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Eine Autopanne während eines Schneesturms zwingt Melanie zu einem Abend in einem abgelegenen Gutshaus in der Einsamkeit Mecklenburg-Vorpommerns. Illustre Gäste erzählen skurrile Geschichten, die bei Melanie zwiespältige Gefühle wecken – wäre da nicht ein charmanter Gastgeber … --- Für Freunde abendlicher Spooky-Geschichten! Ein amüsantes Grusel-Menu mit einem Schuss Krimi und einer winzigen Prise Vampir. Doch mundet es auch Liebhabern romantischer Stories? – Da könnten Zweifel aufkommen … - Seien Sie also auf der Hut! --- Der Kamin-Abend liefert die Kulisse für die prickelnden Stars dieses Buches: Sieben Short Stories, die z.T. auch als Singles erhältlich sind. --- Die Kurzgeschichtensammlung hat als Standard-Print-Ausgabe 142 Seiten.
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Veröffentlichungsjahr: 2015
Inhaltsverzeichnis
Über dieses Buch
Kap 1 - Vandark
Kap 2 - Abendliche Gesellschaft
Kap 3 - Nachts, wenn Teddy kommt
Kap 4 - Am Kamin
Kap 5 - Countdown
Kap 6 - Helga
Kap 7 - Die Kaffee-Tanten
Kap 8 - Drinks
Kap 9 - Lady
Kap 10 - Allein im Dunkeln?
Kap 11 - Gehetzt
Kap 12 - Die Zeit
Kap 13 - Home Sweet Home
Kap 14 - Vor Mitternacht
Kap 15 - Violet
Kap 16 - Michael
Epilog - Der Morgen danach
Über den Autor
Taschenbücher / eBooks
Erweitertes Impressum
Eine Autopanne während eines Schneesturms zwingt Melanie zu einem Abend in einem abgelegenen Gutshaus in der Einsamkeit Mecklenburg-Vorpommerns.
Illustre Gäste erzählen skurrile Geschichten, die bei Melanie zwiespältige Gefühle wecken – wäre da nicht ein charmanter Gastgeber …
Für Freunde abendlicher Spooky-Geschichten! Ein amüsantes Grusel-Menu mit einem Schuss Krimi und einer winzigen Prise Vampir. Doch mundet es auch Liebhabern romantischer Stories? – Da könnten Zweifel aufkommen … - Seien Sie also auf der Hut!
Der Kamin-Abend liefert die Kulisse für die prickelnden Stars dieses Buches: sieben Short Stories.
»Nachts, wenn Teddy kommt« - ein fast »vergnüglicher« Einstieg.
»Countdown« - ein Einbruch in eine verlassen liegende Villa verläuft anders als geplant.
»Die Kaffee-Tanten« - führt in eine gemütliche Nachmittagsrunde, wenn nicht ...
»Lady« - drei Studenten wollen dem Geheimnis der weißen Frau auf die Spur kommen.
»Gehetzt« - sie wird gemartert und gequält; was will er von ihr?
»Home Sweet Home« - John bewohnt für kurze Zeit ohne seine Frau das neue Cottage; doch nachts ist noch jemand zugegen. Wer?
»Violet« - Ein junger Archäologe verliebt sich im 19. Jahrhundert in eine nächtliche Schönheit. Doch die Liebe birgt geheimnisvolle Überraschungen ...
»Scheißkarre!«
Melanie Görner drehte noch einmal den Zündschlüssel. Das durchdringende rhythmische Wimmern des Anlassers hämmerte die Gewissheit in ihr Gehirn, dass ihrer Mutter ein einsamer Abend am Flughafen Rostock-Laage drohte.
»Du Mistschlitten!«
Melanie trommelte mit beiden Fäusten gegen das Lenkrad, als könne sie damit ihrem altersschwachen Golf neues Leben einhauchen. Ob es ihm wirklich das letzte Motorlichtlein ausgepustet hatte, vermochte die Lehrerin als absoluter Technik-Laie nicht zu beurteilen, aber mit vollem Tank – denn soweit überblickte sie die Lage noch - und offensichtlich geladener, funktionierender Batterie einfach mir nichts dir nichts auszurollen und den Motor ohne ihre Eingriffe in einen Schlummerzustand zu versetzen, steigerte ihre Wut und ihren Hass gegen das in die Jahre gekommene Auto, als hätte ihr nicht existierender Lebenspartner sie gerade vor die Tür gesetzt.
»Du Schrottmühle!«
Sie starrte durch die Windschutzscheibe in die Ferne.
»Auch das noch!«
Die dunkle Wolkenwand, die sie schon während der letzten Kilometer entdeckt, aber nicht ernst genommen hatte, näherte sich in einer gefühlt rasenden Geschwindigkeit. Die ersten Schneeflocken tanzten in der Luft. In Kombination mit dem sich tief verdunkelnden Himmel signalisierte die noch funktionierende Digitalanzeige hinter dem Lenkrad mit ihren minus zwei Grad, dass die nächsten Stunden den Landstrich in eine frostige und weiße Starre versetzen wollten. Das wusste Melanie. Auch wenn sie diese Straße hier noch nie gefahren war, so kannte sie doch diesen Teil Mecklenburg-Vorpommerns gut genug, um Wetterlagen einschätzen zu können. Sie hatte hier ihre Kindheit erlebt, sie wurde hier geboren und wuchs hier auf. Sie zog auch nie weg. Sie kannte diesen Landstrich und seine Eigenarten. Schnee bei einer solchen Wetterfront verhieß nichts Gutes. Und schon gar nicht, wenn man mit einer gestrandeten und jeglichen Dienst verweigernden Schrottkarre auf einer einsamen Landstraße noch mehr als dreißig Kilometer vom Flughafen Rostock-Laage entfernt im Niemandsland hilflos am Straßenrand stand.
Melanie griff zum Handy in der Ablageschale.
»Oh! Verdammt …«
Wider Erwarten signalisierte ihr die kleine Fernsprechmaschine, dass kein einziger Sendemast in der Nähe zu irgendeiner Kommunikation bereit war. Melanie sah sich um, drehte ihren Kopf in alle Richtungen. Keine Ortschaft weit und breit zu entdecken. Links nur Felder, rechts nur Wiesenlandschaft unterbrochen mittendrin von einer verfallenen Mauer und Sträuchern, im Treiben der Flocken kaum noch zu sehen. Als einzige menschliche Behausung bot sich jener Gutshof als mögliche Rettungsstelle für die gestrandete Englischlehrerin an, den sie vor wenigen Augenblicken noch drüben zwischen den Bäumen, ungefähr einen halben Kilometer weiter vorn, erkennen konnte, der aber jetzt durch das stärker werdende Schneegestöber hindurch für sie unsichtbar geworden war.
»Wenn es denn sein muss …«
Sie schnappte Mantel und Mütze und stieg aus. Ihre dünnen Schuhe verschafften ihr keinerlei wirklichen Schutz gegen die Kälte, als ihre Füße im schon eine Handbreite hohen Schnee einsanken. Wütend schleuderte sie die Tür zu und stapfte im eisigen Wind am Straßenrand entlang zu dem Anwesen. Wenigstens trug sie Jeans. Sie verbat ihrem Gehirn, irgendeinen Gedanken daran zu verschwenden, was gewesen wäre, wenn sie noch immer in ihrem Rock stecken würde, den sie in der Schule noch getragen hatte. Nicht auszudenken!
Das große, zweiflüglige schmiedeeiserne Tor, dessen senkrechte Gitterstreben keinen Blick auf das am Ende der kurzen Allee gelegene Haus verhinderten, ließ sich zwar laut quietschend, aber ohne Mühe öffnen. Der Kies knirschte bei ihren Schritten unter dem Schnee. Melanie stapfte zwischen den Bäumen den Weg entlang auf den direkt in der Mitte des Weg-Endes liegenden Treppenaufgang zu, der Besucher vor der zweiflügligen, aus dunklem Holz gefertigten Eingangstür empfing. Erst dreißig oder vierzig Schritte vor dem Haus hatte sie einen baumfreien Blick auf das Gutshaus in seiner ganzen Breite. Die zweigeschossige Hauswand präsentierte stolz ihr Gerippe aus kräftigen Fachwerk-Stämmen. Die Ausfachungen dazwischen trugen einen in einem warmen, dunklen Rot gehaltenen Putz. Die weiß gestrichenen Holzfenster im Erd- und Obergeschoss wirkten wie ein langes Spalier gleichmäßig gesetzter Rechtecke. Erst bei dieser weiten Perspektive konnte Melanie erkennen, dass diese Fassade nicht eine Giebelwand des Hauses war, sondern eine der beiden langen Seitenwände. Das sich lang von links nach rechts streckende, mit roten Schindeln gedeckte Dach formte sich an zwei Stellen zu geschwungenen kleinen Zwischengiebeln, die jeweils einem flachen Fenster Platz boten. Wahrscheinlich war also auch der Dachstuhl zumindest teilweise mit Kammern bestückt.
Melanie stieg die Stufen empor. Als sie den großen Griff an der Kette neben der Tür zog, ertönte im Innern ein dumpfer Glockenton, der einer kleinen Kapelle auf dem Lande zu weitklingender Ehre gereicht hätte. Wenige Augenblicke später öffnete sich die Tür. Die schwarz-weiß gestreifte Butler-Jacke fiel Melanie als erstes auf, dann erst der dazugehörige hagere Mann mit seinen kurzen, grauen Haaren.
»Sie wünschen, meine Dame?«
Melanie schluckte und überlegte einen Moment, ob sie sich nun in irgendeiner besonders gewählten Form verständlich machen müsste. Dann entschied sie sich dagegen in dem Bewusstsein, gedrechselte Sprache sowieso keine drei Sätze durchhalten zu können.
»Entschuldigen Sie bitte die Störung. Ich habe eine Autopanne und brauche Hilfe. Kann ich bei Ihnen telefonieren?«
»Aber bitte, meine Dame, so treten Sie doch erst einmal ein. Wir helfen Ihnen sehr gern, soweit wir können.«
Steif, aber doch mit einer höfischen Eleganz trat er beiseite. Melanie setzte ihre Schritte hinein. Endlich konnte der kalte Wind ihr nichts mehr anhaben. In der Dunkelheit des unbeleuchteten Flures geleitete der Bedienstete sie zu einer Garderobenwand zur Linken mit acht oder zehn Kleiderhaken, an der sie ihren Mantel aufhängen konnte. Weiter hinten am Ende der kurzen Diele führte eine Holztreppe hinauf in das Obergeschoss. Auf den beiden Flurseiten konnte Melanie jeweils eine große zweiflüglige Tür entdecken.
»Hier entlang, bitte!«
Er öffnete ihr die Tür zur Rechten und bat mit einer kurzen Handbewegung einzutreten.
Wärme umfing die Lehrerin. Ein wuchtiger Kamin, in dem Holzscheite in voller Flamme standen, erleuchtete als einzige Lichtquelle den Raum. Die dunklen Holzbalken der Decke, die dazwischen sichtbaren Bretter in der gleichen Tönung und mehreren freistehende Holzstützen verliehen dem Zimmer auch optisch das Ambiente eines gemütlichen Heimes. Die Bücher in dem großflächigen Regal neben dem Kamin zeugten von einer umfangreichen Belesenheit der Bewohner – wenn sie das alles tatsächlich studiert hatten.
»Herr Bechsteiner, ein Gast!«
Ein junger Mann, vielleicht zwei oder drei Jahre älter als die 30-jährige Melanie, erhob sich aus seinem Ohrensessel und blickte erstaunt zur Tür.
»Ein Gast? Jetzt?«
Sein überraschter Gesichtsausdruck hellte sich umgehend auf, als er die Frau erblickte.
»Oh! Angenehm! Bechsteiner. Herzlich willkommen auf dem Gut Vandark!«
Mit ausgestreckter Hand ging er Melanie die sechs Schritte entgegen. Sein hellbraunes Cord-Jackett und die passende dunkelbraune Hose unterstrichen das Flair eines landwirtschaftlichen Gutsbesitzers.
»Melanie Görner. Sehr erfreut. Danke, dass Sie mich einließen.« Lächelnd griff sie seine Begrüßungshand. »Ich habe eine Autopanne. Könnte ich von hier einen Abschleppdienst anrufen? Und vielleicht ein Taxi? Ich muss dringend zum Flughafen Laage.«
»Aber gern, wenn es wieder geht.«
»Wieder geht?«
»Ach, dieses Wetter! Aber wir probieren es einfach. Kommen Sie!«
Er führte Melanie zu einem Tischchen neben dem ersten Fenster gleich rechts.
»Sie müssen wissen, dass seit ungefähr einer Stunde die Telefonleitung ohne Verbindung ist. Ja, das Wetter … – Aber vielleicht geht es ja doch wieder. Wir haben es seit über einer halben Stunde nicht mehr probiert.«
Bechsteiner nahm den Hörer ab und führte ihn an sein Ohr.
»Oh, schade.«
Er hielt Melanie mit einem Ausdruck des Bedauerns die Ohrmuschel hin, dass sie sich überzeugen konnte. Ihre Wahrnehmung bestätigte leider, was sie jetzt eh schon wusste. Keine Verbindung.
»Wo ereilte sie die Panne?«
»Gleich da vorn, einen halben Kilometer oder etwas mehr entfernt.«
Dabei zeigte sie durch das Fenster in die ungefähre Richtung.
»Schlimm? Reifenpanne? Oder etwas anderes?«
»Ich weiß es nicht. Der Motor ging einfach aus und sprang nicht mehr an.«
»Benzin?« Bechsteiner brachte seine Frage betont vorsichtig heraus. Offensichtlich wollte er der Frau nicht zu nahe treten. Melanie schüttelte den Kopf.
»Fast ganz voll. Irgendetwas anderes.«
»Oh. Bedauerlich. – Aber nehmen Sie doch bitte Platz. Ein Kaffee wird Ihnen jetzt nach dem kleinen Fußmarsch sicher gut tun, oder?«
Melanie lächelte nickend.
»Gut. - Farfir, bitte serviere der Dame ein Gedeck!«
Galant deutete Bechsteiner ein Geleit an. Doch er berührte Melanie nicht, als er sie zum Kamin führte und ihr den Platz in einem zweiten Sessel anbot.
»Ich denke, Farfir und ich werden uns gleich um Ihren Wagen kümmern. Doch zunächst hoffe ich, dass Sie sich in meinem Reich für die Dauer Ihres Bleibens sehr wohl fühlen. Wir stehen ganz zu Ihren Diensten.«
Dabei blickte er ihr fast unterwürfig, aber dennoch mit einer kräftigen Portion Charme gewürzt in die Augen. Melanie empfand eine wohltuende Wärme bei seinem Blick. Farfir stellte eine kleine weiße Kanne, ein kleineres Kännchen mit Milch und ein Töpfchen mit Zucker auf einem kleinen Holztisch ab, den er neben Melanies Sessel gestellt hatte, und schenkte den Kaffee in die Tasse aus feinem, dünnen Porzellan ein. Die Lehrerin bedankte sich, fügte einen Schuss Milch hinzu und wandte sich wieder an den jungen Herrn.
»Gemütlich haben Sie es hier.« Grau-braune Augen, stellte sie in ihren Gedanken fest. In Verbindung mit den feinen, gar nicht buschigen Augenbrauen fesselte Bechsteiners Blick für einen Moment ihre ganze Aufmerksamkeit.
»Ja, das kann man mit Fug und Recht sagen. Ich hoffe, das Feuer wärmt Sie ausreichend, sonst werde ich nochmal nachlegen.«
»Nein, nein, das ist ganz okay so.«
Genüsslich nippte sie an dem Kaffee. Bechsteiner schaute ihr zu, ganz offensichtlich sehr zufrieden, dass es ihr hier gefiel.
»Während Farfir und ich uns gleich zu Ihrem Wagen aufmachen, fühlen Sie sich bitte wie zuhause. Ich hoffe, es macht Ihnen nichts aus, dass wir Sie für die kurze Zeit ganz allein in diesem Haus lassen.«
»Aber nein. Ganz im Gegenteil. Ich bin Ihnen sehr dankbar.«
»Schön.« Er erhob sich. »Farfir, bring bitte noch einige Kerzen! – Sie müssen entschuldigen, Frau … äh, Görner?«
Melanie nickte.
»Ja … also … wir haben leider auch einen Stromausfall, seit das Telefon nicht mehr funktioniert. Aber, ich denke, Kerzen in diesem Raum heben eher die Stimmung, oder wie sehen Sie das?«
»Oh ja, gemütlich haben Sie es hier. Das passt sicher sehr gut. Ich komme zurecht.« Melanie blickte sich bewundernd um.
»Fein.« Sein zufriedener Gesichtsausdruck unterstrich die Feststellung malerisch. »Haben Sie Ihren Autoschlüssel griffbereit?«
»Klar. – Und vielen Dank.« Melanie reichte das kleine Leder-Etui hinüber.
»Nichts zu danken. Dann sage ich einfach: bis gleich.«
Bechsteiner nickte höflich, stand auf und ging mit Farfir zum Zimmer hinaus. Melanie nahm noch einen Schluck Kaffee, erhob sich dann mit der Untertasse in der Hand und der darauf stehenden Tasse neugierig ebenfalls, um am Fenster dem winterlichen Treiben draußen ihre Aufmerksamkeit zu schenken. Bechsteiner und Farfir verließen gerade das Haus. Der junge Herr ging um die Ecke, um wenige Minuten später auf einem alten Traktor zum wartenden Farfir zurückzukehren. Gemeinsam fuhren die beiden durch den schon zwanzig oder mehr Zentimeter hohen Schnee ungeschützt im Wind sitzend zur Allee hinaus. Melanies Bewunderung für den Herrn stieg. Die Kaffeetasse in der Hand sah sie sich im Zimmer um.
An der Wand gegenüber der Tür befand sich der Kamin, an dem sie bis vor wenigen Minuten gesessen hatte. Rechts davon verdeckte das große Bücherregal die Zimmerwand, in dem fast lückenlos hunderte von Büchern aufgereiht oder zwischendrin auch hier und da gestapelt geballtes Wissen demonstrativ zur Schau stellten. Melanie ging hinüber und studierte die Buchrücken. Klassiker und ihr unbekannte Werke, in Leder gebundene Schriften und alte abgegriffene Papp-Einbände wechselten sich munter in der Reihe ab. Doch sie entdeckte nur wenige Taschenbücher.
Die Kälte des Fußmarsches steckte ihr noch immer in den Knochen. Leicht fröstelnd zog Melanie sich wieder in die Wärme des Ohrensessels vor dem Kamin zurück. Nachdem sie die Tasse wieder abgestellt hatte, schloss sie die Augen und lauschte verträumt dem Knacken in der Glut.
Eine Berührung an ihrem Hals schreckte sie auf. Sie fuhr mit dem Kopfe herum. Doch nichts war zu sehen. Ein kalter Hauch strich durch ihre Haar. Ihr fröstelte wieder. Das Alleinsein flößte ihr Unbehagen ein. So wie früher, wenn sie als kleines Mädchen in den Keller ging. Melanie war ungern allein. Sie schaute sich noch immer um. Jetzt erfüllten sie schon Luftzüge mit Angst? Melanie schüttelte sich.
Sie kuschelte sich wieder in den Sessel. Das Knistern beruhigte. Die Augen fielen ihr zu. Als trügen sie die Flammen weit weg, sank Melanie in einen leichten Halbschlaf. Die Wärme und das Knistern streichelten ihre Seele und tauchten sie in ein Fangobad der Geborgenheit. Wie eine romantische Melodie in einer Berghütte tanzten die Töne um ihr Ohr. Tragt mich weg, weit weg! Die Welt um sie herum versank in Dumpfheit. Melanie ließ sich weit davontragen.
Was war das? - Ein Kratzen übertönte unüberhörbar das Knistern im Kamin. Woher kam das? Melanie öffnete die Augen und blickte schlagartig voll erwacht in die Flammen. Da. Wieder. Kein Zweifel, das Geräusch kam von der Wand links des Kamins. Melanie suchte mit ihren Augen die linke Seite ab. Hinten, ganz in der Ecke, kurz vor der Außenwand des Hauses mit den rückwärtigen Fenstern, sah sie eine Tür, die offenbar in einen Raum noch hinter dem Kaminzimmer führte. Melanie lauschte angestrengter. Da. Schon wieder. Ein Kratzen an der Wand und zwei, drei dumpfe Stöße wie Schritte hinter dieser Wand.
Er sagte doch, ich wäre allein?
Melanie drückte sich fester in den Sessel, als könnte der mit seinen Ohr-Auswölbungen sie umschlingen und vor jeglichem Unheil schützen. Gebannt saß sie nun dort und wand ihren ängstlichen Blick nicht mehr von der Tür. Minute um Minute verging.
Das laute Zufallen der Haustür schreckte sie auf.
»Wir sind wieder da!«
Bechsteiners Stimme verscheuchte Melanies Angst – zumindest für den Moment.
»Nun, tut mir leid. Aber auch wir haben ihn nicht flott gekriegt. Der Motor sagt keinen Mucks«, berichtete Bechsteiner während er ablegte. »Aber wir haben ihn hergeschleppt. Damit steht er nicht einsam und ungesichert auf der Straße.«
Melanie lugte um die Sessellehne und warf dem Hausherrn einen Blick zu, der zwischen verärgert und glücklich auf Ausdrucksuche schien.
»Dumm. Da kann man nichts machen. Ob das Telefon wieder …?«
Aber Bechsteiner hatte den Hörer schon in der Hand und schüttelte den Kopf.
»Mist! Hoffentlich kann sich Mutter wenigstens selbst helfen …«
Eine kurze Pause trat ein. Dann schlug der Hausherr vor:
»Also, es wäre mir eine Ehre, Ihnen für die Nacht eines der Zimmer anbieten zu können. Wäre Ihnen das Recht? Denn zu Fuß geht gar nichts. Unser Landrover ist leider bis morgen in der Werkstatt. Und bei diesem Wetter auf meinem Traktor … na, ich weiß nicht.«
»Oh!« Melanie überlegte nur einen kurzen Augenblick. Das freundliche, einnehmende Lächeln Bechsteiners schlug sie in seinen Bann.
»Einverstanden. Ich freue mich über das Angebot sehr.«
»Sehr schön. Farfir wird ihnen das Gemach zeigen. Und auch einige Sachen für die Nacht bereitlegen. So etwas kommt zwar selten bis nie vor, doch wir sind auf alles vorbereitet. – Farfir!«
Der Butler kam geräuschlos herein.
»Farfir, zeige bitte der Dame ihr Zimmer!«
Der Bedienstete nickte, ging aber noch nicht, sondern wartete auf Melanie, die freudig nickend an den Hausherrn ein »Danke« adressierte, als sie an ihm vorbeiging.
»Ach, Herr Bechsteiner, Sie sagten doch, ich sei während Ihrer Abwesenheit allein in dem Haus. Aber ich hörte Geräusche aus dem Nebenzimmer.«
»Sie machen Witze, Frau Görner. – Dort, aus jenem Zimmer?«
Melanie nickte.
»Ach was! Kommen Sie! Überzeugen Sie sich!«
Bechsteiner schritt zu der Tür in der Ecke. Melanie folgte ihm zögerlich.
»Na kommen Sie!«, forderte Bechsteiner sie noch einmal auf, als er die Tür öffnete und mit einer Kerze das Zimmer erleuchtete. »Schauen Sie hinein!«
Vorsichtig lugte Melanie um die Ecke. Keine Frage, der Raum war leer.
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Texte © Copyright by Rudy Namtel, Scheidertalstr. 8, 65510 Hünstetten, [email protected]
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ISBN: 978-3-7393-0543-1