Dein Glück hat mein Gesicht - Justin C. Skylark - E-Book

Dein Glück hat mein Gesicht E-Book

Justin C. Skylark

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Beschreibung

Neal Anderson ist auf dem Weg zum musikalischen Erfolg und hat eine Affäre nach der anderen. Immer wieder erobert er fremde Männer, doch aus Angst vor Gefühlen, lässt er keine feste Beziehung zu. Die eigentlichen Probleme beginnen allerdings erst, als Neal feststellt, dass seine 15- jährige Schwester Francis in ihm verbotene Lust hervorruft. Als sie seine Gefühle erwidert, gelangen die Geschwister in den Teufelskreis einer verbotenen Liebe. Doch da ist auch der hübsche André, zu dem sich Neal ebenfalls hingezogen fühlt.

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Seitenzahl: 228

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Dein Glück hat mein Gesicht
Impressum
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
6. Kapitel
Epilog
Informationen
Übersicht der Neal Anderson-Reihe.

Dein Glück hat mein Gesicht

von

Justin C. Skylark

Impressum

© J.C.Skylark, 3. Auflage 2021

Independently published

www.jcskylark.de

@the author

Kätnersredder 6 b

24232 Schönkirchen

Coverdesign: Daylin Art (www.daylinart.webnode.com)

Bildrechte: 123rf.com



Dein Glück hat mein Gesicht

Neal Anderson Band 2

1. Kapitel

Francesca Anderson, von den meisten Francis genannt, stand nach Schulschluss an der Bushaltestelle. Aufgeregt tauschte sie mit ihren Freundinnen Ruth und Lissy die Erlebnisse des Tages aus, als eine alte, amerikanische Corvette mit eingeklapptem Cabriodach auf den Parkplatz fuhr. Der Lack des schwarzen Wagens glänzte in der heißen Mittagssonne. Aus dem Auto stieg ein Mann Anfang zwanzig. Er war groß gewachsen und gertenschlank. Sein kinnlanger Pony hing ihm seitlich ins schmale Gesicht. Als er zu den Mädchen herübersah, nahm er seine Sonnenbrille ab. Lissy erblickte ihn als Erste. Vorsichtig stupste sie Francis an.

„Hey, ich glaube, du wirst abgeholt.“

Nun hatte auch Francis den jungen Mann bemerkt. Verlegen griff sie nach ihrer Schultasche. „Tatsächlich!“ Sie verabschiedete sich.

Als sie auf die Corvette zusteuerte, lächelte der Mann. Er begrüßte sie mit einem Kuss auf die Stirn und nahm ihr die Tasche ab. Schließlich fuhren sie mit dem Auto davon.

„Mann“, stöhnte Lissy. „Francis hat es gut. Mein Bruder holt mich nie von der Schule ab.“

***

Neal nahm die Landstraße. Jeden Tag ärgerte er sich über den Weg zu seinem Elternhaus. Er hätte lieber in der Stadt gewohnt, doch konnte er sich nicht lösen – von dem Leben auf dem Land. Der Fahrtwind durchwühlte sein Haar. Er blickte zu seiner Schwester und rümpfte er die Nase.

„Du solltest nicht so kurze Röcke tragen“, entwich es ihm. Francis, die ihr langes Haar zu einem Zopf gebunden hatte, sah ihren Bruder verwundert an. „Wieso nicht?“

Musste er das erklären? „Man sieht doch alles“, erwiderte er. Während er mit der linken Hand das Steuer hielt, zog er mit der rechten an dem Stoff ihres Rockes, sodass ihre Oberschenkel bis zu den Knien bedeckt waren. Francis lächelte vergnügt.

Eine halbe Stunde später lenkte Neal den Wagen auf den Hof der Andersons. Der Gärtner nahm ihm die Autoschlüssel ab und brachte das Auto in die Garage.

„Wie war es an Uni?“, fragte Francis, während sie mit ihrem Bruder zum Hauseingang schlenderte. Neal zuckte mit den Schultern. War es ihm egal, wie es um sein Architekturstudium stand? „Ich war nicht da“, offenbarte er.

Francesca stutzte. „Nein?“

Neal blieb stehen. Ein verschmitztes Lächeln machte sich auf seinem Gesicht breit. Sollte er es erzählen?

„Unser Demotape ist fertig!“ Seine Augen strahlten vor Freude. Francis kannte diese Begeisterung in seinem Gesicht, die sich auftat, wenn Neal von seiner Musik und seiner Band The Drowners sprach.

„Oh, das freut mich“, erwiderte sie entzückt, woraufhin sie Neal zurechtwies. „Nicht so laut“, bat er. „Mum soll nicht erfahren, dass ich nicht zur Uni war.“

Am Abend saßen sie zusammen in feiner Gesellschaft. Ihre Eltern Stephanie und Peter Anderson, die das Mode-Unternehmen Anderson-Creation leiteten, hatten Freunde und Geschäftsleute zu einer Grillparty eingeladen. Das Hauptthema des Abends war die neue Anderson-Kollektion.

„Wirklich edle Stoffe, die Sie ausgewählt haben“, lobte eine Frau am Tisch. Sie war seit Jahren als Schneiderin in der Firma tätig und hatte schon viele Stücke der vorherigen Kollektionen angefertigt. Stephanie stimmte ihr zu. „Die meisten Materialien stammen aus Indien. Die Verarbeitung der Stoffe ist einfach und dennoch ...“

„Will noch jemand eine Wurst?“, schrie Neal unerwartet in die Runde. In gelassener Haltung stand er vor dem Grill. Er hatte das Hauspersonal weggeschickt und wendete gemütlich das Fleisch. Er schmunzelte, da seine Mutter das Gesicht verzog. War ihr der Zwischenruf peinlich?

Momentan bestand kein Bedarf an Grillfleisch. Neal legte die Zange beiseite und steckte genüsslich eine Zigarette an, dabei beobachtete er, wie Stephanie ihre Tochter ins Haus schickte.

„Kann ich nicht noch einen Augenblick bleiben?“, flehte Francis. Der vornehme Kreis von Leuten sagte ihr zwar nicht zu, dennoch hätte sie gerne noch länger auf der Terrasse gesessen. Aber Stephanie machte keine Ausnahme, und so verließ ihre Tochter die Runde und verschwand in ihrem Zimmer.

Sie lag im Bett, als es an ihrer Tür klopfte und kurz darauf ihr Bruder ins Zimmer sah.

„Sei nicht sauer“, sagte er und trat vor ihr Bett. Doch Francis zog die Mundwinkel nach unten. Sie war ein zierliches Mädchen mit langen, braunen Haaren. Ihre Augen waren hellgrün, ihre Gesichtszüge fein geschwungen.

„Immer muss ich früh schlafen gehen.“ Sie schielte auf den Wecker. Es war 23 Uhr. „Ich möchte länger aufbleiben.“ Neid klang in ihrer Stimme mit. Unzufrieden sah sie ihren Bruder an. „Du darfst immer lange wach bleiben oder weggehen, bis zum Morgengrauen.“

Neal lächelte und setzte sich zu ihr an die Bettkante.

„Du bist erst fünfzehn“, erwiderte er. Gut konnte er sich erinnern, wie ihre Mutter damals reagiert hatte, als er mal länger als besprochen unterwegs gewesen war.

„Und ehrlich“, fügte er mit einem Augenzwinkern hinzu, „haben dich die Schnösel da unten interessiert?“

Francis schüttelte den Kopf.

„Siehst du!“ Neal knuffte ihr in die Seite. Um sie aufzumuntern, machte er einen Vorschlag:

„Am Wochenende unternehmen wir was zusammen, okay? Kino oder Bummeln.“

„Oh, ja!“ Francis fiel ihm um den Hals. Ihr Körper war warm, und Neal spürte das Verlangen, sie an sich zu drücken. Doch er bemerkte ebenfalls Unbehagen. „Nicht so stürmisch, sonst überlege ich es mir anders.“ Er schob sie von sich und hauchte einen Kuss auf ihre Stirn. „Schlaf schön.“

„Du auch!“ Francis streckte sich im Bett aus. Lächelnd sah sie ihren Bruder an, der aufstand, das Haar aus dem Gesicht strich und den Kopf schüttelte.

„Ich werde noch nicht schlafen. Ich gehe aus – bis zum Morgengrauen.“

Da griff Francis nach einem Kissen und warf es ihm an den Kopf. Lachend verließ er das Zimmer.

***

Ihr Schlaf war unruhig und als sie Schritte auf der Treppe vernahm, richtete sie sich auf. Neal war zurückgekehrt. Sie hörte, wie seine Zimmertür geöffnet wurde. Sie berührte die Klappen der Durchreiche, die ihr Zimmer mit dem ihres Bruders verband.

Sie öffnete die Klappen nur einen Spalt, doch das reichte aus. Sie sah, was sich im Nebenraum abspielte. „Sei ruhig“, zischte Neal.

„Wie soll ich ruhig bleiben, wenn du mich ...“

Neugierig blickte sie durch den Spalt, und sie sah Neal, der einen fremden Jungen auf das Bett schubste und sich das T-Shirt vom Körper riss.

„Hose runter!“, forderte er energisch. Er wirkte angespannt und ungeduldig, und der Junge tat, was er verlangte. Er streifte die Hose bis zu den Füßen herunter und legte sich aufs Bett. Ohne Vorspiel drehte Neal den Mann auf den Bauch.

Aus dem Nachtschrank fischte er eine Tube Gleitgel und ein Kondom, dann bereitete er seinen Begleiter vor und schob sich auf ihn.

Der Junge stöhnte, sodass Neal ihn erneut ermahnte. „Ruhe habe ich gesagt.“

„Ich kann nicht anders.“ Der Fremde japste. Neal nahm ihn schnell und fordernd.

Francis konnte sein angestrengtes Gesicht sehen. Tiefes Atmen war zu hören. Das Bett knarrte bei seinen rhythmischen Bewegungen. Ihr wurde übel, als sie das sah. Rasch drehte sie sich von der Durchreiche weg und verkroch sich unter der Bettdecke.

„Kann ich heute Nacht hier schlafen?“, fragte der Fremde. Neal schüttelte verneinend den Kopf. Er kannte diese Frage gut. Jeder stellte sie, doch für Neal gab es nur eine Antwort.

„Dann schmeißt du mich jetzt raus?“

„Kann man sagen.“

Der Fremde schien enttäuscht. Doch bereitwillig zog er sich an.

„Na gut, dann ... bis zum nächsten Mal.“

„Es wird kein nächstes Mal geben“, erwiderte Neal forsch. Er riss das Laken vom Bett. „Hättest du nicht besser aufpassen können? Ich hasse Spermaflecken.“ Wütend ballte er das Laken zusammen. Warum tat er sich das an?

„Ich konnte mich nicht zurückhalten, so wie du mich ...“

„Das reicht jetzt ...“ Neal deutete zur Tür.

***

Am nächsten Morgen hatte Neal den Vorfall erfolgreich aus seinem Kopf verdrängt, und es war seine Mutter, die ihn bewusst an sein nächtliches Treiben erinnerte.

„Hattest du gestern noch Besuch?“, fragte Stephanie Anderson am Frühstückstisch.

„Nein.“ Neal log, ohne rot zu werden. Wie immer, wenn es um seine homosexuelle Neigung ging, versuchte er, die Anschuldigungen abzustreiten. Obwohl er sich vor Jahren geoutet hatte, konnte er mit seiner Mutter nicht offen über die Angelegenheit reden.

„Mir war, als hörte ich Stimmen.“ Stephanie runzelte die Stirn, und Neal verfluchte zum wiederholten Mal, dass das Schlafzimmer seiner Eltern in derselben Etage lag wie seins. Doch seine Mutter vertiefte das Thema zum Glück nicht, sodass sich Neal seufzend seiner Schwester zuwandte. „Bist du fertig?“

Francis nickte. Sogleich schaltete sich Stephanie wieder ein. „Fährst du sie zur Schule?“

Neal zuckte mit den Schultern. „Yes.“

„Es fährt ein Schulbus“, erwiderte sie, doch Neal ließ sich nicht abhalten.

„Ich fahre sie gern. Ich muss sowieso zur Uni.“ Zusammen mit seiner Schwester verließ er das Haus.

„Langsam muss das ein Ende nehmen“, entwich es Stephanie. Da sah Peter von der Zeitung auf. „Was denn?“

„Dass er sie immer zur Schule fährt. Und nicht nur das. Er holt sie ab, hilft ihr bei den Hausaufgaben, geht mit ihr ins Kino ...“

Peter Anderson, in einen dunkelgrauen Anzug gekleidet, schien diese Gegebenheit nichts auszumachen. „Ist doch schön, wenn die beiden sich gut verstehen.“

Aber Stephanie blieb nachdenklich. „Ich weiß nicht. Mir gefällt das nicht.“

***

Neals Freund Richard war aufgeregt. Seit Jahren spielten sie in der Band zusammen, doch bisher hatte sich kein Erfolg eingestellt. Die Auftritte bei Schul- oder Stadtfesten befriedigten sie längst nicht mehr. Nun standen sie in ihrem Übungsraum - ein umgebauter Kellerraum von Richards Eltern - und starrten auf einen Haufen CD-Rohlinge.

„Ich werde die gleich zwanzig Mal kopieren“, beschloss Richard. In seinen Händen hielt er ein Demotape. „Morgen schicke ich sie an alle Plattenfirmen, die es weit und breit gibt.“

Neal nickte zufrieden. Er sah Richard an und spürte Dankbarkeit. Richard hatte immer zu ihm gestanden. Er hatte sich zu jeder Zeit eingesetzt, wenn es für die Band von Vorteil war. Die anderen Bandmitglieder machten nicht minder gute Musik, aber sie konnten nicht komponieren, nicht organisieren. Sie hatten nur das umgesetzt, was Richard und Neal ihnen vorgesetzt hatten. Neal wusste: Ein Erfolg wäre einzig Richards und sein Verdienst gewesen. „Tja, dann ist es soweit“, sagte Neal. Es klang nostalgisch und mit seinen schlanken Fingern griff er das Demotape und sah es hoffnungsvoll an.

„Sag den anderen nichts davon.“ Er grinste, was Richard zufriedenstellte.

„Du glaubst an unseren Erfolg, ja?“ Seine Augen leuchteten hinter der runden Brille, und Neal stimmte zu. Er glaubte an sich und die Band. „Mach noch zehn Kopien mehr und schicke sie ins Ausland, nach England.“ Er atmete durch. „Wir müssen es bis England schaffen. Wir müssen gleich professionell anfangen.“

***

Nach Schulschluss schlenderte Francis mit ihrer Freundin Ruth zur Bushaltestelle. Sie hielten inne, da sie die Corvette sahen. Neal lehnte gegen den Wagen und wartete.

„Mensch, dein Bruder sieht so gut aus. Hat der eigentlich eine Freundin?“, wollte Ruth wissen. Sie gingen weiter, aber Ruth ließ es sich nicht nehmen, Neal anzustarren. Francis war nicht überrascht, dass ihr Bruder sie abholte, doch sie musste die Begeisterung ihrer Freundin bremsen.

„Er hat nichts Festes, soweit ich weiß. Aber du brauchst dir keine Hoffnungen machen. Wenn Neal mit Frauen ausgeht, dann nur für einen Abend.“ Sie dachte an die vielen Models der Firma, mit denen Neal irgendwelche Techtelmechtel angefangen und genauso schnell beendet hatte.

Irgendwie war Francis froh darüber. Ruth verzog das Gesicht vor Enttäuschung. Sie blieb an der Bushaltestelle zurück, während Francis zu ihrem Bruder ins Auto stieg und beide davonfuhren.

Später saßen sie in einem Eiscafé. Neal setzte eine schwarze Sonnenbrille auf. Er fixierte seine Schwester, die planlos in ihrem Eisbecher herumstocherte.

Viel Ähnlichkeit hatten die Geschwister nicht miteinander, bis auf die dunklen Haare und die schlanke Figur.

Neals Augen waren blau, sein Gesicht schmal und markant. Es verlieh ihm ein verführerisches Aussehen, was er durchaus auszunutzen pflegte.

Francis war ein zierliches Mädchen mit grünen Augen und mädchenhafter Ausstrahlung. Sie war für ihr Alter allerdings groß gewachsen und in keiner Weise naiv in ihrem Auftreten.

Vergnügt lächelte sie ihren Bruder an und schob ihm einen Löffel mit Eis in den Mund.

„Hallo Francesca!“, rief plötzlich jemand. Ein schlaksiger Junge überquerte die Straße. Sein Outfit war der Jahreszeit angepasst, er trug kurze Shorts und ein weites Hemd. Seine schwarzen Haare waren zu einem Zopf gebunden. Er wirkte älter als Francis. Trotzdem schienen sie sich zu kennen. Neals Neugier war geweckt.

Der Junge kam an ihren Tisch und umarmte Francis stürmisch.

Sie lächelte verschämt und vergaß ihr Eis. „Hallo Charlie. Was machst du denn hier?“

„Etwas bummeln“, erwiderte der Junge. Er lächelte zufrieden. Dann sah er Francis erwartungsvoll an. „Kommst du heute zur Schuldisco?“

Francis zögerte, als hätte sie sich zuvor noch keine Gedanken darüber gemacht. Bevor sie etwas äußerte, antwortete Neal.

„Sie wird nicht kommen“, sagte er mit ruhiger Stimme, doch es klang nach einer unverrückbaren Feststellung. „Und nun zieh Leine!“ Auffordernd sah er Charlie an.

Der reagierte nicht, bis Neal seine Forderung wiederholte: „Verschwinde, habe ich gesagt!“

Neal erhob sich. Er überragte den Jungen, wenn auch nicht viel, und trotz seiner schlanken Figur, strahlte er eine Bedrohung aus, der Charlie unmöglich standhalten konnte.

Neal trug noch immer eine Sonnenbrille, aber Francis erkannte dahinter das wütende Funkeln seiner Augen.

„Okay!“ Charlie hob resignierend die Hände. Er verabschiedete sich und verschwand. Gelassen setzte sich Neal zurück an den Tisch.

„Du kannst mir doch nicht verbieten, mich mit Freunden zu treffen.“ Francis klang erbost. Eine derartige Reaktion hatte sie bei ihrem Bruder noch nie zuvor erlebt. Doch der blieb in seiner Meinung verbissen. „Klar kann ich dir das verbieten.“

Er sah weg und zischte: „Mum hätte dir das mit der Schuldisco ohnehin nicht erlaubt.“

Er dachte an die Partys, die er zu seiner Jugendzeit besucht hatte. Unmöglich wollte er sich vorstellen, dass seine Schwester derartige Feste besuchte.

„Wer war das denn überhaupt?“, fragte er.

„Ein Austauschschüler“, antwortete Francis. Sie verzog das Gesicht. Die Lust an dem Eis war ihr vergangen.

„Okay“, fügte Neal hinzu. „Falls er dich anmacht, sagst du es mir, ja?“

Sie nickte still.

***

In der Stadt gab es mehrere Clubs und Diskotheken, die Neal regelmäßig besuchte. Darunter den Fresh-Club, den er zu seinen nächtlichen Stammkneipen zählte. Im Fresh-Club gingen homosexuelle Männer ein und aus, und dennoch war der Laden ein Insider-Tipp. Neal kannte dort einige Leute, dort fühlte er sich sicher und unbeobachtet.

Schon vor Jahren war ihm klar geworden, dass er eine homosexuelle Neigung hatte. Als er anfing, sie auszuleben, wurde er allerdings maßlos enttäuscht. Zurück blieb ein bitterer Beigeschmack, und Neal hätte sich gerne von diesem „Laster“ befreit.

Doch sein Körper schrie nach Abenteuern. Wenn er ihnen nicht nachging, kamen sie in seinen Träumen.

Er spürte, dass es zwei Seiten in ihm gab. Die eine, mit der er am liebsten abgerechnet hätte und die andere, die es ständig darauf anlegte. Trotzdem gab er sich wachsam.

Er leerte sein Glas, steuerte auf die Tanzfläche zu und tanzte. Seine graue Cordhose reichte nur knapp über die Hüften, die er affektiert zum Takt hin- und herschwang. Immer, wenn er die Arme anhob, rutschte sein eng anliegendes T-Shirt nach oben und ließ seinen flachen, nackten Bauch zum Vorschein kommen. Er liebte es, aufzufallen und im Mittelpunkt zu stehen.

Er wusste, dass er damit, nicht nur in Bezug auf seine Karriere als Sänger, Vorteile erzielen konnte. Arrogant tänzelte er daher über das Parkett und genoss die Blicke der anderen Männer.

Schließlich stellte er sich an den Rand der Tanzfläche und bestellte ein Bier. Er war außer Atem und doch bemerkte er, dass Carsten sich zu ihm gesellte.

„Und? Wie sieht es aus?“, fragte der. Dabei sah er durch den Club. Wenn Neal um die Häuser zog, war Carsten, ein langjähriger Bekannter, meist an seiner Seite. „Schon eine Eroberung gemacht?“

Neal zuckte mit den Schultern. Er musste nicht nachfragen. Er wusste, was Carsten meinte. Sie beide verfolgten dieselben Ziele. „Vielleicht der da hinten.“ Neal deutete auf einen Mann mit Jeansjacke und braunen, gepflegten Haaren. Aber Carsten bremste seine Neugier sofort.

„Den kannst du vergessen“, sagte er. „Der ist seit Jahren fest liiert, soweit ich weiß.“

Neal lachte. „Ein Grund mehr, ihn zu vögeln.“ Es klang abgebrüht, und Neal wusste, dass er sich mit seiner oberflächlichen Art nicht nur Freunde machte.

Er nutzte die Männer aus, die etwas von ihm wollten. Er nahm sie, wenn er sie brauchte, der Rest war ihm egal. Auch Carsten wusste das, doch ihn störte das nicht. Unternehmungslustig blickte er auf seine Armbanduhr.

„Okay, es ist gleich Mitternacht“, stellte er fest. „Wer bis zwei Uhr keinen hat, der hat verloren.“

Neal nickte entspannt. Diese Abmachungen stachelten ihn an.

„Um was wetten wir heute?“

Carsten verzog das Gesicht, als er an einen Wetteinsatz dachte. „Bin knapp bei Kasse“, gestand er seufzend. „Eine Packung Kondome, mehr ist nicht drin.“

„Abgemacht!“ Neal schlug ihm freundschaftlich auf die Schulter.

Er verschwand in den Herrentoiletten, danach wollte er die Herausforderung angehen. Es war voll im Club, und Neal sah sich auf der Gewinnerseite. In den Toilettenräumen war es dagegen erstaunlich leer. Neal stellte sich vor das Hängebecken und versuchte, die Angelegenheit schnell zu erledigen. Er wusste, dass das WC der gefragteste Ort fürs Anmachen war. Doch auf solche Nummern hatte er keine Lust. Er wollte sich seinen „Gutenabendfick“ in aller Ruhe aussuchen.

Doch plötzlich hörte er ein Räuspern. An der Wand lehnte ein Mann, der ihn musterte. Schnell schloss Neal die Hose. „Was starrst du so auf meinen Schwanz?“, fragte er wütend.

Der Mann zuckte mit den Schultern und trat näher. Er war mindestens zehn Jahre älter als Neal. Erste Fältchen zierten sein solariumgebräuntes Gesicht. Er trug einen Seidenanzug und ein teures Markenparfum drang Neal in die Nase.

„Ist es verboten?“

„Du kommst nicht von hier, stimmt’s?“

„Ich bin auf Geschäftsreise“, antwortete der Mann. Vielleicht hatte er irgendwo in der Welt Frau und Kinder? Doch nun suchte er das Vergnügen mit einem jüngeren Mann.

„Du bist zu fein für diesen Laden“, stellte Neal fest. Mit gelassenen Schritten schlich er um den Mann herum, musterte ihn von allen Seiten. Ihre Blicke trafen sich – und sie verstanden sich mit einem Augenzwinkern.

Neal wandte sich einer der WC-Kabinen zu, trat dort hinein. Der Mann zögerte nicht. Mit erfreutem Gesicht folgte er und schloss hinter sich die Tür.

Mit einem festen Griff wurde Neal von dem Mann an die Wand gedrückt. Neal spürte die stürmischen Küsse, denen er gekonnt auswich.

„Bitte keine Romantik, ja?“

Der Mann nickte, schien willig und im nächsten Moment ging er vor Neal in die Knie. Sein nächster Griff wanderte an dessen Hose. Er löste den Gürtel und umfasste Neals erigierten Penis, knetete ihn lustvoll.

Neal lächelte zufrieden. Dass hinter der Tür andere Männer ein und aus gingen, störte ihn nicht. „Mann, bist du jung“, staunte der Mann, als er Neals Rücken, Hüften und seinen Bauch mit gierigen Händen streichelte. „Wie alt bist du? Achtzehn? Neunzehn?“

„Dreiundzwanzig“, erwiderte Neal, ohne den Mann anzusehen. Er wollte sich auf keine Diskussionen einlassen, sondern nur das erleben, was er brauchte.

„Das ist immer noch jung“, sagte der Mann. Er zog Neals Unterleib an sich. Sein Mund umschloss Neals Männlichkeit. Intensiv leckte er daran. Neal schloss die Augen. Seine Hand drückte den Kopf des Mannes an sich heran.

„Ja, das machst du gut.“ Ihm entwich ein Stöhnen. Der Mann massierte seine Hoden. Zudem wanderten seine Finger an seinen Spalt. Da zuckte Neal zurück.

„Hör auf! An meinen Arsch kommt niemand ran.“

Er stieß den Mann von sich, doch der ließ sich kaum abwimmeln. Kniend sah er zu Neal auf. „Bitte!“

Neal schüttelte den Kopf. Er zog den Mann zu sich, und dem blieb keine andere Wahl, als seinen „Blowjob“ zu beenden.

Wie ausgehungert sog er an Neals Penis, bis der sich entlud. Es zwang Neal in die Knie, so mächtig war sein Höhepunkt. Doch das Gefühl des Glücks währte nicht lange. Als er die Augen öffnete und vor sich den fremden Mann erblickte, stellte sich der altbekannte Ekel ein.

Er schloss die Hose, als wollte er das soeben Erlebte, ungeschehen machen.

Als er sich der Tür zuwandte, spürte er die Hand des Mannes an seinem Bein. „Warte, halt! Was ist mit mir?“, fragte der entsetzt.

„Das ist mir scheißegal!“, fauchte Neal und verließ die WC-Räume.

„Na endlich!“ Carsten war erleichtert, als Neal vor seine Augen trat. „Ich habe eben erfahren, dass der Typ mit den braunen Haaren wieder solo ist. Vielleicht sollte ich es bei dem probieren?“ Er schielte auf seine Armbanduhr, schien auszurechnen, wie viel Zeit ihm noch blieb, doch Neal machte ihm einen Strich durch die Rechnung, indem er seine Hand aufhielt und um drei Euro bat. „Wofür?“, fragte Carsten erstaunt, und Neal grinste heldenhaft. „Ich möchte mir eine Packung Kondome kaufen.“

***

Das gute Wetter hielt an. Wenn Neal nicht unterwegs war, nutzte er den Garten, um sich dort auszuruhen. Ab und zu leistete seine Schwester ihm Gesellschaft, so wie auch an diesem Tag. Neal hatte seine Akustikgitarre in der Hand und sang ein paar Zeilen seiner neusten Komposition.

„Your imperfections are so beautiful – I can’t control, my animal soul …“

Seine Stimme konnte unter die Haut gehen. Das war ihm bewusst. Und so wunderte er sich nicht, dass seine Schwester sich seufzend umdrehte und ihn bittend ansah.

„Kannst du mir den Rücken eincremen?“

Neal nickte. Er legte die Gitarre zur Seite, ergriff die Sonnenmilch und fixierte Francis‘ Rücken. Sie lag vor ihm auf einem Handtuch. Ein knappes Bikinihöschen zierte ihren Leib. Das Oberteil hatte sie beiseitegelegt. Großflächig rieb Neal die Sonnenmilch auf ihren Körper. Mit seinen schlanken Händen fuhr er kreisend auf ihrer Haut auf und ab.

„Ist heiß heute, was?“, fragte er, während er an ihre Schultern griff und sie auch dort einrieb.

„Mmh“, stimmte sie zu. Sie schien die Berührungen auf ihrem Rücken zu genießen. Das zauberte ein Lächeln auf Neals Gesicht.

„Weißt du, was dich noch heißer machen würde?“, fragte er mit einem neckischen Unterton. „Wenn ich dich mal so richtig ... durchkitzle!“

Ohne Vorwarnung griff er an ihre Hüften und pikte ihr in die Seiten. Sie schrie und wandte sich lachend um. Ihr hochgestecktes Haar löste sich unter den zappelnden Bewegungen. Mit ihren Händen versuchte sie, die Griffe ihres Bruders abzuwehren, doch es gelang ihr kaum. Beide lachten über das ganze Gesicht, als von Weitem plötzlich Stephanies Stimme ertönte:

„Neal! Kommst du mal bitte?“ Sie stand am Terrassenfenster und winkte ihren Sohn energisch zu sich.

„Ja!“ Neal ließ die Finger von seiner kichernden Schwester. Die drehte sich entspannt zurück auf den Bauch, sodass ihr brauner Rücken wieder zum Vorschein kam, aber auch die Sicht auf ihre Brüste verdeckt wurde. Neal seufzte tief, dann stand er auf.

„Was ist, Mum?“, fragte er, als er sich zu Stephanie auf die Terrasse gesellte. Ihre ernste Ausstrahlung signalisierte ihm, dass sie irgendetwas unzufrieden stimmte.

„Habe ich dir nicht schon einmal gesagt, dass du Francesca nicht so anfassen sollst?“ 
Fing sie schon wieder damit an, schoss es durch Neals Kopf. Er verdrehte die Augen.

„Ich habe ihr nur den Rücken eingecremt, mehr nicht. Was ist daran schlimm?“

„Du weißt, was ich meine“, erwiderte Stephanie forsch, ohne zu erklären, was sie an der Sache störte. „Es soll kein Gerede geben. Dafür stehen wir viel zu sehr in der Öffentlichkeit.“

Neal blieb der Mund offen stehen. War das ihr Ernst? Sie dachte doch wohl nicht, dass ...

„Wir haben lediglich etwas Spaß zusammen“, startete er einen Verteidigungsversuch. „Und wer sollte hier in unseren Garten starren?“

Stephanie blieb hart. „Ich will nicht, dass du so viel Freizeit mit ihr verbringst. Ist das klar?“

Neal nickte still. Er wollte mit seiner Mutter nicht mehr Ärger haben, als er sowieso schon hatte.

***

„Ich kann es immer noch nicht glauben, dass du mich heute angesprochen hast. Ich habe so lange darauf gewartet. Jedes Mal bist du aber mit einem anderen weg.“

Der Junge, den Neal diesmal an der Angel hatte, war blond. So gar nicht Neals Geschmack, doch es war leer gewesen im Club. Carsten glänzte mit Abwesenheit. Es fehlte die Unterhaltung. Und so hatte sich Neal für eine schnelle Nummer bei sich zu Hause entschieden und den blonden Jungen angesprochen.

„Quatsch nicht so viel“, fuhr Neal ihn an. Es stimmte ihn jetzt schon unzufrieden, dass er erneut diesen Drang verspürte. Doch er brauchte es an diesem Abend und kam demzufolge schnell zur Sache.

Zielstrebig griff er dem Jungen zwischen die Beine, dann drückte er ihn auf das Bett. „Umdrehen“, forderte Neal, während er seine eigene Hose öffnete.

Der Fremde drehte sich gehorsam auf den Bauch. Er hatte die Hose geöffnet und bis zu den Knien heruntergelassen. Nun sah Neal auf sein entblößtes Gesäß, und sein Verlangen wuchs.

Er vergaß die Gleitcreme, jegliches Vorspiel oder sonstige Intimitäten. Nachdem er sich ein Kondom übergestrichen hatte, legte er sich auf den Mann und drang gefühllos in ihn ein. Es störte ihn nicht, dass der Blonde ächzte und das Gesicht verzog. Neal nahm sich, was er brauchte – schnell und heftig.

Stillschweigend ließ es der Junge über sich ergehen. Man sprach viel über Neal in den Discos. Man kannte ihn und man wusste, dass er sich auf keine intensiven „Geschichten“ einließ. Dennoch wollte jeder mit ihm ins Bett.

Als Neal seinen Höhepunkt erreicht hatte, wandte er sich ab. Er schloss die Hose und machte ein unzufriedenes Gesicht.

Der Junge hingegen lächelte. Er schloss ebenfalls seine Hose, doch sah er Neal dabei eindringlich an.

„Was glotzt du so?“, fuhr es aus Neal heraus. Seine Hände zitterten, als er sich eine Zigarette ansteckte.

„Ich kann es einfach nicht glauben, dass du mich heute ausgewählt hast.“

Neal zuckte mit den Schultern. „Was ist daran so Besonderes? Mit jedem anderen könntest du besseren Sex haben.“

Er zog an seiner Zigarette und dachte über seine Worte nach. Vielleicht taten ihm diese Männer leid. Sie waren alle erwartungsvoll und er nutzte sie aus – warf sie weg wie ausgequetschte Zitronen. Der Blonde richtete sich auf. Er war keinesfalls enttäuscht.

„Sie wollen dich trotzdem alle“, sagte er, dabei richtete er seine Kleidung. Schließlich schlich sich ein hinterhältiges Lächeln auf sein Gesicht. Neugierig kam er näher.

„Stimmt es, was die anderen sagen? Du lässt dich selbst nie ficken?“

„Das geht dich verdammt noch mal nichts an!“ Neal deutete zur Tür. Die Angelegenheit stieg ihm zu Kopf. „Geh, ich will schlafen.“

Der Junge nickte, doch bevor er das Zimmer verließ, drehte er sich noch einmal um.

„Bei mir wirst du auch keine Ausnahme machen, oder?“

Neal schüttelte energisch den Kopf. „Einmal oder keinmal.“ Der Junge verstand und ging.

Neal spürte eine enorme Erleichterung, als die Haustür ins Schloss fiel. Er öffnete das Fenster und atmete die kühle, frische Luft tief ein. Erneut musste er darüber nachdenken, was es für einen Sinn ergab, dass ihn die fremden Männer zu Füßen lagen. War es gut oder schlecht? Warum ließen sie sich erniedrigen, und warum nutzte er es ständig aus? Er fand keine Antwort.

Ein Schluchzen unterbrach stattdessen die Stille. Neal stutzte. Er warf die Zigarette aus dem Fenster und eilte zielstrebig zur Durchreiche in der Zimmerwand. Er öffnete sie und blickte in das verheulte Gesicht seiner Schwester.

„Was machst du da?“, rief er fassungslos. „Wie lange sitzt du schon da?“

Francis antwortete nicht. Tränen rannen über ihr feines Gesicht. Neal knallte die Klappen der Durchreiche zu, stürmte aus dem Zimmer, um kurz darauf bei Francis ins Zimmer zu treten. Betroffen setzte er sich zu ihr aufs Bett und fasste sie bei den Armen.