Rest in fade - Justin C. Skylark - E-Book

Rest in fade E-Book

Justin C. Skylark

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Beschreibung

London ruft, aber Dylan sieht sich gezwungen, vorerst in Oslo zu bleiben. Gefangen zwischen Sehnsucht nach neuen Ufern und der Sorge um Eriks Gesundheit gerät er abermals in ein Gefühlschaos – nicht zuletzt, weil er darauf brennt, Thor bei der Aufarbeitung seiner traumatischen Vergangenheit zu helfen. Ein gefährlicher Weg, der alte Wunden aufreißt. Währenddessen gruppiert sich im Café Saarheim ein neuer Stammtisch, hinter dessen Rücken ein Plan geschmiedet wird, der alles verändern könnte. "Rest in Fade" ist der achte Teil der Dylan & Thor-Romanreihe.

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EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Epilog
Klappentext

 

Rest in Fade

 

Dylan und Thor 8

 

von

 

Justin C. Skylark

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Impressum

1. Edition, 2025

© J.C.Skylark, all rights reserved.

Kätnersredder 6 b

24232 Schönkirchen

http://www.jcskylark.de

[email protected]

Coverdesign: J. C. Skylark (Canva Pro)

ISBN: 9798312181982

kdp: Independently published

 

 

Die Dylan & Thor-Reihe

 

Band 1: Bis dass der Tod euch scheidet

Band 2: Thors Valhall

Band 3: Reise til helvete

Band 4: Flyktet

Band 5: Red rising sun

Band 6: Darkest Blackout

Band 7: Horny Moon

Prequel: Magnus – Die Geschichte von Thor Fahlstrøm und Magnus Eidsvag

Manga-Special: Dylan & Thor – on the road

 

 

 

 

Kapitel 1

„Angus? Hörst du mich noch?“ Dylan beugte sich dem Computerbild entgegen und hob die rechte Hand. Sein Bandkollege zögerte, die Verbindung schien für einen Moment eingefroren, doch dann wurde die Übertragung wieder fließender. „Ja, jetzt hör ich dich“, antwortete er, „aber die Akustik ist echt mies.“

„Allerdings!“ Dylan seufzte. Er sortierte die Zettel vor sich und kam zu einem Entschluss. „Am Wochenende komme ich nach London, dann singen wir die Songs richtig ein, okay? Mit dieser schwachen Verbindung bringt das nichts.“

„Sehe ich genauso.“ Angus nickte. Er saß im Tonstudio des Bungalows, hatte zuvor ihre musikalischen Fortschritte mit dem nötigen Equipment programmiert. Clifford wollte später vorbeikommen und seine Keyboardparts hinzufügen. Den Gesang konnte Dylan unmöglich als Audiodatei senden, denn der Computer in Fahlstrøms Hütte stockte bei jeder Überlastung. An Up- oder Downloads durften sie nicht denken. Abgesehen davon fehlte die nötige Software.

„Drei Promo-Stücke müssten Ende nächster Woche fertig sein“, fügte Dylan hinzu. Er blieb in seiner vorgebeugten Haltung, schlug allerdings ein Bein über das andere und legte den Kopf in eine Handfläche. „Das wird Tony freuen.“

„Nicht nur Tony!“ Angus griente. „Die Fans warten ... Kannst du nicht morgen aus deiner Wohnung was schicken? Da hast du stabiles WLAN oder nicht?“

„Schon.“ Dylan wägte ab. „Doch solange Carol und Arvid dort wohnen, will ich nicht unnötig stören.“

„Verstehe.“ Angus nagte an der Unterlippe. „Hat Arvid noch nichts Neues gefunden?“

„Er sucht ein Haus“, erklärte Dylan. „Ist in Oslo nicht so einfach, soll es bezahlbar sein.“

„Teures Pflaster, ja“, stimmte der Gitarrist von RACE zu und Dylan war froh, dass sie so ungezwungen reden konnten, obwohl es nur über Video-Chat ging. Aber sein langjähriger Freund war trotz der vielen Jahre der Eskapaden immer ein ehrlicher Begleiter geblieben.

Das Gefühl, endlich wieder eine gemeinsame Platte aufzunehmen, beflügelte sie gleichermaßen.

„Sobald er eine neue Bleibe gefunden hat, wird Carol auch erstmal nach Hause kommen, schätze ich“, sprach Dylan weiter. Er hob die Schultern an. „Vermutlich wird sie erst kurz vor der Entbindung mit der Arbeit pausieren.“

„Schon heftig, wie sich das alles entwickelt hat.“ Angus grinste schief. „Clifford ist Vater, Carol hat einen Braten in der Röhre und du bist mit einem Metaller verheiratet.“

„Ja.“ Dylan lächelte beschämt, doch ebenso füllte sich sein Herz mit Wärme. Das tat es immer, wenn er daran dachte, dass er es tatsächlich geschafft hatte. Thor Fahlstrøm war sein Mann. Wer hätte das vor wenigen Jahren noch gedacht. „Irgendwie verrückt, alles ...“

Er stutzte, denn aus dem Erdgeschoss erklang ein Laut, den er zuerst nicht einordnen konnte. Doch schließlich hörte er die Eingangstür geräuschvoll zuklappen.

„Wartest du mal kurz?“, fragte Dylan und nachdem Angus zugestimmt hatte, stand er auf. Von der Treppe aus lugte er nach unten in den Eingangsbereich, dorthin, wo Thor sich Jacke und Schuhe auszog.

„Hei, mit dir habe ich ja noch gar nicht gerechnet!“, rief Dylan ihm entgegen.

Thor warf die Stiefel auf die Fußmatte, drehte sich um und sah ihn aus kleinen Augen an. „Perk?“

„Bin gleich bei dir!“, erwiderte Dylan. Er trottete zum Computer zurück, setzte sich aber nicht hin. „Sorry, Thor ist nach Hause gekommen, ich melde mich morgen wieder, okay?“

Im Hintergrund erklangen die polternden Schritte auf der Treppe.

„Okay!“ Angus hob die Hand zum Gruß, dann klickte Dylan das Chatfenster weg und stellte den Computer aus.

Als er sich vom Schreibtisch wegdrehte, stand Thor bereits vor ihm.

Mit nur einem Atemzug registrierte Dylan den Geruch von Alkohol. „Das glaube ich jetzt nicht“, meinte er dazu – nicht wissend, ob er erbost oder erheitert reagieren sollte. „Gab es im Seniorenheim etwa Schnaps?“

„Mhm.“ Mehr sagte Thor nicht. Er packte Dylan bei den Hüften, zog ihn zu sich heran und küsste ihn so wild, dass Dylan umgehend schwach wurde – und nicht nur, weil ihm der Geschmack der Küsse gefiel.

Anstandslos ließ er sich zum Bett dirigieren, wo er rücklings zum Liegen kam. Es war erst früher Abend, doch Thor riss an seiner eigenen Kleidung, als wäre es die letzte Handlung des Tages.

„Du hast es aber eilig!“, kommentierte Dylan das impulsive Vorgehen. Er kam sich sogar gehetzt vor, da Thor mit nacktem Oberkörper und geöffneter Hose inzwischen auch an seiner Kleidung nestelte. Wie so oft wehrte sich Dylan nicht. Wenn Fahlstrøm die körperliche Vereinigung ersehnte, sprang der Funke schnell über; dann wurde die Welt um sie herum vergessen und alles andere stehengelassen.

Dylan ließ sich entkleiden und auf die Matratze drücken. Er breitete die Arme auf dem Laken aus, schloss die Augen und versuchte, jegliche Anspannung abzulegen. Thor hatte seine Schenkel auseinandergedrückt und züngelte bereits an seinem Spalt.

Manchmal reichte der Speichel nicht aus, um Dylan schlüpfrig zu machen. Dann wurde das Eindringen zu einem ruppigen Akt, der erst sinnlicher wurde, wenn Fahlstrøm sich gänzlich in ihm versenkt hatte. So wie jetzt. Dylan stöhnte auf. Thor füllte ihn gut aus und startete umgehend mit treibenden Stößen.

„Das muss ja ein langweiliges Kaffeekränzchen gewesen sein, dass du dermaßen loslegst!“, untermalte Dylan ihr Miteinander.

Doch Thor schob nur eine warme Hand auf seinen Mund und untersagte ihm jede weitere Äußerung.

„Hysj, Perk ...“

 

***

 

Thor war am vergangenen Abend nicht mehr aufgestanden und Dylan hatte Nachsicht mit seinem angetrunkenen Partner gehabt.

Er war ebenso zeitig schlafen gegangen und als er am nächsten Tag erwachte, ruhte Fahlstrøm nicht mehr an seiner Seite.

Der Frühstückstisch war allerdings gedeckt. Nach einem Becher Kaffee und einem Graubrot mit Geitost und selbstgemachter Marmelade, fuhr Dylan in die Stadt.

Normalerweise schlief er aus, aber da er vorhatte, am Wochenende nach London zu fliegen, musste er einige Dinge vorbereiten.

Im Reisebüro sicherte er sich ein Flugticket. Anschließend machte er sich auf den Weg zu seinem Appartement, in dem Carol seit der Aussprache mit Arvid gastierte. Bislang hatte sich der Bruder von Thor die Nächte in der Polizeiwache um die Ohren geschlagen, doch da Carol ihm mittlerweile gebeichtet hatte, schwanger zu sein, meinte Dylan, dem Paar unter die Arme greifen zu müssen.

Arvid lebte inzwischen in Scheidung und war von zu Hause ausgezogen, aufgrund dessen hatte Dylan ihm erlaubt, ebenfalls im Appartement unterzukommen, bis er eine neue Unterkunft gefunden hatte.

Abgesehen davon gestand sich Dylan ein, dass ihn diese gute Tat von dem Wissen ablenkte, dass Thor die Wohnung am Tjuvholmen ablehnte.

Der Frust darüber war ein wenig gewichen, denn mittlerweile plante er, das Haus von Mats zu übernehmen. So konnte er dicht bei Thor wohnen, bis sie den Anbau und die Renovierung der beiden Hütten in Angriff nehmen konnten.

 

Dylan drückte auf den Klingelknopf des Appartements und wartete ab, bis ihm geöffnet wurde.

Zur Begrüßung küsste er Carol auf ihre Wangen und umarmte sie fest.

„Ich hoffe, es geht dir gut“, meinte er.

Sie musste kaum antworten, denn ein Strahlen lag auf ihrem Gesicht. „Alles bestens!“, berichtete sie und winkte sogleich ab. „Bis auf die morgendliche Übelkeit, aber das gehört ja dazu.“

Sie schloss die Eingangstür und er folgte ihr bis zur offenen Küche, wo sie am Tresen stehenblieben. „Auch einen Kaffee?“

„Ja, gern.“ Er sah sich um. Im Appartement war es aufgeräumt. Es waren sogar ein paar Pflanzen dazugekommen. Auf dem Esstisch machte er gleich drei Blumensträuße aus. „Wow!“, äußerte sich Dylan dazu. „Hast du ein neues Hobby gefunden?“

„Nein“, sagte sie und grinste verlegen. „Die sind von Arvid.“ Sie kicherte wie ein kleines Mädchen, während sie Kaffee einschenkte. „Er bringt fast jeden Tag Blumen mit, süß, oder?“

„Sehr aufmerksam, ja“, antwortete Dylan. Er trank einen Schluck und drehte sich um, denn eine Tür klappte hinter ihnen. Arvid kam aus dem Bad und grüßte. Nebenbei knöpfte er sein Hemd über dem nackten Oberkörper zu.

„Muss los!“, gab er bekannt. Nachdem er die Kleidung akkurat gerichtet und sich die Polizeijacke übergezogen hatte, legte er eine Hand hinter Carols Kopf, zog sie heran und gab ihr einen Kuss, der filmreif aussah.

Dylan sah verstohlen weg und erst, als Arvid gegangen war, meldete er sich wieder zu Wort.

„Er scheint ja ganz der Gentleman zu sein“, sagte er. „Sieht man ihm gar nicht an.“

„Oh, Arvid ist sehr zuvorkommend“, versicherte Carol. Ein leiser Seufzer folgte, der sich verträumt anhörte. „Aber das habe ich sofort an ihm gemocht: diese Aufmerksamkeit und seine Schulter zum Anlehnen.“ Da Dylan nichts erwiderte, sah sie ihn prüfend an. „Du bist doch nicht etwa neidisch?“

„Na ja“, sprach er nach einer zögernden Pause. „Thor könnte sich davon schon was abschneiden. Sie sind zwar Brüder, aber in Beziehungsdingen scheinen sie völlig anders zu ticken.“

„Das glaube ich nicht“, sagte sie und tätschelte seine Hand. „Thor ist genauso aufmerksam, er zeigt es nur nicht so offensichtlich. – Abgesehen davon: Wer von uns beiden ist verheiratet? Und hast du mir nicht erst letztens erzählt, wie leidenschaftlich Thor geworden ist?“

Dylan zog den Mundwinkel schief. „Ja, in Nevada, weil es unsere Flitterwochen waren. Aber hier ist er sofort wieder ins alte Raster gefallen.“ Nachdenklich drehte er an seinem Ehering herum. „Und leidenschaftlich finde ich es nicht, wenn er sturzbesoffen nach Hause kommt und mir die Klamotten vom Leib reißt, als gäbe es kein Morgen.“

Carols Augen weiteten sich. „Besoffen? Trinkt er denn so viel?“

„Ach, du kennst doch die Norweger“, antwortete Dylan. „Erik trinkt weitaus mehr, aber im Grunde genommen lassen sie keine Gelegenheit aus.“ Er hob die Schultern an. „Ich kann das ertragen, mich stört es nicht so sehr, nur frage ich mich, warum er sogar auf Mats Geburtstag über die Stränge schlagen muss. In einem Seniorenheim.“

Da runzelte Carol die Stirn. „Bei Mats?“, wiederholte sie. „Du meinst gestern?“

Dylan nickte, woraufhin sie den Kopf schüttelte. „Also Arvid und ich waren am Nachmittag ebenfalls da. Wir haben Thor auch kurz gesehen, bevor er wegmusste, aber getrunken hat da niemand.“

Dylan hielt inne. Er stützte sich auf den Tresen ab und nahm gleichzeitig Abstand. „Wie? – Gar nichts? Thor hatte so eine Fahne, die hab ich bis ins Obergeschoss gerochen.“

Carol unterdrückte ein Lachen. „Sorry, nein. Es gab einen Sekt zum Anstoßen“, berichtete sie. „Aber eigentlich ist Alkohol in solchen Einrichtungen verboten und Arvid hätte das auch gar nicht zugelassen.“

„Aha.“ Dylan nagte an seinem Lippenpiercing. Was er hörte, verstand er nicht. „Und Thor war nicht die ganze Feier über da?“

Sie verneinte. „Nach dem ersten Kaffee ist er weg.“

„Wann war das denn?“

„Muss 15.30 Uhr gewesen sein“, meinte sie. „Aber so genau weiß ich es nicht mehr.“

Da Dylan weiterhin grübelte, sprach sie ihm gut zu. „Hey, er wird irgendwo versackt sein. – Du weißt, wie viel Mats ihm bedeutet. – Vermutlich hat er sich allein was gegönnt.“

„Mhm, sicher.“ Dylan schob die Mundwinkel nach oben, doch nach Lachen war ihm nicht zumute. Er konnte sich auch nicht vorstellen, dass Thor sich anlässlich des Geburtstags seines Großvaters allein betrank. Zudem stundenlang.

„Warum warst du eigentlich nicht mit?“

„Ach, Familienfeiern sind nichts für mich“, gestand Dylan, ohne näher zu erklären, dass ihn Zusammenkünfte dieser Art deprimierten, denn er hatte nie eine gut funktionierende Familie gehabt. „Außerdem habe ich mit Angus via Videochat an neuen Songs geschrieben.“

„Verstehe.“ Plötzlich zwinkerte sie ihm zu. „Da Thor nach Hause gekommen ist, um dir beizuwohnen, ist doch alles in Ordnung, oder?“

„Um mir beizuwohnen!“ Dylan lachte beherzt über diese Äußerung, die er ebenso überdachte. Hatte sie recht? Waren seine Sorgen unbegründet? Er musste das klären, aber später. Darum kam er zum eigentlichen Anliegen seines Besuchs zurück. „Was brauchst du aus London? Ich fliege am Wochenende hin.“

 

***

 

Im Café Saarheim herrschte wie immer viel Betrieb. Einige Gäste saßen draußen an den Tischen und genossen das gute Wetter, doch ebenso waren auch Plätze im Innenraum belegt. Dylan machte Leute aus, die sich die Bilder der Galerie ansahen, und Niklas hatte hinter dem Tresen damit zu tun, Laufkundschaft mit Coffee to go und Snacks zu versorgen.

Dylan wartete ab, bis sich der Ansturm gelegt hatte und da er Thor nicht erblickte, lehnte er sich gegen die Anrichte und ließ den Blick schweifen.

„Wie immer?“, fragte Thors Neffe sofort nach. „Cappuccino und eine Kanelbolle?“

„Ja, das wäre großartig.“

Dylan nahm auf einem Hocker am Tresen Platz und schob die Wagenschlüssel auf die Glasplatte. Er senkte den Kopf, sodass ein paar Haarsträhnen vor seine Augen fielen. Ihm war nach einer Zigarette zumute, doch er war zu gebeutelt, um vor der Tür eine zu rauchen.

„Was machst du für ein Gesicht?“, erkundigte sich Niklas weiter. „Schlechte Laune?“

„Was würdest du tun, wenn dein Partner dich anlügt und sich ständig irgendwo herumtreibt, ohne dich darüber zu informieren, he?“, gab Dylan als patzige Antwort. Um sich Luft zu machen, schlug er mit der flachen Hand auf die Ablage. „FUCK!“

Kaum hatte er die Worte gesprochen, bereute er sie. Niklas konnte nichts für seinen Zustand und noch weniger war er dafür verantwortlich, dass Dylans Laune von Tag zu Tag schlechter wurde.

„Oh, bitte, keine Wutausbrüche, okay?“, bat Niklas.

Er sah erschrocken aus, was Dylan ihm nicht verübeln konnte. In der Vergangenheit waren die Ausraster von dem Sänger von RACE beinah legendär gewesen. Ob verbaler oder körperlicher Natur: Die Eskalationen von Dylan Perk hatten die Klatschblätter gefüllt, mitunter sogar die Titelseiten.

Er war zwar nie so gefürchtet gewesen, wie der Frontmann von Wooden Dark, aber sein damaliges Verhalten trug noch immer dazu bei, dass die Menschen in Habachtstellung gingen, wurde er laut.

Dylan knetete seine Stirn und zwang sich zur Ruhe, was verdammt schwer war.

„Ich hab das im Griff“, meinte er. „Tut mir leid, wollte dich nicht anraunzen.“ Er nahm sich die Tasse und trank hastige Schlucke.

„Kann das nicht ein Missverständnis sein?“, fragte Niklas. „Thor lügt nicht und treibt sich nicht herum.“

„Ach, und wo ist er denn schon wieder?“

„Ich weiß es nicht“, sagte Niklas. „Aber ich frage auch nicht. Er wird wissen, was er tut.“

„Ja, ja ... Und was mit mir ist, scheint ihm egal.“ Dylan biss in die Zimtschnecke und schloss die Augen. Zumindest der unbeschreibliche Geschmack auf der Zunge konnte ihn ein wenig besänftigen.

 

***

 

Eine Weile stand er neben dem Wagen, genau genommen so lange, bis sich das sich küssende Paar voneinander löste, Bjarne sich erhob und die Hose abklopfte. Erik blieb am Ufer des Sees liegen, drehte sich jedoch auf die Seite und hob eine Hand zum Abschied.

Bjarne steuerte auf sein Auto zu, doch bevor er wegfuhr, schenkte er Dylan ein grüßendes Nicken.

Erst als er weggefahren war, setzte sich Dylan in Gang. Es schien, als wären alle Pärchen in seiner näheren Umgebung glücklich und zufrieden. Nur er, Dylan Perk, musste mal wieder einen Schmollmund ziehen und sich ständig ermahnen, um nicht komplett auszuflippen.

„Am Wochenende fliege ich nach London. Was soll ich Tony sagen, wenn er fragt? – Dass sich dein Stecher inzwischen im Gästezimmer eingenistet hat?“

„Oh, wow!“, äußerte sich Erik. Gemächlich kam er auf die Beine. „Ich habe dir bereits mehrfach gesagt, dass ...“

„Ja, schon gut!“, giftete Dylan. Er sah auf den See, der einladend wirkte, doch Lust zum Baden empfand er überhaupt nicht. Früher, da hatte er sich danach verzehrt, wenn Thor schwimmen gegangen und ihn ins eisige Wasser gezogen hatte. Aber diese Zeiten waren wohl auch vorbei.

„Warum so angefressen?“ Erik musterte ihn fragend. „Was mit Bjarne und mir ist, muss dich nicht kümmern. Abgesehen davon ist er gerade zu einer Wohnungsbesichtigung in Drammen, somit wird er hier nicht mehr ewig wohnen. Um Tony musst du dir auch keine Sorgen machen, also ... Was ist los?“

Dylan schürzte die Lippen, abblocken wollte er nicht, denn im Grunde genommen wollte er darüber reden, was ihm dermaßen auf die Nerven ging, dass er dachte, ständig explodieren zu müssen.

„Ich glaube, Thor geht fremd.“

„Hva?“ Erik bog sich ihm entgegen und dann zurück. „Ha, ha, bist du besoffen oder was?“

„Darüber macht man keine Scherze!“, zischte Dylan.

„Ah, faen, sorry“, meinte Erik sogleich und nickte entschuldigend, da er seinen Fauxpas bemerkte. Trotzdem konnte er nicht aufhören zu grinsen. „Seit Magnus‘ Tod war Thor Single und abgesehen von den paar Ficks mit mir, wüsste ich von niemandem, der ihn auch nur ansatzweise zu sexuellen Handlungen getrieben hat – außer dir.“

Er zwinkerte untermalend, sodass Dylan sogar schmunzeln musste.

Er überdachte die Worte, denn eigentlich hatte er auch nicht das Gefühl, dass Thor sich in ihrer Beziehung „untervögelt“ fühlte. Ausgenommen von dem kleinen Intermezzo während ihrer Flitterwochen, in denen sie beide mit dem jungen Jimmy verkehrt hatten – und Dylan meinte inzwischen, dass Thor es nur ihm zuliebe getan hatte – zeigte sich Fahlstrøm stringent monogam.

Doch warum verhielt er sich in letzter Zeit so merkwürdig?

„Vor ein paar Tagen hat er sich irgendwo – wer weiß mit wem – betrunken und heute ist er auch wie vom Erdboden verschluckt“, berichtete Dylan. „Das ist komisch oder nicht?“

„Oh, Mann, Dylan!“ Erik rollte die Augen und trotzdem blieb er amüsiert. Er packte sein Gegenüber bei den Armen und drückte sie, als wollte er ihn wachrütteln. „Ich kenn Thor nun schon seit 15 Jahren, glaub mir, er liebt dich bedingungslos, ansonsten hätte er dich nicht geheiratet.“

„Für ihn ist das nur ein Vertrag“, korrigierte Dylan. Seine Augen wurden zu Schlitzen. „Damit bestätigt er seinen Besitz, den er benutzen kann, wie es ihm gefällt. – Den er ficken kann, wie es ihm in den Kram passt“, fügte er nicht leise genug hinzu.

Erik stemmte die Hände in die Hüften und seufzte. „Ich habe viele Tourneen mit Thor durchlebt, unzählige Nächte mit ihm in einem Hotelzimmer oder im Tourbus verbracht, du kannst mir glauben, dass er extrem lange abstinent leben kann.“ Nun lächelte er süffisant. „Wenn er es also nach wie vor regelmäßig mit dir treibt, dann will er das auch.“

„Sex hat mit Liebe nichts zu tun“, meinte Dylan. „Das hat er selbst gesagt.“

„Mensch!“ Erik trat von einem Bein aufs andere, stopfte die Hände in die Hosentaschen. Selten zeigte er sich genervt, doch nun schienen ihm die Argumente auszugehen. „Was erwartest du von ihm? Du solltest ihn inzwischen kennen ...“

„Ja, sicher, aber ...“ Dylan stoppte, da ein Auto auf das Anwesen fuhr. Im richtigen Moment? Es war der zweite Jeep und Thor saß am Steuer.

„Siehst du, da ist er“, meinte Erik, als wäre die Angelegenheit damit geklärt, aber Dylan schien jetzt erst in Fahrt zu kommen.

„Na, warte ...“, äußerte er sich, als er sah, dass Thor ausstieg. „Der kann was erleben.“

Schnellen Schrittes kam er auf das Gefährt zugestürmt.

Über den sandigen Boden, den er mittlerweile auch sein Eigen nannte. Hatte er sich früher noch fremd gefühlt, kam er sich hier inzwischen heimisch vor.

Thor hatte kein Recht mehr, ihn als Gast zu bezeichnen. Und erst recht sollte er ihn nicht ständig aus allen Vorgängen im Hause Fahlstrøm ausklammern, denn sie waren verheiratet, sie waren ein Paar. Musste er das tatsächlich nochmal klarstellen?

Es wunderte ihn zuerst nicht, dass Thor den Wagen umkreiste. Nicht selten transportierte er Lebensmittel auf dem Beifahrersitz anstatt im Kofferraum, aber Dylans Enthusiasmus legte sich schlagartig, als er sah, dass Fahlstrøm die Beifahrertür öffnete und nachfolgend ein großer dunkler Hund aus dem Wagen sprang.

Loki – der Rottweiler aus dem Tierheim!

Doch anders als bei ihrem Besuch in besagter Unterkunft, hatte der Hund einen Maulkorb umgespannt und Thor hielt ihn fest an einem Bauchgurt mit kurzer Leine.

Der Hund bellte in die Richtung der fremden Männer, sodass Dylan sofort innehielt und einen Schritt zurücktrat. „Holy Shit!“, fluchte er. „Oh, FUCK, nein, nein, bitte nicht ... Das darf doch wohl nicht wahr sein!“ Er verzog das Gesicht und schloss kurz die Augen.

Erik lachte hinter ihm. „Fint, was für ein Kraftpaket. Ist das der neue Hund, von dem du erzählt hast?“

Dylan konnte nicht antworten, zu sehr lähmte ihn der Anblick von Thor, der den Hund mit ganzer Kraft hielt und ihn immerzu animierte, nicht an der Leine zu ziehen, sondern dicht neben seinem Bein zu laufen. „Bli her!“, schrie er inbrünstig. „Bli!“

Nach mehrmaligen Ermahnungen tat der Hund endlich, was ihm befohlen wurde. Langsam machte er vorsichtige Schritte über das Anwesen und Thor führte ihn konzentriert mit sich.

Es herrschte eine sichtbare Anspannung in seinem Gesicht und er streifte Erik und Dylan nur mit einem flüchtigen Blick.

„Perk? Es sind noch Sachen auf der Rückbank. Kannst du sie holen?“

„Äh, Moment mal ...“ Ehe Dylan protestieren konnte, schrie Thor weiter:

„Erik? Hol die Kette aus dem Schuppen, Hammer und einen Karabinerhaken!“ Der Hund versuchte abermals, vorzustürmen. „Bli!“, brüllte Thor und zog ihn dicht an sein Bein.

Erik stürmte sofort in Richtung Schuppen. Fassungslos sah Dylan ihm hinterher. Ja, Erik Baardson gehorchte auf Befehl, er machte stets, was sein bester Freund ihm diktierte. Nicht zum ersten Mal gaben sie das perfekte Team ab, das selbst in der misslichsten Lage die Kontrolle behielt.

Und Dylan fühlte sich mal wieder fehl am Platz und absolut verarscht.

„FUCK“, zischte er, stieß einen Stiefel in die trockene Erde und setzte sich missgestimmt in Bewegung.

Doch er zog einen Bogen um seinen Partner und den Hund, der mittlerweile knurrte. Er ahnte, was Thor beabsichtigte, kaum schoss Erik mit den geforderten Utensilien aus dem Schuppen. Thor wollte Loki anketten, aber dafür musste der passende Haken fixiert werden.

Dylan konnte nur den Kopf schütteln, denn der Hund war so aufgebracht, dass er sich immer wieder versuchte, loszureißen und Erik ohrenbetäubend anbellte.

„Das geht zu weit“, fluchte Dylan vor sich hin. „Da mache ich nicht mit, das ist ja lebensgefährlich, unter den Umständen bleibe ich keine Minute hier, dann ziehe ich lieber ins Hotel oder gleich in Mats Hütte ...“ Erneut wummerte es unter seiner Brust. Diese Aufregung tat ihm nicht gut. Mehrmals am Tag stand er kurz vor der Explosion, irgendwie wie früher, dabei war er nicht einmal mehr Alkoholiker.

Genervt zog er die hintere Wagentür auf. Wie dämlich er sich verhielt, wie ein Lakai, sollte er nun noch die Sachen des neuen Hundes ins Haus schleppen, obwohl er mit dessen Anschaffung überhaupt nicht einverstanden gewesen war? Er sah ins Auto und erstarrte zur Salzsäule.

Auf der Rückbank stand ein Hundekorb und darin lag der schwarze Chihuahua Fips, den er vor wenigen Wochen ebenfalls im Tierheim gesehen hatte.

Das Blatt wendete sich auf einen Schlag. Dylans Wut wich mit einem Atemzug, stattdessen stieß er einen enthusiastischen Schrei aus. „Oh, my gosh!“ Im nächsten Moment hatte er den kleinen Hund ergriffen und an sich gedrückt. Fips quietschte aufgeregt, wackelte mit dem Schwänzchen und leckte ihm über das Gesicht, genau wie bei ihrem ersten Zusammentreffen.

 

***

 

Er konnte nicht aufhören, auf den schwarzen Hundekörper zu starren, der zusammengerollt in seinem Körbchen neben dem Bett lag und schlief. Vielleicht fühlte sich der Vierbeiner endlich frei und dennoch geborgen. Das glückselige Gefühl in Dylan wich nicht, doch er gluckste nur leise und seufzte erfüllt. Unter keinen Umständen wollte er den kleinen Kerl wecken.

Als die Badezimmertür zuklappte und Thors feste Schritte im Hintergrund erklangen, drehte sich Dylan auf den Rücken. „Ach, hätte ich heute Morgen gewusst, dass du mir so ein Geschenk machst, wäre ich nicht so wütend gewesen.“

„Wütend?“ Thor runzelte die Stirn. Lediglich mit Shorts bekleidet legte er sich neben Dylan ins Bett und der erklärte sich mal wieder.

„Ach, du hast nicht gesagt, dass du ins Tierheim fährst, du hast mir nicht mal erzählt, dass der Hund den Test bestanden hat.“ Er hob eine Hand mit einer vorwurfsvollen Geste an. „Da war ich sauer. Du könntest wirklich mal kommunikativer sein.“ Am liebsten hätte er seine Bitte energischer vorgetragen, doch inzwischen war seine Wut verflogen und die Freude über sein neues Haustier entschädigte einiges. „Vielen Dank nochmal, das rechne ich dir hoch an.“

Er rollte sich auf die Seite und lehnte sich an Thors Schulter. Um seine Verbundenheit zu verdeutlichen, legte er eine Hand auf Thors Brust und streichelte dessen spärliches Brusthaar. Die Lust nach mehr kam unausweichlich.

„Im Tierheim meinten sie, dass Loki nicht allein gehalten werden soll. Dein Wadenbeißer war von allen anderen Hunden der unkomplizierteste.“

„Ha, ja, gib nur nicht zu, dass du ihn wegen mir mitgebracht hast“, erwiderte Dylan schnippisch und rollte die Augen.

„So war es am einfachsten“, meinte Thor ohne sichtbare Gefühlsregung.

„Na, zumindest hat Loki sich endlich mal beruhigt. Ich dachte schon, es gibt gleich am ersten Tag diverse Fleischwunden.“ Kurz sah Dylan auf, um sicherzugehen, dass die Schlafzimmertür geschlossen war. Unmöglich wollte er, dass der Rottweiler ins Schlafgemach kam. Nachdem Thor den kräftigen Hund an den Schuppen gekettet hatte, war das Hundegebell für Stunden nicht abgerissen.

Fahlstrøm hatte den ganzen Nachmittag damit verbracht, die in die Jahre gekommene Hundehütte, die von den Schäferhunden kaum benutzt worden war, instandzusetzen. Er hatte sie von Laub befreit, gesäubert, fest im Boden justiert und zu guter Letzt auch einen Karabinerhaken daran befestigt und Loki angeleint.

Die erste Zeit sollte der neue Wachhund auf dem Hof bleiben, bis er sein neues Zuhause akzeptiert hatte und soweit erzogen war, dass er Thors Befehlen nachkam und ins Innere gelassen werden konnte.

Nun war es still und Dylan schmiegte sich dichter an den nackten Oberkörper seines Partners.

„Wie wär’s noch mit einem Quickie zum Abschluss des Tages?“ Gezielt führte er seine rechte Hand zwischen Thors Schenkel. „Aber leise, damit wir Fips nicht wecken.“

Thor stieß ein Lachen aus. „Du bist derjenige, der rumstöhnt und schreit, wenn wir’s miteinander treiben.“

„Dann reiß ich mich heute zusammen“, flüsterte Dylan.

„Da bin ich gespannt“, erwiderte Thor. Mit einer raschen Bewegung packte er Dylan bei den Hüften, drehte ihn auf den Rücken und presste die Lippen auf seinen Mund.

 

***

 

„Oh, damn!“ Dylan fluchte; das konnte er sich wohl nicht abgewöhnen. Wenn ihm etwas missfiel, musste er das zum Ausdruck bringen. An jenem Morgen machte es ihn nicht zum ersten Mal unzufrieden, dass er nach dem erfüllenden Sex mit Thor umgehend eingeschlafen war. Orgasmen machten müde, das wusste er inzwischen. Vielleicht war das die leichteste Therapie gegen seine altbekannten Schlafstörungen. Was zurückblieb, waren allerdings die klebrige Haut, das unreine Gefühl im Schritt und der Geruch nach altem Schweiß; dazu die zerzausten Haare und die sanften Rückenschmerzen, die sich stets einstellten, hatte Thor ihn kräftiger als nötig ins Laken gedrückt.

Letztes ging absolut in Ordnung. Dylan stand auf ihre kleinen Machtspielchen. Gern unterwarf er sich dem Mann, der ihn beim Akt dominierte, der ihm mit zarter Gewalt seine Stärke präsentierte, mit gestählten Muskeln, dem herrischen Blick und der männlichen Aura, nach der sich Dylan verzehrte.

Das dreckige Gefühl an sich war der entscheidende Punkt. Die sozialen Missstände, in denen Dylan aufgewachsen war, sollten verantwortlich dafür sein, so hatte es ihm sein Therapeut erklärt. Zu oft war Dylan als Kind gehänselt und verprügelt worden, weil er anders, arm und ein Außenseiter gewesen war. Er hatte kein Geld für den Kiosk besessen, war mit dreckiger und verschlissener Kleidung in den Unterricht gekommen, nur, um zu hoffen, in den Pausen nicht weiter gemobbt zu werden.

Ein Zeichen von Reinheit und Perfektion war für ihn die Bestätigung dafür, dass er den Absprung geschafft hatte. Er war wohlhabend, berühmt und resolut geworden. Er wurde bewundert und begehrt, das durften die getrockneten Spermaspuren auf dem Laken nicht revidieren.

Thor lag mal wieder nicht an seiner Seite. Der würde seine morgendlichen Routinen wohl auch nie ablegen. Mit spitzen Fingern griff Dylan sich seine Unterhose, die neben dem Bett auf dem Boden lag.

Das Hundebett daneben war leer.

„Oh, shit!“, fluchte Dylan weiter. Perplex drehte er sich zu allen Seiten um. „Fips? Wo bist du, hey?“

Der kleine Hund blieb verschwunden, sodass er sich aus dem Bett quälte und in den Flur eilte.

„Thor?“, rief er durch das Haus, doch keine Antwort erklang.

„Das fängt ja super an.“ Er flitzte zurück ins Schlafzimmer und kontrollierte dort jeden Winkel. Auch unter dem Bett sah er nichts. Der Chihuahua war wie vom Erdboden verschluckt. Das Atelier war abgeschlossen und im Bad befand sich das Tier ebenfalls nicht.

Er duschte, zog sich an und hechtete ins Erdgeschoss, ohne sich frisiert und geschminkt zu haben. Eine absolute Ausnahme, doch dass der Hund sich nicht dort befand, wo er ihn am Abend zuvor nahezu verliebt betrachtet hatte, kam mit sofortiger Übelkeit daher.

Der Frühstückstisch war gedeckt und nachdem Dylan Wohnzimmer und Küche abgesucht hatte und nicht fündig geworden war, stoppte er im Eingangsbereich, wo Thor just durch die geöffnete Tür hereintrat.

„Wo ist er?“, keifte Dylan geradewegs. Er stellte sich auf die Zehenspitzen und lugte an Thor vorbei. „Hast du ihn gesehen? Ist er draußen?“

Fahlstrøm blieb stehen und kniff die Augen zusammen.

„Wer?“

„Mein Hund ...“, meinte Dylan lediglich. Er schob sich an Thor vorbei und blickte hinaus.

Er sah Loki, der angeleint – ohne Maulkorb! – auf dem Rasen stand und ihn anbellte, kaum trafen sich ihre Blicke. In der Auffahrt parkte jedoch auch Bjarnes Wagen mit geöffnetem Kofferraum. „Was ist denn da los?“

Thor drehte sich nur ansatzweise um. „Bjarne holt seine Sachen ab. Er hat die Wohnung in Drammen bekommen.“

„Das ist gut“, entwich es Dylan. Er sah, wie Bjarne und Erik ein paar Kartons zum Auto schleppten. Den kleinen Fips sah er allerdings nicht.

„Stand die Tür die ganze Zeit offen?“

„Ich war mit Loki eine Runde im Wald.“

„Oh, FUCK!“, schrie Dylan auf. „Warum hast du mich nicht geweckt? Hast du Fips gesehen? Wieso hast du nicht aufgepasst?“

„Es ist dein Hund, Perk“, meinte Thor lediglich.

„Oh, Mann ...“ Quengelnd begab Dylan sich auf die Treppe, da er auf Socken unterwegs war, stoppte er jedoch nach wenigen Metern. „Fips?“, brüllte er mit Inbrunst, was zur Folge hatte, dass Loki noch ungestümer bellte und Bjarne und Erik sich verblüfft ansahen.

Erik sah schlecht aus: blass und ausgezehrt. Nachdem er einen weiteren Karton ins Auto gehievt hatte, stützte er sich am Gefährt ab. „Habt ihr den kleinen Hund gesehen?“, schrie Dylan ihnen entgegen.

Einheitliches Kopfschütteln. „FUCK.“

Er schritt weiter, obwohl er ohne Schuhe war, doch die Verfassung von Erik machte ihn ebenso ratlos, wie die Tatsache, dass der kleine Hund spurlos verschwunden war.

„Was ist mit dir?“, fragte er den Bassisten von Wooden Dark, doch der winkte sofort ab. „Nichts, nur etwas Kreislauf. Hab mir was aufgesackt.“

„Wenn es nicht besser wird, geh zum Arzt, okay?“, riet Bjarne. Er schloss den Kofferraum und nahm sein Handgepäck an sich. „Muss los, ich melde mich, ja?“ Sein Blick blieb besorgt, obgleich Erik nur milde lächelte. „Unkraut vergeht nicht.“

Bjarne nickte, dann stieg er ein und fuhr davon.

„Und was ist mit dem Hund?“, fragte Erik sogleich. Er gähnte und schloss die Augen.

„Weg!“, fasste Dylan kurz zusammen. „Thor hat die Tür aufgelassen, dabei kennt sich der Kleine hier doch gar nicht aus ... Und dann diese Töle!“ Er zeigte auf Loki, dessen Bellen noch nicht abgerissen war. „Wehe, der hat meinem Fips etwas angetan!“

Thor schien das Gekläffe inzwischen ebenfalls zu missfallen. Er baute sich vor dem Rottweiler auf und raunzte ihn an. „Slutt!“ Ermahnend hob er eine Hand. „Slutt med deg!“

Der Hund verstummte und sah Fahlstrøm interessiert an. „Flink gutt!“, lobte Thor mit ruhigerer Stimme. „Sitt!“, befahl er dem Hund anschließend, sich zu setzen, aber erst nach der dritten Wiederholung ging Loki auf den Befehl ein.

Dylan schüttelte nur den Kopf. „Ich wünschte, die Schäferhunde wären noch da“, meinte er mit einem theatralischen Unterton.

„Ach, das wird schon“, entgegnete Erik. Er drehte sich seinem Haus zu. „Ich leg mich wieder hin.“

„Okay. Guckst du vorher nochmal bei dir nach? Vielleicht ist Fips dort.“

„Kann ich machen, aber mir ist nichts aufgefallen.“ Erik trollte sich und Dylan wandte sich dem Wald zu. Dass er auf Socken lief, war ihm weiterhin egal. „Fips!“, schrie er über das Anwesen. Am Wegrand blieb er stehen. Er sah durch die dichtgewachsenen Tannen, auf den Waldweg hinter der zweiten Hütte und die Auffahrt hinunter. Nichts.

Er ließ die Schultern hängen. „Ich bin so ein Idiot“, rügte er sich. Tränen vor Wut schossen ihm in die Augen und nicht nur, weil er plötzlich an Eddie denken musste. Obwohl der Ochse an Altersschwäche gestorben war, gab er sich nicht frei von Unschuld an dem Ableben des Tieres. Immer wieder sagte er sich, dass er die Pflege besser hätte machen sollen. Hatte er nun erneut versagt? War dem Hund womöglich etwas zugestoßen, nur weil er nicht aufgepasst hatte? „Shit, verdammt!“

Sein Herz klopfte aufgeregt. Er wusste, was das bedeutete. Er war zu aufgedreht, zu hektisch, zu nervös. Die nächste Panikattacke kündigte sich an und die wollte er nicht erleben.

„Perk? Kommst du mal?“, erklang es plötzlich hinter ihm. Sofort wirbelte er herum.

Thor stand neben der Hundehütte und winkte ihn heran.

Ein gutes Zeichen? Sofort lief Dylan zurück. Kaum hatte er die Hundehütte näher erfasst, atmete er erleichtert aus.

Vor dem Ausgang lag Loki mit hechelnder Zunge. Und aus dem Hütteneingang lugte der kleine Fips hervor.

„Oh, thanks godness!“, rief Dylan erfreut.

„Er war die ganze Zeit in der Hütte, wie es scheint“, merkte Thor an. Da Dylan nach wie vor Abstand vom Rottweiler hielt, griff Fahlstrøm dem Chihuahua unter den Bauch und reichte ihm seinen Partner.

„Pass trotzdem auf ihn auf.“

„Das werde ich.“ Dylan nahm den Hund in die Arme und drückte ihn fest an die Brust, spürbar erleichtert darüber, dass ihm nichts zugestoßen war. Und auch Loki schien Gefallen an Fips zu haben. Mit wackelndem Hinterteil schnupperte er in seine Richtung.

Kapitel 2

Der Koffer war gepackt und stand neben dem Bett. Fips lag im Körbchen, doch hatte Dylan ihn vorsichtshalber angeleint. Für die erste Zeit erschien es ihm sinnvoll, den kleinen Hund mehr als nötig zu beaufsichtigen. Sogar Thor räumte dem Rottweiler mehr Zeit ein, als er es zuvor mit den Schäferhunden getan hatte. Beide Hunde hatten ihre Geschichte. Sie kamen aus dem Tierheim, hatten nicht den ersten Besitzer kennengelernt. Sie sprachen nicht darüber, aber ihnen war klar, dass die neuen Vierbeiner mehr Aufmerksamkeit und Erziehung benötigten.

Nichtsdestotrotz wollte Dylan seinen Hund mit nach England nehmen. In der Transportbox durfte er ihn sogar als zusätzliches Handgepäck bei sich führen.

Etwas komisch war ihm trotzdem vor dem Tag der Reise, obwohl er nur einen kleinen Trip plante. Doch der bedeutete, dass er mehrere Tage von Fahlstrøm getrennt sein würde. Das hatten sie – abgesehen von der kurzen Trennung nach ihrer Hochzeit – seit der Flucht nicht mehr erlebt. Ihm wurde bewusst, dass sie sich täglich sahen, berührten, miteinander sprachen und schliefen, manchmal auch stritten. Doch sie waren füreinander da, tagtäglich.

Dylan seufzte und sah an die hölzerne Zimmerdecke. Nach seiner Rückkehr wollte er sich Mats Hütte widmen. Es war geplant gewesen, dass er sich um das Anwesen von Thors Großvater kümmern sollte, solange für den Anbau weder Geld noch Zeit bestand.

Er sah der Veränderung mit gemischten Gefühlen entgegen. Zum einen würde er sich ein weiteres Stück in Thors Nähe begeben, das Zusammenleben mit ihm üben und sich hoffentlich besser arrangieren. Auf der anderen Seite konnte dieses Miteinander auch Abstriche bedeuten, Kompromisse eingehen, Zugeständnisse machen, so wie man es in einer Ehe tat – und er würde England eine Spur mehr den Rücken kehren.

Zudem war da noch diese grundlegende Frage: Was machte Thor, wenn er allein unterwegs war, wenn er stundenlang das Haus verließ, ohne Auskunft zu geben. Bevor Dylan seine Reise nach London antrat, musste er Klarheit haben.

„Ich habe mit Carol gesprochen“, sprach er schließlich in den Raum hinein. „Bei Mats Feier gab es keinen Alkohol. Also warum bist du besoffen nach Hause gekommen?“

Thor lag neben ihm und regte sich nicht. Dylan hörte nur dessen unterdrücktes Lachen. „Wird mir jetzt nachspioniert?“

Dylan atmete entnervt aus. „Ich möchte nur wissen, ob dich etwas bedrückt und ob du ...“

Er hielt inne und überdachte seine Worte. „Falls da jemand ist, den du triffst, sagst du es mir, bitte?“

Seine Worte waren flehend und ebenso eindringlich sah er auf Thors angespanntes Antlitz.

„Ich war auf dem Friedhof“, antwortete Thor umgehend. Eine Aussage, die nahezu ausreichte. Dass Fahlstrøm nach einer Familienfeier in einem Anflug von Melancholie seinen verstorbenen Freund oder seine Großmutter am Grab aufgesucht hatte, konnte Dylan nachvollziehen. Thor ging nicht oft auf den Friedhof und wenn, hatte ihn eine emotionale Regung dorthin getrieben. Dennoch blieb ein Funken Skepsis.

„Dann hast du dich danach betrunken?“, hakte Dylan nach.

Thor schloss die Lider und fuhr sich mit einer Hand über die Stirn. Merkbar hasste er es, ausgefragt zu werden, nichtsdestotrotz rückte er mit weiteren Informationen heraus.

„Ich bin zum Vinmonopolet, ja“, gestand er.

„O-kay?“ Auch diese Auskunft nickte Dylan ab, denn er wusste, dass Thor ein Faible für Wein hatte und es in Norwegen nur in bestimmten Geschäften und zu begrenzten Öffnungszeiten Alkohol zu kaufen gab. Es begründete aber noch nicht, warum sein Partner betrunken gewesen war. „Und dann?“

„Ich habe Knut getroffen“, sprach Thor aus.

„Knut?“, wiederholte Dylan perplex. Sofort war er alarmiert. „Wer ist Knut?“

„Ein langjähriger Bekannter, aus Fredrikstad.“

Dylan schluckte trocken. Er gestand sich ein, dass er zwar die Befürchtung in sich getragen hatte, aber niemals auf die Idee gekommen wäre, dass es tatsächlich so gewesen war. Langsam richtete er sich auf, um Thor prüfend anzusehen. „Von dem hast du ja noch nie erzählt.“

Fahlstrøm zuckte kaum sichtbar mit den Schultern. „Nicht relevant, haben uns lange Zeit nicht gesehen.“

„Fredrikstad?“ Dylan neigte den Kopf zur Seite. „Da warst du doch letztens zum Tätowieren.“

„Knut ist mein Tätowierer“, argumentierte Thor. Die Fragerei ebbte dennoch nicht ab.

„Ein Grund, sich mit ihm zu besaufen?“ Dylan wartete keine Antwort ab. „Läuft da was? Würde erklären, warum du so pietätlos über mich hergefallen bist.“

Da sah Thor ihm mahnend in die Augen. „Hörst du dich eigentlich reden, Perk?“

„Wieso?“ Dylan hob schnippisch den Kopf in die Höhe. „Gib doch zu, dass es merkwürdig ist. Und erzählt hast du es auch nicht.“

„Damit du da nichts reininterpretierst.“

„Ach, stattdessen lügst du?“

„Ich habe nicht gelogen, es nur nicht erwähnt“, erodierte Thor. Sein Tonfall war herrischer geworden. „Was willst du denn hören?“

„Was weiß ich!“ Dylan warf sich rücklings ins Bett. Provozierend hob er die Hände empor. „Dass du fremd fickst, weil du es satt mit mir hast. Weil ich ohne Alkohol ein Langweiler geworden bin, weil ich nicht in der Lage bin, mit dir auf engem Raum zu wohnen, weil ich zu blöd bin, um auf meinen eigenen Hund aufzupassen!“ Dylan presste die Lippen aufeinander. Er war den Tränen nahe und mit Sicherheit wären ihm noch mehr Dinge eingefallen, die ihn zu einer erbärmlichen Person machten. So bedauernswert, dass Thor sich anderweitig vergnügte. „Weil dir Magnus fehlt ...“ Er kniff die Augen zusammen, die ganz wässrig geworden waren. „Weil ich ständig Panik schiebe, dass ...“ Er sprach nicht weiter, war unfähig dazu. Beschämt drehte er den Kopf zur Seite.

Ungeachtet dessen merkte er, wie Thor sich neben ihm aufsetzte. „Sieh mich an, Perk!“

Diese dunkle Stimme fuhr Dylan direkt unter die Haut. Er liebte sie, er ersehnte sie. Genau so wie den Mann dazu, der ihn just ermahnte. Vorsichtig drehte er den Kopf zurück. Thor hielt die Hand mit dem Ehering empor, geradewegs vor Dylans Gesicht.

„Ich habe dich sicher nicht geheiratet, damit ich dieses Schmuckstück tragen kann!“, brüllte er. Mit der anderen Hand deutete er auf den Nachtschrank. „Her mit dem Gleitgel!“

„Was hast du vor?“ Dylans Stimme zitterte und das Bild vor seinen Augen war längst verschwommen, trotzdem schaffte er es, die Tube Durex zu packen, die eigentlich nie von ihnen genutzt wurde. Thor riss sie ihm förmlich aus der Hand.

„Du weißt, wie ich diese Schmiererei hasse“, knurrte er dazu. Während er mit den Fingern der einen Hand den Deckel der Tube aufdrückte, zog er mit der anderen seine enge Unterhose herunter.

Fassungslos verfolgte Dylan, wie Thor eine Ladung Gel mit groben Bewegungen auf der eigenen Männlichkeit verrieb. „Aufsitzen, Perk!“, forderte er kurz darauf.

„Aber ...“ Dylan wischte sich über die Augen. Was geschah, konnte er kaum begreifen. War das nicht alles so paradox?

„Na, los ...“

Thor packte seinen Arm und zerrte ihn über das Bett. Von den unterschiedlichsten Gefühlen geleitet strich sich Dylan die engen Pants vom Körper und setzte sich auf Thors Schoß.

Ein begehrlicher Kuss folgte. Er umklammerte Thors Hals und gleichzeitig unternahm er nichts gegen das forsche Vorgehen. Thor drückte ihn auf seinen harten Schwanz und versank vollständig in ihm. Dylan stöhnte auf. Der erste Rausch der Erregung jagte durch seinen Leib, bescherte ihm heiße Wogen und das Verlangen nach mehr. „Oh, ja ...“

„Zufrieden, Perk?“, raunte Thor. Er drückte die Hände auf Dylans Gesäß und stieß von unten in dessen schlüpfrige Öffnung.

„Ja, ja, ja ...“ Dylan folgte den treibenden Bewegungen. Eine Träne löste sich aus seinem Augenwinkel.

Als ich das Foto von dir sah, hatte ich nur einen Wunsch: Meinen Schwanz so tief in dir zu versenken, dass dir die Tränen kommen.

Plötzlich musste er bei den Gedanken an diese einstigen Worte lächeln. An der Aussage hatte sich offensichtlich nichts geändert und Dylan spürte sie in jeder Faser seines Körpers.

„Oh, ja ...“ Er zog sich noch fester an Thor heran. Der hatte inzwischen Hand an Dylans Glied gelegt und rieb ihn im Takt.

„Ich hab mit Knut über früher gesprochen“, stieß Thor hervor. Nach jedem Wort atmete er angestrengt aus. „Wie beschissen es damals war, wie zermürbend.“

Der Griff um Dylans Penis wurde eine Spur fester, der Ausdruck in Fahlstrøms Gesicht noch verbissener.

„Wir haben gesoffen, ja, um der alten Zeiten willen“, fuhr Thor fort. Kontinuierlich hielt er den Rhythmus aufrecht. „Danach wollte ich bei dir sein!“

Sein Leib bebte. Dylan wurde regelrecht durchgeschüttelt.

„Ist das Antwort genug, Perk?“

„Ja!“

Dylan gab nach. Thor bäumte sich auf, riss ihn herum, sodass er auf dem Rücken landete.

Die reibende Hand an seinem Schaft tat ihr Übriges. Dylan kam mit einem Aufschrei und einer Wucht, die kaum zu ertragen war. Doch eindrucksvoller hätte Thor ihm wohl nicht zeigen können, wie sehr er sich geirrt hatte.

Warum ständig diese Zweifel, wenn am Ende alles so leicht erschien?

Dylan streckte die Arme aus. Mit seichten Bewegungen schob er sein Becken vor und zurück, in die Hand, die ihn nicht losließ und bis auf den letzten Tropfen melkte.

Nur langsam kam er wieder zur Ruhe, doch das Lächeln in seinem Gesicht riss nicht ab.

„Oh FUCK, das war geil“, flüsterte er.

Er behielt die Augen geschlossen, drehte den Kopf zur Seite, denn Thor leckte über seinen Hals und packte ihn plötzlich bei der Hüfte.

„Wenn du mir noch deine Schulterblätter zeigst ...“ Da war sie wieder: Die Stimme, die ihm alles abverlangte, die in Augenblicken wie diesem sogar etwas neckisch zu werden schien.

„Ja, klar ...“ Wie träge drehte Dylan sich um die eigene Achse und blieb bäuchlings auf der warmen Matratze liegen.

Nach einem guten Orgasmus war es das Leichteste, Thor die Kehrseite zu zeigen und dem Mann seines Lebens zur gewünschten Befriedigung zu verhelfen.

Ungehemmt kam Fahlstrøm der Offerte nach.

Er stemmte sich auf die Hände, drang von hinten in Dylan ein und startete mit kraftvollen Stößen ...

 

***

 

Er war spät dran und zerrte den schweren Koffer über den sandigen Boden. Nicht nur, dass der Schminkkoffer ständig drohte, vom Gepäckstück zu fallen, nein, er hatte auch keine Hand frei, da er noch die Tragetasche samt Fips mit sich trug.

Von Thor hatte er sich in der Frühe verabschiedet. Drei bis vier Tage plante Dylan, wegzusein, doch es kam ihm merkwürdig vor, das Anwesen zu verlassen, obwohl er eigentlich gern hier war.

Nachdem das Gepäck im Kofferraum und der Hund auf dem Beifahrersitz verstaut waren, lief er zum gegenüberliegenden Gebäude. Unmöglich wollte er abreisen, ohne vorher nach Erik zu sehen.

Der Bassist von Wooden Dark lag noch im Bett, obwohl er die Augen geschlossen hatte, schien er wach zu sein, denn er räusperte sich, als hätte er einen Kloß im Hals, anschließend stöhnte er leise und drehte sich auf die Seite.

„Hei, wie geht es dir?“, fragte Dylan sofort. Mit hastigen Schritten kam er auf das Bett zu und erschrak. Erik sah kränklicher aus als am vergangenen Tag.

„Ist es noch nicht besser?“

„Hab die ganze Nacht geschwitzt“, antwortete Erik mit dünner Stimme. Er blinzelte und sah Dylan aus müden Augen an. Vor dem Bett lag ein T-Shirt und Eriks Haare klebten ihm strähnig am Kopf. Das erinnerte Dylan gezwungenermaßen an ihren Trip mit der Jacht, der auf dem einsamen Atoll geendet hatte. „Ist es wieder der Magen?“, erkundigte er sich. „Das kennst du, das geht doch meist schnell weg.“

„Nei.“ Erik rappelte sich auf, sein Oberkörper war nackt. Er hustete und griff sich an den Hals. „Kann schlecht schlucken und meine Zunge ist belegt.“ Er grinste verloren. „Ich mag gar nicht rauchen.“

„Puh.“ Dylan setzte sich an den Bettrand. Vergessen war die Tatsache, dass er sich beeilen wollte. „Du hast sicher Fieber, so wie du aussiehst. Soll ich dich schnell zum Arzt fahren?“

„Ah, nei!“, wehrte Erik ab. Kraftlos ließ er sich auf den Rücken fallen. „Ich hasse Wartezimmer. Fühl mich auch viel zu mies.“

„Soll ich dir einen Tee machen?“, fragte Dylan. Unbedingt wollte er helfen. „Hast du Medikamente?“

Erik schüttelte den Kopf.

„Shit!“

Sie schwiegen kurz und lediglich Eriks angestrengte Atmung war zu hören. Doch das reichte aus, um Dylan aufzuzeigen, dass er nicht zum Flughafen aufbrechen konnte, ehe Erik nicht anständig versorgt war. Warum musste Bjarne auch ausgerechnet jetzt nach Drammen gezogen sein?

„Zur Apotheke schaff ich es wohl nicht mehr“, sprach Dylan mehr zu sich. Er überlegte und schließlich kam ihm eine Idee. „Ich rufe Carol an, okay? Vielleicht kann sie nach dir sehen und dir was verschreiben.“

Er stand auf und zückte das Smartphone. Kurz darauf hatte er Carol an der Strippe.

„Sorry, ich bin gerade bei Erik, der hat sich irgendwas eingefangen. Kannst du vielleicht mal nach ihm sehen? Er will nicht zum Arzt.“

„Was hat er denn?“, fragte Carol postwendend.

„Fieber, Halsweh ...“ Dylan beugte sich vor und fixierte seinen Freund. „Sie will wissen, was du genau hast.“

„Kopfweh“, sprach Erik gedämpft. Nochmals griff er sich an die Kehle. „Und meine Lymphknoten am Hals sind geschwollen.“

„Hast du gehört?“, fragte Dylan ins Handy.

„Mhm ...“, meinte Carol lediglich und er kannte diese Äußerung von ihr. Unzählige Male hatte sie Dylans Verletzungen und Wehwehchen behandelt. Ein „mhm“ von ihrer Seite ließ nichts Gutes erahnen. „Also Schnupfen und Husten nicht? Keine richtige Erkältung?“

„Nein, denke nicht ...“

„Wie sieht seine Zunge aus?“, fragte sie nachfolgend.

Dylan beugte sich abermals über Erik und bat: „Mach mal deinen Mund auf!“

Erik tat, was von ihm verlangt wurde und präsentierte eine trockene Zunge, deren Ränder weißlich belegt waren.

„Tut es weh?“

Erik schüttete den Kopf.

„Seine Zunge ist fleckig, aber schmerzt nicht ...“

„Okay, ich mach mich sofort auf den Weg, vielleicht kann Arvid mich fahren“, erwiderte sie.

Dylan schluckte. „Ist es was Schlimmes?“

„Das klären wir, wenn ich bei euch bin.“

 

Eine Dreiviertelstunde später fuhr ein Polizeiwagen vor. Dylan staunte nicht nur über das zügige Erscheinen von Carol, sondern auch darüber, dass Arvid während der Dienstzeit den Chauffeur spielte.

Nicht nur das. Er umrandete den Wagen und zog die Beifahrertür auf wie ein Gentleman. Carol stieg lächelnd aus und gab ihm einen Kuss auf die Wange.

Das schallende Gebell von Loki ließ sie sich jedoch schnell umsehen.

„Herregud!“, stieß Arvid hervor. „Braucht man für den einen Waffenschein?“

Er inspizierte den Hund aus der Entfernung.

„Puh, ein Glück ist der angeleint“, meinte Carol. Sie trug ein kurzes cremefarbenes Kleid und einen dünnen Mantel offen darüber. Mit ihrer Handtasche führte sie eine Tüte mit dem Aufdruck einer Apotheke. „Musste vorher noch was besorgen!“, erklärte sie.

Dylan schloss sie in die Arme und drückte sie sanft. „Du sollst nicht hetzen wegen uns“, sprach er dazu und dachte an ihre Schwangerschaft. „Will keinen Stress mit Arvid.“

Sie lachte kurz, sah ihn an und strich über seine Wange. „Ich kann gut allein auf mich aufpassen“, meinte sie. „Habe ich viele Jahre zuvor auch.“

„Klar!“ Er nickte zustimmend. „Trotzdem nett, dass Arvid dich gefahren hat.“

„Konnte ihn zu einer Mittagspause überreden“, berichtete sie. Diese besagte Pause verbrachte Arvid damit, sich eine Zigarette anzustecken und gegen das Auto gelehnt, den kläffenden Hund zu betrachten.

„Ist er drinnen?“, fragte sie und deutete zum Haus, in dem Erik lebte.

Sogleich dachte Dylan an die Umstände ihres Besuches und nickte still. Dass sie sich beeilt hatte, sprach dafür, dass sie die Lage ernst nahm.

Gemeinsam betraten sie das Haus und gelangten über die Treppe ins Obergeschoss, wo Erik nach wie vor im Bett lag.

„Hi!“, grüßte Carol.

Erik hatte ihr Erscheinen mitbekommen und sich im Bett aufgerichtet. Als sie ihn umarmen wollte, wehrte er ab. „Lass, will dich in deinem Zustand nicht mit irgendwas anstecken.“

„Zustand?“ Sie lachte und setzte sich aufs Bett. „Ich bin schwanger.“

„Na, dann eben das.“ Erik lehnte sich gegen ein Kissen und zeigte auf die Tüte, die Carol mit sich trug. „Hast du Tabletten dabei? Ich habe nichts mehr im Haus.“

„Erstmal muss ich wissen, was du hast“, erwiderte sie. Ihr Blick wurde prüfend. „Bist du sicher, dass es keine Erkältung ist?“

Erik hob die Schultern an. „Weiß nicht, aber normalerweise fühlt es sich anders an.“

„Allergie?“

Er schüttelte den Kopf.

Sie legte eine Hand auf seine schwitzige Stirn. „Aber du hast Fieber?“

„Vermutlich.“

„Nicht gemessen?“

Er verneinte, woraufhin sie seufzte. Ihr Blick schwenkte zu Dylan, der sofort reagierte.

„Im Bad müsste ein Thermometer sein.“ Er hastete los. Im Badezimmer öffnete er den Schrank, wo er besagtes Messinstrument fand. Erik nahm es entgegen und steckte es unter die Achsel. Da es ein digitales Thermometer war, wurde ihm die Temperatur nach wenigen Sekunden angezeigt.

„37,6°C.“

„Demzufolge wäre die rektale Temperatur bis zu ein Grad höher.“

„Also in den Arsch schieben will ich es mir nicht“, sprach Erik. „Außer er schiebt es mir rein.“

„Mensch ...“, zischte Dylan, der den auffordernden Blick bemerkt hatte. Normalerweise mochte er Eriks Anzüglichkeiten, mitunter regten sie seine Fantasie mehr als nötig an, doch nun, im Beisein von Carol, war die Bemerkung unpassend.

„Zeig mir deine Zunge“, sprach sie, ohne auf die vorherige Äußerung einzugehen.

Erik öffnete den Mund, in den sie mit einer kleinen Taschenlampe leuchtete.

„Du sagtest, du hast Halsweh.“ Sie legte die Lampe ab und tastete seine Halsseiten ab. „Sonst noch Schmerzen?“

„Nein.“

„Wann warst du das letzte Mal krank?“

„Weiß nicht. Immer mal wieder.“

„Und wann hast du das letzte Mal einen HIV-Test machen lassen?“, war ihre nächste Frage, die Dylan zur Salzsäule erstarren ließ.

„Oh!“ Erik lächelte verkrampft. „Ich hab mich noch nie testen lassen“, gestand er, woraufhin Carol ihn mokiert ansah. Auch Dylan konnte kaum glauben, was er hörte.

Ungeachtet dessen fuhr Carol mit ihren Fragen fort.

„Blutkonserven hast du nie erhalten?“

Erik verneinte.

„Ungeschützter Geschlechtsverkehr?“

„Kam vor, ja.“

„Wann das erste Mal?“

Nun grinste Erik. „Das erste Mal generell oder das erste Mal ohne Präser?“

„Letzteres“, antwortete Carol weniger amüsiert. „Wenn du es noch ungefähr weißt.“

Da hob er die Schultern an. „Keine Ahnung; sicher schon zu Schulzeiten.“

Still überdachte sie die Aussage, während Dylan von einem Bein auf das andere trat. Erik zwinkerte ihm zu, doch das konnte sein Gemüt nicht beruhigen.

„Und zuletzt?“ Carol sah auf. „Mit Tony?“ Ihre Stimme hörte sich plötzlich besorgt an, das erkannte Erik offensichtlich auch, denn er beteuerte sofort: „Mit Tony läuft es nur safe, echt! Da besteht er drauf ...“ Just schlich sich wahre Betroffenheit in sein Gesicht. „Zum Glück“, fügte er hinzu und senkte den Kopf.

Dylan spürte eine kleine Erleichterung. Trotzdem brannte es ihm auf der Zunge, und er sprach es umgehend aus. „Erzähl ihr bitte von Bjarne.“

„Ja.“ Erik hob den Kopf wieder an. „Ich date noch einen anderen ... Aber der ist kerngesund.“

„Bist du dir sicher?“, hakte Carol sofort nach. „Auch ohne Symptome kann man das Virus haben.“

Erik hob die Schultern an.

„Okay“, meinte sie und griff schließlich zur Tüte. „Ich habe einen Schnelltest mitgebracht. Ein Tropfen Blut und wir haben innerhalb von 20 Minuten ein Ergebnis.“

Es wurde still im Raum. Erik visierte den Test. Realisierte er endlich, was sie vermutete? Dylan konnte sich weiterhin nicht regen.

„Wird vielleicht mal Zeit, was?“ Erik schob die Mundwinkel nach oben, wie immer blieb er ruhig und zeigte sich kooperativ. Carol öffnete die Packung und zog Test sowie eine kleine Lanzette hervor.

Diese pickte sie in eine von Eriks Fingerkuppen. Ein Tropfen Blut löste sich, den sie auf den Test drückte. Nun hieß es Abwarten.

Dylan drehte sich dem Fenster zu. Loki hatte sich beruhigt, er bellte nicht mehr, doch war die Leine, mit der er an die Hundehütte gekettet war, bis zum Anschlag gespannt ... Mit wachsamem Blick sah er in Arvids Richtung.

Zwanzig Minuten, sie dauerten eine Ewigkeit.

„Es tut mir leid, Erik“, hörte er schließlich Carols Stimme. „Das Ergebnis ist positiv.“

 

***

 

Dylan konnte der bedrückenden Atmosphäre nicht mehr standhalten. Auch wollte er nicht mit ansehen, wie Carol bei Erik letzten Endes für einen genaueren PCR-Test eine größere Menge Blut abnahm, um es schnellstmöglich in ein Labor nach England zu senden.

Doch er blieb vor der Tür stehen und rauchte eine Zigarette. Es war schwer für ihn, zu begreifen, was geschehen war. Normalerweise wäre er zu diesem Zeitpunkt in London gelandet. Was für ein Desaster!

„Alles in Ordnung?“, rief Arvid ihm entgegen. Er blockte sofort ab, konnte nicht sprechen.

Thors Bruder war so diskret, um nicht weiter zu fragen. Mit offener Wagentür setzte er sich hinter das Steuer zurück.

 

Kaum hörte Dylan Carols Schritte, drückte er die Zigarette aus und schaute sie eindringlich an. „Und?“

Sie nickte, hielt das Tütchen mit dem Blutröhrchen in den Händen. „Ich werde es sofort mit einem speziellen Kurier und Expressversand losschicken. Der Befund sollte spätestens in zwei bis drei Tagen da sein.“

„Kann es denn sein, dass der Schnelltest nicht stimmt?“, fragte Dylan nach, da musste ihn Carol leider enttäuschen. „Natürlich kann sich auch ein Fehler einschleichen, aber seine Symptome sprechen dafür, dass das Ergebnis stimmt“, meinte sie. „Der Schnelltest sagt aus, dass er bereits mehr als drei Wochen infiziert ist. Mit dem PCR-Test sichern wir jetzt das Ergebnis und er wird uns gleichzeitig aufzeigen, wie schwerwiegend die Viruslast ist.“

Dylan presste die Lippen aufeinander. Er mochte nicht aussprechen, was ihm permanent durch den Kopf schoss. „Ich habe auch mit Erik geschlafen“, sprach er kaum hörbar.

Sie nickte und strich über seinen Arm. „Ja, das weiß ich, das hast du mir erzählt.“

„Ohne Gummi“, fügte er leise hinzu. Er mochte sie nicht ansehen.

„Dylan!“, mahnte sie auch sogleich. Ihr Blick wurde schneidend. „Oh my god, wann? Wie oft?“

Er atmete tief durch, versuchte, nicht völlig durchzudrehen. „Das war, als Thor geflohen war, vor Bastøy, vor Amerika“.

„Das ist ne Weile her“, meinte sie. „Und sonst? Du hast es mehrmals mit ihm gemacht, die anderen Male safe?“

„Ja, ja!“, schoss es aus ihm heraus. „Nur das eine Mal nicht.“

„Mensch, ich hab dir immer gesagt, du sollst vorsichtig sein“, zischte sie ihren Schützling an.

„Oh FUCK, ich weiß, aber wir wollten uns einfach besser kennenlernen.“

„Mensch, Dylan, dafür könnte ich dich ohrfeigen!“

Er nickte und fuhr sich mit der Hand über die feuchten Augen. „Sorry, es tut mir leid.“

„Ist okay.“ Sie lächelte mit Ironie. „Ich darf hier gar nicht maßregeln, wo ich nicht besser bin“ Sie strich sich über den Bauch, der bereits eine kleine Wölbung präsentierte. Ebenso konkret kam sie auf das Wesentliche zurück. „Ich werde euch alle testen müssen.“

„Uns alle?“, schoss es aus Dylan heraus.

Sie nickte. „Dich und auch Tony. Er wird herkommen, Erik informiert ihn. Und nach allem, was in der Vergangenheit passiert ist, sollte Thor sich ebenso testen lassen.“

 

***

Dylan hielt vor dem Café neben Thors Auto. Fahlstrøm selbst saß an einem Tisch vor dem Café. Er studierte Akten, hatte einen altmodischen Taschenrechner vor sich liegen und machte sich hier und da Notizen. Vermutlich ging er die Abrechnung durch, doch er sah sofort auf, kaum bemerkte er den Leihwagen. Dylan stieg aus und blieb vor dem Tisch stehen.

„Perk? Ich denke, du bist in London?“

Dylan schüttelte den Kopf und legte die Hände auf den Hüften ab. Er trug eine Bondagehose, dazu ein Netzshirt und ein samtiges Jackett. Extra für den Heimflug hatte er sich in Schale geworfen.

Sogar beim Friseur war er gewesen. Sein Mohawk-Haarschnitt - mit rasierten Seiten und einem Irokesenschnitt vom Vorderkopf bis zum Nacken - glänzte in Blau-Schwarz.

Doch inzwischen dachte er an alles andere als an neue Studioaufnahmen mit RACE.

„Erik geht es nicht gut. Ich habe den Flug storniert.“

Thor blieb auf dem Stuhl sitzen, lehnte sich zurück und bot ein zweigeteiltes Lächeln.

„Und nun spielst du seine Krankenschwester?“

„Carol hat einen HIV-Schnelltest bei ihm gemacht; der ist positiv“, gab Dylan umgehend bekannt.

Sogleich wurden Thors Gesichtszüge herb. Er sah seinen Partner an, doch mit der rechten Hand schlug er kurz und heftig gegen die Scheibe. Das reichte aus, um Niklas‘ Aufmerksamkeit zu erlangen. Keine zehn Sekunden später stand er bei ihnen. „Ja?“

„Bring uns mal einen starken Kaffee“, forderte Thor. Sein Neffe nickte und verschwand.

Seufzend nahm Dylan auf dem anderen Stuhl am Tisch Platz. „Sie hat auch Blut abgenommen, ein genaues Ergebnis haben wir in wenigen Tagen. Sie lässt es alles in London abchecken.“

Thor erwiderte nichts sofort, kurz malmte er die Kiefer und griff dann nach den Zigaretten. Er steckte sich eine an und zog daran. „Wie nimmt er es auf?“, fragte er schließlich.

„Ach, du kennst ihn“, entgegnete Dylan. „Er tut gefasst, aber es muss ein Schock für ihn sein.“

„Jahrelanges Rumhuren, meist ohne Gummi“, warf Thor ein. „Völlig überraschend sollte es für ihn nicht sein.“

„Du musst mit ihm reden“, meinte Dylan eindringlich. „Du stehst ihm am nächsten, du kennst ihn am besten.“

„Mach ich“, erwiderte Thor.

„Und nun?“ Dylan kämpfte gegen die Tränen an. Ihm war ganz schlecht, alles drehte sich. Erik war ihm wichtig – neben Tony und Angus inzwischen ein guter Freund. Das Geschehen traf ihn wie ein Schlag. Thors Miene blieb ernst.

„Das wird Kreise ziehen.“

Kapitel 3

Dylan war so in Gedanken vertief, dass er erst aufsah, als es fest an die Tür klopfte und sie ohne sein Einverständnis geöffnet wurde.

Seit Stunden saß er im Wohnzimmer von Mats Haus und hatte die Zeit vergessen. Es war Thor, der hereintrat. In den Händen hielt er einen Teller, auf dem sich belegte Brötchen, Wraps und Kuchenstücke türmten. Offensichtlich die Reste aus dem Café. Dylan wusste, was das bedeutete und sah erschrocken auf das Display des Handys. Es war 18 Uhr. „FUCK, schon so spät?“

„Dachte, ich bring was vorbei, zur Stärkung“, meinte Thor. Er stellte den Teller in die Küche und gesellte sich mit auf das Sofa.

„Hast du mit Erik gesprochen?“, fragte Dylan sogleich. Das war seine größte Sorge: dass Erik nach dem grauenvollen Ergebnis auf sich allein gestellt war. Er selbst hatte versucht, für ihn da zu sein, doch das hatte nur bis zu einem bestimmten Maß funktioniert.

Er war zu labil, mit seinen eigenen Sorgen und Ängsten mitunter überfordert. Er hatte sich zusammengerissen und sich wie ein guter Freund verhalten: mitfühlend, unterstützend und vor allem solidarisch.

Doch in seinem Inneren tobte es. Am liebsten hätte er Erik gemaßregelt, ihn angebrüllt und ihm Vorwürfe gemacht. Jahrelang hatte er das Lotterleben des Bassisten von Wooden Dark miterlebt.

War nun die gerechte Strafe gekommen?

Dylan war wütend auf die ganze Sache, auf Eriks Fahrlässigkeit, doch unmöglich wollte er die Wut an ihm auslassen. Sie alle hätten eingreifen können, nicht nur er,

sondern auch Thor und Tony. Aber sie hatten es nicht getan.

Die Flucht nach vorn half ihm aus der vertrackten Situation.