Tödliche Flammen - Nora Roberts - E-Book

Tödliche Flammen E-Book

Nora Roberts

3,8
9,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Reena Hale liebt ihren ungewöhnlichen Beruf: Sie ist Brandermittlerin und mit der Faszination des Feuers ebenso vertraut wie mit seiner zerstörerischen Macht. Als sie eines Tages Bo Goodnight trifft, scheint ihr Glück perfekt. Doch dann beginnt mit einem mysteriösen Anruf ein Albtraum, der Reena in das schlimmste Inferno führt, das sie je gesehen hat.

Ein schlimmes Erlebnis in Reenas Kindheit hat ihr Leben unauslöschlich geprägt: Die Pizzeria ihrer Familie fiel einer Brandstiftung zum Opfer. Zwar wurde der Brandstifter erhaftet und das Restaurant ließ sich mit Hilfe von Nachbarn und Freunden wieder aufbauen, aber die zerstörerische Macht und die Faszination des Feuers haben sie nie wieder losgelassen. Deshalb wollte sie Brandermittlerin werden. Auch in der Liebe hat Reena schon einige Enttäuschungen erlebt. Da trifft sie eines Tages Bo Goodnight, der anders zu sein scheint als alle anderen Männer. Er hat seit Jahren nach einer Frau wie Reena gesucht und ist wild entschlossen, sie nicht wieder loszulassen. Aber da gibt es noch jemanden, der sich auf ihre Spur gesetzt hat. Jemand, der die Macht des Feuers kennt wie sie und der diese Macht benutzen will, um furchtbare Rache zu üben.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 757

Bewertungen
3,8 (62 Bewertungen)
19
24
8
11
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Das Buch

Ein schlimmes Erlebnis in Reenas Kindheit hat ihr Leben unauslöschlich geprägt: Die Pizzeria ihrer Familie fiel einer Brandstiftung zum Opfer. Zwar wurde der Brandstifter verhaftet und das Restaurant ließ sich mit Hilfe von Nachbarn und Freunden wieder aufbauen, aber die zerstörerische Macht und die Faszination des Feuers haben sie nie wieder losgelassen. Deshalb wollte sie Brandermittlerin werden. Auch in der Liebe hat Reena schon einige Enttäuschungen erlebt. Da trifft sie eines Tages Bo Goodnight, der anders zu sein scheint als alle anderen Männer. Er hat seit Jahren nach einer Frau wie Reena gesucht und ist wild entschlossen, sie nicht wieder loszulassen. Aber da gibt es noch jemanden, der sich auf ihre Spur gesetzt hat. Jemand, der die Macht des Feuers kennt wie sie und der diese Macht benutzen will, um furchtbare Rache zu üben.

»Besser kann man Romantik und Drama nicht verbinden.« Publishers Weekly

Der Autor

Durch einen Blizzard entdeckte Nora Roberts ihre Leidenschaft fürs Schreiben: Tagelang fesselte sie 1979 ein eisiger Schneesturm in ihrer Heimat Maryland ans Haus. Um sich zu beschäftigen, schrieb sie ihren ersten Roman. Zum Glück – denn inzwischen zählt Nora Roberts zu den meistgelesenen Autorinnen der Welt. Ihre Bücher wurden weltweit mehr als 30 Millionen Mal verkauft. Unter dem Namen J.D. Robb veröffentlicht sie seit Jahren ebenso erfolgreich Kriminalromane. Auch in Deutschland sind ihre Bücher von den Bestsellerlisten nicht mehr wegzudenken.

Inhaltsverzeichnis

Das BuchDer AutorPrologKapitel 1 - Baltimore, 1985Kapitel 2Kapitel 3Kapitel 4 - Mai 1992Kapitel 5Kapitel 6Kapitel 7Kapitel 8 - Baltimore, 1996Kapitel 9Kapitel 10 - Baltimore 1999Kapitel 11Kapitel 12Kapitel 13 - Baltimore, 2005Kapitel 14Kapitel 15Kapitel 16Kapitel 17Kapitel 18Kapitel 19Kapitel 20Kapitel 21Kapitel 22Kapitel 23Kapitel 24Kapitel 25Kapitel 26Kapitel 27Kapitel 28Kapitel 29Kapitel 30EpilogCopyright

Ursprungsort Der genau bezeichnete Ort, an dem ein Feuer entfacht wurde.

Dinge, böse begonnen, gewinnen ihre Stärke durch Schlechtes.

William Shakespeare

Prolog

Das Feuer erzeugte Hitze, Rauch und Licht. Wie eine außerirdische Bestie, die sich mit ihren Klauen aus dem Mutterleib befreite, brach es hervor, und das Glucksen schwoll rasch zu einem Gebrüll an.

Und veränderte alles in einem einzigen bedeutenden Moment.

Wie dieses Ungetüm bahnte es sich schlangengleich seinen Weg über das Holz und versengte mit seinen mächtigen schwarzen Fingern alles, was eben noch sauber und hell gewesen war.

Es besaß rote, alles wahrnehmende Augen und einen so brillanten, vollkommenen Verstand, dass es sich alles in seinem Umkreis einprägte.

Er betrachtete es als eine Art Wesen, einen Gott, goldfarben und purpurrot, der nur existierte, um zu zerstören. Und dieser Gott nahm sich, was er wollte, ohne Bedauern, ohne Gnade. Mit Feuereifer.

Vor ihm gingen alle in die Knie. Bittsteller, die ihn selbst noch anbeteten, während er sie verschlang.

Aber er war derjenige, der es erschaffen hatte. Also war er der Gott des Feuers. Mächtiger als die Flammen, schlauer als die Hitze, überwältigender als der Rauch.

Es war erst entstanden, als er ihm Leben eingehaucht hatte.

Während er es beobachtete, verliebte er sich in das Feuer. Das flackernde Licht erhellte sein Gesicht und tanzte in seinen faszinierten Augen. Er trank einen Schluck Bier und genoss die schneidende Kälte in seiner Kehle, während ihm der Schweiß über die Haut rann.

Sein Magen krampfte sich vor Erregung zusammen, als er das Schauspiel bewunderte. Während das Feuer an den Mauern leckte, fielen ihm blitzartig weitere Möglichkeiten ein.

Es war wunderschön. Es war stark. Und es bereitete ihm Vergnügen.

Während er beobachtete, wie es zum Leben erwachte, wurde auch er lebendig. Und sein Schicksal war besiegelt, eingebrannt in Herz und Seele.

Kapitel 1

Baltimore, 1985

Catarina Hales Kindheit endete an einem schwülen Augustabend, einige Stunden nachdem die Orioles die Rangers im Memorial Stadium mit neun zu eins vernichtend geschlagen hatten, also ihnen – wie ihr Vater sich ausdrückte – einen kräftigen Tritt in ihre texanischen Hintern verpasst hatten. Ihre Eltern hatten sich, was nur selten vorkam, einen Abend freigenommen, um mit der ganzen Familie zum Spiel zu fahren. Das versüßte den Gewinn noch mehr. Meistens waren sie, allein oder zu zweit, bis spätabends in der Pizzeria Sirico, die sie vom Vater ihrer Mutter übernommen hatten. Dort hatten sie sich vor achtzehn Jahren kennengelernt. Ihre Mutter war damals, so erzählte man sich, eine temperamentvolle Achtzehnjährige gewesen, als der zwanzigjährige Gibson Hale hereinstolziert war, um sich einen Happen zu kaufen.

»Wollte nur ’ne Pizza und bekam eine italienische Göttin«, sagte er häufig.

Ihr Vater drückte sich oft so merkwürdig aus, aber Reena gefiel das.

Zehn Jahre später, als Oma und Opa beschlossen, sich auf die Reise zu machen, bekam er auch noch eine Pizzeria. Bianca, die jüngste von fünf Geschwistern und die einzige Tochter, übernahm sie zusammen mit ihrem Gib, da keiner ihrer Brüder daran interessiert war.

Das Sirico stand seit über dreiundvierzig Jahren am selben Fleck im italienischen Viertel von Baltimore. Reena fand das erstaunlich, denn das waren mehr Jahre, als ihr Vater alt war. Jetzt führte ihr Vater, der keinen einzigen Tropfen italienisches Blut in seinen Adern hatte, den Laden gemeinsam mit ihrer Mutter, die durch und durch Italienerin war.

Das Sirico war fast immer gut besucht. Es gab jede Menge Arbeit, aber Reena machte es nichts aus, wenn sie helfen musste. Ihre ältere Schwester Isabella beklagte sich, weil sie manchmal an den Samstagabenden dort arbeiten musste, anstatt sich mit einem Jungen oder ihren Freundinnen treffen zu können. Aber Bella beklagte sich ohnehin ständig.

Vor allem regte sie sich darüber auf, dass ihre älteste Schwester Francesca im zweiten Stock ihr eigenes Zimmer hatte, während sie sich ihres mit Reena teilen musste. Sogar Xander, der jüngste von allen, hatte ein eigenes Zimmer, weil er ein Junge war.

Das Zimmer mit Bella zu teilen war in Ordnung gewesen. Es hatte sogar Spaß gemacht, bis Bella ein Teenager wurde und beschloss, dass sie zu alt war, um etwas anderes zu tun, als über Jungs zu reden, Modezeitschriften zu lesen oder mit ihrem Haar herumzuspielen.

Reena war elf Jahre und fünf Sechstel. Die fünf Sechstel waren ausgesprochen wichtig, weil sie bedeuteten, dass Reena nur noch vierzehn Monate warten musste, bis auch sie ein Teenager war. Im Augenblick war das ihr innigster Wunsch – viel erstrebenswerter als ihre früheren Ziele wie, Nonne zu werden oder Matt Dillon zu heiraten.

In dieser schwülheißen Nacht im August, als Reena elf Jahre und fünf Sechstel alt war, wachte sie im Dunkeln mit heftigen, krampfartigen Bauchschmerzen auf. Sie zog die Beine an, rollte sich zusammen und biss sich auf die Lippen, um ein Stöhnen zu unterdrücken. Auf der anderen Seite des Zimmers schnarchte Bella leise – so weit von ihr entfernt wie nur möglich, seit sie vierzehn Jahre alt war und sich mehr für ihre Frisur als für ihre Rolle als große Schwester interessierte.

Reena rieb sich den schmerzenden Bauch und dachte an die Hot Dogs, das Popcorn und die Süßigkeiten, die sie während des Spiels verschlungen hatte. Ihre Mutter hatte sie gewarnt, dass sie das bereuen würde.

Konnte ihre Mutter nicht ein einziges Mal im Unrecht sein?

Sie versuchte, die Bauchschmerzen als Opfer darzubringen, damit ein armer Sünder daraus Nutzen ziehen konnte  – so wie die Nonnen es ihr immer sagten. Aber es tat einfach nur weh!

Vielleicht kam es auch gar nicht von den Hot Dogs, sondern von dem Schlag in die Magengrube, den Joey Pastorelli ihr verpasst hatte. Er hatte großen Ärger bekommen, weil er sie auf den Boden geworfen, ihr T-Shirt zerrissen und sie mit einem Ausdruck beschimpft hatte, den sie nicht kannte. Mr Pastorelli und ihr Vater hatten einen Streit angefangen, als ihr Dad die Sache mit ihm »besprechen« wollte.

Sie hatte gehört, wie sie sich anbrüllten. Ihr Vater schrie nie – na ja, fast nie. Es war eher ihre Mutter, die laut wurde, weil sie eine hundertprozentige Italienerin war und Temperament besaß.

Meine Güte, hatte er Mr Pastorelli angeschrien. Und als sie wieder zu Hause waren, hatte er sie ganz fest in den Arm genommen.

Und dann waren sie zu dem Baseballspiel gefahren.

Vielleicht wurde sie dafür bestraft, weil sie sich darüber gefreut hatte, dass Joey Pastorelli Ärger bekommen hatte. Und weil sie auch ein wenig froh darüber gewesen war, dass er sie geschubst und ihr T-Shirt zerrissen hatte. Schließlich waren sie anschließend zu dem Spiel gefahren, und sie hatte zusehen können, wie die Orioles die Rangers plattgemacht hatten. Oder sie hatte möglicherweise innere Verletzungen.

Sie wusste, dass es so etwas gab und dass man davon sterben konnte, weil sie es im Fernsehen gesehen hatte, eine ihrer und Xanders Lieblingsserien. Der Gedanke daran rief einen weiteren scheußlichen Krampf hervor, der ihr Tränen in die Augen trieb.

Langsam kroch sie aus dem Bett, um zu ihrer Mutter zu gehen. Dann spürte sie etwas Nasses zwischen ihren Schenkeln.

Schniefend und peinlich berührt, weil sie sich womöglich wie ein Baby in die Hose gemacht hatte, schlich sie sich aus dem Schlafzimmer den Gang hinunter zum Bad. In dem Raum mit der pinkfarbenen Badewanne und den gleichfarbigen Fliesen zog sie ihr Ghostbusters-T-Shirt hoch.

Heiße Wogen der Angst überrollten sie, während sie auf das Blut an ihren Schenkeln starrte. Sie würde sterben. In ihren Ohren begann es zu rauschen. Als sich ihr Unterleib wieder zusammenkrampfte, öffnete sie den Mund, um zu schreien.

Und dann begriff sie.

Nicht der Tod, dachte sie. Und auch keine inneren Verletzungen. Sie hatte ihre Periode bekommen. Zum ersten Mal. Ihre Mutter hatte ihr alles darüber erzählt. Über die Eier, die Zyklen und darüber, wie man zur Frau wurde. Ihre Schwestern hatten beide ihre Periode jeden Monat, ebenso wie ihre Mutter.

In dem Schränkchen unter dem Waschbecken fand sie Binden. Mama hatte ihr gezeigt, wie man sie benützte, und sie hatte sich eines Tages im Bad eingeschlossen, um sie auszuprobieren. Sie wischte sich sauber und befahl sich, sich nicht wie eine Heulsuse zu verhalten. Es war nicht das Blut, das sie so ängstigte, vielmehr ekelte sie sich vor der Stelle, wo es herkam.

Aber sie war jetzt erwachsen. Erwachsen genug, um damit fertig zu werden, was ihre Mama als natürliche Sache bezeichnet hatte, als Frauensache.

Weil sie nicht mehr müde war und außerdem jetzt eine Frau, beschloss sie, in die Küche hinunterzugehen und sich ein Gingerale zu holen. Im Haus herrschte brütende Hitze. »Hundstage« nannte ihr Dad das. Jetzt, da sie etwas geworden war, musste sie über vieles nachdenken; also nahm sie ihr Glas mit nach draußen, setzte sich auf die weißen Marmorstufen und grübelte, während sie an ihrem Getränk nippte.

Es war so ruhig, dass sie Pastorellis Hund auf seine für ihn typische harte, keuchende Weise bellen hörte. Die Straßenlaternen leuchteten, und sie hatte das Gefühl, als Einzige auf der ganzen Welt wach zu sein. Zumindest war sie im Moment die Einzige auf der Welt, die wusste, was in ihrem Körper geschehen war.

Sie trank einen Schluck und überlegte, wie es wohl sein würde, im nächsten Monat wieder zur Schule zu gehen. Wie viele der Mädchen hatten wohl im Sommer ihre Periode bekommen?

Jetzt würden ihr Brüste wachsen. Sie sah nach unten auf ihren Brustkorb und fragte sich, wie das wohl sein würde. Wie es sich anfühlen würde. Man spürte sein Haar und seine Fingernägel nicht wachsen, aber vielleicht war das bei Brüsten anders.

Unheimlich, aber interessant.

Begännen sie jetzt zu wachsen, hätte sie welche, wenn sie endlich ein Teenager war.

Sie saß auf den Marmorstufen, ein noch flachbrüstiges Mädchen mit schmerzendem Bauch. Ihr kurz geschnittenes honigblondes Haar kräuselte sich in der feuchten Luft, ihre Lider über den goldbraunen Augen wurden schwer. Auf der rechten Seite über ihrer Oberlippe hatte sie ein kleines Muttermal, und sie trug eine Zahnspange.

In dieser schwülen Nacht schien die Gegenwart absolut sicher, die Zukunft aber nur ein verschwommener Traum zu sein.

Sie gähnte und blinzelte schläfrig. Als sie aufstand, um wieder ins Haus zu gehen, schweifte ihr Blick die Straße hinunter zum Sirico, dorthin, wo es schon vor der Geburt ihres Vaters gestanden hatte. Zuerst hielt sie das flackernde Licht in dem großen vorderen Fenster für eine Spiegelung. Hübsch, dachte sie.

Bei näherem Hinsehen schürzte sie die Lippen und neigte verwundert den Kopf zur Seite. Es sah nicht wirklich aus wie eine Reflexion oder so, als hätte jemand vergessen, beim Abschließen alle Lichter zu löschen.

Sie hielt immer noch das Glas in der Hand und ging interessiert hinunter auf den Gehsteig.

Reena war so neugierig, dass sie beim Weitergehen nicht einmal daran dachte, was sie von ihrer Mutter zu hören kriegen würde, wenn sie mitten in der Nacht allein auf die Straße ging.

Ihr Herz begann heftig zu klopfen, als das Gesehene sich langsam den Weg durch ihre träumerische Schläfrigkeit bahnte. Rauch drang aus der offen stehenden Vordertür, und die Lichter, die sie sah, waren Flammen.

»Feuer.« Zuerst war es nur ein Flüstern, dann schrie sie das Wort heraus, während sie zurück zum Haus und zur Tür hineinrannte.

Ihr ganzes Leben lang würde sie nicht vergessen, wie sie mit ihrer Familie dabeistand, als das Sirico abbrannte. Das Brüllen des Feuers, das durch zerborstene Fensterscheiben schlug und in schnellen goldfarbenen Türmen emporloderte, hallte in ihren Ohren wider. Sirenen heulten, Wasser zischte aus dicken Schläuchen, überall Weinen und Geschrei. Aber das Geräusch des Feuers, seine Stimme, übertönte alles andere.

Sie konnte das Feuer in ihrem Bauch spüren wie ihre Krämpfe. Das Erstaunen und Entsetzen, die schreckliche Schönheit des Feuers pulsierten in ihr.

Wie war es wohl in seiner Mitte, dort, wohin die Feuerwehrmänner gingen? Heiß und dunkel? Undurchdringlich und hell? Einige der Flammen sahen aus wie große Zungen, die hervor- und zurückschnellten, als könnten sie schmecken, was sie versengten.

Rauchschwaden stiegen wabernd in die Luft. Der Qualm brannte in ihren Augen und in ihrer Nase, und der wirbelnde Tanz der Flammen blendete sie. Sie war immer noch barfuß, und der Asphalt fühlte sich an wie glühende Kohlen. Aber sie konnte nicht zurücktreten, konnte ihren Blick nicht von dem Spektakel abwenden, das einem verrückten, wilden Zirkus gleichkam.

Irgendetwas explodierte, und weitere Schreie folgten. Die Feuerwehrmänner, ihre Gesichter unter den Helmen geschwärzt von Rauch und Asche, bewegten sich wie Gespenster im Dunst des Qualms. Wie Soldaten, dachte sie. Es sah aus wie in einem Kriegsfilm.

Und doch glitzerten die Wasserfontänen, die durch die Luft spritzten.

Sie fragte sich, was dort drin geschah. Was machten die Männer? Was tat das Feuer? Wenn es sich um einen Krieg handelte, versteckte es sich, um dann zu einem Angriff hervorzuspringen, goldfarben glänzend?

Asche schwebte herunter wie schmutziger Schnee. Gebannt trat Reena einen Schritt nach vorne.

Ihre Mutter packte sie am Armgelenk und hielt sie zurück. Sie legte einen Arm um sie und zog Reena an sich.

»Bleib hier«, murmelte Bianca. »Wir müssen zusammenbleiben.«

Aber sie wollte es einfach sehen. Der Herzschlag ihrer Mutter dröhnte wie ein hektischer Trommelwirbel in ihrem Ohr. Sie drehte den Kopf und hob das Gesicht, um zu bitten, ob sie noch näher hingehen konnte. Nur noch ein wenig näher.

Aber das Gesicht ihrer Mutter spiegelte keine Aufregung wider. Nicht Staunen ließ ihre Augen schimmern, sondern Tränen.

Sie war wunderschön; das sagten alle. Doch jetzt wirkte ihr Gesicht, als sei es aus einem festen Material gemeißelt, mit harten, tiefen Linien. Die Tränen und der Rauch hatten ihre Augen gerötet, und ihr Haar war mit grauer Asche bedeckt.

Neben ihr stand Dad und legte ihr die Hand auf die Schulter. Bestürzt sah Reena, dass auch er Tränen in den Augen hatte. Sie sah den Schein der Flammen darin, als wäre es ihnen irgendwie gelungen, in ihn hineinzukriechen.

Das war kein Film, es war Realität. Etwas, was ihnen gehörte, schon ihr ganzes Leben lang gehört hatte, brannte direkt vor ihr nieder. Jetzt konnte sie über das hypnotisierende Licht und das Flackern des Feuers hinausschauen und die schwarzen Schlieren an den Wänden des Sirico sehen, den nassen Ruß, der die Marmorstufen befleckte, die gezackten Glasscheiben.

Auf den Gehsteigen standen die Nachbarn. Die meisten trugen Nachtwäsche. Einige hielten Kinder oder Babys auf dem Arm. Manche weinten.

Plötzlich fiel ihr ein, dass Pete Tolino mit seiner Frau und dem Baby in dem kleinen Apartment über dem Lokal wohnte. Ihr Herz zog sich zusammen, als sie nach oben blickte und den Rauch aus den oberen Fenstern quellen sah.

»Daddy! Daddy! Pete and Theresa.«

»Es geht ihnen gut.« Er hob sie hoch, als sie sich von ihrer Mutter losriss. So, wie er es immer getan hatte, als sie noch klein war. Und er drückte das Gesicht gegen ihren Nacken. »Es geht allen gut.«

Beschämt verbarg sie das Gesicht an seiner Schulter. Sie hatte nicht an die Menschen gedacht, nicht einmal an die Sachen – die Bilder und die Barhocker, die Tischdecken und die großen Öfen.

Sie hatte nur an das Feuer gedacht, an seinen hellen Glanz und sein Gebrüll.

»Es tut mir leid.« Sie weinte, ihr Gesicht an die nackte Schulter ihres Vaters gedrückt. »Es tut mir leid.«

»Sch! Wir werden das wieder in Ordnung bringen.« Seine Stimme klang so rau, als hätte er den Rauch geschluckt. »Ich werde das schaffen.«

Beruhigt ließ sie den Kopf auf seine Schultern sinken und betrachtete die Menschen und das Feuer. Sie sah, wie ihre Schwestern sich umarmten und ihre Mutter Xander festhielt.

Der alte Mr Falco saß auf den Stufen und ließ einen Rosenkranz durch seine gichtigen Finger gleiten. Mrs DiSalvo von nebenan kam herüber und legte ihrer Mutter einen Arm um die Schulter. Ein wenig erleichtert entdeckte sie Pete. Er saß auf dem Randstein, und seine Frau presste sich an ihn, das Baby fest an sich gedrückt.

Dann sah sie Joey. Er hatte die Daumen in die Taschen gesteckt, die Hüften vorgeschoben und starrte ins Feuer. Sein Gesicht war von einer Art Freude erleuchtet, wie bei den Märtyrern auf ihren Heiligenbildchen.

Das veranlasste Reena, sich noch enger an ihren Vater zu schmiegen.

Dann wandte Joey sich um, sah sie an und grinste.

»Daddy«, flüsterte sie, aber da kam ein Mann mit einem Mikrofon angelaufen und begann, Fragen zu stellen.

Sie versuchte, sich an ihm festzuhalten, als er sie auf den Boden stellte. Joey starrte sie immer noch grinsend an, und das war erschreckender als das Feuer. Aber ihr Vater schubste sie zu ihren Schwestern hinüber.

»Fran, du bringst deine Geschwister nach Hause.«

»Ich will aber bei dir bleiben.« Reena packte seine Hand. »Ich muss bei dir bleiben.«

»Du musst nach Hause gehen.« Er bückte sich, bis sich seine rot geränderten Augen auf gleicher Höhe mit ihren befanden. »Es ist jetzt fast gelöscht. Alles ist beinahe erledigt. Ich sagte, ich werde das in Ordnung bringen, und genau das werde ich tun.« Er drückte ihr einen Kuss auf die Stirn. »Geh heim. Wir werden bald nachkommen.«

»Catarina.« Ihre Mutter zog sie zurück. »Hilf deinen Schwestern, Kaffee und etwas zu essen zu machen. Für die Leute, die uns helfen. Das ist das Mindeste, was wir tun können.«

Für Verpflegung konnten sie sorgen. Kannen mit Kaffee, Krüge mit kaltem Tee und dick belegte Sandwiches. Ausnahmsweise gab es in der Küche keinen Streit unter den Schwestern. Bella weinte ständig vor sich hin, aber Fran versetzte ihr keinen Klaps deswegen.

Und als Xander verkündete, er würde einen der Krüge hinaustragen, belehrte ihn niemand, dass er dafür noch zu klein sei.

Die Luft war mit einem Gestank durchzogen, den sie niemals vergessen würde, und der Rauch hing darin wie ein schmutziger Vorhang. Trotzdem stellten sie einen Klapptisch für den Kaffee, den Tee und die Sandwiches auf dem Gehsteig auf, verteilten Tassen und reichten rußgeschwärzten Händen Brot.

Einige der Nachbarn waren nach Hause gegangen, aus dem Rauch und dem Gestank, aus der fliegenden Asche, die sich wie Schnee in einer dünnen Schicht auf die Autos und den Boden senkte. Das gleißende Licht war erloschen, und selbst aus der Ferne konnte Reena die geschwärzten Ziegel sehen, die Bäche von nassem Ruß und die gähnenden Löcher, die einmal Fenster gewesen waren.

Die Blumentöpfe, die sie gemeinsam mit ihrer Mutter im Frühling bepflanzt hatte, lagen zerbrochen, zertreten, tot auf den weißen Stufen.

Ihre Eltern standen vor dem Sirico auf der Straße und hielten sich an den Händen. Ihr Vater trug die Jeans, die er rasch übergestreift hatte, als sie ihn aufweckte, ihre Mutter das hellrote Kleid, das sie erst im letzten Monat zu ihrem Geburtstag bekommen hatte.

Selbst als die großen Lkws davonfuhren, blieben sie dicht beieinander stehen.

Einer der Männer mit den Helmen ging zu ihnen, und sie unterhielten sich für eine scheinbar sehr lange Zeit miteinander. Dann drehten ihre Eltern sich um und gingen, immer noch Hand in Hand, nach Hause.

Der Mann wandte sich wieder den Ruinen des Sirico zu, knipste eine Taschenlampe an und verschwand im Dunkeln.

Gemeinsam trugen sie die Reste des Essens und der Getränke ins Haus zurück. Reena fand, dass sie mit den schmutzigen Haaren und den müden Gesichtern alle aussahen wie die Überlebenden in diesen Kriegsfilmen. Als die Lebensmittel verstaut waren, fragte ihre Mutter, ob sich jemand schlafen legen wollte.

Bella fing wieder zu schluchzen an. »Wie können wir jetzt schlafen? Was sollen wir nur tun?«

»Was als Nächstes kommt. Wenn du nicht schlafen willst, dann räum auf. Ich werde Frühstück machen. Geh schon. Wenn wir uns gewaschen und etwas gegessen haben, wird es uns leichter fallen nachzudenken.«

Da Reena vom Alter her an dritter Stelle war, durfte sie auch immer erst als Dritte ins Bad. Sie wartete, bis sie Fran heraus- und Bella hineingehen hörte. Dann schlüpfte sie aus ihrem Zimmer und klopfte an die Schlafzimmertür ihrer Eltern.

Ihr Vater hatte sich das Haar gewaschen; es war noch nass. Er trug eine saubere Jeans und ein T-Shirt, und sein Gesicht sah aus, als würde er eine Grippe bekommen.

»Belagern deine Schwestern das Bad?« Das schwache Lächeln drang nicht bis in seine Augen vor. »Du kannst ausnahmsweise unseres benützen.«

»Wo ist dein Bruder, Reena?«, wollte ihre Mutter wissen.

»Er ist auf dem Boden eingeschlafen.«

»Oh.« Sie band sich das feuchte Haar mit einem Band

zurück. »Schon gut. Geh duschen. Ich hole dir frische Sachen zum Anziehen.«

»Warum ist der Feuerwehrmann hineingegangen, als die anderen wegfuhren?«

»Das ist ein Inspektor«, erklärte ihr Vater. »Er versucht herauszufinden, warum es passiert ist. Wenn du es nicht bemerkt hättest, wären sie nicht so schnell da gewesen. Pete und seine Familie sind in Sicherheit, und das ist das Wichtigste. Warum warst du so spät noch wach, Reena?«

»Ich …« Sie spürte, wie ihr die Röte in den Nacken stieg, als sie an ihre Periode dachte. »Das kann ich nur Mama sagen.«

»Ich werde nicht böse auf dich sein.«

Sie starrte auf ihre Zehen. »Bitte. Es ist privat.«

»Kannst du schon mal ein paar Würstchen braten, Gib?«, bat Bianca beiläufig. »Ich komme gleich nach unten.«

»Na gut.« Er presste die Hände auf die Augen. Dann ließ er sie fallen und sah Reena wieder an. »Ich werde nicht böse auf dich sein«, wiederholte er und ging hinaus.

»Was kannst du deinem Vater nicht erzählen? Warum verletzt du seine Gefühle in einer solchen Situation?«

»Das wollte ich nicht… Ich bin aufgewacht, weil ich … weil ich Bauchschmerzen hatte.«

»Bist du krank?« Bianca drehte sich um und legte eine Hand auf Reenas Stirn.

»Ich habe meine Periode bekommen.«

»Oh. Oh, mein armes Baby.« Bianca zog sie zu sich heran und drückte sie fest an sich. Dann begann sie zu weinen.

»Weine nicht, Mama.«

»Nur eine Minute. So viel, alles auf einmal. Meine kleine Catarina. So ein großer Verlust, so eine große Veränderung. Meine bambina.« Sie trat einen Schritt zurück. »Du hast dich heute Nacht verändert, und weil das so ist, hast du Leben gerettet. Wir werden dankbar für das sein, was gerettet werden konnte, und wir werden mit dem fertig werden, was wir verloren haben. Ich bin sehr stolz auf dich.«

Sie küsste Reena auf beide Wangen. »Hast du immer noch Bauchschmerzen?« Als Reena nickte, küsste Bianca sie erneut. »Du gehst jetzt duschen und nimmst dann ein schönes warmes Bad in meiner Badewanne. Dann wirst du dich besser fühlen. Möchtest du mich etwas fragen?«

»Ich weiß, was zu tun ist.«

Ihre Mutter lächelte, aber in ihren Augen lag eine gewisse Traurigkeit. »Dann stell dich unter die Dusche. Ich werde dir helfen.«

»Mama, ich konnte das nicht vor Dad erzählen.«

»Natürlich nicht. Das ist schon in Ordnung. Das ist Frauensache.«

Frauensache. Der Ausdruck verlieh ihr das Gefühl, etwas Besonderes zu sein, und das warme Bad linderte die Schmerzen. Als sie nach unten kam, war die Familie in der Küche versammelt, und an der sanften Art, wie ihr Vater ihr über das Haar strich, erkannte sie, dass er die Neuigkeiten erfahren hatte.

Am Tisch herrschte Trübsinnigkeit, eine Art erschöpftes Schweigen. Bella schien alle ihre Tränen vergossen zu haben  – zumindest für den Augenblick.

Sie beobachtete, wie ihr Vater den Arm ausstreckte, seine Hand über die ihrer Mutter legte und sie drückte, bevor er zu sprechen begann. »Wir müssen warten, bis man uns sagt, dass es sicher ist. Dann können wir mit dem Aufräumen anfangen. Noch wissen wir nicht, wie groß der Schaden ist und wann wir wieder aufmachen können.«

»Jetzt werden wir arm sein.« Bellas Unterlippe zitterte. »Alles ist zerstört, und wir werden kein Geld mehr haben.«

»Hast du jemals kein Dach über dem Kopf gehabt, kein Essen auf dem Tisch und keine Kleidung am Leib?«, fragte Bianca in scharfem Ton. »Ist das dein Verhalten, wenn es Probleme gibt? Du weinst und beschwerst dich?«

»Sie heulte die ganze Zeit«, erklärte Xander und spielte mit einer Scheibe Toast.

»Das wollte ich nicht von dir hören – ich habe es selbst gesehen. Euer Vater und ich haben fünfzehn Jahre lang jeden Tag gearbeitet, um aus dem Sirico ein gutes Lokal zu machen, einen bedeutenden Ort in diesem Viertel. Und mein Vater und meine Mutter haben mehr Jahre dafür gearbeitet, all das auf die Beine zu stellen, als ihr euch vorstellen könnt. Es tut weh. Aber nicht die Familie ist abgebrannt, sondern ein Lokal. Und wir werden es wieder aufbauen.«

»Aber was sollen wir jetzt tun?«, fragte Bella.

»Halt den Mund, Isabella!«, befahl Fran, als ihre Schwester zu sprechen begann.

»Ich meine, was sollen wir zuerst tun?«

»Wir sind versichert.« Gibson starrte auf seinen Teller, als sei er erstaunt, dort Essen vorzufinden. Aber dann nahm er seine Gabel in die Hand und begann zu essen. »Mit dem Geld werden wir alles neu aufbauen oder reparieren oder tun, was zu tun ist. Wir haben Ersparnisse. Wir werden nicht arm sein«, fügte er mit einem strengen Blick auf seine mittlere Tochter hinzu. »Aber solange es dauert, werden wir uns umsichtig verhalten müssen. Wir werden nicht zum Tag der Arbeit das Wochenende am Strand verbringen wie geplant. Wenn die Versicherungssumme nicht ausreicht, werden wir unsere Ersparnisse angreifen oder einen Kredit aufnehmen müssen.«

»Vergesst eines nicht«, fügte Bianca hinzu. »Die Leute, die für uns arbeiten, haben nun keinen Job mehr, nicht, bis wir wieder eröffnen können. Einige von ihnen haben Familie. Wir sind nicht die Einzigen, die betroffen sind.«

»Pete und Theresa und ihr Baby«, sagte Reena. »Sie haben vielleicht keine Kleidung, Möbel oder sonst etwas mehr. Wir könnten ihnen etwas geben.«

»Ja, das ist eine gute Idee. Alexander, iss deine Eier«, fügte Bianca hinzu.

»Ich möchte lieber Cocoa Puffs.«

»Und ich hätte gern einen Nerzmantel und eine mit Diamanten besetzte Tiara. Iss. Wir haben viel Arbeit vor uns, und ihr werdet alle euren Teil übernehmen.«

»Niemand, niemand«, betonte Gibson und richtete seinen Zeigefinger auf Xander, »wird dort hineingehen, bevor er die Erlaubnis dazu bekommen hat.«

»Opa«, murmelte Fran. »Wir müssen es ihm sagen.«

»Es ist noch zu früh, um ihm solche Neuigkeiten mitzuteilen.« Bianca schob ihr Essen auf dem Teller hin und her. »Ich werde ihn und meine Brüder bald anrufen.«

»Wie kann es nur passiert sein? Und wie können sie das herausfinden?«, fragte Bella.

»Ich weiß es nicht. Es ist ihr Job. Und unserer ist es, alles wieder in Ordnung zu bringen.« Gibson hob seine Kaffeetasse. »Und das werden wir.«

»Die Tür war offen.«

Gibson wandte sich Reena zu. »Was?«

»Die Tür. Die Vordertür war offen.«

»Bist du sicher?«

»Ich habe es gesehen. Die offene Tür und die Lichter – das Feuer im Fenster. Vielleicht hat Pete vergessen, sie abzuschließen.«

Dieses Mal legte Bianca die Hand auf die ihres Mannes. Bevor sie etwas sagen konnte, läutete es an der Tür.

»Ich gehe schon.« Sie stand auf. »Ich glaube, das wird ein langer Tag werden. Wer müde ist, sollte jetzt versuchen zu schlafen.«

»Esst auf«, befahl Gibson. »Und kümmert euch um das Geschirr.«

Als er aufstand, erhob Fran sich ebenfalls und ging um den Tisch herum, um ihn in den Arm zu nehmen. Mit ihren sechzehn Jahren war sie schlank und anmutig und besaß eine Weiblichkeit, um die Reena sie beneidete.

»Es wird alles wieder gut. Wir werden es noch besser machen, als es vorher war.«

»Das ist mein Mädchen. Ich zähle auf dich. Auf euch alle«, fügte er hinzu. »Reena? Komm für einen Augenblick mit mir.«

Als sie zusammen die Küche verließen, hörten sie, wie Bella genervt sagte: »Die heilige Franziska.« Gibson seufzte nur und schubste Reena in das Fernsehzimmer. »Äh, hör zu, Schätzchen, wenn es dir nicht gut geht, kann ich dich vom Küchendienst befreien.«

Ein Teil von ihr wollte die Chance ergreifen, aber das Schuldgefühl war ein wenig stärker. »Ich bin okay.«

»Sag es mir einfach, wenn du… dich nicht gut fühlst.«

Er tätschelte sie zerstreut und machte sich auf den Weg in den vorderen Teil des Hauses.

Sie sah ihm nach. Er wirkte immer so groß auf sie, doch jetzt waren seine Schultern gebeugt. Sie wollte es Fran gleichtun, das Richtige sagen, ihn umarmen, aber es war zu spät.

Kapitel 2

Sie wollte sofort in die Küche zurückgehen und ein braves Mädchen sein. Wie Fran. Doch dann hörte sie Petes Stimme, und es klang, als würde er weinen. Auch ihren Vater hörte sie, konnte aber seine Worte nicht verstehen.

Also schlich sie sich leise zum Wohnzimmer.

Pete weinte nicht, aber er sah so aus, als würde er jeden Moment damit anfangen. Sein langes Haar fiel ihm an den Seiten ins Gesicht, während er mit starrem Blick seine Hände im Schoß knetete. Er war einundzwanzig Jahre alt. Zu seinem Geburtstag hatten sie eine kleine Party im Sirico veranstaltet. Nur die Familie. Da er seit seinem fünfzehnten Lebensjahr dort arbeitete, war er wie ein Familienmitglied. Und als Theresa von ihm schwanger geworden war und die beiden heiraten mussten, vermieteten ihre Eltern ihnen das kleine Apartment über dem Lokal zu einem Spottpreis.

Sie wusste das, weil sie gehört hatte, wie Onkel Paul sich mit ihrer Mutter darüber unterhielt. Lauschen war etwas, wofür sie viel Buße tun musste. Aber es schien immer ein paar zusätzliche Ave-Maria wert zu sein.

Ihre Mutter saß neben Pete und hatte ihm die Hand auf das Bein gelegt. Ihr Vater saß ihm gegenüber auf dem Couchtisch, was sie nie durften. Sie konnte immer noch nicht genau verstehen, was ihr Vater sagte – seine Stimme war zu leise –, aber Pete schüttelte immer wieder den Kopf.

Als er aufblickte, glänzten seine Augen. »Ich schwöre, ich habe nichts brennen lassen. Ich bin in Gedanken alles tausend Mal durchgegangen. Jeden Schritt. Meine Güte, Gib, ich würde es dir sagen, wenn ich etwas vermasselt hätte. Du musst mir glauben, ich versuche nicht, etwas zu vertuschen. Theresa und das Baby – wenn ihnen etwas passiert wäre…«

»Ist es ja nicht.« Bianca drückte seine Hand, um ihn zu beruhigen.

»Sie hat sich so geängstigt. Wir beide sind furchtbar erschrocken, als das Telefon klingelte.« Er sah Bianca an. »Als du angerufen hast und uns gesagt hast, ein Feuer sei ausgebrochen und wir müssten aus dem Haus, kam es mir vor wie ein Traum. Wir packten das Baby und rannten los. Ich habe nicht einmal den Rauch gerochen, bevor du, Gib, kamst, um uns herauszuhelfen.«

»Pete, ich möchte, dass du gründlich nachdenkst. Hast du abgeschlossen?«

»Natürlich. Ich…«

»Nein.« Gib schüttelte den Kopf. »Brich es nicht übers Knie. Geh die einzelnen Schritte durch. Manche Routinesachen geschehen so automatisch, dass man leicht etwas übersehen kann, ohne sich später daran zu erinnern. Denk noch mal zurück. Die letzten Kunden?«

»Meine Güte.« Pete fuhr sich mit einer Hand durch das Haar. »Jamie Silvio und ein Mädchen, mit dem er sich trifft. Eine Neue. Sie haben sich eine Pizza Peperoni geteilt und ein paar Bier getrunken. Und Carmine. Er war bis kurz vor Schluss da und versuchte, Toni zu überreden, mit ihm auszugehen. Hm, sie gingen ungefähr zur selben Zeit, gegen halb zwölf. Toni, Mike und ich räumten den Rest auf. Ich habe die Abrechnung gemacht – o Gott, Gib, das Kuvert für die Bank ist noch oben. Ich …«

»Mach dir darüber jetzt keine Gedanken. Du, Toni und Mike seid also zusammen gegangen?«

»Nein, Mike ging zuerst. Toni wartete, bis ich mit allem fertig war. Es war gegen Mitternacht, und ihr ist es lieber, wenn einer von uns aufpasst, wenn sie nach Hause geht. Wir gingen hinaus, und ich erinnere mich… ich erinnere mich, dass ich meine Schlüssel herauszog, und sie sagte, wie hübsch sie meinen Schlüsselanhänger fände. Theresa hat ihn aus einem Bild von Rosa machen lassen. Ich erinnere mich, dass sie sagte, er sei süß, während ich die Tür abschloss. Ich habe die Tür abgeschlossen, Gib, das schwöre ich. Du kannst Toni fragen.«

»Okay. Das ist alles nicht deine Schuld. Wo wohnt ihr jetzt?«

»Bei meinen Eltern.«

»Braucht ihr etwas?«, erkundigte sich Bianca. »Windeln für das Baby?«

»Meine Mum hat einige Babysachen bei sich. Ich bin nur gekommen, um es euch zu sagen. Und ich wollte wissen, was ich tun kann. Ich bin gerade vorbeigegangen, aber man kann nicht hinein. Sie haben alles abgesperrt. Es sieht nicht gut aus. Ich wollte nur wissen, was ich machen kann. Es muss doch irgendetwas zu erledigen geben.«

»Es wird eine Menge Arbeit geben, sobald wir hineindürfen, um aufzuräumen. Aber jetzt solltest du dich um deine Frau und dein Baby kümmern.«

»Ruf mich bei meiner Mutter an, wenn du irgendetwas brauchst. Jederzeit. Ihr wart so gut zu mir, zu uns.« Er umarmte Gib. »Egal, was es ist.«

Gib ging zur Tür und wandte sich zu Bianca um. »Ich muss hingehen und es mir ansehen.«

Reena schoss ins Wohnzimmer. »Ich will mit dir gehen. Ich begleite dich.«

Gib öffnete den Mund, und Reena erkannte an seinem Gesichtsausdruck, dass er ablehnen wollte. Doch Bianca sah ihn an und schüttelte den Kopf. »Ja, geh mit deinem Vater. Wenn ihr zurückkommt, werden wir wieder einmal über das Belauschen privater Unterhaltungen sprechen müssen. Ich werde auf euch warten, bevor ich meine Eltern anrufe. Vielleicht können wir ihnen dann mehr sagen. Möglicherweise ist es nicht so schlimm, wie wir denken.«

Es wirkte noch schlimmer, zumindest in Reenas Augen. Im Tageslicht sahen die geschwärzten Ziegel, das zerbrochene Glas und der durchnässte Brandschutt schrecklich aus, und der Gestank war noch stärker geworden. Es schien unvorstellbar, dass das Feuer so schnell so viel Schaden hatte anrichten können. Durch das gähnende Loch, wo das große Fenster mit der darauf gemalten Pizza gewesen war, konnte sie die Zerstörung im Inneren sehen. Die verbrannten Überreste der orangefarbenen Sitzbänke und der alten Tische, das Durcheinander der kaputten Stühle. Die sonnengelbe Wandfarbe war verschwunden. Ebenso die große Speisekartentafel, die im offenen Küchenbereich gehangen hatte, wo ihr Vater – und manchmal auch ihre Mutter – zur Unterhaltung der Gäste den Teig durch die Luft wirbelten.

Der Mann mit dem Feuerwehrhelm und der Taschenlampe kam mit einer Art Werkzeugkasten heraus. Er war älter als ihr Vater; das sah sie an den Falten in seinem Gesicht und daran, dass sein Haar, das unter dem Helm hervorschaute, beinahe ganz grau war.

Bevor er aus dem Haus trat, warf er ihnen einen kurzen prüfenden Blick zu. Der Mann, Gibson Hale, war groß und schlaksig gebaut und würde wohl kaum jemals dick werden. Ein wenig erschöpft von der schlaflosen Nacht. Er hatte dichtes lockiges Haar, sandfarben mit einigen ausgebleichten Spitzen. Hielt sich offensichtlich ohne Hut in der Sonne auf, wann immer er konnte.

John Minger studierte nicht nur Brände, sondern auch die Menschen, die darin verwickelt waren.

Das Mädchen war bildhübsch, trotz des ausdruckslosen, von Schlafmangel gezeichneten Blicks. Ihr Haar war dunkler als das ihres Vaters, aber ebenso gelockt. John hielt es für sehr wahrscheinlich, dass sie in Größe und Körperbau ihrem Vater nachschlagen würde.

Er hatte sie bereits letzte Nacht gesehen, als er am Ort des Geschehens eingetroffen war. Die ganze Familie hatte wie schiffbrüchige Überlebende in einer Gruppe beieinander gestanden. Die Frau war ein Hingucker, ein Vollweib von der Art, wie man sie fast nur in Filmen sah. Die älteste Tochter sah ihr am ähnlichsten, soweit er sich erinnern konnte. Die mittlere war nur einen Bruchteil von diesem überwältigenden Eindruck entfernt. Der Junge war hübsch und hatte noch eine kindliche, rundliche Figur.

Dieses Mädchen wirkte aufgeweckt. Die blauen Flecken und Kratzer an ihren langen Beinen ließen ihn vermuten, dass sie wahrscheinlich mehr Zeit damit verbrachte, mit ihrem kleinen Bruder als mit ihren Puppen zu spielen.

»Mr Hale, ich kann Sie noch nicht hineinlassen.«

»Ich wollte Sie sprechen. Haben Sie … Konnten Sie herausfinden, wo es ausgebrochen ist?«

»Darüber möchte ich mich mit Ihnen unterhalten. Wer ist das?« Er lächelte Reena an.

»Meine Tochter Catarina. Es tut mir leid, ich weiß, Sie haben mir Ihren Namen genannt, aber …«

»Minger. Inspektor Minger. Sie erwähnten, dass eine Ihrer Töchter das Feuer entdeckt und Sie geweckt habe.«

»Das war ich«, meldete sich Reena zu Wort. Ihr war bewusst, dass es wahrscheinlich eine Sünde war, darauf stolz zu sein. Aber vielleicht war es nur eine der lässlichen Sünden. »Ich habe es zuerst gesehen.«

»Darüber möchte ich mich auch unterhalten.« Er sah hinüber zu dem Polizeiwagen, der am Straßenrand anhielt. »Würden Sie mich einen Moment entschuldigen?« Ohne eine Antwort abzuwarten, ging er zu dem Wagen und sprach leise mit dem Polizisten darin.

»Gibt es einen Ort in der Nähe, an dem wir uns in Ruhe unterhalten können?«, fragte er, nachdem er zurückgekommen war.

»Wir wohnen nur einen Block weiter.«

»Gut. Einen Augenblick noch.« Er ging zu einem anderen Wagen, und Reena beobachtete, wie er eine Art Schutzoverall auszog. Darunter trug er normale Kleidung. Er legte den Overall und seinen Helm zusammen mit dem Werkzeugkasten in den Kofferraum, verschloss ihn und nickte dann den Polizisten zu.

»Was ist da drin?«, wollte Reena wissen. »In dem Werkzeugkasten?«

»Alle möglichen Sachen. Wenn du möchtest, zeige ich sie dir irgendwann einmal. Mr Hale? Kann ich einen Moment mit Ihnen reden? Würdest du hierbleiben, Catarina?«

Wieder wartete er nicht ab, sondern trat einfach ein paar Schritte zur Seite.

»Wenn es irgendetwas gibt, was Sie mir sagen können«, begann Gib.

»Dazu kommen wir noch.« Er holte ein Päckchen Zigaretten und ein Feuerzeug hervor. Nach dem ersten Zug steckte er das Feuerzeug in die Tasche. »Ich muss mit Ihrer Tochter sprechen. Ihr Instinkt verleitet Sie vielleicht dazu, Details hinzuzufügen oder ihr etwas vorzusagen. Es wäre besser, wenn Sie das nicht täten. Lassen Sie uns beide die Sache einfach durchsprechen.«

»Okay. Natürlich. Reena ist sehr aufmerksam.«

»Gut.« Er ging zurück zu Reena und bemerkte, dass ihre Augen eher bernsteinfarben als braun waren und trotz der Augenringe wach wirkten. »Hast du das Feuer von deinem Schlafzimmerfenster aus gesehen?«, fragte er, während sie sich in Bewegung setzten.

»Nein, von den Stufen aus. Ich saß auf den Stufen vor unserem Haus.«

»Da war die Schlafenszeit schon ein wenig überschritten, stimmt’s?«

Sie dachte darüber nach und überlegte, wie sie die Frage beantworten konnte, ohne die peinlichen persönlichen Details preiszugeben und dabei trotzdem nicht lügen zu müssen. »Es war heiß, und ich wachte auf, weil ich mich nicht gut fühlte. Ich habe mir in der Küche ein Gingerale geholt und mich damit auf die Stufen gesetzt, um es dort zu trinken.«

»Gut. Vielleicht kannst du mir zeigen, wo du gesessen hast, als du es sahst.«

Sie lief voraus und setzte sich folgsam auf die weißen Stufen, so genau wie möglich dorthin, wo sie ihrer Erinnerung nach gesessen hatte. Sie starrte die Straße hinunter, als die Männer näher kamen. »Hier war es kühler als oben in meinem Zimmer. Hitze steigt nach oben. Das haben wir in der Schule gelernt.«

»Das stimmt.« Minger setzte sich neben sie und folgte ihrem Blick die Straße hinunter. »Du hast also hier mit deinem Gingerale gesessen und hast das Feuer entdeckt.«

»Ich sah die Lichter. Lichter in den Scheiben. Und ich wusste nicht, was das war. Ich dachte, dass Pete vielleicht vergessen hatte, das Licht auszuschalten, aber so sah es nicht aus. Sie bewegten sich.«

»Wie?«

Sie zog eine Schulter hoch und fühlte sich ein wenig töricht. »So, als würden sie tanzen. Es war hübsch. Ich fragte mich, was das sein konnte. Deshalb stand ich auf und ging ein Stück darauf zu.« Sie biss sich auf die Lippe und warf ihrem Vater einen Blick zu. »Ich weiß, dass ich das nicht darf.«

»Darüber können wir später reden.«

»Ich wollte es nur ansehen. Oma Hale sagt, ich sei neugieriger, als mir guttäte, aber ich wollte es einfach wissen.«

»Wie weit bist du gegangen? Kannst du mir das zeigen?«

»Okay.«

Er stand mit ihr auf und schlenderte neben ihr her, während er sich vorzustellen versuchte, wie es für ein Kind sein mochte, in einer heißen Nacht eine dunkle Straße entlangzugehen. Aufregend. Verboten.

»Ich nahm mein Gingerale mit und trank beim Gehen davon.« Angestrengt runzelte sie die Stirn und versuchte, sich an jeden Schritt zu erinnern. »Ich glaube, hier bin ich stehen geblieben, hier in der Nähe, weil ich sah, dass die Tür offen stand.«

»Welche Tür?«

»Die Vordertür des Ladens. Sie war offen. Das konnte ich sehen. Zuerst dachte ich, du lieber Himmel, Pete hat vergessen, die Tür abzuschließen, und Mama wird ihm das Fell über die Ohren ziehen. Dafür ist bei uns zu Hause Mama zuständig. Aber dann sah ich, dass es brannte, und ich sah Rauch. Er quoll aus der Tür, und ich bekam Angst. Ich schrie, so laut ich konnte, und rannte nach Hause zurück. Ich lief die Treppe hinauf. Wahrscheinlich schrie ich immer noch, denn Dad war schon aufgestanden und zog sich seine Hose an. Mama griff nach ihrem Kleid. Alle riefen durcheinander. Fran sagte immer wieder: ›Was? Was ist los? Ist es das Haus?‹ Und ich antwortete: ›Nein, nein, es ist der Laden.‹ So nennen wir das Sirico meistens. Den Laden.«

John stellte fest, dass sie alles gründlich durchdacht hatte. Sie war in Gedanken zurückgegangen und hatte sich Detail für Detail ins Gedächtnis gerufen.

»Bella fing zu heulen an. Sie weint ständig, weil Teenager das nun mal tun. Fran hat allerdings nicht so viel geheult. Auf jeden Fall hat Dad aus dem Fenster geschaut und Mama gebeten, Pete anzurufen – er wohnt über dem Laden – und ihm zu sagen, dass er rausmuss, seine Familie aus dem Haus bringen muss. Pete ist mit Theresa verheiratet. Sie haben im Juni ein Baby bekommen. Er sagte, Pete muss wissen, dass im Haus ein Feuer ausgebrochen ist und dass er sofort rausmuss. Dann solle Mama die Feuerwehr anrufen. Während er die Treppe hinunterlief, sagte er ihr, sie solle den Notruf wählen, aber das tat sie bereits.«

»Das ist ein guter Bericht.«

»Ich weiß noch mehr. Wir rannten alle, aber Dad lief am schnellsten. Er rannte den ganzen Weg hinunter. Das Feuer war größer geworden, das konnte ich sehen. Und das Fenster zerplatzte, und es sprang heraus. Das Feuer. Dad ging nicht zur Vordertür hinein. Ich hatte Angst, dass er das tun und ihm dann etwas passieren würde. Er könnte verbrennen. Aber er lief zur hinteren Treppe und hinauf zu Petes Wohnung.«

Sie hielt einen Moment inne und presste die Lippen zusammen.

»Um ihnen herauszuhelfen«, ermutigte John sie.

»Weil sie wichtiger sind als der Laden. Pete trug das Baby, und mein Dad packte Theresa am Arm. Dann rannten sie alle die Treppe hinunter. Allmählich kamen die Leute aus ihren Häusern. Alle riefen und schrien durcheinander. Ich glaube, Dad versuchte, in das brennende Haus zu laufen, aber Mama hielt ihn fest und sagte: ›Tu’s nicht, tu’s nicht.‹ Und er tat’s nicht. Er blieb bei ihr stehen und sagte: ›Meine Güte, Baby.‹ Manchmal nennt er meine Mutter so. Dann hörte ich die Sirenen, und die Feuerwehrautos kamen. Die Feuerwehrmänner sprangen heraus und schlossen die Schläuche an. Mein Dad sagte ihnen, dass niemand mehr im Haus sei, aber einige von ihnen gingen trotzdem hinein. Ich verstehe nicht, wie sie das tun konnten bei den Flammen und dem Rauch. Sie sahen aus wie Soldaten. Wie Geistersoldaten.«

»Dir entgeht nicht viel, stimmt’s?«

»Ich habe ein Gedächtnis wie ein Elefant.«

John warf Gib einen Blick zu und grinste. »Ihre Tochter ist ein kluges Köpfchen, Mr Hale.«

»Gib. Nennen Sie mich Gib. Und ja, da haben Sie recht.«

»Okay, Reena, erzähl mir, was du sonst noch gesehen hast, als du auf den Stufen saßt. Bevor du das Feuer entdeckt hast. Lass uns zurückgehen, damit du versuchen kannst, dich daran zu erinnern.«

Gib warf einen Blick auf den Laden und wandte sich dann wieder John zu. »Es war Vandalismus, nicht wahr?«

»Warum sagen Sie das?«, fragte John.

»Die Tür. Die offene Tür. Ich habe mit Pete gesprochen. Er hat gestern Abend abgeschlossen, weil ich mit der Familie bei einem Baseballspiel war.«

»Die Birds haben die Rangers haushoch geschlagen.«

»Stimmt.« Gib brachte ein schwaches Lächeln zustande. »Pete schloss den Laden mit einem meiner anderen Kinder  – Angestellten – ab. Er erinnert sich genau daran, die Tür verschlossen zu haben, weil er und Toni – Antonia Vargas – sich dabei über seinen Schlüsselanhänger unterhielten. Er hat die Tür noch nie unverschlossen gelassen. Wenn sie also offen war, dann muss jemand eingebrochen sein.«

»Wir werden uns noch darüber unterhalten.« John setzte sich wieder zu Reena. »Ein hübscher Ort. Ein schönes Plätzchen, um in einer heißen Nacht etwas Kühles zu trinken. Erinnerst du dich daran, wie spät es war?«

»Hm, es war ungefähr zehn nach drei. Ich sah auf die Küchenuhr, als ich mir das Gingerale holte.«

»Um diese Uhrzeit schläft wahrscheinlich die ganze Nachbarschaft.«

»Alle Häuser waren dunkel. Bei den Castos brannte die Außenbeleuchtung, aber sie vergessen meistens, sie abzuschalten. Und in Mindy Youngs Schlafzimmerfenster konnte ich einen Lichtschein sehen. Sie lässt die Nachttischlampe an, obwohl sie schon zehn ist. Ich hörte einen Hund bellen. Ich glaube, es war Fabio, Pastorellis Hund. Er hörte sich zumindest so an. Zuerst schien er aufgeregt zu sein, aber dann hörte er auf zu bellen.«

»Fuhren Autos vorbei?«

»Nein, kein einziges.«

»Bei dieser Stille so spät in der Nacht hättest du es wahrscheinlich gehört, wenn am anderen Ende des Blocks ein Wagen gestartet worden wäre oder jemand eine Autotür zugeschlagen hätte.«

»Es war ganz ruhig. Nur der Hund hat ein paar Mal gebellt. Ich konnte die Klimaanlage von nebenan summen hören. Sonst habe ich nichts gehört, an das ich mich erinnern könnte. Nicht einmal, als ich in Richtung des Ladens ging.«

»Okay, Reena. Das hast du gut gemacht.«

Die Tür ging auf, und John war wieder verblüfft von der Schönheit der Frau.

Bianca lächelte. »Gib, möchtest du den Herrn nicht hereinbitten? Und ihm einen kühlen Drink anbieten? Bitte kommen Sie ins Haus. Ich habe frische Limonade gemacht.«

»Vielen Dank.« John hatte sich bereits erhoben. Sie war eine Frau, auf die die Männer flogen. »Gegen etwas Kaltes zu trinken und noch ein paar Minuten von Ihrer Zeit hätte ich nichts einzuwenden.«

Das Wohnzimmer war farbenfroh eingerichtet. Er fand, dass kräftige Farben zu einer Frau wie Bianca Hale passten. Es war ordentlich aufgeräumt, die Möbel nicht mehr neu, aber offensichtlich frisch poliert, wie er aus dem leichten Duft nach Zitronenöl schließen konnte. An der Wand hingen Zeichnungen – Porträts der Familienmitglieder, mit Pastellkreide gezeichnet und einfach gerahmt. Da besaß jemand ein gutes Auge und eine talentierte Hand.

»Wer ist der Künstler?«

»Das bin ich.« Bianca goss Limonade über Eiswürfel. »Mein Hobby.«

»Sie sind großartig.«

»Im Laden hatten wir auch Zeichnungen von Mama«, warf Reena ein. »Die von Dad gefiel mir am besten. Er hatte eine große Kochmütze auf und wirbelte eine Pizza durch die Luft. Das Bild ist nicht mehr da, stimmt’s? Verbrannt.«

»Ich werde eine neue Zeichnung machen. Eine noch bessere.«

»Und dann hatten wir diesen alten Dollar. Mein Opa hat den ersten Dollar einrahmen lassen, den er bei der Eröffnung des Sirico verdiente. Und die Landkarte von Italien und das Kreuz, das Oma vom Papst hat segnen lassen, und…«

»Catarina.« Bianca hob eine Hand, um den Redefluss zu stoppen. »Wenn du etwas verloren hast, solltest du lieber an das denken, was geblieben ist und was du daraus machen kannst.«

»Jemand hat das Feuer mit Absicht gelegt, jemand, dem deine Zeichnungen, das Kreuz und alles andere gleichgültig waren. Sogar, dass Pete, Theresa und das Baby im Haus waren.«

»Was?« Bianca stützte sich mit der Hand auf eine Stuhllehne. »Was sagst du da? Ist das wahr?«

»Wir wollen keine voreiligen Schlüsse ziehen. Ein Brandinspektor wird …«

»Brandstiftung.« Bianca ließ sich auf den Stuhl fallen.

»O mein Gott. Herr Jesus.«

»Mrs Hale, ich habe meine ersten Untersuchungsergebnisse an das Branddezernat weitergegeben. Mein Job ist es, das Gebäude zu untersuchen und zu entscheiden, ob das Feuer durch Brandstiftung verursacht wurde. Jemand vom Branddezernat wird das Haus besichtigen und eine Untersuchung durchführen.«

»Warum tun Sie das nicht?«, wollte Reena wissen. »Sie wissen doch, wie es war.«

John sah sie an und betrachtete diese müden und intelligenten bernsteinfarbenen Augen. Ja, er wusste es. »Wenn das Feuer absichtlich gelegt wurde, dann ist das ein Verbrechen, um das sich die Polizei kümmern wird.«

»Aber Sie wissen es.«

Nein, diesem Kind konnte man nichts vormachen. »Ich habe die Polizei informiert, weil ich bei meinen Untersuchungen in dem Haus Zeichen für ein gewaltsames Eindringen gefunden habe. Die Rauchmelder waren unbrauchbar gemacht, und ich habe mehrere Ursprungsorte gefunden.«

»Was heißt Ursprungsorte?«, fragte Reena, neugierig wie immer.

»Das bedeutet, dass das Feuer an mehreren Orten entstanden ist, und aus den Brandmustern, der Art, wie das Feuer bestimmte Bereiche am Boden, an den Wänden, an den Möbeln beschädigt hat, und aus den Überresten kann man mit großer Wahrscheinlichkeit schließen, dass es mit Benzin entfacht wurde. Außerdem wurde eine regelrechte Straße aus brennbarem Material wie Zeitungs- und Wachspapier sowie Steichholzbriefchen gebaut. Es sieht so aus, als habe ein Einbrecher eine Spur durch das ganze Restaurant bis in die Küche gelegt. Dort gab es weitere entzündliche Stoffe: unter Druck stehende Dosen, Holzschränke. Das ganze Drumherum – die Tische und Stühle. Wahrscheinlich wurde Benzin über den Boden und die Möbel gekippt und an die Wände gespritzt.«

»Wer sollte so etwas tun? Mit Absicht?« Gib schüttelte den Kopf. »Ich könnte mir vorstellen, dass ein paar dumme Jungs eingebrochen sind, Unsinn gemacht haben und dabei einen Unfall hatten, aber Sie sprechen davon, dass jemand bewusst versucht hat, den Laden abzufackeln – und das, obwohl darüber eine Familie wohnt. Wer würde so etwas tun?«

»Das frage ich Sie. Gibt es jemanden, der gegen Sie oder Ihre Familie einen Groll hegt?«

»Nein. Meine Güte, wir leben seit fünfzehn Jahren in diesem Viertel. Bianca ist hier aufgewachsen. Und das Sirico ist eine Institution.«

»Ein Konkurrent?«

»Ich kenne die Restaurantbesitzer in dieser Gegend und komme mit allen gut aus.«

»Vielleicht ein früherer Angestellter. Oder jemand, der für Sie arbeitet und dem Sie einen Verweis erteilen mussten?«

»Nichts dergleichen. Das kann ich beschwören.«

»Haben Sie oder ein Mitglied Ihrer Familie mit jemandem Streit? Einem Angestellten oder einem Kunden?«

Gib fuhr sich mit der Hand über das Gesicht und ging zum Fenster hinüber. »Niemand. Nicht, dass ich wüsste. Wir sind ein Familienbetrieb. Manchmal gibt es Beschwerden  – das ist in jedem Restaurant der Fall. Aber es ist nichts vorgefallen, was so etwas hätte auslösen können.«

»Könnte es unter Ihren Angestellten eine Auseinandersetzung gegeben haben? Vielleicht außerhalb der Arbeitszeit? Ich möchte eine Namensliste haben. Wir werden sie alle befragen müssen.«

»Dad.«

»Nicht jetzt, Reena. Wir haben immer versucht, mit allen Nachbarn gut auszukommen und das Lokal so zu führen, wie Biancas Eltern es getan haben. Auch wenn wir alles ein wenig modernisiert haben, ist es im Kern so geblieben, wie es immer war, verstehen Sie?« Seine Stimme verriet Trauer, aber auch Zorn. »Es ist ein solider Laden. Wenn man hart genug arbeitet, kann man gut davon leben. Ich kann mir niemanden vorstellen, der uns oder dem Lokal das antun würde.«

»Den ganzen Morgen über haben uns Nachbarn angerufen«, warf Bianca ein, als das Telefon schon wieder klingelte. »Unsere älteste Tochter nimmt die Anrufe entgegen. Die Leute sagen uns, wie leid es ihnen tut, und bieten uns ihre Hilfe an. Beim Aufräumen, beim Kochen, beim Wiederaufbau. Ich bin hier aufgewachsen. Im Sirico. Die Leute lieben Gib über alles. Man muss jemanden hassen, um ihm so etwas anzutun, nicht wahr? Uns hasst niemand.«

»Joey Pastorelli hasst mich.«

»Catarina.« Bianca fuhr sich müde mit der Hand über das Gesicht. »Joey hasst dich nicht. Er ist nur ein Grobian.«

»Warum glaubst du, dass er dich hasst?«, wollte John wissen.

»Er hat mich auf den Boden geworfen, mich geschlagen und mein T-Shirt zerrissen. Und er hat mir einen Schimpfnamen gegeben, aber keiner will mir sagen, was er bedeutet. Xander und seine Freunde haben alles gesehen und kamen mir zu Hilfe. Dann ist Joey weggelaufen.«

»Er ist ein Rohling«, warf Gib ein. »Und es war …« Er sah John in die Augen, und die beiden tauschten etwas aus, was Reena nicht verstand. »Es war sehr beunruhigend. Er sollte dafür bestraft werden. Aber er ist erst zwölf, und ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Zwölfjähriger bei uns eingebrochen ist und all das getan hat, was Sie uns geschildert haben.«

»Wir sollten das trotzdem nicht unberücksichtigt lassen. Reena, du sagtest, du hättest den Hund der Pastorellis gehört, als du draußen gesessen hast.«

»Ich glaube, dass er es war. Er macht mir ein wenig Angst und hat ein hartes Bellen – wie ein Husten, der in der Kehle wehtut.«

»Gib, wenn ein Junge meine Tochter angegriffen hätte, dann hätte ich wohl ein Wörtchen mit ihm und seinen Eltern gewechselt.«

»Das habe ich auch getan. Ich war bei der Arbeit, als Reena, Xander und ein paar der anderen Kinder hereinkamen. Reena weinte. Das tut sie sehr selten, also war mir sofort klar, dass man sie verletzt hatte. Ihr T-Shirt war zerrissen. Als sie mir erzählte, was geschehen war… Ich war ziemlich aufgebracht. Ich…«

Langsam wandte er sich seiner Frau zu und sah sie entsetzt an. »Meine Güte, Bianca.«

»Was haben Sie getan, Gib?«, fragte John und lenkte Gibs Aufmerksamkeit wieder auf sich.

»Ich bin sofort zu den Pastorellis hinübergegangen. Pete begleitete mich. Joe Pastorelli öffnete uns die Tür. Er war fast den ganzen Sommer über arbeitslos. Ich habe ihn angeschrien.« Er schloss die Augen. »Ich war so verärgert und zornig. Sie ist doch noch ein kleines Mädchen. Ihr T-Shirt war zerrissen, und ihr Bein blutete. Ich sagte ihm, dass ich es satt hätte, dass sein Kind meines tyrannisiert und dass das aufhören müsse. Dass Joey dieses Mal zu weit gegangen sei und ich mir überlege, den Fall der Polizei zu melden. Wenn er seinen Jungen nicht erziehen könne, müsse die Polizei das in die Hand nehmen. Wir brüllten uns an.«

»Er nannte dich einen verfluchten Weltverbesserer und ein Arschloch, das sich um seine eigenen verdammten Sachen kümmern solle.«

»Catarina!« Biancas Ton war messerscharf. »Benütze nie wieder solche Ausdrücke in diesem Haus.«

»Ich habe doch nur wiederholt, was er gesagt hat. Für den Bericht. Er sagte, Dad würde eine Bande weinerlicher Rotznasen großziehen, die ihre Probleme nicht selbst lösen könnten. Und er hat noch weitere Schimpfwörter gesagt. Dad sagte auch ein paar.«

»Ich kann nicht mehr genau wiedergeben, was er gesagt hat und ich gesagt habe.« Gib strich sich mit dem Finger über den Nasenrücken. »Ich habe keinen Kassettenrekorder in meinem Kopf wie Reena. Aber ich war wütend und hätte ihn beinahe körperlich angegriffen. Aber die Kinder standen vor dem Laden, und ich wollte keine Prügelei vor ihren Augen anfangen, vor allem nicht, weil ich ja wegen einer Tätlichkeit dorthin gegangen war.«

»Er sagte, dass dir und deiner ganzen Familie jemand eine Lektion erteilen sollte. Und fluchte wieder«, fügte Reena hinzu. »Als du mit Pete gegangen bist, hat er unanständige Gesten gemacht. Und während des Feuers vor dem Laden, habe ich Joey gesehen. Er hat mich angegrinst. Es war ein gemeines Grinsen.«

»Haben die Pastorellis noch mehr Kinder?«

»Nein, nur Joey.« Gib setzte sich neben seine Frau auf die Armlehne des Stuhls. »Eigentlich könnte einem der Junge leid tun, weil Pastorelli ihn anscheinend nicht gut behandelt, aber er ist ein Grobian.« Er warf Reena einen Blick zu. »Vielleicht sogar noch schlimmer als das.«

»Wie der Vater, so der Sohn«, murmelte Bianca. »Ich glaube, er schlägt seine Frau. Ich habe sie schon oft mit blauen Flecken gesehen. Sie ist sehr zurückhaltend, daher kenne ich sie nicht besonders gut. Ich glaube, sie leben jetzt seit beinahe zwei Jahren hier, und ich habe mich kaum mit ihr unterhalten. Einmal kam die Polizei, kurz nachdem er entlassen worden war. Die Nachbarn hörten Schreie und Weinen und riefen die Polizei. Aber Laura – Mrs Pastorelli – sagte ihnen, dass alles in Ordnung, und sie gegen eine Tür gelaufen sei.«

»Klingt, als wäre er ein richtig netter Kerl. Die Polizei wird sich mit ihm unterhalten wollen. Es tut mir leid, dass das passiert ist.«

»Wann können wir hinein und anfangen aufzuräumen?«

»Das wird noch eine Weile dauern. Das Team vom Branddezernat muss erst seinen Job erledigen. Was die Bausubstanz betrifft, sieht es gar nicht so schlecht aus. Die Feuerschutztüren haben verhindert, dass sich das Feuer in den oberen Stockwerken ausbreiten konnte. Ihre Versicherungsgesellschaft wird sich alles anschauen wollen. Diese Dinge brauchen ihre Zeit, aber wir werden unser Bestes tun, um die Sache zu beschleunigen. Und ohne unser Adlerauge wäre das Ganze noch viel schlimmer.« Er zwinkerte Reena zu, als er aufstand. »Es tut mir wirklich leid für Sie. Ich werde dafür sorgen, dass man Sie auf dem Laufenden hält.«

»Werden Sie wiederkommen?«, fragte Reena. »Und mir zeigen, was in Ihrem Werkzeugkoffer ist und was Sie damit tun?«

»Auf jeden Fall. Du warst eine große Hilfe.« Er streckte ihr seine Hand entgegen. Zum ersten Mal wirkte sie schüchtern, aber sie ergriff seine Hand und schüttelte sie.

»Vielen Dank für die Limonade, Mrs Hale. Gib, begleiten Sie mich zu meinem Wagen?«

Sie gingen zusammen hinaus.

»Ich weiß nicht, warum ich nicht an Pastorelli gedacht habe. Es fällt mir immer noch schwer zu glauben, dass er so weit gehen könnte. In meiner Welt versetzt man einem Kerl, auf den man wütend ist, eins auf die Nase.«

»Der direkte Weg. Wenn er wirklich etwas damit zu tun hat, wollte er Sie vielleicht in Ihrem Lebensmittelpunkt treffen, Ihre familiäre Basis, Ihre Tradition und Ihre Existenz zerstören. Er ist arbeitslos, Sie nicht. Obwohl, das sind Sie jetzt auch.«

»Meine Güte, ja.«

»Sie und Ihr Angestellter stellen ihn zur Rede. Ihre Kinder stehen dabei und beobachten das. Nachbarn auch, nehme ich an.«

Gib schloss die Augen. »Ja, ja. Die Leute kamen aus ihren Häusern.«

»Indem er Sie angreift und Ihre Arbeitsstätte zerstört, erteilt er Ihnen eine Lektion. In welchem Haus wohnt er?«

»Dort, auf der rechten Seite.« Gib neigte den Kopf. »Das, in dem die Vorhänge zugezogen sind. Ein zu heißer Tag, um die Vorhänge zuzuziehen. Mistkerl.«

»Sie sollten sich von ihm fernhalten. Unterdrücken Sie den Wunsch, ihn wegen des Feuers zu befragen. Hat er einen Wagen?«

»Ja, es ist der alte Ford dort drüben. Der blaue Laster.«

»Um welche Uhrzeit hatten Sie die Auseinandersetzung?«

»Ich denke, gegen zwei Uhr. Die Mittagsgäste waren fast alle schon weg.«

Während sie weitergingen, blieben mehrere Leute stehen. Türen wurden geöffnet, und einige Nachbarn streckten die Köpfe aus dem Fenster, um Gib einen Gruß zuzurufen. Im Haus der Pastorellis blieben jedoch die Vorhänge zugezogen.

Auf dem Gehsteig vor dem Restaurant hatte sich eine kleine Gruppe versammelt. John blieb außer Hörweite stehen.

»Ihre Nachbarn werden sich mit Ihnen darüber unterhalten wollen und Ihnen Fragen stellen. Es ist am besten, wenn Sie nicht erwähnen, worüber wir gesprochen haben.«

»Das werde ich nicht.« Gib atmete tief aus. »Ich hatte ohnehin vor, einiges zu renovieren. Das ist dann wohl jetzt der richtige Zeitpunkt dafür.«

»Wenn Sie später hineinkönnen, werden Sie viele Schäden sehen, die durch die Brandbekämpfung entstanden sind. Aber die tragenden Wände haben standgehalten. Geben Sie uns ein paar Tage. Wenn alles erledigt ist, werde ich zurückkommen und Sie persönlich durch das Haus führen. Sie haben eine nette Familie, Gib.«

»Danke, das stimmt. Aber Sie haben noch nicht alle kennengelernt.«