Blutdämon - Kim Harrison - E-Book
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Blutdämon E-Book

Kim Harrison

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Beschreibung

Behalte deinen Todfeind stets in deiner Nähe!

Rachel Morgan soll in San Francisco vor der jährlichen Hexenvollversammlung Rede und Antwort stehen und muss per Anhalter in die Stadt fahren. Retter in der Not ist ausgerechnet Trent Kalamack, mächtigster Drogenbaron Cincinnatis und mit Rachel in inniger Hassliebe verbunden. Doch ein Roadtrip mit ihrem Intimfeind quer durch die USA ist bald Rachels geringste Sorge, denn ein Dämon ist ihnen auf den Fersen, und der hat nur ein Ziel: Rachels Seele ...

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Seitenzahl: 896

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Das Buch

Rachel Morgan hat ein Problem: Der Hexenzirkel klagt sie an, eine schwarze Hexe zu sein, und sie hat genau drei Tage Zeit, um von Cincinnati nach San Francisco zu reisen und vor dem mächtigen Rat Rede und Antwort zu stehen. Kommt sie zu spät, droht ihr ein längerer Aufenthalt in Alcatraz oder – im schlimmsten Fall – gleich in der Hölle. Ausgerechnet Trent Kalamack, mit dem Rachel in innigster Hassliebe verbunden ist, bietet ihr an, sie im Auto nach San Francisco zu begleiten. Rachel bleibt nichts anderes übrig, als sein Angebot anzunehmen, denn seit der Hexenzirkel sie mit einem Bann belegt hat, ist sie aus der magischen Gesellschaft ausgeschlossen und infolgedessen ist ihr auch der Gebrauch öffentlicher Verkehrsmittel verwehrt. Als wäre ein Roadtrip mit ihrem Intimfeind quer durch die USA für Rachel noch nicht schlimm genug, taucht plötzlich ein wütender Dämon auf, der nur eines will: Rachels Seele …

DIE RACHEL-MORGAN-SERIE:

Bd. 1: Blutspur

Bd. 2: Blutspiel

Bd. 3: Blutjagd

Bd. 4: Blutpakt

Bd. 5: Blutlied

Bd. 6: Blutnacht

Bd. 7: Blutkind

Bd. 8: Bluteid

Bd. 9: Blutdämon

Sonderband: Blutwelten

Die Autorin

Kim Harrison, geboren im Mittleren Westen der USA, wurde schon des Öfteren als Hexe bezeichnet, ist aber – soweit sie sich erinnern kann – noch nie einem Vampir begegnet. Als einziges Mädchen in einer Großfamilie lernte sie rasch, ihre Barbies zur Selbstverteidigung einzusetzen. Sie spielt schlecht Billard und hat beim Würfeln meist Glück. Kim mag Actionfilme und Popcorn, hegt eine Vorliebe für Friedhöfe, Midnight Jazz und schwarze Kleidung und ist bei Neumond meist nicht auffindbar. Ihre Bestseller-Serie um die Abenteuer der schönen und tollkühnen Hexe Rachel Morgan ist in den USA längst Kult und begeistert auch hierzulande immer mehr Fans. Mehr Informationen unter:

www.kimharrison.net

Inhaltsverzeichnis

WidmungKapitel 1Kapitel 2Copyright

Für den Kerl,der genau weiß,wie ich meinen Tee mag …

»Braun oder Grün für die Vorhänge, Rache?«

Jenks’ Stimme drängte sich in meinen Dämmerzustand, und ich öffnete ein Auge einen Spalt weit. Jenks schwebte nur Zentimeter vor meiner Nase. Die Sonne war heiß, und ich wollte mich nicht bewegen, auch wenn seine Flügel einen kühlen Windzug erzeugten. »Du bist zu nah. Ich kann nichts sehen«, sagte ich, als ich mich in meinem Liegestuhl bewegte. Er schwebte nach hinten, und seine libellenartigen Flügel summten schnell genug, um roten Pixiestaub auf meinem nackten Bauch zu verteilen. Juni, Sonnenbaden und Cincinnati passten normalerweise nicht zusammen, aber heute war die letzte Chance, ein wenig Bräune zu tanken, bevor ich mich auf den Weg nach Westen zur Hochzeit meines Bruders machte.

Über Jenks’ Arm hingen zwei Stoffbündel, wahrscheinlich aus Spinnenseide, die von einer seiner Töchter gewebt und gefärbt worden war. Seine schulterlangen blonden Locken – seit dem Tod seiner Frau waren sie nicht geschnitten worden – waren mit einem Stück Kordel zurückgebunden, um sie aus seinem kantigen, erschöpften Gesicht zu halten. Ich fand es seltsam, dass sich ein Pixie, der allein eine ganze Bande von Meuchelmördern in die Flucht schlagen konnte, Gedanken um die Farbe seiner Vorhänge machte.

»Also«, mauerte ich, weil ich mir keinen Deut sicherer war als er. »Das Grün passt zum Boden, aber ich würde das Braun nehmen. Du brauchst warme Farben da unten.«

»Braun?«, fragte er mit einem zweifelnden Blick auf den Stoff. »Ich dachte, die grünen Fliesen gefallen dir.«

»Tun sie«, erklärte ich. Ich fand die Idee, eine Glasflasche in Bodenfliesen zu verwandeln, genial. »Aber wenn du alles in derselben Farbe hältst, sieht es irgendwann aus wie eine Zeitreise in die Siebziger.«

Das Summen von Jenks’ Flügeln wurde tiefer, und seine Schultern sackten nach unten. »Ich kann das einfach nicht«, flüsterte er und wurde melancholisch, als er an Matalina denken musste. »Sag mir einfach, welchen.«

Innerlich zuckte ich zusammen. Ich wollte ihn umarmen, aber er war nur zehn Zentimeter groß. Klein, ja, aber der Pixie hatte mir öfter das Leben gerettet, als ich zählen konnte. Manchmal allerdings hatte ich das Gefühl, als lebten wir in verschiedenen Welten. »Braun«, sagte ich.

»Danke.« Jenks flog zu der kniehohen Mauer, die meinen Hinterhof vom Friedhof trennte, und zog dabei eine Spur aus mattem Goldstaub hinter sich her. Der von einer Mauer umschlossene Friedhof gehörte auch mir, oder eigentlich Jenks, nachdem auf der Besitzurkunde sein Name stand. Aber ich war diejenige, die den Rasen mähte.

Kummer stieg in mir auf, und die Sonne schien ein wenig kühler zu werden, als ich beobachtete, wie Jenks’ Staubspur unter den blühenden Hasenglöckchen und dem Moos in seiner neuen Junggesellenwohnung verschwand. Er hatte in den letzten Monaten lernen müssen, ohne Matalina zu leben, und es war ihm schwergefallen. Dass ich hatte klein werden können, um ihm durch den ersten schweren Tag zu helfen, hatte viel dazu beigetragen, mich davon zu überzeugen, dass Dämonenmagie nicht generell schlecht war – außer, man setzte sie für dunkle Zwecke ein.

Ein Windhauch streifte kühl meine Augen, und ich lächelte, während ich gleichzeitig die Träne wegwischte. Ich konnte das frisch geschnittene Gras riechen, und vor dem Hintergrundgeräusch von Cincinnati jenseits des Flusses erhob sich das Brummen eines Rasenmähers. Neben meinem Sonnenöl und einem Glas mit inzwischen warmem Eistee lag ein Stapel von Einrichtungsmagazinen. Die Ruhe vor dem Sturm. Morgen würde meine persönliche Hölle ausbrechen, und sie würde die gesamte Woche anhalten, denn so lange dauerte die jährliche Hexenkonferenz. Was danach geschah, war reine Spekulation.

Nervös verschob ich die Träger meines Bikinis, damit sich in meinem Brautjungfernkleid keine weißen Streifen zeigten. Das Kleid war bereits verpackt und hing in seiner Kleidertasche in meinem Schrank. Das jährliche Hexentreffen war gestern am anderen Ende des Kontinents eröffnet worden. Ich stand als Letztes auf der Agenda – so wie man sich im Zirkus die beste Nummer bis zum Schluss aufhebt.

Der Hexenzirkel für ethische und moralische Standards hatte mich bereits gebannt, versucht, mich ohne Prozess in Alcatraz einzubuchten, und mir Meuchelmörder auf den Hals gehetzt, als ich entkommen war. Ein Patt hatten sie erst anerkannt, als ich gedroht hatte, mit der Tatsache an die Öffentlichkeit zu gehen, dass die Hexen von den Dämonen abstammten und ich der Beweis dafür war. Die Aufhebung der Bannung sollte dauerhaft werden, nachdem sie das fehlende Mitglied des Rates ersetzt hatten und damit die Begnadigung für meine Verwendung schwarzer Magie aussprechen konnten. Zumindest lautete so die Theorie.

So wichtig es auch war, das hinter mich zu bringen, ich hatte ab-so-lut keine Lust darauf. Ich meine, man hatte mich beschuldigt, eine schwarze Hexe zu sein – schwarze Magie zu wirken und mit Dämonen zu verkehren, was ich beides auch tatsächlich getan hatte. Tue. Was auch immer. Das würde sich auch nicht ändern, aber wenn ich diese Begnadigung nicht bekam, würde ich mich für den Rest meines Lebens im Jenseits verstecken müssen. Und weder hatte ich eine große Schwäche für Dämonen, noch wollte ich die Hochzeit meines Bruders verpassen. Das würde er mir nie vergeben.

Ich schaute auf und blinzelte Richtung Eiche, als ein vertrautes, fast schon im Ultraschallbereich liegendes Pixiepfeifen sich über das Brummen des Rasenmähers erhob. Ich war nicht überrascht, als Jenks sofort hinter der kniehohen Mauer hervorschoss, um Jumoke abzufangen, einen seiner Söhne, der heute Wachdienst vor der Kirche hatte.

»Was ist los, Jenks?«, rief ich, während ich meine Sonnenbrille packte. Die Pixies flogen auf mich zu, immer noch in ein Gespräch vertieft.

»Schwarzes Auto am Randstein«, sagte Jenks, die Hand am Griff seines Gartenschwertes. »Es ist Trent.«

Adrenalin schoss in meine Adern, und ich hätte mir fast den Bügel meiner Sonnenbrille ins Auge gestochen, als ich sie aufsetzte. »Er ist zu früh!«, rief ich und setzte mich auf. Trent und ich hatten einen Termin, um sein Vertrautenmal zu entfernen, aber erst um fünf. Der Fluch war noch nicht fertig, und die Küche sah aus wie nach einer Explosion. Vielleicht wollte er die Vorbereitungen beobachten, weil er Angst vor den Inhaltsstoffen hatte.

Jumokes Flügelgeräusch wurde lauter, als es an der Haustür klingelte. Wir alle drehten uns zur Kirche um, als könnten wir Trent durch das Gebäude hindurch auf dem Treppenabsatz vorne stehen sehen. Die Klingel war eine dieser großen Farmglocken mit einem Zugseil, und die gesamte Nachbarschaft konnte sie hören. »Vielleicht geht er wieder, wenn wir uns tot stellen«, sagte ich, und Jenks raste nach oben, achtzehn Meter in gerade einer Sekunde. Genauso schnell war er schon wieder da.

»Er kommt hintenrum«, sagte er. Sein goldener Pixiestaub wirkte durch meine Sonnenbrille schwarz.

Verdammt zurück bis zum Wandel. »Der Trottel soll gepixt sein«, sagte ich, dann wedelte ich abwehrend mit der Hand, weil Jumoke mich offensichtlich ernst genommen hatte. Der kleine Pixie sah aus als wäre er nicht älter als sechs, und er nahm alles wörtlich.

Jenks flog rückwärts, als ich mich nach hinten umdrehte und die Lehne des Liegestuhls nach oben riss, um aufrechter zu sitzen. Vielleicht sollte es ein letzter Versuch werden, mich dazu zu bringen, diesen dämlichen Wisch zu unterschreiben, der mir zwar Sicherheit vor dem Hexenzirkel zusicherte, mich aber gleichzeitig quasi zu Trents Sklavin machte. Morgen wäre ich schon an der Westküste, um meinen Namen reinzuwaschen und ihm damit durch die Finger zu rutschen. Entweder das, oder er versuchte, Ivy aus dem Weg zu gehen  – eine eindeutige Möglichkeit. Er wusste, dass sie heute Abend hier sein würde, und seine Spione hatten ihm wahrscheinlich verraten, dass sie im Moment nicht da war.

Jenks klapperte mit den Flügeln, und ich schaute ihn an. »Wie soll ich reagieren, Rache?«, fragte er. »Er ist schon fast am Tor. Meine Kinder mobben ihn.«

Ich biss die Zähne zusammen, dann zwang ich mich dazu, mich zu entspannen. Ich hatte mir für heute Abend schon eine schöne Seidenbluse zurechtgelegt. Eine professionelle, stilvolle Bluse. Und hier saß ich nun im Bikini und mit einer chaotischen Küche. »Lass ihn kommen«, sagte ich schließlich. »Wenn es um diesen Wisch geht, kann er mir die Zehen lutschen und sterben.«

Jenks nickte und schoss nach einem Flügelzirpen, das seinen Sohn anwies, bei ihm zu bleiben, zu dem Pfad, der um die Kirche herumführte. Ich lehnte mich zurück und bettete meinen Kopf so, dass ich das Gartentor sehen konnte, ohne es offensichtlich zu beobachten. Trents Stimme – seine wunderschöne resonante, beruhigende Politikerstimme – erreichte mich, noch bevor er am Tor war, und ich berührte kurz den Zopf, zu dem Jenks’ Kinder meine roten Locken geflochten hatten. Ich hasste es, dass mir seine Stimme gefiel, aber es war ein vertrauter Hass, der schon vor langer Zeit seine Spitze verloren hatte.

Der hölzerne Riegel am Tor hob sich, und mein Herz machte einen Sprung. Ich nahm die Sonnenbrille wieder ab und tat mit halbgeschlossenen Augen so, als würde ich schlafen.

In einer Wolke von Pixiekindern kam Trent in meinen Garten, seine Bewegungen gleichzeitig langsam und wütend. Offensichtlich gefiel ihm seine laute, geflügelte Eskorte nicht. Ich hielt mein Gesicht ausdruckslos, während ich seinen schlanken Körper musterte. In den Monaten, seit ich ihn zum letzten Mal gesehen hatte, war Trent brauner geworden. Sein feines, fast durchsichtiges blondes Haar leuchtete in der Sonne. Statt seines üblichen Tausend-Dollar-Anzugs trug er ein leichtes, kurzärmliges graues Hemd, eine schwarze Stoffhose und glänzende schwarze Lederschuhe. Das ließ ihn harmlos aussehen, aber Trent war alles andere als harmlos. Und was tat er alleine hier? Quen ließ ihn nie allein ausgehen.

Trent ging über die farngesäumten Schieferplatten, während die Pixies auf ihn einredeten. Hinter dem scheinbar unschuldigen Auftreten eines Geschäftsmannes versteckte sich der Kopf eines kriminellen Biodrogen- und Brimstonehändlers. Warum helfe ich ihm wieder?

Ich helfe mir selbst, dachte ich und fühlte mich plötzlich fast nackt. Wenn ich die Vertrautenverbindung zwischen uns nicht auflöste, bevor ich zum Hexentreffen aufbrach, würde Trent seine Mordversuche wieder aufnehmen. Und sosehr ich den Mann auch verabscheute, ich mochte ihn um einiges mehr, wenn er nicht versuchte, mich unter die Erde zu bringen.

Ich fühlte mich wie ein Heuchler, als ich die Augen ganz schloss und lauschte, wie Trent einem von Jenks’ Kindern etwas Beruhigendes zumurmelte, während seine Schuhe über die zerbrochenen Hoffliesen kratzten. Mein Herz schlug schneller. Wäre es irgendjemand anderes gewesen als Trent, hätte man fast glauben können, ich würde den Mann mögen. Aber eigentlich bemühte ich mich nur, nicht auszusehen wie eine verrückte Hexe, die mit einem Gargoyle im Glockenturm, Pixies im Garten und einer Katze auf dem Zaun in einer Kirche lebte – selbst wenn ich genau das war. Auf keinen Fall würde er meine Küche betreten. Nicht, während massenweise Kerzen herumstanden, halbverarbeitete Kräuter herumlagen und überall magnetische Kreide klebte.

»Du wirst niemals erraten, wen ich beim Durchwühlen unseres Mülls erwischt habe, Rache«, sagte Jenks höhnisch. Ich streckte mich und zitterte, als ein kühler Schatten auf mich fiel.

»Ich dachte, wir wären die Waschbären losgeworden«, sagte ich, öffnete die Augen und entdeckte Trent über mir. Er war mit der Sonne im Rücken nur eine schwarze Silhouette. Der Geruch von Zimt und Wein stieg mir in die Nase, und ich blinzelte nach oben. Trent ist nervös? Seltsam … Wenn Trent unbehaglich zumute war, konnte ich vielleicht die Oberhand behalten, selbst wenn ich halbnackt war. Das wäre mal eine nette Abwechslung. Er war ziemlich gut darin, mich in die Defensive zu drängen.

»Oh! Hi, Trent«, sagte ich, als er weiterhin schwieg. Die Halbschatten der Pixieflügel warfen Muster auf uns beide, und ihre Fluggeräusche waren fast so laut wie ihre Stimmen. »Was zum Wandel tust du schon hier? Gehst wohl Ivy aus dem Weg, hm?«

Er trat zur Seite, und die Sonne blendete mich – genau, wie er es beabsichtigt hatte. »Schönen Nachmittag, Rachel«, sagte Trent trocken. »Du siehst gut aus.«

»Danke.« Ich griff nach meiner Sonnenbrille und setzte sie auf, während er vor den Stuhl trat, auf dem mein Bademantel lag, und so recht effektiv verhinderte, dass ich danach griff. »Es ist unglaublich, wie gut es tun kann, mal zwei Monate nicht auf irgendeiner Abschussliste zu stehen.« Ich zögerte, weil mir auffiel, dass seine Frisur schicker war als gewöhnlich. »Du siehst für einen mordlüsternen Drogenbaron auch nicht so schlecht aus.«

Bei dieser Bemerkung wurde Trents Lächeln ehrlich. Ich glaube, er genoss unser stichelndes Geplänkel – alle anderen hatten zu viel Ehrfurcht vor seinem Kontostand, um ihm Paroli zu bieten. »Ich entschuldige mich dafür, dass ich dich so überfalle, aber ich möchte etwas mit dir besprechen.« Er warf einen schnellen Blick zu Jenks. »Allein, wenn möglich?«

Dann ging er Ivy also tatsächlich aus dem Weg, überlegte ich und fand das ziemlich witzig. Jenks schnaubte und stemmte die Hände in die Hüften. Seine Finger berührten gerade so den Knauf seines Gartenschwertes, was ihm eine gefährliche, hintergründige Aura verlieh, wie Puck auf dem Kriegspfad. Und wirkte, als wäre er bereit, jederzeit zu töten. Amüsiert strahlte ich Trent an und zog ein Knie an, um mich nicht so vollkommen entblößt zu fühlen.

»Eigentlich bin ich momentan sehr beschäftigt«, erklärte ich süßlich, wobei ich mich in den Liegestuhl zurücklehnte und die Augen schloss. »Ich muss Melatonin bilden, während die Sonne scheint.« Ich öffnete die Augen wieder und schenkte ihm ein offensichtlich aufgesetztes Lächeln, während ich gleichzeitig ein wenig besorgt die Stirn runzelte. Er ist allein hier.

Ein leises Kichern in den Bäumen ließ Trent den Blick heben, und er trat schnell einen Schritt zur Seite, um einer Eichel aus dem letzten Jahr auszuweichen. Sie prallte mit einem Klacken von der zerbrochenen Bodenfliese ab und rollte, begleitet von enttäuschtem Gejammer, unter meinen Liegestuhl.

»Entschuldige mich«, sagte Jenks säuerlich und schoss in die Bäume davon. Es folgte eine lautstarke Rebellion, die schnell unterdrückt wurde, dann sanken die Pixies nacheinander herab, um eine weitere Eichel, einen Stock und sogar eine Murmel auf den Tisch neben meinem Eistee fallen zu lassen, bevor sie sich entschuldigten und bedrückt Richtung Friedhof davonflogen. Jenks beobachtete jede Bewegung mit Adleraugen.

»Ich habe noch vier Stunden Zeit, um diese Haut vor der Hochzeit meines Bruders von ihrer Leichenblässe zu befreien«, erklärte ich unbehaglich und bemühte mich, das kleine Drama zu ignorieren, »und die werde ich nicht in meiner Küche damit verbringen, deinen Zauber zu winden. Komm um fünf zurück. Oder du kannst einfach hier rumsitzen und darauf warten, dass die Sonne untergeht. Mir ist es egal. Sitzt Quen im Auto? Er kann gerne reinkommen. Ich habe noch Eistee im Kühlschrank. Oder ein Bier. Ihr Kerle trinkt doch Bier, oder?«

»Ich habe heute keinen Babysitter«, sagte Trent, als wäre das ein großer Sieg. Ich räusperte mich. Ich wusste, wie er sich fühlte. Mein Babysitter war entweder ein zehn Zentimeter großer Mann oder ein nerviger Ex-Geist, je nachdem, in welcher Klemme ich im Moment steckte und in welcher Realität ich mich gerade bewegte.

Jenks’ jüngste Tochter, Jrixibell, flog heran, während sie gleichzeitig den Saum ihres braunen Seidenkleides knetete. Anscheinend war es ihre Eichel gewesen. Unter Jenks’ strengem Blick murmelte das beschämte Mädchen ein »Entschuldigung« und flog dann zu ihren drei Schwestern, mit denen sie sofort im Gebüsch verschwand, um weitere Missetaten zu planen.

Trent lächelte, drehte sich um und erschreckte mich zu Tode, als er eingebildeten Staub vom zweiten Stuhl wischte, bevor er sich so vorsichtig setzte, als hätte er noch niemals einer Plastikbespannung trauen müssen. Ich starrte ihn an und nahm die Sonnenbrille wieder ab.

Er bleibt? Sicher, ich hatte es angeboten, aber ich hatte doch nicht erwartet, dass er annahm. Plötzlich fühlte ich mich doppelt so nackt, konnte aber nichts tun, weil Trent sich vorlehnte und das oberste Einrichtungsmagazin nahm. »Renoviert ihr?«, fragte er beiläufig.

»Ähm, Jenks richtet sich ein«, sagte ich mit klopfendem Herzen. Dreck auf Toast, ich konnte hier doch nicht einfach rumliegen und so tun, als wäre er nicht da. Ich hatte gedacht, er würde beleidigt reagieren, etwas Dämliches darüber zum Besten geben, dass seine Zeit wichtiger war als meine, und einfach wieder gehen. »Du, ähm, willst warten? Hast du nichts anderes, Wichtigeres zu tun?«

»Doch, habe ich eigentlich schon«, sagte er, während er langsam umblätterte und seine Augen über die nächste Seite voller Fliesen und Kunst gleiten ließ. »Aber ich will mit dir reden. Allein.« Er hob seinen Blick von der Zeitschrift und starrte Jenks an.

»Jetzt warte mal einen fairyverfurzten Moment …« Jenks schoss in einer Wolke aus empörtem Silber nach oben.

Ich runzelte die Stirn. Trent war zu früh gekommen, stank nach Zimt und Wein und wollte allein mit mir reden. Das war so absolut übel. »Es ist okay, Jenks«, sagte ich leise, aber er hörte mich nicht.

»Der Tag, an dem ich dich mit Rachel allein lasse, ist der Tag, an dem ich mir ein Kleid anziehe und Polka tanze!« , erklärte er gerade. Ich setzte mich auf und stellte meine Füße zu beiden Seiten des Liegestuhls auf den Boden.

»Jenks, es ist in Ordnung.«

»Wir sind ein Team!«, schrie Jenks, eine Hand am Knauf seines Gartenschwertes. »Du redest mit uns allen oder mit keinem!«

Vom Rande des Gartens und Friedhofs beobachtete uns ungefähr ein Dutzend Paar Augen, und über uns raschelten die Blätter. Ich schaute kurz zu Trent. Er presste für einen Moment die Lippen aufeinander, dann entspannte sich sein Gesicht und er verbarg seinen Ärger.

»Jenks«, sagte ich. »Es ist okay. Ich werde dir erzählen, was er sagt.« Trent kniff die Augen zusammen, und ich schob das Kinn vor. »Versprochen.«

Sofort beruhigte sich Jenks, landete aber trotzdem beleidigt und mit klappernden Flügeln neben meinem Glas. Auf Trents Stirn bildete sich eine kleine, besorgte Falte, aber ich hatte die Wahrheit gesagt. Ich würde Jenks so gut wie alles erzählen, und das sollte Trent auch wissen.

»Warum sammelst du nicht deine Kinder ein und ihr schaut nach den Blaubeerbüschen ganz am Ende des Friedhofs?«, sagte ich, und über uns raschelte es wieder. »Alle Kinder.«

»Na ja, okay«, erklärte Jenks mürrisch. Er hob ab, zeigte mit zwei Fingern erst auf sich selbst und dann auf Trent – die unmissverständliche Geste für »Ich hab dich im Blick« – und flog dann davon, während er seinen Kindern zurief, zu verschwinden und uns Raum zu geben. Trent beobachtete, wie sie sich aus ihren verborgenen Nischen und Verstecken ergossen, und seine Anspannung wurde dadurch deutlicher, dass er seine Finger immer wieder verschränkte und voneinander löste.

Ein Windstoß glitt über den Friedhof und trug den Geruch von warmem Stein und frisch geschnittenem Gras mit. Ich zitterte. »Also, was ist los?«, fragte ich, während ich mich wieder mit geschlossenen Augen in meinen Liegestuhl fallen ließ und die Ungerührte spielte. »Wirst du mir jetzt erzählen, was du nicht vor meinem Partner und deiner Bürohilfe sagen kannst, oder willst du da einfach nur rumsitzen und mir auf den Bikini starren?«

Das löste nicht das erwartete kurze Lachen aus. Ich hörte, wie er tief durchatmete. Das leise Rascheln, als er das Heft zurücklegte, ließ mich wieder zittern. »Dein kommendes Treffen mit dem Hexenzirkel?«, sagte er leise. »Ich glaube nicht, dass dir wirklich klar ist, was passieren wird.«

Ich riss die Augen auf und drehte mich zu ihm um. Er hatte sich im Stuhl vorgelehnt, um die Ellbogen auf die Knie zu stützen und die Hände zu verschränken. Mit besorgter Miene saß er da und hob erst die Augen, als er meinen Blick spürte.

Er machte sich Sorgen um den Hexenzirkel? »Das jährliche Hexentreffen?«, sagte ich. »Das ist kein Problem. Ich kriege das hin.« Die Plastikbespannung des Liegestuhls schnitt mir in den Rücken, und ich bewegte mich unruhig.

»Du bittest um Verzeihung für die Anwendung schwarzer Magie«, sagte er, und mein Magen verkrampfte sich, als er mich daran erinnerte. »Das ist ein bisschen ernster, als am Strand besoffenen Hexen auszuweichen.«

Ich verschob wieder den Träger meines Bikinis, um mein Unbehagen zu überspielen. Trent sah auf dem billigen Plastikstuhl fantastisch aus, selbst wenn er besorgt war. »Erzähl mir was, was ich noch nicht weiß«, grummelte ich.

»Rachel …«

Nervosität breitete sich in mir aus, und ich zog eine Grimasse. »Der Hexenzirkel hat seine Meuchelmörder zurückgepfiffen«, sagte ich, aber ich konnte ihn nicht ansehen. Sicher, sie hatten die Versuche, mich umbringen zu wollen, gestoppt, aber es konnte in einer dämonischen Minute wieder losgehen. Lass mich doch einfach noch ein bisschen länger in meiner Traumwelt leben, Trent.

»Du machst dich morgen auf den Weg an die Küste?«, fragte er, und ich nickte, während ich mir die Nase rieb. Das wusste er bereits. Ich hatte es ihm letzte Woche erzählt.

»Was ist mit Jenks und Ivy?«

Mein Blick glitt zu Jenks, der auf der kniehohen Mauer zwischen Garten und Friedhof stand. Wie versprochen hielt er seine Kinder unter Kontrolle. Aber er war sauer, das sah ich an der breitbeinigen Haltung und den in die Hüfte gestemmten Händen. Seine Flügel schlugen so schnell, dass sie unsichtbar waren, aber trotzdem stand er unerschütterlich auf dem sonnenwarmen Stein. Ich zog eine Schulter hoch, ließ sie fallen und bemühte mich, unbesorgt zu wirken. »Ivy bleibt hier, um in der Firma die Stellung zu halten. Jenks kommt mit mir. Wenn er menschliche Größe hat, kann er mit den Luftdruckveränderungen umgehen.« Hoffe ich. Ich drehte mich zu Trent um, weil ich plötzlich misstrauisch war. »Warum?«

Er seufzte. »Du wirst es nie schaffen. Selbst mit Jenks nicht.«

Mein Herz setzte für einen Moment aus, und ich zwang mich, unbeweglich zu bleiben. Der leichte Wind wurde kühl, und auf meinen Armen bildete sich Gänsehaut. »Ach, wirklich?«

»Wirklich«, sagte er und ich wurde rot, als er meine Gänsehaut bemerkte. »Was hältst du für wahrscheinlicher? Dass der Hexenzirkel dich mit der Geschichte an die Öffentlichkeit lässt, wie sie dich wegen eines komplizierten Plans, mein Sicherheitssystem zu testen, gebannt haben, oder dass sie dich einfach auf dem Weg zu dem Treffen verschwinden lassen?«

Es war ziemlich schwierig, weiterhin den Kopf in den Sand zu stecken, wenn jemand so kräftig an meinen Schwanzfedern zerrte. »Ich bin nicht dämlich«, sagte ich und griff nach meinem Sonnenöl. »Du glaubst, darüber hätte ich noch nicht nachgedacht? Aber was habe ich denn für eine Wahl? Sie haben gesagt, sie würden mich begnadigen, wenn ich den Mund halte.«

»Sie haben nie gesagt, dass deine Begnadigung dich noch lebend erreichen würde.«

Stimmt. »Das ist so unfair.« Verärgert öffnete ich die Flasche und drückte mir Öl auf die Handfläche.

»Du kannst es dir nicht mehr leisten, dumm zu sein«, sagte Trent. Ich runzelte die Stirn und stellte mit einem Knall die Flasche wieder auf den Tisch. »Dieselben Qualitäten, die dich zu einer guten Angestellten machen würden – Loyalität, Ehrlichkeit, Leidenschaft, Eifer, Vertrauen –, werden dich umbringen, wenn du nicht verstehst, dass nur wenige Leute nach deinen Regeln spielen.«

Das letzte Wort in der Reihe auszusprechen – Vertrauen  – war ihm schwergefallen. Ich runzelte die Stirn und rubbelte mir unter dem Vorwand, mich mit Sonnenöl einzuschmieren, die Gänsehaut weg. »Ich bin nicht naiv«, grummelte ich und betrachtete die roten Stellen, die die Bespannung des Liegestuhls auf meiner Haut hinterlassen hatte. Ja, ich arbeitete mit Dämonen zusammen, lernte bei ihnen und war eine von zwei Hexen auf der Welt, die ihre Magie entzünden konnten, aber ich hatte mich gut geführt. Ich hatte niemals jemandem wehgetan, der mich nicht zuerst angegriffen hatte, und ich hatte immer mehr Zurückhaltung an den Tag gelegt als diejenigen, die versuchten, mich umzubringen. Selbst bei den Fairys.

»Der Hexenzirkel wird niemals zulassen, dass du einen Flieger besteigst, und der einzige Weg, wie du es an die Küste schaffen kannst, ist, wenn wir zusammen fahren«, sagte Trent schnell. »Der Hexenzirkel wird nichts unternehmen, wenn ich bei dir bin.«

Zusammen? Ich blinzelte und starrte ihn an. Deswegen war er in einer Wolke aus Zimt und Wein in meinem Garten aufgetaucht. Er wollte, dass wir zusammen an die Küste flogen, und hatte Angst, dass ich ablehnen würde. »Bietest du mir etwa einen Flug in deinem Privatjet an?«, fragte ich ungläubig. Ich war kurz davor, sowohl ihn als auch den Hexenzirkel loszuwerden, kurz davor, wieder eine eigenständige Person zu werden. Wenn ich in seinen Flieger stieg, wusste niemand, wo wir landen würden.

»Du musst mir vertrauen«, sagte er, als könnte er meine Gedanken lesen, während seine Körpersprache mir gleichzeitig zuschrie, dass ich es lassen sollte.

Ich lehnte mich zurück. Mir war kalt, und ich fühlte mich unwohl. »Ja, genau. Du hilfst mir nur aufgrund der Güte deines kleinen Elfenherzens. Wohl kaum.«

»Würdest du mir glauben, dass ich es lieber mit Zucker als mit Essig probiere?«

Er klang amüsiert und ich blinzelte zu ihm auf. »Ja«, platzte ich heraus. »Das könnte ich glauben, aber ich steige nicht in deinen Flieger. Du bist ein mit Drogen handelnder, Steuern hinterziehender, irritierender … Mörder, und in den letzten zwei Jahren gab es nicht einen Monat, in dem ich mir keine Sorgen gemacht habe, ob du versuchen wirst, mich umzulegen.«

»Irritierend?« Trent lehnte sich gegen meinen Bademantel zurück. Anscheinend war er gerne irritierend, die Finger verschränkt und ein Knöchel auf dem anderen Knie. In dieser Haltung hätte ich unsicher gewirkt, aber er wirkte völlig ruhig. Der Geruch des Kokosöls passte gut zu dem Zimt. Er senkte den Blick, und ich wartete schweigend.

»Letztendlich ist es so, dass ich es vorziehe, dass du am Leben und frei vom Hexenzirkel bist als tot«, sagte Trent leise und sah kurz auf, als ein zerrissenes Blatt von einem Ast trudelte. »Wenn du ohne mich an die Küste aufbrichst, wirst du es nicht schaffen. Und ich habe immer noch die Hoffnung, dass Sie eines Tages mit mir zusammenarbeiten werden, Ms. Morgan.«

Jetzt waren wir wieder auf vertrautem Boden. Zusammenarbeiten war um einiges besser, als für mich arbeiten, aber wie oft musste ich denn noch Nein sagen? »Nein – du lügst«, antwortete ich und wedelte mit meiner Sonnenbrille durch die Luft, als er zum Protest ansetzte, die Augen unter seinen feinen blonden Haaren unschuldig. »Du bist hier nervös reingestiefelt, um mich zu bitten, mit dir an die Küste zu fahren, nicht andersherum. Du willst mein Vertrauen? Versuch mal, es mit der Wahrheit zu erkaufen. Bis dahin haben wir nichts mehr zu besprechen. Wiedersehen, Trent. Wir sehen uns um fünf. Knall das Friedhofstor nicht zu, wenn du gehst.«

Ich rammte mir die Sonnenbrille wieder ins Gesicht und lehnte mich beleidigt zurück. Für einen Moment glaubte ich schon, er würde seine lahme Behauptung von Nächstenliebe aufrechterhalten, aber dann flüsterte er: »Ich muss an die Westküste. Ich brauche eine Begleitung, und Quen wird Ceri nicht von der Seite weichen. Sie hat nur noch drei Wochen bis zur Geburt.«

Ceri? Ich biss die Zähne zusammen, öffnete die Augen und starrte in die bernsteinfarbene Welt. Dann nahm ich die Brille wieder ab und beäugte Trent, um herauszufinden, ob er log. In seinem Blick lag ein Hauch von Mitgefühl, aber überwiegend war er sauer, wahrscheinlich, weil Ceri seinen Sicherheitsoffizier mehr mochte als ihn.

»Quen erlaubt mir nicht, Cincinnati zu verlassen, außer du kommst mit«, sagte Trent, und das regte ihn offensichtlich auf. »Er sagt, du bist ungeschliffen, aber enthusiastisch.«

Ich lachte. Ich konnte einfach nichts dagegen machen. »Okay«, sagte ich und senkte die Füße wieder auf die Terrasse. »Ich glaube, jetzt habe ich es verstanden. Du sagst, du willst dich mit mir verbünden – mit mir armem Mädchen  –, aber eigentlich tust du es nur, weil Quen dich allein nicht gehen lässt. Wie kommt’s? Hast du vor, gegen mich auszusagen, wenn ich deinen dämlichen Wisch nicht unterschreibe? Ich wusste doch, dass es Gründe gibt, warum ich Quen mag.«

»Würdest du bitte diesen Vertrag einfach vergessen?«, sagte er und wirkte langsam wütend. »Es war ein Fehler, dich zu bedrängen, und es tut mir leid. Ich muss aus privaten Gründen an die Westküste. Du bist einfach ein Mittel, um dort hinzukommen. Eine Eskorte.«

Es tat ihm leid?, dachte ich. Dieses Eingeständnis schockierte mich. Auf der Mauer hob Jenks in einer orangefarbenen Wolke ab. Offensichtlich hatte er es auch gehört.

»Bitte«, sagte Trent und rutschte auf seinem Stuhl nach vorne. »Rachel, ich brauche deine Hilfe.«

Am Tor erklang ein leises, vertrautes Klicken und dann ein Luftstoß. Hinter Trent flog auf Brusthöhe eine kleine blaue Kugel vorbei, genau dort, wo er gerade noch gewesen wäre, hätte er sich nicht vorgelehnt. Sie traf den Baum und zerbrach mit einem vertrauten Platschen, während gleichzeitig ein durchdringendes Pfeifen durch den Garten gellte.

Trent starrte mit weit aufgerissenen Augen erst mich und dann die nasse Stelle an.

Scheiße, wir werden angegriffen.

Trent stand auf und starrte dämlich auf den Baumstamm und auf die schäumende, magische gelbe Masse, die daran klebte.

»Runter!«, schrie ich und riss ihn aus dem Gleichgewicht. Er fiel um und noch sitzend zog ich ihn an mich, während ich mich anspannte und sein Gewicht so verlagerte, dass er auf der anderen Seite des Liegestuhls auf dem Hof landete. Er schlug mit einem Keuchen, mit weit aufgerissenen Augen und fliegenden Haaren auf den Fliesen auf. Macht ergoss sich in mich, vertraut, aber in meiner Eile auch schmerzhaft, und noch bevor Trent sich die Haare aus den Augen gestrichen hatte, glitt das Wort »Rhombus« durch meinen Geist. In einem Moment durchlebte ich den sonst fünfminütigen Prozess, einen Schutzkreis zu errichten.

Die halb unsichtbare Barriere hob sich, wie bei allen ungezogenen Kreisen mit mir als Mittelpunkt. Trent setzte sich auf, und sein Kopf reichte mir bis an die Schulter. »Bleib unten!«, zischte ich, und wir zuckten beide zusammen, als zwei weitere Platscher meinen Schutzkreis trafen. Die Magie in den Kugeln erzeugte kleine, farbige Kuhlen in meiner schwarz-goldenen Aura. Jenseits davon, ein gutes Stück entfernt, verteilten sich die Pixies über den Friedhof, und ich verfluchte mich für meine Dummheit. Ich hatte Jenks befohlen, seine Kinder zu sammeln, und hatte damit unsere erste Verteidigungslinie ausgeschaltet.

»Jenks!«, schrie ich, als ich aufstand. Mein Schutzkreis war nur Zentimeter von meinem Kopf entfernt. Ich schnappte mir meinen Bademantel und rammte meine Arme in die Ärmel.

Jenks war verschwunden, aber seine goldene Spur glitzerte noch und zeigte an, dass er direkt nach oben geschossen war, um die Situation abzuchecken. Ein schrilles Pixiezirpen lenkte meine Aufmerksamkeit auf das Eingangstor. Ich entdeckte den Möchtegern-Mörder, und er duckte sich.

»Da!«, schrie ich, und weitere Pixies schossen in Richtung des Angreifers davon.

Stirnrunzelnd kochte ich vor mich hin, während ich meinen Bademantel verschnürte. »Schaff dich in die Kirche«, knurrte ich Trent an. »Und in einen Schutzkreis.«

»Rachel.«

Ich drehte mich wütend um und musterte seine zusammengepressten Lippen und zornentbrannten grünen Augen – er schaffte es doch tatsächlich, sauer darüber zu sein, dass ich ihn in Sicherheit gebracht hatte, während unser Angreifer floh. »Sie haben auf dich gezielt, nicht auf mich!«, sagte ich. »Schaff deinen Hintern in die Kirche.«

Ohne abzuwarten, ob er tat, was ich ihm sagte, lief ich auf das Tor zu. Ich keuchte kurz, als ich meinen Schutzkreis brach und die Energie wieder aufnahm. Meine nackten Füße waren auf den Schieferplatten fast lautlos, und ich biss die Zähne zusammen. Jetzt wäre meine Splat Gun nützlich gewesen, aber Al hatte sie vor zwei Monaten eingeschmolzen und keiner wollte mir einen Ersatz verkaufen.

Mit rasendem Herzen rammte ich das alte, raue Holz des Tores, und es knallte gegen die Büsche.

»Ms. Morgan, Vorsicht!«, kreischte ein Pixie, und ich sprang nach hinten, als ein Plopp erklang.

»Dreck!«, rief ich, als ich gegen den Zaun stolperte, während das Tor wieder ins Schloss knallte. Ich schaute kurz zurück und entdeckte einen weiteren nassen Fleck zwischen mir und dem leeren Liegestuhl. Wunder über Wunder – Trent hatte tatsächlich auf mich gehört und war nach drinnen verschwunden. Das leicht kitzelnde Gefühl in meinem Hinterkopf war vielleicht der Moment gewesen, in dem er einen Schutzkreis errichtet hatte. Oder vielleicht war es auch der Meuchelmörder gewesen, der eine Falle aktiviert hatte.

Ein dunkelhaariger Pixie landete mit in die Hüfte gestemmten Fäusten auf dem Zaun. »Jetzt läuft er weg, Ms. Morgan«, sagte Jumoke, und ich schenkte ihm ein kurzes, dankbares Lächeln.

Ich drückte wieder das Tor auf und rannte hindurch. Jumoke flog direkt über meinem Kopf, während uns eine Schar Pixies unter aufmunternden Schreien folgte. Der Mann, der auf mich geschossen hatte, rannte tatsächlich weg, und auf meinem Gesicht erschien ein bösartiges Grinsen.

Er war schnell. Ich war schneller. Ich rannte hinter der schmalen, dunklen Gestalt her, während sie auf die Straße zuhielt. Als wir den Bürgersteig erreichten, berührten meine Fingerspitzen das Hemd des Mannes, und mit klopfendem Herzen fiel ich auf ihn. Er konnte noch einmal überrascht aufschreien, während ich die Augen in Vorbereitung auf den Aufprall zusammenkniff.

Wir landeten mit einer Wucht, die mir kurz die Luft nahm. Ich kämpfte um einen besseren Halt, während mir die Sonnenbrille vom Kopf rutschte. »Zapf eine Linie an … und du wirst … vor nächster Woche … nicht aufwachen!« Ich keuchte und kämpfte um Luft. Oh Gott. Mein Ellbogen tat schrecklich weh, aber er hatte den größten Teil des Sturzes abbekommen. Ungelenk rammte ich mein Knie in seinen Lendenbereich und legte ihm den eigenen Arm um den Hals, um ihm das Handgelenk zu brechen, sollte er sich bewegen. Überall waren Pixies und sprachen so schnell, dass ich sie nicht verstehen konnte. Aber ich hörte die Worte »Eindringling« und »Papa«. Wo genau war Jenks eigentlich?

Der Mann bewegte sich nicht, und nach ein wenig energischer »Ermunterung« ließ er seine Splat Gun los. Die Pixies arbeiteten als Team zusammen, um sie aus seiner Reichweite zu ziehen. Sie sah aus wie meine, bis hin zur kirschroten Farbe. Und die blauen Splat Balls. Die waren schon fast mein Markenzeichen.

»Du versuchst, mir den Angriff auf Trent anzuhängen?«, rief ich, und er grunzte nur. »Was hast du da in den Bällen, Jack? Vielleicht sollten wir es zusammen rausfinden, so richtig persönlich?«

Schwer atmend versuchte der Mann mich anzusehen, und die Wut in seinen grünen Augen war überdeutlich. Grüne Augen, blonde Haare, schlaksiger Körperbau, sonnengebräunt: War er ein Elf? Ein elfischer Meuchelmörder? Allerdings kein besonders guter. Und wo zur Hölle war Jenks?

Das Geräusch von Schritten ließ mich hochsehen. Es gab einen zweiten Mann, und ich konnte nichts tun. Verdammt, er entkam!

»Seid ihr hinter Trent her oder hinter mir?«, schrie ich den Kerl unter mir an und schlug wutentbrannt seine Stirn gegen den Boden.

Ich konnte die Schmerzen in seinen Augen sehen. »Was interessiert es dich?«

Hä?

Hochfrequente Schreie ertönten, und Jenks’ Kinder zogen sich zurück, um ihrem Dad Platz zu machen. »Zwei!«, rief Jenks. Silbernes Funkeln rieselte von ihm herab und er ließ einen Zip-Strip aus meinem Küchenschrank auf den Rücken des Mannes fallen. »Trent ist in der Küche. Soll ich sie jagen?«

Sie? Ich legte den Zip-Strip um das Handgelenk des Mannes und zog ihn an. Sofort fühlte ich mich besser. »Jack« bewegte sich nicht, als sein möglicher Kontakt mit einer Kraftlinie unterbrochen wurde, was mir verriet, dass er gar keine hatte anzapfen wollen. Aber sicher war sicher. Die Entscheidung, was ich jetzt tun sollte, wurde mir abgenommen, als ich am Ende der Straße des Geräusch von Ivys Motorrad hörte. Jenks schoss mit einem zweiten Zip-Strip davon, während seine Kinder zurückblieben, um mir freundlich zu erläutern, was ich dem Mann unter mir antun sollte. Er bewegte sich, als Wespen in die Konversation einflossen, und ich riss an seinem Arm.

Ivys Motorrad wurde langsamer, als Jenks’ Staub über ihr herabrieselte, dann gab sie Gas, raste an mir vorbei und hielt direkt auf die Frau zu, die über die Rasenflächen vor den Häusern rannte. Ivy war mir gegenüber ein wenig bevormundender als Jenks und fuhr die Frau mit stiller Wut über den Haufen, wobei sie eines ihrer Beine einsetzte wie eine Turnierlanze. Ich zog eine Grimasse, als die Frau mit dem Gesicht im Gras bremste. Jenks’ Kinder ließen mich im Stich. Die Frau setzte sich langsam auf, die zu Fäusten geballten Hände vor dem Gesicht, als die hell funkelnden, eventuell tödlichen Punkte sie im Sonnenschein umringten.

»Kinder!« Jenks’ Stimme war schrill. »Wir haben das schon besprochen! Große werden nicht getötet! Wieso hört ihr nie auf mich, wie ihr auf eure Mom gehört habt?«

Es sah aus, als wäre es vorbei. »Steh auf«, sagte ich und atmete schwer, während ich meinen Griff ein wenig lockerte.

Der Mann wirbelte unter mir herum, während er gleichzeitig mit Bein und Faust zuschlug. Ich sprang auf die Beine und griff nach seinem Fuß. Er traf mich mit einem harten Schlag, aber ich hatte ihn. Entschlossene grüne Augen suchten meinen Blick, und als ich mich daran machte, ihm den Knöchel zu brechen, wollte er mir mit dem anderen Bein die Füße unter dem Körper wegtreten.

Ich keuchte auf, folgte der Bewegung und versuchte, meine Sinne zusammenzuhalten und halbwegs elegant auf den Bürgersteig zu fallen. Unter mir erklang ein ungesundes Knacken. Meine Sonnenbrille. Verdammt! Aber ich ließ los, und als ich wieder auf die Füße kam, war er bereits auf den Beinen und griff mich mit einem Messer an.

»Rachel, hör auf, mit ihm zu spielen«, rief Ivy laut, während ihr Motorrad langsam auf uns zurollte, wobei die Frau brav vor ihr herging, begleitet von einer Eskorte ausgelassener Pixies mit Schwertern.

»Er hat ein Messer!«, rief ich mit zusammengebissenen Zähnen, als ich seinen Schlag mit verschränkten Armen ablenkte, um dann unter seinem Arm hindurchzutauchen und ihm sein eigenes Messer gegen die Seite zu pressen. Und so blieb ich stehen, während ich die Klinge, die er immer noch in der Hand hielt, gegen ihn drückte, ohne ihn zu verletzen. Er bewegte sich nicht, weil er genau wusste, dass ich direkt auf seine Nieren zielte. Na toll, die Vorhänge am Haus gegenüber bewegten sich. Wir mussten nach drinnen, bevor sich jemand entschloss, die Inderland Security zu rufen. Das Letzte, was ich brauchen konnte, war die I.S.

»Du hast verloren, Jack!«, brüllte ich, während ich sein Handgelenk verdrehte, bis er das Messer losließ. Dann riss ich seinen Arm nach oben und presste ihn gegen eine nahe Straßenlaterne. »Wir haben Jill«, sagte ich, als er grunzte. »Wenn du dich nicht entspannst, kriegst du eins über den Schädel. Kapiert?«

Der Kerl nickte, aber ich ließ nicht locker. Ich spuckte eine Strähne aus dem Mund und erkannte, dass Ivy ihr Motorrad geparkt hatte und mit der Frau den Bürgersteig entlangkam. Die Meuchelmörderin hatte die Hände zu Fäusten geballt und hielt sie über dem Kopf erhoben. Jenks’ Kinder arbeiteten zusammen, um das Messer außer Reichweite zu ziehen. Wir hatten sie erwischt. Heilige Scheiße!

»Hi, Ivy«, sagte ich, als sie vor mir stehen blieb. »Hast du alles erledigt?«

Die leicht asiatisch aussehende Frau verzog beim Anblick meines Bademantels die Lippen und lächelte, als sie ihre Apothekentüte in die Luft hielt. Durch das dünne Plastik konnte man die deutlichen Umrisse einer zweiten Splat Gun und mehrerer Messer sehen. Sie hielt die Lippen geschlossen, um ihre kleinen, scharfen Reißzähne zu verstecken, aber sie hatte gute Laune.

»Sollen wir sie nach drinnen schaffen oder lieber verschnüren und für die Müllabfuhr liegen lassen?«, fragte sie, während ihre schwarzen Augen die trügerisch ruhige Straße entlangglitten. Ihre Pupillen waren trotz der Sonne voll erweitert, ein Beweis dafür, dass sie darum kämpfte, ihre Instinkte unter Kontrolle zu halten. Die Sonne würde helfen. Und auch der Wind, der jetzt die Gerüche von Schweiß und Angst verwehte.

»Drinnen«, keuchte ich. Ich war außer Atem, aber Ivy nicht. Sie war ein Meter achtzig durchtrainierte Muskeln in Jeans, Stiefeln und einem engen schwarzen T-Shirt. Es würde mehr brauchen, als einen fliehenden Mörder mit dem Motorrad zu stoppen, um sie zum Schwitzen zu bringen.

»Wirst du dich benehmen, Jack?«, fragte ich den Mann, den ich immer noch gegen den Laternenpfahl gepresst hielt. Als er nickte, verringerte ich den Druck. Er verzog das Gesicht, als Ivy ihn durchsuchte und danach ein weiteres Messer und zusätzliche Splat Balls in einer durchsichtigen, unzerbrechlichen Plastikröhre in die Tüte packte. Ich streckte die Hand nach den Splat Balls aus und lud das Magazin neu, schnell genug, dass Jack bewundernd die Augen aufriss.

Ich legte das Magazin wieder ein und die Waffe an. Sie lag gut in der Hand. »Das ist mein Haus«, sagte ich und deutete mit dem Kopf auf die Kirche. »Wenn ihr etwas tut, was mir nicht gefällt, werdet ihr das abbekommen, was sich im Magazin befindet, und das Gesetz steht dabei auf meiner Seite. Kapiert?«

Sie nickten nicht, aber sie stießen auch keine Drohungen aus.

»Bewegt euch«, sagte ich. Mit einer Folgsamkeit, die mir verriet, dass die Zauber wirklich scheußlich sein mussten, erklommen die zwei die Zementstufen und näherten sich der großen hölzernen Doppeltür. Langsam fing ich an, mich zu entspannen.

Ivy sah mit gerunzelter Stirn auf die Waffe. »Sie sieht aus wie deine«, meinte sie.

»Das ist dir auch aufgefallen?« Ich musterte die Angreifer und öffnete eine Seite der Tür. Jenks’ Kinder flogen zuerst in die Kirche – drei von ihnen trugen meine zerbrochene Sonnenbrille –, dann kamen die Bösewichte, dann wir. »Bist du okay?«, fragte ich Ivy.

Sie lächelte und zeigte mir dabei ihre Reißzähne. Sie würden klein bleiben, bis sie starb und zu einer wahren Untoten wurde, aber trotzdem überlief mich ein Schauder. Ivy war gut darin, ihre Instinkte unter Kontrolle zu halten, aber Kämpfe, Flucht oder Essen brachten das Schlimmste in ihr hervor, und das hier war alles drei gleichzeitig. »Kein Problem«, sagte sie, als wir ins dunkle Foyer eintauchten. Irgendwann mussten wir uns mal ein neues Licht anschaffen, aber der Altarraum hinter dem Foyer war hell erleuchtet, weil die Sonne durch die hohen Buntglasfenster fiel. Farbenfrohe Muster tanzten über die neue Wohnzimmereinrichtung, meinen unbenutzten Schreibtisch, Ivys Trainingsmatten und Kistens verbrannten Billardtisch. Ich hatte ihn immer noch nicht neu bespannen lassen. Meine nackten Füße quietschten auf den alten Eichendielen, und ich schubste Jack auf den kleinen Flur am Ende des Altarraums zu.

»Trent ist schon hier?«, fragte Ivy. Offensichtlich hatte sie ihn gerochen. »Er ist noch am Leben, richtig?«

Ich nickte und wischte mir den Dreck vom Gehweg von den Füßen. Guter Gott, ich hatte einen Meuchelmörder barfuß und im Bikini gefangen. Wenn davon Bilder im Internet auftauchten, wäre ich ziemlich sauer. »Als ich ihn zuletzt gesehen habe, schon. Ich habe ihm gesagt, er soll in die Küche verschwinden und warten.« Auftragskiller traten gewöhnlich in Dreiergruppen auf, aber diese hier waren elfisch. Ich kannte ihre Traditionen nicht.

»Er ist da«, sagte Jenks verächtlich, als er sich zu uns nach unten sinken ließ. »Ich glaube nicht, dass das echte Auftragskiller sind. Sie haben keine Ahnung von Kraftlinienmagie.«

»Man braucht nicht unbedingt Magie, um todbringend zu sein, Jenks. Gerade du solltest das wissen.«

Jenks schnaubte. »Ich glaube nicht, dass sie Magie wirken können. Sie stinken nach Elfen, aber sie haben so viel Mensch in sich, dass sie vielleicht nicht mal Magie haben.«

Ich zuckte mit den Achseln, weil ich mir das nach dem Gleichmut, mit dem Jenks’ Kinder auf die zwei Angreifer reagiert hatten, schon fast gedacht hatte. Der Mann vor uns warf einen Blick zurück, als wir in den dunklen Flur traten, und ich lächelte spöttisch. »Ganz nach hinten«, wies ich ihn an, als wir an den zwei Bädern und den Schlafzimmern vorbeigingen, bevor wir die riesige Küche erreichten. Ich räusperte mich warnend, als Jack und Jill sich etwas zuflüsterten, und sie hielten die Klappe.

Die Pixies sangen von Blut und Gänseblümchen, als wir die sonnendurchflutete Küche betraten, wo Trent sicher in einem selbst gezogenen Schutzkreis zwischen der unaufgeräumten Kücheninsel und der mit dreckigen Töpfen gefüllten Spüle stand. Das hell leuchtende Gold seines Schutzkreises war frei von Dämonenschmutz, und mir wurde unbehaglich. Er hatte gerade unter dem Schutz meiner Aura gestanden und hatte den Dreck gesehen, den ich angehäuft hatte. Dämonenschmutz. Hässlich. Schwarz. Dauerhaft – zumindest überwiegend.

Die Küche war ohne Frage mein liebster Raum in der gesamten Kirche, mit ihren ausgedehnten Stahlarbeitsplatten, den Leuchtstoffröhren an der Decke und der Kücheninsel, die den Großteil meiner Zauberausrüstung beherbergte, wahlweise in den Hängeregalen darüber oder in den Schränken darunter. Es gab zwei Herde, so dass ich nicht auf derselben Flamme kochen und zaubern musste. Der neue Kühlschrank von meiner Mom stand an einer Wand. Neben der schädelförmigen Keksdose darauf saß Bis und schlief. Der kleine Gargoyle hatte wahrscheinlich versucht, über den Sonnenaufgang hinaus wach zu bleiben, und hatte sich verschätzt. Er war bis Sonnenuntergang ausgeschaltet, egal, wie laut wir waren – und langsam wurde es laut. Pixies schossen durch das kleine Fenster über der Spüle in den Raum und wieder hinaus. Ivys Computer befand sich auf dem großen Holztisch, der an der Innenwand stand, aber trotzdem hatte ich das Gefühl, dass der Raum mir gehörte. Dass Trent allein hier drin gewesen war, störte mich irgendwie.

Jenks’ Kinder schossen überall herum, zu aufgeregt, um sich hinzusetzen, und langsam bekam ich davon Kopfweh. Auch Trent wirkte, als hätte er Schmerzen. »Schau, Ivy! Elf hinter Glas!«, sagte Jenks, und ich seufzte, während ich gleichzeitig ein kurzes Ziehen an meinem Bewusstsein fühlte und Trent seinen Schutzkreis fallen ließ.

Wie ein einziges Wesen stürzten sich Jenks’ Kinder auf Trent. Er versteifte sich, tat aber nicht mehr, als das Gesicht zu verziehen, als Jrixibell ihn fragte, ob sie ihm eine Gänseblümchenkette machen dürfte. Ja, Jack und Jill waren vielleicht Elfen, aber sie waren nicht reinblütig wie Trent. Die Pixies ignorierten sie fast vollkommen.

»Jenks …«, drängte ich. Mir platzte von dem Lärm fast der Kopf, und ich warf einen Blick zu Bis. Dass der katzengroße, grauhäutige Junge das alles verschlafen konnte, war ein Wunder, aber da saß er, seine ledrigen Flügel eng an den Rücken gelegt. Seine schwarz behaarten Ohren hingen nach unten, und er hatte sich den löwenartigen Schwanz im Schlaf eng um die krallenbewehrten Füße gelegt.

Jenks klapperte mit den Flügeln. »Okay, ihr alle!«, schrie er. »Jumoke, Jack, Jixy und Jhan, ihr könnt bleiben, wenn ihr leise seid! Der Rest: Raus in den Garten! Die geraden Zahlen räumen auf. Die Ungeraden bewachen die Grenzen. Nicht mal ein Schmetterling darf sie überqueren, ohne dass jemand davon weiß! Passt auf die Splat-Ball-Treffer auf. Haltet euch davon fern, bis wir sie mit Salzwasser behandeln können. Und niemand wirft Motten in die Pfützen, um rauszufinden, was dann passiert! Verstanden?«

In einer Welle aus Zustimmung und Enttäuschung verteilten sie sich. Die älteren Kinder, die Jenks aufgezählt hatte, zogen sich auf das Hängeregal zurück. Ich atmete erleichtert auf und stellte fest, dass ich die gleiche Haltung angenommen hatte wie Jenks: die nackten Füße weit auseinander und die Hände in die Hüften gestemmt. Ich ließ die Arme sinken. »Sitz«, sagte ich zu den Möchtegern-Mördern und zeigte auf den Boden neben dem Kühlschrank. Vorsichtig rutschten sie nach unten. Mit einem wohligen Strecken schob Ivy mit einem bestiefelten Fuß die Hefte von ihrem Stuhl. Sie landeten mit einem Knall auf dem Boden und rutschten in einer Lawine bis an die Wand. Trügerisch ruhig und entspannt schlenderte sie dann zurück zur Tür und löste in einer unterschwellig aggressiven Geste ihren Pferdeschwanz. Wenn die Mörder nicht durch die geschlossenen Fenster springen wollten, waren sie gefangen.

Mein Selbsterhaltungstrieb sorgte dafür, dass ich der Frau eine Küchenrolle zuwarf. Ihr Kinn blutete, und der Mann hatte auch blutige Kratzer auf der Stirn, wo ich seinen Kopf auf das Pflaster geschlagen hatte. Zumindest Ivy würde die Geste zu schätzen wissen. Das reißende Geräusch des Papiers schien laut. Jill faltete ein Stück, tupfte damit ihr Kinn ab und gab die Rolle an Jack weiter.

»Bewegt euch und ich werde mich wie ein Dämon auf euch stürzen«, sagte Ivy. »Tut mir den Gefallen.«

Jack und Jill wechselten einen kurzen Blick, dann schüttelten sie gleichzeitig den Kopf. Ich hielt ein Auge auf sie, als ich Ivys Tüte neben meiner zerbrochenen Sonnenbrille ausschüttete und fünf Messer und zwei Splat Guns auf der Arbeitsfläche aufreihte. Sie fügten sich schön in das Gesamtarrangement aus magnetischer Kreide und meinem Beschwörungsspiegel. Die Messer hatten ein fein gearbeitetes, aufwendiges Muster auf den Griffen. Was mir gar nicht gefiel, war der Fakt, dass eine der Schusswaffen aussah wie meine. Ich fragte mich, womit sie wohl geladen waren. Der erste Schuss war gegen Trent gerichtet gewesen, was mich über die Geschichte nachdenken ließ, dass Quen ihn nicht ohne mich aus Cincinnati weglassen wollte. Natürlich konnte er es geschafft haben, auf der Abschussliste von jemandem zu landen, aber diese zwei hier waren nicht gut genug, um ernst genommen zu werden. Und warum sollten die Elfen mich tot sehen wollen? Nein, ich hätte gewettet, dass sie es auf Trent abgesehen hatten.

»Haben sie dir gesagt, wer sie geschickt hat?«, fragte Trent, und instinktiv band ich meinen Bademantel wieder fester.

»Noch nicht.« Ich drehte mich mit einem Lächeln um. »Wer will anfangen?«

Niemand sagte etwas. Überraschung. Ich warf einen kurzen Blick zu Trent. Es war eine Situation, in der ich nicht gewinnen konnte. Wenn ich die Harte spielte, würde er mich für einen Rowdy halten. Wenn ich zu nett war, würde ich wie ein Schwächling wirken. Und mir war vollkommen schleierhaft, warum mich das überhaupt interessierte.

Jenks schwebte zu dem Mann hinab. »Wer hat dich geschickt?«, blaffte er, das Schwert auf das Auge des Kerls gerichtet.

Jack schwieg, und von Jenks’ Flügeln rieselte plötzlich ein unheimlicher schwarzer Staub. Abrupt schoss er nach vorne und wieder zurück. Der elfische Angreifer jaulte auf und fasste sich an den Kopf, an der Stelle, wo Jenks gerade noch gewesen war. Ich runzelte die Stirn, als ich sah, dass Jenks eine Haarsträhne in der Hand hielt. Mir gefiel das nicht. Jenks war gewöhnlich recht entspannt, eher daran interessiert, Pflanzensamen unter die Erde zu bringen als Leute, aber jemand war in sein Revier eingedrungen, und das brachte das Schlimmste in ihm zum Vorschein.

»Entspann dich, Jenks«, sagte Ivy, als sie vortrat und sanft Jills Gesicht berührte. »Bei Großen braucht man mehr Finesse.« Sie gab ein leises Geräusch von sich, als die Frau sich angstvoll zurücklehnte. Ich seufzte, als Ivy anfing, vampirisch zu werden.

Denk nach, Rachel, grübelte ich still. Reagier nicht nur, denk nach. »Leute«, sagte ich und war mir sehr bewusst, dass Trent alles beobachtete. »Wir müssen rausfinden, was hier los ist, ohne Spuren zu hinterlassen.«

»Ich werde kein Mal hinterlassen«, flüsterte Ivy, und Jill wurde bleich. »Zumindest nicht an einer Stelle, wo man es finden kann.«

»Sie könnten auch ein Test des Hexenzirkels sein«, sagte ich. Ivy zog ihre Finger zurück, die gerade das Kinn der Frau entlangfuhren, und richtete sich enttäuscht auf.

»Wir können sie doch nicht einfach laufen lassen«, sagte Ivy. »Selbst wenn der Angriff nichts Besonderes war.«

Ich verzog das Gesicht. »Vielleicht sollten wir die I.S. rufen?«

Jenks schnaubte abfällig, und aus dem Hängeregal erklang hochfrequentes Lachen. Ja, ja, schlechte Idee.

»Macht es euch was aus, wenn ich das ein wenig beschleunige? Ich habe eine Idee.«

Es war Trent, und wir drehten uns alle gleichzeitig zu ihm um.

»Du hast eine Idee?«, fragte Jenks sarkastisch und schwebte in seiner besten Peter-Pan-Pose vor ihm, die Hände in die Hüften gestemmt und sein rotes Kopftuch in den Gürtel gesteckt. »Der Tag, an dem du eine gute Idee hast, ist der Tag, an dem ich Fairyzehenmarmelade esse.«

»Er hat gesagt, er hat eine Idee. Er hat nicht behauptet, dass sie gut wäre«, spottete ich. Aber dann spürte ich das plötzliche Prickeln von Magie. Wie eine raue Decke kratzte wilde Elfenmagie über meine Aura, gleichzeitig irritierend und verführerisch. Sie zog an meinen Poren, als versuchte sie, meine Seele aus meinem Körper zu saugen.

»Hey!«, schrie ich, weil ich genau wusste, dass es Trent war. Elfen waren die einzige Spezies, die es wagte, wilde Magie zu verwenden. Selbst Dämonen mieden diese Kunst. Wilde Magie war furchtbar unberechenbar und furchtbar mächtig. Die zwei Elfen auf dem Boden konnten es nicht sein. Sie trugen Zip-Strips. »Trent, nein!« Ich hatte keine Ahnung, was er tat. Er klatschte mit einem befriedigten Glitzern in den Augen in die Hände.

»Volo te hoc facere!«, rief er, und der Nachhall erschütterte mich. Ich zuckte gleichzeitig zusammen und wollte mich ducken, als die Macht, die er aus der Linie gezogen hatte, plötzlich verschwand.

Ich wünsche, dass ihr das tut?, dachte ich und zog meinen Bademantel enger um mich. Ein Unterjochungszauber?

Dafür hielt ich es. Ich stand am Tisch und starrte Trent fassungslos an. Seine Ohren waren rot, und er hatte entschlossen die Zähne zusammengebissen. »Das war ein schwarzer Zauber«, flüsterte ich. Ich trat nach vorne und damit aus Ivys Reichweite. »Das war ein schwarzer Zauber!« , schrie ich. Er trat einen Schritt nach hinten und seine Augen richteten sich kurz auf Jack und Jill. Sie waren bewegungslos und ihre Münder standen offen, die Augen blickten unfokussiert und die Hände hingen schlaff herunter. Sie konnten zum Überleben nur noch die grundlegendsten Dinge tun, alles Weitere musste ihnen befohlen werden. »Du hast sie unterjocht, oder?«, rief ich und er senkte den Kopf. Als er ihn wieder hob, suchte er meinen Blick. Seine Augen waren trotzig und völlig ohne jede Reue.

»Was hat er mit ihnen gemacht?«, fragte Ivy und trat neben mich. Jenks war auch nicht gerade glücklich und schwebte über den zwei Elfen hin und her, während sie nur langsam blinzelten.

»Er hat sie unterjocht«, sagte ich und war mir vollkommen sicher, als Trent die Lippen verzog. »Und es ist ein schwarzer Zauber.« Verdammt nochmal, ich hatte nicht mal gewusst, dass er einen so anspruchsvollen Zauber beherrschte. Das änderte alles.

»Schwarz?«, jaulte Jenks und schoss in einer Wolke aus gelbem Staub nach oben.

»Los, fragt sie, wer sie geschickt hat«, sagte Trent und deutete steif auf die beiden. »Ich weiß es, aber du würdest es mir nicht glauben. Auf jeden Fall nicht rechtzeitig. Los. Der Zauber hält nicht lang.«

Titel der amerikanischen Originalausgabe PALE DEMON Deutsche Übersetzung von Vanessa Lamatsch

Deutsche Erstausgabe 08/2011 Redaktion: Charlotte Lungstrass

Copyright © 2011 by Kim Harrison Copyright © 2011 der deutschsprachigen Ausgabe by Wilhelm Heyne Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH

Umschlaggestaltung: Nele Schütz Design, München Satz: Leingärtner, Nabburg

eISBN 978-3-641-10471-9

www.heyne-magische-bestseller.de

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