Craig's little Dawn - Justin C. Skylark - E-Book

Craig's little Dawn E-Book

Justin C. Skylark

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Beschreibung

Auf der Suche nach Unabhängigkeit stößt das Heimkind Nikolas auf den Stricher Craig. Trotz der Konfrontation mit Gewalt, Drogen, Freiern und Obdachlosigkeit entschließt sich Nikolas bei Craig zu bleiben. Zwischen den beiden entsteht eine zarte Beziehung, die sie bestärkt, gemeinsam das armselige Leben auf der Straße zu bewältigen. Doch schon nach kurzer Zeit werden sie von Craigs Vergangenheit eingeholt.  

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Seitenzahl: 414

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Justin C. Skylark

Craig’s little Dawn

Impressum

© dead soft verlag

http://www.deadsoft.de

© Justin C. Skylark

Cover: Irene Repp

http://www.daylinart.webnode.com/

Bildrechte:

© imagineilona – fotolia.com

© igor – fotolia.com

4. Auflage 2023

ISBN der Printversion 978-3-934442-07-8

ISBN Ebook 978-3-96089-801-6

Alle Rechte vorbehalten.

Inhalt:

„Ich bin Dawn,

meine größte Leidenschaft ist das Waschen – und mein Freund Craig – natürlich!

Es war Glück im Unglück, dass wir zueinanderfanden, doch unser gemeinsames Leben war ganz und gar nicht einfach.

Aber wir hielten aneinander, kämpften zusammen um unsere Existenz, unsere Liebe sowie gegen die Abhängigkeit und die Schmerzen, die uns stets begleiteten.“

I.

„Dir ist kalt, nicht wahr? Deine Lippen sind ja schon ganz blau.“

Ich nickte still.

„Vielleicht können wir uns heute Nacht ein Zimmer nehmen, was meinst du?“

Craigs Augen fingen an, zu leuchten.

„Ich weiß nicht“, sagte ich zögernd, während ich mein Regencape sorgfältiger über meine Schultern zog. Es goss wie aus Eimern. „Unser Geld wird kaum reichen“, fügte ich leise hinzu.

„Mach dir darüber keine Gedanken. Ich kümmere mich drum!“

Craig küsste mich sanft auf die Stirn und lächelte. Dann schloss er den Reißverschluss seiner Jacke und stahl sich aus dem Hauseingang.

Traurig sah ich ihm hinterher. Ich wusste, was er vorhatte, doch ich hielt ihn nicht davon ab. Ich schämte mich, denn ich wusste, dass er es nur für mich tun würde.

Nur, weil ich fror. Ich war ein Schwächling.

Wir nahmen uns das kleinste und billigste Zimmer. Somit blieb noch etwas Geld übrig. Craig verschwand sofort im Bad, um zu duschen, verständlicherweise!

Ich räumte den Rucksack aus. Sogar meine Zigaretten waren vom Regen durchgeweicht. Ich breitete sie sorgfältig auf der Heizung aus. Zum Wegwerfen waren sie zu schade.

Vielleicht könnte ich im Waschbecken noch Wäsche waschen? Wer weiß, wann wir das nächste Mal dazu kommen?

Und es war die letzte schneeweiße Unterhose, die ich aus dem Rucksack zog. Ich hasste diese Hosen, aber andere waren, wie fast alles, viel zu teuer für uns. Ich nahm eine Handvoll Unterwäsche und schmiss sie in das Waschbecken, fügte Seife hinzu. Frische Wäsche war immer vorteilhaft. Das fand Craig ebenfalls. Ja, ich war nicht nur ein Schwächling, sondern auch das Waschweib von uns beiden.

Unsere nasse Kleidung hängte ich sorgfältig auf die Bügel in den Schrank. Bis morgen musste alles getrocknet sein!

Ich betrachtete Craig unter der Dusche. Er hatte eine wundervolle Figur: Breite Schultern und schmale Hüften, dazu einen festen, straffen Waschbrettbauch. Seine Haut war glatt, fast unbehaart. Er war männlich und doch voller Jugend. Sein hübsches Gesicht sah etwas weiblich aus. Einige meinten, er sehe aus, wie Ville Valo, was Craig stets belächelte. Er kannte seine Reize und konnte damit umgehen, aber er nutzte sie nur aus, wenn er musste. Er war nicht arrogant, sondern zäh. Er wusste, was das Leben alles mit sich brachte. Er war hart im Nehmen und trotzdem warmherzig.

Er stellte die Dusche aus und trocknete sich ab. Ich konnte den Blick nicht von ihm wenden.

„War es schlimm?“, erkundigte ich mich mit heiserer Stimme. Er zögerte kurz, dann schüttelte er den Kopf.

„Nein, das Übliche halt“, antwortete er knapp, während er sich das Handtuch um die Hüften schlang.

„Tat es weh?“, fragte ich besorgt.

„Nein“, sagte er und lächelte süß. Und ich wusste, dass er log. Ich wusste es. Nie würde er zugeben, dass er darunter litt, wenn diese Typen sich an ihm vergriffen. Nie würde er zugeben, dass er Schmerzen ertragen musste. Ich hörte auf, zu fragen. Ich schämte mich gewaltig, weil er mehr Leid auf sich nahm als ich. Ich war nicht nur ein schwaches Waschweib, sondern auch feige.

Ich muss dagestanden haben, wie ein Häufchen Elend, da Craig plötzlich auf mich zukam und seine Arme um meine Hüften schlang.

„Was hat denn mein kleiner Dawn?“, fragte er und drückte mich an sich.

Er nannte mich immer so. Manchmal musste ich direkt überlegen, wie ich richtig hieß. Doch was war schon die Identität wert, bei dem Leben, das wir führten? Bisweilen fragte ich mich, wer Craig überhaupt war. Ich kannte ihn schon so lange, aber seine Herkunft, seine wahre Lebensgeschichte, die kannte ich kaum.

Dawn – wohl wegen meiner dunklen Augen. Ich grinste.

Wir redeten nicht weiter. Wir wussten, dass wir endlich ein paar Stunden nur für uns hatten. Dass wir ein paar Stunden allein sein konnten. Weg von der Straße, weg von Schmutz und Abschaum.

Craig küsste mich. Mit seinen, für unsere Verhältnisse, recht starken Armen, trug er mich in das Schlafzimmer und legte mich aufs Bett. Ich war kleiner als er. Viel zierlicher. Ich war erst fünfzehn, doch mein Körper schien vergessen zu haben, noch zu wachsen. Ich rauchte wie ein Schlot und trank des Öfteren zu viel. Meistens jedoch nur, um meinen Körper vor der Kälte zu schützen. Manchmal aus Kummer oder, um Schmerzen zu unterdrücken. Und mein Körper, mein Kapital, litt darunter. Es hatte aber auch Vorteile! Zarte Jungenkörper waren sehr gefragt.

Craigs Küsse waren zärtlich. Seine warmen Hände streichelten meine junge Haut. Er gab sich immer Mühe. Er wusste, was ich alles erlebt hatte, und gab mir das, was ich vermisste, was er vermisste. Wir gaben uns das, was wir beide ersehnten: Liebe und Geborgenheit.

Ich zog ihn gierig an mich heran. Es war schon so lange her, dass ich seinen ganzen Körper besitzen und streicheln konnte. Es war für uns blühender Luxus, in einem Bett zu schlafen. Umgeben von Decken und Kissen, Heizungsluft und leiser Radiomusik.

Wir vergaßen unser tristes Leben, den täglichen Kampf gegen den Hunger, die Kälte und den Scheiß Rest der Welt.

Ich genoss Craigs Liebkosungen in vollen Zügen. Er war der Einzige, der mich erregen konnte, der wusste, was mich anmachte. Klar konnte er auch ruppig sein, doch meistens war er wie ein zahmes Lamm, das mich verwöhnte.

Ich stöhnte auf, als er meine Männlichkeit mit seinem Mund umschloss. Ich fasste in sein weiches Haar, drückte leicht auf seinen Hinterkopf und bestimmte den Rhythmus. Gleichmäßig und ruhig. Ohne Gewalt und Schmerz. Seine Hände tasteten währenddessen nach meinen Hüften, nach meinen Beinen. Ich hatte schon wieder abgenommen, das merkte ich deutlich und hoffte, dass es Craig nicht sofort auffallen würde. Er wäre böse geworden.

Craig hob keuchend den Kopf. Er wollte mich, das erkannte ich an seinem Blick. Er war mehr als erregt. Sein Körper zitterte vor Verlangen. Ich signalisierte ihm, dass es in Ordnung war. Er nickte dankbar und drehte mich vorsichtig auf den Bauch. Er zog meinen Unterleib an sich heran und kniete sich hinter mich. Seine Zunge erforschte mein Hinterteil, während seine Hände sich fest an meine Beckenknochen krallten. Er befeuchtete meinen Eingang mit seinem Speichel. Mit den Fingern fuhr er sanft darüber hinweg.

„Soll ich es vorher noch etwas ….?“

„Nein!“, fiel ich ihm ins Wort. Ich wusste, was er meinte. Seine größte Angst war, dass er mir Schmerzen zufügen könnte. Schon vor längerer Zeit hatte er eine Gleitcreme besorgt, wahrscheinlich sogar gestohlen. Nur für mich! Er sorgte sich ständig um mich. Ich konnte ihm schwer klarmachen, dass ich dieses Mittel momentan nicht brauchte. Seine feuchten Küsse an meinen delikaten Stellen und seine aufrichtige Hingabe machten mich mehr als willig. Ich lag da und streckte ihm meine vom Speichel glänzende Öffnung entgegen. Ich wollte ihn.

Er küsste an meiner Wirbelsäule entlang, bis zu meinem Hals. Dann umfasste er meinen Oberkörper. Ich war wie gefangen in seinem Griff. Wir waren dicht aneinandergepresst. Er rutschte quasi in mich hinein und penetrierte mich sachte, ganz langsam. Ich versicherte ihm, dass ich wirklich keine Schmerzen hatte. Das war ihm sehr wichtig. Ich war so schmal gebaut und eng, wie nichts Gutes. Es tat höllisch weh, wenn ich nicht entspannt war, wenn ich es tun musste, gegen meinen Willen.

Seine Bewegungen wurden kräftiger, härter. Er füllte mich gänzlich aus. Ich stöhnte. Das tat ich aus Leidenschaft. Wenn Craig in mir war, dachte ich jedes Mal, den Verstand zu verlieren.

Ich legte den Kopf auf die Seite. Craig küsste über meine Wange, dann küsste er mein Haar. Er war ein leiser Liebhaber. Er atmete nur laut; zwischendurch seufzte er hingebungsvoll. Es klang fast melancholisch.

Ich merkte, wie seine Männlichkeit in mir anschwoll. Ich wusste immer, wenn er kam, und das war in diesem Moment. Er riss mich an sich, und es kam sogar ein leises Stöhnen aus seinem Mund. Er hielt mich fest, als sollte uns nichts trennen.

Ich wusste, dass er erschöpft war. Wir hatten noch nicht einmal etwas gegessen. Doch schon nach einer kurzen Verschnaufpause drehte er mich wieder auf den Rücken und griff mir zwischen die Beine. Ich war noch nicht gekommen, das spürte er. Oh, wir waren ein eingespieltes Paar. Wir konnten uns nichts vormachen. Mit seiner Hand brachte er mich zum Höhepunkt. Ich sah Sternchen dabei. Nun schien mein Kreislauf endgültig im Keller zu sein.

Wir sprachen nichts mehr an diesem Abend. Es war überflüssig. Wir waren froh, uns zu haben. Obwohl wir ein Doppelbett hatten, schmiegten wir uns dicht aneinander und schliefen schnell ein – mit Furcht vor dem nächsten Tag.

Der Duft nach frischem Kaffee weckte mich. Auf dem kleinen Tisch stand ein Tablett mit Frühstück. Verschlafen richtete ich mich auf. Craig war schon angezogen, saß am Tisch und sah mich an. Hastig sprang ich auf und griff nach einem Brötchen und biss hinein.

„Was ist das denn jetzt?“, rief Craig verblüfft und riss mir das Brötchen wieder aus der Hand.

Ich war noch nackt, zitterte vor Kälte.

„Wir leben zwar nicht so, wie es der Normalbürger tut, doch das ist kein Grund, sich auf ein niedriges Niveau zu begeben! ... Du frisst wie ein Schwein!“

Ich senkte den Kopf. Craig schnitt das Brötchen hektisch auf und bestrich es mit Butter und Honig. Ich liebte Honig.

„Komm iss!“, sagte er dann und drückte mich sanft auf den Stuhl. Fast schüchtern setzte ich mich und fing an zu essen. Ich hatte unglaublichen Hunger. Ich schlang! Craig hatte schon recht. Ich hatte keine Manieren mehr.

Er stand kurz auf und holte mein Hemd, welches er mir über die Schultern legte. Es war tatsächlich über Nacht getrocknet.

„Danke.“, sagte ich zögernd und biss wieder ins Brötchen. Dann leerte ich einen ganzen Becher Kaffee. Craig aß nicht viel. Stattdessen schob er mir noch eine Scheibe Brot entgegen.

„Iss!“

„Was ist mit dir?“, fragte ich zaghaft.

„Ich habe keinen Hunger. Außerdem brauch ich nicht viel essen, im Gegensatz zu dir! Du hast abgenommen.“

Er seufzte tief und schloss kurz die Augen. Wie er sich sorgte! Wie eine Mutter.

„Es regnet wieder. Wir müssen uns warm anziehen.“

Gegen Mittag verließen wir die Pension. Es regnete wirklich, doch nicht so stark wie am Tag davor. Wir hielten uns nie im Rotlichtviertel auf. Da waren die Profis, unerträgliche Zustände, zu häufig Razzia. Und die Freier, die dort hinkamen, waren mehr als Hardcore.

Das hieß aber nicht, dass wir ungefährlicher lebten. Wir wollten nur keinen direkten Kontakt zur Szene und nicht irgendwann in einem Bordell landen. Wir wollten auch nicht das große Geld machen. Wir wollten einfach überleben. Vielleicht abhängig von unseren Einnahmen, aber dennoch frei. Der Erste kam schon am Nachmittag und schien ein Geschäftsmann zu sein. Wir lehnten an einer überdachten Hauswand, und als er mit seinem dicken Porsche an uns vorbeifuhr, bremste er plötzlich und stieg aus.

Er musterte Craig. Mich würdigte er keines Blickes.

„Wie viel?“, fragte er forsch und verschlang Craig mit gierigen Augen.

„Hundertfünfzig!“, antwortete Craig. Ich schluckte. Das war der höchste Preis, den wir forderten. Kaum jemand zahlte diese Summe, doch mein Freund ging aufs Ganze und ließ es darauf ankommen.

„Okay!“, sagte der Mann und blickte Craig auffordernd an. Der nickte still, ohne eine Miene zu verziehen. Er sah sich noch einmal zu mir um und sagte: „Pass auf unsere Sachen auf!“

Ich verstand diesen Satz sofort. Er war unser Geheimcode, der mir signalisierte, dass ich in Craigs Nähe bleiben sollte. Für alle Fälle! Das machten wir immer so, wenn uns ein Kunde suspekt erschien. Und es war suspekt, dass dieser Mann so viel zahlen wollte, ohne vorher zu verhandeln. Ich sollte also nicht wirklich auf unseren kläglichen Hausstand aufpassen, sondern Craig und dem Mann folgen.

Sie überquerten die Straße und gingen in den Park. Ich schlich unbemerkt hinterher. Der Regen tropfte vom Himmel, doch das schien den Mann nicht zu stören. Er verschwand mit Craig hinter einem Baum. Büsche und Zweige nahmen mir die Sicht, aber ich blieb nah genug, um sofort hören zu können, wenn etwas nicht glattlaufen sollte.

Ich setzte mich auf eine Bank und wartete. Die beiden hätten es frei auf dem Rasen treiben können, es wäre niemandem aufgefallen. Kein Schwein war bei diesem Wetter im Park. Nach kurzer Zeit hörte ich ein Keuchen, was in lautes Stöhnen ausartete. Ich wollte mir die Ohren zuhalten, doch das durfte ich natürlich nicht. Ich musste wachsam bleiben und mir diese abartigen Laute anhören.

Craig hörte ich nicht. Ich wusste, dass er es still und gefasst über sich ergehen ließ. Es war trotzdem grausam für mich zu wissen, was er just in diesem Moment ertragen musste. Kurz darauf war nichts mehr zu hören. Der Mann trat hinter dem Baum hervor und verschwand eilig. Ebenso eilig rannte ich zu Craig, der zusammengekauert am Baumstamm lehnte.

„Alles klar?“, erkundigte ich mich aufgeregt. Craig nickte still und reichte mir ein paar Scheine. Wir teilten fast immer unsere Einnahmen. Früher hatte ich mich geweigert, weil Craig mehr anschaffte, als ich, doch mittlerweile akzeptierte ich diese Abmachung.

„Hat er wirklich so viel bezahlt?“, fragte ich erstaunt.

Craig nickte wieder und richtete sich auf. „…  nun weiß ich auch, wieso …“, sagte er.

„Oh, Craig, was hat er gemacht!?“, rief ich erschrocken.

„Nichts“, antwortete Craig und zuckte mit den Schultern. „Er wollte ohne Gummi.“

„Waas?“, schrie ich. „Das hast du doch nicht etwa getan?“

Craig grinste schäbig und schüttelte den Kopf.

„Du Dummchen, natürlich nicht …“

Ich atmete erleichtert auf.

„Aber dafür musste ich ihn küssen“, gestand Craig. Er drehte sich angewidert weg, schien sich vor mir zu schämen.

„Mein Gott, ich kotz gleich!“, äußerte ich mich fast ein wenig vorwurfsvoll. Die Vorstellung, einen fremden Mann küssen zu müssen, war für mich das Abartigste, was ich mir erdenken konnte. Craig tat es manchmal, wenn mehr Kohle dafür heraussprang. Er tat überhaupt so einiges.

Ich nahm die Flasche Wodka aus dem Rucksack und tat einen kräftigen Schluck, danach reichte ich sie zu Craig, der sich mit dem Zeug den Mund ausspülte. Das tat er immer nach „oralen Aktionen“, wie er es zu nennen pflegte.

Wir gingen mit dem Geld sofort zum nächsten Supermarkt. Ich kaufte mir Wein und Zigaretten. Ein paar Mark blieben übrig. Ich wusste, dass sie spätestens morgen weg sein würden, würde ich nicht noch etwas „dazuverdienen“. Craig besorgte sich Unmengen an Tabak und eine neue Flasche Wodka. Mir war klar, dass er den Rest des Geldes sparen und am Wochenende für Drogen ausgeben würde. Gegen Abend ließ der Regen endlich nach. Die Geschäfte liefen mau. Ich schüttete den Wein meine trockene Kehle hinunter, trank aus Langeweile und Frust. Zusammengekauert saß ich in einem dieser dreckigen, dunklen Hauseingänge, nahm fast gar nichts mehr wahr, als Craig an meine Schulter fasste.

„Dawn!“, hörte ich ihn rufen. „Alles klar?“

Ich nickte, ließ die Augen jedoch geschlossen.

„Dawn, da ist ein Kunde ... Dawn, bist du bereit?“

Sachte hob ich den Kopf. Verschwommen erblickte ich Craig, der mir erwartungsvoll ins Gesicht starrte. Im Hintergrund stand ein schmächtiger Mann, der sich unsicher umsah und im nächsten Moment gierig auf meinen reglosen Körper blickte.

Ich war wirklich regungslos. Der Wein hatte mich fast taub gemacht. Mir war schwindelig.

„Er ist etwas betrunken“, ertönte Craigs Stimme.

„Das macht nichts … echt nicht!“, erwiderte der Mann.

Ich wusste, dass das kein Stammkunde war, sondern ein ängstlicher, unsicherer Mann, der sich alle paar Monate das Vergnügen leistete und sich einen Jungen kaufte. Danach würde es ihm wochenlang schlecht gehen: vor Reue und Scham. Ich kannte diese Sorte von Männern. Es waren Feiglinge und dennoch die zuverlässigsten Kunden.

Ich versuchte, mich aufzurichten, doch meine Hände glitten an der Hauswand ab. Craig fasste mir hilfreich unter die Arme.

„Wird es wirklich gehen?“, fragte er leise nach.

„Klar!“, antwortete ich übereifrig. Dass meine Knie jedoch weich wie Gummi waren, bemerkte ich erst, als ich auf wackeligen Beinen stand. Um mich herum drehte sich alles, so voll war ich.

Craig hielt mich krampfhaft fest.

„Ich muss ihn begleiten, sonst wird das nichts“, sagte er zu dem Mann. „Wo willst du ihn haben? ... Hier im Hauseingang ist es schlecht!“

„Äh, ja … also“, stotterte der Mann. Oh, wie unsicher er war. Er tat mir fast leid. „Ich habe da drüben eine Garage ... Vielleicht im Auto?“

Craig stimmte zu. Der in Jeans gekleidete Mann lief vorweg über die Straße zu den Parkplätzen mit den vielen Privatgaragen. Wir folgten. Craig stützte mich. Er redete mir beruhigend zu, strich über mein Haar und lenkte meinen taumelnden Gang. Ich hielt die Augen geschlossen, sah nur noch Schwarz. Ich merkte, wie Craig mich in die Garage führte, das dort parkende Auto öffnete und meinen schmalen Körper auf die Rückbank legte. Er machte sich an meiner Hose zu schaffen, öffnete sie und zog sie bis zu den Füßen herunter. Mit einem festen Griff drehte er mich auf den Bauch, bereitete mich sozusagen für den Kunden vor. Ich ließ alles geschehen. Eine „Scheißegal-Stimmung“ durchströmte meinen Körper. Ich blieb so liegen, wie Craig mich zurechtgelegt hatte, und wartete ... noch nicht einmal gespannt oder ängstlich.

„Und wehe, du bist brutal!“, hörte ich Craig im Hintergrund fauchen. Mit diesem Kunden konnte er es tun, keine Frage!

„Nein, nein … Ich bin vorsichtig“, stammelte der Mann. Seine Stimme bebte schon vor Anspannung.

„Und mit Gummi!“, ermahnte ihn Craig.

„Oh, ich ... hab keins!“, schrie der Mann entsetzt auf.

Mir war klar, dass da kein Hindernis war. Craig hatte immer Kondome dabei; mehr als genug. Er würde dem fremden Mann eins in die Hand drücken. Wahrscheinlich eins von den teuren, extra feuchten. Meine Gedanken drifteten ab. Der Wein machte mich benommen, mein Schädel dröhnte. Vielleicht wäre ich eingeschlafen, oder bewusstlos geworden, hätte der Mann sich nicht sofort an mir zu schaffen gemacht. Ich spürte, wie er sich auf mich legte, tatsächlich ganz vorsichtig. Er war nicht sehr groß und nicht besonders schwer. Seine Last drückte mich nur leicht in die Polster der Rückbank. Ich war entspannt. Der Wein hatte mich lockergemacht. Ohne Probleme drang der Mann in mich ein. Es schmerzte nur wenig. Ich bewegte mich gar nicht, wäre auch nicht in der Lage gewesen. Der Mann stieß mich mit hektischen Stößen. Er schien lange darauf gewartet zu haben. Er kam schnell und mit lautem Gekeuche. Kurz ruhte er auf meinem schwachen Leib, dann hörte ich voller Erleichterung wieder Craigs Stimme. Mir wurde bewusst, dass er die ganze Zeit bei mir gewesen war, mich nicht aus den Augen gelassen und zugesehen hatte, wie sich der Fremde an mir vergriffen hatte.

„Fertig? … Ja?“, fragte er forsch.

„Ja ...“, erwiderte der Mann und ließ von mir ab. Ich spürte, wie zwei Hände nach mir fassten, mich auf den Rücken drehten und meine Hose schlossen. Es war Craig. Ich erkannte seinen Griff. Kein anderer ging so behutsam mit meinem Körper um, kein anderer hatte mich schon so oft an- und ausgezogen. Craig zog mich an meiner schmalen Taille aus dem Auto. Ich glaube, er nahm mich auf den Arm und trug mich weg ...

„Wie viel muss ich zahlen?“

„Hundert!“

„So viel?“, rief der Mann erschrocken. „So viel hab ich nicht mit!“

„Achtzig!“

„Der Junge hat sich gar nicht gerührt ... Da bin ich anderes gewohnt ... für weniger!“

„Ohne Gummi wär’ hier gar nichts gelaufen, ja!?“, schrie Craig.

„Ja.“

„Siebzig!“

Oh, ihre Stimmen hallten in meinem Brummschädel.

Ging es hier um Viehhandel?

A.

Es war im Oktober letzten Jahres gewesen, als ich weggelaufen bin. Ich hielt es im Heim nicht mehr aus. Dort hatte ich keine Möglichkeiten, keine Chance, mich frei zu entfalten. Ich wusste, dass die Jahre voller Einsamkeit und Sehnsucht meine Seele zermürbten, und musste raus. Ich wollte eigenständig sein, unabhängig, vielleicht auch allein.

Es dämmerte bereits, als ich die Großstadt erreichte. Ich suchte eine Schlafmöglichkeit, doch schon nach wenigen Nachfragen in diversen Hotels, wurde mir klar, dass ich ohne das passende Kleingeld nicht weit kommen würde.

Es war eisig kalt und ich beschloss, die Nacht durchzumachen und meinen Körper immer in Bewegung zu halten, damit ich nicht erfror. Am Morgen wollte ich mir dann einen Job suchen, vielleicht auch eine neue Wohn- und Schlafmöglichkeit.

Ich schlenderte durch dunkle Gassen. Nur einzelne Laternen erhellten den Weg. Ich war schwer mit mir selbst beschäftigt, tief in Gedanken, als mich dieser Hund ansprang. Er kam plötzlich aus einem Hauseingang gehüpft und kläffte mich an. Ich war so erschrocken, dass ich erstarrte. Ich hatte keine Angst vor Hunden, doch dieser Köter bellte wie eine Bestie. Es war ein Schäferhund, so ein Altdeutscher, mit langem, dichtem Fell.

„Nicky! Sei still, Nicky!“, brüllte dann eine Stimme, ebenfalls aus dem Hauseingang. Der Hund zog den Schwanz ein und verschwand im Dunklen. Daraufhin ertönte ein lautes Lachen. Ich trat einen Schritt vor und im gleichen Moment stolperte eine große, schlanke Person auf mich zu, ging vor mir auf den Boden. Es war ein Mann mit langen, blonden Haaren. Er bog sich vor Lachen, krümmte sich dabei. Dann drehte er sich um und grinste mich an. Das Laternenlicht fiel auf sein Gesicht. Sein Mund öffnete sich einen Spalt, und mit Ekel musste ich beobachten, wie eine weiße, flüssige Masse über seine Lippen quoll. Er schien unheimlich amüsiert darüber. Ich wusste, dass es kein Speichel war, der ihm aus dem Mund tropfte. Mir wurde übel. Der blonde Kerl fuhr sich mit dem Ärmel über die Lippen und richtete sich auf. Immer noch lachend stahl er sich davon. Mir kam es so vor, als würde er humpeln ...

Erleichtert lehnte ich mich an die Hauswand. Der Schreck saß mir tief in den Knochen. Und da kam der Hund wieder und schnüffelte an meinen Beinen. Ich blieb ruhig, der Köter auch.

„Hey, du!“, rief plötzlich jemand in der Dunkelheit. Ich war also doch noch nicht ganz allein. Im Hauseingang, aus dem der blonde Kerl gestolpert war, erkannte ich eine weitere Person. Sie trat hervor, sodass ich ihr Gesicht erkennen konnte. Es war von der Kälte verblasst. Die Lippen dazu waren etwas lila verfärbt. Ihre Haut schien wie aus Porzellan – weiß und glatt.

Die Person, ein Mann, fummelte an seiner Hose herum, während er mich anstarrte. Als er den Reißverschluss verschlossen hatte, trat er noch näher. Er war einen Kopf größer als ich. Hager und breitschultrig. Seine markanten Gesichtszüge strahlten eine gewisse Überlegenheit aus. Ich ahnte, dass er sich hier auskannte. Gegen ihn hätte ich nie eine Chance gehabt.

„Ich hab kein Geld!“, beteuerte ich und sah ängstlich zu ihm empor. Der Hund wuselte immer noch an meinen Füßen herum.

„Tss, glaubst du, ich würde einen Knirps, wie dich, überfallen?“ Er lachte, bückte sich zu dem Hund hinunter und streichelte dessen langes Fell. Dann sah er mich fragend an.

„Was machst du hier, mitten in der Nacht?“

„Nichts“, sagte ich schüchtern.

„Nichts, so, so. Gehörst du zum Babystrich?“, fragte er weiter. „Hab dich noch nie gesehen!“

„Zum Strich?“, wiederholte ich entsetzt. „Nein! Wie kommst du darauf?“

Ich lief rot an. Mir war es peinlich, dass er mich so etwas Perverses gefragt hatte. Er grinste.

„Mhm, bist ja richtig scheu“, stellte er fest, dann kam er noch ein Stückchen näher. „Woher kommst du?“

„Geht dich nichts an, oder?“, erwiderte ich störrisch. Da verdunkelte sich seine Miene.

„Hör mal! Dies ist meine Ecke, klar? Was auch immer du hier suchst, mir funkst du nicht dazwischen!“

Verängstigt trat ich einen Schritt zurück. „Ich mach doch gar nichts!“, schrie ich. Das fängt ja gut an, dachte ich, schon am ersten Abend so einen Stress!

Er musterte mich genau, wirkte nachdenklich. Meine Kleidung war um einiges sauberer als seine pechschwarzen Lumpen. Ich war mit dem Zug gefahren. Er hingegen schien sich die Nächte in Hauseingängen um die Ohren zu schlagen. Er war dreckig, unrasiert und roch nach Alkohol.

„Bist wohl noch nicht lange auf der Straße, wie?“, fragte er schließlich.

„Nein“, entgegnete ich. „Bin auch nur heute ohne Bleibe  ... Ab morgen gehe ich arbeiten.“

„Arbeiten? Hier?“ Er lächelte, schüttelte den Kopf.

„Was ist daran so witzig!?“, fauchte ich ihn an. Mittlerweile ging mir der Typ mächtig auf den Zeiger. Und ich fror wieder.

„Nichts!“, antwortete er. „Ich finde es gut, wenn Leute ... arbeiten ... Ja, doch!“

Er betonte diesen Satz so eigenartig, so ironisch. Es war merkwürdig. Der ganze Typ kam mir merkwürdig vor. Er drehte sich um und verschwand wieder im Hauseingang.

„Kannst hier pennen, wenn du Lust hast“, murmelte er und ich überlegte sofort. Er war mir zwar nicht geheuer, doch er schien Ahnung von dem Leben unter freien Himmel zu haben. Er würde Decken haben, vielleicht einen Schnaps zum Aufwärmen. Und er hatte einen Hund, der uns beschützen würde.

„Das wäre nicht schlecht“, sagte ich zähneknirschend und folgte ihm auf die Stufen, wo ich mich setzte. Es war dort wirklich angenehmer als auf offener Straße. Kerzen flackerten im Wind. Ich saß auf einer Decke, ja, er besaß sogar einen Schlafsack.

Freundschaftlich bot er mir eine Zigarette an. Dazu tranken wir irgendeinen billigen Fusel.

„Was war das für ein Kerl vorhin?“, fragte ich und dachte dabei an den lachenden Typen mit dem ... was weiß ich ... im Mund.

Mein neuer Bekannter schmunzelte. „Das war Rusty.“

„Aha“, machte ich. „Warum ist er weggelaufen?“

„Er kommt immer nur kurz … Er bläst mir einen und verschwindet wieder.“

Meine Hände fingen an, zu zittern. „Was macht er?“, fragte ich gehemmt.

„Na, er macht’s halt mit mir …“

„Wirklich?“, vergewisserte ich mich. Mir wurde ganz mulmig bei dem Gedanken daran. Wo war ich bloß gelandet?

„Das ist doch ... ekelhaft oder nicht?“

„Geil ist das ... Rusty macht das gut.“

Ich schluckte. Nun wurde mir erst richtig bewusst, was dieser Rusty in seinem Mund hatte. Ich schüttelte mich und das nicht nur vor Kälte.

„Wie heißt du eigentlich?“, fragte mich der Typ schließlich.

„Nikolas“, antwortete ich. „Und du?“

„Craig.“

II.

Ich erwachte mit einem Kater. Mein Kopf brummte, meine Augen waren schwer, und übel war mir ebenfalls. Ich kannte dieses Gefühl allzu gut. Mir ging es morgens oft mies. Doch ich konnte mir nicht erlauben, nur einen einzigen Tag durchzuhängen. Wenn ich auch körperlich nicht fähig war, einen Kunden zu bedienen, musste ich zumindest wachsam genug bleiben, um mitzubekommen, was Craig machte und aufzupassen, dass der Tag ohne negative Vorkommnisse verlief.

Ich erhob mich von der Parkbank; wusste gar nicht mehr, wie ich dort hingekommen war. Mein erster Blick fiel auf unseren Rucksack. Er diente mir als Kopfkissen. Es schien noch alles da zu sein. Dass uns jemand nachts überfiel, war unsere größte Sorge. Ein paar Meter entfernt erblickte ich Craig. Er stand still da und musterte mich. Eine Zigarette zierte seine Lippen. Als er sah, wie ich erwachte, umspielte ein Lächeln seinen weichen Mund.

„Na? Ausgeschlafen?“, fragte er amüsiert.

Ich rieb mir die Stirn und gähnte. „Craig, ich brauch eine Schmerztablette. Mein Kopf ...“

Er nickte, als hätte er es geahnt.

Er kramte in seiner Hosentasche. Meist hatte er eine ganze Apotheke in seiner grün-grauen Bundeswehrhose. Dann reichte er mir eine Tablette.

„Paracetamol?“, rief ich enttäuscht. „Das ist doch nicht dein Ernst?“

„Du kriegst nichts Stärkeres, Dawn!“, erwiderte er. „Jedenfalls nicht gleich nach dem Aufstehen.“

Ich verzog das Gesicht und schwieg. Ich wusste, dass ich mit Craig keine Diskussion anfangen durfte. Er wäre eh hart geblieben.

Warum ich mir nicht selbst Pillen besorgte? Das tat ich selten. Nur im Notfall. Doch meistens war ich zu feige und zu ungeschickt beim Dealen.

„Wir müssen aufbrechen“, sagte Craig und griff nach dem Rucksack. „Das wird sonst alles viel zu spät!“

„Was denn?“, fragte ich ahnungslos. Craig sah mich fast strafend an.

„Es ist Mittwoch, Dawn! Der Erste im Monat“, entgegnete er. „Wir müssen zu ... Jefferson!“

Oh, wenn ich den Namen schon hörte. Mir wurde noch schlechter!

Selbstverständlich hatte ich das Treffen mit Jefferson nicht vergessen, sondern hatte bloß insgeheim gehofft, dass wir es vielleicht einmal ausfallen lassen würden. Doch das konnten wir uns natürlich nicht erlauben.

„Aber nicht so früh, oder?“, fragte ich. Craig schüttelte den Kopf.

„Vorher ist Waschen angesagt!“

„Sicher, klar ...“ Ich erhob mich von der Bank und trottete langsam hinter ihm her.

Sehnsüchtig schielte ich zum Schwimmbecken. Meine oftmals noch kindlichen Gelüste konnte ich manchmal nicht unterdrücken.

„Ein paar Bahnen, Craig!? Die sind doch drin, oder?“

Er lächelte und nickte. Mühselig kratzte er seine Bartstoppel mit einem stumpfen Rasierer ab. Ich freute mich jedes Mal, wenn er sich rasierte. Danach war seine Gesichtshaut weich und glatt, und seine femininen Züge kamen gänzlich zur Geltung.

„Zehn Minuten“, sagte er, „… dann kommst du zum Duschen!“

Ich dankte ihm und verschwand durch die Tür, und schon wenige Minuten später glitt ich ins warme Wasser des Schwimmbeckens und kraulte ein paar Bahnen.

Unsere alltägliche Wäsche, soweit wir sie vollzogen, tätigten wir meist in den Bahnhofstoiletten. Wenn wir es uns leisten konnten, in der Pension. Und einmal pro Woche gingen wir hier in das Schwimmbad. Es war günstig. Wir konnten schwimmen, duschen, föhnen … und das alles für fünf Mark (der Preis für eine Schachtel Kippen, ja, so zählte ich inzwischen).

Als ich das Becken nach zehn Minuten verließ, stand Craig schon unter der Dusche. Er tat es immer lange und genüsslich. Ich war mir sicher, dass er früher ein großer Reinlichkeitsfanatiker gewesen war. Ich hielt meine Badehose krampfhaft fest. Vollgesogen mit Wasser, war das nasse Bekleidungsstück so schwer, dass es mir fast von den Hüften rutschte. Ich wurde immer dünner, da brauchte ich mir nichts vormachen.

Ich gesellte mich zu Craig unter die Dusche. In dem Moment war gerade kein anderer Badegast zugegen, sodass wir uns ungehemmt umarmten.

Unsere feuchten Körper pressten sich aneinander. Ich schmiegte meinen Kopf an seine Brust und seufzte tief. Meine Badehose glitt zu Boden. Craig hielt mich fest. Es war irgendwie kein erotischer Akt, sondern eher ein verzweifeltes Festhalten. Er sagte nichts, doch ich spürte seine Gedanken. Er machte mir Mut für den heutigen Tag. Ich wusste, es würde der Moment kommen, wo mir Craig wieder allein gehören würde ... Vielleicht in der Pension, an einem ruhigen, trockenen Platz im Gras ... Ich wusste es nicht. Ich wusste bloß, dass wir unsere Gefühle selten so ausleben konnten, wie wir wollten.

Wir waren fast nie ungestört oder an einem Platz, wo wir unsere Zärtlichkeiten genießen konnten. Das machte mich traurig.

Craig stellte abrupt das Wasser aus, als hätte er meine Gedanken erahnt.

„Schluss für heute, sonst vergesse ich mich noch“, sagte er und verließ die Duschkabine.

Würde man uns fickenderweise im Schwimmbad erwischen, hätten wir unsere billigen Reinigungsaktionen für alle Male vergessen können, das war mir klar!

Sauber und annehmbar gekleidet machten wir uns auf den Weg zu Jefferson. Er wohnte abseits des Stadtkerns, sodass wir einen ordentlichen Fußmarsch zurücklegen mussten. Craig gab nie Geld für Bus oder Bahn aus ... Schwarzfahren, das konnte er gut, doch das Risiko, erwischt zu werden, war uns in der Stadt viel zu groß.

Wir schlenderten stillschweigend nebeneinander her. Meinem Kopf ging es besser, aber die Übelkeit, wahrscheinlich vor Aufregung, war noch da.

Craig kramte wieder in seiner Hosentasche und zog irgendwelche Kapseln hervor, steckte diese kommentarlos in den Mund.

Meine Augen wurden sofort weit und gierig.

„Craig, gib mir auch was!“, flehte ich.

Er schüttelte verneinend den Kopf.

„Craig, bitte!“

„Das ist Valium! Das gebe ich dir bestimmt nicht“, erwiderte er.

„Eine ... eine Einzige ... bitte!“, bettelte ich. „Ich halte das sonst nicht aus bei diesem Schwein!“

„Das wird dich umhauen, bei deiner körperlichen Verfassung“, fluchte Craig.

Er verstand was von diesem Zeug. Er hatte schon viel genommen ... alles Mögliche ... und oft ... Doch ich wusste auch, dass seine Geldreserven erschöpft waren. Etwas anderes als Valium und Schmerztabletten würde er kaum mit sich tragen.

Ich klammerte mich an ihn, sah ihm flehend in die Augen. „Bitte!“

Er seufzte und brachte eine weitere Kapsel zum Vorschein.

„Wenn es dir nachher noch dreckiger geht, hast du selbst schuld“, sagte er mit Nachdruck.

Hektisch griff ich nach dem Valium und verschlang es wie ein Bonbon.

Ich muss zugeben, als wir bei Jefferson ankamen, fühlte ich mich wirklich nicht besonders gut. Mir war zwar nicht mehr übel, doch ich war unglaublich müde und kraftlos plötzlich. Aber das Valium hatte mir die Angst genommen, und das war die Hauptsache.

Craig drückte dreimal auf die Klingel. Das signalisierte Jefferson, dass wir da waren. Wir wurden jedoch nicht, wie normale Gäste, durch das vergitterte Tor hereingelassen, sondern mussten seitlich durch einen Geheimeingang gehen, den Garten durchqueren und durch die Terrassentür ins Haus eintreten. Der Hausangestellte empfing uns, nahm unsere Jacken entgegen. Wir mussten die dreckigen Schuhe ausziehen, damit wir nicht den teuren Teppich beschmutzten. Dann kam Jefferson!

Er grinste und musterte uns von Kopf bis Fuß. Er war Ende dreißig, fast genauso groß, wie Craig, aber viel muskulöser. Er hätte vielleicht ganz passabel ausgesehen, wenn er nicht diesen fiesen Blick gehabt hätte, diese grauen, hinterhältigen Augen. Man wusste nie, was er dachte. Man konnte ihn nie einschätzen. Oft machte er genau das Gegenteil von dem, was man erwartete. Das machte ihn für uns gefährlich.

Sein Gesicht war leicht vernarbt und solariumgebräunt. Er trug einen edlen Morgenmantel. In der Hand hielt er ein Glas mit einer braunen Flüssigkeit. Vielleicht Cognac? Er stellte es ab und kam auf uns zu.

„Ach, sieh an! Ist es wieder so weit? … Mein lieber Besuch ist da?“

„Du wusstest genau, dass wir heute kommen! Tu doch nicht so!“, fauchte Craig sofort los. Er war auf Jefferson wirklich nicht gut zu sprechen. Wenn die beiden aufeinandertrafen, knisterte es in der Luft. Die Spannung war nicht zu übersehen.

Jefferson erwiderte nichts, sondern grinste nur blöd. Ich hätte ihm zu gern in die Fresse geschlagen, doch mit Sicherheit hätte ich dann das Zehnfache an Schlägen einkassiert. Ich ließ den Kopf hängen und seufzte.

„Was ist denn mit unserem Dawn?“, fragte Jefferson dann und trat näher. Er griff mir an mein Kinn und musterte mich gründlich. „Er ist ja ganz eingeschüchtert heute.“

„Ihm ist schlecht! ... Eine Grippe“, erklärte Craig.

Jefferson fuhr herum, seine Augen blitzten.

„Lüg mich nicht an!“, schrie er ärgerlich. „Der Junge ist total dicht! ... Was hat er genommen!?“

Craig zuckte mit den Schultern und schwieg. Jefferson griff nach meinem Arm. Es hätte bestimmt wehgetan, doch mein Körper war wie betäubt. Ich hoffte insgeheim, dass dieser Zustand noch lange andauern würde.

Jefferson deutete auf die Treppe. Wir gingen ihm voraus in ein Schlafzimmer. Ich war mir sicher, dass es nicht sein persönliches Schlafgemach war, vielmehr ein Gästezimmer. Es beinhaltete ein Doppelbett, eine Sitzecke mit Sofa und Sesseln, eine weitere Tür führte in ein Badezimmer. Wir kamen immer hierher. Nur Craig hatte schon andere Räume dieses Hauses gesehen. Von seinen Erzählungen her wusste ich, dass sich Jefferson ziemlich nobel eingerichtet hatte. Seine Geschäfte liefen gut. Miese Geschäfte, sicherlich! Einmal im Monat fuhr seine Frau auf eine Art Beautyfarm. Er zahlte ihr diesen Luxus selbstverständlich. Vielleicht wusste sie auch, was ihr feiner Gatte dann hinter ihrem Rücken abzog. Wir kamen immer mittwochs, wenn sie verreist war.

Im Zimmer angekommen, blieb ich benommen im Raum stehen. Craig zog sich sofort aus, als sei es Routine. Für ihn war es wirklich nur ein Job. Die Valium hatte er nicht aus Angst eingeworfen, so wie ich, sondern um sich schmerzfrei zu machen. Ich bemerkte bei ihm jedoch kaum eine Veränderung. Sein Körper schien sich an die Tabletten mittlerweile gewöhnt zu haben, auch wenn es größere Mengen waren, die er schluckte.

Ich dagegen war wie in Trance versetzt. Schwebte irgendwie ein paar Zentimeter über dem Boden.

Jefferson zog seinen Bademantel aus und fixierte Craigs nackten, blassen Körper. Craig setzte sich auf das Bett. Jefferson stellte sich vor ihn. Craig musste seinen Schwanz lutschen, bis der sich hart aufrichtete. Ich fand es ekelhaft, so ekelhaft, doch konnte ich meinen Blick auch nicht von den beiden abwenden.

Craig tat mir leid, obwohl es Arbeit war, die wir taten. Arbeit! Ich musste mir das immer vor Augen halten, sonst wäre ich durchgedreht.

Jefferson kam in Craigs Mund. Dieser spuckte die weißliche Flüssigkeit angeekelt auf den Teppich, woraufhin Jefferson ihm einen ordentlichen Schlag auf den Hinterkopf versetzte. Dann zerrte er Craig weiter aufs Bett, bis ans Kopfende. Dort band er seine Hände mit einem festen Strick an das Bettgitter. Das tat Jefferson immer, wenn er Craig außer Gefecht setzen wollte. An das Bett gefesselt lag er da und beobachtete Jefferson genau. Der drehte sich jetzt um und sah mich an. Ich hatte fast vergessen, dass ich ja auch noch körperlich anwesend war. Mein Geist schwebte irgendwo im Vakuum.

„Was stehst du da so blöd rum?“, schrie Jefferson mich an. „Komm her und zieh dich endlich aus!“

Ich vernahm zwar seine Worte, doch ich konnte mich einfach nicht rühren.

„Komm her!!!“, schrie er gereizt.

Ich begann zu zittern, am ganzen Leib. Jefferson sprang vom Bett auf und stürmte auf mich zu. Er packte mich brutal am Arm und drängelte mich auf das Bett. Er riss an meinen Klamotten. Und ich ließ es zu, dass er mich gänzlich auszog. Bibbernd lag ich anschließend auf dem Bett. Jefferson fuhr mit seinen Händen über meinen Körper. Er streichelte mich überall und ächzte dabei. Ich schloss verbittert die Augen, fühlte mich mehr als benutzt. Dreckig und klein.

Jefferson fummelte an seinem Schwanz herum, bis der sich wieder versteifte. Ich begann noch mehr zu zittern. Mit Schrecken musste ich feststellen, dass die Wirkung des Valiums schwächer wurde. Oder war es nur die Angst, die mich plötzlich ernüchterte?

„Wehe, du tust ihm weh!“, schrie Craig nun. „Wehe!“

Jefferson lachte nur und griff nach meinem zierlichen Körper, und er schleuderte mich auf den Bauch. Ich vergrub mein Gesicht in den Kissen. Es knisterte hinter mir. Jefferson hatte sich ein Kondom übergezogen. Wenigstens dabei war er konsequent. Und schon im nächsten Moment legte er sich auf mich. Er war viel schwerer, als ich es von Craig gewohnt war. Mir blieb fast die Luft weg, so sehr drückte mich seine Last auf die Matratze. Er machte sich an meinem Hinterteil zu schaffen. Ich verkrampfte mich sofort. Ich blieb nicht locker, kein Stück! Er bohrte sich in mich hinein. Trotz des Widerstands und meiner Verkrampfung tat er es. Ich schrie. Ich konnte nicht anders! Es tat so weh. Ich fragte mich, wie es wohl ohne Valium gewesen wäre.

„Du sollst ihm nicht wehtun!“, brüllte Craig hysterisch. „Du hast es versprochen, Jeff! Du wolltest ihm nicht wehtun!“

Doch Jefferson hörte nicht. Er nahm mich mit kräftigen Stößen. Es schmerzte entsetzlich. Ich spürte deutlich, wie meine Haut aufriss. Es fing an, zu brennen, wie Feuer und Flamme. Ich glaube, ich kreischte nur noch. Ich war so ungehemmt und verzweifelt, brüllte in die Kissen und zappelte unter Jeffersons Körper. Meine unkontrollierten Bewegungen brachten mir jedoch nur weitere Schmerzen.

„Hör auf! Hör auf!“, ertönte Craigs Stimme im Hintergrund. „Du tust ihm weh, du Schwein!“

Ich drehte den Kopf zu ihm. Meine Augen waren mit Tränen gefüllt. Verschwommen konnte ich erkennen, wie Craig an den Fesseln zerrte. Sie schnürten seine Handgelenke ab. Doch seine Beine waren frei. Er wandte sich und versuchte, auf Jefferson einzutreten. Seine Füße stießen mehrmals an Jeffersons Brustkorb.

Jeffersons Geduldsfaden war sofort gerissen. Er löste sich von mir ... Ich atmete erleichtert auf. Der Schmerz ließ etwas nach, doch die Tränen nahmen ihren Lauf. Jefferson stürzte auf Craig zu und schlug ihm ins Gesicht. Craig zuckte nur zusammen, aber er äußerte sich mit keinem Ton. Jefferson schlug mehrmals zu und Craig nahm es in Kauf – für mich!

Doch Jefferson war nicht doof. Schläge würden Craig vielleicht für kurze Zeit ruhigstellen, richtig schmerzhaft treffen würde es ihn jedoch nicht. Würde ich dagegen Schmerzen ertragen müssen, würde es ihn viel mehr mitnehmen. Jefferson wusste das ganz genau!

Er ließ Craig außer Acht und widmete sich wieder meinem Knabenkörper. Ich war so müde und schwach, es war unglaublich. Ohne mich zu wehren, ließ ich es zu, dass Jefferson nach meinen Hüften fasste und mich vom Bett zerrte. Er trug mich wie ein Stück Vieh zum Sofa. Brutal schmiss er mich auf den Rücken. Dann schob er mir ein Kissen unter, griff nach meinen Beinen und legte sie auf seinen Schultern ab. Ich war ihm gänzlich geöffnet, in seinen Armen gefangen und eingequetscht. Er senkte sich nieder und drang wieder in mich ein. Ich wimmerte, biss mir auf die Zunge. Ich hätte brüllen können, doch meine Schreie hätten Craig wahnsinnig gemacht. Also riss ich mich zusammen. Im Augenwinkel konnte ich Craig erkennen, wie er sich vor Wut und Verzweiflung auf dem Bett wandte. Wie ein wild gewordenes Tier zerrte er an den Fesseln und brüllte dabei. Ausrichten konnte allerdings er nichts. Jefferson ließ nicht von mir ab ...

Ich kam wieder zu mir, als mich eine warme Hand berührte. Es war Craig, der meine Wange streichelte. Ich öffnete die Augen und sah ihn lächeln. Es war ein liebevolles Lächeln, erfüllt mit Erleichterung. Ich wusste, dass er froh darüber war, dass auch dieses Zusammentreffen mit Jefferson vorüber war.

„Wie geht es dir, Dawn?“, fragte er mich.

„Ich bin müde“, erwiderte ich.

„Hast du Schmerzen?“

Ich nickte. „... aber nicht so stark, wie vorhin.“

„Ich kann dir keine Tabletten mehr geben“, sagte Craig daraufhin. „Du würdest nur noch müder werden ... Außerdem musst du dich waschen.“

Er umarmte und stützte mich. Ich wäre wirklich zu schwach gewesen, um allein aufzustehen. Craig war bereits angezogen. Ich dagegen war noch immer nackt.

Er brachte mich ins Badezimmer und lenkte mich dort unter die Dusche. Ich war so hilflos, wie lange nicht mehr. Unsicher hielt ich mich an der Duschhalterung fest, während Craig mich einseifte.

„Du hast wieder geblutet“, stellte er betrübt fest.

Ich schwieg und senkte den Kopf.

„Hast du das Gefühl, dass er dich irgendwie innerlich verletzt hat?“, fragte Craig weiter.

„Nein, nein … Ich glaube nicht“, erwiderte ich, denn inzwischen kannte ich meinen Körper gut. Ich wurde oft von Freiern verletzt. Sie waren meist zu brutal. Die Schmerzen waren immer die gleichen, mal mehr, mal weniger, doch ich wusste auch, dass ich ein großes Risiko damit einging. Mein Körper war dieser Gewalt einfach nicht gewachsen. Es hätte stets zu schwerwiegenden Verletzungen kommen können.

Craig fuhr mit dem Schwamm über meine Haut, dann stellte er das Wasser ab und küsste mich auf die Stirn. Danach drückte er mir ein Handtuch in die Hände.

„Trockne dich ab und zieh dich an ... Wir sollten nicht länger bleiben, als nötig!“

Ich nickte zustimmend. Craig verschwand aus dem Bad.

Als ich wieder ins Schlafzimmer trat und mich anzog, war er nicht mehr da. Unsicher griff ich in die Obstschale, die auf dem Glastisch stand. Ich hatte unglaublichen Hunger. In Windeseile verschlang ich eine Handvoll Weintrauben, einen Apfel und eine Birne. Den Rest des Obstes stopfte ich in unseren Rucksack. Als Craig noch nicht wieder aufgetaucht war, öffnete ich die Tür und trat auf den Flur hinaus. Ich hörte ihn mit Jefferson im Wohnzimmer diskutieren. Ich lugte die Treppe hinunter und sah sie dicht voreinander stehen.

„Du hattest versprochen, vorsichtiger zu sein!“, fauchte Craig.

Jefferson winkte ab.

„Du hattest es mir versprochen! Hoch und heilig! Und trotzdem hast du ihn gequält. Du bist so eine miese Ratte!!“, schrie Craig.

„Zügel deine Zunge!“, zischte Jefferson und sah meinen Freund böse an. „Ich bin auf euch nicht angewiesen ... Ich kann mir auch andere Jungs suchen.“

„Niemand würde es so lange mit dir aushalten. Niemand! Und ich weiß genau, dass du nur ihn willst ... Du bist doch so geil auf ihn, du würdest gar keinen anderen haben wollen!“

Jefferson erwiderte nichts. Stattdessen zündete er sich eine Zigarette an.

„Füge ihm nie wieder solche Schmerzen zu ... Ich bitte dich“, sagte Craig.

„Warum sollte ich dir diesen Gefallen tun?“

„Weil er noch ein Kind ist, verdammt noch mal!“, schrie Craig verzweifelt auf. „Du machst ihn kaputt, du verletzt ihn ... Sein Körper ist für so etwas gar nicht geeignet!“ Er seufzte und senkte den Kopf. „Er ist zu jung dafür!“

„Dann sollte er damit aufhören!“, erwiderte Jefferson und grinste schäbig.

„Du weißt, dass er das nicht kann ... Wo soll er denn sonst hin?“

Jefferson schwieg. Er verschwand kurz aus meinem Blickfeld. Dann trat er wieder auf Craig zu und reichte ihm ein paar blaue Scheine. Mit zittrigen Fingern griff Craig danach und starrte auf das Geld.

„Danke“, sagte er leise. Seine Faust schloss sich um die Geldscheine, und er drehte sich um. Die Diskussion war zu Ende. Jefferson hatte wieder gewonnen. Das Geld machte Craig willig, mundtot und wahrscheinlich auch zufrieden.

Er kam nur langsam die Treppe hinauf. Sein Haupt war gesenkt und plötzlich blieb er stehen. Ich hörte, wie er schluchzte und sah, wie er sich mit einer Hand über die Augen fuhr.

Er war hilflos. Craig weinte fast nie, nur, wenn es besonders dicke kam. Und ich wusste, er weinte um mich, um meine Existenz, um mein Leben. Er war verzweifelt, weil er daran nichts ändern konnte. Er liebte mich und musste trotzdem mit ansehen, wie ich litt.

Er fing sich schnell und kam die Stufen herauf. Ich schloss die Tür und tat so, als hätte ich von all dem nichts mitbekommen.

„Na? Alles klar?“, fragte er mich, kaum trat er ins Zimmer. Er versuchte, sich zu verstellen, doch ich merkte deutlich, dass er fertig war. „Hast du wieder Obst geklaut?“ Schmunzelnd schielte er auf die Obstschale. „Hättest mir ja was übriglassen können.“

Ich fasste sofort in den Rucksack, zog einen Apfel hervor und hielt ihn Craig vor den Mund. Seine sinnlichen Lippen umschlossen die Frucht, und er biss genüsslich davon ab. Meine Hand wurde schwach bei dem Anblick. Ich ließ den Apfel fallen und fiel Craig um den Hals. Unsere Lippen vereinten sich gierig, unsere Zungen berührten sich zärtlich. Der Apfel ließ Craig süßlich schmecken. Ich seufzte voller Leidenschaft.

„Lass uns verschwinden!“, sagte er und griff meine Hand. „Lass uns diese Folterkammer verlassen!“

Craig drückte mir vier blaue Scheine in die Hand.

„Wieso gibst du mir mehr?“, fragte ich. Wir saßen etwas abseits von Jeffersons Haus auf einem Spielplatz. Wir wollten dort übernachten, in einer dieser Holzhütten für Kinder. So hatten wir ein kleines Dach über dem Kopf und waren vor Wind und Regen geschützt.

„Du hast mehr ertragen müssen als ich“, sagte Craig.

„Du bekommst nur zweihundert und ich vier?“, fragte ich entsetzt. „Das ist nicht logisch.“

„Es ist gerecht“, meinte Craig.

Ich schüttelte den Kopf und steckte das Geld ein. Ich brauchte nicht weiter zu diskutieren. Craig hätte von meinem Anteil nichts angenommen. Ich beschloss, es ihm heimlich unterzujubeln; in Form von Zigaretten, Alkohol oder Essen. Das würde er vielleicht annehmen.

Ja, die Bezahlung von Jefferson war für uns ein Traum. Damit konnten wir gut zwei bis drei Tage auskommen, ohne Hunger und ohne Stress. Wir waren in dieser Zeit nicht auf Freier angewiesen, verdienten nur was nebenbei und leisteten uns sogar ein wenig „Luxus“. Ein neues Hemd, neue Unterwäsche, eine Übernachtung in der Pension und astreine Drogen. Leider ging das Geld immer rasant weg. Wir waren manchmal etwas voreilig mit unseren Ausgaben, doch das Gefühl, Geld zu haben, war für uns das Gefühl von Macht. Wir genossen es unheimlich, wenn auch nur kurz.

Craig drehte sich einen Joint und machte ein ernstes Gesicht. Mittlerweile saßen wir schon in der Holzhütte, und es dämmerte. Ich hatte meine Hose geöffnet und tastete vorsichtig nach meinem Gesäß. Es tat immer noch weh.

„Ich glaube, mit mir ist heute nicht mehr viel los“, stellte ich fest, während ich zu einer Tube Wundsalbe griff und meine Verletzung einrieb. Dieser Kommentar war blöd. Ich überlegte, wann ich das letzte Mal mit Craig geschlafen hatte. So richtig! Das war schon ewig lange her. Ich sagte ja, es gab für uns wenig geeignete Plätze, an denen wir ungestört waren. Klar, befummeln konnten wir uns jederzeit, in jeder Ecke, doch das war nicht dasselbe. Ich begehrte Craig und spürte diese Sehnsucht nach ihm.

„Glaub ja nicht, dass ich dir an deinen zerfransten Arsch gegangen wäre“, sagte Craig mit Nachdruck und zog an seiner Zigarette. Er sprühte immer noch vor Zorn wegen Jefferson, das war unschwer zu erkennen. „Das war das letzte Mal, dass er dir so etwas angetan hat!“

Ich stutzte und sah Craig fragend an. „Wie meinst du das?“

„Wir gehen nicht mehr zu ihm.“ Craig grinste. „Der kann sich selbst einen runterholen. Dir tut er jedenfalls nicht mehr weh!“

B.

Meine erste Nacht auf der Straße war ein Gräuel. Ich fror, fand keinen Schlaf und wurde ständig von den alarmierenden Lauten des Hundes wach, der wirklich bei jedem vorbeikommenden Passanten Alarm schlug. Craig reagierte darauf gar nicht.