Horny Moon - Justin C. Skylark - E-Book

Horny Moon E-Book

Justin C. Skylark

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Beschreibung

Nach der langen Odyssee ist Thor Fahlstrøm endlich ein freier Mann. Wie geplant bricht er mit Dylan auf, um die Flitterwochen auf der Ranch in Nevada nachzuholen. Allerdings wird ihre beschauliche Zweisamkeit von dem jungen Jimmy gestört. Nachdem Dylan meint, dessen Geheimnis gelüftet zu haben, planen sie nachträglich den Junggesellenabschied. Doch der bringt unerwartet eine Überraschung mit sich.

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Veröffentlichungsjahr: 2024

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Horny Moon

 

Justin C. Skylark

 

 

 

 

 

Horny Moon

 

Dylan & Thor 7

 

von

 

Justin C. Skylark

Impressum

1. Edition, 2024

© J.C.Skylark

Independently published

ISBN: 9783759217936

https://www.jcskylark.de

Justin C. Skylark

Kätnersredder 6 b

24232 Schönkirchen

Coverdesign: J. C. Skylark

Illustration: Leonie Paetzold

TEIL 1

Der Flug nach Oslo verlief ohne Probleme. Auch in der norwegischen Hauptstadt fand sich Dylan wie gewohnt schnell zurecht. Nicht zum ersten Mal fühlte es sich befreiend an, der Heimat England den Rücken gekehrt zu haben. In Norwegen umgab ihn ein anderes Flair und er hatte nicht ständig das Gefühl, sich nach den Vorstellungen seiner Mitmenschen benehmen zu müssen.

In Oslo war er der Mann, der er sein wollte. Dort legte er die Starallüren weitgehend ab, dort waren andere Dinge wichtig.

Zum Beispiel das Café Saarheim, das die Galerie enthielt.

Dylan parkte auf dem Besucherparkplatz vor dem Haus. Kurz atmete er tief durch, denn er konnte sich an den Tag erinnern, an dem Thor Fahlstrøm auf diesem Parkplatz entführt worden war.

Die Folgen davon waren noch spür- und sichtbar. Thor humpelte ein wenig, da sein Fuß bei der Entführung verletzt worden war – zudem sahen sie einer Gerichtsverhandlung entgegen, die über Fahlstrøms Strafe urteilen sollte.

Als Gefangener hatte Thor seinen damaligen Peiniger Dagfinn Olsen getötet. Es war Notwehr gewesen, das stand für Dylan außer Frage. Etwas anderes wollte er nicht in Betracht ziehen. Doch ob die Geschworenen das auch so sehen würden?

Er schob die düsteren Gedanken weg und schwang sich aus dem Wagen. Sofort umgab ihn der Geruch nach frischem Kaffee und Zimtschnecken. Das Wetter war sonnig, sodass die Tür des Cafés offen stand.

Dylan setzte ein Lächeln auf und trat ein. Er hatte seine Anreise nicht angekündigt. Daheim in London war ihm schlichtweg die Decke auf den Kopf gefallen. Ohne Thor – den er inzwischen als seinen Ehemann betiteln durfte – erlebte er jeden Tag wie unvollständig.

Voller Erwartung stellte er sich vor den Tresen. Fahlstrøm trug ein Bandshirt von Wooden Dark und war dabei, den Kaffeevollautomaten zu reinigen. Er registrierte den Gast, der ihn begierig ansah. Seine Begeisterung für dessen Besuch hielt sich allerdings in Grenzen.

„Was willst du denn hier?“, entwich es ihm lediglich. Anschließend fuhr er fort, die Einzelteile des Automaten zu säubern.

„Ja, ich … hatte irgendwie den Drang, bei dir zu sein.“ Dylan presste die Lippen aufeinander. Eine tosende Begrüßung hatte er nicht erwartet. Die Zeiten waren vorbei. Inzwischen wusste er, dass Thor kein Freund von überschwänglichen Gefühlen war. Ein Wiedersehen mit ihm verlief jedes Mal eher ernüchternd ab. Dylan hatte sich diesmal darauf eingestellt. Das kam ihm zugute: Die Enttäuschung blieb aus.

„Die Heirat ist erst drei Wochen her“, erinnerte Thor ihn, ohne seine Arbeit zu unterbrechen. Daraufhin zuckte Dylan mit den Schultern.

Warum er wieder hier war, erschien ihm zumindest klar, oder?

Eine räumliche Trennung von Thor hielt er kaum aus. Erst recht nicht, nachdem sie sich das Jawort gegeben hatten.

Nachts hatte er ständig wachgelegen: mit Sehnsucht und den Händen im Schritt. Er brauchte Thor Fahlstrøm, er verzehrte sich nach ihm und jede Minute ohne ihn verstärkte das Verlangen.

Abgesehen davon hielt er es für seine Pflicht, hier zu sein, solange nicht feststand, ob Thor verurteilt werden würde.

Laut Lisa – die das psychologische Gutachten über ihn verfasst hatte – bestand allerdings kaum die Gefahr, dass Fahlstrøm erneut ins Gefängnis musste.

Die Untersuchungen an Dagfinn Olsens Tod – und den dazugehörigen Umständen – bekräftigten auf ganzer Linie, dass Thor sich zum Eigenschutz verteidigt hatte; aus einem Reflex, einem blitzschnellen Impuls heraus, um selbst zu überleben.

„Ich möchte hier sein, wenn das Urteil gefällt wird“, erklärte Dylan demzufolge.

„Kann noch dauern, bis …“ Thor sprach nicht weiter, sondern setzte stattdessen die Teile des Automaten gereinigt wieder ein. Zudem befüllte er das Gerät mit frischen Kaffeebohnen, sodass sich deren unverwechselbarer Duft im Café verstärkte.

„Egal!“, äußerte sich Dylan harsch.

„O-kay“, erwiderte Thor und fuhr fort, Ordnung zu schaffen. Dylan nahm indes am Tresen Platz. Unaufgefordert stellte Thor ihm einen Cappuccino vor die Nase und sah ihn prüfend an.

„Es ist nicht der alleinige Grund, Perk. Warum bist du hier?“

Dylan lächelte sanft. Er genoss den Blick in Thors blaue Augen. Er roch dessen Aftershave und erfreute sich an der Betrachtung seines Körpers, der sich in den zwei Wochen sichtbar erholt hatte. „Ich erzähle es dir später.“

 

Seit einer Stunde hatte Dylan den Zeiger der Uhr beobachtet. Pünktlich um 17 Uhr kam Thor aus dem hinteren Raum der Galerie. Der letzte Kunde ging. Und Dylan atmete auf. Er räumte sein Kaffeegedeck ab und hängte das Schild mit der Aufschrift stengt an die Eingangstür.

„Feierabend!“, verkündete er.

„Erst aufräumen und die Abrechnung machen“, murmelte Thor.

„Geht das nicht morgen?“

„Nei.“

„Also wenn ihr losmüsst, kann ich das machen“, meldete sich Niklas, Thors Neffe, zu Wort. Inzwischen half er seinem Onkel fast täglich im Café. Er nahm das benutzte Geschirr und sortierte es in den Geschirrspüler ein.

„Das wäre super!“ Dylan strahlte, doch sein Partner blieb nachdenklich.

„Weiß nicht.“ Thor sah seinen Neffen an. „Kriegst du das hin mit dem Geld?“

„Klar!“ Niklas grinste breit. „Macht ihr euch mal einen schönen Abend.“ Er zwinkerte Dylan zu und der blinzelte zurück.

„Okay.“ Thor griff sich seine Lederjacke, Schlüssel und Zigaretten und wandte sich der Tür zu. Dylan folgte ihm wie ein Schatten.

 

Draußen war es warm, sodass Dylan sich seine Jacke unter den Arm klemmte.

Thor behielt die Lederjacke an, doch er zog die Schachtel Zigaretten heraus und steckte sich eine an.

„Gehen wir noch ein Stück?“, fragte Dylan gespannt. Er wusste genau, dass Thor nach einem Tag im Café am liebsten auf dem direkten Weg zu den Hütten fuhr, weg von der Stadt und der Osloer Bevölkerung. Inzwischen lief der Betrieb im Café mit der integrierten Galerie gut. Das brachte jedoch auch Arbeit mit sich. Mindestens 7 Stunden war Thor täglich außer Haus. Selten gönnte er sich einen freien Tag, obwohl Niklas mehrfach betonte, den Laden allein führen zu können. Aber so war Fahlstrøm: konsequent und verlässlich.

Doch ebenso besaß er die Fußfessel nicht mehr. Er war nicht gezwungen, sich an eine Ausgangsbeschränkung zu halten, und durfte sich frei bewegen, zumindest in Oslo.

„Ich geh lieber im Grünen“, meinte er.

„Das weiß ich, aber nun möchte ich ans Wasser.“ Dylan beharrte auf seinem Vorschlag und marschierte vorweg. Da er Thor die Wagenschlüssel abnahm, sah der sich gezwungen, zu folgen.

„Aber nur kurz ...“

 

Dylan musste sich zügeln, um nicht im Laufschritt zu gehen. Plötzlich hatte er das Gefühl, seinem Partner umgehend von der Neuigkeit zu berichten, um die er seit Monaten einen Hehl gemacht hatte.

Nachdem sie den Rathausplatz überquert und in Aker Brygge am Hafen entlanggegangen waren, marschierten sie geradewegs auf das Stadtviertel Tjuvholmen zu. Dort blieb Dylan bei den Appartements stehen, die über mehrere Etagen in die Höhe ragten und deren Balkone eine wunderbare Sicht über den Fjord boten.

Hastig zog er seinen Schlüsselbund hervor. „Was soll das, Perk?“, äußerte sich Thor. In regelmäßigen Abständen blickte er sich um und ging damit sicher, dass ihnen weder Fans noch Paparazzi auf den Fersen waren.

„Wart’s ab!“ Dylan gluckste und die Aufregung in ihm nahm überhand. Das Wetter war gut, der Himmel wolkenfrei und die Stimmung zwischen ihnen harmonisch, oder? Demzufolge hoffte er, dass Thor seine Begeisterung in wenigen Minuten teilen würde.

 

Sie nahmen die Stufen, denn Thor hielt nicht viel von Fahrstühlen. Das war auch in Ordnung und im dritten Stockwerk angelangt waren sie nicht einmal außer Puste.

Dylan steckte den Schlüssel in das Schloss seines Appartements und öffnete die Tür.

Mit einer einladenden Geste bat er Thor herein. „Sieh dich um!“ Er hastete durch den Flur, durchquerte das Wohnzimmer mit der integrierten Küche und zog die Vorhänge auseinander. Sofort wurde der Raum vom Sonnenlicht durchflutet. Er öffnete die Balkontür, denn die Luft in den Zimmern war abgestanden. Zuletzt hatte Carol hier gewohnt, während ihres Urlaubs in Norwegen, doch der war auch schon mehrere Wochen her.

Dylan trat ins Freie und breitete präsentierend die Arme aus. „Und? Was sagst du?“

„Schöne Aussicht“, erwiderte Thor, der ihm gefolgt war.

„Nicht wahr?“ Dylan strahlte. Fahlstrøms Blick glitt derweilen nach unten. Er spähte über die Balkonbrüstung und raunte: „Und ziemlich laut …“

Dylan hob die Schultern an und wog ab. „Wir sind in der Innenstadt. Um die Ecke liegt Aker Brygge.“

„Warum zeigst du mir das?“

Der große Moment war gekommen. Dylan holte tief Luft und sprach endlich das aus, was er Thor schon seit Monaten sagen wollte.

„Die Wohnung gehört mir. Ich habe sie gekauft.“

Thor reagierte zuerst nicht. Kein Wort, kein Lächeln. Er rieb sich nur den Bart und bekam die Zähne kaum auseinander. „Warum das, Perk?“

„Ich möchte dir nah sein.“

„Wir ficken regelmäßig, wo fehlt dir die Nähe?“

Dylan wand sich. Stellte sich Thor absichtlich stur oder wusste er wirklich nicht, worauf Dylan hinauswollte?

„Ich meine nicht nur die körperliche Nähe, sondern auch die mentale.“

„Und du denkst, eine Wohnung in der Stadt gleicht das Defizit aus?“

Dylan hielt inne. „Willst du damit sagen, dass ich weniger intelligent bin als du?“

„Allein diese Frage ist Antwort genug“, erwiderte Thor. Er drehte sich von der Brüstung weg und marschierte zurück ins Wohnzimmer. Doch anstatt sich weiter umzusehen, steuerte er die Tür an.

„Hey!“, schaltete sich Dylan umgehend ein und folgte Fahlstrøm mit hastigen Schritten. „Ich bin nicht der Hellste, das sehe ich ein, und meine Saufexzesse haben auch nicht positiv dazu beigetragen, dennoch denke ich, dass es nicht verkehrt ist, nach Norwegen zu ziehen. – Jetzt, wo wir verheiratet sind.“

„Es ist nur ein Vertrag“, nuschelte Thor.

„Was hast du gesagt?“

Sie waren an der Tür angelangt, doch der Dialog schien beendet.

„Ich fahr zu den Hütten“, gab Thor bekannt, ohne sich noch einmal umzusehen.

Dylan konnte kaum glauben, was passierte. Keine Freude, keine Begeisterung. Seine Überraschung war gefloppt. Davor hatte er monatelang Angst gehabt.

„Aber, du hast noch nicht das Schlafzimmer gesehen ...“

Fahlstrøm antwortete nicht. Nur die Laute seiner festen Schritte hallten dumpf durch das Treppenhaus. Dylan knallte die Tür zu.

 

*

 

„Ja, ich bin gut angekommen, vielen Dank.“ Dylan saß auf dem Balkon und betrachtete den Sonnenuntergang. Die orange-rote Sonne spiegelte sich auf dem Meer. Allein für diesen Anblick war es richtig gewesen, die Immobilie zu kaufen. Bei einer Tasse Kaffee saß er auf einem Balkonstuhl, dem die passenden Sitzpolster fehlten. Überhaupt musste er noch ein paar Dinge besorgen, die er im Appartement brauchte. Doch er hatte Zeit, denn so schnell wollte er Norwegen nicht wieder verlassen.

Dass Thor weniger erfreut über den Wohnungskauf gewesen war, wurmte ihn allerdings. Diesen Frust musste er sich von der Seele reden – und niemand hörte ihm gelassener zu als Carol.

„Du hörst dich aber nicht sonderlich gut gelaunt an“, meinte sie. „Habt ihr schlechtes Wetter?“

„Nein, das ist traumhaft“, erwiderte er. „Ich sitze im T-Shirt auf dem Balkon und genieße die Aussicht.“

„Und warum ist Thor nicht bei dir?“, fragte sie. „Hat er im Café zu tun?“

„Nein, das macht um 17 Uhr dicht“, erklärte er.

Sogleich hörte er ihr leises Seufzen. „Sag nicht, ihr habt euch gleich am ersten Tag deiner Rückkehr in den Haaren gelegen?“

„Nicht direkt“, meinte Dylan. Nebenbei nahm er einen Schluck Kaffee. Ein Glas Wein wäre ihm lieber gewesen, aber er war ja trocken und stolz darauf. „Ich habe ihm das Appartement gezeigt. Wie erwartet hat es ihm nicht gefallen.“

„Warum nicht?“

„Keine Ahnung!“, schoss es aus Dylan heraus. Er kam auf die Beine, denn bei seiner lebhaften Erzählung konnte er nicht mehr stillsitzen. „Er meint, es ist zu laut hier, direkt am Hafen.“ Just hatte er das ausgesprochen, vernahm er das Lachen und Schreien der Badenden, die sich am künstlich angelegten Strand vom Tjuvholmen tummelten. Rechts um die Ecke sprangen die Leute direkt von der Kaimauer ins Meer. Links von den Appartements zog sich die Flaniermeile mit Shops und Cafés bis ins Zentrum. Nahezu vis-à-vis lag das Astrup Fearnley Museum of Modern Art.

Zwischen den Gassen verliefen Wasserstraßen, in denen Boote fuhren und ankerten. Ja, es war laut. Das konnte er nicht leugnen.

„Laut?“, wiederholte Carol. „Nun ja, es ist nahe der Innenstadt, vor allem im Sommer von Touristen gut besucht. Du weißt, wie Thor zur Stadt und zu Menschenansammlungen steht“, gab sie zu bedenken.

„Bei Konzerten zeigt er sich vor tausenden Menschen“, konterte Dylan. „Wenn es ihn stört, darf er nicht in der Hauptstadt Norwegens wohnen. Überhaupt frage ich mich, warum er mich geheiratet hat, wenn er nicht mit mir zusammenleben will.“

„Das hat er sicher nicht gesagt, oder?“, erwiderte Carol. „Er lebt nicht ohne Grund zurückgezogen. Abgesehen davon hattest du nicht vor, dass er bei dir einzieht.“

„Nein, das nicht, aber ...“ Dylan stoppte. Obwohl es bereits dämmerte, sah er die Gesichter der Personen, die auf dem Asphalt entlangschlenderten. Eine davon war Thor und der steuerte geradewegs auf das Gebäude zu. In einer Hand hielt er eine Tüte, aus der ein Strauß Rosen ragte. „Ich glaub das nicht!“

„Was?“, hakte Carol nach. „Was ist los?“

„Er kommt“, entwich es Dylan fast erschrocken. „Er kommt zurück und hat Blumen dabei.“

„Wie bitte?“ Sie lachte.

Es klingelte und Dylan eilte ins Appartement. „Ich muss Schluss machen, ja? Ich melde mich wieder.“

Er schmiss das Handy aufs Sofa und hörte nicht mehr, was sie sagte.

Zügig begab er sich zur Wohnungstür und riss sie auf. Genau wie am Nachmittag vernahm er die Laute der Boots. Thor erklomm jede Stufe gemächlich. Schließlich stand er auf der Türschwelle.

„Hätte nicht gedacht, dass du dich so schnell wieder hier blicken lässt“, empfing Dylan ihn schnippisch. Gleichsam fiel es ihm schwer, die Freude darüber zu kaschieren. Die Blumen nahm er ohne zu zögern entgegen.

„Ich dachte, wir trinken noch was“, erwiderte Thor.

Dylan blickte auf die Flaschen Bier, die Fahlstrøm ebenfalls aus der Tüte zog. Sie waren alkoholfrei.

„Das ist sehr aufmerksam von dir.“

Dylan stürmte vor. In der Küche nahm er zwei Gläser aus dem Schrank. Thor trat indes vor das Fenster und sah hinaus. Es dämmerte zwar, aber auch im späten Sommer wurde es nachts nicht komplett dunkel.

„Du wolltest mir doch das Schlafzimmer zeigen“, sagte er, ohne sich umzudrehen.

„Ja ...“ Dylan versagte die Stimme – wie immer, wenn sein Partner etwas äußerte, mit dem er nicht gerechnet hatte. Mit flatterigen Fingern stellte er die Gläser ab. „Es ist am Anfang des Flures.“

Thor drehte sich um und sie sahen sich an. Dylan kannte den Blick, der ihm direkt unter die Haut fuhr, das stille Ansehen, als wäre er nackt.

„Ja, dann ... gehe ich mal vor ...“ Er griff die Gläser und das Bier. Mit staksenden Schritten, denn er trug noch seine Boots mit Plateausohlen, verließ er das Wohnzimmer, durchquerte den Flur und öffnete die Tür, die dem Eingangsbereich des Appartements gegenüberlag. Er stellte Gläser und Getränke auf den Nachtschrank und deutete zum Fenster. „Hier ist ein ebenso schöner Ausblick.“

Thor folgte und stoppte hinter ihm. „Keine Gardine?“

„Habe noch nicht die richtige gefunden, aber ich kann die Jalousie herunterlassen, wenn du ...“ Dylan drehte sich um. Sein Partner stand so dicht vor ihm, dass er seinen Atem spürte. Das reichte aus, um komplett aus dem Konzept zu kommen.

„Ziehst du mal bitte die Schuhe aus, die machen mich ganz ...“ Thor unterbrach, fuhr sich über den Bart und bewegte seinen Kiefer vor und zurück.

Dylan reagierte prompt. Mit den dicken Sohlen unter den Boots war er in der Tat ein Stück größer als sein Partner, und das, so wusste er, konnte Thor partout nicht leiden.

Galant entledigte Dylan sich der Stiefel und stellte sie auf den weichen Teppich.

„Soll ich noch etwas ausziehen?“, fragte er derweilen.

„Wenn du schon dabei bist ...“ Thors Miene blieb ohne Regung, doch Dylan erkannte an seiner beschleunigten Atmung, dass er gleichermaßen an dasselbe dachte und so zog er sich Schritt für Schritt aus, bis er nackt vor seinem Partner stand.

Dass das Schlafzimmer keinen Sichtschutz besaß, war riskant, hatte aber auch seinen Reiz. Dylan bemerkte, dass Thor zögerte und einen prüfenden Blick über seine Schulter warf. Es gab keinen Hinweis darauf, dass sie irgendjemand vom benachbarten Gebäude beobachtete und so machte Fahlstrøm eine eindeutige Handbewegung in Richtung Bett ...

 

Ein spektakulärer Akt blieb aus, obgleich Thor großen Wert darauf legte, der Routine keinen Einlass zu gewähren. Bislang waren ihre Liebesspiele stets abwechslungsreich gewesen. Aber an diesem Abend glich ihr Miteinander einem mechanischen Akt und das lag sicher nicht an den fehlenden Gardinen. Es war, als wollte jeder von ihnen schnell auf die Zielgerade gelangen.

Dylan unten – Thor wie gewohnt oben auf.

Als sie fertig waren, beklagten sie sich nicht und für einen Moment lag eine Zufriedenheit in der Luft, bis Thor sich erhob und seine Kleidung ergriff.

„Keine Zigarette danach?“, fragte Dylan. Er schluckte trocken, denn dass Thor nach dem Sex nicht rauchte, war ungewöhnlich und signalisierte, dass etwas nicht stimmte.

„Werde los“, erwiderte Fahlstrøm kaum hörbar. Nachdem er die Hose und das Hemd zugeknöpft hatte, stieg er in die Boots.

„Was, jetzt schon?“, rief Dylan entgeistert. „Warum bleibst du nicht über Nacht?“

„Du wolltest diese Wohnung, Perk, nicht ich.“

Dylan verschlug es kurz die Sprache. Seine Vermutung kam ihm kaum über die Lippen. „Bist du nur zurückgekommen, um mich flachzulegen?“

Thor erwiderte nichts, sondern steuerte die Tür an.

„Hey, warte!“, schrie Dylan ihm hinterher „Wir haben noch nicht mal das Bier getrunken!“

 

*

 

Er wurde wach, da die Sonne ungehindert ihre Strahlen auf sein Bett sandte. Trotzdem blieb er noch eine Weile liegen. Die morgendliche Lethargie konnte er nicht ablegen. Sie war ein Überbleibsel seines Lebens als alkoholsüchtiger Star. Den Schlafproblemen hatte er sich weitgehend unterworfen. An manchen Tagen genoss er es sogar, nachts wach zu werden und die Ruhe zu genießen.

Nun, am Morgen, fühlte er sich wie gerädert und die Geräusche des Hafens drangen zu ihm ins Zimmer.

In Thors Hütte wäre es definitiv stiller gewesen, das stand fest. Trotzdem blieb Dylan bei der Meinung, dass sie sich an das Zusammenwohnen langsam annähern mussten.

Auf Dauer in Fahlstrøms hölzerner Behausung zu leben, wo sie sich ständig über den Weg und eventuell auf die Nerven gehen würden, kam für ihn weiterhin nicht infrage.

Zudem lobte er sich die günstige Lage des Appartements.

Das Café lag keine 5 Minuten Fußmarsch von ihm entfernt. Spontan beschloss er, dort zu frühstücken.

Allerdings dauerte es, bis er sich wach genug fühlte, um aufzustehen. Es folgten eine ausgiebige Dusche und die Pflege seines Körpers. Erst zur Mittagszeit wagte er den Fuß nach draußen zu setzen.

Möwen kreischten und er genoss die Sonnenstrahlen auf der Haut. Trotzdem setzte er eine Sonnenbrille auf, um nicht erkannt zu werden, denn bislang fühlte er sich unbeobachtet. Die Presse schien von seinem neuen Quartier noch keinen Wind bekommen zu haben.

Trotz der Diskrepanz am Abend zuvor freute er sich auf Thor – auf den Kaffee und das leckere Gebäck des Cafés.

Doch schnell suchte ihn die Ernüchterung heim, denn er sah nicht den Jeep auf dem Parkplatz stehen, sondern den Streifenwagen von Arvid.

Der Bruder von Thor schien jedoch nicht dienstlich anwesend zu sein. Er saß vor einer Tasse Kaffee und einem Sandwich.

Hinter dem Tresen stand wie gewohnt sein Sohn Niklas, der just ein volles Tablett zu einem der Tische trug, wo weitere Gäste saßen.

„God morgen“, grüßte Dylan auf Norwegisch. Flüchtig sah er sich um. Von Thor fehlte jede Spur.

„Morna“, erwiderte Arvid. „Auch wieder im Land?“

„Ja, muss mich langsam mal einrichten. Mein Appartement soll nicht nur Besuchern zur Verfügung stehen.“ Mit einem Augenzwinkern untermalte er die Andeutung auf Carol, die erst vor kurzem Urlaub in Norwegen gemacht und seine Wohnung als Unterkunft genutzt hatte. Wider Erwarten reagierte Arvid auf die Anspielung nicht mit Erheiterung.

„Was ist mit Carol?“, fragte er stattdessen. „Ich habe das Gefühl, dass sie mir in den letzten Tagen aus dem Weg geht. Sie nimmt nicht ab, wenn ich sie anrufe, und auf meine Textnachrichten antwortet sie auch nur sporadisch.“

„Sie hat immer gut zu tun in ihrer Praxis“, erwiderte Dylan, dabei machte es ihn stutzig, dass Arvid von so einem Verhalten berichtete. Bislang hatte er das Gefühl gehabt, dass Carol sehr viel an Thors Bruder lag. „Sie ist sicher im Stress, weil sie so lange weg war.“

„Okay.“ Arvid nickte zurückhaltend, doch sein skeptischer Blick riss nicht ab. „Vielleicht kannst du mal unauffällig nachhaken, wenn du das nächste Mal mit ihr redest? – Seit der Hochzeitsfeier von euch habe ich nicht mehr richtig mit ihr sprechen können.“

„Das mache ich“, versprach Dylan und meinte es so. Zu gut konnte er sich daran erinnern, wie er Arvid und Carol auf seiner und Thors Hochzeit nahezu in flagranti beim Liebesspiel beobachtet hatte. Arvid wusste das nicht – doch mit Carol hatte er darüber gesprochen. Und es war nicht so, dass ihr diese Gegebenheit missfallen hatte.

„Apropos Heirat!“, lenkte er bewusst vom Thema ab. „Wüsste gern, wo sich mein werter Ehemann befindet.“

Erwartungsvoll sah Dylan in Niklas‘ Richtung. Der kam mit dem leeren Tablett zurück, grüßte und verkündete sofort: „Thor musste weg. – Das kann dauern.“

„Wie – weg?“, fragte Dylan. Entgeistert hob er die Schultern an. „Er weiß doch, dass ich hier bin. Warum sagt er mir denn nicht Bescheid?“

Niklas zeigte sich unwissend. „Keine Ahnung.“

„Na großartig!“, motzte Dylan. „Dann mach mir eine Latte to go. Ich fahre zu den Hütten und warte dort.“

„Schon Ehekrach, so kurz nach der Trauung?“ Arvid schmunzelte.

„Ich finde das überhaupt nicht witzig!“, giftete Dylan. „Dein Bruder ist manchmal echt ...“ Er winkte ab und Arvid nickte. „Ja, so ist er, manchmal ...“

 

*

 

Er war den Weg über die Sognsveien – zu den Hütten – inzwischen so oft gefahren, dass er einhändig lenkte. Nebenbei trank er aus dem Kaffeebecher oder zog an der Zigarette. Wieder fuhr er mit einem Leihwagen, diesmal ein E-Auto. Norwegen war mit knapp 82 Prozent Vorreiter, was elektrisch betriebene Neuwagen anging. Auch Dylan dachte über eine Anschaffung dieser Art nach. Auf der anderen Seite fragte er sich, ob es sich rentieren würde, solange nicht feststand, ob er das Jahr über mehr in London oder in Oslo verbringen würde.

Der Anblick der beiden Holzhäuser bestärkte ihn jedenfalls darin, den richtigen Weg eingeschlagen zu haben. Sein Platz war bei Thor; dem Mann, dem er vieles zu verdanken hatte. Mit seiner Hilfe hatte Dylan die Alkoholsucht bekämpft und gelernt, was bedingungslose Liebe bedeutete.

Wenn Fahlstrøm jedoch meinte, weiterhin Alleingänge zu proben, hatte er nicht mit Dylans Ungnade gerechnet.

Er stoppte auf dem Schotterweg vor dem Haus. Da es nicht nach Regen aussah, parkte er nicht unter dem Carport. Dort erblickte er Eriks Wagen, der mit Staub überdeckt war.

Thors Auto stand nicht auf dem Anwesen, sodass Dylan missgestimmt blieb.

Allein die beiden Schäferhunde, die gemächlich, aber schwanzwedelnd, auf ihn zukamen, brachten ihn zum Lächeln.

„Na ihr zwei“, begrüßte er die Tiere. „Wie läuft’s?“

Er streichelte sie ausgiebig, dabei bemerkte er, dass die Vierbeiner nicht mehr so munter wirkten wie bei seiner allerersten Begegnung mit Thor.

Die war mittlerweile einige Jahre her und die Hunde waren sichtbar gealtert.

„Dylan? Was machst du denn hier?“

Sofort sah er auf, da die Stimme, die erklang, ihm geradewegs ein flatterndes Herz bescherte. Obgleich sie dieselben Worte aussprach, wie Thor es bei seiner Rückkehr getan hatte, klang sie überrascht und erfreut zugleich.

Mit großen Schritten kam Erik auf ihn zu. Er trug enge Bluejeans und ein schwarzes T-Shirt. Wie gewohnt umrandeten seine langen Haare sein schmales Gesicht.

„Hab’s zu Hause nicht ausgehalten“, erklärte Dylan verschmitzt. Er genoss Eriks Umarmung und seinen vertrauten Duft.

„Gib es zu: Du hast mich vermisst“, meinte Erik mit einem Augenzwinkern.

„Auch, ja.“ Dylan lächelte, denn in der Tat hatte er nicht nur Sehnsucht nach Thor gehabt. Der Gedanke an seinen Partner ließ ihn jedoch schnell sachlich werden. „Ich bin seit gestern zurück, wohne im Appartement.“

„Weiß Thor es inzwischen?“, erkundigte sich Erik sofort.

„Ja, aber ihm passt es nicht. Gab gleich Stress ...“ Dylan rieb die Hände aneinander. Das Thema war ihm unangenehm. Umso erstaunter war er, dass Erik für das Verhalten seines besten Freundes Verständnis aufbrachte.

„Irgendwie auch logisch, oder?“

„Nein, ich finde das nicht logisch“, erwiderte Dylan. „Was ist so schlimm daran, dass ich mir hier ein Quartier suche?“ Musste er es wirklich erklären? „Wir sind verheiratet! Ich würde ihn gern öfter sehen, als dreimal im Jahr.“

Erik schob die Hände in seine Hosentaschen. Das machte er immer, wenn er verlegen war oder ein klärendes Gespräch anstand. „Er hat mit dir nicht darüber geredet?“

„Worüber?“

„Komm, wir trinken einen Kaffee.“ Erik winkte Dylan hinter sich her. Am hölzernen Gartentisch standen eine Kanne, eine Tasse und ein Teller mit Keksen. „Ich hole dir ein Gedeck hinzu.“

Während Erik im Haus verschwand, setzte Dylan sich. Das Gefühl in ihm hatte sich geändert. Statt Wut über seinen Partner stellte sich Missverständnis ein. War ihre Kommunikation wirklich so schlecht, dass sie ständig aneinander vorbeiredeten? Schoss er andauernd über das Ziel hinaus, während Thor am Start länger als nötig verweilte?

„Worüber sollte er mit mir geredet haben?“, fragte Dylan demzufolge, kaum war Erik zurück an den Tisch gekommen.

„Weiß gar nicht, ob ich das so frei erzählen darf, wenn du noch nicht mit ihm darüber gesprochen hast“, sagte Erik. Er schenkte ihnen Kaffee ein und setzte sich.

Dylan rollte mit den Augen. „Sag nicht, dass es schon wieder was Schlimmes ist.“

„Nein, eigentlich nicht.“ Erik strich sich seine langen Haare hinter den Rücken. Sichtbar schien er zu überlegen, wie weit er berichten konnte. „Nun, es ist ja kein Geheimnis, dass die Hütten alt und marode sind.“

„Allerdings!“ Dylan nickte bekräftigend. Er nahm einen Schluck Kaffee und biss in einen Keks. Die Zimtschnecken aus dem Café wären ihm lieber gewesen, aber Thor musste ihm ja das Frühstück vermiesen.

„Thor plant schon länger, die Hütten zu renovieren. Nur fehlt derzeit das nötige Kleingeld“, schilderte Erik weiter. „Das Strafgeld und das Café haben seine ganzen Rücklagen gefressen.“

„Ja, ich weiß.“ Dylan ließ die Hand mit dem angebissenen Keks nach unten baumeln. Sofort war einer der Hunde da, um ihm das Gebäck abzunehmen. Thor hätte das nicht toleriert. Da der jedoch nicht da war, empfand Dylan fast etwas Schadenfreude, die Schäferhunde mit Leckerli zu belohnen. „Aber, was hat mein Appartement damit zu tun?“

Die umgehende Antwort blieb aus, sodass Dylan fragend aufsah. „Was?“

„Thor plant einen Anbau.“ Erik deutete mit einem Nicken zur größeren der zwei Hütten. „Er will einen weiteren Raum schaffen und ein geräumigeres Badezimmer.“

„Anbau?“, wiederholte Dylan, während er das Gebäude ebenfalls anvisierte. Absolut hätte es ein neues Dach vertragen können. Moos und Flechten wuchsen darauf, wie das Klima es zuließ. Im Winter war es kalt in der Hütte, denn es zog durch die Räume. Dem konnte nicht einmal der Kamin – das einzige Heizmittel im Gebäude – Abhilfe verschaffen. Ganz zu schweigen von dem Warmwasserspeicher, der bei längerer Nutzung regelmäßig den Geist aufgab. „Soll das heißen, dass ...“ Ihm versagte die Stimme, sodass Erik zustimmte.

„Ja, er will Platz schaffen: für dich. Aber momentan kann er es nicht bewerkstelligen.“ Er hob die Schultern an und lächelte verloren. „Ich verstehe, dass es ihm gegen den Strich geht, wenn du mit einer Immobilie in der City um die Ecke kommst, während er sich nicht mal ein neues Dach leisten kann – und schon gar nicht ein Haus, das groß genug für euch beide ist.“

„Shit, daran habe ich gar nicht gedacht“, entwich es Dylan. „Aber warum hat er denn nichts gesagt?“

„Du kennst ihn“, äußerte sich Erik. „Er redet erst darüber, wenn es spruchreif ist.“

„Allerdings!“ Trotz der deprimierten Neuigkeiten keimte die grundlegende Frage wieder auf. Deswegen war Dylan eigentlich hergekommen oder? „Weißt du, wo er jetzt ist?“

Erik schüttelte den Kopf.

 

Sie hatten eine Weile im Garten gesessen, später war Erik aufgebrochen, um in der Stadt Besorgungen zu machen.

Dylan hielt es für angebracht, bei den Hütten zu bleiben, um auf Thor zu warten.

Er wusste, dass Fahlstrøm zumindest zum Ladenschluss noch einmal im Café vorbeisehen würde und rechnete demzufolge mit der nachfolgenden Heimkehr.

Doch die ließ auf sich warten. Dylan bekam Hunger und erneut schlechte Laune.

Erst gegen 19 Uhr fuhr Thor mit dem Jeep vor und parkte unter dem Carport.

Kurz sah er auf den Leihwagen, dann betrat er die Hütte, wo Dylan ihn mit lautem Gezeter begrüßte.

„Wo warst du? Seit Stunden warte ich. Heute Mittag war ich sogar im Café, aber du ...“ Er schluckte hart. „Du hältst es anscheinend nicht für nötig, mich in dein Leben zu integrieren. Du weißt, dass ich in Oslo bin, doch willst weder die Nacht mit mir verbringen, noch kommst du auf die Idee, mich im Café mit einem netten Frühstück zu empfangen. – Stattdessen sagt Niklas mir, dass du weg bist, und Arvid macht sich lustig über mich!“ Provokativ hielt er die Hand mit dem Ehering in die Höhe. „Was bedeutet dir unsere Ehe? Dass du mich ficken kannst, wenn es dir gerade passt, oder wie?“

Thor atmete tief ein und aus, neigte den Kopf, ohne seinen Partner aus den Augen zu verlieren. „Bist du fertig, Perk?“

„Nein, bin ich nicht!“, keifte Dylan. „Ich versuche, unser beider Leben zu vereinen, und du machst immer nur das, was dir in den Kopf kommt. Ohne mich einzubeziehen. Findest du das in Ordnung?“ Er dachte an das Gespräch mit Erik zurück. „Lass uns reden, offen miteinander sein und keine Geheimnisse voreinander haben.“

„Ich war in Fredrikstad“, antwortete Thor daraufhin.

„Ja, und?“ Dylan hob die Hände an. Seine Wut legte sich nicht. „Was gibt’s da, in Fredrikstad, dass du stundenlang wegbleibst, ohne dich bei mir zu melden?“

„Ich war beim Tätowierer“, schilderte Thor.

„A-ha?“ Dylan trat auf der Stelle. Sein Gemüt blieb aufgewühlt, er atmete viel zu schnell, doch ebenso keimte in ihm eine vage Vermutung auf. „Und? Wieso?“

„Wollte es ja erzählen, aber du musst ja erst wieder rumzicken“, erklärte Thor. Mit Bedacht zog er seine Lederjacke aus und hängte sie über einen der Stühle. An seinem linken Unterarm, dort, wo das Namenstattoo gestochen worden war, überspannte durchsichtige Folie die Haut. Trotzdem hielt Thor den Arm in Dylans Richtung. „Hab es neu stechen lassen.“

„Oh ...“ Dylan verstummte. Plötzlich suchte ihn die Betroffenheit heim, denn zu gut konnte er sich daran erinnern, wie geschädigt das Tattoo, das seinen Namen trug, ausgesehen hatte. Dagfinn Olsen hatte es eigenhändig verunstaltet, indem er Thor mit einem Messer malträtiert hatte. Wochenlang hatte Fahlstrøm die Wunden und folgenden Narben mit Salbe gepflegt. Nun war die Haut anscheinend so weit abgeheilt, dass das Tattoo neu gestochen werden konnte. Durch die Folie schimmerte der schwarze Schriftzug DYLAN, was diesem die Tränen in die Augen trieb.

„Oh, fuck. Das sieht wunderbar aus.“

Thor senkte den Arm und fuhr sich stattdessen durch den Bart am Kinn. „Nåvel; es sollte eine Überraschung sein.“

„Die ist dir gelungen“, antwortete Dylan. Er rang mit den Gefühlen und nicht nur, weil er die Bestätigung dafür bekam, dass er sehr wohl über das Ziel hinausschoss. Immer und immer wieder. Seine Erwartungen an Thor waren groß. Fahlstrøm erfüllte sie ihm – doch meist viel später als erwartet. Das schien das wesentliche Problem zwischen ihnen zu sein.

„Danke, ich danke dir.“ Dylan umarmte Thor, drückte sich an ihn und schloss die Augen, in denen die Tränen nicht wussten, ob sie sich lösen sollten.

In Thors Kleidung haftete Zigarettenrauch, was vermuten ließ, dass er an diesem Tag mehr geraucht hatte als sonst.

Dylan löste sich und wischte die Feuchtigkeit aus den Augen. „Liegt Fredrikstad so weit weg, dass du den ganzen Tag unterwegs sein musstest?“

„Nei.“ Nun lächelte Thor sogar. „Aber ich war lange nicht mehr dort gewesen, danach war ich kurz bei Arvid und im Café.“ Er wandte sich der Küche zu und es schien, als wollte er bewusst das Thema wechseln. „Was willst du essen, Perk?“

„Mir egal“, erwiderte Dylan und er rieb sich den Bauch. „Hauptsache, es geht schnell.“

 

Natürlich gab es Fisch mit Kartoffeln, aber Dylan beklagte sich nicht. Inzwischen liebte er die Leibspeise von Thor: den gebratenen Fisch, der aus dem See kam, dazu die Bratkartoffeln mit der hellen Soße, die Fahlstrøm jedes Mal anders zubereitete: mal mit Schnittlauch, manchmal mit Speck, an diesem Abend mit zerlassenem Käse.

Dylan aß mit Appetit, obwohl er die Augen nicht von Thor abwenden konnte. Ihr Streit war banal gewesen. Auch konnte er inzwischen darüber hinwegsehen, dass sein Partner die Immobilie in der City ablehnte. Das Gespräch mit Erik hatte ihm die Augen geöffnet.

Und obwohl Thor über seine Pläne noch nicht offen gesprochen hatte, zählte in diesem Moment nur, dass sie zusammensaßen und nicht weiter miteinander uneins waren.

„Wann kannst du die Folie abmachen?“, erkundigte sich Dylan.

„Nach dem Essen“, erwiderte Thor. Er hatte den letzten Bissen heruntergeschluckt und stand auf. Aus der Kühlung nahm er das Dessert, das er geräuschlos auf den Tisch stellte. Er wollte etwas sagen, das bemerkte Dylan, an den Kiefern, die sich auffällig vor und zurück bewegten, aber erst, als Thor wieder saß, sprach er seine Frage aus. „Vielleicht möchtest du heute Nacht hierbleiben?“

 

Thor hatte die Folie entfernt, das Tattoo gereinigt und anschließend mit Wundsalbe versorgt.

Während Dylan eine Dusche genommen hatte, begnügte sich Thor mit einer Erfrischung am Waschbecken. Schlussendlich lagen sie nebeneinander im Bett und sahen durch das Oberlicht in den Sternenhimmel.

Mit einem frischen Tattoo war man eingeschränkt, das wusste sogar Dylan, obgleich nur eine Tätowierung seinen Körper schmückte: der Name THOR stand auf seinem Unterarm. Vielleicht war diese gestochene Farbe unter der Haut der größte Liebesbeweis zwischen ihnen, gleichwohl er zu einer Zeit entstanden war, in der sie sich noch kaum gekannt hatten.

Inzwischen ging Dylan fest davon aus, dass ihr Kennenlernen eine Bestimmung gewesen war. Obwohl sie immer wieder aneinandergerieten, schien ihre Liebe füreinander zu wachsen. Vielleicht auch, weil sie in vielen Dingen unterschiedlich waren.

Leise seufzend schmiegte sich Dylan an Thors nackte Schulter. Er forderte keinen Sex ein, denn das Tattoo war ihm wichtig. Es musste in Ruhe abheilen ... Fahlstrøm sollte den Arm schonen, was ihm an diesem Abend sichtlich zugutekam. Schnell fielen ihm die Augen zu. Die Fahrt nach Fredrikstad und die Unterhaltung des Cafés waren anstrengend gewesen. Dylan gönnte seinem Partner die erholsame Zeit und drückte ihm lediglich ein paar Küsse auf die tätowierte Brust.

„Wenn das Tattoo abgeheilt ist, dann ...“ Er sprach seine Vorstellung nicht aus, sondern untermalte sie, indem er über Thors Bauch strich und die Finger durch den Ansatz der Schambehaarung gleiten ließ.

„Mhm“, stimmte Fahlstrøm zu und ein Lächeln huschte über sein Gesicht. „Kommst du morgen um 11 Uhr ins Café?“

„Ja.“ Dylan nickte erfreut und schloss ebenfalls die Augen. „Lässt sich einrichten.“

 

*

 

Er wurde wach, da sein Handy einen Ton von sich gab. Verschlafen drehte sich Dylan auf die Seite und sah sich die Mitteilung an, die Carol ihm geschrieben hatte.

„Und? Wie ist es gelaufen?“

Er war kurz davor, sie anzurufen, um ihr mitzuteilen, wie sich der besagte Abend und der nachfolgende Tag abgespielt hatten, da fiel sein Blick auf die Zeitanzeige. Es war 10.30 Uhr. Er wirbelte herum. Der Bettplatz neben ihm war leer, die Zudecke akkurat gefaltet, von Thor keine Spur.

„Shit“, fluchte er. Hektisch schrieb er seiner Freundin eine Antwort: „Melde mich später, habe verschlafen.“

Nachfolgend stürmte er ins Bad. Sein Haar stand in alle Richtungen ab und seine Gesichtshaut wirkte fahl. Er musste duschen, daran führte kein Weg vorbei. Doch das bedeutete, dass er sich verspäten würde.

,Kommst du morgen um 11 Uhr ins Café?‘ – hatte Thor ihn am vergangenen Abend gefragt. Wieso hatte er sich keinen Wecker gestellt?

Er duschte, wusch sich die Haare, und nach einem Gesichtspeeling fühlte er sich tatsächlich frischer, doch das Procedere dauerte an, sodass er erst um 11.30 Uhr ins Erdgeschoss trat. Die Hunde lagen im Wohnbereich und schliefen. Auf dem Tisch war nicht wie sonst das Frühstück für ihn aufgedeckt, was bedeutete, dass Thor mit ihm im Café frühstücken wollte, oder?

Er musste es annehmen und so hastete er hinaus, ohne einen Kaffee getrunken zu haben.

 

Die Fahrt in die Innenstadt dauerte eine weitere halbe Stunde. Kurz nach 12 Uhr kam er ins Café gestürmt. Bereits dort angekommen, hatte ihn ein ungutes Gefühl beschlichen, denn Thors Wagen stand abermals nicht auf dem caféeigenen Parkplatz.

Drinnen wurde seine Annahme bestätigt: Fahlstrøm war nicht anwesend.

„Oh, fuck!“, fluchte Dylan so laut, dass sich die Gäste an den Tischen zu ihm umdrehten.

Kurz darauf erschien Niklas aus dem hinteren Bereich des Cafés, wo sich die Galerie befand. Entgeistert sah er Dylan an. Bevor er etwas sagen konnte, kam der ihm zuvor.

„Wo ist Thor? Wir waren verabredet, aber ich habe verpennt.“

Niklas stellte das Geschirr, das er mit sich trug, ab und stützte sich auf die Ablage. Anders als sonst war sein Gesicht nicht von Freundlichkeit gezeichnet. „Echt jetzt? Du verschläfst, obwohl er diesen wichtigen Termin hat?“

„Welchen Termin?“, fragte Dylan erschrocken.

„Der im Gericht“, berichtete Niklas. „Wusstest du das nicht?“

„Na ja!“, druckste Dylan herum. „Ich sollte um 11 Uhr hier sein. Mehr hat Thor nicht gesagt.“ Er sah auf die Uhr. „Wann beginnt die Verhandlung?“

„Müsste schon angefangen haben“, sagte Niklas. „Arvid ist auch hin.“

„Shit!“ Dylan schloss die Augen und legte den Kopf in den Nacken.

Für Niklas gab es dazu nur eine Meinung:

„Ich würde sagen, du hast es vermasselt.“

 

TEIL 2

Vor dem Gerichtsgebäude war von der Verhandlung in den Innenräumen nichts zu bemerken. Die Öffentlichkeit sowie die Presse schienen nicht mitbekommen zu haben, dass der gefürchtete Frontmann von Wooden Dark sich abermals vor den Richtern verteidigen musste. Doch diesmal ging alles unspektakulär vonstatten, obwohl es sich nicht zum ersten Mal um das Ableben eines Menschen handelte, das Thor Fahlstrøm zu begründen hatte.

Wer in diesem Moment nicht an seiner Seite weilte, war Dylan Perk, der auf dem Gehweg hin- und herlief und eine Zigarette nach der anderen rauchte.

Die Verhandlung lief und man hatte ihn nicht mehr in die Räumlichkeiten gelassen. So hieß es warten und das machte ihn nervös.

Nach einer Stunde Wartezeit klappte endlich die Tür auf und Arvid betrat den Vorplatz. Er zündete sich umgehend eine Zigarette an und bemerkte Dylan erst, als der dicht an ihn trat. „Und? Wie läuft es? Dauert es noch lange?“, fragte er gespannt, woraufhin der Bruder von Thor ihm einen erstaunten Blick zuwarf. „Hätte dich drinnen erwartet“, sagte er knapp.

„Braucht man mich als Zeugen?“, erkundigte sich Dylan prompt. „Ich kann alles bestätigen. Ich war doch dabei, als wir ihn fanden.“

Arvid schüttelte den Kopf. „Wie besprochen, lassen wir dich außen vor. Du hättest mich damals nicht begleiten dürfen. Und ich habe meine Aussage gemacht. Wir haben dasselbe gesehen. Sie haben ihn gekidnappt und gefoltert, daran gibt es nichts zu leugnen.“

„Okay.“ Dylan schnippte den Zigarettenstummel in den nahe gelegenen Mülleimer. „Aber die Sache mit Dagfinn ...“

Arvid nickte sofort. „Es war kein aufgesetzter Schuss. Alles spricht für Notwehr.“ Er zog nochmals an der Zigarette, was ihn für kurze Zeit wie seinen Bruder aussehen ließ und sprach weiter: „Es gibt das medizinische Gutachten, was die Misshandlungen bestätigt, zudem das psychologische Attest über seine traumatische Belastung. Dazu kommen die Aussagen von Dagfinns Komplizen.“ Er hob die Augenbrauen an. „Also wenn du mich fragst, ist das Urteil damit gefällt.“

Dylan atmete auf und schloss die Augen. Obwohl es ihn nach wie vor wurmte, dass er zu spät gekommen war und dem Prozess nicht beiwohnen konnte, spürte er eine enorme Erleichterung – und im Folgenden Arvids Hand auf seiner Schulter. „War vielleicht gut, dass du dir das Ganze nicht angehört hast. Das, was passiert ist, war keine schöne Sache. Bleibt zu hoffen, dass die Typen angemessen bestraft werden und Thor endlich mal zur Ruhe kommt.“

„Ja.“ Dylan stimmte dem zu, wobei ihm Tränen in die Augen schossen. „Ich bin auch froh, wenn alles vorbei ist.“

 

Nach weiteren dreißig Minuten war dann alles endlich vorbei.

Die Leute strömten aus dem Gebäude. An der Spitze Lisa. Ihr Gesicht glühte, sie wirkte jedoch zufrieden.

Lebhaft unterhielt sie sich mit den Personen, die Dylan nicht kannte. Er musste annehmen, dass es sich um die Verteidiger handelte. Schließlich trat auch Thor hinaus. Er schüttelte Lisa die Hand und nickte ihr zu, allerdings blieb sein Gesicht so versteinert wie gewohnt.

Kurz überkamen Dylan Zweifel. War wirklich alles in Ordnung?

Er stürmte auf Thor zu und stoppte dicht vor ihm.

„Ist es gut gelaufen?“

„Wir hatten 11 Uhr gesagt“, antwortete Thor emotionslos. Ebenso geruhsam steckte er sich eine Zigarette an.

„Es tut mir leid“, beteuerte Dylan. „Du weißt, meine Schlafstörung ...“

Thor blies den Zigarettenrauch zur Seite weg. Vermutlich hätte er eine weitere spitze Bemerkung gemacht, doch dazu kam es nicht, denn Arvid gesellte sich zu ihnen. Fest klopfte er seinem Bruder auf die Schulter. „Du hast es tatsächlich geschafft. Das sollten wir feiern, oder?“

Dylans Herz machte einen Sprung. „Es gibt keine Anklage?“

Arvid schüttelte den Kopf. „Nein, Thor Fahlstrøm ist endlich wieder ein freier Mann.“

 

*

 

Nur die engsten Freunde von Thor waren anwesend. Dennoch war es ein ansehnliches Grüppchen, das sich um das Lagerfeuer reihte; jedoch definitiv mehr Gesichter wie damals, als Thor nach Magnus‘ Tod aus dem Gefängnis entlassen worden war.

Die Person Fahlstrøm hatte sich seitdem zu einem festen Bestandteil der Osloer Bevölkerung gemausert, bisweilen mit einer negativen Wertung.

Doch mittlerweile brachte man mit diesem Namen nicht nur eine weltbekannte Black Metal Band in Verbindung, sondern auch Stärke und Kampfgeist, das gut laufende Café in der Stadt und die Erkenntnis, dass selbst ein gefürchteter Mensch fähig war, das Blatt zu wenden.

Thor tat es an diesem Abend, indem er nicht mehr über die Dinge redete, die ihn am Morgen vor den Richter treten ließen.

Er sprach nicht von der Entführung, seinen Verletzungen oder Dagfinn Olsen, den er – laut Geschworenen – im Affekt getötet hatte; ausschließlich deswegen, um zu überleben.

Ob es tatsächlich so gewesen war, wusste nur Thor allein. Vermutlich würde er nie darüber reden, was in Olsens Hütte in Wirklichkeit geschehen war. Dylan wollte es auch gar nicht wissen.

Thor Fahlstrøm hatte seine Strafe erhalten: für seine Gewaltbereitschaft, die er an den Jugendlichen ausgelassen hatte, für seine Flucht von Bastøy und das Leben mit falschem Namen.

Für den Tod von Dagfinn Olsen konnte man ihn jedoch nicht belangen. Somit wurde er freigesprochen, lediglich mit der Auflage, die Kontrollen seiner Bewährungshelferin weiterhin zu tolerieren.

Dylan fragte sich, ob sein Partner die Gegebenheiten ebenso befreiend empfand wie er selbst.

Von einer Minute auf die andere waren all die belastenden Zustände wie weggeblasen. In dem Augenblick, in dem sie dicht nebeneinander auf den Steinen saßen und die Glut des Feuers betrachteten, wurde Dylan erst richtig bewusst, wie sehr ihn die letzten Monate mitgenommen hatten. Stets hatte er die Furcht mit sich getragen, dass er Fahlstrøm verlieren könnte, dass dieser verhaftet und für viele Jahre weggesperrt wurde.

Ihre Liebe hätte das vermutlich nicht überlebt und die Vorstellung daran schnürte ihm kurzzeitig die Kehle zu. Auf der anderen Seite saß er in Norwegen und blickte in heitere Gesichter. Plötzlich existierte die Angst nicht mehr und das war ein unbegreifliches Gefühl.

„Wurst, Perk?“ Die Stimme des Mannes, den er abgöttisch liebte, holte ihn in die Gegenwart zurück. Thor hielt eine Zange in der Hand und wendete das Fleisch auf dem Rost. Sorgsam bettete er eine Bratwurst in ein Brötchen, versah es mit Ketchup, Röstzwiebeln und Gurken und klappte es anschließend zu. Ohne ein Wort stellte er Dylan ein Bier vor die Füße – selbstverständlich ein alkoholfreies. Dylan nickte dankbar und nahm den Hotdog entgegen. Ihre Blicke trafen sich und Dylan bemerkte Thors wachsamen Augenaufschlag, dazu die vertraute Nähe und ständige Aufmerksamkeit.

Während er hungrig ins Brötchen biss, legte Fahlstrøm einen Arm um ihn, eher beiläufig, weniger auffällig, aber dennoch besitzergreifend.

Mit der freien Hand führte Thor eine Flasche Bier an den Mund und Dylan ging davon aus, dass noch einige Flaschen folgen würden. Ja, es gab etwas zu feiern, auch wenn sie den Rahmen dafür nicht sprengten.

Gegenüber von ihnen steckten Fay und Lisa ihre Köpfe zusammen. Sie kicherten und küssten sich, wie ein frisch verliebtes Paar.

Auch Erik und Bjarne waren in ein Gespräch vertieft. Es sah jedoch ernster aus und bisweilen flüsterten sie sich Dinge ins Ohr, die sie sichtbar nervös werden ließen. Irgendwann standen sie auf und verließen die Runde. Dylan sah ihnen hinterher, bis sie im Eingang von Eriks Haus verschwunden waren.

„Ich werde langsam los und nehme den Jungen mit“, sagte Arvid. Er saß zu Dylans Linken, neben ihm sein Sohn Niklas, der sich seine Lederjacke überstrich. „Wir müssen beide früh raus.“

„Ja, klar“, erwiderte Dylan. „Schön, dass ihr hier gewesen wart.“

Arvid nickte, doch er erhob sich nicht. Nervös knetete er auf dem Autoschlüssel herum. „Hast du inzwischen mit Carol gesprochen?“

„Ich bin noch nicht dazu gekommen“, erwiderte Dylan zerknirscht, dabei dachte er daran, dass er seine Freundin eigentlich hätte informieren müssen; und nicht nur über die aktuellen Neuigkeiten. „Ich hole das morgen nach, okay?“

„Okay.“ Arvid lächelte kurz und kam auf die Beine. „Schönen Abend noch.“

Er hob die Hand, woraufhin auch Thor verabschiedend nickte.

Kaum waren sein Bruder und Neffe gefahren, sah Dylan erneut zu Eriks Haus. Das blieb vor Thor nicht verborgen.

„Na, interessiert es dich, was die beiden treiben?“

Dylan hob die Schultern an, doch er grinste, denn er fühlte sich ertappt. „Weiß nicht, ja, vielleicht, schon ...“

„Dann geh hin und sieh nach“, forderte Thor.

„Meinst du?“ Dylan reagierte verunsichert. Sollte er wirklich nachsehen, was abseits der Gruppe lief? Wäre das nicht voyeuristisch gewesen? Auf der anderen Seite erstaunte es ihn, wie zuvorkommend sich Thor verhielt. War es trügerisch oder gut gemeint?

„Nun geh schon, bevor du dir den Hals verrenkst“, sprach Thor weiter.

„Okay, dann ... schau ich mal.“ Dylan stand auf, strich die Kleidung glatt und machte große Schritte in Richtung Haus. Die Tür war offen und es brannte Licht im Inneren. Schon von der Schwelle aus konnte er sehen, dass Erik und Bjarne vor der Küchenzeile standen und hemmungslos knutschten.

Zeit zum Umdrehen – durchschoss es Dylans Gedanken. Er hatte gesehen, was er vermutet hatte und das reichte, oder? Mit seinen festen Boots blieb er jedoch auf der Türschwelle stehen und erzeugte einen Laut, der Erik und Bjarne auseinanderriss.

„Sorry“, entwich es Dylan unmittelbar „Wollte euch nicht stören.“

Während Erik ihn nur gütig anlächelte, stieß sich Bjarne von der Anrichte ab.

„Muss ohnehin los“, sagte er und nickte seinem Gegenüber zu. „Ich melde mich.“

„Komm gut heim“, antwortete Erik.

Gemächlich steuerte Bjarne sein Auto an, wobei die silberne Kette an seiner Hose klimperte. Rasant fuhr er vom Hof.

„Ist das eigentlich etwas Ernstes mit ihm?“, fragte Dylan daraufhin.

„Nei“, wehrte Erik sofort ab, doch er hielt dem Blickkontakt nicht stand. „Wie kommst du darauf?“

„Er ist in letzter Zeit ziemlich oft in Oslo.“

„Ja, beruflich ...“

Dylan grinste schief. „So nennt man das also.“

Sie lachten gemeinsam, dennoch schien eine Frage unausweichlich. „Und was ist mit Tony?“

„Mein Fels in der Brandung“, deklarierte Erik. „Mach dir keine Sorge, ich lass ihn nicht fallen.“

„Gut“, entgegnete Dylan erleichtert. Deswegen hatte er nachgesehen, oder? Er wollte wissen, was da mit Erik und Bjarne lief; ob sie mehr verband als eine reine Sexbeziehung und ob er sich Sorgen machen musste um seinen besten Freund – den Manager Tony, der zu Hause in London saß, von Eriks Hang zur Promiskuität zwar wusste, aber sicher nicht ahnte, dass der inzwischen einen handfesten Liebhaber unterhielt. Waren es früher eher Stippvisiten gewesen, kam Bjarne mittlerweile regelmäßig vorbei.

Dass das mit Eifersucht einherging, gestand Dylan sich nicht ein. Er deutete nach draußen. „Kommst du wieder ans Lagerfeuer?“

„Ja“, antwortete Erik. „Bin nur kurz pinkeln.“ Er verschwand ins Obergeschoss, wo sich das Bad befand. Indessen ging Dylan zurück zur Feuerstelle, wo sich Lisa und Fay erhoben.

„Wir werden auch los“, gab Fay bekannt. Daraufhin kam Thor sofort auf die Beine. Er umarmte seine Freundin. Lisa schenkte er ebenfalls ein Lächeln. „Vielen Dank für eure Hilfe.“

Es war vielleicht das erste Mal, dass Dylan seinen Partner so dankerfüllt sah, doch es war nachvollziehbar. Trotz der Schlagzeilen und Geschehnisse um Thor Fahlstrøm war Fay Bjørnson loyal geblieben. Und ihre Frau Lisa hatte entscheidend dazu beigetragen, dass Thor freigesprochen worden war.

Nachdem die Frauen gefahren waren, nahmen sie wieder Platz. Die Gäste waren weg. Nur das Feuer gab ein knisterndes Geräusch von sich. Erik war zurückgekommen und sah sich suchend um. „Habt ihr meine Kippen gesehen?“ Er bückte sich, suchte den Boden ab und lief anschließend um die Sitzgelegenheiten herum.

„Kannst eine von mir haben“, meinte Dylan. Er zog seine Zigarettenschachtel sowie ein Feuerzeug hervor. Seine Hände zitterten, dabei war ihm nicht kalt. Auch registrierte er weiche Knie, als Erik neben ihm auftauchte und er ihm Feuer gab. „Takk.“ Sie standen sich so dicht gegenüber, dass Dylan den warmen Atem seines Freundes bemerkte, die feine Note von Bier und den Duft, den Erik Baardson umgab, das Aroma, das er mochte.

Dylan wurde nervös und rückte ab. Erik lächelte. Er war nicht nüchtern und wankte umher, während er in den Himmel blickte und rauchte.

„Ist es wieder so weit?“, fragte Thor, kaum hatte sich Dylan hingesetzt.

„Was meinst du?“, hakte er nach.

„Du willst ihn oder warum bist du plötzlich so fickerig?“

„Ich ...“ Dylan verstummte und neigte das Haupt. Vor Thor konnte er nichts geheimhalten. Und wie so oft hatte der auch recht. Es gab immer Momente, in denen er sich nach Erik sehnte: nach seinen Küssen, seiner Haut, seinem schlanken Körper – doch nicht unbedingt, weil er Emotionen in ihm erweckte, sondern vielmehr, weil sie miteinander guten Sex haben konnten.

Sex – bei dem Dylan sich freien Lauf lassen konnte.

Thor wusste das und das machte die Angelegenheit prekär.

„Hol ihn dir“, riet der.

„Jetzt?“, fragte Dylan erschrocken.

„Er ist angetrunken und Bjarne nicht da – leichte Beute“, fuhr Thor fort. Er sprach das so abgebrüht und offen aus, dass es nahezu schockierte. Ebenso wurde Dylan klar, dass der Moment tatsächlich passte. Erik wirkte umtriebig und angeheitert. Abgesehen davon hatte er eigentlich immer Lust auf Sex, wenn sich die Gelegenheit bot.

Ihr letztes Intermezzo war zudem schon einige Monate her ...

„Meinst du wirklich?“, vergewisserte sich Dylan dennoch. Thors Blick blieb herb. Seine Worte wurden umso deutlicher.

„Geht vor in sein Schlafzimmer ... Ich komme gleich nach.“

„Okay.“

Dylan stand auf. Obwohl er nicht fror, schienen seine Glieder steif. Die innere Zerrissenheit nagte an ihm und trotzdem wagte er den entscheidenden Schritt.

Erik war inzwischen in Richtung des Sees getaumelt, mit zuckenden Lidern sah er in die Ferne. Die Zigarette klemmte zwischen seinen Lippen. Die Hände hatte er in seine engen Jeans gestopft.

„Hey!“, begann Dylan. Vorsichtig berührte er seinen Freund am Arm. „Thor hat sein Okay gegeben. Wir können ne Nummer schieben, wenn du möchtest.“

Erik antwortete nicht sofort. Nur seine Lippen lockerten sich, sodass die Zigarette aus seinem Mund glitt und zu Boden fiel. Dylan trat sie umgehend aus.

„Faen, echt?“ Irritiert blickte Erik zur Feuerstelle. Thor sah sie nur prüfend an.

„Ja, echt.“ Dylan lächelte. Zeitgleich suchte ihn eine Befangenheit heim. Aber gerade diese Verlegenheit machte die Sache reizvoll.

„Ich bin nicht nüchtern ...“

„Macht nichts“, entgegnete Dylan. „Ich will auch nur einen wegstecken, mehr nicht.“

„Ist okay“, erwiderte Erik. Er trat einen Schritt vor, wankte allerdings zur Seite, woraufhin Dylan ihn fest am Arm packte und zum Haus lotste. Es war genau so, wie Thor es vorausgesagt hatte:

Erik war leichte Beute.

 

*

 

Dylan wurde wach, weil im Hintergrund die WC-Spülung betätigt wurde. Das verworrene Gefühl in ihm erinnerte ihn an seine Saufexzesse, an die unzähligen Abende, die er betrunken in Hotels und mit den Groupies verbracht hatte. Doch inzwischen lebte er trocken und er befand sich nicht auf einer Tournee: sondern in Eriks Bett.

Der neue Tag hatte bereits begonnen.

„Damn“, fluchte er vor sich hin. Aus den Augenwinkeln erblickte er Erik, der aus dem Bad gewankt kam. Er war nackt und trug lediglich die Boots, die er am vergangenen Abend im Rausch angezogen hatte. Es machte nicht den Anschein, als wollte er sie so schnell ablegen. Er kam ins Bett zurück und schob sich unter die Zudecke.

„God morgen“, grüßte er mit geschlossenen Augen. Nur das sanfte Lächeln um seinen Mund signalisierte sein Wohlbefinden. In Dylan keimte jedoch die altbekannte Unzufriedenheit auf. Konnte nicht ein Mal irgendetwas so laufen, wie er es erwartet hatte?

„Ich muss rüber“, stammelte er und fischte seine Unterhose vom Boden auf. Auch die anderen Kleidungsstücke lagen im Zimmer verteilt. „Thor ist sicher sauer, weil ich noch hier bin.“

„Ah, nei“, nuschelte Erik ins Kissen. „Das glaube ich nicht.“

„Weiß nicht.“ Dylan war unschlüssig. Mit hektischen Bewegungen zog er sich an. Plötzlich konnte er es nicht mehr abwarten, das Haus von Erik zu verlassen, obwohl der vergangene Abend ganz nach seinem Geschmack gewesen war. „Takk for i går“, bedankte er sich demzufolge wie in Norwegen üblich für die miteinander verbrachte Zeit.

„Vaer så god“, erwiderte Erik, was so viel wie gern geschehen hieß.

 

Nach einem kurzen Vorspiel, das mit tiefen Zungenküssen einhergegangen war, hatte er sich auf Erik gelegt und ihn schnell und hart gefickt. Das reichte aus, um seinen Drang für viele Wochen zu befriedigen; Zeit, in der er in der Beziehung mit Thor eher den devoten Part übernahm.

Für Erik war es in Ordnung gewesen. Der hatte lediglich darauf bestanden, die Stiefel beim Akt zu tragen. Kam es ihnen am Anfang noch etwas beschämend vor, von Thor dabei beobachtet zu werden, hatten sie in ihrem Sexrausch schnell vergessen, dass Fahlstrøm im Raum gestanden und jede Handlung stillschweigend mitverfolgt hatte.

 

Strammen Schrittes überquerte Dylan das Grundstück. Er wagte nicht, zu hoffen, dass Thor seinen Verzug eventuell nicht mitbekommen hatte, denn Fahlstrøm war Frühaufsteher. Nicht nur die Hunde brachten ihn zum zeitigen Aufwachen, sondern neuerdings auch die Arbeit im Café.

Doch an diesem Tag schien er es nicht eilig zu haben. Sein Jeep stand unter dem Carport und er saß am Tisch beim Frühstück, als Dylan den Wohnbereich betrat.

„Sorry, ich bin gestern eingeschlafen“, entschuldigte er sich frei heraus. Wie selbstverständlich setzte er sich Thor gegenüber, nahm sich Kaffee und ein Stück Brot, als wäre sein Verzug keine große Sache. Aber Thor hasste Entschuldigungen. Dementsprechend skeptisch blieb sein Gesichtsausdruck.

„Musst du gar nicht ins Café?“, fragte Dylan, während er das Brot mit Marmelade bestrich. Zufrieden stellte er fest, dass auch Braunkäse auf dem Tisch stand. Lächelnd legte er eine Scheibe oben auf.

„Nei, heute nicht“, antwortete Thor. Er schien fertig mit dem Essen und entzündete eine Zigarette. Sein Blick blieb herb, sodass Dylan sich dazu durchrang, das Geschehen des vergangenen Abends doch anzusprechen.

„Also, das mit Erik gestern ...“ Er kaute, schluckte und trank etwas Kaffee. Er wollte ehrlich sein und sprach seine Gedanken frei aus. „Ich möchte, dass du weißt, dass ich das nur mache, weil ...“

„Ich weiß, warum, Perk“, unterbrach Thor ihn sofort. „Darüber müssen wir nicht mehr reden.“

„Okay.“ Dylan nickte und nahm einen größeren Bissen. Obgleich ihn sein Partner zum Stillschweigen gebeten hatte, brachte er eine weitere Frage hervor. „Warum hast du nicht mitgemacht?“

„Das spare ich mir auf.“ Thor klopfte die Asche seiner Zigarette in den Aschenbecher und nahm einen tiefen Zug. Er checkte die Uhrzeit auf seiner Armbanduhr und sah sich prüfend um. Die Hunde lagen im Eingangsbereich und blinzelten müde.

„Darf ich wenigstens erfahren, warum du gestern so großzügig warst?“

Dylan sprach um den heißen Brei herum, aber er wusste, dass Thor ihn verstehen würde. In der Vergangenheit hatte es Geheimnisse gegeben: heimliche Stelldicheins mit Erik Baardson, die Dylan nach wie vor nicht bereute.

Aber mit dem geschlossenen Ehevertrag hatte Dylan auch in die Absprache eingestimmt, in Zukunft ehrlich zu sein, seine Bedürfnisse offenzulegen, wenn es denn sein müsste.

Am vergangenen Abend hatte Thor ihn allerdings fast ermuntert, es mit Erik zu treiben. Das war ungewöhnlich, oder?

„Ich möchte, dass du entspannt in unsere Flitterwochen gehst“, antwortete Fahlstrøm unverhofft.

So offen und unbekümmert, wie das ganze Gespräch verlief.

Dylan schluckte hart. „Flitterwochen?“, wiederholte er heiser. Er räusperte sich, da das Graubrot in seinem Hals steckenzubleiben schien. „Wann sollen die denn stattfinden?“

„Unser Flieger geht morgen früh“, berichtete Thor. Er drückte die Zigarette endgültig aus. „Du kannst deine Sachen packen.“

„WAS? Morgen schon?“ Dylan war so überrascht, dass er nicht wusste, ob er sich freuen sollte. Selbstverständlich hatte er sich einen Honeymoon mit Thor gewünscht, so etwas gehörte doch dazu, wenn man sich getraut hatte. Aber musste das so ad hoc gehen? Ohne Vorwarnung?

„Das hast du ja super arrangiert!“, platzte es aus ihm heraus. „Wie soll ich denn so schnell meinen Koffer vollbekommen? Da muss man doch an alles Mögliche denken!“

„In Amerika gibt es auch alles Mögliche. Was du nicht mitnimmst, kaufst du dort.“

Dylan hielt augenblicklich inne. Die anfängliche Entrüstung wich mit einem Atemzug. „Heißt das, wir reisen nach Nevada?“

„Ja.“ Thor nickte. „Da gibt es eine Ranch, zu der du zurückkehren wolltest.“

 

*

 

Viel hatte Dylan nicht mitgenommen. Insgeheim hatte er geplant, sich den zweiten Wohnsitz so einzurichten, dass er in Zukunft ohne großes Gepäck zwischen London und Oslo pendeln konnte.

Zudem existierten auch in Thors Hütte einige Dinge, die er bei seinen Besuchen zurückgelassen hatte: Kleidung, Schmuck und Schminksachen. Zügig hatte er eine Tasche gepackt. Und Fahlstrøm hatte recht: Was fehlte, konnte er sich unterwegs besorgen. Anders als bei ihrer Flucht nach Amerika, würde er nun unbekümmert einkaufen gehen und die Kreditkarte zücken können, ohne die Angst im Nacken, von der Polizei erwischt zu werden.

Im Endeffekt sahen sie auf eine Reisetasche, zwei Rucksäcke und Thors Seesack.

„Morgen geht es früh los. Wir sollten zeitig zu Bett gehen“, meinte Thor, der ihre Reiseunterlagen verstaute und anschließend hinaussah. „Ich dreh noch eine Runde mit den Hunden.“

„Okay“, erwiderte Dylan. „Dann mach ich derweilen ein paar Telefonate, damit uns in Nevada wirklich niemand stört.“

 

Zuerst rief er bei Tony an. Der fiel natürlich aus allen Wolken, kaum berichtete Dylan, dass er mit Thor in die Flitterwochen aufbrechen wollte.

Die Arbeit mit RACE würde sich damit erneut verschieben. Tony drängte auf neue Studioaufnahmen, ebenfalls auf ein paar Gigs zusammen mit Wooden Dark, denn ihre gemeinsame Platte hatten sie durch Thors Eskapaden noch nicht ausreichend promotet.

 

„Bist du dir sicher, dass du mit ihm verreisen willst?“, lautete die abschließende Frage von Tony. „Er hat schon wieder einen Menschen umgelegt.“

Entsprechend folgte Dylans Antwort: „Was heißt schon wieder? Für Magnus‘ Tod kann er nichts und dass das mit Dagfinn Notwehr war, haben die Richter besiegelt. Die Sache ist abgeschlossen.“

„Aber darf er denn überhaupt verreisen?“

„Die Bewährung läuft noch ein paar Monate“, erklärte Dylan. „Trotzdem hat er die Genehmigung, Urlaub zu machen.“

Er versprach dennoch, nicht länger als drei Wochen wegzubleiben. Ohnehin wollte Thor die Leitung des Cafés nicht zu lange auf Niklas übertragen, da der eine Abendschule besuchte.

Etwas gehetzt sah Dylan auf die Uhr. Ihm blieb Zeit, um seine Freundin anzurufen. Das hatte er Arvid ohnehin versprochen. Anders als Tony, reagierte Carol erfreut über die Ankündigung der Flitterwochen.

„Oh, ich gönne es dir von Herzen“, sagte sie. „Aber bitte pass auf dich auf und versuch, dich nach dem ganzen Stress zu erholen. Und Thor auch!“

„Das werden wir“, versprach Dylan. „Ich werde die drei Fs großschreiben.“

Carol lachte. „Und die wären?“

„Ficken, Fressen, Faulenzen“, entgegnete Dylan. Doch trotz der Erheiterung in ihren Stimmen wollte er sachlich bleiben. „Kannst du dich bei Arvid melden? Er bat mich, mit dir zu sprechen, und sagte, dass du dich rar machst?“

Carol antwortete nicht sofort und er konnte ihre Nachdenklichkeit sogar durch das Telefon spüren.

„Ich brauche etwas Zeit, um nachzudenken“, meinte sie schließlich.

„Darüber, wie es mit euch weitergeht?“, erkundigte sich Dylan.

„Auch das“, sagte sie und er hörte sie seufzen. „Lass uns reden, wenn du zurück bist, ja? Vermutlich werde ich Arvid besuchen müssen, um die Lage zu klären.“

„Okay.“ Dylan schluckte die Nachricht herunter, die ihn überraschte. Carols Worte klangen wichtig und es erfüllte ihn mit Stolz, dass sie ihn so intensiv in ihr Leben mit einbezog. „Wenn ich zurück bin, sprechen wir alles durch.“