Wir zwei zu dritt: Liebe - Justin C. Skylark - E-Book

Wir zwei zu dritt: Liebe E-Book

Justin C. Skylark

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Beschreibung

Der 30-jährige Neal lebt wieder in Deutschland. Nach jahrelanger Unsicherheit sehnt er sich nach einem festen Partner an seiner Seite. Eines Tages trifft er auf den 19-jährigen Gero. Neal verliebt sich augenblicklich. Gero hingegen verhält sich abweisend und verärgert. Sie verlieren sich aus den Augen und Neal kann Gero nicht vergessen. Doch durch zahlreiche Tricks gelingt es Neal, ihn für sich zu gewinnen. Die junge Beziehung gerät in Gefahr, als Gero, der eigentlich mit seinem eigenen Coming-out schon genug zu tun hat, merkt, welche Rolle Francis, Neals Schwester, spielt.

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EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Wir zwei zu dritt
Was zuvor geschah:
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Die Neal Anderson-Reihe
Impressum

 

 

 

 

„Wir zwei zu dritt – Liebe“

ist der dritte Teil der Neal Anderson-Reihe

 

 

Wir zwei zu dritt

Liebe

 

 

 

von Justin C. Skylark

Was zuvor geschah:

 

Neal Anderson ist der Sohn von Stephanie und Peter Anderson, Inhaber des Mode-Labels Anderson Creation. Die Familie stammt aus England, und in seiner Jugendzeit hatte Neal damit zu kämpfen, in Deutschland ein neues Leben anzufangen.

Mit sechzehn Jahren entdeckte er seine Leidenschaft für Männer, doch die erste große Liebe enttäuscht ihn, sodass er fortan die Angst mit sich trägt, erneut von einem Mann verletzt zu werden. (Roman „Liebeswut“)

One-Night-Stands werden zum Alltag des jungen Neal, der verbissen an einer Musiker-Karriere arbeitet und sein Studium in Architektur den Eltern zuliebe absolviert.

Im Alter von dreiundzwanzig Jahren entwickelt er verbotene Gefühle für seine Halbschwester Francis. Ihre gegenseitige Zuneigung belastet nicht nur sie, sondern das ganze Umfeld. Da Francis schwanger wird und einen Sohn zur Welt bringt, dessen Vaterschaft Neal aus gesellschaftlichen Gründen geheim hält, bleibt für ihn nur der Weg zurück nach England. Dort erfährt er den Durchbruch mit seiner Band The Drowners.

Vier Jahre vergehen, bis sich Neal entschließt, zurückzukehren, um erneut die Nähe zu seiner Schwester zu suchen. Sie beschließen, die Beziehung heimlich wieder aufzunehmen. (Roman „Dein Glück hat mein Gesicht“)

Doch die Faszination für das eigene Geschlecht ist in Neal nicht erloschen ...

Kapitel 1

Gelangweilt drückte Neal die Zigarette auf dem Gehweg aus und betrat den Supermarkt. Er griff sich einen Einkaufswagen und blickte sich um. Francis, seine Schwester, wühlte hektisch in ihrer Tasche.

„Ich bin mir sicher, dass ich den Einkaufszettel eingesteckt habe, ehrlich!“

Neal verdrehte die Augen. Er steuerte auf den Obststand zu, bediente sich bei den Äpfeln und Bananen. Danach verschwand er um die Ecke, betrachtete das Getränkesortiment und schon war er aus Francis’ Blickfeld verschwunden.

Er hasste das Einkaufen. Normalerweise erledigte sein Butler Ralph derartige Tätigkeiten. Gedankenlos schob er den Einkaufswagen weiter. Vorbei an Keksen, Waffeln, Schokolade und ...

„Hey, können Sie nicht aufpassen?“

Ein junger Mann stand plötzlich vor ihm – mit schmerzverzerrtem Gesicht. Schokoladenkugeln rollten über den Boden.

„Sorry“, stammelte Neal, während er die Kugeln aufhob und in die kaputte Tüte stopfte. „Ich muss Sie übersehen haben.“

„Das habe ich gemerkt!“, fauchte der Mann. Demonstrativ fasste er sich an die Ferse, dort hatte Neal ihn mit dem Einkaufswagen getroffen. „Passen Sie doch auf, wo Sie hinfahren. Das ist ja lebensgefährlich!“

Neal sah in wunderschöne grün-blaue Augen, die vor Wut flackerten. Der junge Mann nahm ihm die Tüte mit den Schokokugeln aus der Hand und wandte sich ab.

„Es war keine Absicht!“, rief Neal ihm hinterher, doch der junge Mann verschwand so schnell, wie er aufgetaucht war.

Nach einem kurzen Zögern streifte Neal durch die Gänge des Supermarkts, um ihn wiederzufinden. Vergebens! Er stieß lediglich auf seine Schwester, die in beiden Armen Lebensmittel hielt und erleichtert aufatmete.

„Da bist du ja!“

Aber Neal konnte sich nicht beruhigen. Unter Anspannung griff er nach ihr.

„Komm mal mit!“ Er zog ihr an der Jacke und eilte in Richtung Kasse. Francis legte die Einkäufe in den Wagen und ließ sich mitziehen.

„Was soll das denn?“, rief sie erstaunt.

„Du musst es dir ansehen“, erwiderte ihr Bruder voller Begeisterung. „So eine Schönheit.“

Schließlich blieb Neal stehen. Sein Blick fiel auf die Schlange von Menschen, die an der Kasse standen. Augenblicklich erhellte sich sein Gesicht, und er lächelte sanft.

„Sieh nur ...“, kam es flüsternd über seine Lippen.

Francis betrachtete die Kunden, doch sie begriff nicht, was ihr Bruder ihr mitteilen wollte.

„Ich kann keine Schönheit erkennen. Welche Frau meinst du?“

Aufgeregt schüttelte er den Kopf.

„Nein, keine Frau. Ich meine ihn.“

Er blickte geradeaus. Dort stand der junge Mann: Schlank, groß, mit dunkelblonden Haaren, grün-blauen Augen und wunderschönen Gesichtszügen. Als er Neal jedoch erblickte, drehte er sich genervt weg und ging weiter vor zur Kasse.

Sein Verhalten zauberte ein Grinsen in Francis’ Gesicht. „Er scheint nicht so fasziniert von dir, wie du von ihm.“

Neal ließ die Schultern hängen.

„Ich habe ihn vorhin aus Versehen angerempelt“, erklärte er die Situation. Dabei überlegte er flüchtig, ob es nur ein dummer Zufall war oder eine Gabe des Himmels.

Francis hob eine Augenbraue.

„Aus Versehen? Bist du sicher?“

„Ja, doch.“ Neals Gesicht verdunkelte sich. Er griff nach dem Einkaufswagen, doch konnte er kein anderes Thema finden.

„Er stand plötzlich im Weg und dann ...“

Wie erstarrt sah er zu dem jungen Mann hinüber, der inzwischen bezahlte. Es war, als vergesse er Raum und Zeit.

„Vielleicht soll ich noch mal mit ihm reden“, schoss es aus ihm heraus. Aber Francis hielt ihn davon ab, dem Mann zu folgen.

„Mach dich nicht lächerlich“, sagte sie. „Der ist doch gar nicht an dir interessiert.“

Als sie ihre Einkäufe bezahlt hatten und aus dem Supermarkt traten, war von dem jungen Mann nichts mehr zu sehen.

 

Die ersten Sonnenstrahlen schienen durch das Fenster, als Neal erwachte. Er drehte sich um und starrte neben sich auf das zerwühlte Bettlaken.

Kurze Zeit später verließ er das Schlafzimmer. Im Haus duftete es nach Kaffee und frischen Brötchen. Auf der Treppe begrüßten ihn seine beiden Hunde.

Das Wohnzimmer war sonnendurchflutet. Auf dem Tresen rechts, war das Frühstück liebevoll angerichtet.

„Na, du Langschläfer!“

Eine Frau mit langen, dunkelbraunen Haaren und einer schlanken Figur näherte sich ihm von hinten und schlang die Arme um seine Hüften.

„Du solltest öfter hier übernachten“, entgegnete Neal. „Das Frühstück sieht toll aus.“

„Das wäre also der einzige Grund?“

Neal drehte sich um und erwiderte Francis’ Kuss.

„Nein, natürlich nicht. Du weißt, dass deine Nähe für mich das Wichtigste ist.“

Zärtlich strich er ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Nach jeder gemeinsamen Nacht merkte er, wie froh er war, sich für sie entschieden zu haben. Ihr inniges Verhältnis war etwas, das die Gesellschaft normalerweise nicht tolerierte. Trotzdem hatten sie den Schritt gewagt und ihre verbotene Liebe heimlich fortgeführt.

Sie setzten sich.

„Würdest du zu mir ziehen, wäre vieles einfacher!“ Francis nahm die Kaffeekanne und schenkte ein. „Und Nicholas würde sich freuen, seinen Vater öfter zu sehen.“

Neal seufzte tief. Es war nicht das erste Mal, dass er das verlockende Angebot ablehnte.

„Du weißt, dass wir nicht zusammenziehen können. Was würde Mum sagen?“

Er schüttelte den Kopf. Francis nickte.

„Recht hast du. Aber dieses Haus ist zu groß für dich. Irgendwann verirrst du dich.“

Nun musste er lachen. Der Gedanke war nicht utopisch. Sein Haus war eine Villa. Er besaß einen Pool, einen weitläufigen Garten, drei Etagen an Wohnfläche und eine Tiefgarage ... Aber irgendetwas fehlte. Traumverloren blickte er durch den Raum.

„Heißt ja nicht, dass ich hier ewig allein wohnen werde.“

Francis sah erschrocken auf. „Suchst du endlich eine Frau, ja?“ Hastig schluckte sie ihr Brötchenstück hinunter.

Neal lächelte warmherzig. Er nahm ihre Hand und sah ihr tief in die Augen.

„Du weißt, dass ich dich nie verlassen würde.“ Er machte eine Pause und fügte hinzu: „Außerdem interessiere ich mich nicht für andere Frauen.“

Er sah auf den Teller. Eine Denkfalte zierte seine Stirn.

„Was ist denn los?“, fragte Francis besorgt. „Du warst gestern schon so komisch.“

Neal nahm einen Schluck Kaffee. Wie sollte er ihr klarmachen, dass ...

„Ich bin wirklich gern mit dir zusammen“, startete er, „doch mir ist klar geworden, dass ich ... Ach, ich weiß nicht, wie ich es sagen soll. Ich will dir nicht wehtun.“

Er senkte den Kopf. Er schnitt ein heikles Thema an. Doch Francis blieb erstaunlich ruhig. Die Geschwister hatten schon viele Probleme gemeinsam gemeistert. Sie konnten stets über alles reden.

„Raus mit der Sprache“, forderte sie deshalb. „Was ist los?“

Sie sah ihren Bruder an. Es schien ihm nicht leicht zu fallen, darüber zu sprechen. Verlegen fuhr er sich durch sein Haar, das in Strähnen vor sein Gesicht fiel.

„Du bist wirklich eine tolle Frau, und ich bin glücklich mit dir und Nicholas.“ Er lächelte, als er an seinen kleinen Sohn dachte. „Doch es ist ziemlich lange her, dass ich ...“ Er sah beschämt zu Boden, suchte nach den passenden Worten. „Ich würde gern mal wieder einen netten Mann kennenlernen, verstehst du?“

Der erwartungsvolle Ausdruck in Francis’ Gesicht verschwand. Sie schmunzelte. Natürlich hatte sie bemerkt, dass es in letzter Zeit ruhig um Neal geworden war – zumindest, was Männer betraf. Dass es ihn quälte, konnte sie verstehen.

„Bisexualität kann man nicht einfach abstellen“, sagte sie und biss in ein Schokoladencroissant. „Ist doch klar, dass du mal wieder Lust auf einen Mann hast.“

Ihr Bruder hatte noch nichts gegessen. Er machte ein verblüfftes Gesicht. Die Toleranz seiner Schwester überraschte ihn. Und doch korrigierte er ihre Aussage:

„Es ist nicht die Lust auf einen Mann für eine Nacht. Ich dachte an etwas Dauerhaftes. Für längere Zeit, verstehst du?“

Francis nickte, obwohl sie auch erstaunt war. Sie war fünfzehn Jahre alt gewesen, als sie von Neals Leidenschaft für Männer erfahren und sich mit der Tatsache angefreundet hatte. Doch in all den folgenden Jahren hatte sie nie einen festen Partner an Neals Seite erlebt. Bevor sie nachfragte, erklärte er, was in ihm vorging.

„In der Schule, da hatte ich einen Freund ... und der hat mich erbärmlich sitzenlassen.“

Francis nickte. Sie war damals zu jung gewesen, um zu begreifen, was zwischen Neal und dem besagten Schulfreund geschehen war. Sie wusste nur aus Erzählungen, dass Neal in der Schulzeit seine homoerotische Ader entdeckt hatte.

„Ich habe mir immer einen neuen Partner gewünscht, aber die Angst, wieder verletzt zu werden, war zu stark.“ Neal schüttelte den Kopf, als er an die Enttäuschung und die folgenden One-Night-Stands dachte. Nichts Dauerhaftes, immer die Hand an der Türklinke, stetiges Abservieren nach einer schnellen Nummer.

„Ich dachte, ich würde nie wieder einen Mann lieben können, doch nun sehne ich mich danach.“ Er machte eine Pause und sah Francis fragend an. „Wäre das ein Problem für dich?“

Sie verneinte. Männer waren für sie keine Konkurrenz. Und sie wollte nichts sehnlicher, als ihren Bruder glücklich zu wissen.

„Ich hatte dich jahrelang für mich allein“, stellte sie fest. „Bis auf die Nächte, die du bei irgendwelchen Typen verbracht hast.“

Neal verzog das Gesicht.

„Und genau so etwas möchte ich nicht mehr. Aufwachen und nicht wissen, in welchem Bett man sich befindet. No!“

Er stand auf und ging die zwei Stufen zum Wohnzimmer hinunter. Dort setzte er sich aufs Sofa.

„Ich wüsste auch schon, was für ein Mann mir gefallen würde.“ Er lächelte zufrieden und griff nach den Zigaretten, die auf dem Glastisch lagen.

Francis ahnte, wem die Anspielung galt.

„Dieser Typ aus dem Supermarkt“, fing sie an. „Der geht dir wohl nicht aus dem Kopf?“

Neal zog tief an der Zigarette. Dabei fielen seine Wangen in sich zusammen. So sah er noch dünner aus, als er ohnehin schon war. Francis durchfuhr ein Schauer. Immer wieder wurde ihr bewusst, wie anziehend ihr Bruder auf sie wirkte. Es wäre ihr egal gewesen, wenn sie ihn mit einem anderen teilen müsste. Die Hauptsache war, dass er sie nicht verließ.

„Ich muss zugeben, ich fand ihn ziemlich ansprechend.“

Ein Glanz in seinen Augen machte sich breit. Dennoch verstand Francis die Schwärmerei nicht.

„Er war viel jünger als du. Und interessiert wirkte er gar nicht.“ Sie dachte nach, und ihr fielen weitere Argumente ein, um die Sache aus der Welt zu räumen. „Wahrscheinlich wirst du ihn nie wiedersehen. Außerdem gibt es genug Männer in deinem Alter, die auf dich abfahren.“

Ihr Bruder stand auf und stellte sich vor das Terrassenfenster. In der Tat hatte der Mann im Supermarkt recht jung ausgesehen, doch war das ein Hindernis?

Neal war dreißig Jahre alt, was man ihm nicht einmal ansah. Er war reich, berühmt und die Natur hatte ihn mit einem ansehnlichen Äußeren bedacht: Er war groß gewachsen, schlank, wirkte verführerisch männlich, und doch zauberten seine hohen Wangenknochen etwas Weiches in sein Gesicht.

„Wieso soll ich keinen jungen Freund haben?“ Er öffnete die Terrassentür und die Hunde liefen hinaus. Sie tollten über den Rasen. Ihr Fell glänzte in der Sonne.

„Und darf ich dich daran erinnern, dass du auch ein paar Jährchen jünger bist als ich?“ Neckisch zwinkerte er seiner Schwester zu. Resignierend hob sie die Hände.

„Okay, du hast gewonnen!“ Sie lachte. „Such dir einen jungen Freund. Aber er muss nett sein.“

Neal nickte. Es stand außer Frage, dass ein Mann an seiner Seite auch Francis und Nicholas akzeptieren musste.

 

Neal saß im Musikstudio im Keller, gebeugt über einen Haufen Papier.

Der Raum war verqualmt von Zigarettenrauch. Die Jalousien waren zugezogen, nur eine Schreibtischlampe erhellte das Zimmer.

Die ganze Nacht hatte er an diesem Song geschrieben. Für ein paar Stunden war er im Sessel eingeschlafen. Aber nun war er hellwach und zerbrach sich den Kopf über die nächsten Zeilen.

I watch the skyline for him to come, and when he comes along, we’ll be gone…[Fußnote 1]

Ein Klopfen an der Tür unterbrach seine Gedanken. Ralph, der Hausangestellte, sah herein und fragte, ob Neal eine Tasse Kaffee wollte.

„Ja, ist es denn schon so spät?“, wunderte sich Neal.

„Gleich elf Uhr, Sir!“, antwortete Ralph. Er war Engländer, und seitdem Neal nach Deutschland gezogen war, arbeitete er in dem Haus als Butler und ließ es sich nicht nehmen, seinen Arbeitgeber wie einen Adligen zu betiteln. Der erhob sich und wühlte in den Unterlagen. „Nicht zu fassen.“

„Also, wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf, Sir, sollten Sie mehr an der frischen Luft arbeiten. Hier im Keller werden Sie ja krank.“

Neal nickte, während er die Jalousien hochzog. Im Musikstudio fand er Ruhe. Hier konnte er konzentriert am Mischpult sitzen und Ideen sofort an den Instrumenten austesten. Als er feststellte, wie schön das Wetter war, stimmte er seinem Butler zu.

„Sie haben recht, Ralph! Ich werde mit den Hunden spazieren gehen.“

 

Schon nach wenigen Metern bemerkte Neal, dass ihm die Arbeit der letzten Nacht in den Knochen steckte. Am Park angekommen, sah er die beiden Doggen nur noch als schwarze Punkte am Horizont. Mit einem gellenden Pfiff orderte er sie zurück.

Rechts von ihm erschien eine Bank. Gern hätte er sich dort hingesetzt, doch sie war besetzt. Neal erstarrte. Wie gelähmt hielt er plötzlich an. Er bemerkte nicht einmal seine Hunde, die schwanzwedelnd um ihn herumliefen.

Sein Herz schlug höher.

„Hallo?“, begann er. „Kennen wir uns nicht?“

Die Person auf der Bank sah auf: „Nein, nicht, dass ich wüsste“ – und blickte sofort wieder in ein Buch.

„Wir sind uns im Supermarkt begegnet!“, entwich es Neal. Er traute seinen Augen kaum. Der junge Mann, der seit Tagen in seinem Kopf herumspukte, saß hier auf der Bank, las ein Buch, und schien sich an ihre erste Begegnung nicht erinnern zu können. Das konnte nicht wahr sein!

Der Mann sah nochmals auf. „Ach, ja“, äußerte er sich weniger enthusiastisch. „Sie sind es.“ Gelangweilt widmete er sich wieder seinem Buch.

„Was liest du denn da?“ Neal kam stockend näher.

„Was geht Sie das an?“, bekam er jedoch zu hören.

„Es interessiert mich.“ Neals Herz klopfte wild.

„Es ist ein Medizinbuch“, erwiderte der junge Mann, ohne aufzugucken. „Interessiert Sie das?“

„Na ja.“ Neal kratzte sich am Nacken. „Medizin ist nicht mein Fachgebiet.“

„Hab ich mir gedacht!“, äußerte sich der Mann, und dabei bemerkte Neal wieder, wie jung er war. „Sie sehen auch nicht wie ein Mediziner aus.“

Neal grinste. „Ach, ne? Wie sehe ich denn aus?“ Er wollte sich mit auf die Bank setzen, aber der junge Mann wurde plötzlich wütend.

„Sagen Sie, merken Sie nicht, dass Sie nerven? Ich will in Ruhe lesen, und Sie quatschen mich so blöd von der Seite an?“ Demonstrativ klappte er sein Buch zu und verdrehte die Augen. „Und nehmen Sie die Hunde weg, die machen meine Hose schmutzig!“

„Ja, natürlich!“

Neal griff die Doggen an den Halsbändern und nahm sie an die Leine. Er blickte sein Gegenüber nochmals an. Sein Haar glänzte. Es war kurz geschnitten, nur der Pony war länger und bedeckte seine Stirn. Seine Nase war gerade und passte wie angegossen zu dem makellosen, markanten Gesicht.

Er war braun gebrannt, sah jugendlich und unbedarft aus. Und dennoch ließ er Neal kalte Arroganz spüren. Wie konnte ein so schöner Mann so böse werden?

„Was starren Sie mich so an? Verschwinden Sie doch endlich!“, warf er Neal entgegen. Er öffnete das Buch und blätterte planlos darin herum.

„Ja, dann ... bye“, sagte Neal zaghaft, aber er erhielt keine Antwort. Verstört drehte er sich um und ging weiter. Nach ein paar Schritten blickte er noch einmal zurück. Da saß er: Der Mann, von dem er seit Tagen träumte, und der hatte ihn eiskalt abblitzen lassen.

 

Am Abend machte sich Neal auf den Weg zu seiner Schwester. Sie wohnte ein paar Straßen weiter, in einer Mietwohnung. Das hatte zur Folge, dass sich Neal oft mit neugierigen Nachbarn von Francis herumschlagen musste.

Manche sahen ihn schief an, andere waren überfreundlich, die meisten grüßten zurückhaltend, und einige, wie Frau Dresen, nutzten jede Möglichkeit, um Informationen über die Familie Anderson zu erfahren.

Auch heute wünschte sie einen guten Tag und musterte Neal von allen Seiten. Die Wohnung seiner Schwester lag in der zweiten Etage. Dort angekommen, schloss er die Tür auf und trat ein. Als er die Lederjacke an der Garderobe ablegte, kam auch schon ein kleiner Junge auf ihn zu gelaufen.

„Hallo, Papi!“

Neal nahm seinen Sohn auf den Arm. „Na, mein Hase, wo steckt denn Mami?“

Zusammen gingen sie in die Küche, wo Francis vor dem Herd stand und Pfannkuchen zubereitete.

„Hi, mein Liebes!“ Neal gab ihr einen Kuss. Er brannte darauf, ihr von seinem Erlebnis zu erzählen.

„Ich glaube, bis wir essen, kannst du noch spielen, okay?“ Er setzte Nicholas ab. Seine Bemühungen, mit Francis allein zu sein, schlugen jedoch fehl. Nicholas zog an seiner Hand.

„Du sollst aber mitkommen!“, forderte er energisch.

Neal strich seinem Sohn über das dunkle Haar.

„Ich komme sofort nach. Ich möchte nur kurz etwas mit Mami besprechen.“

Nicholas machte ein mürrisches Gesicht, doch verzog er sich artig in sein Kinderzimmer.

Francis’ Neugier war geweckt.

„Was machst du denn so auf geheimnisvoll? Ist etwas passiert?“ Sie sah ihren Bruder fragend an.

Neal schloss die Küchentür. Er war aufgeregt. „Ich habe ihn gesehen“, berichtete er.

Seine Schwester machte große Augen. „Wen?“

„Ihn!“

„Wen denn?“, wiederholte Francis.

„Den Jungen aus dem Supermarkt!“ Die Freude sprühte aus Neals Gesicht. Nun lächelte auch Francis.

„So ein Zufall. Wo denn?“

„Im Park.“ Neal nahm einen Löffel und probierte vom Apfelmus, das auf dem Tisch stand. Dann erzählte er die ganze Geschichte. Dass der junge Mann eher genervt als angetan war, dass er die Hunde als eine Belästigung empfand und sich am Anfang nicht einmal an ihn erinnern konnte.

„Also, ein totaler Reinfall.“ Neal seufzte theatralisch.

Francis drehte die Pfannkuchen um und lachte beherzt.

„Ich habe es ja gesagt. Er ist nichts für dich. Aber du musst ja wieder mit dem Kopf durch die Wand.“ Sie setzte sich, sah Neal eindringlich an. „Vergiss ihn.“

Ihr Bruder empfand die Situation weniger erheiternd.

„Ich werde ihn nicht vergessen. Jetzt erst recht nicht!“

„Was soll das heißen?“, fragte Francis verblüfft. „Was hast du denn vor?“

Neal schmunzelte.

„Dieser Junge ahnt einfach nichts von seinem Glück. Da muss ich eben nachhelfen. Und ich weiß auch schon wie!“

Sein Blick driftete ab. Die oberflächlichen Bekanntschaften mit Männern mussten ein Ende haben. Er wollte was Festes. Und mit Schrecken stellte er fest, dass er nicht wusste, wie man eine ernsthafte Beziehung richtig anfangen sollte.

Früher hatte er die Männer mit wenig Aufwand angesprochen – oder sie ihn. Man war ohne viele Worte schnell zur Sache gekommen und war danach froh, sich vielleicht nie wieder sehen zu müssen.

Aber nun wollte Neal mehr, und das Einzige, was ihm helfen konnte, war die Erinnerung an Dirk:

Sie waren Freunde gewesen, unverbindlich. Sie hatten ihre Freizeit miteinander verbracht. Gekonnt hatte Dirk ihn verführt. Vielleicht grob, doch sie wurden ein Paar. Auch wenn Dirk psychisch gestört gewesen war, er wusste, worauf es ankam, wenn man jemanden erobern wollte. Neal hatte das stets bewundert.[Fußnote 2]

Er war zwar nicht psychisch krank, doch er wusste, dass er ohne die passenden Tricks vielleicht nie bei dem Mann seiner Träume landen würde. Ja, er musste ihn kennen lernen.

 

Das Wasser umspülte seinen Körper und brachte eine Wachsamkeit in seinen Geist. Mit groben Bewegungen verteilte er Duschgel auf der Haut, bis seine Hände zwischen die Beine glitten und dort verweilten.

Gezwungenermaßen musste er an den jungen Mann aus dem Supermarkt denken. Wie gern würde er ihn kennenlernen. Wie gern hätte er ihn berührt, geküsst ...

Er atmete tief durch, dann umfasste er seinen Penis und knetete ihn begierig. Allein der Gedanke an den jungen Mann erregte ihn.

Wie lange war es her, dass er einen Mann hatte? Wie lange?

Er konnte an nichts anderes denken. Schnell fuhr seine Hand auf und ab. Seine Härte war fast schmerzhaft, und als Neal sie noch fester umfasste, kam sein Orgasmus heftig. Er lehnte sich an die Kacheln. In nur wenigen Sekunden war das Sperma von der Hand, den Schenkeln und dem Boden verschwunden. Es wurde mit dem warmen Wasser weggespült, als wäre nichts passiert.

Im nächsten Moment trat er aus der Dusche, um der Hitze zu entfliehen. Vielleicht auch der Tatsache, dass er sich unwohl fühlte, onaniert zu haben. Er konnte sich nicht erinnern, wann er es das letzte Mal getan hatte.

Sex erlebte er derzeit nur mit Francis. Wilde Männerbekanntschaften lehnte er ab. War er zu alt für solche Abenteuer?

Ein Blick in den Spiegel signalisierte ihm, dass er noch dieselbe Figur besaß wie vor Jahren. Er war schlank, fast sehnig. Er hatte lange Beine, eine flache Brust und kaum Haare am Körper. In einer gewissen Art und Weise war er jugendlich geblieben, doch sein Gesicht ließ erahnen, dass er auch turbulente Lebensabschnitte bewältigt hatte.

Er trat näher und sah sich gründlicher an.

„Vielleicht sollte ich weniger rauchen“, sprach er zu sich, als er seine Gesichtshaut inspizierte, die ein etwas verlebt wirkte. Doch er verdrängte den Gedanken, kaum fiel sein dunkles, glänzendes Haar in sein Gesicht und ihm das Gefühl gab, in den letzten zehn Jahren nicht gealtert zu sein.

Über Nacht war er bei Francis geblieben. In der Wohnung herrschte absolute Stille. Sie war bei der Arbeit und Nicholas im Kindergarten. So ordnete er nochmals seinen Plan im Kopf und zog los. Er nahm den Dobermann seiner Schwester an die Leine, machte einen Abstecher zu sich nach Hause, wo er die beiden Doggen abholte, und ging erneut in den Park.

 

Er konnte es gar nicht abwarten, wieder bei der Bank zu sein. Doch als er dort ankam, saß da niemand.

Warum dachte er auch, dass der junge Mann schon so früh auf der Bank sitzen und lesen würde?

Er griff nach der Zigarettenschachtel, die leer war. Resignierend schüttelte er den Kopf. Es schien nicht sein Tag zu sein.

Und da stand er nun: Umringt von drei Hunden, die ihn fragend ansahen. Um wenigstens ihnen etwas Gutes zu tun, spazierte er in Richtung See. Auf dem Weg dorthin kaufte er am Kiosk Zigaretten und eine Zeitung. Am See suchte er sich ein Plätzchen im Schatten und las.

Doch konzentrieren konnte er sich nicht. Was sollte er tun, würde er den Mann nicht mehr wiedersehen?

Nachdem er die Zeitung durchgeblättert hatte, und die Hunde vom Toben erschöpft im Gras lagen, ging er zurück.

Sein Gang war langsam und er blickte dabei auf den Boden. Seine braunen Lederschuhe waren nicht mehr die Neusten. Der ausgestellte Stoff am unteren Saum seiner Cordhose, schlackerte um seine dünnen, langen Beine. Er musste lachen. Kein Wunder, dass der Typ nicht auf mich steht, schoss es ihm durch den Kopf. Der junge Mann war gut gekleidet gewesen. Alles hatte perfekt an ihm gesessen. Er kam sicher aus einer ordentlichen Familie. Hatte ihn Neals legeres Aussehen abgeschreckt?

Langsam kam Neal zur Bank zurück. Dort saß jetzt jemand. War es vielleicht ...?

Neal ging schneller. Je mehr er sich der Person auf der Bank näherte, desto klarer wurde das Bild vor seinen Augen.

Diesmal erkannten sie sich schon von Weitem. Kurz trafen sich ihre Blicke, aber bevor Neal an der Bank angekommen war, sah der junge Mann wieder starr auf sein Buch.

„Hi!“

Neal war aus der Puste, trotzdem strahlte er über das ganze Gesicht.

Der junge Mann dagegen wirkte reserviert. Nachdenklich deutete er auf die Hunde. „Das werden ja immer mehr.“

Neal lachte mit Erleichterung. Dass der Mann mit ihm sprach, erfreute ihn. „Einer ist geliehen!“, erklärte er die Anzahl der Hunde. Spontan setzte er sich mit auf die Bank. Und vielleicht war das ein Schritt zu weit, denn der junge Mann wurde blitzartig ärgerlich:

„Haben Sie es noch nicht kapiert? Ich brauche keine Gesellschaft!“

Demonstrativ rückte er von Neal ab. Der sah den jungen Mann nur kopfschüttelnd an. Dass der erneut gereizt reagierte, enttäuschte ihn. Seufzend stand er wieder auf.

„Bist etwas eingebildet, findest du nicht?“

Das Gesicht des jungen Mannes erstarrte, doch wagte er keinen Widerspruch. Neal nahm die Hunde an die Leine und marschierte weiter. Dieses Mal drehte er sich nicht noch einmal um.

 

In der Nacht fand Neal keinen Schlaf. Wenn seine Schwester nicht bei ihm war, fühlte er sich einsam. Sein Haus war in der Tat zu groß für ihn. Und wenn die Nacht hereinbrach und auch die Hunde zur Ruhe kamen, geriet er ins Grübeln.

Zu viele Gedanken schossen ihm durch den Kopf. Probleme machten sich breit, die ihn nachts einholten.

Er durfte nicht daran denken, was passieren würde, wenn er wieder nach London musste. Dieser Zustand würde sich bald einstellen, und dann? Wie sollte er es aushalten – ohne Francis, ohne Nicholas? Zu lange war er fort gewesen. Er hatte sie damals allein gelassen und wollte das nicht noch einmal durchmachen.

Im Badezimmer öffnete er den Spiegelschrank. Er griff zu Schlaftabletten. Ohne sie konnte er nicht zur Ruhe kommen. Eine Weile starrte er auf die anderen Tablettenschachteln, die ebenfalls im Schrank standen.

Mit zitternder Hand griff er danach. Sollte er ...? Nein!

Er stellte die Schachteln zurück. Die Schlafmedikamente sollten vorerst reichen; sie mussten ...

 

Routiniert stand Neal am nächsten Morgen auf, um sich für den Gang in den Park vorzubereiten. Auch heute schien die Sonne, und Neal setzte eine Sonnenbrille auf. Mit seiner schwarzen Jeans, dem dunklen Hemd und der ebenso dunklen Lederjacke, sah er geheimnisvoll aus. Seine schwarzen Haare fielen seitlich in sein Gesicht. Eigentlich fühlte er sich nicht wohl in seiner Haut. Die Wirkung der Schlaftablette steckte in seinen Gliedern, doch das Bedürfnis, in den Park zu gehen und ihn zu treffen, ließ ihm keine Ruhe.

Und der junge Mann saß tatsächlich wieder auf der Bank. War es Zufall?

Ohne ein Wort, ohne eine Geste, setzte sich Neal neben ihn. Für ein paar Sekunden herrschte absolute Stille zwischen ihnen. Der junge Mann bewegte sich nicht. Nicht einmal ein Atemzug war von ihm zu hören.

Schließlich lehnte sich Neal zurück und nahm die Sonnenbrille ab.

„Liest du eigentlich den ganzen Tag?“, fragte er und unterbrach damit die unerträgliche Stille zwischen ihnen.

„Nur, wenn man mich lässt.“ Der junge Mann sah nicht auf, noch zuckte er mit einer Wimper.

Neal atmete tief durch. Dass kein richtiger Dialog zustande kam, erschwerte die Situation.

„Wieso magst du dich nicht unterhalten?“ Neal musterte den Jungen neben sich gründlich. Warum war er unsicher?

„Was hätte ich davon, wenn ich mich mit Ihnen unterhalte? Es langweilt mich.“ Demonstrativ sah der Mann in sein Buch. Doch die Konzentration fürs Lesen hatte er verloren.

„Aber ich tu dir doch nichts.“

Neal lächelte. Er hätte alles gegeben, um das Vertrauen des Jungen zu gewinnen, doch der zeigte sich weiterhin abweisend.

„Ich kann mir die Leute, mit denen ich etwas zu tun haben möchte, selbst aussuchen, okay?“

„Du hast kaum Freunde, stimmt’s?“ Neal ließ nicht locker, sodass der junge Mann genervt die Augen verdrehte.

„Das geht Sie gar nichts an!“ Nun war es wieder so weit. Das Gespräch schien in einem Streit zu enden. Somit versuchte es Neal auf die sanfte Art.

„Ich kenne hier um die Ecke ein Café. Wir könnten dort hingehen und uns unterhalten.“

Genervt klappte sein „Gesprächspartner“ das Buch zu. Wütend drehte er sich um.

„Ich habe aber keine Lust in ein Café zu gehen!“

Neal seufzte. Seine Geduld war am Ende. Noch nie zuvor hatte er solche Schwierigkeiten gehabt, jemanden kennenzulernen. Die anderen Männer, mit denen er sich getroffen hatte, rissen sich stets darum, seine Bekanntschaft zu machen.

Nachdenklich sah er den jungen Mann an, der erneut krampfhaft versuchte, ein paar Zeilen im Buch weiterzukommen.

„Wieso liest du so viel?“

„Ich studiere Medizin. Erstes Semester!“

„Na Prima!“, schoss es aus Neal heraus. „Dann hast du ja noch zig Semester Zeit, um zu lesen. Und nun leg das verdammte Buch weg!“

Im nächsten Moment versuchte er, seinem Gegenüber das Buch aus der Hand zu nehmen, doch der hielt es verbittert fest.

„Lass mich in Ruhe!“, schimpfte er ungehalten. „Du spinnst wohl!“

Sie sahen sich an. Dass der junge Mann von seiner förmlichen Anrede abkam, fand Neal sichtlich amüsant.

„Was ist so komisch?“

„Also, entweder kommst du jetzt mit, einen Kaffee trinken, oder ich werde dich den ganzen Tag vollquatschen. Ohne Pause.“

Für einen kleinen Moment huschte ein Lächeln über das Gesicht des jungen Mannes, doch verschwand es schnell.

„Das ist Erpressung“, entgegnete er und seufzte tief. „Da kann ich mich wohl nicht wehren.“

Er klappte das Buch zu. Irgendetwas an Neals Art ließ ihn nicht mehr widersprechen. Dennoch fügte er hinzu: „Aber nur kurz. Und nur, wenn du mich danach in Ruhe lässt.“

 

Neal suchte einen Tisch im Schatten aus. „Lass uns hierher setzen.“

Der junge Mann nickte.

„Ich heiße übrigens Neal. Neal Anderson.“

Er streckte seiner neuen Bekanntschaft die Hand entgegen.

„Gero Steinert“, stellte der sich vor.

Kurz schüttelten sie die Hände. Als sie Platz genommen hatten, machte sich ein Schweigen breit. Neal entzündete eine Zigarette. Mit den übereinandergeschlagenen Beinen wirkte er wie ein Dandy.

„Rauchen ist ungesund.“ Gero starrte auf den Glimmstängel, als wäre er ein Todesbringer.

Neal lächelte. „What does not kill me, makes me stronger.“ Demonstrativ pustete er den Zigarettenrauch in Geros Richtung. Der verkniff sich einen Kommentar über die tatsächliche Schädlichkeit des Rauchens. Stattdessen runzelte er die Stirn.

„Engländer, ja?“ Neals Akzent war ihm aufgefallen. „Dafür kannst du gut Deutsch.“

„Ich bin zweisprachig erzogen und lebe schon lange in Deutschland!“, berichtete Neal. Beiläufig bestellte er zwei Kännchen Kaffee. Schelmisch sah er der Kellnerin hinterher.

„Sah süß aus, die Kleine.“

„Wer?“

„Na, die Bedienung!“, erklärte Neal. Durchdringend sah er Gero an, der gleichgültig mit den Schultern zuckte. „Ist mir nicht aufgefallen.“

„Dir scheint einiges nicht aufzufallen.“ Neal lehnte sich zurück. Gero wirkte verschlossen. Sein aggressives Verhalten war sicher eine Art Abwehrhaltung gewesen. Geschickt versuchte Neal, die Kommunikation zum Fließen zu bringen.

„Was machst du denn so in deiner Freizeit?“, fragte er. „Disco, Kino, Sport oder so?“

Gero zog die Stirn kraus. Seine verschränkten Arme vor dem Bauch signalisierten eine Ablehnung vor allem und jedem.

„Nein, solche Sachen mache ich nicht. Das ist doch kindisch.“

Neal lachte auf. Kindisch? Der Junge, der mit ihm am Tisch saß, war doch höchstens ...

„Wie alt bist du denn?“

„Ich werde zwanzig.“

Neal nickte. Schwer verkniff er sich ein Schmunzeln. Er ist also neunzehn. Was für ein wunderbares Alter ...

„Was ist daran witzig?“ Geros harscher Ton holte ihn in die Wirklichkeit zurück, und Neal versuchte, das Gespräch ernsthaft aufrechtzuerhalten.

„Nichts ist witzig.“ Er machte eine nachdenkliche Pause. „Du gehst nie weg?“

„Selten.“

„Und was sagt deine Freundin dazu?“ Neal ließ nicht locker. Er konnte nicht einmal nachvollziehen, warum sein Gegenüber erneut aus der Haut fuhr.

„Was denn für eine Freundin?“ Die Röte schoss Gero ins Gesicht. „Ich habe doch gar keine!“

Erstaunt hob Neal die Augenbrauen. „Hattest du denn schon mal eine?“

Da zuckte Gero zusammen. Er machte Anstalten, aufzustehen.

„Jetzt reicht es mir mit deinen unverschämten Fragen!“

Neal hielt ihn am Arm zurück.

„Hey, warte! War nicht so gemeint. Tut mir leid.“

Gero setzte sich widerwillig. Die Atmosphäre war gespannt.

„Dir müsste so einiges leidtun“, äußerte er sich. Er wirkte hilflos. „Seit Tagen nervst du mich. Und ich lasse mich auch noch darauf ein.“ Fassungslos schüttelte er den Kopf.

Neal schwieg einen Moment. Sein neuer Bekannter hatte recht. Er war aufdringlich gewesen. So etwas hatte er sonst gar nicht nötig. Vielleicht war er die Sache doch falsch angegangen?

Er nahm das Gespräch wieder auf.

„Ich wollte dich nicht bedrängen. Ich habe mir nichts dabei gedacht. Immerhin kannten wir uns schon aus dem Supermarkt.“

Gero erwiderte nichts. Er machte es Neal wahrlich nicht einfach. Und so schwiegen sie einige Minuten. Eine innere Leere hämmerte in Neals Kopf. Was sollte er tun? Wie sollte es weitergehen? Das konnte doch alles nicht so schwer sein?

„Was machst du denn am Wochenende?“, startete er einen erneuten Versuch. Auf keinen Fall wollte er diesen Traummann vergraulen.

„Ich habe nichts vor“, erwiderte Gero. Das war die Antwort, die Neal erwartet hatte. Sein Gesicht erhellte sich wieder.

„Dann können wir ja etwas zusammen unternehmen!“ Sein Herz schlug höher beim Gedanken daran. Bei Gero entfachte diese Vorstellung allerdings blankes Entsetzen.

„So war das nicht abgemacht“, erinnerte er an ihre Vereinbarung. „Wir wollten einen Kaffee zusammen trinken, und danach wolltest du mich in Ruhe lassen.“

„Ja, für heute“, beschloss Neal und zerschlug damit ihr Abkommen. „Wir können uns doch aber wiedersehen.“

Gero schüttelte den Kopf. Er wirkte verkrampft, sogar ängstlich. „Ich möchte das nicht.“

„Weißt du“, erwiderte Neal; und es klang freundlich und zugewandt, „nachdem, was du mir erzählt hast, gibt es viele Dinge, die du noch nie erlebt hast.“

„Vielleicht möchte ich diese Dinge ja gar nicht erleben.“

Gero sah sich um. Merkte er, dass er aus der verfänglichen Lage nicht mehr herauskam? Er tat Neal fast leid.

„Hier ist meine Visitenkarte“, sagte der somit und reichte Gero ein Kärtchen. „Am besten rufst du mich Freitag an und wir machen eine Uhrzeit für Samstag aus, okay?“

Gero nahm die Karte zögernd in die schmale Hand.

„Es ist nett gemeint“, fing er an, „aber ich habe wirklich keine Lust. Du hast bestimmt andere Freunde, mit denen du weggehen kannst.“

Neal rückte mit seinem Stuhl näher heran. Mit funkelnden Augen sah er Gero ins Gesicht.

„Ich will aber mit dir weggehen, verstehst du?“

„Ja, aber ...“ Gero geriet ins Straucheln.

„Nichts aber“, lenkte Neal sofort ein, und er war überrascht über seine bestimmenden Worte. „Ich verspreche dir, es wird ein netter Abend. Du solltest wenigstens ausprobieren, ob dir das Weggehen gefällt. Danach können wir immer noch diskutieren.“

Gero atmete angestrengt aus. Er war sichtlich überfordert mit der Situation.

„Ich weiß nicht, was ich sagen soll.“ Er schüttelte den Kopf.

„Du musst nichts sagen!“ Neals Stimme ertönte beruhigend. „Wir kriegen das hin.“

Doch plötzlich wandelte sich sein Ton, und er klang hart und kühl. „Denke aber nicht, dass du mich verarschen kannst. Wenn du nicht anrufst, werde ich dich an der Uni suchen und finden.“

Gero schluckte. War das eine Drohung?

„Okay, mal sehen.“ Er versuchte, zu lächeln, was ihm schwerfiel. Mit Schrecken sah er auf die Armbanduhr. „Ich muss los. Es ist spät.“

Verstört griff er in die Hosentasche, um ein Portemonnaie herauszuziehen. Neal schritt sofort ein.

„Ich bezahle“, sagte er forsch. „War nett mit dir zu reden.“

„Ach, ja?“, entgegnete Gero mit versteckter Ironie.

Doch Neal ließ sich nicht beirren. „Also, bis Freitag.“

Gero nickte zaghaft. Auf was hatte er sich eingelassen?

 

Francis schüttelte den Kopf, als sie von dem Erlebnis im Café erfuhr.

„Wie konntest du ihn so einschüchtern?“ Sie war erschüttert von dem Vorgehen ihres Bruders. „Er hatte doch gar keine Chance nein zu sagen.“

Neal nickte, fast so, als hätte er diese Entwicklung derartig geplant.

„Er wird auch nicht nein sagen. Er wird niemals mehr nein zu etwas sagen, solange ich es nicht will.“

Francis öffnete den Mund. „Was hast du denn vor?“

Ihr Bruder schmunzelte. „Lass das meine Sorge sein. Aber du wirst sehen: Bald wird er mir aus der Hand fressen.“

 

Gero nahm den Telefonhörer in die Hand, um die Nummer auf der Visitenkarte zu wählen, doch sogleich legte er den Hörer wieder ab.

Nein, er konnte dort unmöglich anrufen. Er wollte mit diesem Mann nichts mehr zu tun haben!

Und außerdem: Was sollte er seinen Eltern erzählen, wenn er plötzlich am Wochenende ausgehen würde? Das hatte er seit Jahren nicht mehr getan.

Aber eins war Gero klar. Würde er nicht anrufen, würde ihn der Mann weiter verfolgen.

Schließlich hatte er eine Idee. Zielsicher wählte er die Nummer auf der Visitenkarte.

„Ja, Anderson.“ Es meldete sich die ihm bekannte Stimme von Neal.

„Hier ist Gero ...“

„Ach, sieh an ... Schön, dass du anrufst. Hast du dir überlegt, wann wir uns treffen wollen?“

„Nein!“ Geros Stimme zitterte. „Deswegen rufe ich an. Ich kann morgen nicht. Mir ist etwas dazwischen gekommen.“ Es klang nicht überzeugend, und Neal schien auch in keiner Weise an diese Begebenheit zu glauben.

„Lüg mich doch nicht an.“

Eine kurze Pause folgte, in der Gero nichts einzuwenden wagte.

„Ich hole dich morgen Abend um acht Uhr ab, okay?“

„Nein, das geht nicht!“ Gero war außer sich.

„Klar geht das. Bis morgen.“

Am anderen Ende der Leitung wurde aufgelegt. Gero hörte das Freizeichen und dann legte auch er auf. Mit langsamen Schritten ging er in die Küche. Dort nahm er auf einem Stuhl Platz. In dem Moment kam seine Mutter die Treppe hinunter. Fragend sah sie ihren Sohn an:

„Mit wem hast du telefoniert?“

Gero erstarrte. „Mit niemandem ...“

„Aber ich habe es doch gehört!“

„Ach, das war ... ein Studienkollege. Wir wollen morgen ein Referat zusammen ausarbeiten.“

Seine Mutter kam die letzten Stufen der Treppe herab. Ihr Gesicht blieb nachdenklich.

„Ich dachte, du magst die Leute an der Uni nicht?“

Gero zuckte mit den Schultern. „Weiß nicht. Gegen den kann ich mich nicht wehren. Er ist aufdringlich und ... merkwürdig.“

Geros Mutter lachte und verschwand im Garten. Ihr Sohn blieb mit ernstem Gesicht sitzen. Was war los mit ihm?

Kapitel 2

Sein Herz klopfte wild. Seit einer Viertelstunde stand er am Küchenfenster und blickte hinaus. Der Zeiger der Uhr rückte auf acht Uhr abends, und Gero gab die Hoffnung nicht auf, dass Neal nicht kommen würde. Vielleicht hatte er seine Adresse im Telefonbuch nicht gefunden? Vielleicht hatte er es vergessen? War alles ein Scherz gewesen?

Doch plötzlich hielt ein roter Porsche vor dem Haus, und Neal stieg aus.

Gero hoffte, dass er nicht klingelte. Das Treffen sollte so wenig Aufsehen wie möglich erregen. Und tatsächlich: Neal blieb neben dem Auto stehen. Er sah heute anders aus. Sein Haar war gekämmt, seine Hose gebügelt, und er trug ein Jackett. Alles in dunklen Farbtönen. Es sah vornehm aus.

„Ich geh jetzt!“, rief Gero durch das Haus, ohne eine Antwort seiner Eltern abzuwarten. Er öffnete die Tür und betrat die Einfahrt, wo Neal wartete.

Gero hatte eine weiße Jeans an, und sein schwarzes T-Shirt war sorgfältig in die Hose gesteckt, was seine schlanke, knabenhafte Figur deutlich unterstrich. Neal konnte dem Anblick nicht lange standhalten. Er sah auf den Boden, bis sich Gero eine Jacke übergezogen hatte.

„Hallo“, sagte der, als er am Porsche angelangt war.

„Schön, dass du Zeit hast“, erwiderte Neal. Erst jetzt blickte er auf.

„Was machen wir?“, fragte Gero ohne Begeisterung. Er gab die Hoffnung nicht auf, dass das Date platzte, doch das Gegenteil geschah.

„Wir gehen in ein Restaurant, wenn du Hunger hast“, erwiderte Neal voller Tatendrang. „Danach sehen wir weiter.“

Gero stieg in den Wagen ein, obwohl er am liebsten umgedreht wäre. Bei dem Gedanken daran, den ganzen Abend mit Neal verbringen zu müssen, wurde ihm flau im Magen.

Innen musterte er den Porsche haargenau. Als sie eine Weile stillschweigend gefahren waren, konnte er seine Neugier nicht mehr bremsen.

„Wie kannst du dir so einen Wagen leisten?“

„Stell dir vor“, antwortete Neal, ohne von der Straße zu sehen, „ich arbeite.“

„Als Zuhälter?“

Neal schmunzelte. Dass Gero eine derartige Fantasie hervorbrachte, fand er amüsant.

„Ich bin Musiker“, stellte er klar. „Schon mal was von den Drowners gehört?“

Gero zuckte mit den Schultern. Er gab nicht zu, dass er sich in der Rock- und Popszene kaum auskannte.

„Ihr seid erfolgreich, wie es scheint.“ Es klang schnippisch, und Gero verbarg sein Erstaunen.

„In England hatten wir mit unseren bisherigen Alben ziemlichen Erfolg.“ Neal nickte zufrieden. „Wollen wir hoffen, dass es so bleibt, sonst kann ich mir derartigen Luxus auch nicht mehr leisten.“

Er hielt vor einem kleinen Restaurant. Als die beiden Männer eintrafen, wurde Neal freundlich empfangen. Er schien bekannt zu sein.

Nachdem sie eine Kleinigkeit bestellt hatten, kamen sie tiefer ins Gespräch.

„Du bist also Mitglied einer Band?“, fragte Gero verwundert. „Als was?“

„Ich bin Sänger.“

„Aha ...“

Geros Augen weiteten sich. Vorerst wagte er nicht, weiter nachzufragen. Und so sprachen sie über sein Studium und schließlich über die Arbeit, die Neal mit der Band hatte.

Gero wurde entspannter und offener, was Neal erfreute. Endlich konnte er ihm fortwährend in die Augen schauen, ohne dass es auffiel.

„Und du hast keine Geschwister?“

Gero schüttelte den Kopf. „Nein, aber das ist kein Problem für mich. Und du?“

„Ja“, antwortete Neal. „Ich habe zwei. Einen Bruder und eine Schwester.“ Bei dem Gedanken an Francis wurde ihm warm ums Herz, doch dafür hatte er an diesem Abend keinen Sinn.

„Meinen Bruder habe ich schon lange nicht mehr gesehen. Er lebt in England. – Ist auch besser so.“

„Ihr versteht euch nicht?“

„Nicht besonders.“ Neal nahm einen Schluck Wein aus seinem Glas.

„Apropos England“, lenkte Gero daraufhin ein. „Warum wohnst du in Deutschland?“

Neal lächelte, während er die Kellnerin an den Tisch winkte. Sie hatten inzwischen zu Ende gegessen. „Meine Eltern haben vor vielen Jahren expandiert. Sie leiten einen Modekonzern.“

Neal bezahlte. Als er aufstand, blieb Gero wie versteinert sitzen. Aber nicht, weil Neal ihn erneut eingeladen hatte, sondern weil ihm allmählich ein Licht aufging.

Ungläubig starrte er Neal an. „Sag nicht, dass du was mit Anderson Creation zu tun hast?“

„Ehm, doch.“

Gero machte ein verblüfftes Gesicht. „Diese Modefritzen sieht man nur im Fernsehen!“

Neal schmunzelte. Dass er seinen neuen Bekannten verunsicherte, nutzte er aus.

„Diese Leute sind meine Eltern. Und manchmal nervt es, in der Öffentlichkeit zu stehen.“ Er wandte sich ab. „Wollen wir weiterziehen?“

 

Bunte Reklameschilder blitzten auf. Eine Masse von Menschen tummelte sich auf den Gehwegen.

In der Stadt tobte das Leben.

„Lass uns hier reingehen.“ Neal deutete auf ein Spielkasino und im nächsten Moment standen sie neben Flippern, Billardtischen und Spielautomaten.

Neal besorgte zwei Billardqueues. Einen reichte er Gero an, doch der machte nur große Augen.

„Du kannst Billard spielen, oder nicht?“

„Also, um ehrlich zu sein ...“ Gero schüttelte den Kopf.

„Dann lernst du es.“ Neal zeigte sich geduldig. Mit sanfter Stimme erklärte er die wichtigsten Grundregeln, sodass sie mit dem ersten Spiel begannen.

Gero war bemüht und nahm alle Kritik seines neuen Bekannten entgegen. Neal versuchte sogar mit Absicht schlechter, als sonst zu spielen, um Geros Ehrgeiz nicht zu hemmen.

Sie spielten mehrere Partien, und die Zeit verflog.

Irgendwann beschloss Neal, aufzuhören, aber Gero protestierte. „Ach komm, ein Spiel noch. Du musst mir noch zeigen, wie ich die Kugeln vor dem ersten Anstoß richtig anordne.“

„Na schön.“ Neal nickte. Mit einem lässigen Gang und einer Zigarette im Mund stellte er sich neben Gero und zeigte auf die Kugeln.

„Die Gestreiften musst du abwechselnd neben die Bunten legen.“ Er deutete auf die richtigen Stellen, und Gero platzierte sie. „Und die Weiße muss hier hin ...“

Neal legte die helle Kugel zwischen die anderen. Dabei berührte er zufällig Geros Hand. Er zuckte zusammen, was Gero nicht bemerkte. Hastig nahm Neal Abstand und zog nervös an seiner Zigarette.

Als sie aufhörten, zu spielen, war die Uhr nach Mitternacht. Sie fuhren in eine Disco, woraufhin Gero sofort Bedenken bekam. Sie standen vor dem stadtbekannten Angel’s, das abends stets gut besucht war.

Neal fasste ihn am Arm. „Du wirst doch schon mal in einer Disco gewesen sein.“

„Ja, aber ...“ Es war lange her ... Kinder- und Jugenddisco; mehr fiel ihm dazu nicht ein ...

Er seufzte und folgte mit Widerwillen. Wenige Minuten später saßen sie an einem Tisch an der Bar. Das Publikum war im Durchschnitt 20 – 25 Jahre, die Musik aus allen Musikrichtungen zusammengestellt.

„Gehst du hier öfter hin?“, erkundigte sich Gero, während er sich umsah. Dass es solche anständigen Discos in der Stadt gab, hätte er nicht für möglich gehalten.

„Manchmal. Mit meiner Schwester oder Freunden.“ Neal lehnte sich über die Theke und bestellte zwei Bacardi-Cola.

„Alkohol?“ Geros Augen weiteten sich.

„Willst du Brause?“ Es klang, als machte sich Neal über ihn lustig, somit winkte Gero ab. „Nee, ist okay.“

Zaghaft nahm er einen Schluck aus dem Glas, dann ließ er sich von Neal auf die Tanzfläche ziehen. Nach einiger Zeit hatte er keine Hemmungen mehr, sich frei zu bewegen und zu tanzen.

Erschöpft ließ er sich schließlich auf einem Barhocker nieder.

„Ich brauche dringend eine Pause.“

Neal nickte. „Noch einen Drink?“

„Gern!“ Gero lächelte und erhob sich. „Du entschuldigst mich kurz?“ Er verschwand in Richtung der Herren-WCs.

Neal bestellte währenddessen zwei neue Getränke, da sprach ihn plötzlich jemand von der Seite an.

„Mensch, dich habe ich ja lange nicht gesehen!“ Neben ihm stand Carsten, ein Jugendfreund, dem Neal schon seit Jahren nicht mehr begegnet war.

„Ich habe gehört, du hast richtig Karriere gemacht. Glückwunsch!“

Neal nickte dankend. „Du wohnst also noch hier? Was machst du?“

„Ich arbeite in einer Kanzlei und nebenbei büffle ich für meine Doktorarbeit.“ Carsten rümpfte die Nase. Er sah nicht mehr so unbeschwert aus, wie früher. Erste Fältchen zierten sein Gesicht, und sein blondes Haar war dünner geworden. Er war ordentlich, mit Hemd, Sakko und Jeans gekleidet. Man konnte ihm ohne weiteres den Rechtsanwalt abnehmen. Doch seine penetrante Neugier von damals existierte noch immer.

„Was machen die Männer?“, fragte er und zwinkerte Neal zu.

„Nichts.“ Neal seufzte. „Tote Hose.“

„Ach, das kannst du mir nicht erzählen!“ Carsten grinste über das ganze Gesicht. „Hast du etwa unsere wilden Zeiten vergessen? Unsere Wetten, wer den besten Typen abschleppt?“

Neal winkte sofort ab. An diese verrückte Vergangenheit wollte er nicht mehr denken.

„Lass mich damit bloß in Frieden. Ich bin Familienvater. Ich mache so etwas nicht mehr.“

„Ach, du treibst es also immer noch mit deiner Schwester?“ Carsten schmunzelte. „Du bist und bleibst pervers. Aber das mag ich an dir.“ Sein Gesicht wurde nachdenklich. „Wollen wir uns nicht mal wieder treffen?“

Neal verdrehte die Augen. Dass Carsten ihn derart belagerte, passte ihm nicht. Er hatte keine Lust, die alte Freundschaft aufzufrischen. Zumindest nicht an diesem Abend.

„Lass mich heute in Ruhe, okay?“

Am Ende der Tanzfläche erschien Gero wieder. Neal wurde unruhig. Auch Carsten hatte Gero erblickt und seine Visage entgleiste.

„Du und keine Männer ... Denkst du, ich habe den Typen an deiner Seite nicht gesehen?“ Er wandte sich schwerfällig ab. „Na, dann noch viel Spaß!“

Neal atmete auf. Er wollte verhindern, dass Gero etwas von dem Gespräch mitbekam. Und der machte auch nicht den Eindruck, als hätte er Carsten gesehen. Fragend sah er auf die vollen Gläser, die auf dem Tisch standen.

„Was ist das lustiges?“

„Campari Orange“, erklärte Neal. Sorgfältig verfolgte er, wie Gero das Getränk probierte und daraufhin das Gesicht verzog. „Willst du mich vergiften?“

Neal sah in wunderschöne grün-blaue Augen und schien in ihnen zu versinken. Seine Antwort kam regelrecht abwesend über seine Lippen. „Das würde ich niemals wagen ...“

 

Sie tanzten, bis sich die Disco leerte. Lachend verließen sie das Angel’s. Draußen herrschte warme Luft und Sterne funkelten am klaren Himmel. Still schlenderten sie nebeneinander her.

„Ich brauche noch einen Kaffee“, äußerte sich Neal schließlich, „sonst kann ich unmöglich Auto fahren.“

„Oh.“ Gero kicherte ausgelassen. Offensichtlich war er Alkohol nicht gewohnt. „Wo willst du denn noch hin?“

„Abwarten.“

 

Nach ein paar Minuten stoppten sie vor einer Bar. Neal verschwand im Eingang, Gero folgte ohne Widerrede. Innen war die Bar mit Plüsch verkleidet. Die samtigen Sessel und Sofas verliehen dem Etablissement etwas Gemütliches. Das Licht war dezent.

Auffällig viele Männer waren hier. Neal bestellte zwei Kaffee, die zügig an ihren Tisch gebracht wurden. „Das geht auf Kosten des Hauses, Herr Anderson“, sagte der Kellner. Neal bedankte sich und winkte dem Mann hinter dem Tresen zu.

„Du scheinst die ganze Stadt zu kennen“, stellte Gero fest. Interessiert sah er sich um. Viele Männer in der Bar waren geschminkt. Einige tanzten zusammen auf der Tanzfläche. Gero deutete auf die Bühne.

„Kommt da noch Striptease oder so?“ Deutlich schwang eine Verunsicherung in seiner Stimme mit.

„Um diese Uhrzeit findet keine Show mehr statt, keine Angst!“

Neal klang dagegen ruhig. Vielleicht hätte er den Jungen nicht herbringen sollen?

„Ist das hier eine Schwulenbar?“ Gero bekam die Worte kaum über die Lippen, doch seine Vermutung bestätigte sich.

„Kann man sagen, ja.“ Neal nickte.

Gero blickte wieder auf die Tanzfläche. Gleich fragt er, ob ich schwul bin, durchschoss es Neals Gedanken, doch Gero schwieg. Überhaupt schien er naiv, was diese Sache anging. Als ahnte er in keiner Weise, was Neal von ihm wollte.

„Sollen wir woanders hingehen?“, erkundigte sich der infolgedessen.

„Nein, ist in Ordnung.“ Gero lächelte verschämt. „Es ist nur ... Ich habe so etwas noch nie gesehen, weißt du?“

Neal nickte verständnisvoll. Ja, er spürte regelrecht Mitleid mit dem Jungen. Hatte er ihn zu sehr verunsichert?

Aber schon bald schien sich Gero damit abgefunden zu haben und wurde gesprächiger. Sie unterhielten sich über alles Mögliche, nur das Thema Homosexualität klammerten sie aus. Als Gero das erste Mal gähnte, sah Neal auf die Uhr. Es war vier Uhr in der Frühe.

„Ich glaube, wir schließen die Runde für heute, was?“

Gero stimmte zu. Sie verließen die Bar.

Auf dem Rückweg sprachen sie fast kein Wort. Zu anstrengend waren die letzten Stunden für Gero gewesen, und dennoch war er erleichtert, dass der Abend so unverhofft gut verlaufen war.

Mit quietschenden Reifen hielt Neal vor dem Haus der Steinerts. Sie stiegen aus.

„Danke, dass du mich zurückgefahren hast“, sagte Gero.

„Kein Problem“, antwortete Neal. Er kam bis zur Haustür mit. Dort machten sie halt.

„Hat dir denn der Abend gefallen?“

Gero nickte. „Hab mich lange nicht mehr so amüsiert.“

„Das war auch Sinn der Sache.“ Neal lächelte. Eine Haarsträhne fiel ihm seitlich ins Gesicht. „Also, dann“, fuhr er fort, „schlaf gut.“

Sie sahen sich an.

Und schließlich kam Neal auf Gero zu. Er legte die Hände auf dessen Hüften und führte sie langsam höher. Er tastete Geros Rippen, seine angespannten Muskeln, seine Brust und er spürte, dass Gero bei den Berührungen zusammenzuckte und die Augen schloss. Neal beugte sich vor und küsste ihn auf die Wange.

Dann ließ er von ihm ab und ging zurück zum Auto. Gero blieb wie versteinert stehen. Erst, als Neal am Wagen angelangt war, riss er die Augen auf und kam hinterhergerannt.

„Halt! Warte! Wann sehen wir uns denn wieder?“, rief er, doch der Motor war längst angesprungen, und der Wagen fuhr davon. Gero blieb an der Gartenpforte stehen. Sein Herz pulsierte wild. Vorsichtig hob er die Hand und berührte seine Wange.

„Er hat mich geküsst“, sagte er leise. „Er hat mich einfach geküsst.“

Kapitel 3

Gero lag im Bett. Stundenlang hatte er an die Decke gestarrt. Geschlafen hatte er so gut wie gar nicht. Er sah sich erst um, als seine Mutter ins Zimmer trat.

„Möchtest du zum Frühstück kommen?“

Gero nickte. „Sofort.“

Seine Stimme klang schwach. Unentwegt dachte er an den gestrigen Abend. Was war da passiert?

Am Frühstückstisch machte er erst recht kein zufriedenes Gesicht.

„War es nicht gut gestern?“, erkundigte sich sein Vater.

„Doch.“ Gero bekam kaum die Zähne auseinander. Am liebsten hätte er sich über den gestrigen Abend ausgeschwiegen. „Nur zu wenig Schlaf.“

„Ist ordentlich spät geworden.“ Sein Vater lachte, woraufhin Gero erschrocken aufsah.

„Seid ihr wachgeworden, als ich nach Hause gekommen bin?“

Seine Mutter zuckte mit den Schultern. „Na ja, der Wagen deines Freundes ist nicht leise.“

„Freund? Wieso Freund?“ Gero geriet außer sich, sodass sich seine Mutter verbesserte:

„Dann eben dein Studienkollege oder wie man das nennt.“

Gero atmete auf. Er wollte sich nicht vorstellen, dass seine Mutter beobachtet haben könnte, wie Neal ihn geküsst hatte. Wie peinlich wäre das gewesen ...

 

Am Montagmorgen fühlte sich Gero nicht besser.

„Musst du nicht zur Uni?“ Frau Steinert holte ihn aus wirren Gedankengängen in die Realität zurück. Er nickte zögernd. „Doch. Ich geh gleich.“

Seufzend goss er sich eine weitere Tasse Kaffee ein. Das machte seine Mutter stutzig. Ihr Sohn war sonst der Erste, der das Haus verließ und derartige Unmengen von Kaffee konsumierte er selten.

„Ich glaube, ich bleibe heute doch hier“, äußerte sich Gero daraufhin. Er lehnte sich zurück und blickte genervt an die Decke. Der Samstagabend lag ihm schwer im Magen. „Mir ist schlecht.“

„Kein Wunder, wenn du so viel Kaffee trinkst.“ Demonstrativ deutete Frau Steinert auf die leere Kaffeekanne, doch Gero verzog das Gesicht. Er wollte in Ruhe nachdenken.

 

In Francis’ Wohnung sah es aus, als hätte eine Bombe eingeschlagen. Auf dem Boden lagen Bonbons, Buntstifte und Stofftiere. Nicholas’ letzter Tag im Kindergarten war vorbei. Bald würde die Schule für ihn beginnen. Seine Eltern saßen erschöpft auf dem Sofa und sahen ihrem Sohn beim Spielen zu.

Besonders Neal sah zufrieden aus.

„Ein Geschwisterchen für Nicki wäre nicht übel, oder?“ Er sah Francis schmunzelnd an, doch sie blieb ernst.

„Du willst noch ein Kind?“

„Warum nicht?“

Francis schüttelte heftig mit dem Kopf. „Diese ganze Aufregung noch einmal?“ Ihr Gesicht wurde blass. „Jeder wird wieder fragen, wer der Vater ist. Und dann die ständige Angst, dass das Kind nicht gesund sein könnte. Nein, das kann ich nicht.“

„Du hast recht.“ Neal legte einen Arm um seine Schwester und drückte sie an sich. „Wie wäre es mit Adoption?“

Francis seufzte. „Ich möchte ein Kind von dem Mann, den ich liebe. Und das bist du. Und das Problem ist, dass du mein Bruder bist.“ Energisch stand sie auf. „Lassen wir die Diskussion.“

Sie kämpfte mit den Tränen. Oftmals war diese Situation schwer für sie. Doch sie riss sich zusammen und lenkte vom Thema ab:

„Wie läuft es denn mit Gero?“

„Ich weiß nicht.“ Neal zuckte mit den Schultern, woraufhin sie sich wieder setzte.

„Heißt das, ihr habt euch seit dem Wochenende nicht gesehen oder gesprochen?“

Neal schüttelte den Kopf.

„Du hast dich seit drei Tagen nicht mehr bei ihm gemeldet?“ Francis war fassungslos. „Du hast ihn geküsst! Du wirst ihn verwirrt haben!“

Die Anschuldigungen seiner Schwester beeindruckten Neal jedoch wenig.

„Er braucht Zeit“, erklärte er sein Verhalten. „Glaub mir, ich weiß, was ich tu.“

Francis lachte. „Ich glaube, du wirst ihn bald wieder los sein, wenn du so weitermachst!“

 

Am Mittwochmorgen fuhr ein junger Mann mit dem Fahrrad an Neals Haus entlang. Er hielt vor dem Tor, das die Einfahrt versperrte. Am Klingelknopf stand: N. L. Anderson.

Gero nickte zufrieden. Er war richtig hier. Prüfend sah er das Haus an. Es war weiß, modern und großflächig. Es hatte viele Fenster, eine Tiefgarage und war von Büschen und Bäumen umgeben. Plötzlich liefen die Doggen auf ihn zu und machten halt vor dem Zaun. Ihr Gebell dröhnte in seinen Ohren.

Am Haus öffnete sich die Tür, und ein Mann mittleren Alters, in Anzug gekleidet, sah Gero fragend an.

„Kann ich Ihnen helfen?“

„Nein, nein!“ Gero nahm das Fahrrad und fuhr zur anderen Straßenseite.

 

Es klopfte gegen Neals Schlafzimmertür. Ralph, der Butler, sah herein.

„Sir? Ich muss Sie stören ...“

Neal erwachte nur langsam. Am Abend zuvor hatte er Stunden im Musikstudio verbracht. Danach war er so aufgewühlt gewesen, dass er erneut zu Schlaftabletten greifen musste. Völlig verstört drehte er sich um. „What’s wrong?“

„Ein junger Mann schleicht seit heute Morgen ums Haus. Ich habe gefragt, was er möchte, doch er sagte nichts. Jetzt sitzt er auf der anderen Straßenseite und schaut herüber. Ich dachte, es interessiert Sie vielleicht?“

Neal strich sich die Haare aus dem Gesicht und richtete sich auf. „Vielen Dank.“

Als er die Lamellen der Jalousie auseinanderschob und hindurchblickte, sah er Gero, der auf einer Bank saß und das Haus beobachtete. Neal grinste zufrieden.

„Das ist in Ordnung“, sagte er zu Ralph gewandt. „An ihn müssen Sie sich gewöhnen. Es wird nicht mehr lange dauern und dieser Mann wird hier im Haus ein- und ausgehen.“

„Verstehe, Sir!“ Ralph verließ schmunzelnd das Zimmer.

 

Auch am nächsten Morgen beobachtete Gero das Haus, doch nichts tat sich dort. Und Neal war definitiv nicht weggefahren, denn der Porsche stand in der Einfahrt.

Was mache ich hier eigentlich?, überlegte er. Was will ich hier?

Er seufzte. Dass Neal sich nicht bei ihm gemeldet hatte, wurmte ihn. Er konnte an nichts anderes denken. Dabei hatte er so viele Fragen, die dringend eine Antwort verlangten.

Gegen Mittag nahm er sein Fahrrad und fuhr davon.

Neal hatte unbemerkt am Fenster gestanden und ihn beobachtet.

 

Es war am Nachmittag, als Gero in seinem Zimmer saß und seine Mutter ihn rief.

„Ich glaube, da ist Besuch für dich!“

Gero stürmte die Treppe hinab und eilte in die Küche. Frau Steinert stand am Fenster. Draußen erblickte er den roten Porsche. Am Auto lehnte Neal, der eine Zigarette rauchte. Ohne seiner Mutter eine Erklärung abzuliefern, wandte sich Gero der Garderobe zu und ergriff eine Jacke. „Dann gehe ich kurz!“

„Viel Spaß!“, rief Frau Steinert hinterher. Ihr Sohn antwortete nichts. Ob ihn Spaß erwartete? Neals plötzliches Auftauchen irritierte ihn. Er trat auf den Porsche zu.

„Hallo“, sagte er. Mehr kam nicht über seine Lippen.

„Hi!“ Neal sah nicht auf, als er grüßte. Er wirkte sogar desinteressiert, was Gero zuerst verunsicherte.

„Steig ein!“, forderte Neal, und er deutete auf den Wagen. „Lass uns woanders hinfahren.“

Gero nickte. Es war ihm recht, das Gespräch an einer anderen Stelle fortzuführen.

 

Als sie die Wohngegend verlassen hatten und auf dem Weg ins Grüne waren, brach Gero das Schweigen.

„Wieso hast du dich denn nicht mehr gemeldet?“ Es klang vorwurfsvoll.

Neal zuckte mit den Schultern. „Du hast dich ja auch nicht gemeldet.“

Gero schluckte. Er schwieg daraufhin. Hatte er etwas falsch gemacht?

Neal fuhr auf einen Parkplatz am Waldrand. Die Sonne schien, und die Waldwege luden zu einem Spaziergang ein.

„Hast du Lust, zum See zu gehen?“, erkundigte sich Neal.

Gero nickte still. Sie stiegen aus und schlenderten nebeneinander her.

Je näher sie dem Ufer kamen, desto steiler wurde der Weg. Die Tage zuvor hatte es kräftig geregnet, und der Boden glänzte feucht.

„Pass auf!“, warnte Neal. „Es ist rutschig hier.“

Er reichte Gero eine Hand. Der blieb stehen und zögerte.

„Ich beiße nicht!“, versicherte Neal. Einladend winkte er Gero zu sich. Zaghaft nahm der Neals Hand. Dann gingen sie weiter.

Der Weg war tatsächlich rutschig und feucht, doch plötzlich kamen sie an eine sonnendurchflutete Lichtung, in der sich ihnen eine trockene Rasenfläche bot.

Da blieb Neal stehen. „Ist das nicht schön hier?“

„Mhm.“ Mehr brachte Gero nicht heraus. Er war noch immer aufgewühlt. Dass Neal ihn besuchte, damit hatte er nicht gerechnet ... und nun berührten sie sich. Das bereitete ihm Unbehagen. Vorsichtig löste er sich von Neals Hand und sie setzten sich ins Gras, um zu plaudern.

„Was macht die Uni?“, erkundigte sich Neal sofort.

---ENDE DER LESEPROBE---