Der Wandel - Kim Harrison - E-Book

Der Wandel E-Book

Kim Harrison

0,0
11,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Wir schreiben das Jahr 1966: Eine genmanipulierte Tomatensorte soll die Lösung für die Hungersnöte dieser Welt bringen. Niemand ahnt jedoch, dass diese Tomaten die Träger des T4-Angel-Virus sind, das die Menschen in rasender Geschwindigkeit dahinrafft. Immun sind einzig die magischen Völker: Hexen, Vampire, Werwölfe und Elfen – Der Wandel hat begonnen! Den beiden Wissenschaftlern Trisk und Kal ist klar, dass nur die magischen Wesen die Menschheit vor dem Aussterben bewahren können. Doch warum sollten diese ausgerechnet dem Volk helfen, das sie über Jahrhunderte hinweg brutal verfolgte?

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 851

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



DAS BUCH

Die junge, schöne Genetikerin Trisk Cormi hat es nicht leicht im Leben: In den 1960er-Jahren als Frau wissenschaftliche Anerkennung zu erhalten, ist nicht gerade selbstverständlich, und dann muss sie sich als Elfe auch noch vor den Menschen verstecken. Dass sie zu den Dunkelelfen gehört und von ihrem eigenen Volk als Wesen zweiter Klasse behandelt wird, kommt noch erschwerend hinzu. Als es Trisk schließlich gelingt, eine Tomatensorte zu züchten, die die Hungersnöte dieser Welt ein für alle Mal beseitigen soll, scheint der lang ersehnte Durchbruch zum Greifen nah. Wäre da nicht Trenton Lee Kalamack – intelligent, unverschämt gut aussehend und der wohl überheblichste Elf der Welt –, der Trisk leidenschaftlich gerne das Leben schwermacht. Dann kommt es zur Katastrophe: Trisks Tomatensorte wird mit einem tödlichen Virus gekreuzt, das sich rasend schnell über den ganzen Erdball verbreitet. Nur die Inderlander sind immun: Hexen, Vampire, Werwölfe und Elfen – der Wandel hat begonnen! Trisk setzt alles daran, die Seuche noch aufzuhalten – selbst, wenn das bedeutet, dass sie mit Kalamack zusammenarbeiten muss …

DIE AUTORIN

Kim Harrison, geboren im Mittleren Westen der USA, wurde schon des Öfteren als Hexe bezeichnet, ist aber – soweit sie sich erinnern kann – noch nie einem Vampir begegnet. Als einziges Mädchen in einer Großfamilie lernte sie rasch, ihre Barbies zur Selbstverteidigung einzusetzen. Sie spielt schlecht Billard und hat beim Würfeln meist Glück. Kim mag Actionfilme und Popcorn, hegt eine Vorliebe für Friedhöfe, Midnight Jazz und schwarze Kleidung und ist bei Neumond meist nicht auffindbar. Ihre Bestsellerserie um die Abenteuer der schönen und tollkühnen Hexe Rachel Morgan ist längst Kult.

Mehr Informationen unter: www.kimharrison.net

Eine ausführliche Übersicht der von Kim Harrison im Heyne Verlag erschienenen Bücher aus der Welt der Hollows finden Sie am Ende des Bandes.

KIM HARRISON

DER

WANDEL

EIN HOLLOWS-ROMAN

Deutsche Erstausgabe

WILHELM HEYNE VERLAG

MÜNCHEN

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.
Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.
Titel der amerikanischen Originalausgabe THE TURN Deutsche Übersetzung von Vanessa Lamatsch
Redaktion: Sabine Thiele Copyright © 2017 by Kim Harrison Copyright © 2017 der deutschsprachigen Ausgabe by Wilhelm Heyne Verlag, München, in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München Umschlaggestaltung: Nele Schütz Design, München, unter Verwendung von shutterstock/Tom Tom Satz: Leingärtner, Nabburg
ISBN: 978-3-641-21203-2V002
www.heyne.de

Für Tim

1

Trisk ließ langsam eine Hand über ihr Jackie-Kennedy-Kleid gleiten. Ihr gefiel nicht, dass es ihre Bewegungen einschränkte, auch wenn es ihre Kurven gut zur Geltung brachte. Ihre besten Waffen im Kampf um einen Arbeitgeber waren ihre Noten und Leistungen, doch das Aussehen folgte gleich an zweiter Stelle. Ihr langes dunkles Haar war mit einer Spange zurückgebunden. Ungewohntes Make-up betonte ihre kantigen Wangenknochen und das schmale Kinn in der Hoffnung, so professioneller zu wirken. Sie war besser gekleidet als die meisten hier im Präsentationssaal. Nicht, dass es eine Rolle spielen würde, dachte sie bitter.

Sie kniff nervös die Augen zusammen, während sie aufmerksam an ihrem Tisch saß, umgeben von ihren Leistungsnachweisen der letzten acht Jahre. Als sie zwei älteren Männern zulächelte, die gerade ihren Tisch passierten, fühlte sie sich plötzlich langweilig und nichtssagend. Beide hielten Klemmbretter in den Händen, als organisierten sie einen Einkauf. »Wie sieht es bei der Security aus?«, fragte einer der beiden. Trisks Gesicht begann zu brennen, als der andere seinen Blick über sie gleiten ließ, als wäre sie ein Pferd bei einer Auktion.

»Wir könnten noch jemanden brauchen. Aber wie gut kann sie schon sein? Sie sitzt bei den Genetikern.«

»Weil ich eine Genetikerin bin«, sagte Trisk laut, dann sanken ihre Schultern nach unten, als die beiden sie überrascht musterten, bevor sie einfach weitergingen.

Mit zusammengebissenen Zähnen sackte Trisk in ihrem Stuhl zusammen, bevor sie mit einem Stirnrunzeln den leeren Platz auf der anderen Tischseite musterte. Seit ihrem Abschluss waren vier Monate vergangen. Wie die Tradition es vorgab, hatte sich ihre Klasse zu einer dreitägigen Feier in der großen Halle der Universität versammelt, um sich zu verabschieden und zu entscheiden, wo sie ihre berufliche Laufbahn beginnen wollten. Wie bei einer umgedrehten Jobbörse kamen ehemalige Hochschulabsolventen aus den gesamten Vereinigten Staaten hierher, um die Neuen zu treffen, ihre Stärken abzuschätzen und in ihren Firmen Stellen für sie zu finden. Heute Abend würden sie und ihre Klassenkameraden getrennter Wege gehen. Manche würden nach Houston verschwinden, andere nach Portland oder Seattle – und die Besten nach Florida zum Kennedy Genetic Center, um bei der National Administration of Scientific Advancement zu arbeiten, der NASA.

Unverblümt ausgedrückt, war diese Präsentation eine Fleischbeschau. Doch nachdem es nur noch ein paar Hunderttausend ihres Volkes gab, versteckt zwischen den Millionen Menschen, war das einfach notwendig. Besonders jetzt. Ihre Population würde mit dieser Generation drastisch einbrechen, wenn es ihnen nicht gelang, den fortschreitenden genetischen Verfall zu stoppen, der von einem Krieg in grauer Vergangenheit verursacht worden war.

Die Besten ihres Volkes wurden Genetiker – oder Politiker, die dafür sorgten, dass die Regierung weiterhin gentechnische Forschung unterstützte. Ein paar, die sich auf Security spezialisiert hatten, verfolgten dieselben Ziele, wenn auch auf einer dunkleren, gefährlicheren Ebene.

Zumindest die meisten von ihnen, dachte Trisk. Ihr Blick huschte über das Banner mit der Aufschrift »Jahrgang 1963« zu dem eindrucksvollen Kristalllüster über ihrem Kopf. Der Kronleuchter summte vor Macht, da die Kristalle einen den gesamten Raum umfassenden Zauber beinhalteten, der alle Magie bis auf die harmlosesten Zauber unterband. Am anderen Ende des Saals spielte eine Jazzband eine schwungvolle Version von »When Your Lover Has Gone«, auch wenn niemand tanzte. Trisk sah die langen Tischreihen entlang und verzog höhnisch das Gesicht, als sie das hoffnungsvolle Lächeln und die höflichen Gespräche beobachtete, mit denen ihre Klassenkameraden versuchten, noch ein besseres Angebot an Land zu ziehen. Die letzte Stunde, in der man einen Vertrag registrieren lassen konnte, rückte näher. Innerlich fühlte sich Trisk wie tot.

Sie und ihr Vater hatten nur drei mögliche Arbeitgeber an ihrem Tisch empfangen, die alle mehr an ihrem Nebenfach Security interessiert gewesen waren als an ihrem Abschluss in Genetik. Ihre Doktorarbeit – die davon handelte, unbeschädigte DNA mithilfe von Viren in somatische Zellen einzubringen – hatte kaum Beachtung gefunden. Kal, der Bakterien einsetzte, um dasselbe zu erreichen, wurde von allen Seiten hofiert und umworben.

Trisks Aufmerksamkeit richtete sich auf Kal, der ihr direkt gegenübersaß. Ihre herausragenden Noten hatten ihr einen Platz direkt unter dem Kronleuchter gesichert – bei den Besten. Trisk stellte schlecht gelaunte Vermutungen darüber an, dass die Verwaltung diese Lücke in den Vorschriften bis nächstes Jahr sicherlich stopfen würde. Ihre dunklen Haare und Augen erregten zwischen all dem Blond im Raum ungewollte Aufmerksamkeit. Olympische Götter und Göttinnen, jeder Einzelne von ihnen – schlank und hell, leuchtend wie die Sonne und kalt wie der Mond. Auch wenn Trisk durch ihr dunkles Haar und die braunen Augen nicht zum Bürger zweiter Klasse wurde, sorgte ihre andersartige Erscheinung doch dafür, dass diese von Klassendenken bestimmte Gesellschaft eine festgelegte berufliche Karriere von ihr erwartete: Security. Sie war gut in diesem Bereich, aber im Labor war sie noch besser.

Kal dagegen war von Geburt an darauf vorbereitet worden, eine einflussreiche Position zu übernehmen. Mit einem Abschluss in Genetik im Hauptfach und Wirtschaft im Nebenfach hatte er Fähigkeiten, die ihn zu Recht begehrt machten. Sie hasste seine Selbstgefälligkeit. Sie hasste es, doppelt so hart für die Hälfte der Anerkennung arbeiten zu müssen. Und sie fand es vielsagend, dass er sich bei seinem Nachnamen rufen ließ, auch wenn er ihn von Kalamack zu Kal verkürzt hatte, um menschlicher zu klingen. In ihren Augen bedeutete das, dass er sich auf den Ruf seiner Familie verließ statt auf seinen eigenen Charakter.

Deprimiert sah sie auf ihr Kleid und die dämlichen Schuhe hinunter, die ihr die Frau im Laden aufgeschwatzt hatte. Sie hatte ein schwarzes Paar gewollt, damit es zu ihren Haaren und Augen passte – was sie inzwischen bereute. Damit sah sie aus wie die Angestellte einer Sicherheitsfirma, nicht wie eine Geschäftsfrau. Ein Pillbox-Hut ruhte auf dem Kleiderständer, der auf das Drängen ihres Vaters hin in ihrer Kabine aufgestellt worden war. Trisk musste dagegen ankämpfen, das alberne Ding herunterreißen und darauf herumstampfen zu wollen. Ich bin es leid, ständig zu kämpfen …

»An was denkst du gerade?«, fragte eine angenehme Männerstimme, und sofort verpuffte ihre schlechte Stimmung.

»Quen!«, rief sie, als sie aufstand. Er sah großartig aus in seinem Anzug, der so schwarz war wie ihr Kleid und nur von einer leuchtend roten Krawatte aufgelockert wurde. Seine Augen waren dunkelgrün, sein Haar hatte dasselbe Schwarz wie ihres, auch wenn seines in sanften Locken über seine Ohren fiel, während ihres absolut gerade war. Ihr wurde warm, als sein Blick anerkennend über sie glitt, und sie wünschte sich, seine Finger würden denselben Weg nehmen. Doch Trisk wusste, dass das nie geschehen würde. Sie waren beide so verdammt auf ihre Karrieren konzentriert … und wenn sie schwanger würde, wäre ihre vorbei.

»Wow. Ich hatte ganz vergessen, wie gut du aussehen kannst«, sagte sie mit einem breiten Lächeln, bevor sie ihn umarmte und sich Zeit ließ, um seinen Duft in sich aufzunehmen. Seine Schultern waren angenehm breit und muskulös von seinem täglichen Training. Sie vermisste Quen jetzt schon. Er roch wunderbar, wie geölter Stahl und verbrannter Bernstein. Das Letzte verriet, dass er in letzter Zeit gezaubert hatte, wahrscheinlich, um einem möglichen Arbeitgeber seine Fähigkeiten vorzuführen. »Du hast dich rasiert«, bemerkte sie, als sie ihre Finger über seine glatte Haut gleiten ließ. Doch dann wurden ihre Augen groß, als ihr klar wurde, dass er sich anders verhielt und ein ungewöhnlicher Stolz in seinen Augen leuchtete.

»Du hast eine Stellung angenommen«, sagte sie und packte seine Hände. »Wo?« Morgen früh würde er den Rest seines Lebens beginnen. Doch schließlich ging es bei diesem dreitägigen Treffen genau darum: einen Platz in der Welt zu finden.

»Du hast noch nie besser ausgesehen, Trisk«, antwortete er und wich ihrer Frage aus. Dann warf er einen Blick auf ihren Dokumentenkorb und die drei unbedeutenden Angebote darin, die sie aus Enttäuschung umgedreht hatte. »Wo ist dein Dad?«

»Er holt Kaffee«, sagte sie, obwohl ihr Vater in Wirklichkeit Werbung für sie machte. »Wer hat dich angestellt?«

Quen schüttelte den Kopf. Seine dünne Hand, schwielig von der Kampfkunst, die zur Security-Arbeit gehörte, fühlte sich rau an, als er ihr eine Strähne hinters Ohr schob, die ihrer Haarspange entkommen war. Sie hatten sich im Einführungskurs Selbstverteidigung kennengelernt. Er hatte wie erwartet einen Abschluss in Security angestrebt. Sie nicht. Frauen – selbst mit Haaren und Augen, die so dunkel waren wie ihre – durften nur passive Security-Aufgaben übernehmen. Nachdem sie mit Dämonenstudien die Mindestanforderungen erfüllt hatte, war sie in Wirtschaft absichtlich durchgefallen, um sich Richtung Wissenschaft zu orientieren. Sie hatte die Noten, um für die NASA am Kennedy Genetic Center zu arbeiten … aber sie hätte schon Glück, wenn sie überhaupt einen Job in Seattle bekam. Von der NASA konnte sie nur träumen.

Kals Lachen hallte laut durch den Saal. Quen drehte sich so, dass sie nicht beobachten musste, wie der Vertreter der NASA und Kals Eltern um ihn herumscharwenzelten. Es gab eine freie Stelle in dem Team, das vor nicht allzu langer Zeit das Insulin-Rätsel gelöst und damit nicht nur Elfenkinder für immer von Diabetes befreit hatte, sondern auch die Menschheit – das Volk, an dem das Medikament getestet worden war. Kals Eltern wirkten unglaublich stolz, als sie mit dem Mann plauderten. Die Kalamack-Familie befand sich im Niedergang, und sie hatten alles in ihren Sohn investiert, um eine Renaissance anzustoßen. Elitärer kleiner Sack.Wenn deine Familie nicht aus solchen Snobs bestehen würde, könntest du vielleicht Kinder zeugen.

Trisks Lippen zuckten. »Habe ich dir je erzählt, wie Kal bei mir abgeschrieben hat?«

»Jedes Mal, wenn du zu viel getrunken hast.« Quen versuchte, sie mit sich zu ziehen, doch sie brachte es einfach nicht über sich, ihren Platz zu verlassen, für den Fall, dass jemand sie aufsuchen sollte.

»Er muss immer gewinnen, um jeden Preis. Selbst bei einer Zauberprüfung. Weißt du, was das Schlimmste ist?«, fuhr sie fort, ohne sich einen Millimeter zu bewegen. Quen ließ die Hand sinken. »Er wusste, dass wir erwischt werden würden und ich dann des Betruges beschuldigt werden würde, denn die Göttin weiß, dass Kal zu klug und clever ist, um zu spicken.«

»Denkst du?« Quen grinste über ihre alte Wut. »Ehrlich, Trisk, du hättest deinen Abschluss in Security machen sollen. Vielleicht weiter Dämonenstudien belegen. Ich wette, du könntest einen Dämonennamen herausfinden, und dann würden sie dich unterrichten lassen. Hat das nicht deine Großmutter getan?«

Mit einem Nicken ließ sie sich auf ihren Stuhl fallen, ohne sich darum zu kümmern, dass ihre Beine nicht geschlossen waren, wie es sich gehörte. Ihre Großmutter hatte eine Menge Dinge getan, nicht alle davon im Licht. Genauso wie ihre Mutter. Mochten sie beide in Frieden ruhen. »Dämonenbeschwörung ist eine tote Kunst.«

Quen setzte sich auf den Rand des zweiten Stuhls. Er wirkte gleichzeitig ungelenk und attraktiv. »Bei Security geht es nicht nur um Knarren und Messer und Tarnkappentechnik. Es geht auch um Wissenschaft und Dämonen, Heimlichkeit und List. Darin bist du sehr gut.«

Ihr Blick huschte zu ihm. Ganz abgesehen davon, dass das Security-Business der einzige Ort ist, an dem jemand wie ich glänzen darf. »Ich will unserem gesamten Volk helfen, nicht nur einem oder zwei von uns.« Sie zögerte, wie vor den Kopf geschlagen von dem überkandidelten Schauspiel auf der anderen Seite des Gangs. »Mein Gott. Sein genetischer Code ist so voller Löcher, dass ich den menschlichen Kleber bis hier riechen kann.«

Quen zog den Kopf ein, um ein Lächeln zu verstecken. »Ich werde für die Kalamack-Familie arbeiten«, sagte er. Vollkommen schockiert spürte Trisk, wie ihr Gesicht bleich wurde.

»Was? Warum?«

»Ich habe meine Gründe«, antwortete er, ohne aufzusehen. »Es ging nicht ums Geld, auch wenn ich zugeben muss, dass es mehr ist, als ich normalerweise so früh hätte erwarten können.«

Sie konnte nicht atmen, als sie sich vorstellte, wie schrecklich es sein musste, für die Kalamack-Familie zu arbeiten. »Quen, das kannst du nicht machen. Kal ist ein vorurteilsbeladener Mistkerl, der auf dem Knie seines vorurteilsbeladenen Idiotenvaters gelernt hat. Du wirst niemals die Anerkennung bekommen, die du verdienst. Sie werden ihre Pferde besser behandeln als dich.«

Die plötzliche Wut in seinem Blick überraschte sie. »Glaubst du wirklich, das wüsste ich nicht?«

»Quen«, flehte sie und ergriff seine Hand.

»Mir ist Anerkennung nicht so wichtig wie dir«, sagte er, als er ihr seine Finger entzog. »Außerdem hat es Vorteile, unbeachtet und vergessen unter Respektspersonen zu verkehren.« Schließlich lächelte er. »Die Chancen, herumzuschleichen und Dinge herauszufinden, sind einfach unglaublich. Ich werde schon klarkommen.«

Aber ich nicht, dachte sie in dem festen Wissen, dass damit jede Chance vertan war, einen Job zu finden, der es möglich machte, die Freundschaft mit ihm anders als in Briefen weiterzuführen. Die Kalamacks lebten in Portland, und alle wirklich guten elfischen Labore befanden sich in Florida oder Texas.

Sie holte tief Luft und zögerte, als Quen aufstand, den Blick auf etwas hinter ihrer Schulter gerichtet. Sie drehte sich um und entdeckte Kal. Sein hämisches Grinsen machte offensichtlich, dass er wusste, dass sie Quens Neuigkeiten gehört hatte, und es ihr noch mal richtig reinreiben wollte. »Was willst du?«, fragte sie, als sie aufstand. Quen legte eine Hand auf ihre Schulter.

»Hallo, Felecia«, spottete Kal. Sie reagierte gereizt, weil sie ihren Taufnamen hasste. Deswegen ließ sie sich lieber bei ihrem zweiten Namen Eloytrisk rufen oder eben abgekürzt Trisk.

»Ich heiße Trisk«, fauchte sie, und Kal grinste.

»Felecia, der Floh. So haben wir dich genannt, nicht wahr?«, sagte er, als er nach dem untersten Vertrag in ihrem Korb griff.

Sie stieß ihn zurück, bevor er den Briefkopf sehen konnte. Ihr war kalt. »Bleib aus meinem Bereich raus. Du stinkst wie ein Mensch.«

Kals Wangen röteten sich in heftigem Kontrast zu seinem hellen, fast weißen Haar, als er sich wieder fing. Seine gesamte Kindheit über war er immer wieder im Krankenhaus gewesen. Seine Eltern hatten ein Vermögen dafür ausgegeben, seine DNA anzupassen, bis er aussah wie der Inbegriff eines gesunden Elfen – in der Hoffnung, dass sich dann ein gesundes Haus für ihn interessieren könnte. Er hatte den schlanken Körperbau eines Marathonläufers, war groß, ohne aus der Masse herauszuragen, und besaß natürlich grüne Augen. Aber keine Kinder bedeuteten keinen Status, und der Name Kalamack stand vor dem Aussterben. Trent war der Letzte in einer sehr langen Reihe, aber er war der Letzte.

»Lass es gut sein, Trisk«, sagte Quen warnend, doch sie schüttelte seine Hand ab. Sie hatte genug von Trent, und nach heute Abend würde er so oder so aus ihrem Leben verschwinden.

Kal richtete sich hoch auf, mutiger – oder vielleicht dümmer – ohne seine Eltern, nachdem die beiden den NASA-Vertreter auf einen Drink eingeladen hatten. »Ich sehe, dass Quen dir von seinem neuen Job erzählt hat«, sagte er, wobei er beiläufig seine perfekten Fingernägel musterte. »Wenn ich meinen Willen bekomme, wird er mich zur NASA begleiten. Ich werde jemanden brauchen, der mir mein Frühstück richtet und meine Wäsche aus der Reinigung holt. Ich hätte meinen Vater ja gebeten, dich anzuheuern, aber jeder weiß, dass Frauen nicht Auto fahren können.«

»Verschwinde«, wiederholte sie, die Hände zu Fäusten geballt. Verdammt, er hatte den NASA-Job bekommen. Ihm wurde alles auf einem Silbertablett serviert. Alles. Sie versteifte sich, als er näher trat und sie quasi herausforderte, ein weiteres Mal zu protestieren, als er die Verträge hochhob, um herauszufinden, von wem sie stammten.

»Ich habe ein Angebot von der NASA. Sie wollen, dass ich einen neuen Stamm Trägerbakterien entwickle, mit denen man die DNA eines Kindes schon im jungen Alter von drei Tagen durch einfache Inhalation reparieren kann. Du dagegen«, sagte er, legte den Kopf schräg und lachte leise über die Briefköpfe der kleinen Firmen, »wirst nicht näher an ein Labor herankommen als die Bibliothek, wo du Bücher für alte Knacker einsortierst, die nicht mal ein Punnett-Quadrat lesen können. Viel Spaß, Floh.«

Mit diesem selbstzufriedenen, ihr so verhassten Lächeln auf dem Gesicht drehte er sich um, um zu gehen.

Ihre Wut kochte über, und erneut schüttelte sie Quens warnende Hand ab. »Du bist ein Mitläufer, Kalamack«, sagte sie laut, und sofort verstummten alle Gespräche in der Umgebung. »Deine Theorie, Bakterien zu benutzen, um DNA-Stränge in einen neuen Wirt einzuschleusen, hat mehr Löcher als ein Sieb. Gut genug für eine Doktorarbeit, aber nicht zur Anwendung geeignet. Du kannst Bakterien nicht auf dieselbe Weise vom Evolvieren abhalten, wie es mit Viren möglich ist, und letztendlich wirst du die Leute töten, die du zu retten versuchst.«

Kal musterte sie von oben bis unten. »Ach? Eine zweitklassige Security-Maus glaubt, sie wüsste besser über meinen Job Bescheid als ich?«

»Lass uns gehen, Trisk«, warnte Quen, als sie zwei große Schritte in den Gang machte.

»Kal?«, meinte sie freundlich, um ihm, als er sich umdrehte, ihre Faust auf die Nase zu schlagen.

Kal schrie auf, als er umkippte und sich an seinem eigenen Tisch abfing. Er schlug die Hände vors Gesicht, doch sofort floss Blut zwischen den Fingern heraus, in hellem, erschreckendem Rot. »Du hast mich geschlagen!«, schrie er, als eine Handvoll aufgeregter Mädchen zu ihm eilte und in ihren kleinen Handtaschen nach spitzenbesetzten Taschentüchern suchte.

»Und wie ich dich geschlagen habe«, erwiderte Trisk, bevor sie den Schmerz aus ihren Fingern schüttelte. Ihm die Nase zu brechen hatte wehgetan, aber einen Zauber zu wirken wäre schlimmer gewesen. Außerdem hätte der Kronleuchter das verhindert.

»Du kleine canicula«, rief Kal, als er sich an den Mädchen vorbeidrängte. Er wischte sich das Blut aus dem Gesicht, dann stand er hoch aufgerichtet vor ihr. Seine feinen Haare begannen zu schweben, als er sein Bewusstsein durch die Schutzwände streckte, die den Raum umgaben, und eine Kraftlinie anzapfte.

Die Leute zogen sich zurück. Jemand schrie nach dem Sicherheitsdienst. Trisk riss die Augen auf und sah nach oben, als der riesige Kronleuchter über ihr sich warnend purpur verfärbte. Ein leiser Alarm erklang.

»Ich kann nicht glauben, dass du mich geschlagen hast!«, knurrte Kal. Trisk starrte ihn mit offenem Mund an, als er seine verschränkten Finger auseinanderzog, um den Blick auf einen Ball aus unkonzentrierter Energie freizugeben. Es war eine Menge Energie für eine Laborratte, was in Trisk die Frage aufwarf, ob er nebenbei noch zusätzlich ausgebildet worden war.

»Kal, nicht!«, schrie Quen, aber Kal verzog nur höhnisch das Gesicht.

»Dilatare«, sagte er und warf den streng genommen weißen, aber trotzdem gefährlichen Zauber auf sie.

Trisks Hände wurden heiß, als sie ein Stück unfokussierter Energie aus der nächstgelegenen Kraftlinie riss, um den Angriff abzuwehren.

Quen war schneller. Trisk zuckte zusammen, als der von seiner Aura gefärbte Kraftstoß Kals fliegenden Zauber traf und beide Energiekugeln nach oben und in den Kristalllüster katapultierte, wo sie in einem grünen Funkenregen zerplatzten. Dann zerbrach der riesige Kronleuchter mit einem Geräusch, das Trisk durch die Kraftlinie auch spüren konnte.

Leute schrien auf. Trisk sank in die Hocke und schlug die Arme über den Kopf, als zerbrochene Kristalle in einer seltsamen Mischung aus Lärm und Gefühlen auf sie herunterregneten. Mit einem dissonanten Akkord verstummte die Band.

Schreie hallten durch den Saal. Trisk richtete sich aus ihrer instinktiven Kauerhaltung auf. Die Macht, die sie aus der Linie gezogen hatte, leuchtete immer noch in ihren Händen, gold-grün gefärbt von ihrer Aura. Dann blieb ihr der Mund offen stehen, und Angst schob sich zwischen ihre Seele und ihre Vernunft. Der östliche Vertreter der Elfen-Enklave stand vor ihnen, mit in die Hüften gestemmten Händen und grimmiger Miene. Zerbrochene Kristalle knirschten unter seinen Lederschuhen. Mit einem Aufkeuchen stieß sie die Energie zurück in die Kraftlinie und gab sie frei.

»Was ist passiert?«, verlangte der Mann zu wissen. Es wurde still im Saal. Sie waren von Gesichtern umringt: ihre Klassenkameraden, deren Eltern, zukünftige Arbeitgeber. Trisk fühlte sich wieder wie in der dritten Klasse, daher schwieg sie. Kal starrte sie böse an. Sein Gesicht war blutverschmiert, und er drückte sich ein spitzenbesetztes Taschentuch an den Mund. Seine Nase war scheinbar gebrochen. Bei dem Gedanken, dass er sie wahrscheinlich wieder einrichten lassen müsste, huschte ein tief befriedigtes Lächeln über Trisks Gesicht.

»Ihr wisst, dass es so nah an der Stadt verboten ist, von den Kraftlinien Gebrauch zu machen«, sagte der kahle Mann. Nur eine Anstecknadel verkündete seinen Enklave-Status, doch irgendwie hob ihn sein Anzug unter den umgebenden Geschäftsanzügen und Cocktailkleidern heraus. »Deswegen haben wir diesen Ort verzaubert.« Sein Blick hob sich zu den letzten noch hängenden Kristallen. »Oder zumindest hatten wir das getan.«

»Es war ein Unfall, Sa’han«, sagte Kal, womit er den elfischen Ehrentitel verwendete, weil er offensichtlich den Namen des Mannes nicht kannte.

»Ein Unfall?«, wiederholte der Mann. »Ihr beide seid zu alt für so etwas. Was ist passiert?«

Trisk schwieg immer noch. Sie würden niemals glauben, dass nicht sie den saalweiten Zauber zerstört hatte. Sie war zu oft die Zielscheibe des Spottes gewesen, hatte zu oft die Schuld für irgendetwas auf sich genommen, weil sonst alles nur noch schlimmer gekommen wäre. Sie hatte einen schlechten Ruf, auch wenn sie ihn absolut nicht verdient hatte.

»Felecia?«, sagte der Mann. Sie zuckte zusammen und fragte sich, woher er ihren Namen kannte.

»Ich, ähm, habe ihn geschlagen, Sa’han«, gab sie zu. »Aber ich habe erst eine Kraftlinie angezapft, als er es schon getan hatte.«

»Und doch ist das Resultat dasselbe.« Voller Bedauern drehte sich der Mann zu Kal um. »Du hast dein Temperament immer noch nicht unter Kontrolle, hm, Trenton?«

»Sie hat kein Recht, hier zu sein, Sa’han«, meinte Kal hochmütig. »Es liegen nur drei Angebote auf ihrem Tisch. Dieses Zentrum ist für die Besten, nicht für den Abschaum.«

Trisk kniff die Augen zusammen, doch er sprach nur aus, was alle anderen dachten. Hinter ihr konnte sie fühlen, wie Quens Wut höherkochte. Aber es war zu spät. Sein Vertrag war bindend.

Doch der Mann reichte Kal nur einen Zauber, um sein Gesicht zu reinigen. »Und deine Zunge hält immer noch nicht mit deinem Hirn Rücksprache, bevor sie sich in Bewegung setzt«, sagte er, als Kal das Blut aus seiner Nase benutzte, um den Zauber zu aktivieren. Nach einem Aufwallen aura-gefärbter Magie blieb sein Gesicht sauber zurück. »Du glaubst, sie hat sich ihren Notendurchschnitt erschummelt?«, fragte der Mann. Kal wurde rot. »Dir fehlt jedes Können in der Kunst der Heimlichkeit und Manipulation. Deine Gefühle und Wünsche sind so klar zu erkennen wie bei einem Kind. Erlerne, was dir fehlt, oder du wirst immer nur einen Hauch deines eigentlichen Potenzials nutzen.«

Trisk fühlte, wie sie bleich wurde, als der Mann sich ihr zuwandte. Er durchschaute sie, und unter seinem Blick wirkten all ihre Hoffnungen wie die Wunschträume eines Kindes. »Und du musst herausfinden, wer du bist, bevor du noch mehr Schande über dein Haus bringst«, sagte er. Sein Tadel traf sie hart.

Ihre Brust schmerzte, und sie ließ den Kopf hängen. Irgendwo in der Nähe hörte sie die lauten Stimmen von Kals Eltern, die versuchten, sich ihren Weg durch den Kreis aus Leuten zu bahnen.

Der Vertreter der Enklave seufzte, dann sammelte er sich einen Moment. »Kal? Trisk? Nachdem keiner von euch bisher einen Vertrag unterschrieben hat, könnt ihr im Saal bleiben, aber ihr dürft euch nicht von euren Tischen entfernen. Quen, du hast einen Arbeitsvertrag. Geh und warte in deinem Zimmer.«

Trisk riss den Kopf hoch, plötzlich von Angst erfüllt. Quen würde die Hölle durchmachen, nachdem Kal ihn sicherlich für ihre Taten leiden ließe. »Quen, es tut mir leid«, stieß sie hervor.

Quens Ärger legte sich, und es gelang ihm, sie anzulächeln. »Mir auch«, sagte er. »Mach dir deswegen keine Sorgen«, fügte er hinzu und drückte ihre Schulter. Doch sie wünschte sich, er würde sie in den Arm nehmen und ihr versichern, dass sich nichts zwischen ihnen ändern würde. »Ich habe schon Schlimmeres durchgestanden. Ich bin stolz auf dich, Trisk. Du wirst dich wacker schlagen. Das weiß ich.«

Er entglitt ihr, und sie konnte nichts dagegen tun. »Quen …«

Er sah noch einmal zurück, dann verschwand er in der Menge aus farbenfrohen Kleidern. Die Band begann wieder zu spielen. Der Vertreter der Enklave verschwand ebenfalls, und langsam zerstreuten sich die Schaulustigen.

Trisk hob den Blick und entdeckte Kal neben seinen Eltern. Sein Vater versuchte gerade, Kals geschwollene Nase zu reparieren, während seine Mutter sich bemühte, den NASA-Vertreter von den zersplitterten Überresten des Schutzzaubers abzulenken.

Niemand sonst bewegte sich über den Haufen aus Kristall. Trisk verzog das Gesicht, als die große Gestalt ihres Vaters hinter dem Chaos anhielt, kurz ihren Blick auffing und dann umdrehte, um sich einen anderen Weg zu suchen. »Die Göttin möge mich beschützen«, flüsterte sie, als sie einen verirrten Kristall zur Seite schob und sich auf ihren Stuhl sinken ließ. Das hier ließ sich nicht zum Positiven wenden.

»Trisk? Sag mir, dass nicht du das warst«, meinte ihr Vater, als er sich endlich seinen Weg zu ihrer Nische gebahnt hatte.

Selbstmitleid stieg in ihr auf, und sie blinzelte schnell, um nicht zu weinen. »Quen hat einen Vertrag bei den Kalamacks unterschrieben«, erklärte sie mit brechender Stimme.

Ihr Vater atmete scharf ein, dann stieß er die Luft mit einem vergebenden Brummen wieder aus. Plötzlich erschienen der zerstörte Kronleuchter und der Streit an der Kalamack-Nische in seinen Augen Sinn zu ergeben. »Es tut mir leid«, meinte er, als er ihr eine warme Hand auf die Schulter legte. »Ich bin mir sicher, er weiß, was er tut.«

Sein Verständnis sorgte nur dafür, dass sie sich noch schlechter fühlte. »Ich wünschte, er wüsste, was er mit mir tun soll.«

Ihr Vater ließ sich vor ihr auf ein Knie sinken und zog sie in eine Umarmung. Ihre Kehle wurde eng. Es war wieder wie damals mit zwölf, als er versucht hatte, ihr zu zeigen, dass nicht alles verloren war; dass etwas Gutes daraus entstehen konnte. »Hast du eine Wahl getroffen?«, fragte er sanft.

Sie wusste, dass er sich wünschte, sie würde eine Stellung annehmen und sich weiterentwickeln. Aber einen anderen Job zu akzeptieren als den, für den sie so hart gearbeitet hatte, fühlte sich für sie nach einem Versagen an. Sie schüttelte den Kopf.

Langsam löste er sich von ihr. Er stand auf und sah sie schweigend an, während eine besondere Reinigungsmannschaft begann, die Kristalle in große Kartons zu kehren, um sie an anderer Stelle zu dekontaminieren. »Ich werde uns einen Kaffee besorgen«, sagte er schließlich. »Kommst du einen Moment alleine klar?«

Sie nickte, wobei sie wusste, dass er es nicht auf Kaffee abgesehen hatte, sondern nach jemandem suchte, der ihm noch einen Gefallen schuldete. Zitternd atmete sie aus. Es gab keine weiteren Gefallen einzufordern. Er hatte bereits alles eingefordert, um Trisk überhaupt so weit zu bringen. Wahrscheinlich hätte man ihr die Frechheit verziehen, in einem männlichen Fachgebiet erfolgreich zu sein, wenn sie dem weiblichen Idealbild entsprochen hätte, weil ihre Bemühungen dann damit entschuldigt worden wären, dass sie einfach auf der Suche nach einem besseren Ehemann war. Doch nicht mal das konnte sie anführen.

Als sie aufsah, war ihr Vater verschwunden.

Wie betäubt saß sie auf ihrem Stuhl, als die Konferenz wieder ihren normalen Gang ging. Jeder sah sie an, doch niemand nahm Blickkontakt auf. »Das können Sie nicht tun«, hörte sie eine flehende Stimme. Sie beobachtete, wie der NASA-Vertreter davonging, während Kals Mutter ihm mit schnellen, kurzen Schritten und klappernden Absätzen folgte. Kal starrte Trisk mit Mordlust in den Augen an, zuckte dann aber zusammen, als sein Vater einen seiner Verträge packte und ihm an die Brust drückte.

»Unterschreib«, befahl der ältere Mann. »Bevor alle ihre Angebote zurückziehen.«

»Vater«, beschwerte sich Kal. Offensichtlich gefiel ihm nicht, dass Trisk alles beobachtete.

»Jetzt!«, zischte sein Vater. »Sa’han Ulbrine hatte recht. Du hast einen eklatanten Mangel an Kontrolle und Vernunft gezeigt wegen einer Frau, die du nach dem heutigen Abend nie wiedersehen wirst. Unterschreib.«

Mit steifen Bewegungen ergriff Kal den Stift und unterschrieb den Vertrag. Danach riss ihm sein Vater die Papiere förmlich aus der Hand. »Geh und warte in deinen Zimmern«, befahl der große Mann kühl, dann eilte er davon, um den Vertrag vor Mitternacht registrieren zu lassen, dem Ende der Gala.

Trisk konnte sich einfach nicht zurückhalten. Sie schnitt eine spöttische Grimasse in Kals Richtung.

Dieser verengte die Augen zu Schlitzen. »Du hast mich meinen Traumjob gekostet«, sagte er. Seine melodiöse Stimme war über die sie umgebenden Unterhaltungen klar zu verstehen.

»Du hast dich quasi überschlagen, mich zu verletzen«, antwortete sie kalt.

Er stand auf, um zu gehen, wobei er seine leere Nische musterte, als sähe er sie zum ersten Mal als die affektierte Zurschaustellung, die sie auch war. Schweigend ging er davon. Ihm folgte ein Rattenschwanz aus jungen Frauen, die er vollkommen ignorierte.

Trisk sackte müde in sich zusammen. Sie behielt Kal im Blick, solange sie konnte, dann war er verschwunden. Die letzte Stunde verging. In Dreier- und Vierergruppen verließen lächelnde Eltern und glückliche Absolventen den Saal – auf dem Weg zu Partys, die von ihren neuen Arbeitgebern ausgerichtet wurden, um danach in ein neues Leben aufzubrechen. Langsam wurde Trisk klar, dass sie allein war. Die Tische waren leer, die Familienbanner hingen unbeachtet zwischen verstreuten Tassen mit kaltem Kaffee und Tee. Und doch blieb sie sitzen, ihr Blick auf einen Kristall gerichtet, den die Reinigungsleute übersehen hatten.

Das Klicken einer sich schließenden Tür riss sie aus ihrer Erstarrung. Trisk bewegte sich, weil sie davon ausging, dass es ihr Vater war. Mit steifen Muskeln stand sie auf und ging los, um den vergessenen Kristall aufzuheben. Er lag kühl in ihrer Hand, glatt bis auf eine scharfe Kante. Sie spürte kein Kribbeln von Magie mehr darin – es war einfach ein leerer Kristall. Die Zeit, ihren Vertrag zu registrieren, war gekommen und vergangen. Es spielte keine Rolle. Sie hatte nicht vor, eines der Angebote anzunehmen. Einer sechsundzwanzigjährigen Frau im Jahr 1963 standen nicht viele Möglichkeiten offen, aber sie würde etwas finden. Sie konnte ihren Vater nicht bitten, sie weiterhin zu unterstützen.

Schuldgefühle trafen sie so heftig, dass sie sich fast krümmte. Er hatte sich so sehr bemüht, ihr zu geben, was sie wollte, und sie hatte ihn enttäuscht. Das Studium, die Anstrengungen, die Opfer – alles umsonst.

Ein Schlurfen ließ sie den Kopf heben, und sie schloss ihre Faust fest um die Scherbe. Ein Amtsträger im Anzug wanderte langsam zwischen den leeren Stühlen und verstreuten Papieren hindurch. Es war der Mann von der Enklave, der sie getadelt hatte. Trotzige Schuldgefühle erfüllten sie.

»Was für ein Chaos«, murmelte der Mann, als er näher kam. Trisk versteifte sich.

»Guten Abend, Sa’han«, sagte sie. Sie wollte gehen, doch jetzt, da er sie angesprochen hatte, war das unmöglich.

»Ich glaube, wir werden unsere Reinigungskaution verlieren«, sagte er, als er sich müde gegen Kals Tisch lehnte, den andere zusammenlegen und wegräumen würden. »Aber das passiert fast jedes Mal.«

Sie antwortete nicht, sondern wartete darauf, dass er sie entließ. Doch er lehnte sich nur weiter zurück und schwankte unsicher, um eine Kopie von Kals Zeugnis hervorzuziehen. Seine buschigen Augenbrauen hoben sich, als er das Papier las. »Ich wusste nicht, dass dein Notendurchschnitt besser war als seiner«, meinte er überrascht.

Sie zuckte mit den Achseln. Für sie war nur wichtig gewesen, sich einen Platz unter dem Kronleuchter zu verdienen.

Der Mann nickte langsam, als er mit seinem Finger Kals letzte acht Jahre nachzeichnete. »Meine Mutter hatte dunkle Augen«, sagte er leise. »Als ich mich bei meinem Vater beschwert habe, wieso sie sie nicht anpassen lässt, um auszusehen wie alle anderen, hat er mir erklärt, dass sie ihr dabei helfen, den Dreck zu durchschauen, in den die meisten von uns sich hüllen. Niemals in meinem Leben habe ich mich so geschämt.«

Er stieß sich vom Tisch ab, und Trisk wich verwirrt zurück.

»Ich habe gesehen, was passiert ist«, sagte er, als er näher trat. »Du hast deine Magie nicht eingesetzt, obwohl du bereit warst. Was hat er gesagt, bevor du ihn geschlagen hast?«

Trisks Wangen brannten. »Das war eine Fehleinschätzung, Sa’han. Dafür möchte ich mich entschuldigen.«

Der Mann lächelte. »Was hat er gesagt?«

Sie schob ihr Kinn vor. »Er hat mich eine zweitklassige Security-Maus genannt, Sa’han.«

Der Mann nickte, als würde ihn das kaum überraschen, dann griff er in die Innentasche seines Jacketts und gab ihr eine Visitenkarte mit dem Symbol der Enklave darauf. »Nachdem du keines deiner wunderbaren Angebote angenommen hast, möchte ich vorschlagen, dass du dich bei Global Genetics bewirbst.«

Trisk nahm die Karte und sah, dass sein Name und eine Telefonnummer darauf standen. Sa’han Ulbrine, dachte sie verwirrt. »In Sacramento?«, fragte sie. Global Genetics war ein von Menschen geführtes Labor, das Generationen hinter dem hinterherhinkte, was ihr Volk bereits konnte. Die Enklave warf sie raus. Ihr sank das Herz.

Doch Ulbrine legte einen Arm um ihre Schulter und drehte sie Richtung Tür. Er benahm sich, als wolle er ihr eine Chance geben, nicht sie ins Exil schicken. Sie verstand es einfach nicht. »Hin und wieder schafft ein Labor, mit dem wir nichts zu tun haben, einen Durchbruch, und wir wollen davon erfahren, bevor die Forschungsergebnisse veröffentlicht werden.«

Also wollten sie sie nicht ausstoßen, sondern nur in die Wüste schicken, um sie auf ihren Platz zu verweisen. »Sa’han …«, sagte sie und blieb stehen.

Er lächelte, als sie aufsah. Seine Erheiterung überraschte sie. »Deine herausragenden Noten und dein Hintergrund geben dir eine einzigartige Möglichkeit, das Labor zu unterwandern, indem du dich als menschliche Forscherin einschleichst. Die Enklave wird dir ein kleines Security-Gehalt zahlen«, erklärte er, als er ihr einen zusammengerollten Vertrag gab, der von einem purpurnen Band zusammengehalten wurde. »Und unter dieser Jobbeschreibung wirst du auch in den Unterlagen auftauchen. Aber zusätzlich bekommst du dein Gehalt von Global Genetics, sodass deine Einnahmen gut genug sein werden, dass du keinen Ehemann brauchst, um dich finanziell zu unterstützen.«

Sie starrte ihn wie betäubt an. Sie wäre frei, eine der wenigen selbstständigen Frauen in den Sechzigerjahren.

»Du wirst in einem Labor arbeiten«, sagte er, als er sich wieder in Bewegung setzte und sie mit sich zog. »Dort, wo du meiner Meinung nach sein solltest. Und gewöhnlich bekomme ich, was ich will. Du wirst für deine menschlichen Chefs arbeiten, aber deine Hauptaufgabe besteht darin, uns über alle ungewöhnlichen Entwicklungen zu informieren.« Er lachte leise, bevor er sich den kahlen Kopf rieb. »Manchmal haben auch Menschen Glück, und dann wollen wir davon erfahren.«

»Aber Sie haben gesagt, ich müsste herausfinden, wo ich hingehöre«, stammelte sie.

»Ich habe gesagt, du müsstest herausfinden, wer du bist. Du bist ein dunkler Elf, Felecia Eloytrisk Cambri. Und ich gebe dir die Chance, deinem Potenzial gerecht zu werden. Wirst du sie ergreifen?«

Ihr Herz raste, als ihr klar wurde, was er ihr anbot. Auf dem Papier bedeutete es eine harte Strafe, außerhalb eines elfischen Labors zu arbeiten – doch tatsächlich würde sie tun, was sie gerne tat, worin sie gut war, an einem Ort, an dem sie wirklich etwas bewirken konnte.

»Also?« Ulbrine zögerte vor der Saaltür. Sie konnte sehen, dass der Vertrag vor einer Stunde registriert worden war, was bedeutete, dass er legal und bindend war, selbst wenn sie ihn jetzt erst unterschrieb. Er eröffnete ihr eine neue Welt. Sie konnte sein, was sie immer gewollt, wonach sie immer gestrebt hatte. Quen hatte recht. Es spielte keine Rolle, was alle anderen dachten.

Mit zitternder Hand griff sie nach einem Stift. »Das werde ich.«

2

Trisk unterdrückte ein Gähnen, als sie selbstbewusst tiefer in die unterirdischen Labore von Global Genetics eindrang. Es war fast Mittag, und sie konnte fühlen, wie ihre Energie nachließ, auch wenn der menschliche Zeitplan sie dazu zwang, wach zu bleiben. Nach drei Jahren schlief sie zumindest nicht mehr beim Mittagessen ein – aber trotzdem fiel es ihr schwer, der Versuchung eines vierstündigen Nickerchens zu widerstehen, wenn die Sonne hoch am Himmel stand. Elfen waren zu Sonnenaufgang und Sonnenuntergang am aktivsten, doch es war Ewigkeiten her, seitdem sie sich den Luxus zugestanden hatte, um Mittag und Mitternacht herum zu schlafen.

Ihre schicken Ballerinas glitten gespenstisch leise über den polierten Boden. Der leichte Duft von Desinfektionsmittel stieg ihr mit tröstlicher Vertrautheit in die Nase. Nachdem sie heute Morgen ein paar hochgezogene Augenbrauen bemerkt hatte, hatte sie einen Laborkittel übergeworfen, um ihren kurzen leuchtend gelben Rock zu verstecken, doch die farblich passende Strumpfhose war immer noch zu sehen. Ihre Laborassistentin Angie fand ihr Outfit gut, aber es hatte sich als schwer herausgestellt, einen neuen Look gegen den Widerstand der spießigen alten Männer durchzusetzen, mit denen sie zusammenarbeitete.

»Hi, George«, sagte sie zu dem Mann, der neben der gläsernen Doppeltür saß. Er erhob sich von seinem Schreibtisch, um die Tür für sie zu öffnen. Es war überflüssig, ihren Ausweis zu zeigen, und sie zog ihn nicht einmal aus ihrem Kittel.

»Schönen Nachmittag, Dr. Cambri. Heben Sie mir ein Stück Kuchen auf?«

Sein Lächeln war ansteckend, und ihre Laune besserte sich. »Ein Stück mit einer Rose darauf. Geht klar«, sagte sie, als sie in den zugangsbeschränkten Bereich trat. Sofort ließen die trockenere Luft und das Ozon, das von den riesigen Computern unter ihren Füßen stammte, ihre langen Haare schweben. Ungeduldig bemühte sie sich, die Strähnen, die ihrer Haarspange entkommen waren, einzufangen. Wenn sie im von Elfen geführten NASA-Labor gearbeitet hätte, hätte der Computer, der dort nur den genetischen Code eines einzigen Organismus hätte verarbeiten müssen, in ein Zimmer gepasst. Hier, mit rein menschlicher Technik, nahm er ein gesamtes Stockwerk ein – zumindest bis jemand die Technologie durchsickern ließ und die Menschheit einen weiteren Entwicklungssprung nach vorne machte.

Trisk hörte die Chefsekretärin des Gebäudes, bevor sie sie sah, weil die schicken, schenkelhohen Vinylstiefel der Frau über den Boden klapperten. »Hi, Trisk«, sagte die fröhliche ältere Frau, als sie um die Ecke bog und in Sicht kam. »Holst du ihn jetzt?«

»In diesem Moment«, erwiderte Trisk. Barbara strahlte, als sie kurz Trisks Hand drückte.

»Wir verstecken uns! Ich werde sicherstellen, dass alle im Pausenraum sind«, sagte sie. Das Klappern ihrer Stiefel beschleunigte sich, als sie mit schnellen, zierlichen Schritten zur Security-Tür und den Aufzügen dahinter eilte. Ihr farbenfrohes Kleid war kurz, ihr Haar hoch aufgetürmt, doch in dem Terminkalender unter ihrem Arm waren die Zeitpläne von jedem Einzelnen im Labor verzeichnet. Diese selbst ernannte Mutter der Angestellten wusste mehr als jeder andere darüber, wie man dieses kleine Labor am Laufen hielt, auch wenn sie aussah wie ein alternder Star in einer Musiksendung. Was die Frage aufwarf: Wenn Barbara damit durchkam, die neueste Mode des Sommers anzuziehen, wieso durfte Trisk nicht dasselbe tun?

Weil Barbara nicht daran beteiligt ist, taktische biologische Waffen zu entwickeln, dachte Trisk, als sie an ihrem Labor vorbeiging. Sie war immer noch stolz auf die Namensplakette an der Tür. Das Büro davor war dunkel, doch sie konnte durch die Innenfenster auf die hell erleuchteten Testfelder blicken, die in der künstlichen Sonne grün-golden strahlten. Die Aktivitäten in ihrem Labor hatten sich merklich verringert, seitdem das Patent für die Angel-Tomate an Saladan Industries and Farms verkauft worden war, womit der langsame, Jahre dauernde Prozess begonnen hatte, die Daten, Samen und Vermehrungsanweisungen an Saladan Farms zu transferieren. Bis nächstes Jahr würde sie sich ein neues Projekt suchen müssen, doch im Moment wuchs noch sekundäres, neu angepasstes Saatgut auf den riesigen unterirdischen Testfeldern heran – zusammen mit so viel Tomaten, wie sie verschenken konnte.

Auf der anderen Seite des Gangs lag das Labor von Dr. Daniel Plank. Trisk zögerte am Fenster und winkte, um die Aufmerksamkeit von zwei Leuten zu erregen, die Level-Zwei-Schutzanzüge trugen. Die Anzüge waren massiv und sperrig im Vergleich zu denjenigen, in denen sie gelernt hatte, sodass sie es beim ersten Mal nicht geschafft hatte, den Reißverschluss zu schließen … und damit ziemlich dumm dagestanden hatte. Glücklicherweise brauchte sie keinen Anzug mehr bei ihrer täglichen Arbeit. Ihr Produkt war seit zwei Jahren auf dem Feld und entwickelte sich gut.

Beide Gestalten sahen auf, und der größere Mann winkte sie sofort ins vordere Büro. Sie wusste, dass es Daniel war, selbst wenn sie sein blondes Haar und die Brille mit dem Plastikgestell unter dem dicken Helm nicht sehen konnte. Er sah einem Elfen ähnlicher als jeder andere Mensch, den sie getroffen hatte, seitdem sie hier ins Nirgendwo gezogen war; und es störte sie, dass sie sich wie ein Junkie von seinem schlanken Körperbau und seinem hellen Haar angezogen fühlte.

Sie nickte einmal, dann tippte sie den vierstelligen Code in sein Türschloss und betrat das Büro. Jetzt waren sie nur noch durch ein Fenster getrennt. Lächelnd ging sie zu der Sprechanlage. Sie war mit seinem Büro genauso vertraut wie mit ihrem eigenen. »Hi, Daniel«, sagte sie und stellte sicher, dass er ihr nicht in den Ausschnitt schauen konnte, als sie sich zum Mikrofon beugte. »Wie lange brauchst du noch?«

Daniel wandte sich von seinem Testaufbau ab, seine Finger ungeschickt in den Handschuhen in Einheitsgröße. »Trisk? Was kann ich heute Morgen für dich tun?«

Trisk unterdrückte ein weiteres Gähnen, dann hob sie den Arm und tippte auf ihre Uhr. »Es ist Mittag. Oben wartet ein Teller mit Käsemakkaroni auf uns. Du hast es versprochen.«

»Mittag?« Daniel drehte sich zu seinem Assistenten um. »Larry, wieso hast du mir nicht gesagt, dass es schon so spät ist?«

»Tut mir leid, Doktor.« Larrys mürrische Stimme drang durch die Gegensprechanlage. »Ich dachte, Sie wollten das Mittagessen ausfallen lassen. Mal wieder.«

Trisk musste bei dem leicht anklagenden Ton in der Stimme des Mannes ein Lächeln unterdrücken. Daniel war dafür bekannt, dass er das Mittagessen vergaß und völlig in seiner Arbeit aufging. Sie nahm sich vor, auch Larry ein Stück Kuchen zur Seite zu stellen.

»Oh, Himmel …« Daniel drehte sich wieder zu Larry um, weil er ihn offensichtlich nicht allein weiterarbeiten lassen wollte. »Trisk, könntest du uns noch fünf Minuten geben?«

»Gehen Sie einfach«, meinte der Assistent resigniert. »Ich kann das alleine zu Ende bringen. Wahrscheinlich sogar schneller als mit Ihrer Hilfe.«

»Danke, Larry. Das weiß ich zu schätzen.«

Trisk wich zurück, als Daniel Larry noch ein paar letzte Anweisungen gab, um sich dann langsam und unbeholfen in den Dekontaminierungsraum zu begeben. Nachdem sie wusste, wie lange das Standardreinigungsprogramm dauerte, setzte Trisk sich an Daniels Computer und gab sein Passwort ein.

Ihre Finger huschten geschickt über die Tastatur, als sie den neuesten Code für die Proteinhülle um das taktische Virus aufrief, an dem er arbeitete. Wieder warf sie einen Blick zu Daniel, der mit abgenommenem Helm in das gleißende Dekontaminationslicht starrte und sich die Kopfhaut rieb, als stände er unter der Dusche. Sie richtete ihren Blick wieder auf den Bildschirm und verglich den Code mit dem, der handschriftlich auf dem Stück Papier notiert war, das sie aus der Tasche gezogen hatte.

Perfekt. Ihre letzte kleine Änderung an seiner Arbeit war übernommen worden. Jetzt sollte das taktische Virus, selbst wenn es angewandt wurde, absolut keinerlei Einfluss auf ihr Volk haben. Elfen wären unsichtbar für den Erreger, wie Geister.

Sie streckte ihr Bewusstsein und berührte die nächstgelegene Kraftlinie, nur um leicht zusammenzuzucken, als die Energie mit einem stotternden Gefühl in sie glitt. Die Linien an der Westküste waren wegen der ständigen winzigen Erdbeben in dieser Gegend gebrochen. Sowohl aufgrund der Bewegungen als auch wegen des glitschigen Gefühls, das die Kraftlinien hier vermittelten, lagen alle elfischen Labore östlich des Mississippi. Doch auch wenn ihr dieses unstete Gefühl immer noch Gänsehaut bereitete, war sie in den letzten Jahren viel besser darin geworden, die Kraftlinien zu nutzen.

Sie packte die Linie fester, die durch Sacramento floss, und kanalisierte sie durch ihren Körper, um damit die natürliche Energie ihres Körpers zu ergänzen. »Flagro«, flüsterte sie, um die kribbelnde Energie in ihre Hände zu leiten.

Das belastende Stück Papier mit seiner Ansammlung der Buchstaben A, G, T und C darauf ging in Flammen auf … verbrannte so schnell, dass nicht mal ihre Finger heiß wurden.

Mit einem erleichterten Seufzen wedelte sie mit der Hand, um das bisschen Rauch zu vertreiben. Es war vollbracht. Sa’han Ulbrine hatte recht damit gehabt, dass die menschlichen Genetiker im Auge behalten werden mussten. Sie hatte die Enklave schon vor achtzehn Monaten auf Daniels Forschung aufmerksam gemacht. Sa’han Ulbrine hatte sie zu Beginn angewiesen, das taktische Virus insgesamt zu sabotieren, selbst nachdem sie ihm erklärt hatte, dass es darauf angelegt war, krank zu machen, nicht zu töten. Sie hatte widersprochen und erklärt, dass in einer Welt, die sich auf die Entwicklung biologischer Waffen konzentrierte statt auf die Reise in den Weltraum, es das erste Mal war, dass jemand ein taktisches Virus entwickeln wollte statt eines tödlichen. Wenn das Virus Erfolg hatte, würden die anderen menschlichen Labore sich vielleicht ebenfalls dieser nicht tödlichen Forschungsrichtung zuwenden.

Zu ihrer Überraschung hatte das politische Gremium der Elfen tatsächlich auf sie gehört und ihren Plan akzeptiert, die äußere Proteinhülle von Daniels Virus so zu manipulieren, dass nicht nur Elfen, sondern alle übernatürlichen Spezies immun wurden. Dass ihre Forschungsergebnisse mit jedem von der Enklave geführten Labor in den Staaten geteilt wurden, war ein berauschendes Gefühl. Dass die Enklave ihr zutraute, die Modifikationen zu vollenden, bevor das Virus in den Praxistest ging, hatte ihr Sorgen bereitet. Jetzt, wo es vollbracht war, spürte sie eine gewisse Erleichterung.

Selbst Menschen würde das Virus wenig Schaden zufügen, sondern nur vierundzwanzig Stunden lang einen beängstigenden Hautausschlag, Müdigkeit und Fieber auslösen. Der Effekt beruhte auf einem Toxin. Ohne Wirt oder natürliche Träger starb der Erreger schnell wieder ab und war unfähig, sich außerhalb des Labors zu vermehren. Wenn die nahenden Praxistests gut verliefen, würde dieses Virus zur ersten in einer Linie von taktischen biologischen Waffen werden, die dafür geschaffen wurden, alles von einem Flugzeug bis zu einer von fremden Mächten gehaltenen Stadt lahmzulegen.

Und jetzt waren sie und ihr gesamtes Volk vollkommen immun dagegen.

Trisk wusste, dass sie immer noch strahlte, als sich die Tür zum Dekontaminationsraum zischend öffnete. »Tut mir leid«, sagte Daniel, immer noch damit beschäftigt, sein blondes Haar zu ordnen, als er strumpfsockig zu seinen Schuhen ging. »Du hättest früher anklopfen müssen.« Er sah auf seine schwere Uhr und zog die Augenbrauen hoch. »Ich hatte gar nicht gemerkt, dass es schon so spät ist.«

Trisk stieß sich von seinem Schreibtisch ab, wobei sie wegen ihrer Anpassungen ein kurzes Aufwallen von Schuldgefühlen unterdrücken musste. Von manchen Anpassungen wusste er, von anderen nicht. »Ich weiß doch, dass du in deiner Arbeit versinkst. Außerdem werden sie erst in einer halben Stunde anfangen, die Sachen wegzuräumen.«

»Schon, aber ich hasse es, wenn eine Haut auf dem Pudding ist.« Seufzend machte er ein paar Kniebeugen. Sein Pullover in Herbstfarben passte zu seiner braunen Hose. »Ich werde nächste Woche einen Praxistest anfordern«, sagte er, während er mit langen Fingern seine Schnürsenkel band. »Vielleicht in Kuba? Es wäre schön, wenn wir uns deswegen keine Sorgen mehr machen müssten.« Grinsend sah er zu ihr auf. »Du sollst ja nicht die Einzige mit einem Projekt sein, das Geld bringt.«

Sie erwiderte das Lächeln, froh, dass er glücklich war. »Ich glaube, es ist jetzt so weit«, meinte sie. »Es gab seit hundert Generationen keine signifikanten Mutationen mehr.«

»Nicht mehr, seitdem du mir geholfen hast, die redundante DNA zu entfernen.« Er richtete sich auf und griff nach seinem Jackett. Auch sie erhob sich. Der Duft von Daniels Aftershave erfüllte den Raum, als er in die Ärmel schlüpfte. Sie genoss den sauberen, an Holz erinnernden Geruch, als sie seine Krawatte zurechtrückte, ohne sich darum zu kümmern, dass der Anzug direkt den Fünfzigerjahren entsprungen schien.

»Trisk, ich kann dir gar nicht genug für deine Hilfe an der Hülle des Virus danken«, sagte er. »Mir ist nie die Idee gekommen, die Proteinhülle zu manipulieren, um die eigene Immunreaktion des Wirtes dazu zu benutzen, diese zusätzlichen Nebeneffekte zu erzeugen.«

»Das erhöht nur den Wert.« Sie wandte sich der Tür zu, unangenehm berührt wegen all der Dinge, die sie nicht mit ihm geteilt hatte. Die Menschheit lag wissenschaftlich so weit zurück … aber vielleicht lag das daran, dass die Elfen und alle anderen dafür sorgten. »Darüber habe ich meine Doktorarbeit geschrieben«, fuhr sie fort. Eigentlich wollte sie nicht darüber reden. »Wenn ich nicht darauf gekommen wäre, wäre es jemand anderem eingefallen.«

»Vielleicht. Aber du warst diejenige, die diese Technik entwickelt hat«, beharrte er. Nach einem letzten Blick auf Larry, der ebenfalls auf dem Weg in die Dekontaminationskammer war, folgte er Trisk in den Flur. »Das ist eine vollkommen neue Art, Viren zu betrachten.«

Schweigen breitete sich aus, als sie zu den Glastüren gingen. Diese Zurückhaltung war ungewöhnlich für den sonst so redseligen Mann, und seine Schritte waren deutlich zu hören. Mit einer Grimasse zwang Trisk sich dazu, ebenfalls lautere Schritte zu machen, weil sie nicht wollte, dass Daniel bemerkte, dass sie sich vollkommen geräuschlos bewegte. Hinter den breiten Glastüren las George in einer Zeitschrift, ohne sich bewusst zu sein, dass sie kamen.

»Wie wäre es mit einem Abendessen heute?«, fragte Daniel plötzlich und überraschte sie damit. »Nur du und ich.«

Trisks Schritte stockten für einen Moment, dann ging sie schneller, um ihre Reaktion zu verbergen. »Ähm …«, mauerte sie.

»Ach, komm schon«, bettelte er, schob seine Brille höher auf die Nase und öffnete die Tür für sie. »Ich habe Geburtstag. Lass mich den Abend nicht allein verbringen.«

»Dr. Plank, Sie müssen nur eine der Damen von oben fragen. Ich bin mir sicher, dass sie Ihnen nur zu gern Gesellschaft leisten würden«, stieß sie hervor. George lachte leise, ohne von seinem Heft aufzusehen.

»Liegt es an meinem Atem?«, fragte Daniel gut gelaunt. »Habe ich mal wieder vergessen, meinen Hosenstall zu schließen?«

Sie lachte nervös. »Nein!«

»Was ist es dann?« Seine Miene wurde ernst. Sie seufzte und wünschte sich, sie hätte in den letzten drei Jahren irgendetwas anders gemacht. Vielleicht hätte sie ihn ignorieren sollen. Doch sich mit ihm anzufreunden war ihr harmlos erschienen und hatte die Manipulationen an seinem Virus viel einfacher gemacht. »Trisk, ich kenne dich jetzt seit drei Jahren«, sagte er, als sie gemeinsam zu den großen silbernen Aufzügen gingen. »Soweit ich weiß, hast du keinen Freund. Du verbringst deine gesamte Zeit hier oder bei dir zu Hause. Meiner Meinung nach haben wir eine wunderbare Freundschaft. Mache ich irgendwas falsch?« Er kniff die Augen zusammen. »Habe ich etwas getan, was ich nicht hätte tun sollen?«

Sie drückte den Knopf am Aufzug, dann hob sie kurz den Blick und entdeckte, dass hinter der theatralischen Fassade echter Schmerz in seinen Augen lauerte.

»Es liegt nicht an dir«, meinte sie ungeschickt. »Sondern an mir.«

Mit einem Stöhnen trat er einen Schritt zurück.

»Wirklich«, beharrte sie, als die Lifttüren sich öffneten. Sie zögerte einen Moment und atmete tief durch, dann trat sie in den Aufzug. Daniel folgte ihr still. Die Türen schlossen sich. Sie starrte auf die nach oben zählende Anzeige und wünschte sich, der Lift würde schneller fahren. Eine Beziehung versprach mehr Probleme, als sie wert war, und sie würde damit nicht nur ihre Karriere in Gefahr bringen, sondern auch noch andere Fragen aufwerfen, mit denen sie sich noch nicht beschäftigen wollte.

»Trisk.« Sie zuckte zusammen, als Daniel ihre Hand ergriff. Dann stand er still vor ihr und suchte nach Worten. »Ich meine es ernst. Sag mir, woran es liegt, und ich werde mich ändern. Du bist eine clevere, intelligente Frau. Ich mag dich, und ich möchte mehr Zeit mit dir verbringen als zehn Minuten im Pausenraum oder fünf Minuten im Flur. Gib mir einen Abend. Nur ein jämmerliches Dinner bei Kerzenlicht bei Celeste’s. Wenn du dich nicht amüsierst, werde ich verschwinden und nicht mehr mit dir reden.«

»Daniel«, flehte sie. Nie hätte sie vermutet, dass sie einmal in diese Situation kommen würde. Sie hatte ihm nie vermittelt, dass sie mehr wollte als eine professionelle Freundschaft. »Das ist nicht das, was ich will.«

»Dann sag mir, was du willst«, meinte er. »Liegt es daran, dass du es ganz allein geschafft hast? Ich würde dir das nie wegnehmen, auch wenn Kinder nett wären … eines Tages.«

Ein Klingeln ertönte, und die silbernen Lifttüren glitten zur Seite. Erleichtert setzte Trisk sich in Bewegung. Sie fühlte Daniels Anspannung, als er neben ihr ging; seine Frustration, weil sie ihn hinhielt. Bei der Erwähnung von Kindern durchfuhr sie ein unerwarteter Schmerz. Er wollte Kinder, wahrscheinlich sogar viele. Und dasselbe galt für sie – irgendwann. Aber wie sollte sie ihm erklären, dass das nie funktionieren würde? Dass die Biologie ohne Hilfe nicht kooperieren würde? Und selbst dann würde ihr Vater ihn nie akzeptieren. Daniel zu heiraten hieße, dass die geringe Chance, ein gesundes Elfenkind auf die Welt zu bringen, sich in Luft auflösen würde – und damit auch jede Möglichkeit, etwas aus sich zu machen. Denn wenn das eigene Volk vor dem Aussterben stand, bedeuteten gesunde Kinder Macht und Status. Eine Stimme.

Als die Türen zur Cafeteria näher rückten, verlangsamte sie ihre Schritte. Daniel hielt vor ihr an. Trisk wusste nicht, was sie sagen würde, aber sie konnte nicht einfach diesen Raum betreten, während das Thema noch zwischen ihnen stand. Zitternd atmete sie durch. »Daniel …«

»Da seid ihr ja!«, rief Barbara, als die Tür zum Pausenraum aufschwang. Die Frau hüpfte heraus und übersah Daniels finsteren Blick vollkommen, als sie seinen Arm packte. »Wir brauchen dich in der Cafeteria«, sagte sie laut. »Jetzt sofort!«

»Wir?« Daniel kämpfte um sein Gleichgewicht, als sie ihn Richtung Tür zerrte. »Wer ist wir?«

Trisk bewegte sich nicht, als Barbara Daniel quasi durch die Tür schubste. Unglücklich verschränkte sie die Arme über der Brust, als der gesamte Raum »Überraschung!«, schrie und anfing, »Happy Birthday« zu singen. Sie schloss die Augen und ließ sich deprimiert gegen die Wand neben der Tür sinken. Sie hatte im Frühling Geburtstag, doch Elfen feierten diesen Tag nicht, weil es zu viele Erinnerungen an Babys heraufbeschwor, die nie erwachsen geworden waren.

Unfähig, den Raum voller glücklicher Leute zu betreten und sich zu verstellen, öffnete sie die Augen und stieß sich von der Wand ab.

Dann zuckte sie zusammen, als sie fast gegen einen Mann geprallt wäre, der direkt vor ihr stand. Sie hatte ihn nicht kommen hören. »Oh!«, rief sie. Ihr Blick huschte erst zu seinem angesteckten Ausweis, dann musterte sie seine große Gestalt. Er wirkte fast exotisch in seinem taillierten Anzug, der von der neuesten britischen Mode inspiriert war. Nur seine schmale leuchtend rote Krawatte war eine Verbeugung vor der amerikanischen Tradition. Dunkles, leicht gelocktes Haar fiel ihm provokant bis knapp auf die Schultern. Ihr Gesicht brannte, als sie sich der seltsamen Anziehungskraft bewusst wurde, die er auf sie ausübte. »Entschuldigen Sie«, sagte sie und verstummte unter seinem intensiven Blick. Seine Pupillen weiteten sich leicht, was seine dunklen Augen noch dunkler wirken ließ. Sie schienen direkt in ihr Innerstes zu blicken. Sie unterdrückte ein Zittern und war plötzlich hellwach, obwohl es Mittag war.

»Sie müssen Felecia sein«, sagte er. Seine samtige Stimme klang, als sollte er bei einem Jazzsender arbeiten, statt im Flur eines Forschungslabors zu stehen.

Der leise Geruch von Räucherwerk stieg ihr in die Nase. Mit einem kalten Schauder wurde ihr klar, dass sie nicht vor einem Menschen stand. Plötzlich wirkte seine Anziehungskraft … bedrohlich. Riechen nicht Hexen nach Räucherwerk? »Tut mir leid. Dürfen Sie sich hier aufhalten?«

Er lächelte, ohne Zähne zu zeigen, und streckte ihr seine Hand entgegen. »Ich bin Rick Rales. Der neue CEO.«

»Oh.« Behutsam zapfte sie eine Kraftlinie an und nahm ein gewisses Maß an Energie in den Körper auf, als sie seine Hand ergriff. Wenn er eine Hexe war, würde er es bemerken und sich selbst verraten. Nur Hexen und Elfen konnten Kraftlinien anzapfen und benutzen. »Alle nennen mich Trisk oder Dr. Cambri«, fügte sie hinzu und zog eilig ihre Hand zurück, als es ihr einfiel: Es waren nicht Hexen, die nach Räucherwerk rochen. Sondern Vampire.

Er war ein Vampir. Kein toter, nachdem die Sonne noch am Himmel stand, sondern ein lebender Vampir, geboren von ebensolchen Eltern, bevor sie starben und zu wahren Untoten wurden. Er besäße einen Teil der Stärke und des Charismas seiner untoten Verwandten, aber er trug keine ihrer Bürden. Wahrscheinlich tat er sich nur hin und wieder an Blut gütlich, während die wahren Untoten es brauchten, um zu überleben. Wahrscheinlich. Was will er hier?

»Ähm, schön, Sie kennenzulernen«, fügte sie hinzu, als Rick sich lächelnd an die Nase tippte, weil er offensichtlich bemerkt hatte, dass sie ihm auf die Schliche gekommen war. Sie hätte es gleich wissen müssen. Die Untoten züchteten ihre lebenden Verwandten wie Pferde, schufen ganze Familienzweige im Hinblick auf ihre Gefügigkeit, mentale Flexibilität und besonders Schönheit. Und Rick war atemberaubend gut aussehend. Nachdem er schon ungefähr Mitte dreißig sein musste, war er zu alt, um noch als Spielzeug zu dienen. Damit wäre er klug, skrupellos und sehr … subtil, nachdem er so lange unter der Aufmerksamkeit seines toten Meisters überlebt hatte.

Trisk hatte bisher nicht viel mit den Untoten zu tun gehabt. Tatsächlich war es – abgesehen von gewählten Volksvertretern und sehr alten Vampiren, die die Menschen-Inderlander-Beziehungen regelten – diese »Du gehst deinen und ich meinen Weg«-Mentalität, die den Frieden zwischen den Völkern aufrechterhielt. Allerdings wäre es ein Fehler gewesen, Angst zu zeigen. Soviel zumindest wusste sie.

»Ich, ähm, war mir gar nicht bewusst, dass wir einen neuen Chef bekommen würden«, fügte sie hinzu und warf einen Blick zu dem Raum, in dem gerade die Geburtstagsfeier stattfand. »Geht es Dr. Hartsford gut?«

»Absolut.« Ricks Lippen öffneten sich und gaben den Blick frei auf normal wirkende Zähne. Er trug Kappen über seinen leicht verlängerten Reißzähnen, auch wenn nichts die richtigen Reißzähne verbergen könnte, sobald er gestorben war. »Man könnte sagen, dass Sie mich eingeladen haben«, meinte er, wobei er amüsiert den Kopf schräg legte.

»Wirklich? In welcher Hinsicht?« Ihr Pulsschlag hatte sich beschleunigt, und ihr gefiel nicht, dass er das wahrscheinlich wusste.

Rick beugte sich vor. Sie erstarrte, als er flüsterte: »Ihr müsst eure Nase aus dem menschlichen Fortschritt heraushalten.«

Trisk wich zurück, angewidert davon, dass sie rot wurde. »Ich habe eine dürreresistente Tomate geschaffen.«

»Und das Virus Ihres Freundes?«, fragte er mit hochgezogenen Augenbrauen.

»Er ist nicht mein Freund«, sagte sie schnell. Sie wollte hier weg, doch diesem Mann den Rücken zuzuwenden war keine Option … und könnte ihn dazu bringen, ihr zu folgen.

Rick atmete tief durch. Sie fragte sich, ob er die Gefühle kostete, die noch lange in der Luft verweilten, nachdem die sie empfindenden Personen verschwunden waren. »Er wäre es aber gerne«, antwortete er mit einer Stimme, die weich war wie schwarze Seide. Trisk wurde schlecht, und sie wünschte sich, es gäbe eine Art Vampirhandbuch, in dem sie nachschlagen konnte. »Spielen Sie mit ihm. Ihnen bleiben noch hundert Jahre, um weitere Elfen zu zeugen.«