Zeit des Glücks - Nora Roberts - E-Book
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Zeit des Glücks E-Book

Nora Roberts

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Beschreibung

Voller Leidenschaft, Wärme und Gefühl: Für Zoe würde Bradley alles aufgeben - doch kann er ihr auch bei ihrer größten Bewährungsprobe zur Seite stehen?

Ihr ganzes Leben lang musste Zoe McCourt sich alles hart erkämpfen. Und so kann sie ihr Glück kaum fassen, als sie wie aus heiterem Himmel die Gelegenheit bekommt, sich ein kleines Vermögen zu verdienen: Zusammen mit ihren beiden Freundinnen Malory und Dana soll sie herausfinden, welches Rätsel sich hinter dem Bild dreier Schwestern verbirgt. Ihr zur Seite steht Bradley Vane, ebenso sexy wie reich. Doch Zoe weiß, wie gefährlich es ist, ihr Herz zu riskieren, und versucht alles, den Abstand zwischen ihnen zu wahren. Erst als sie beide in große Gefahr geraten, erkennt Zoe, wie viel sie wirklich zu verlieren droht ...

Die »Zeit«-Trilogie von Nora Roberts:
1. Zeit der Träume
2. Zeit der Hoffnung
3. Zeit des Glücks

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Seitenzahl: 464

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Inhaltsverzeichnis
 
Buch
Autorin
Widmung
 
Kapitel 1
Kapitel 2
 
Copyright
Buch
Zoe McCourt hat sich in ihrem Leben nur ein einziges Mal den Kopf verdrehen lassen. Zwar ist das Ergebnis ihrer unglücklichen Liaison mit einem reichen Erben ihr über alles geliebter Sohn Simon, aber dennoch ist die allein erziehende Mutter seitdem fest entschlossen, stets vernünftig zu bleiben. Jetzt allerdings steht sie vor der größten Aufgabe ihres Lebens, und die ist alles andere als »vernünftig«: Wie ihre Freundinnen Malory Price und Dana Steele zuvor soll jetzt auch Zoe mithilfe eines alten Bildes und eines Gedichts das Rätsel um drei keltische Prinzessinnen lösen, um eine Million Dollar zu erhalten. Leider gibt es einen Umstand, der Zoe von ihrem Rätsel ablenkt: Ausgerechnet Bradley Vane, der hinreißende Erbe einer Warenhauskette, macht ihr den Hof - und wider besseres Wissen kann Zoe ihm nur mit Mühe widerstehen …
Autorin
Durch einen Blizzard entdeckte Nora Roberts ihre Leidenschaft fürs Schreiben: Tagelang fesselte 1979 ein eisiger Schneesturm sie in ihrer Heimat Maryland ans Haus. Um sich zu beschäftigen, schrieb sie ihren ersten Roman. Zum Glück - denn inzwischen zählt Nora Roberts zu den meistgelesenen Autorinnen der Welt. Unter dem Namen J.D. Robb veröffentlicht sie seit Jahren ebenso erfolgreich Kriminalromane. »Zeit des Glücks« ist der dritte Roman in der großen Zeit-Trilogie.
Von Nora Roberts ist bereits erschienen
 
Die Irland-Trilogie: Töchter des Feuers (35405) ⋅ Töchter des Windes (35013) ⋅ Töchter der See (35053)
Die Templeton-Trilogie: So hoch wie der Himmel (35091) ⋅ So hell wie der Mond (35207) ⋅ So fern wie ein Traum (35280)
Die Sturm-Trilogie: Insel des Sturms (35321) ⋅ Nächte des Sturms (35322) ⋅ Kinder des Sturms (35323)
Die Insel-Trilogie: Im Licht der Sterne (35560) ⋅ Im Licht der Sonne (35561) ⋅ Im Licht des Mondes (35562)
Die Zeit-Trilogie: Zeit der Träume (35858) ⋅ Zeit der Hoffnung (35859)
Mitten in der Nacht (36007)
Das Leuchten des Himmels (Limes, geb. Ausgabe, 2492) Ein gefährliches Geschenk (Limes, geb. Ausgabe, 2481)
Für meine Mom, die so mutig war, uns fünf großzuziehen.
 
 
 
Mut, der Schemel, auf dem die Tugenden stehen.
ROBERT LOUIS STEVENSON
1
Mit sechzehn begegnete Zoe McCourt dem Jungen, der ihr Leben verändern sollte. Sie war als Älteste von vier Kindern in den Bergen von West Virginia aufgewachsen. Als sie zwölf war, war ihr Vater bereits mit der Frau eines anderen Mannes abgehauen.
Eigentlich hatte Zoe es nicht als großen Verlust empfunden. Ihr Daddy war ein aufbrausender, mürrischer Mann, der lieber mit seinen Kumpels Bier trank oder die Frau seines Nachbarn vögelte, statt sich um seine Familie zu kümmern. Aber sein Verschwinden war doch schwer für sie gewesen, weil er zumindest seinen Lohn zu Hause abgeliefert hatte.
Ihre Mutter war eine dünne, nervöse Frau, die zu viel rauchte, und sich, nachdem sie verlassen worden war, mit hartnäckiger Regelmäßigkeit Freunde zulegte, die vom gleichen Kaliber waren wie Bobby Lee McCourt. Sie machten sie für kurze Zeit glücklich, auf lange Sicht wütend und traurig, aber sie hielt es nie länger als einen Monat ohne Mann aus.
Crystal McCourt hatte ihre Brut in einem Doppelwohnwagen im Hillside Trailer Park großgezogen. Als ihr Ehemann das Weite gesucht hatte, betrank sie sich sinnlos und fuhr ihm in ihrem gebrauchten Camaro hinterher. Sie ließ Zoe mit ihren Geschwistern bedenkenlos allein.
Drei Tage blieb Crystal weg. Bobby, den »gottverdammten Hurensohn«, hatte sie nicht gefunden, aber sie kam wenigstens nüchtern zurück. Die Jagd nach ihm hatte sie ihre Selbstachtung und ihre Stelle in Debbies Schönheitssalon gekostet. Der Salon war zwar nicht mehr als eine Hütte, aber er hatte ihr wenigstens ein dauerhaftes Einkommen garantiert.
Der Rausschmiss machte Crystal nur noch härter. Sie setzte sich mit ihren Kindern zusammen und erklärte ihnen, es würde zwar ein steiniger Weg werden, aber sie würden es schon schaffen.
Dann hängte sie ihr Kosmetikerdiplom in die Küche des Wohnwagens und eröffnete ihren eigenen Salon. Sie unterbot Debbies Preise und hatte zudem ein geschicktes Händchen für gute Haarschnitte.
Und sie hatten es geschafft. Der Wohnwagen stank zwar ständig nach Peroxyd, Dauerwellen und Zigaretten, aber sie waren klargekommen.
Zoe wusch den Kundinnen den Kopf, fegte die Haare auf und kümmerte sich um ihre drei Geschwister. Als sich herausstellte, dass sie nicht unbegabt war, durfte sie auskämmen oder ab und zu tatsächlich schon mal schneiden.
Dabei träumte sie unentwegt von einem besseren Leben außerhalb des Wohnwagenparks.
In der Schule war sie gut, vor allem in Mathematik. Deshalb führte sie ihrer Mutter auch die Bücher. Schon lange vor ihrem vierzehnten Geburtstag war sie erwachsen, aber das Kind in ihr sehnte sich nach etwas anderem.
So war es keine Überraschung, dass sie im Alter von 16 Jahren auf James Marshall flog. Er war ganz anders als die anderen Jungen, die sie kannte, und nicht nur, weil er drei Jahre älter war als sie, also neunzehn. Nein, er war herumgekommen und hatte vieles gesehen. Und er sah aus wie ein Märchenprinz.
Sein Urgroßvater hatte im Bergwerk gearbeitet, aber an James haftete kein Kohlenstaub. Den hatten die späteren Generationen gründlich weggeschrubbt. Mittlerweile besaß seine Familie Geld. Ihnen gehörte das größte und prächtigste Haus in der Stadt, und James und seine jüngere Schwester gingen beide auf Privatschulen.
Die Marshalls gaben gerne große, rauschende Feste, und dann ließ Mrs. Marshall Crystal immer ins Haus kommen, damit sie sie frisierte. Oft begleitete Zoe sie, um Mrs. Marshall zu maniküren.
Zoe träumte von diesem Haus. Es war so sauber und voller Blumen und hübscher Dinge. Für sie war es ein tröstlicher Gedanke zu wissen, dass man wahrhaftig so wohnen konnte - und nicht alle Menschen auf engstem Raum zusammengepfercht in einem Wohnwagen lebten, in dem es nach Chemie und kaltem Rauch roch.
Eines Tages wollte sie in genau so einem Haus wohnen, gelobte sie sich. Es brauchte ja nicht unbedingt so groß und prächtig wie das der Marshalls zu sein, aber auf jeden Fall sollte es ein richtiges Haus mit einem kleinen Garten sein.
Und eines Tages würde sie in all die Orte reisen, von denen Mrs. Marshall ständig erzählte - nach New York, nach Paris oder Rom.
Sie sparte jeden Penny von ihrem Trinkgeld und der Bezahlung, die sie für ihre Nebenjobs bekam, und da sie gut mit Geld umgehen konnte, hatte sie mit sechzehn bereits vierhundertvierzehn Dollar auf einem geheimen Sparkonto angesammelt.
Als sie im April sechzehn wurde, verdiente sie sich zusätzlich etwas, indem sie auf einer der Partys, die die Marshalls gaben, servierte.
Damals trug sie ihre dicken, schwarzen Haare lang und offen. Sie war zwar immer schlank gewesen, entwickelte jetzt jedoch darüber hinaus weibliche Kurven, sodass ihr die Jungen in Scharen hinterherliefen. Aber sie hatte keine Zeit für Jungen - jedenfalls nicht viel.
Sie hatte große, goldbraune Augen, die nachdenklich und forschend blickten, und volle Lippen, die sich nur selten zu einem Lächeln verzogen. Ihre Gesichtszüge waren klar und leicht exotisch, was einen interessanten Kontrast zu ihrer angeborenen Schüchternheit bildete.
Was man ihr auftrug, erledigte sie perfekt, aber sie war äußerst zurückhaltend.
Vielleicht hatten es ja ihre Schüchternheit, ihr verträumter Blick oder ihre ruhige, kompetente Art James angetan. Auf jeden Fall flirtete er an jenem Vorfrühlingsabend mit ihr und brachte sie so durcheinander, dass sie schließlich einwilligte, sich wieder mit ihm zu treffen.
Sie trafen sich heimlich, was den romantischen Reiz erhöhte. Dass jemand wie James ihr seine Aufmerksamkeit schenkte, überwältigte Zoe. Er hörte ihr zu, und nach und nach verlor sie ihre Schüchternheit und vertraute ihm ihre Träume und Hoffnungen an.
Er war lieb zu ihr, und wann immer sie sich wegstehlen konnte, unternahmen sie lange Autofahrten oder saßen einfach nur unter dem Sternenhimmel und redeten.
Dabei blieb es natürlich nicht.
Er sagte, er liebe sie. Er sagte, er brauche sie.
Und in einer warmen Juninacht nahm er ihr auf einer roten Decke, die sie auf dem weichen Waldboden ausgebreitet hatten, ihre Unschuld.
Auch danach blieb er lieb und aufmerksam und versprach, sie würden ewig zusammenbleiben. Sie glaubte ihm, und er glaubte wahrscheinlich selber daran.
Alles jedoch hat seinen Preis, und so musste Zoe dafür bezahlen, dass sie jung und naiv gewesen war. Allerdings wurde James gleichfalls nicht geschont, und vielleicht kostete ihn das sogar mehr als sie. Sie hatte zwar ihre Unschuld verloren, er jedoch einen viel größeren Schatz.
Sie warf dem Schatz einen Blick zu. Ihr Sohn.
Simon hatte ihrem Leben eine völlig neue Richtung, einen neuen Sinn gegeben. Das Kind hatte eine erwachsene Frau aus ihr gemacht.
Sie hatte ihr Haus bekommen - ein kleines Haus mit einem kleinen Garten -, und das hatte sie ganz alleine geschafft. An all die wundervollen Orte war sie zwar nicht gereist, von denen sie geträumt hatte, aber sie hatte alle Wunder der Welt durch die Augen ihres Sohnes gesehen.
Und jetzt, fast zehn Jahre nachdem sie ihn zum ersten Mal im Arm gehalten und ihm versprochen hatte, dass sie ihn nie im Stich lassen würde, sorgte sie dafür, dass ihr Sohn mehr vom Leben zu erwarten hatte.
Zoe McCourt, das schüchterne Mädchen aus den Hügeln von West Virginia, war dabei, ihr eigenes Geschäft in dem hübschen Städtchen Pleasant Valley in Pennsylvania zu eröffnen, zusammen mit zwei Frauen, die in nur zwei Monaten für sie zu Schwestern und Freundinnen geworden waren.
»Luxus«. Ihr gefiel der Name. Genau das sollte es für die Kunden sein. Zwar würden sie und ihre Freundinnen hart arbeiten müssen, aber auch das war in gewisser Weise Luxus, weil sie es durften und stets davon geträumt hatten, selbständig zu sein.
Malory Prices Galerie für Kunst und Kunsthandwerk würde auf einer Seite im Parterre ihres gemeinsamen Hauses eingerichtet werden, Dana Steeles Buchhandlung auf der anderen. Und ihr eigener Salon würde sich im ersten Stock befinden.
Nur noch ein paar Wochen, dachte Zoe. In ein paar Wochen war alles fertig, und sie konnten eröffnen.
Bei dem Gedanken daran krampfte sich ihr der Magen zusammen, aber nicht nur aus Angst, sondern gleichzeitig vor Aufregung.
Sie wusste genau, wie ihr Salon aussehen würde. Kräftige Farben und viel Licht im eigentlichen Salon, weichere, entspannendere Töne in den Behandlungsräumen. Kerzen würden Duft und Atmosphäre verbreiten, und an den Wänden würden interessante Bilder hängen. Und die Beleuchtung würde erstklassig und schmeichelhaft sein.
Luxus für Kopf, Körper und Geist, das wollte sie ihren Kunden geben.
 
Heute Abend fuhr sie vom Valley, wo sie wohnte und wo sie auch ihr Geschäft eröffnen würde, in die Hügel, um sich ihrem Schicksal zu stellen. Simon starrte leicht mürrisch aus dem Fenster. Er war nicht glücklich, weil sie ihn gezwungen hatte, seinen Anzug anzuziehen.
Aber wenn man in einem Haus wie Warrior’s Peak zum Abendessen eingeladen war, musste man sich halt passend kleiden.
Gedankenverloren zupfte sie am Saum ihres Kleides. Sie hatte es günstig in einem Outlet erstanden und hoffte nur, dass der dunkelrote Jerseystoff dem Anlass entsprach.
Vielleicht hätte sie sich besser ein kleines Schwarzes kaufen sollen, überlegte sie. Das hätte bestimmt würdevoller und nüchterner gewirkt. Doch sie liebte nun einmal Farben, und gerade heute Abend musste sie etwas für ihr Selbstvertrauen tun. Schließlich würde es einer der denkwürdigsten Abende in ihrem Leben werden, und da war es angebracht, dass sie ein Kleid trug, in dem sie sich wohl fühlte.
Zoe presste die Lippen zusammen. Sie musste jetzt endlich ihrem Sohn erklären, was es mit dem heutigen Abend auf sich hatte. Die Frage war nur, wie sollte sie es einem Neunjährigen verständlich machen?
»Ich glaube, wir sollten mal darüber sprechen, warum wir heute Abend zum Warrior’s Peak fahren«, begann sie.
»Ich wette, außer mir trägt keiner einen Anzug«, murrte Simon.
»Ich wette, da irrst du dich.«
Er warf ihr einen listigen Blick von der Seite zu. »Um einen Dollar.«
»Okay, um einen Dollar«, willigte sie ein.
Er sah ihr so ähnlich, dachte sie voller Stolz und Freude. War es nicht seltsam, dass er so gar nichts von James hatte? Er hatte ihre Augen, ihren Mund, ihre Nase, ihre Haare.
»Na ja.« Sie räusperte sich. »Weißt du noch, wie ich vor zwei Monaten die Einladung dorthin bekommen habe? Und dass ich dort Malory und Dana kennen gelernt habe?«
»Ja klar, daran kann ich mich erinnern. Weil du mir am nächsten Tag Playstation zwei gekauft hast, und dabei hatte ich nicht mal Geburtstag.«
»Geschenke ohne Anlass sind die besten.« Sie hatte Simons Herzenswunsch damals erfüllen können, weil sie sich auf das … Fantastische eingelassen und dafür fünfundzwanzigtausend Dollar bekommen hatte.
»Du kennst Malory und Dana, und du kennst Flynn, Jordan und Bradley.«
»Ja, wir sind ja viel mit ihnen zusammen. Sie sind cool. Für alte Leute«, fügte er grinsend hinzu, weil er wusste, dass es sie zum Lachen bringen würde.
Aber sie lachte nicht.
»Ist irgendwas mit ihnen?«, fragte er alarmiert.
»Nein, nein. Es ist alles in Ordnung.« Nervös kaute sie auf ihrer Unterlippe. »Äh, manchmal sind Menschen irgendwie miteinander verbunden, ohne es zu wissen. Ich meine, Dana und Flynn sind Geschwister - na ja, Stiefbruder und Stiefschwester, und dann hat Dana sich mit Malory angefreundet, und Malory hat Flynn kennen gelernt, und ehe sie wussten, was los war, haben sich Malory und Flynn ineinander verliebt.«
»Willst du mir jetzt eine Liebesgeschichte erzählen? Ich muss gleich kotzen.«
»Dann sieh zu, dass du dich rechtzeitig aus dem Fenster beugst. Also, Flynns älteste Freunde sind Jordan und Bradley. Und als sie jünger waren, da, na ja, da sind Jordan und Dana häufiger miteinander ausgegangen.« Sicherer konnte eine Mutter es doch kaum formulieren. »Jordan und Bradley sind von hier weggezogen, aber dann kamen sie wieder, zum Teil wegen dieser Verbindung, auf die ich gleich komme. Und auch Jordan und Dana kamen wieder zusammen, und …«
»Und jetzt wollen sie heiraten und Flynn und Malory ebenfalls. Das ist wie eine Seuche.« Simon hatte sich ihr zugewandt und verzog gepeinigt das Gesicht. »Wenn wir zu den Hochzeiten gehen wie zu der von Tante Joleen, dann muss ich bestimmt wieder einen Anzug anziehen, was?«
»Ja, es gehört zu meinen stillen Freuden, dich zu quälen. Ich will dir doch nur erklären, dass wir alle auf die eine oder andere Art miteinander verbunden sind. Und da ist noch was. Ich habe dir bisher nicht viel von den Leuten, die in Warrior’s Peak wohnen, erzählt.«
»Das sind die magischen Leute.«
Zoe zuckte zusammen. Sie wurde langsamer und fuhr rechts an den Straßenrand. »Wie kommst du auf ›magische Leute‹?«
»Himmel, Mom, ich höre euch doch reden, wenn ihr eure Treffen und so habt. Sind sie denn Zauberer oder so was? Ich verstehe das nicht.«
»Nein. Ja. Ach, ich weiß nicht genau.« Wie sollte sie einem Kind erklären, was Götter waren? »Glaubst du an Zauberei, Simon? Ich meine damit keine Kartentricks, sondern Dinge, wie sie in Harry Potter oder Der kleine Hobbit beschrieben werden.«
»Wenn das nicht manchmal Wirklichkeit wäre, warum sollte es dann so viele Bücher und Filme darüber geben?«
»Guter Gedanke«, erwiderte Zoe. »Rowena und Pitte, die wir heute Abend auf dem Peak besuchen, sind magisch. Sie kommen von woanders, und sie leben hier, weil sie unsere Hilfe brauchen.«
»Warum?«
Jetzt hatte sie seine Aufmerksamkeit endgültig errungen.
»Das werde ich dir erzählen. Es klingt zwar wie eine erfundene Geschichte, ist aber keine. Ich muss allerdings beim Reden weiterfahren, sonst kommen wir zu spät.«
»Okay.«
Sie holte tief Luft. »Vor langer, langer Zeit lebte an einem Ort hinter dem so genannten Vorhang der Träume oder Vorhang der Macht, wie er gleichzeitig genannt wird, ein junger Gott …«
»Wie Apollo?«
»Ja, so ähnlich, aber kein griechischer Gott, sondern ein keltischer. Er war der Sohn des Königs. Und als er alt genug war, besuchte er unsere Welt, lernte ein Mädchen kennen und verliebte sich in sie.«
Simons Mundwinkel zuckten. »Warum passiert denn so was pausenlos?«
»Können wir das später besprechen? Jetzt haben wir zu wenig Zeit. Also, sie verliebten sich, und seine Eltern erlaubten ihm, das Mädchen mit nach Hause zu bringen, damit er es heiraten konnte, obwohl es eigentlich damals nicht erlaubt war. Einige der Götter hatten nichts dagegen, aber andere schon. Es gab Kämpfe und …«
»Cool.«
»Und die Welt teilte sich in zwei Reiche auf. Ja, so könnte man sagen. Eins, in dem der junge Gott mit seiner menschlichen Frau regierte, und eins, in dem ein böser Zauberer herrschte.«
»Voll cool.«
»Der junge König hatte drei Töchter. Sie wurden als Halbgöttinnen bezeichnet, weil sie ja eine menschliche Mutter hatten. Jede der Töchter hatte eine besondere Begabung. Bei der einen war es Musik und Kunst, bei der anderen war es Schreiben und Wissen, und bei der dritten war es Mut und Tapferkeit.«
Bei dem Gedanken daran bekam sie einen trockenen Mund. Sie schluckte und fuhr fort: »Sie war so eine Art Kriegerin. Die Schwestern standen einander sehr nahe, und ihre Eltern liebten sie. Damit ihnen in diesen unruhigen Zeiten nichts passierte, ließen sie sie von einem Krieger und einer Lehrerin bewachen. Dann - und jetzt halt dich zurück - verliebten sich der Krieger und die Lehrerin ineinander.«
Simon ließ den Kopf zurücksinken und verdrehte die Augen. »Ich wusste es.«
»Da die Töchter keine sarkastischen neunjährigen Jungen waren, freuten sie sich für die beiden und gaben ihnen Gelegenheit, sich ab und zu zurückzuziehen. Dadurch waren sie jedoch nicht mehr so gut bewacht, wie es nötig gewesen wäre. Das nutzte der böse Zauberer zu seinem Vorteil, und er schlich sich heran und belegte sie mit einem Fluch. Durch den Zauberspruch wurden die Seelen der Töchter gestohlen und in einem Glaskasten mit drei Schlössern und drei Schlüsseln eingesperrt.«
»Mann, das tut doch weh.«
»Ja, bestimmt. Die Seelen waren also in dem Kasten gefangen und konnten nur heraus, wenn die Schlüssel von menschlicher Hand einer nach dem anderen in den Schlössern umgedreht wurden.«
Da ihre Finger prickelten, rieb sie damit über den Rock ihres Kleides. »Weißt du, eben weil sie halb menschlich waren, machte der Zauberer es so, dass sie nur von Menschen gerettet werden konnten, weil er das für unmöglich hielt. Die Lehrerin bekam die Schlüssel - mit denen sie allerdings nichts anfangen konnte -, und sie und der Krieger wurden verbannt und in unsere Welt geschickt. In jeder Generation mussten sie nun drei Menschen, die dafür ausersehen waren, den Kasten zu öffnen, ausfindig machen und sie bitten, nach den Schlüsseln zu suchen. Und jeder einzelne Mensch hatte dafür nur vier Wochen Zeit.«
»Wow, und du musst einen Schlüssel finden? Warum bist gerade du ausgesucht worden?«
Zoe stieß die Luft aus. Ihr Sohn war wirklich ein intelligenter und logisch denkender Junge. »Ich weiß nicht genau. Mal, Dana und ich sehen aus wie die Töchter. Die Glastöchter heißen sie. Rowena ist eine Künstlerin, und oben auf dem Peak hängt ein Bild von ihnen, das sie gemalt hat. Es ist alles irgendwie miteinander verknüpft, Simon. Wir haben eine Verbindung untereinander, mit den Schlüsseln und mit den Töchtern. Man könnte es vermutlich als Schicksal bezeichnen.«
»Und wenn ihr die Schlüssel nicht findet, dann bleiben sie in dem Kasten gefangen?«
»In dem Kasten sind ihre Seelen. Ihre Körper liegen in Glassärgen, wie bei Schneewittchen, und warten.«
»Rowena und Pitte sind die Lehrerin und der Krieger.« Er nickte. »Und du und Malory und Dana, ihr müsst die Schlüssel finden und alles in Ordnung bringen.«
»So ungefähr. Malory und Dana waren schon an der Reihe und haben ihre Schlüssel gefunden. Jetzt bin ich dran.«
»Du findest ihn bestimmt.« Er sah sie ernst an. »Du findest ja auch immer alles, was ich verloren habe.«
Wenn es nur so einfach wäre wie ein verlorenes Spielzeug ihres Sohnes zu finden, dachte sie. »Ich werde mich jedenfalls sehr bemühen. Der Zauberer - sein Name ist Kane - hat versucht, uns aufzuhalten, Simon. Er wird es auch bei mir versuchen. Er kann einem wirklich Angst einjagen, aber ich werde trotzdem mein Bestes tun.«
»Du wirst ihn in den Hintern treten.«
Das Lachen löste ein wenig den Knoten in ihrem Magen. »Das habe ich vor. Ich wollte dir das eigentlich alles nicht erzählen, aber es wäre nicht richtig gewesen.«
»Nein, wir sind schließlich ein Team.«
»Ja, wir sind ein großartiges Team.«
Zoe schwieg, weil sie an den Toren von Warrior’s Peak angekommen waren. Sie waren flankiert von zwei steinernen Kriegern, die kampfbereit die Hände an den Schwertknäufen hatten. Zoe hatte sie von Anfang an großartig gefunden. Was für eine Verbindung mochte sie wohl zu diesen prächtigen Kriegern haben? Sie holte tief Luft und fuhr durch das Tor.
»Geil«, sagte Simon.
»Das kannst du mit Fug und Recht behaupten.«
Sie verstand seine Reaktion auf das Haus. Sie hatte das Gleiche gedacht, als sie beim ersten Mal staunend vor dem Haus gestanden hatte.
»Haus« war allerdings nicht die richtige Bezeichnung für Warrior’s Peak. Halb Schloss, halb Festung, thronte es hoch über dem Valley und beherrschte es. Es war aus schwarzem Stein erbaut, mit Türmchen und Zinnen und Furcht erregenden Wasserspeiern, die aussahen, als wollten sie jeden Moment herunterspringen. Umgeben war es von weiten Rasenflächen, deren natürliche Grenze der Wald bildete. Auf dem höchsten Turm flatterte eine weiße Fahne mit einem goldenen Schlüsselemblem.
Die Sonne sank gerade, und die leuchtenden Farben des Abendrots unterstrichen den dramatischen Anblick.
Bald würde es dunkel sein, dachte Zoe, und am Himmel würde nur die schmale Sichel des zunehmenden Mondes stehen, das Symbol für den Beginn ihrer Suche.
»Drinnen ist es ebenso beeindruckend, wie in einem Film. Fass bloß nichts an.«
»Mom!«
»Ich bin nervös, versteh das bitte.« Langsam fuhr Zoe auf den Eingang zu. »Wirklich, fass da drinnen nichts an.«
Sie hielt an. Hoffentlich war sie weder die Erste noch die Letzte. Rasch holte sie den Lippenstift aus ihrer Tasche, um sich die Lippen nachzuziehen. Mit einer geübten Handbewegung zupfte sie die geraden Fransen ihrer Haare zurecht, die sie im Moment kürzer trug als ihr Sohn.
»Du siehst gut aus. Können wir jetzt reingehen?«
»Ich möchte, dass wir nicht nur gut, sondern toll aussehen.« Sie packte Simon am Kinn und fuhr ihm mit ihrem Kamm durch die Haare. Er schaute sie finster an. »Wenn du das Essen nicht magst, dann tu einfach so, als ob du essen würdest, aber sag um Himmels willen nicht, dass es dir nicht schmeckt und gib bitte keine Würgelaute von dir. Du kannst später zu Hause noch etwas essen.«
»Können wir auf dem Rückweg bei McDonald’s vorbeifahren?«
»Eventuell. So, jetzt sind wir so weit. Okay.« Sie steckte den Kamm wieder in ihre Tasche und wollte gerade die Autotür öffnen, als der alte Mann, der die Gäste stets empfing, dies bereits für sie tat. Zoe zuckte jedes Mal zusammen, wenn sie ihn sah. »Oh, danke.«
»Es ist mir eine Ehre, Miss. Guten Abend.«
Simon musterte ihn mit einem langen Blick. »Hi.«
»Hallo, junger Herr.«
Simon, dem die Anrede gefiel, grinste ihn an. »Sind Sie einer von den magischen Leuten?«
Der alte Mann verzog sein faltiges Gesicht zu einem breiten Lächeln. »Vielleicht. Wie gefiele dir das?«
»Prima. Aber warum sind Sie so alt?«
»Simon!«
»Das ist eine gute Frage, Miss«, erwiderte der Mann.
»Ich bin so alt, weil ich lange leben durfte. Das wünsche ich dir auch.« Ächzend beugte er sich zu Simon herunter. »Möchtest du etwas Wahres wissen?«
»Okay.«
»Wir sind alle magische Leute, aber manche wissen es, und manche wissen es nicht.«
Mühsam richtete er sich wieder auf. »Ich kümmere mich um Ihren Wagen, Miss. Einen schönen Abend wünsche ich Ihnen.«
»Danke.« Zoe ergriff Simons Hand und trat zum Säulenportal. Die Flügeltüren schwangen auf, noch bevor sie klopfen konnte, und Rowena stand auf der Schwelle.
Ihre leuchtend roten Haare, die ihr bis über die Schultern fielen, bildeten einen wunderbaren Kontrast zu ihrem langen, moosgrünen Kleid. Um den Hals trug sie eine lange Silberkette mit einem funkelnden Edelstein, in dem sich das Licht aus der Eingangshalle widerspiegelte.
Sie streckte Zoe die Hand entgegen, um sie willkommen zu heißen, der Blick aus ihren dunkelgrünen Augen jedoch galt Simon.
»Willkommen.« Sie hatte einen leichten Akzent, der Zoe an all die fremden Länder erinnerte, die sie früher einmal hatte bereisen wollen. »Wie schön, dich wiederzusehen. Und es ist mir eine Freude, dich endlich kennen zu lernen, Simon.«
»Simon, das ist Miss Rowena.«
»Nur Rowena, bitte. Ich hoffe, wir werden bald Freunde. Kommt doch herein.« Sie ergriff Zoes Hand und legte die andere Hand leicht auf Simons Schulter.
»Sind wir womöglich zu spät?«
»Nein, überhaupt nicht.« Rowena schritt über den Steinfußboden mit seinen bunten Mosaiken. »Malory und Flynn fehlen noch. Die anderen sind im Salon. Sag mir, Simon, magst du Kalbsleber und Rosenkohl?«
Simon gab einen Würgelaut von sich, doch sofort fiel ihm ein, dass seine Mutter ihm das strikt verboten hatte. Verlegen peilte er Zoe an, die knallrot geworden war. Rowena lachte jedoch lediglich. »Da ich das genauso wenig mag, steht es glücklicherweise heute Abend nicht auf dem Speiseplan. Unsere Gäste«, verkündete sie, während sie in den Salon trat. »Pitte, darf ich dir Master McCourt vorstellen?«
Simon stieß seine Mutter mit dem Ellbogen an. »Master«, flüsterte er begeistert.
Rowenas Geliebter passte im Aussehen zu ihr. Sein eleganter dunkler Anzug saß wie angegossen, und seine dichten, schwarzen Haare umrahmten ein kraftvolles Gesicht, in dem jeder Knochen wie gemeißelt wirkte. Aus strahlend blauen Augen musterte er Simon, zog eine Augenbraue hoch und gab ihm die Hand.
»Guten Abend, Master McCourt. Was kann ich dir zu trinken anbieten?«
»Darf ich eine Coke haben?«
»Selbstverständlich.«
»Bitte, macht es euch bequem.« Rowena wies auf die Sessel.
Dana hatte sich bereits erhoben und begrüßte sie. »Hey, Simon, wie geht’s?«
»Gut. Aber ich habe einen Dollar verloren, weil der Typ und Brad Anzüge anhaben.«
»Pech.«
»Ich gehe zu Brad, okay, Mom?«
»Ja, ist gut, aber …« Zoe seufzte, als Simon davonstürmte. »Fass nichts an«, rief sie warnend hinterher.
»Er macht schon nichts falsch. Wie geht es dir?«
»Ich weiß nicht.« Zoe zuckte die Schultern. Danas dunkelbraune Augen waren voller Verständnis, und Zoe fühlte dankbar, wie sehr sie ihr und Malory vertraute. »Ich bin ein bisschen nervös, aber reden wir nicht darüber. Du siehst toll aus.«
Das stimmte wirklich. Danas dichte braune Haare umrahmten schwungvoll ihr Gesicht und betonten ihr energisches Kinn. Die Frisur, die sie ihr verpasst hatte, stand ihr echt gut, dachte Zoe. Erleichtert stellte sie fest, dass Dana über ihrem formellen schwarzen Kleid ein ziegelrotes Jackett trug.
»Noch besser«, fügte sie hinzu, »du wirkst glücklich.« Sie hob Danas Hand, um den prachtvollen Rubinring zu bewundern. »Jordan hat einen exzellenten Geschmack, was Ringe und Verlobte angeht.«
»Das finde ich ebenfalls.« Dana schaute zu der Couch hinüber, auf der Jordan sich mit Pitte unterhielt. Sie sahen beide den Kriegern am Tor ähnlich. »Da habe ich mir doch tatsächlich einen großen, gut aussehenden Typ geangelt.«
Ja, sie waren ein wundervolles Paar, stellte Zoe fest. Dana mit ihrer sexy Amazonenfigur und der große, muskulöse Jordan.
»Du möchtest sicher ein Glas Champagner.« Rowena trat zu ihnen und reichte Zoe eine Champagnerflöte.
»Danke.«
»Dein Sohn ist ein Juwel.«
Stolz trat an die Stelle von Nervosität. »Ja, er ist das Kostbarste in meinem Leben.«
»Das macht dich reich.« Rowena legte ihr lächelnd die Hand auf die Schulter. »Er und Bradley scheinen gute Freunde zu sein.«
»Ja, sie verstanden sich auf Anhieb«, bestätigte Zoe.
Sie wusste nicht so recht, was sie davon halten sollte, es kam ihr so unwahrscheinlich vor. Und doch steckten die beiden die Köpfe zusammen und waren offensichtlich in ein angeregtes Gespräch vertieft. Der Mann in dem eleganten ziegelgrauen Anzug und der Junge in seinem dunkelbraunen Anzug, der ihm - oh Gott - schon eine Spur zu klein war.
Es kam ihr seltsam vor, dass Simon sich mit einem Mann, in dessen Gegenwart sie sich permanent unwohl fühlte, so gut verstand. Normalerweise hatten sie und ihr Sohn den gleichen Geschmack.
Jetzt schaute Brad auf, und seine Augen, die fast die gleiche Farbe hatten wie sein Anzug, trafen ihre.
O ja, dachte Zoe, genau das war der Grund. Er sah einfach zu gut aus, er war zu reich, er hatte zu viel von allem. Nicht deine Liga, Mädchen, ermahnte sich Zoe. Deine Erfahrung lehrt dich absolute Vorsicht.
Allerdings würde James Marshall neben Bradley Charles Vane IV. wie eine Witzblattfigur wirken. Die Vanes besaßen eine Baumarktkette, HomeMakers, mit Läden im ganzen Land, und sein Vermögen machte Brad zu einem mächtigen, privilegierten Mann.
Und sein blendendes Aussehen, seine dunkelblonden Haare, die nachdenklichen Augen und der sinnliche Mund machten ihn für Zoe zu einem gefährlichen Mann. Außerdem konnte sie ihn schlecht einschätzen. In der einen Minute war er arrogant und kühl, in der nächsten hitzköpfig und bestimmend - und dann wieder überraschend nett.
Zoe vertraute keinem Mann, den sie nicht einkalkulieren konnte. Was allerdings Simon betraf, so vertraute sie ihm seltsamerweise. Er würde ihrem Jungen nie etwas tun, da war sie sich ganz sicher. Und sie konnte ebenso wenig leugnen, dass er bestens mit ihm zurechtkam.
Trotzdem verspannte sich jeder Muskel in ihrem Körper, als Brad jetzt auf sie zukam.
»Wie fühlst du dich?«
»Och, ganz okay.«
»Du hast also Simon erzählt, was hier vor sich geht?«
»Er hat ein Recht darauf, es zu wissen. Ich …«
»Du brauchst mir nicht gleich an die Gurgel zu springen. Ich wollte dir nur sagen, dass ich derselben Meinung bin. Er hat nicht nur das Recht, es zu wissen, er ist zudem intelligent genug, um damit klarzukommen.«
»Oh.« Zoe fixierte ihr Glas. »Tut mir Leid. Ich bin ein bisschen nervös.«
»Vielleicht hilft es dir ja, dich daran zu erinnern, dass du nicht alleine bist.«
In diesem Moment drang Lärm aus der Eingangshalle. Kurz darauf raste Moe, Flynns großer, schwarzer Katastrophenhund in den Salon. Begeistert bellend stürzte er sich auf das Tablett mit den Canapés, das auf einem der niedrigen Tische stand.
Flynn und Malory spurteten als Nächste in den Salon, gefolgt von einer lachenden Rowena.
2
Zoe tat so, als ob sie etwas äße. Das lag nicht am köstlichen Essen, sondern sie konnte sich einfach nicht entspannen. Sie bekam kaum einen Bissen herunter, alles lag ihr im Magen wie Blei.
Sie hatte schon öfter in diesem Speisezimmer mit den hohen Decken und dem prasselnden Kaminfeuer gesessen. Sie kannte die warme, edle Atmosphäre, die die Kronleuchter und der Schein der Kerzen verbreiteten.
Heute kam zu all dem jedoch das Wissen, wie dieser Abend enden würde. Dieses Mal entschied keine Münze darüber, welche von ihnen an der Reihe war, den Schlüssel zu suchen. Malory und Dana hatten ihre Aufgabe bereits erfolgreich erfüllt, und nur noch sie blieb nun übrig.
Sie musste unbedingt klug und tapfer vorgehen, weil sonst alles umsonst gewesen wäre. Unter diesen Umständen war es natürlich schwierig, überhaupt einen Bissen von dem saftigen Schweinebraten herunterzukriegen.
Die Gäste unterhielten sich angeregt miteinander, als handele es sich um eine ganz normale Abendeinladung. Malory und Flynn saßen Zoe direkt gegenüber. Malory hatte die Haare hochgesteckt, und nur ein paar goldblonde Locken ringelten sich um ihr Gesicht. Ihre blauen Augen leuchteten vor Begeisterung, während sie von den Renovierungsarbeiten an ihrem Geschäftshaus erzählte.
Ab und zu berührte Flynn beiläufig ihren Handrücken oder ihren Arm, und es wärmte Zoes Herz zu sehen, wie gut die beiden zueinander passten.
Um sich abzulenken, überlegte sie, dass sie Flynn dringend einmal die Haare schneiden müsste, die kastanienbraun und sehr dicht waren. Die zerzauste Frisur stand ihm gut, aber mit ein bisschen Schnippeln und Eingriffen hier und da würde sein schmales Gesicht mit den dunkelgrünen Augen noch attraktiver wirken.
Sie zuckte zusammen, als Brad sie mit dem Fuß anstieß. »Was ist?«
»Du wirst auf diesem Planeten noch gebraucht.«
»Ich habe nur nachgedacht.«
»Und nichts gegessen«, erwiderte er.
Verärgert spießte sie ein Stück Braten auf ihre Gabel. »Klar esse ich.«
Ihre Stimme klang gepresst, und ihr Körper wurde steif vor Ablehnung. Er konnte es ihr allerdings auch gut nachempfinden. Doch er wusste, was sie entspannte. »Simon scheint sich blendend zu amüsieren.«
Zoe betrachtete ihren Sohn. Rowena hatte ihn neben sich gesetzt, und die beiden unterhielten sich angeregt, während Simon brav seinen Teller leer aß.
Bei McDonald’s brauchten sie wohl nicht mehr vorbeizufahren, konstatierte Zoe lächelnd.
»Er schließt schnell Kontakt, auch mit magischen Leuten.«
»Magische Leute?«, wiederholte Brad.
»So bezeichnet er Rowena und Pitte. Er hat sich die Geschichte angehört und findet sie cool.«
»Das ist sie ja auch. Für ein Kind gibt es nichts Spannenderes als den Kampf zwischen Gut und Böse. Nur für dich macht es die Sache ein bisschen problematischer.«
Zoe spießte ein weiteres Stück Fleisch auf die Gabel und schob es auf ihrem Teller hin und her. »Malory und Dana haben es geschafft, dann wird es mir ebenfalls gelingen.«
»Das nehme ich an.« Brad aß weiter. »Hast du die neuen Fenster für ›Luxus‹ schon bestellt?«
»Gestern.«
Er nickte, als ob ihm das neu sei. Ihr würde es bestimmt nicht gefallen, wenn sie wüsste, dass er seinen Mitarbeitern aufgetragen hatte, ihn sofort zu informieren, wenn sie in den Baumarkt kam oder eine Bestellung aufgab. »Die Zierleisten müssen ebenfalls ausgetauscht werden. Ich könnte dir dabei helfen.«
»Du brauchst dich nicht zu bemühen. Das kann ich alleine.«
»Wenn ich die Gelegenheit dazu habe, arbeite ich gerne mit Holz.« Er lächelte sie offen an. »Es liegt mir im Blut. Was ist mit der Beleuchtung? Hast du dich schon entschieden?«
Es gelang ihm gut, sie abzulenken. Sie war zwar nicht begeistert über dieses Gespräch, aber zumindest dachte sie dadurch nicht an den Schlüssel. Und sie aß.
Er war verrückt nach ihr. Oder er war überhaupt verrückt. Schließlich ermutigte sie ihn keineswegs. Von ihrer ersten Begegnung an vor fast zwei Monaten war sie spröde und kühl zu ihm gewesen. Bis auf das eine Mal, wo er sie unvorbereitet geküsst hatte.
Dieser Kuss war absolut nicht kühl gewesen, dachte Brad, und er konnte nur hoffen, dass diese Erfahrung sie genauso überrascht und nervös gemacht hatte wie ihn. Auch jetzt schwebten ihm schon wieder Fantasien durch den Kopf, was er am liebsten mit ihr anstellen würde.
Und dann das Kind. Simon war ein zusätzlicher Bonus in dieser Konstellation. Der intelligente, fröhliche Junge bereitete ihm große Freude. Selbst wenn er die Mutter nicht derart anziehend gefunden hätte, hätte er gerne Zeit mit Simon verbracht. So wie die Dinge jedoch zurzeit lagen, ließ Zoe es nicht besonders häufig zu. Aber so schnell gab Bradley Charles Vane IV. nicht auf.
Bei der Suche nach dem Schlüssel würde es zahlreiche Kämpfe zu bestehen geben, und er war fest entschlossen, ihr dabei zu helfen. Er würde immer für sie da sein, und am Ende würde sie ihm seine ehrliche Zuneigung glauben.
Er runzelte die Stirn, und Zoe, die gerade etwas über die Elektrik und die Beleuchtung im Haus gesagt hatte, musterte ihn fragend. »Warum siehst du mich so an?«
»Wie denn?«
Sie beugte sich ein wenig vor - vermutlich sollte ihr Sohn nicht hören, was sie zu sagen hatte, dachte Brad. »Du siehst so aus, als wolltest du ein Stück von mir abbeißen statt von dem Fleisch auf deinem Teller.«
Er beugte sich ebenfalls vor, wobei er vergnügt feststellte, dass sie leicht zusammenzuckte. »Das werde ich auch tun, Zoe. Nur nicht hier und jetzt.«
»Mir geht schon genug durch den Kopf. Ich möchte mir nicht zusätzlich um dich Gedanken machen müssen.«
»Das solltest du aber.« Er legte seine Hand über ihre, bevor sie sie wegziehen konnte. »Überleg doch mal: Flynn gehörte zu Malorys Suche und Jordan zu Danas. Wir beide sind als Einzige noch übrig.«
»Ich kann selber ganz gut rechnen.« Sie zog ihre Hand weg. »Und ich sehe es anders: Ich bin als Einzige übrig.«
»Wir werden es schon noch erleben, wer von uns beiden besser rechnen kann.«
Und dabei beließ er es vorläufig.
 
Im Salon warteten Kaffee und Apfelkuchen. Die Stücke waren so groß, dass selbst Simon die Augen aufriss. Malory streichelte Zoe über den Rücken. »Bist du bereit?«
»Das muss ich ja wohl.«
»Wir sind alle bei dir. Wir sind ein gutes Team.«
»Das beste. Weißt du, ich habe eigentlich gedacht, dass ich gelassener wäre, schließlich hatte ich am meisten Zeit von uns allen. Aber dass ich derartige Angst entwickle - das hätte ich nicht geglaubt.«
»Für mich war es am leichtesten.«
»Wie kannst du so etwas sagen?« Energisch schüttelte Zoe den Kopf. »Du hast fast gar nichts gewusst, als du dich darauf eingelassen hast.«
»Genau. Und dir geht all das, was wir in den letzten zwei Monaten erlebt und erfahren haben, im Kopf herum.« Malory schenkte Zoe ein mitfühlendes Lächeln und drückte ihre Hand. »Es war ja auch wirklich vieles Furcht erregend. Außerdem hatten wir am Anfang noch nicht so viel miteinander, mit Rowena und Pitte und den Töchtern zu tun. Nun aber hat alles eine größere Bedeutung als vor zwei Monaten.«
Zoe stieß den Atem aus. »Das trägt nicht gerade dazu bei, dass ich mich besser fühle.«
»Ich wollte dir keine Angst machen. Vor dir liegt eine schwere Aufgabe, Zoe, und manchmal wirst du ganz alleine damit sein, egal, wie sehr wir dir helfen wollen.«
Dana trat zu den beiden Freundinnen. »Was gibt’s?«
»Ich muntere sie ein bisschen auf, bevor wir anfangen.« Malory ergriff erneut Zoes Hand. »Kane wird versuchen, dich zu verletzen und dich auszutricksen. Dies ist die letzte Runde. Für ihn geht es um alles. Also wird er noch entschlossener vorgehen als bei uns, um dich aufzuhalten.«
Dana nahm Zoes andere Hand. »Wie fühlst du dich?«
»Ich habe Angst vor ihm.« Zoe straffte die Schultern. »Und ich denke, ihr wollt mir klarmachen, dass ich allen Grund dazu habe. Je mehr Angst ich vor dem Kerl habe, desto besser bin ich vorbereitet.«
»Genau.«
»Dann bin ich wahrscheinlich hervorragend vorbereitet. Ich muss noch mit Rowena reden, bevor wir ins Porträtzimmer gehen. Eine Bedingung habe ich vor Beginn der nächsten Phase.«
Zoe schaute zu Rowena, und als sie sah, dass sie in ein Gespräch mit Brad vertieft war, zischte sie leise: »Warum ist er eigentlich überall dort, wo ich gerade hin will?«
»Gute Frage.« Dana tätschelte ihr begütigend die Schulter.
Malory wartete, bis Zoe außer Hörweite war. Dann sagte sie: »Dana, ich habe ebenfalls Angst.«
»Prima, dann sind wir schon drei.«
Zoe hatte Rowena erreicht und räusperte sich. »Entschuldigung, wenn ich euch unterbreche, aber ich muss kurz mit dir sprechen, Rowena, bevor wir mit dem … nächsten Schritt beginnen.«
»Natürlich. Vermutlich geht es um dasselbe Thema, das Brad und ich gerade besprochen haben.«
»Das glaube ich nicht. Es geht um Simon.«
»Ja.« Einladend klopfte Rowena auf den Platz neben sich. »Genau. Brad hat darauf bestanden, dass ich wegen Simon deutliche Schutzmaßnahmen ergreife.«
»Kane wird den Jungen nicht anrühren«, sagte Brad in bestimmendem Tonfall. »Er wird den Jungen nicht benutzen. Simon wird aus dem Ganzen herausgehalten. Das muss völlig klar sein.«
»Stellst du jetzt Bedingungen für Zoe und ihren Sohn?«, fragte Rowena.
»Nein«, warf Zoe rasch ein, »ich kann sehr wohl für mich selber und Simon sprechen. Aber danke.« Sie warf Brad einen kurzen Blick zu. »Ich danke dir, dass du an Simon gedacht hast.«
»Ich habe nicht nur an ihn gedacht, ich sage es klipp und klar. Du und Pitte, ihr wollt den dritten Schlüssel.« Er wandte sich an Rowena. »Ihr wollt, dass Zoe ihn findet. Kane will, dass sie scheitert. Es gab Regeln, nach denen Sterblichen kein Leid zugefügt werden durfte, aber beim letzten Mal hat er diese Regeln gebrochen, und er hätte Dana und Jordan getötet, wenn er gekonnt hätte. Wir haben also keinen Grund anzunehmen, dass er dieses Mal fair kämpfen wird. Er wird sogar höchstwahrscheinlich noch schmutzigere Mittel anwenden.«
Zoes Herz krampfte sich zusammen, und ihr stockte der Atem. »Er darf meinen Sohn nicht anrühren. Das musst du mir versprechen. Du musst es mir garantieren, sonst höre ich auf der Stelle auf.«
»Neue Bedingungen.« Rowena zog die Augenbrauen hoch. »Und Ultimaten?«
»Sagen wir es einmal so.« Bevor Zoe etwas erwidern konnte, hatte Brad wieder das Wort ergriffen. Er funkelte sie scharf an, damit sie den Mund hielt. »Wenn ihr Simon nicht vor Kane beschützt, könnte er ihn gegen sie verwenden und sie damit außer Gefecht setzen. Ihr seid nahe dran, Rowena, zu nahe, um so etwas zuzulassen.«
»Gut gemacht, Bradley.« Rowena tätschelte ihm das Knie. »Simon hat einen großartigen Anwalt in dir. Und in dir natürlich genauso«, fügte sie an Zoe gewandt hinzu. »Aber es ist bereits geschehen.«
»Was?« Zoe spähte durch das Zimmer zu Simon, der Moe gerade verstohlen ein Stück Kuchen zusteckte.
»Er steht unter dem stärksten Schutz, den ich bewirken kann. Wir haben ihn in der Nacht ausgesprochen, als Dana den zweiten Schlüssel fand. Mutter«, sagte sie sanft und berührte Zoes Wange, »ich würde nie von dir verlangen, dass du dein Kind in Gefahr bringst, nicht einmal für die Töchter eines Gottes.«
»Dann kann ihm also nichts passieren.« Vor Erleichterung traten Zoe Tränen in die Augen. »Kane kann ihm nichts tun?«
»Um an Simon heranzukommen, müsste Kane erst an mir und Pitte vorbei. Und ich kann dir versprechen, das würde er bitter bereuen.«
»Aber wenn es ihm doch gelänge …«
»Dann bekommt er es erst noch mit uns zu tun«, warf Brad ein. »Sechs Leute und ein großer Hund. Flynn und ich haben schon darüber geredet. Du solltest Moe zu dir nehmen, damit er auf euch aufpassen kann. So wie bei Dana, als eine Art Frühwarnsystem.«
»Moe bei mir zu Hause?« Dieser große tollpatschige Hund in ihrem kleinen Haus? »Du hättest erst einmal mit mir sprechen sollen, bevor ihr solche Entscheidungen trefft.«
»Es ist nur ein Vorschlag, keine Entscheidung.« Sein Tonfall war sanft, aber seine Augen blitzten entschlossen. »Nur ein vernünftiger Vorschlag. Außerdem sollte ein Kind in Simons Alter sowieso einen Hund haben.«
»Ich entscheide, wann Simon reif für einen Hund ist …«
»Hört auf!« Rowena unterdrückte ein Lachen und tätschelte beiden beruhigend die Knie. »Es ist doch albern, sich zu streiten, schließlich wollt ihr beide nur, dass Simon nichts passiert.«
»Können wir jetzt mit dem offiziellen Teil beginnen? Ich werde langsam nervös.«
»Ja, selbstverständlich. Simon kann mit Moe ein bisschen im Park herumtoben. Wir passen auf ihn auf«, versicherte Zoe. »Es kann ihm nichts passieren.«
»Okay.«
»Ich kümmere mich darum, und dann können wir ins andere Zimmer gehen.«
Sie stand auf, und Zoe saß auf einmal direkt neben Brad. Nervös verschränkte sie die Hände im Schoß. Brad griff nach seiner Kaffeetasse.
»Es tut mir Leid, wenn ich undankbar und unhöflich geklungen habe«, begann sie. »Ich bin nicht undankbar.«
»Also nur unhöflich?«
»Vielleicht.« Zoe errötete. »Aber das habe ich nicht so gemeint. Ich bin einfach nicht daran gewöhnt, dass jemand …«
»Dir hilft?«, vollendete er. »Sich um dich und Simon sorgt?«
»Ja, genau«, konterte sie, wobei sie ihn direkt ansah. »Daran bin ich nicht gewöhnt. Niemand hat mir dabei geholfen, Simon großzuziehen, ihn zu ernähren und zu lieben. Niemand hat mir dabei geholfen, dass er ein Dach über dem Kopf hatte. Ich war alleine dafür zuständig, und ich habe meine Sache anständig gemacht.«
»Nicht nur anständig«, korrigierte er sie, »sondern außergewöhnlich gut. Na und? Musst du deswegen permanent um dich schlagen, sobald jemand versucht, dir eine helfende Hand zu reichen?«
»Nein. Nein, das stimmt so nicht. Du bringst mich völlig durcheinander.«
»Na, das ist doch zumindest schon mal ein Anfang.« Er ergriff ihre Hand und zog sie an die Lippen. »Zum Glück.«
»Oh, danke.« Sie stand rasch auf, zumal in dieser Sekunde Rowena wieder ins Zimmer trat.
»Wenn alle bereit sind, möchten wir gerne der Tradition folgen und die Suche nach dem Schlüssel im anderen Salon beginnen.«
Brad beobachtete Zoe aufmerksam. Sie war ein wenig blass, aber sie hielt sich gut. Beruhigt sah er, dass Malory und Dana sie in die Mitte nahmen, als sie den Flur entlanggingen.
Sie waren in den letzten zwei Monaten ein Team, ja sogar eine Familie geworden. Und diese Tatsache würde ihnen bestimmt helfen, das Kommende erfolgreich zu überstehen.
Als er ins Zimmer trat, machte sein Herz einen Satz beim Anblick des Porträts.
Die Glastöchter, kurz bevor ihre Seelen geraubt wurden. Die drei Frauen auf dem Bild hielten sich eng beieinander, genau wie Zoe, Malory und Dana, die den tragischen Halbgöttinnen zum Verwechseln ähnlich sahen.
Venora, mit Malorys lebhaften blauen Augen, saß lächelnd mit einer Harfe im Schoß auf einer Marmorbank. Niniane neben ihr, mit Danas ausdrucksvollen Zügen und dichten braunen Haaren, hielt Schriftrolle und Feder in der Hand. Hinter ihnen stand Kyna, ein Schwert an der Hüfte und einen kleinen Hund auf dem Arm. Ihre rabenschwarzen Haare waren lang, im Gegensatz zu Zoes kurzem, sexy Schnitt, aber die Augen, diese großen, topasfarbenen Augen, waren die Gleichen.
Sie zogen ihn magisch an.
Die drei Töchter strahlten Schönheit, Freude und Unschuld in einer Welt aus, die voller Farbe und Licht war. Betrachtete man das Bild jedoch näher, so sah man, dass die Schatten bereits im Hintergrund lauerten.
Im dichten, grünen Wald erkannte man schemenhaft die Umrisse eines Mannes, und über die hellen Fliesen glitt eine Schlange. In einer Ecke des Himmels braute sich ein Unwetter zusammen, aber die Töchter merkten es nicht. Und die Liebenden, die sich im Hintergrund küssten, waren viel zu sehr ineinander versunken, als dass sie gespürt hätten, in welcher Gefahr ihre Schutzbefohlenen schwebten.
Wenn man das Bild noch genauer anschaute, entdeckte man die drei Schlüssel, die geschickt versteckt waren. Einer flog, getarnt als Vogel, über den strahlend blauen Himmel, ein zweiter war im dichten Laub der Bäume verborgen und der dritte schimmerte tief im Teich, an dem die drei Mädchen den letzten Augenblick voller Frieden und Unschuld erlebten.
Brad hatte gesehen, wie die Töchter nach dem Fluch aussahen. Bleich und marmorhaft lagen sie in Kristallsärgen. Auch dieses Bild, Nach dem Zauber, hatte Rowena gemalt, und er hatte es Monate, bevor er ins Valley zurückgekehrt war, gekauft. Er hatte es einfach kaufen müssen, weil er sich in Zoes Gesicht verliebt hatte.
»Zwei Schlüssel wurden bereits gefunden«, begann Rowena. »Zwei Schlösser wurden geöffnet. Nun bleibt nur noch eins übrig.« Sie trat zu dem Porträt und stellte sich vor den Kamin. Hinter ihr loderten die goldroten Flammen.
»Ihr habt in diese Suche eingewilligt, weil ihr neugierig wart und jede von euch an einem unruhigen, unbefriedigenden Punkt ihres Lebens angelangt war. Und«, fügte sie hinzu, »weil ihr Geld dafür bekommen habt. Doch die schwierige Suche habt ihr fortgesetzt, weil ihr stark und aufrichtig seid. Niemand in den vergangenen dreitausend Jahren ist jemals so weit gekommen.«
»Ihr habt die Macht der Kunst kennen gelernt«, fuhr Pitte fort und trat neben Rowena, »und die Macht der Wahrheit. Die ersten beiden Reisen bringen euch zu der dritten.«
»Ihr habt einander«, sagte Rowena zu den Frauen, »und ihr habt eure Männer. Zusammen bildet ihr eine Kette. Ihr dürft nicht zulassen, dass er sie durchbricht.« Sie ging auf Zoe zu und sprach zu ihr, als seien sie alleine im Zimmer. »Jetzt bist du an der Reihe, aber es war von vornherein bestimmt, dass du die Aufgabe beendest.«
»Wieso?« In Zoe stieg Panik auf. »Wenn das stimmt, warum haben wir denn bei den anderen beiden Malen gelost?«
»Es muss immer eine Wahl geben. Das Schicksal ist die Tür. Aber du entscheidest, ob du hindurchgehst oder dich abwendest. Wirst du hindurchgehen?«
Zoe schaute zum Porträt und nickte. »Dann gebe ich dir deinen Hinweis zum Schlüssel und bete, dass er dich leiten wird.« Rowena ergriff eine Schriftrolle.
»Schönheit und Wahrheit«, las sie vor, »sind verloren, wenn nicht Mut sie hält. Aber zwei Hände können zu fest greifen, sodass das Kostbare durch die Finger rinnt. Verlust und Schmerz, Leid und Wille leuchten auf dem Pfad durch den Wald. Blut wird auf der Reise fließen, und du erlebst den Tod der Unschuld und die Geister dessen, was hätte sein können.
Am Kreuzweg lässt dich Vertrauen die richtige Richtung einschlagen oder aber Zweifel werden dich behindern. Erwartet dich Verzweiflung oder Freude? Gibt es Erfüllung ohne das Risiko des Verlusts? Gibt es ein Ende oder einen Anfang? Trittst du ins Licht oder kehrst du in die Dunkelheit zurück?
Auf jeder Seite steht jemand und streckt die Hand aus. Wirst du die eine, die andere ergreifen, oder wirst du die
Die Originalausgabe erschien 2004 unter dem Titel »Key of Valor« bei Jove Books, The Berkley Publishing Group, a division of Penguin Group, Inc., New York.
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Umwelthinweis: Alle bedruckten Materialien dieses Taschenbuches sind chlorfrei und umweltschonend.
 
 
Der Blanvalet Verlag ist ein Unternehmen der Verlagsgruppe Random House.
 
1. Auflage Deutsche Erstveröffentlichung August 2005 Copyright © der Originalausgabe 2004 by Nora Roberts Published by arrangement with Eleanor Wilder
Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2005 by Verlagsgruppe Random House GmbH
Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück, Garbsen. Umschlagfoto: Corbis/Zaunders Titelnummer: 35860 Lektorat: Maria Dürig Redaktion: Petra Zimmermann Herstellung: Heidrun Nawrot
eISBN : 978-3-641-02133-7
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