mit einem Satz aufspringen. Zu schnell … Der Schmerzenslaut entglitt ihr unkontrolliert. Ihr Körper protestierte, und die Beine knickten unter ihr weg.

Isabel wäre ziemlich hart auf dem Boden gelandet, hätte er sie nicht aufgefangen. Aber sie wäre lieber gestürzt, anstatt nun so plötzlich seine unmittelbare Nähe zu spüren.

Ein Schauer raste durch ihren Körper und ein Beben, das nicht von der Kälte oder ihrer Erschöpfung herrührte.

„Nicht …“ Ihre Stimme klang in ihren eigenen Ohren schwach. Wie das Piepsen einer Maus. Isabel verkrampfte sich vor Scham und Schrecken.

Und dann fühlte sie sich emporgehoben. Sie spürte seine Körperwärme, nahm den leichten, männlichen Geruch wahr, empfand die unerwartete Berührung so intensiv …

In ihrem Kopf drehte sich alles. Diese Gefühle wollte sie nicht, denn sie machten sie wehrlos. In einem Anflug von Verzweiflung stemmte sie sich gegen ihn.

Wild warf sie ihren Kopf hin und her, stöhnte auf und schrie dann plötzlich: „Loslassen! Lassen Sie mich los! Verdammt, ich will nicht, dass Sie mich berühren.“

Er hielt sie nur noch fester. Überrascht von ihrem heftigen Aufbegehren drückte er sie an sich. Sie war so klein und zierlich. Und doch versuchte sie ernsthaft, sich gegen ihn zu sträuben. Gerade noch hatte sie wie ein Häufchen Unglück zusammengekauert in ihrer Ecke gehockt, und jetzt wehrte sie sich wie ein wildes Tier.

Nikolaos murmelte auf griechisch besänftigende Worte. Doch erst, als er sie auf die Koje gelegt und aus seinen Armen befreit hatte, beruhigte sie sich.

Isabel zog die Beine an wie ein Kind. Überall waren Schürfwunden und Kratzer zu erkennen, gerötete Stellen von Prellungen. Und auch ihre Arme wiesen rote Abdrücke auf, die von hart zupackenden Männerhänden stammten. Morgen würde sie von blauen Flecken übersät sein. Kein Wunder, dass sie beim Aufspringen vor Schmerzen aufgeschrien hatte.

Nikolaos verwünschte die Fischer, die er beauftragt hatte. Er hätte sich denken können, wie unsensibel sie mit dem Mädchen umgehen würden.

Aber er hatte keinen Grund dafür gesehen, Isabel mit Samthandschuhen anzufassen. Sie hatte es nicht besser verdient. Sie war ihr Leben lang verwöhnt worden. Ein paar Prellungen würden ihr nicht schaden.

Und doch! Er hatte nicht erwartet, sie so völlig aufgelöst zu sehen. Die stolze, elegante Isabel Hagenbach! Nichts weiter als ein kleines, weinendes Mädchen. Und sie war noch so jung. Zwanzig, einundzwanzig vielleicht.

Die Lage, in der sie sich befand, schien sie völlig zu überfordern. Oder spielte sie nur Theater? Glaubte sie, aus der Rolle des hilflosen Mädchens irgendeinen Vorteil ziehen zu können?

Nikolaos gestand sich ein, dass sie damit nicht ganz ohne Erfolg geblieben war. Ihre nur allzu offensichtliche Furcht erregte seinen Beschützerinstinkt. Ihr kleiner, zitternder Körper, den er eben noch in den Armen gehalten hatte, hatte seine Wirkung auf ihn nicht verfehlt.

Mit dieser Wendung hatte er nicht gerechnet. Frauen wie sie waren ihm ein Gräuel. Er musste sich vor Augen halten, wie sie wirklich war: ein kaltblütig berechnendes Luder! Ein verwöhnter Balg!

Nein! Sie sollte sich ruhig fürchten. Das würde ihr nur guttun. Nikolaos würde seine Pläne nicht ändern.

Er sah auf sie hinunter und schüttelte unwillig den Kopf.

„Du ziehst jetzt das Kleid aus“, befahl er ihr unerbittlich. „Das Bad findest du gleich links. Wasch dich! Du bist schmutzig und stinkst!“

Seine groben Worte ließen sie zusammenzucken.

„In fünfzehn Minuten komme ich zurück. Bis dahin solltest du fertig und wieder in der Kajüte sein, ist das klar?“

Er konnte nicht von ihren Augen lesen, ob sie ihn verstanden hatte. Sie trug immer noch die Sonnenbrille, schien sich dahinter zu verstecken. Es juckte ihm in den Fingern, sie ihr vom Gesicht zu reißen. Aber da nickte sie zaghaft, und er gab sich damit zufrieden.

Was er jetzt brauchte, war frische Luft. Das kleine Biest wirkte zu stark auf ihn. Es war gut, sie für einige Minuten allein zu lassen. Sie war gerissen und kämpfte mit allen Waffen. Aber er würde sich von ihrer mädchenhaften Scheu nicht täuschen lassen. Nein, er kannte solche Frauen!

Isabel sah ihm nach, als er die Kajüte verließ und die Tür hinter sich offen ließ. Wenigstens sperrte er sie nicht ein. Noch nicht. Sekundenlang wagte sie nicht, sich zu rühren.

Dann nahm sie vorsichtig die Brille ab, um sich in der kleinen Kajüte umzusehen. Sie war hübsch und zweckmäßig eingerichtet und mit edlen Hölzern verkleidet. Dies war kein alter Kahn, so viel stand fest, aber auch kein großer Luxusdampfer. Ihr Entführer würde es nicht wagen, sie auf einem Passagierschiff unterzubringen.

Ihr Entführer.

Sie schauderte, wenn sie an den Mann dachte.

Dunkel und unheilvoll erschien er ihr. Wie ein Pirat! Ja, das war er: Ein Pirat, der sie gekidnappt hatte. Und jetzt hielt er sie auf seinem Schiff gefangen.

Ob es noch mehr Besatzung gab? Vielleicht die beiden Männer, die sie am Strand überfallen hatten?

Das waren keine guten Aussichten. Isabel legte eine Hand auf ihren Magen, der in Erinnerung an die beiden grobschlächtigen Männer revoltierte. Von diesen Kerlen hatte sie keine Hilfe zu erwarten.

Warum musste gerade ihr das passieren? Hatte sie nicht schon genug durchgemacht? Mit dem festen Vorsatz, allen Männern aus dem Weg zu gehen, war sie nach Italien gekommen. Und jetzt wurde sie schon wieder bedroht.

Das Bullauge war viel zu klein, um sich hindurchzwängen zu können. An Flucht war nicht zu denken. Sie musste die Situation irgendwie ertragen, bis es vorbei war.

Es war sinnvoller, den Befehlen ihres unbekannten Entführers nachzukommen. Auf keinen Fall wollte Isabel seinen Zorn wecken.

Sie erhob sich langsam, schleppte sich aus der Kajüte und blickte kurz in einen großen Raum, der mit einem Esstisch und Stühlen, einer gemütlichen Sitzgruppe, einem Sofa und Regalwänden ausgestattet war. Dies war das Herz des Bootes, der Gemeinschaftsraum.

Der Fremde war nirgends zu sehen, aber Isabel zweifelte nicht daran, dass er den einzigen Ausgang, den Aufstieg zum Deck, gut im Auge behielt. Das Bad lag gleich links neben ihrer Kajüte, aber die Tür dazu ließ sich nicht abschließen, und sie musste sich beeilen, wenn sie nicht wollte, dass ihr Entführer sie womöglich halbnackt aus der kleinen Kammer zerren würde.

Im Spiegel sah sie ihr bleiches Gesicht, und Isabel konnte den Anblick kaum ertragen. Ihre linke Gesichtshälfte zuckte vor Schmerz.

Rasch schlüpfte sie aus ihrem verschmutzten Kleid. Der Fremde hatte recht: Sie stank tatsächlich. Es war der durchdringende Fischgeruch, der von dem Boden des Bootes ausgegangen war. Isabel mochte nicht daran denken, in welchen Abfällen sie gelegen hatte.

Sogar eine Dusche gab es hier, der sie nicht widerstehen konnte. Bald rieselte ihr das Wasser warm übers Haar, das Gesicht und ihren Körper. Es entspannte ihre Muskeln und ihre schmerzenden Glieder.

Mit dem flauschigen Handtuch tupfte sie sich vorsichtig das Gesicht ab. Wieder wagte sie einen Blick in den Spiegel. Sie sah nicht gut aus. Durch das viele Weinen war ihr Gesicht ganz geschwollen, und ihr linkes Auge war stark gerötet und brannte.

Isabel zog ihre Unterwäsche an und das Männerhemd darüber. Mein Gott! Es musste wirklich diesem Pirat gehören, denn es fiel ihr bis zu den Knien herab. Sie krempelte die Ärmel hoch und knöpfte das Hemd bis oben hin zu. Es fühlte sich angenehm auf ihrer geschundenen Haut an, und es roch sauber.

Sein Hemd. Ein wenig glaubte sie seine Gegenwart zu spüren, als sie barfuß in die Kajüte zurücktapste.

Schnell setzte sie wieder ihre dunkle Brille auf. Einen Moment zögerte sie, ob sie im Sessel Platz nehmen und auf ihn warten oder in das Bett kriechen sollte. Das Bett hatte den Vorteil, dass sie sich mit der Decke bis obenhin verhüllen konnte. Und außerdem war ihr kalt.

Sie stand noch unschlüssig mitten im Raum, als die Tür aufgerissen wurde.

Entsetzt starrte Isabel auf den Eindringling. Er balancierte ein Tablett auf einer Hand und musste sich bücken, als er durch den Türrahmen trat. Seine Gestalt füllte die Kajüte bedrohlich aus.

Nur einen Moment lang überlegte Isabel, ob sie nicht doch an ihm vorbeihuschen und ins Freie fliehen konnte. Vom Bullauge aus hatte sie entfernt die Lichter des Hafens erkennen können. Aber selbst wenn es ihr gelingen mochte, mit einem Sprung ins Wasser zu entkommen, der Hafen schien viel zu weit entfernt zu sein, um bis dorthin schwimmen zu können.

„Vergiss es am besten gleich“, warnte er sie, als habe er ihre Gedanken erraten. „Du hast keine Chance!“

Dieser gemeine Kerl! Ob er schon öfter solche Verbrechen begangen hatte? Oder hatte er sich ausschließlich für sie, Isabel, interessiert? Sie war ja eine so leichte Beute gewesen! Es gehörte nicht viel dazu, ein junges Mädchen zu entführen.

„Man wird Sie dafür bestrafen“, platzte sie heraus. „Die Polizei wird Sie finden, und dann kommen Sie ins Gefängnis!“

Nikolaos lachte schallend auf. War sie wirklich so naiv?

„Machen Sie sich nur lustig über mich!“, fuhr sie ihn giftig an. „Ich werde der Polizei eine genaue Beschreibung von Ihnen liefern.“

„Dazu wirst du keine Gelegenheit haben“, entgegnete er leise.

„Was soll das heißen?“ Isabel wurde auf einmal klar, wie dumm es war, so daherzureden. Eines Tages würde er sie freilassen müssen, und dann …

„Ich habe etwas ganz Besonderes mit dir vor“, erklärte er auf einmal. Sein Lächeln bot vielen Spekulationen Raum.

„Sie – Sie wollen mich doch nicht – töten …“ Isabel erstarrte. Wie konnte ihr Entführer sonst sichergehen, dass sie ihn nicht anzeigen würde?

Wieder lachte er auf. „Ich bin kein Mörder!“, versicherte er ihr. „Aber wenn ich dir deine Freiheit wiedergebe, wirst du dir nicht mehr wünschen, Anzeige gegen mich zu erstatten. Nein, das wirst du dir ganz und gar nicht wünschen …“ Er rieb sich das Kinn.

„Was haben Sie mit mir vor?“, hauchte Isabel erschrocken.

„Erst mal, dich zu verarzten“, verkündete er. „Also, leg dich auf das Bett. Am besten, du tust, was ich sage, und machst es uns nicht unnötig schwer. Das ist einmal etwas anderes für dich, nicht wahr? Zu gehorchen, anstatt selbst Befehle zu erteilen und andere Leute herumzukommandieren!“

Wann jemals in ihrem Leben sollte sie das getan haben? Verwundert blickte Isabel zu ihm auf. Ob er sie nicht doch verwechselte? Aber er kannte ihren Namen.

„Also, wird’s bald?“, forderte er sie ungeduldig auf.

Isabel beeilte sich, seinem Befehl Folge zu leisten, ignorierte das ungute Gefühl in ihrem Magen und setzte sich auf das Bett. Er stellte das Tablett neben ihr ab. Aus einer Tasse dampfte es heiß.

„Tee mit Rum!“, erklärte er. „Trink, das wird dir helfen!“

Isabel nippte vorsichtig an dem heißen Getränk. Es war stark und brannte in ihrer Kehle, aber es wärmte sie auf wunderbare Weise und beruhigte sie.

Verwirrt beobachtete sie, wie der Fremde einen Wattebausch tränkte. Als er nach ihrem Bein griff, zuckte sie zurück.

„Na, na.“ Er grinste spöttisch. „Nur mit der Ruhe!“

Isabel biss die Zähne zusammen, als er mit dem Wattebausch vorsichtig über einen Kratzer an ihrem Fußgelenk fuhr. Das kurze Brennen, das die Wunde desinfizierte, war nicht weiter schlimm, wohl aber seine Finger, die warm und stark ihr Gelenk umspannten.

Wie gerne hätte sie sich ihm entzogen! Sie konnte es kaum ertragen, als seine Hand höher wanderte, eine Fingerspitze über die Schürfwunde an ihrem Knie fuhr und er diese dann sorgfältig mit der Tinktur betupfte.

Der Atem stockte ihr fast, als er das Hemd bis zu ihren Schenkeln hochschob.

„Nicht – da habe ich keine Kratzer mehr“, sagte sie atemlos, während sie den Saum des Hemdes wieder nach unten schob.

Er blickte sie amüsiert an und murmelte etwas, das sich verdächtig nach „Schade“ anhörte. Aber Isabel war sich nicht sicher.

„Und jetzt noch die Quetschung an deiner Schulter!“, bestimmte er.

„Das kann ich selbst“, versicherte sie hastig.

„Wie denn?“

Isabel hielt seine Hände fest, als er sich an den Knöpfen ihres Ausschnitts zu schaffen machte. Aber unerbittlich schob er ihre vor Aufregung kalten Finger beiseite.

Schon streifte er das Hemd über ihre Schulter und untersuchte die gerötete Stelle.

„So zarte Knochen“, meinte er. „Eine Männerhand könnte sie zerbrechen wie ein Hühnerbein!“

Isabels Lippen zitterten. Es war ihr kaum möglich, ihre Anspannung zu verbergen. Ein Hühnerbein! Was für ein unverschämter Vergleich!

Sanft strichen seine Finger über die roten Abdrücke.

Mit einer Hand hielt sich Isabel das Hemd am Ausschnitt zu, damit es nicht über ihre Brust rutschte.

Endlich war die Prozedur beendet. Isabel atmete erleichtert auf, als er den getränkten Wattebausch beiseite legte.

Weshalb machte er sich eigentlich die Mühe?

„Wir wollen dich doch unversehrt absetzen, nicht wahr?“, murmelte er leise, als habe er ihre Verwunderung gespürt.

„Absetzen? Sie lassen mich frei?“, fragte sie hoffnungsvoll.

„Nicht so rasch!“, wehrte er ab. „Warum hast du es so eilig? Sieh es doch einmal so: Wir beide unternehmen eine kleine Segeltour durch das Mittelmeer. Anderen Mädchen, die nicht so verzogen sind wie du, würde das sogar Spaß machen!“

Isabel musste schlucken.

„Sie haben mich entführt!“, fuhr sie ihn an. „Wie können Sie da erwarten, dass mir die Situation gefällt? Sie müssen verrückt sein!“

„Hüte deine Zunge, du kleines Biest“, entgegnete er mit tiefer Stimme. „Ich bin nicht einer deiner Anbeter, die dir zu Füßen sinken. Merk dir das!“

Er musste wirklich verrückt sein. Ein Geistesgestörter, der sich an unschuldigen Frauen vergriff. Herrgott! Warum hatte er gerade sie als Objekt seiner seltsamen Begierden ausgewählt?

„Wenn Sie mich freilassen, werde ich keiner Menschenseele etwas über Sie erzählen. Ich werde alles vergessen, das verspreche ich …“

Sein Lachen stoppte ihren eifrigen Redefluss. Es hatte keinen Sinn, ihn anzuflehen. Er schien nur zu genau zu wissen, was er wollte.

„Wie lange wollen Sie mich auf Ihrem Schiff gefangen halten?“, erkundigte sie sich.

„Kommt darauf an“, erwiderte er unbestimmt. „Dies ist übrigens meine Segeljacht: die Persephone.“

„Persephone“, überlegte Isabel. „Eine griechische Göttin.“

„Die Tochter des Zeus und die Gattin des Hades, der sie raubte und zu seiner Herrscherin in der Unterwelt machte.“

Isabel verzog den Mund. Wie bezeichnend für ihn, einen solchen Namen für die Jacht auszuwählen.

„Und mein Name ist Nikolaos. Aber du kannst Nik zu mir sagen!“

Es würde ihr schwerfallen, seinen Namen überhaupt über die Lippen zu bekommen.

„Sie sind kein Italiener?“

„Richtig erkannt! Zur einen Hälfte bin ich Deutscher, so wie du. Aber zur anderen Hälfte Grieche. Die griechischen Männer wissen noch, wie man mit einer Frau umgeht. Also, nimm dich in Acht!“

Wenn er Isabel durch seine Worte noch mehr verunsichern wollte, so hatte er das geschafft. Sie zog die Beine an und rückte von ihm ab.

„Sie haben versprochen, mir nichts anzutun“, sagte sie leise, wobei sie es nicht wagte, ihn anzusehen.

Plötzlich spürte sie seine Finger, die ihr Kinn umfassten.

„Was könnte ich dir denn antun?“ Seine Stimme klang leise und rau. Wenn sie es nicht besser gewusst hätte, hätte sie fast einen zärtlichen Unterton darin vermutet. „Wovor fürchtest du dich am meisten? Ausgeraubt zu werden, gefangen gehalten, geschlagen? Oder … fürchtest du das?“

Sie hatte nicht geahnt, was geschehen würde. Er hatte sich plötzlich über sie gebeugt, und ein Ausweichen war nicht mehr möglich.

Seine Lippen suchten ihren Mund, den sie fest geschlossen hielt. Und obwohl er sie nicht bedrängte, die Berührung nur zart und oberflächlich war, fühlte sie einen Strom unbekannter Empfindungen durch ihren Körper strömen.

Was tat er da? Was hatte er mit ihr vor?

Isabel zuckte zurück, als habe sie eine Schlange gebissen.

Aber er lachte nur. Seine Finger spielten noch immer an ihrem Kinn, sein Daumen liebkoste geradezu aufreizend ihre zarte Haut. Langsam krochen seine Finger höher, berührten ihre Wange, streiften die Brille …

Isabel rückte entschlossen von ihm ab. Schützend legte sie eine Hand über das Brillengestell.

„Warum versteckst du dich hinter den dunklen Gläsern?“, raunte er leise. „Darf ich dir nicht in die Augen sehen? Hast du davor solche Angst, dass du das Ding sogar im Bett trägst?“

Isabel zitterte. „Bitte, ich möchte sie aufbehalten …“

Er nickte und erhob sich von der Bettkante.

„Heute will ich es dir noch nachsehen. Ich schätze, du hast genug durchgemacht. Trink den Tee aus! Der Rum darin wird dir beim Einschlafen helfen. Und keine Angst! Ich werde mich während der Nacht nicht heimlich in dein Bett schleichen, um meine animalischen Bedürfnisse an dir zu befriedigen.“ Er lächelte, als er ihre Verlegenheit bemerkte. „Was für ein scheues Häschen du doch bist. Aber damit täuschst du mich nicht!“

Isabel fühlte sich erleichtert, als er die Kajüte verließ und hinter sich abschloss. Sie hörte, wie sich der Schlüssel im Schloss drehte. Ermattet sank sie in das Kissen zurück. Er hatte versprochen, sie in dieser Nacht unbeschadet schlafen zu lassen, und Isabel glaubte nicht, dass er sein Versprechen brechen würde.

Ob sie es wagen konnte, ihre Brille abzunehmen? Sie tat es und musste die Augen gegen das Licht in der Kajüte zusammenkneifen. Hinter ihrem linken Augenlid pochte es wild. Wenn sie wenigstens ihre Augentropfen gehabt hätte. Aber die waren in ihrer Handtasche, und diese schien während des Überfalls verloren gegangen zu sein.

Ein Gefühl der Hoffnungslosigkeit machte sich in ihr breit. Warum ich?, fragte sie sich. War ihr denn niemals Glück beschieden?

Nik – der Pirat, der Halbgrieche, ihr Entführer – hatte richtig vermutet: Der mit Rum versetzte Tee machte sie müde.

Seufzend löschte Isabel das Licht. Durch das Bullauge fiel nur wenig Licht. Dies war eine dunkle Nacht. Wie gemacht für eine Entführung. Kein Mondschein! Nur trügerisches Sternenlicht …

***

Isabel erwachte mit einem Ruck. Als habe ein Albtraum, an den sie sich jetzt nicht mehr erinnern konnte, seinen Höhepunkt erreicht, wurde sie aus dem tiefen, dunklen Tunnel des Schlafes hinausgeschleudert. Sie war sofort hellwach.

Wie üblich lag sie, ihr Gesicht halb in dem Kissen vergraben, auf dem Bauch. Aber dies war nicht das Bett in ihrem Hotelzimmer.

Die Geschehnisse des vorangegangenen Abends überrollten sie. Deprimiert richtete sie sich auf.

Das Sonnenlicht strahlte hell in die Kajüte. Es musste schon später Morgen sein. Sie hatte lange geschlafen.

Verwirrt sah sie sich in ihrem Gefängnis um. Wo kamen ihre Koffer her?

Ihr Herz tat einen heftigen Schlag.

Auf geheimnisvolle Weise standen plötzlich ihre Koffer in dem Zimmer, was bedeutete, dass jemand sie herbeigeschafft und hereingetragen hatte, als sie noch schlief.

Nik!, schoss es ihr augenblicklich durch den Kopf. War er es gewesen, der leise eingetreten war? Hatte er sie im Schlaf beobachtet? Und – o Himmel – was hatte er gesehen?

Isabel strich sich das Haar aus dem Gesicht, das sie gestern Abend noch gewaschen hatte und das nun völlig verwirrt nach allen Seiten abstand. Einen schönen Anblick musste sie bieten! Aber weshalb kümmerte sie das? Sie sollte froh darüber sein, denn ihr unvorteilhaftes Äußeres würde ihren Entführer von jeder unlauteren Absicht abschrecken.

Und doch! Er hatte sie geküsst. Oder hatte sie das nur geträumt?

Eigentlich war es kein richtiger Kuss gewesen, nur eine flüchtige Berührung seiner Lippen – als wolle er sie dadurch verspotten. Es lag ihm wohl nichts daran, sie richtig zu küssen, und das sollte ihr nur recht sein.

Trotzdem fühlte sie bei diesem Gedanken Schmerz. Kein Mann würde sie mehr küssen wollen, bei ihrem Anblick …

Nun gut! Es war besser so.

Ihre Handtasche! Isabel entdeckte sie, als sie den Blick durch das Zimmer schweifen ließ. Sie lag auf dem Sessel. Ob sie da gestern schon gewesen war und sie es nur nicht bemerkt hatte?

Schnell sprang sie aus dem Bett.

Ihre Augentropfen! Sie fand sie in dem Seitenfach ihrer Handtasche. Ein fast volles Fläschchen. Erleichtert schloss sie ihre Hand darum.

Sie wollte schon wieder ihre Tasche schließen, als sie bemerkte, dass ihr Ausweis fehlte.

Also hatte sie sich doch nicht geirrt. Er musste ihre Handtasche genommen und den Ausweis entfernt haben. Wollte er damit einen eventuellen Fluchtversuch ihrerseits vereiteln?

Sie würde auch ohne Ausweis fliehen, wenn sich nur eine Möglichkeit dafür bieten würde.

Rasch öffnete sie ihre Koffer. Je schneller sie sein Oberhemd abstreifen konnte, desto besser.

Nachdem sie darin geschlafen hatte, war es jetzt völlig zerknittert.

Alles war da, sorgfältig zusammengelegt und eingepackt. Wie war es diesem Teufel nur gelungen, an ihre Koffer zu kommen?

Die Kajütentür war nicht mehr verschlossen. Isabel nahm sich Jeans und Bluse, schnappte sich ihre Toilettenartikel und verschwand in dem kleinen Bad.

Ein leicht herber Duft schwebte noch in dem Raum, und Isabel begriff, dass sie sich das Bad mit Nikolaos teilen musste. Sein Aftershave stand auf der Spiegelablage, sein Rasierapparat lag im Seitenfach.

Es dauerte eine Weile, bis sie ihr Haar entwirrt und gekämmt hatte. Es war lang, hing ihr weit über die Schultern.

Isabel hätte ihr Haar gern zu einem langen Zopf geflochten, unterließ es aber dann. Sie hatte sich angewöhnt, es offen zu tragen. Es fiel ihr in die Stirn und ins Gesicht und bot einen natürlichen Schleier, hinter dem sie sich verbergen konnte.

Verschiedene blaue Flecke verunstalteten ihren Körper. Aber nur an der Schulter verspürte sie noch Schmerzen. Sie vermied es, rasche Bewegungen mit dem Arm zu machen.

Als sie fertig war und sogar ihr Bett gemacht hatte – die Wäsche ließ sich in dem Bettkasten verstauen –, stand sie unschlüssig in ihrer Kajüte.

Was würde als Nächstes geschehen? Ein Blick aus dem Bullauge zeigte ihr, dass sie sich noch immer in Hafennähe aufhielten.

Wenn sie an Deck gelangen könnte, würde es ihr vielleicht möglich sein, ein vorbeifahrendes Schiff oder Motorboot auf sich aufmerksam zu machen. Caorle lag ganz in der Nähe von den Touristenzentren Bibione und Tesolo. Ein reger Schiffsverkehr führte auch zu dem nahe gelegenen Venedig.

Entschlossen trat sie aus ihrer Kajüte.

„Guten Morgen!“

Isabel zuckte zusammen. Natürlich! Wie hatte sie auch nur einen Augenblick daran glauben können, es würde ihr gelingen, unbeobachtet an Deck zu schleichen?

Eine weitere Tür, die Isabel noch nicht bemerkt hatte, ging vom Gemeinschaftsraum ab. Sie stand offen, und dem Raum dahinter, der Kombüse, entströmten verlockende Düfte.

Nik streckte den Kopf heraus. „Endlich ausgeschlafen? Wie wäre es mit einem Kaffee?“

Seine Fröhlichkeit ließ sie nicht darüber hinwegtäuschen, was er wirklich war: ein Verbrecher, ein Kidnapper, der sie in seiner Gewalt hatte.

Zögernd näherte sie sich der Kombüse. Allem Anschein nach war sie komplett mit den modernsten Geräten ausgestattet. Aber Nikolaos maß sich in seinen imposanten Ausmaßen etwas unpassend in dem kleinen Raum aus.

Heute trug er weiße Shorts, die viel von seinen gebräunten, muskulösen Beinen sehen ließen. Und das Achseltop betonte die breiten Schultern.

Unsicher beobachtete sie ihn, wie er in der Küche hantierte. Als er sich ihr zuwandte, wich sie erschrocken zurück.

„Nur mit der Ruhe!“, beschwichtigte er sie. „Hier, dein Kaffee!“

Mit bebenden Fingern griff sie nach der Tasse. Das Getränk duftete verlockend.

„Na, gut geschlafen?“

Sie brachte es einfach nicht fertig, auf seinen lockeren Ton einzugehen. Vorsichtig nippte sie an dem heißen Kaffee.

„Schmeckt er? Kaffeekochen ist eine Kunst, die ich von meinen deutschen Ahnen geerbt habe“, scherzte er. „Es ist doch so, dass ihr eine Nation von Kaffeekennern seid?“

Da stand sie und hörte sich an, wie ihr Entführer über Kaffee plauderte. Was interessierten sie seine Vorlieben? Sie wollte frei sein. Ihm entkommen.

Ohne länger darüber nachzudenken, wie richtig oder falsch es war oder welche Folgen es mit sich bringen konnte, gab Isabel einem spontanen Einfall nach und schüttete ihm das heiße Getränk über die Hose.

Es klappte. Nikolaos schrie auf. Ob vor Schmerzen oder Überraschung – Isabel wartete nicht darauf, es herauszufinden.

Schneller als jemals zuvor in ihrem Leben rannte sie los, aus der Kabine, die Stufen empor, durch die Luke und an Deck.

Sonne, blauer Himmel und das Meer leuchteten ihr entgegen.

Aber ihr blieb keine Zeit, darauf zu achten. Sie hastete zur Reling, beugte sich darüber und schrie aus Leibeskräften.

In der Ferne war ein kleines Segelboot zu sehen, das dem Hafen zustrebte, und Isabel winkte heftig.

Da hörte sie, wie Nikolaos die Stufen emporsprang.

In ihrer Verzweiflung schickte sich Isabel an, über die Reling zu klettern. Sie würde ganz bestimmt nicht ertrinken, sie war eine gute Schwimmerin. Irgendein Kahn würde sie schon aufnehmen, falls sie es nicht bis zum Hafen schaffte.

„Verrücktes Biest!“, zischte Nikolaos.

Isabel schrie auf, als er sie am Arm zu fassen bekam. Unglücklicherweise war es die Seite mit ihrer schmerzenden Schulter. Doch sie achtete nicht darauf, schlug nach ihm und versuchte, sich zu befreien. Mit einem Bein baumelte sie schon in der Luft, und sie wollte sich mit dem anderen abstoßen und ins Wasser springen.

Aber Nikolaos hatte sie unerbittlich gepackt. Ohne Rücksicht zu nehmen, zerrte er sie wieder an Bord. Alles Zappeln und Toben half ihr nichts. Er war stärker als sie – viel stärker …

Verstört blieb Isabel auf den blank polierten Schiffsplanken sitzen. Sie hatte noch nicht begriffen, dass sie verloren hatte, schlug nach ihm und versuchte, ihn zu beißen. Ohne Erfolg!

„Kleiner Dummkopf! Jetzt habe ich aber genug davon.“

Nikolaos versetzte ihr einen Schubs, sodass sie auf den Rücken fiel. Sofort war er über ihr, zwang sie zu Boden und hielt mit einer Hand ihre Arme über dem Kopf gefangen.

„Halt endlich still, du kleiner Satansbraten! Du tust dir nur selbst weh.“

Ihr aufbäumender Körper wurde unbarmherzig von ihm niedergedrückt. Isabel spürte sein Gewicht und war zur Bewegungslosigkeit verdammt.

„Lass mich los!“, begehrte sie auf. „Du Schuft! Du Scheusal! Du ekelhafter, widerlicher …“

„Ja?“

„Pirat!“

„Oh, das ist schon sehr schlimm! Pirat also!“ Er lachte belustigt auf.

„Verbrecher! Kidnapper! Abscheulicher …“

„Seeräuber?“, half er ihr aus.

„Oh – oh …“

Er beugte sich tiefer zu ihr herab. „Du hast mir mein edelstes Teil verbrüht, kleine Hexe. Was glaubst du, was ein Pirat mit dir machen würde? Was soll die Strafe sein? Soll ich dich über Bord werfen? Dich an meinen Segelmasten aufhängen? Hm, mir fällt da noch etwas Vergnüglicheres ein …“

Isabel ging die Luft aus. Seine Worte ließen sie schlagartig zur Ruhe kommen. Was er da andeutete, konnte nur eines bedeuten. Ein eiskalter Schauer rieselte durch ihren Körper. Prüfend blickte sie ihm in die Augen, konnte aber nicht erkennen, ob er es ernst meinte oder nur scherzte.

„Wer hätte gedacht, dass so viel Temperament in dem scheuen Rehlein steckt! Aber was hast du eigentlich mit dieser Aktion bezweckt? Hast du wirklich geglaubt, du könntest mir entwischen? Du musst noch viel lernen. Fangen wir doch gleich mit der ersten Lektion an.“

Seine Fingerspitze tupfte gegen ihr Kinn. Langsam ließ er sie hinabgleiten. Über ihren Hals, die Kehle, zwischen ihren Brüsten hindurch, die sich in wilder Aufregung hoben und senkten, und weiter abwärts.

Erst an ihrem Bauch verhielt er und spannte seine ganze Handfläche darüber.

Dann ging es wieder aufwärts, entnervend langsam schob sich seine Handfläche über jede Rippe empor.

Isabel keuchte, als die Wärme seiner Hand unter ihre Bluse drang.

„Hör auf! Das reicht!“, bat sie.

„O nein, jetzt wird es erst interessant …“

Isabel biss sich auf die Lippen, als seine Hand ihre Brust umschloss.

„Hm, passt ausgezeichnet“, bemerkte er. „Nicht sehr üppig, aber dafür rund und fest.“

Flammende Röte übergoss Isabels Gesicht. Sie war solche Reden nicht gewöhnt. Seine Hand schien die Form ihrer Brust auszukosten, bewegte sich sacht, ohne zuzudrücken oder ihr wehzutun.

„Nimm sie weg!“, schrie sie ihn an.

„Was denn?“

Er wusste natürlich genau, was sie meinte.

„Deine Hand!“

„Warum? Ihr gefällt es da, wo sie sich befindet, ganz gut. Dir nicht?“

„Nein!“

„Lügnerin! Ich spüre doch, wie hart deine kleine Brustspitze geworden ist!“

„Oh …“

„Aber vielleicht hast du recht“, hörte sie ihn sagen und wollte schon befreit aufatmen, als er seine Hand höher schob. „Ich sollte dir endlich diese verdammte Brille abnehmen!“

„Nein!“ Ihr Aufschrei klang verzweifelt. „Bitte nicht!“

„Warum nicht?“ Jetzt war jede Sanftmut aus seiner Stimme verschwunden.

„Bitte, ich – ich“, Isabel begann hilflos zu stottern, „meine Augen! Sie schmerzen im Sonnenlicht!“

„Nur, bis sie sich daran gewöhnt haben“, entgegnete er. „Aber gut! Steh jetzt auf!“

Nikolaos erhob sich und zog sie mit sich empor. Isabel rieb ihre schmerzende Schulter.

„Du gehst jetzt in die Kombüse und wischst die Bescherung auf, während ich mich … wieder salonfähig mache.“

Wäre es eine andere Situation gewesen, hätte Isabel vielleicht über die braunen Flecken auf seinen Shorts gelacht, so aber stand ihr der Sinn gewiss nicht danach.

„Wenn du noch Frühstück haben willst, musst du dir selbst etwas zubereiten. Und keine Fluchtversuche mehr, verstanden?“, warnte er sie. „Diesmal bist du noch glimpflich davongekommen, aber das nächste Mal kenne ich keine Nachsicht mehr.“

Isabel wollte sich gar nicht vorstellen, was dann geschehen würde.

Rasch verschwand sie unter Deck. Es war besser, seinen Befehlen nachzukommen, anstatt ihn noch mehr zu reizen.

***

Isabel begnügte sich mit einem Schluck Cola und einem Zwieback zum Frühstück, obwohl der Kühlschrank reichlich mit allerlei Köstlichkeiten bestückt war. An den zweiflammigen Gasherd hätte sie sich ohnehin nicht herangewagt, und von Kaffee hatte sie an diesem Morgen ebenfalls genug.

Im Nachhinein verstand sie selbst nicht, wie sie auf die Schnapsidee gekommen war, ihn überlisten zu wollen.

Ihr sinnloses Rufen hatte das in der Ferne vorbeisegelnde Schiff nicht erreichen können. Doch selbst wenn sie gleich über Bord gesprungen wäre, wäre es ihm ohne Schwierigkeiten gelungen, sie wieder herauszufischen.

Völlig mutlos sank Isabel auf einem Küchenhocker zusammen.

Ihre Situation wäre leichter zu ertragen gewesen, wenn sie gewusst hätte, was Nikolaos mit ihr vorhatte. Wie lange würde er sie gefangen halten? Was bezweckte er mit dieser Entführung?

Natürlich! Lösegeld! Darauf hätte sie gleich kommen können. Wenn sie selbst auch nie viel davon gemerkt hatte, so war sie doch die Tochter eines reichen Mannes.

Sie lachte bitter auf. Millionärstochter!

Ihr Vater hatte viel Geld für ihren langen Internatsaufenthalt ausgegeben, um sich nicht mit dem Kind zu belasten, das allzu früh seine Mutter verloren hatte. Es waren alle Voraussetzungen gegeben, um aus ihr, Isabel, eine Lady zu machen. Doch kaum hatte sie ihr Abitur in der Tasche, da …

Genug davon!

Isabel griff nach ihrer Brille und nahm sie zögernd ab. Ihr linkes Auge begann wieder zu pochen, und sie legte ihre kühle Hand darüber.

Ein leichtes Schwanken des Schiffes erweckte Isabels Aufmerksamkeit. Sie war keine geübte Seefahrerin, konnte sich die plötzliche Bewegung unter dem Schiffsrumpf aber nur auf eine Weise erklären.

Die Neugier trieb sie an Deck.

Ihre Vermutung war richtig gewesen: Nikolaos hatte den Anker gelichtet und die Segel gesetzt.

Jetzt, um die Mittagszeit, herrschte fast Windstille, aber das schien ihn nicht weiter zu stören. Er stand am Ruder, hatte die weißen Shorts gegen blaue getauscht und überprüfte Richtung und Kurs.

„Wohin fahren wir?“ Isabels Stimme klang heiser vor Aufregung.

Nikolaos streifte sie mit einem kurzen Blick. „Das wirst du noch früh genug herausfinden“, entgegnete er knapp.

Er hatte keine Lust, sich weiter mit der kleinen Person zu unterhalten, die gehörig an seinen Nerven zerrte. Überhaupt war ihm die ganz Sache schon jetzt zuwider, und er fragte sich, ob es richtig gewesen war, auf was er sich da eingelassen hatte.

Viel Schlaf hatte er in der vergangenen Nacht nicht bekommen. Irgendwie rechnete er damit, dass ihm die kleine Dollarprinzessin noch eine Menge Schwierigkeiten bereiten würde. Er kannte solche Frauen wie sie: reich, rücksichtslos, jedes Vergnügen bis zur Neige auskostend! Und er hatte gelernt, sie zu verabscheuen.

Was für ein junger Trottel er gewesen war, damals, als er sich in eine von ihnen verliebt hatte! Am Ende hatte sie ihn ausgelacht und einen grauhaarigen Ölmagnaten geheiratet. Der hatte ihr mehr bieten können als Nikolaos, der erst am Anfang seiner Karriere gestanden hatte.

Nikolaos hatte lange geschuftet, bis seine Geschäfte Erfolg gezeichnet und einen passablen Gewinn abgeworfen hatten.

Die paar Scheine, mit denen er die beiden Fischer bestochen hatte, bedeuteten nur eine unwesentliche Ausgabe für ihn. Aber diese Männer hätten fast alles dafür getan. Vielleicht glaubten die beiden, Nikolaos wolle sich ein paar schöne Stunden mit dem Mädchen machen, das sie für ihn geraubt hatten. Jedenfalls hatten sie die Kleine unbeschadet auf seinen Segler gebracht.

Am frühen Morgen hatte er die Koffer in ihre Kajüte getragen. Isabel hatte schlafend im Bett gelegen, die Decke hochgezogen und das Gesicht tief in dem Kissen vergraben.

Es war ein Leichtes gewesen, die Formalitäten im Hotel zu regeln. Er hatte einfach Isabels Ausweis vorgelegt, den er zuvor ihrer Handtasche entnommen hatte. Die reiche Signorina hatte sich eben entschlossen, ihren restlichen Urlaub auf seiner Jacht zu verbringen.

Und nachdem Nikolaos ihre Rechnung bezahlt und noch ein großzügiges Trinkgeld dazugelegt hatte, war das Zimmermädchen eifrig bemüht gewesen, Isabels Sachen zusammenzupacken.

Seine kleine Jacht, die Persephone, lag ruhig im blauen Wasser. Sie besaß neben ihren weißen Segeln auch einen kräftigen Motor, der bei reduzierter Takelage die gewünschte Geschwindigkeit brachte. Und auch die automatische Steuerung funktionierte tadellos. Nikolaos war mit der Jacht zufrieden. Sie war leicht und wendig und ließ sich auch ohne weitere Besatzung manövrieren.

Auch ohne Isabel anzusehen, wusste er, dass sie noch da war. Er spürte dieses Prickeln und fragte sich nicht zum ersten Mal, weshalb er so heftig auf sie reagierte.

Sie lehnte an der Reling, trug ihre unvermeidliche Sonnenbrille und ließ sich das lange Haar ins Gesicht wehen.

Und doch hätte er sie überall wiedererkannt.

Er hatte die Bilder von ihr nur kurz gesehen, aber sie hatten sich intensiv in sein Gedächtnis eingebrannt. Ein zartes, schönes Gesicht, mit großen, leuchtenden Augen, von langen Wimpern umrahmt.

„Hast du meinen Vater schon verständigt?“, fragte sie ihn mit ausdrucksloser Stimme, als sei die Anstrengung, zu sprechen, fast zu groß.

„Das kannst du in ein paar Tagen selbst tun“, erwiderte Nikolaos.

„Warum nicht gleich? Dann hast du das Lösegeld schneller.“

„Lösegeld?“ Seine dichten Brauen zogen sich zusammen.

„Was soll ich ihm denn schreiben?“, fragte Isabel weiter. „Oder willst du ihn über Funk verständigen?“

„Später!“, entschied er. „Einige Tage lang wird er dich bestimmt nicht vermissen.“

Vermissen? Isabels Gedanken blieben an diesem Wort hängen. Dann antwortete sie mit einem unfrohen Lachen.

„Mein Vater wird mich überhaupt nicht vermissen“, entgegnete sie bitter. „Solange er keine Schlagzeilen von der Presse befürchten muss und er ungestört seinen Geschäften nachgehen kann, ist es ihm egal, wo ich mich befinde. Du gewinnst nichts mit dem Versuch, ihn hinzuhalten.“

„Umso besser!“, zischte Nikolaos. Ihm gefiel dieser Aspekt nicht, den Isabel ihm aus ihrem Leben offenbarte. „Dann bleibt uns ja genügend Zeit!“

„Zeit? Wofür?“, fragte sie verunsichert. „Ich lege keinen Wert auf eine – eine Vergnügungsfahrt …“

„Dein ganzes bisheriges Leben war doch ein Vergnügen“, konterte Nikolaos. „Wann musstest du dir jemals um deine Existenz Sorgen machen? Wann jemals wirklich arbeiten, um etwas zu erreichen? Ein Wink deines kleinen Fingers genügte, und die Dienstboten schwirrten um dich herum. Der reiche Herr Papa las dir jeden Wunsch von den Augen ab und erfüllte deine bescheidenen Ansprüche mit links: ein kleiner Porsche, ein vollblütiges Reitpferd, Tennisstunden im Club, teure Reisen nach Italien …“

Isabel schüttelte verwirrt den Kopf. Er schien sich wirklich über sie informiert zu haben. Und doch wusste er nicht alles: Sie hatte niemals um diese Dinge gebeten!

Sie wollte keinen Porsche. Wenn überhaupt ein Fahrzeug, hätte es ein kleines Auto auch getan. Insgeheim hatte sie Angst vor Pferden, und die Mitgliedschaft im Tennisclub zählte zum Prestige ihres Vaters.

Ihre einzige Bitte, in seiner Firma arbeiten zu dürfen, hatte er rundweg abgelehnt. Isabel hätte gerne als Anfängerin in einem der Büros begonnen. Aber dass die Tochter des reichen Hagenbach arbeitete, das kam natürlich nicht infrage.

Nikolaos würde ihr nicht glauben, wie sehr sie es auch beteuerte. Sein Standpunkt war fest. Er hatte sich bereits eine Meinung über sie gebildet.

Isabel hatte nicht die Energie, ihn vom Gegenteil zu überzeugen. Wozu auch? Würde es irgendetwas ändern?

„Nun, hast du nichts dazu zu sagen?“, forderte er sie heraus. Isabel wandte sich um und blickte über das Meer.

„Ich sehe keinen Grund, mich vor einem gemeinen Ganoven zu rechtfertigen!“

Sie hatte nicht mit seiner plötzlichen Reaktion gerechnet. Plötzlich stand er hinter ihr, packte hart ihren Oberarm und riss sie zu sich herum.

„Au, du Grobian! Du tust mir weh.“

Doch als sie in sein verkniffenes Gesicht blickte, erkannte sie, dass sie ihn wirklich zornig gemacht hatte.

„Was willst du eigentlich von mir?“, kam es leise über ihre Lippen.

„Denk mal scharf nach, Prinzessin! Vielleicht fällt dir dann etwas ein. Du glaubst wohl, mit Geld kann man alles erreichen? Ich werde dafür sorgen, dass du wirklich bezahlst. Diesmal wirst du deine Sünden büßen!“

Als ob das Leben sie nicht schon hart genug gestraft hätte! Wenn er so viel von ihr zu wissen glaubte, warum wusste er dann nicht auch das?

Isabel hatte genug von seinen unverständlichen Andeutungen.

„Dann mach doch, was du willst!“, schrie sie ihn an. „Und lass mich in Ruhe. Je schneller wir diese Sache hinter uns bringen, desto besser. Was gibt dir eigentlich das Recht, mir Vorhaltungen zu machen? Ein Verbrecher? Ein Kidnapper? Ein, ein …“

„Pirat?“, sprang er ein. „Du bist voller Widersprüche!“, sagte er dann. „Wenn ich es nicht besser wüsste, könnte ich fast annehmen …“

„Ja? Was denn?“ So schnell ihre Wut aufgebraust war, so rasch war sie wieder verraucht. Isabel rieb sich die Schulter. Der stechende Schmerz wurde beinahe unerträglich.

„Zeig her!“, forderte er sie auf und drehte sie zur Seite. „Warum hast du mir nicht gleich gesagt, dass du Schmerzen hast?“

„Ich dachte nicht, dass sich ein Erpresser dafür interessieren würde!“, gab sie zurück.

Er blickte tadelnd auf sie hinunter.

„Ich bin kein Ungeheuer!“, versicherte er. „Auch wenn du mich dafür zu halten scheinst.“

Vorsichtig bewegte er ihren Arm und drückte dabei gegen ihre Schulter.

Isabel verbiss sich ein Stöhnen. Aber er bemerkte doch, wie es um ihre Lippen zuckte.

„Wahrscheinlich eine Zerrung“, meinte er. „Du solltest den Arm ruhig halten. Komm mit unter Deck, dann werde ich eine Salbe darauf streichen.“

„Nicht nötig!“ Isabel hatte genug von seinen ärztlichen Behandlungen. Im Nachhinein wurde ihr noch heiß und kalt, wenn sie an den vergangenen Abend dachte, als er ihre Kratzer und Schürfwunden versorgt hatte.

„Du bist in meiner Hand und hast zu gehorchen“, beharrte er mit spielerischer Strenge. Er hatte einen Finger unter ihr Kinn gelegt und hob sachte ihr Gesicht an. Aber er konnte nicht erkennen, was hinter diesen dunklen Brillengläsern stand.

Isabel hielt den Atem an und entwand sich ihm mit einer raschen Bewegung. Wenn er sie noch lange anstarren würde, würde er vielleicht erkennen …

Das helle Sonnenlicht war erbarmungsloser als die fahle Beleuchtung in ihrer Kajüte gestern Nacht.

„Also gut!“, gab sie nach, nur um sich umdrehen und seiner unmittelbaren Nähe einige Sekunden lang entfliehen zu können.

Sie musste sich auf einen der festgeschraubten Stühle am Speisetisch setzen.

„Machen Sie sich frei, meine Dame“, rief Nikolaos vergnügt, als er mit der Salbe kam.

Isabel runzelte die Stirn.

„Na, komm schon, nur die Schulter, Prinzessin“, lenkte er ein, als er ihr Unbehagen spürte.

Langsam machte Isabel die obersten Knöpfe ihrer Bluse auf.

Nikolaos half ihr, den leichten Stoff über ihre Schulter zu ziehen.

„Für eine Urlauberin bist du bemerkenswert wenig gebräunt“, stellte Nikolaos fest. Mit den Fingerspitzen tupfte er die Salbe auf ihre Haut. „Wie lange bist du eigentlich schon in Italien?“

Überrascht fuhr Isabel zu ihm herum. Wie kam es, dass er dies nicht wusste? Hatte er die Entführung nicht im großen Stil vorbereitet?

„Vorsicht!“, mahnte er. „Keine schnellen Bewegungen!“

„Ich … werde nur sehr langsam braun“, erklärte sie, ohne direkt auf seine Frage einzugehen.

„Eine echte Blondine!“, murmelte Nikolaos und strich beinahe zärtlich ihr Haar beiseite, damit es nicht mehr auf ihre Schulter fiel.

Als sie seine sanft massierenden Finger spürte, glaubte Isabel, ihre Haut würde verbrennen. Oder lag das an der Salbe, die diesen wärmenden Effekt erzeugte?

Isabel konnte nicht sehen, dass er seine Lippen zu einem schmalen Strich zusammenpresste. Es gehörte schon einige Selbstbeherrschung dazu, beim Anblick ihrer nackten Schulter die Ruhe zu bewahren.

Wie gerne wäre er mit seinen Lippen der gebogenen Linie gefolgt, über die seine Fingerspitzen strichen. Er wollte seinen Mund in die kleine Kuhle zwischen Hals und Schlüsselbein versenken und sie mit seiner Zunge erkunden. Alles an ihr war feingliedrig und zart. Und doch hatte er ihr Schmerzen bereitet, als er sie entführen ließ.

„Es bleibt dir viel Zeit, dich zu bräunen“, nahm er das Gespräch wieder auf. „Warum ziehst du nicht deinen Bikini an und legst dich aufs Oberdeck? Die Sonne wird dir gut tun! Sie durchfließt deinen Körper, erwärmt ihn und heilt alle wunden Stellen.“

Weshalb wirkten seine Worte auf sie wie eine einzige Liebkosung? Bildete sie es sich nur ein?

„Lieber nicht!“

Unbewusst legte Isabel ihren Kopf zur Seite. Sofort folgte seine Hand der sanften Biegung ihres Halses.

Nikolaos hätte ihren ganzen Körper streicheln mögen.

Er stand hinter ihr, leicht gebeugt, und wagte einen Einblick in den Ausschnitt ihrer Bluse. Dass sie nichts darunter trug, hatte er schon vorhin bemerkt, als seine Hand die süße Rundung ihrer Brust umfing.

Seine Finger zuckten in dem Bedürfnis, in ihren Ausschnitt zu gleiten. Er wollte sie noch einmal berühren, diesmal ohne den störenden Stoff dazwischen.

Als sich Nikolaos bewusst wurde, in welche Richtung seine Gedanken liefen, rief er sich energisch zur Ordnung. Diese Frau war nicht für ihn bestimmt. Er hatte andere Pläne mit ihr. Er tat gut daran, dies nie zu vergessen, aber er wusste auch, dass es nicht einfach sein würde.

Entschlossen, wenn auch mit Bedauern, beendete Nikolaos seine Behandlung.

„Schlüpf in deinen Badeanzug!“, forderte er sie noch einmal auf. „Du bist viel zu warm angezogen!“

***

Weiche Liegematten gehörten zur Ausstattung der Jacht. Isabel suchte sich ein beschattetes Plätzchen, bevor sie ihr Longshirt abstreifte und sich auf der Matte ausstreckte. Sie trug ihren bravsten Badeanzug. Er war blau-weiß gestreift und besser für Schwimmwettkämpfe geeignet als zum Sonnenbaden.

Fast einen Monat lang hielt sie sich schon in Italien auf. Aber da sie sich die meiste Zeit über in ihrer Suite oder in der Hotelbibliothek versteckt hatte, war ihre Haut von der Sonne noch relativ unberührt.

Isabel nahm ihre Lotion mit dem hohen Sonnenschutzfaktor und begann, ihre Beine einzucremen.

„Soll ich dir helfen?“

Nikolaos lehnte an der Reling und begutachtete sie neugierig. Mit den Augen eines Frauenkenners nahm er alle Merkmale ihres Körpers auf. Sie war sehr schlank, und doch besaß ihre Gestalt sanfte Rundungen an den richtigen Stellen. Sie wirkte auf ihn wie eine kleine Porzellanfigur.

„Nein, danke!“, lehnte sie ab. „Ich schaffe das schon!“

Wenn er nur aufhören würde, sie so anzustarren. Unter seinen Blicken fühlte sie sich geradezu nackt. Ihr Herzschlag beschleunigte sich.

Nikolaos konnte ihr Unbehagen förmlich spüren. Sie wand sich unter seinen Blicken.

Als Gentleman hätte er sie allein lassen sollen, anstatt sie weiter zu beunruhigen. Aber Nikolaos war kein Gentleman. Seine Blicke klebten förmlich an ihren zarten Kurven und nahmen alles in sich auf, was sie zu bieten hatte. Es war ihm unmöglich, seine Augen von ihr zu wenden.

Er hatte viele Frauen gekannt. Aber verliebt war er nur einmal gewesen und hatte sich dabei wie ein dummer Junge benommen. Aber das war lange her, und die Enttäuschung hatte ihn keineswegs zu einem Kostverächter gemacht.

Bisher hatte er üppigere Damen bevorzugt. Frauen mit runden Hüften und großen Brüsten. Frauen, die zu seiner eigenen Körperstatur passten und nicht in seinen Armen verschwanden.

Isabel würde sich gegen ihn wie ein Kind ausnehmen. Einen Moment schoss ihm die Frage durch den Kopf, ob ihr kleiner Körper es überhaupt mit ihm aufnehmen könnte.

Sofort zogen die erotischsten Vorstellungen an ihm vorbei: Isabel, ganz nackt, wie sie sich sehnsüchtig an ihn schmiegte. Isabel, unter und über ihm. Isabel, deren Lippen sich seiner Zunge öffneten. Isabels kleine Hände, die seinen eigenen Körper erkundeten und die sich auf seiner gebräunten Haut hell abhoben.