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Die Finsternis der Sterne – Heft 13: "Das Galaktische Puzzle" ANKLAGE: Hohes Gericht, wir haben uns heute hier versammelt, um das Fehlverhalten eines gewissen Captain Maximilian Shaw anzuprangern, der mit seinem Raumschiff, von dem er ganz stolz als "Das größte Kriegsschiff, das die Menschheit je gebaut hat" prahlt, in Gebiete vorgedrungen ist- VERTEIDIGUNG: Einspruch! ANKLAGE: Gegen was? Gegen die Gebiete? VERTEIDIGUNG: Gegen alles was Sie gesagt haben, AUSSER den Gebieten! Hohes Gericht, verehrte Anwesende, Wesen mit multiplen oder ohne jedes Geschlecht, Kern und Ziel dieser Verhandlung ist es doch... ANKLAGE: Gerechtigkeit zu erreichen! VERTEIDIGUNG: Ähhh... genau, ja! ANKLAGE: Äh... heißt das, werte Kollegin, in diesem Punkt sind wir uns einig? VERTEIDIGUNG: Ja... was aber der einzige sein dürfte. Außer das Wort "Gebiete". ANKLAGE: Ist vermerkt. VERTEIDIGUNG: Danke. ANKLAGE: Wollen wir dann zum Thema zurückkehren? Zu dem, was ein gewisser Captain getan hat...? VERTEIDIGUNG: Sie meinen die erneute Aufklärung eines Verbrechens? ANKLAGE: Ich meine mit Sicherheit nicht einen weiteren, unnötigen und unnötig explizit vorgetragenen Akt sexueller- VERTEIDIGUNG: Erfüllung? ANKLAGE: Äh, ja. VERTEIDIGUNG: Schade. ANKLAGE: Äh, ist das- VERTEIDIGUNG: Nein! ANKLAGE: Schade. Nun, hohes Gericht... GERICHT: Ich, werter Vertreter der Anklage, werte Vertreterin der Verteidigung, werte geschlechtsvolle oder ungeschlechtliche Zuschauer, werde mich jetzt ersteinmal intensiv mit der hier vorliegenden Akte auseinandersetzten – und ich empfehle Ihnen, das gleiche zu tun!
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Seitenzahl: 298
Veröffentlichungsjahr: 2024
Martin Cordemann
Das Galaktische Puzzle
Die Finsternis der Sterne – Heft 13
Dieses ebook wurde erstellt bei
Inhaltsverzeichnis
Titel
LOG XIII/01
LOG XIII/02
LOG XIII/03
LOG XIII/04
LOG XIII/05
LOG XIII/06
LOG XIII/07
LOG XIII/08
LOG XIII/09
LOG XIII/10
LOG XIII/11
LOG XIII/12
LOG XIII/13
LOG XIII/14
LOG XIII/15
LOG XIII/16
LOG XIII/17
LOG XIII/18
LOG XIII/19
LOG XIII/20
LOG XIII/21
LOG XIII/22
LOG XIII/23
LOG XIII/24
LOG XIII/25
LOG XIII/26
LOG XIII/27
LOG XIII/28
LOG XIII/29
LOG XIII/30
LOG XIII/31
LOG XIII/32
LOG XIII/33
LOG XIII/34
LOG XIII/35
LOG XIII/36
LOG XIII/37
LOG XIII/38
LOG XIII/39
LOG XIII/40
LOG XIII/41
LOG XIII/42
LOG XIII/43
LOG XIII/44
LOG XIII/45
LOG XIII/46
LOG XIII/47
LOG XIII/48
LOG XIII/49
LOG XIII/50
LOG XIII/51
Fortsetzung folgt...
Impressum neobooks
„Ahhh“, grinste das Gesicht auf ihrem Bildschirm höhnisch, „das mächtigste Schlachtschiff in der Galaxis gibt sich die Ehre.“
„Müsste ich Sie kennen?“
„Rikaldix Fi'gor'pra vom Ehrenwerten Volk der Plu'Uk.“
„Ein einfaches Nein hätte gereicht.“
„Sie sind so vorlaut, wie man sagt, Captain Shaw.“
„Kompliment?“
„Eher nicht.“
„Auch gut. Also Sie sind...“
„Derjenige, der Ihre Welt eingenommen hat.“
„Eingenommen?“
Der Ehrenwerte Plu'Uk seufzte mit einem Anflug von Genervtheit.
„Ich dachte, man hätte Sie unterrichtet. Es hat eine Invasion der Erde stattgefunden.“
„Schon wieder?“
„Ja.“
„Aha. Naja, nicht wirklich originell, das wissen Sie ja sicher selbst, aber naja... bitte, fahren Sie fort.“
„Wir, das Ehrenwerten Volk der Plu'Uk, hat Ihre Welt-“
„Überfallen? Ist das das Wort, das Sie verwenden wollen?“
„Erobert!“
„Ja, das klingt besser... läuft aber letztlich auf das selbe hinaus.“
„Ich habe Ihre Welt in meiner Hand, ich verlange ein wenig Respekt!“
„Wenn Sie danach schon verlangen müssen...“ Shaw zuckte die Schultern. „Okay, Sie haben gewonnen. Sie bekommen von mir das, wonach Sie verlangen: wenig Respekt!“
Der Plu'Uk wurde nun langsam sauer.
„Sie sind ein vorlauter Schwätzer! Sie haben unserem Volk wieder und wieder zugesetzt mit Ihren Anschuldigungen und Beleidigungen. Es ist jetzt an der Zeit, dass wir es Ihnen zurück zahlen.“
„Mir?“ entfuhr es Max überrascht. „Sie machen das alles nur meinetwegen?“
Rikaldix Fi'gor'pras Gesicht wollte zu etwas ansetzen.
„Ich fühle mich geehrt, Ehrenwerter... Wasauchimmer. Ich wusste nicht, dass ich in Ihrem Volk einen so hohen Status genieße.“
„Das tun Sie nicht.“
„Ihre Handlungen sprechen eine andere Sprache.“
„Und die wird schon bald sehr viel lauter werden.“
„Eine Drohung?“
„Ja.“
„Die... was bedeutet?“
Ein Hauch von Verzweiflung mischte sich in Gesicht und Stimme des möglicherweise nicht ganz so Ehrenwerten Plu'Uk.
„Wir werden anfangen, Ihre Bevölkerung zu dezimieren.“
„Hmmm.“
„Was soll das nun wieder bedeuten?“
„Wenn Sie sagen, anfangen, bedeutet das, dass Sie noch nicht so viele Menschen getötet haben?“
„Nicht so viele, wie wir uns das vorstellen.“ Ein überlegenes Grinsen erschien auf seinem Gesicht. „Und Sie mit Ihrem mächtigen Schiff, dem größten Kriegsschiff, das die Menschheit je gebaut hat“, lachte der Invasor, „brauchen etwa anderthalb Jahre, um hierher zu kommen.“
„Zwei Jahre!“ korrigierte ihn Shaw, ließ das Detail, dass der andere offenbar glaubte, die Mephisto würde noch existieren und er würde sich darauf befinden, aber höflicherweise unkorrigiert. Erklärte auch, warum er ihn, Captain Shaw, nicht nur direkt gerufen, sondern die „Kontaktaufnahme“ an „Wir rufen Captain Shaw vom Raumschiff Mephistopheles“ ging, aber aus Höflichkeit gegenüber den Eroberern hatten sie den Anruf trotzdem entgegen genommen... Nein, eigentlich eher, weil sie wissen wollten, warum die Ehrlosen Invasoren ausgerechnet mit ihnen sprechen wollten. Mehr und mehr kristallisierte sich das... auch nicht heraus.
„Sie werden nichts davon verhindern können“, fuhr Rikaldix Fi'gor'pra fort. Ah, das war es also. „Sie werden Ihre Welt gegen uns nicht verteidigen können. Sie werden aus der Ferne zusehen müssen, wie wir Ihr Volk für das leiden lassen, was Ihr Volk uns angetan hat – ohne dagegen etwas ausrichten zu können. Ihr mächtiges Schiff“ Shaw verkniff sich ein Schmunzeln. „hat all seine Macht verloren – und wenn Sie hier eintreffen werden, werden wir schon längst fort sein.“
Das Plu'Ukianische Grinsen wurde breiter und unangenehmer.
„Ich wollte mir und unserem Volk das Vergnügen nicht nehmen, Sie das wissen zu lassen, so dass Sie jeden Tag, den Sie der Erde näher kommen, mit der Schuld leben müssen, nicht da gewesen zu sein, als Ihr Planet und Ihr Volk Sie so dringend gebraucht hätte.“
„Hmmm“, wiederholte Shaw. „das wirft natürlich eine Frage auf.“
„Und welche wäre das, Kommandant Shaw?“
„Ob Sie Ihre Drecksarbeit diesmal selbst machen oder ob Sie wieder die Vierst- die Zrrark alles für sich tun lassen?“
„Die Zrrark sind hier, aber eher zu unserem Schutz. Ihr Volk auszumerzen ist uns ein persönliches Vergnügen, das wir uns natürlich nicht nehmen lassen möchten.“
„Aha, dann brauchen Sie sie also nicht mehr?“
„Nein, eigentlich nicht.“
„Dann haben sie wohl ausgedient... oder haben sie Ihnen gut gedient?“
„Die Zrrark haben uns gut gedient.“
„Werden Sie ihnen dann ihre Freiheit geben?“
Der Ehrenwerte Rikaldix Fi'gor'pra seufzte.
„Warum sollten wir das nicht tun?“
„Dann sagen Sie es.“
Der Plu'Uk seufzte wieder.
„Wir werden den Zrrark ihre Freiheit geben.“
Auf Shaws Gesicht erschien ein Lächeln.
„Das amüsiert Sie?“
„Oh ja, das tut es.“
„Oh, glauben Sie, dass wir unsere Schmutzarbeit jetzt selbst ausführen, ist eine Aussage, die vor dem Gericht des unfähigen, unbedeutenden, machtlosen Bundes irgendeine Art von Bedeutung hat?“
„Nein, das definitiv nicht. Da ist nur...“
„Ja?“ kam es ungeduldig zurück.
„Sie glauben, ich brauche ein mächtiges Raumschiff, um diesen Krieg gegen Sie zu gewinnen und die Erde vom Ehrenwerten Volk der Plu'Uk, was eigentlich nur höhnisch gemeint sein kann, zu befreien, aber dem ist nicht so.“
„Ach nein? Und was brauchen Sie dafür?“
„Zwei Sätze. Aus Ihrem Mund. Und die habe ich bereits.“
Unverständnis gemischt mit Ärger gemischt mit Ungeduld.
„Sie haben Ihre Hausaufgaben nicht gemacht“, lächelte der Captain.
„Ich verstehe nicht, was meine schulische Ausbildung mit-“
„Mein Fehler. Etwas sehr... menschliches.“
Der Ehrenwerte vom Volk der Plu'Uk würgte.
„Mördervolk“, zischte er.
„Und dem Namen werde ich gleich alle Ehre machen. Sehen Sie, ich nehme an, Sie haben die T'aChuni beobachtet und gesehen, wie sie mit den Zrrark umgegangen sind und miterlebt, wie das schiefgegangen ist und dann haben Sie versucht, es besser zu machen... aber Sie haben sich offensichtlich nie damit auseinandergesetzt, was denn letztlich zum Aufstand geführt hat, und damit zur Ausrottung der beherrschenden Rasse.“
„Und was war das?“ kam es genervt zurück.
„Zwei Sätze“, lächelte Shaw.
Endlich, langsam, fast kaum wahrnehmbar, schlich sich ein Ansatz von Erkenntnis in das Gesicht des Plu'Uk.
„Ja“, nickte Shaw. „Sehen Sie, ich könnte großzügig sein. Ich könnte Ihnen die Möglichkeit für eine Entschuldigung und zum Rückzug geben. Aber ich vertraue Ihnen nicht. Ich habe genug Welten gesehen, die Sie komplett zerstört haben, nachdem Sie sie ausgeschlachtet hatten. Sie würden auf Ihrem Rückzug so viele Menschen töten, wie es Ihnen möglich wäre, nur um mir doch noch eins auszuwischen.“
Shaw gab ein paar Befehle ein.
Er sendete eine Nachricht.
An die Zrrark.
In ihr sagte Rikaldix Fi'gor'pra vom Ehrenwerten Volk der Plu'Uk:
„Die Zrrark haben uns gut gedient.“
„Wir werden den Zrrark ihre Freiheit geben.“
Der Ehrenwerte Rikaldix Fi'gor'pra schluckte.
„Wenn Sie sich beeilen, schaffen Sie es vielleicht noch, die Erde zu verlassen, bevor die Zrrark Sie erwischen... aber drauf wetten würde ich nicht.“
Leise, dunkel, entfernt, konnte man einen ersten Donner hören.
„Ich würde Ihnen ja viel Glück wünschen“, meinte Shaw, „aber das wäre einfach nicht ehrlich!“
Hass stand ins Gesicht des Plu'Uk geschrieben.
Shaw lächelte.
„Nettes Gespräch. Wir sollten das beizeiten mal wiederholen.“
Dann riss die Verbindung ab.
„Hmmm!“
„Ich nehme an, du möchtest mir damit etwas sagen?“
„Jaaaaa, unter Umständen.“
„Und wie sind die?“
„Vertrackt?!“
Shaw seufzte.
„Keine Einwände, was das angeht.“
Er sah auf den leeren, dunklen Bildschirm.
„Hmmmm!“ gestand er dann. „Ich glaube, ich weiß, was du meinst.“
„Wirklich?“
„Ja. Ich meine, wir können darüber debattieren, ob ich einen Krieg ausgelöst habe...“
„Können wir?“
„...aber worauf du wahrscheinlich hinauswillst, ist, dass ich da gerade nicht nur ein Volk zum Aussterben verurteilt habe, sondern zwei.“
Ebert seufzte.
„Ja, das meinte ich.“
„Das... ist was, womit ich dann irgendwann mal klarkommen muss.“
„Jaaaa. Wobei, vielleicht sind die Zrrark ja inzwischen total inkompetent und schaffen es gar nicht, alle Plu'Uk umzubringen.“
Shaw legte den Kopf schief.
„Oder sie sind nicht mehr so unselbständig und können für sich selbst sorgen... oder finden ein neues Volk, das sich ihrer annimmt... und sie ausnutzt?“
„Und das sind die positiven Alternativen!“
„Ich sagte ja, das ganze ist ziemlich vertrackt!“
„Einspruch! Einspruch!!!“
„Ich... erhebe Einspruch... gegen diese Art... zu küssen!“ stöhnte die Frau – und es war die gute Art von Stöhnen.
„Abgelehnt.“
„Oh oh ohhhhh... zurückgezogen...“
„Bitte?“
„Nein, nicht du, du bleibst schön daaaaaaaaajaaaaaaa wo du bist.“
„Stattgegeben, Frau Botschafterin. Beweisstück...“
„Ahhhhhhh!“
„...und Beweisstück B...“
„Aaaaaahhhhhh!“
„...auch bekannt als die Zwillinge...“
„Eisprung!“
„Bitte?“
„Ich meinte Einspruch!“
„Ah... ahhhhhh ahhhhhhhh!“
„Fahren Sie fooooohrt, Commander Shooooh.“
„Ich nehme...“
„Mich!“
„...ja... und...“
„Ja? Jauchzaaaah!“
„...die Zwillinge ins... Kreuzverhör!“
„Ach, so nennen Sie das. Stattgegeben... weitermaaaaachen weitermachen!“
„Wie... sich herausragt... -stellt! Haben beide... ein Alibi...“
„Jaaa?“
„Sie wurden gesehen...“
„Dünn...“
„Sind sie nicht.“
„Neiahhhhh!“
„Und sie sind... unverwechselbar...“
„Ahhhh!“
„...herausragend...
„Ahhhhh!“
„...hervorstechend...“
„Ahhhhhhh!“
„...und rundum...“
„???“
„...eine Handvoll Spaß...“
„Keine... weiteren... Fragenaaahhhh!
„...ich beende das Brustverhör...“
„Ein...spruch.“
„...und rufe die Lippen...“
„Hm?“
„...aus dem Unterhaus...“
„Ah... ahhhhh!“
„...in den Zeugenstand...“
„Und zeugen... stand... auf dem Proooooooohhhhgramm!“
„Wawowawaawaw.“
„Diese Aussage... wird... ins Protokoll aufgenommen.“
„Wwww!“
„Gesichtsschrei... Gerichtsschreiberin... lesen Sie noch einmaaaaal vor...“
„Wawowawaawaw.“
„Danke ahhhhhhh! Ich schließeeeee das Verhör ab.“
„Www.“
„Zeit für das Zeugen... den Zeugen...stand... Und der steht!“
„Kein Einspruch!“
„Von mir auch nicht. Kommen Sie...“
„Jaa...“
„...kommen Sie... zu Ihrem Schlussplädoyer!“
„Ja... jaaaaa... jaaaaaaaaa!“
„Ich erhebe Einspruch“, hauchte die Botschafterin, als sich der Commander langsam von ihr entfernte, um aus dem Bett zu steigen.
„Ich bin nicht mehr der Jüngste“, meinte er.
„Ich meine, dass du mich verlässt“, lächelte sie müde.
Max, der den Rand des Bettes erreicht hatte, sah sie zärtlich an.
„Wäre dies hier ein anderer Ort...“
Sie befanden sich auf Dhuchais, einer Welt des Bundes.
„...dann...“
In der irdischen Botschaft.
„...wäre es mir ein Vergnügen...“
In der Krankenstation!
„...aber in ein paar Minuten beginnt die morgendliche Visite...“
Wo Botschafterin Fjella Agwuegbo mit gebrochenem Bein und Gips das Bett hütete.
„...und Dr. Chen sieht es nicht gerne, wenn ich Patienten von der Heilung abhalte!“
Sie grinste ihn breit an.
„Ich würde eher sagen, dass du meine Heilung vorangetrieben hast... mit Betonung auf...“
„Getrieben?“
„Ja“, nickte sie schlüpfrig.
„Wird er trotzdem anders sehen.“
Shaw schlüpfte aus dem Bett und in seine Uniform, während die attraktive Frau mit dem gebrochenen Bein ihm dabei zusah.
„Etwas langsamer“, meinte sie. „Und falsche Richtung.“
„Den Strip hatten wir doch schon, wenn ich mich recht erinnere.“
„Tust du, mein lieber Commander, tust du. Habe ich mich schon für deinen Hausbesuch bedankt?“
„Ich wurde hierher beordert“, grinste er. „Von der Raumflotte.“
„Muss das erste Mal sein, dass die was vernünftiges gemacht hat.“
„Sehe ich auch so“, stimmte er ihr zu.
„Bist du schon weitergekommen?“
„Bis zum Ziel, würde ich meinen... warst du nicht dabei?“
„Das meinte ich nicht“, grinste sie. „Und ja.“
„Ja?“
Er legte seine Stirn in Falten.
„Bis zum Ziel!“
„Oh, das“, lächelte er. „Keinen Einspruch! Was die andere Sache angeht...“
Man hatte die Horatio Hornblower, die eigentlich schon seit einiger Zeit Commander Strijder für einen Spezialauftrag zu einer der Werften der Rjgn bringen sollte, darum „gebeten“, einen Abstecher nach Dhuchais zu machen. Nicht aus reiner Höflichkeit, sondern weil dort eine Art Virus fast alle Angestellten der irdischen Botschaft befallen hatte. Eine der wenigen Ausnahmen war die Botschafterin selbst, Fjella Agwuegbo, ausgebildete Juristin und Diplomatin, die sich beim Sport verletzt hatte und nun mit einem gebrochenen Bein ihre Zeit auf der Krankenstation fristete, wenn auch in einem Einzelzimmer und fern von ihren möglicherweise ansteckenden Untergebenen. Da Dr. Chen der Experte war, was Außerirische, sowohl als Personen als auch als Krankheiten, anging, wollte man gerne seine Expertise, was hieß, dass er das Virus entdecken und heilen sollte. Man konnte nicht gerade sagen, dass er sich über diese Mission gefreut hatte, aber andererseits hielt ihn das vom Trinken ab, also war es vielleicht besser als die doch bisweilen auftretende Langeweile der Raumfahrt.
Als sie Dhuchais erreichten, mussten sie gleich mehrere Dinge feststellen.
Der Planet hätte eine wunderbare Heimat für Vampire, hätte es die denn gegeben, sein können, denn auch wenn es die Sonne des Systems schaffte, ihn angenehm zu erwärmen, so schien er sich doch trotzdem ständig in einer Art Dämmerlicht zu befinden, was, wie man ihnen versicherte, wahrscheinlich an der Zusammensetzung der oberen Atmosphäre lag.
Hinzu kam, dass sich Botschafterin Fjella Agwuegbo als überaus attraktiv herausstellte und es zwischen ihr und dem amtierenden Kommandanten der Hornblower, seines Zeichens Commander Maximilian Shaw, sofort zu funken schien, was sich... aber es war ja bekannt, worin sich das niederschlug.
Und da war noch, dass Dr. Chen der Ansicht war, die Botschaftsmitglieder wären gezielt vergiftet worden!
Worauf sich Agwuegbos Frage bezog, ob Shaw, inzwischen zwar selbst angezogen, aber den Anblick Fjellas, auf die das kein bisschen zutraf und die ihn an dieser Tatsache freudig teilhaben ließ, mehr als genießend, weitergekommen war... und die Antwort war, streng genommen, nein. Es gab keinerlei Verdächtige noch irgendwelche Anhaltspunkte, warum jemand das getan haben könnte.
„Es ist ein Mysterium“, meinte er.
„Ich dachte, das wären meine Brüste.“
„Ja... wobei ich meinen würde, die wären inzwischen gut erforscht.“
„Das sind sie“, stimmte sie lächelnd zu. „Aber das heißt nicht, dass zukünftige Expeditionen damit vom Tisch sind. Es gäbe da noch eine Menge zu...“
„Ertasten?“
„Ja“, nickte sie.
„Ich komme darauf zurück.“
„Da möchte ich doch drauf bestehen! Mit Betonung auf-“
„Ich weiß“, lächelte er, drückte ihr einen schnellen Kuss auf und versuchte dann, wie ein Schüler, der nicht entdeckt werden will, aus dem Zimmer zu verschwinden, ohne auf dem Flur Dr. Chen in die Arme zu laufen.
Das Räuspern, das er hörte, als er fast das Ende des Korridors erreicht hatte, zeigte ihm an, wie gut im das gelungen war.
„Ich will sehr hoffen, das war beruflich, Junge.“
„Um die Zeit?“ warf Shaw ein.
„Sollte das nicht mein Text sein?“ kam es irritiert zurück.
Shaw nickte.
„Schön, da wir das geklärt hätten...“ Gute Überleitung, stellte er fest, und nutzte sie direkt. „Und wo wir schonmal beim Thema sind, ist das das einzige, was sich geklärt hat?“
„Das Gift ist nicht tödlich, jedenfalls nicht für Menschen. Und es ist wirklich ein Gift und kein Virus.“
„Ich nehme an, das heißt, dass es sich nicht von selbst überträgt.“
„Das nehmen Sie zu recht.“
„Also muss es jedem Botschaftsmitglied einzeln verabreicht worden sein? Oder in einem großen Topf Suppe, aus dem alle gegessen haben?“
„Beides... ist möglich. Gibt es hier Suppe?“
„Ist einer der Kranken der Koch der Botschaft?“
„Ja.“
„Dann tippe ich mal auf nein. Hmmm...“
„Sie wissen.“
„Ja, weiß ich.“
Shaw ging zurück, klopfte und öffnete die Tür zu Botschafterin Agwuegbos Krankenzimmer.
„Hallllooo!“ sagte sie aufreizend und schlug die Bettdecke für einen verführerischen Ein-, Aus- und Anblick zurück. „Schon so schnell zurück.“
„Der Doktor und ich“, die Decke machte ihrem Namen wieder alle Ehre und verdeckte, „hätten da noch ein paar Fragen.“
„Hab ich?“ meinte der Arzt überrascht.
Shaw sah ihn an.
„Können Sie mir sagen, ob das mit den Vergiftungen angefangen hat, bevor oder nachdem die Botschafterin mit Beinbruch auf der Krankenstation gelandet ist?“
„Äh... nein.“
„Dann haben Sie!“
„Ah. Gut, zu wissen.“
„Jederzeit gern.“ Shaw wandte sich wieder der bezaubernden Frau zu... und bedauerte es, dass er nicht mit ihr allein war.
„Wenn Sie das meinen, Commander Shaw, es scheint da keinen Zusammenhang zu geben. Erst wurden ein paar meiner Mitarbeiter von diesem Virus befallen, das keins ist, dann hatte ich meinen kleinen Unfall – und der war nicht beim Sex, falls Sie das glauben...“
„Tu ich nicht, ist aber gut zu wissen.“
„Wegen der Konkurrenz?“ wollte Chen wissen.
„Wegen der Gefahr für meine eigenen Gliedmaßen!“
„Ahhh, gutes Argument. Und hübsch passend formuliert.“
„Danke.“
„...mit Betonung auf...“
„Ja!“ bestätigten Shaw und Chen gleichzeitig.
„...und danach wurden auch wieder Mitarbeiter vergiftet.“ Sie sah den Arzt an. „Wie geht es ihnen?“
„Es ist nur eine leichte Vergiftung, Ende der Woche werden sie alle wieder auf den Beinen sein.“
„Sehr gut. Danke.“
„Hmmm.“
„Da kenne ich andere Geräusche von Ihnen, Commander. Welche, die mir mehr zusagen.“
„Ich dachte nur gerade... Ich frage mich, ob Sie nur deswegen nicht vergiftet wurden, weil Sie sich ohnehin schon auf der Krankenstation befinden?“
„Interessante Theorie. Die uns wohin führen würde?“
„Dass jemand alles Botschaftspersonal aus der Botschaft raushaben will? Irgendein Handwerker, der alles renovieren soll, aber keine Lust mehr hat, zu hören, dass alle arbeiten müssen?“
„Da muss ich Sie enttäuschen.“
„Das können Sie gar nicht.“
„Das hab ich gemerkt.“
Chen verdrehte die Augen.
„Dann... könnte es sein, dass man Sie alle hier haben will? Auf der Krankenstation? Für einen... gezielten Angriff auf Sie alle.“
„Hat der nicht schon stattgefunden?“
„Auch wieder wahr.“
Max sah den Arzt an.
„Könnte uns die verwendete Substanz vielleicht Aufschluss geben?“
„Auf das Motiv?“
„Okay, falsch formuliert.“
„Nett, dass Sie das zugeben.“
„Könnte sie uns einen Hinweis auf den möglichen Täter geben?“
„Ich würde sagen nein. Es ist eine natürliche Substanz, die man hier problemlos auf jedem Markt bekommen kann.“
„Hmmm...“
Zwei Köpfe legten sich schief, nicht unbedingt aus Freude.
„Tschuldigung. Wie wird die Substanz verabreicht?“
„Sie wird eingenommen. Oral.“
Botschafterin Fjella Agwuegbo grinste.
„Ich wusste, dass ich das nicht hätte sagen sollen.“
„Ist schon in Ordnung.“
„Das war es“, stimmte die Botschafterin zu.
Der Mediziner schüttelte nur noch den Kopf.
„Also man muss es essen oder trinken...“
„Essen!“
„...also muss es im Essen gewesen sein?!“
„Das... wäre auch meine Schlussfolgerung.“
„Prima. Dann finden wir doch heraus, wer wann krank geworden ist und wer sich zu diesen Zeitpunkten in der Botschaft befunden hat und das Zeug unter das Essen hätte mischen können.“
„Und mit 'wir' meinen Sie in diesem Zusammenhang...?“
„Sie, Doktorchen!“
„Das... hatte ich schon irgendwie befürchtet. Aber andererseits...“ Er nickte Agwuegbo zu. „Frau Botschafterin.“
„Herr Doktor.“
Er ging.
„Herr Commander? Ist da noch etwas, das ich für Sie tun kann?“ säuselte sie – und man hörte Chens Räuspern auf dem Korridor.
„Vielleicht... besser ein andermal.“
„Oder zweiandermal!“
„Mit Freude!“
Guter Laune trat Shaw aus dem Gebäude und hinaus in den dunklen Garten. Er war einer Art altmodischem Kreuzgang nachempfunden, ein Rechteck, das von einem überdachten Gang mit Säulen umgeben war. Die Morgenluft schien frisch und noch ein bisschen kühl zu sein – obwohl es, allein was das Licht anging, auch durchaus schon Nachmittag hätte sein können. Mit einem Lächeln auf den Lippen schritt er durch das Dämmerlicht – bis neben ihm ein Schuss in die Wand krachte...
Shaw ging in Deckung.
Es krachte.
Dicht über seinem Kopf.
Stein splitterte.
Steinchen trafen ihn.
Ein weiterer Schuss.
In die Wand hinter ihm.
Einen kleinen Moment schien sie noch zu glühen.
Da meinte es jemand wirklich ernst!
Max zog seine Waffe.
Eigentlich... Botschaft, Protokoll, blablabla!
Seit dem Zwischenfall mit den prtAck war er lieber bewaffnet.
Man wusste ja nie.
Wie jetzt.
Wer schoss da auf ihn?
Und warum?
Und... hing das eine mit dem anderen zusammen?
Die Schüsse auf ihn mit den Botschaftsangehörigen in der Krankenstation?
Und wenn...
Es traf die Wand hinter ihm.
Er fuhr hoch und schoss in die entgegengesetzte Richtung.
Viel sah er nicht.
Einen Schatten.
Innerhalb der anderen Schatten.
Er hörte ein Geräusch, das er als Überraschung interpretierte.
Scheinbar hatte sein Attentäter nicht mit Gegenwehr gerechnet.
Die Schatten flossen ineinander.
Einer schien sich zu bewegen.
Shaw schoss.
Daneben.
Falscher Schatten!
Ein anderer huschte durch das Dämmerlicht.
Es blitzte zweimal kurz.
Hinter Shaw krachte es.
Ein Quietschen und Knarren.
Die Tür zum Hauptgebäude.
Shaw schoss...
und die Tür fiel ins Schloss.
Falle oder nicht Falle?
Kurze Abwägung.
Er entschied sich dagegen.
Sprang über die Brüstung.
Lief durch den Garten.
Verharrte kurz.
Bot ein gutes Ziel.
Niemand schoss.
Rannte weiter.
Hinter die Brüstung.
Duckte sich.
Verharrte.
Lauschte.
Nichts.
Sprang drüber.
Lief zur Tür.
Stoppte.
Duckte sich.
Legte sich auf den Boden.
Stieß sie auf...
Blitz!
Blitz!
Blitz!
Drei Schüsse jagten durch die offene Tür und krachten irgendwo auf der anderen Seite des Hofes an die Wand.
Shaw hielt in den dunklen Raum und drückte ab.
Mehrmals.
Es krachte.
Mehrmals.
Treffer!
Von... Vasen, Lampen, Tischen, einem teuren Silbertablett möglicherweise.
Irgendetwas schepperte.
Ja, das war das Tablett.
Irgendjemand würde sich nicht freuen über das, was hier geschah.
Und damit meinte er noch nichtmal sich selbst.
Er rollte sich durch die Tür.
Sah einen Schatten.
Undeutlich.
Natürlich!
Der schien genug zu haben.
Sein Ziel war die Tür.
Der Ausgang.
Aus der Botschaft.
Wäre da nicht...
War da nicht...
Sollte da nicht...
?
Ja.
Sollte!
Wäre auch.
War aber nicht!
Das Sicherheitspersonal.
Die Wachen.
Allesamt auf der Krankenstation.
Nicht hilfreich!
Niemand, der den Schützen aufhalten würde.
Außer-
Shaw schoss auf die Tür.
Das löste einen Alarm aus.
Eine Automatik.
„Botschaft unter Beschuss!“
Die Tür wurde abgeriegelt.
Ein Schutzschild ging hoch.
Kein Ausgang.
Kein Entkommen!
Galt für die ganze Botschaft.
Alles wurde dicht gemacht.
Ganz automatisch.
Wer drin war, würde es auch bleiben.
Der Schatten schien das zu wissen.
Er schoss in Richtung Shaw.
Ohne Erfolg.
Dann lief er die Treppe hinauf.
Shaw versuchte zu zielen.
Ohne Erfolg.
Dann-
Was?
Der Schatten stoppte.
Einfach so.
Drehte sich zu Shaw.
Und schien... etwas zu werfen.
Max riss die Waffe hoch.
Schoss.
Mehrmals.
Es krachte.
Etwas wurde getroffen.
Fiel zu Boden.
Zerstört.
Rauchend.
Shaw kniff die Augen zusammen.
Die Waffe seines Attentäters.
Und er... hatte alle Spuren von ihm beseitigt.
Keine Abdrücke, keine DNA, keine Hinweise!
Shaw sah auf.
Der Schatten war verschwunden.
Nach oben.
„Verdammte-“
Das Licht ging an.
Schritte.
Von oben.
Ein Außerirdischer mit einer Waffe erschien auf der Treppe.
Er trug eine Uniform.
Vom Sicherheitsdienst des Bundes.
Sah Shaw an.
Sah die Waffe in seiner Hand.
Riss seine eigene hoch und richtete sie auf den Commander.
Der lächelte.
Ließ seine Knarre fallen.
Und...
...hoffte, dass das nicht der Attentäter war!
Er hatte Glück.
Das Wesen, das ziemlich groß, ziemlich Furchteinflößend und scheinbar auch ziemlich kompetent war, erinnerte ein wenig an eine Kakerlake – wenn die zwei Meter groß gewesen wären und ein böse aussehendes Gewehr hätten halten können. Es war ein Tunah, von dessen Volk Shaw nur wusste, dass... es dem Bund angehörte. Was sein Gut war, was ihn hierherführte, was ihn davon abhalten würde, Shaw über den Haufen zu ballern, all das wusste er nicht... hoffte aber irgendwie, dass es sich aus der Situation heraus ergeben würde. Wobei, nein, da war... er hatte nur Augen für die Botschafterin gehabt, aber er erinnerte sich wieder.
„Hi“, sagte er. „Commander Maximilian Shaw. Von der Horatio Hornblower?! Wir wurden einander schon vorgestellt.“
„Ich weiß, wer Sie sind.“
Das war schonmal beruhigend.
„Das erklärt aber nicht, warum Sie im Empfangsbereich der Botschaft herumballern.“
Hatte er wirklich herumballern gesagt oder hatte sich Max das nur eingebildet, um die Situation ein wenig entspannter klingen zu lassen?
„Würde es erklären, dass nicht ich es war, der mit dem Schießen angefangen hat?“
„Nein, denn das wäre eher eine Behauptung als ein Beweis.“
„Gutes Argument.“
Musste man neidlos zugeben.
„Warum genau sind Sie nochmal hier?“
„Weil ich die Schüsse gehört habe? Oder meinen Sie, in der Botschaft?“
„Eigentlich beides.“
„Der Bund hat mich an Ihre Regierung 'ausgeliehen', weil alle Ihre eigenen Sicherheitsleute aus irgendeinem Grund krank zu sein scheinen.“
Ha! dachte Shaw. Brillantes Motiv. Wenn man in die Botschaft wollte, um dort ungestraft... irgendwas anzustellen, musste man sich nur als Sicherheitsdienst(leister) anheuern lassen.
„Und Ihr Name...?“
„Loff Pergo. Möchten Sie vielleicht auch meinen Dienstausweis sehen?“
„Zu gegebener Zeit, Officer Pergo. Und meine andere Frage?“
„Glauben Sie wirklich, dass sich die Machtstrukturen schon gedreht haben und jetzt Sie die Fragen stellen?“ kam es zurück – und die Waffe richtete sich ein wenig gezielter auf Shaw.
„Ich arbeite daran.“
„Das Gefühl habe ich auch. Ich habe meine Runde durchs Haus gemacht, wenn es das ist, was Sie wissen wollen.“
„Ist das Ihre einzige Waffe?“
„Werde ich nicht beantworten.“
„Kann ich Ihnen nicht verdenken. Gut, Officer Pergo, Sie haben Ihren Wachgang gemacht, haben Schüsse gehört und sind hier herunter gekommen.“
„Ja.“
„Warum hat das so lange gedauert?“
„Wie war das?“
Der Tunah wirkte ein wenig angesäuert.
Shaw trat ein paar Schritte zurück – aber nicht, weil er vor dem bedrohlichen Wesen zurückweichen wollte, sondern um ihm den Weg zum Hof zu erleichtern.
„Wie Sie dort draußen feststellen können, hat hier ein kleiner Schusswechsel stattgefunden. Als ich aus dem medizinischen Flügel kam, hat jemand auf mich geschossen. Ich habe mir erlaubt, die Gewalt zu erwidern, er ist ins Haus geflohen, wir haben noch ein paar freundliche Schüsse ausgetauscht, dann ist er nach oben verschwunden... und Sie sind kurz darauf erschienen.“
Der Commander deutete auf die rauchenden Trümmer der Waffe auf dem Boden.
„Damit hat er auf mich geschossen.“
„Eine Waffe aus der Waffenkammer der Botschaft.“
„Die wie gut gesichert ist?“
„Gar nicht.“
„Herzig! Das heißt, jeder hier im Haus hätte sie sich holen können?“
„Ja.“
„Was uns zur nächsten Frage bringt: Wieviele Leute befinden sich noch hier im Gebäude?“
„Außer uns beiden? Zwei.“
„Das... macht es wenigstens übersichtlich. Ist Ihnen einer davon begegnet, bevor wir uns getroffen haben?“
„Nein.“
Shaw zuckte die Achseln.
„Wäre auch zu einfach gewesen.“ Er sah sich um. „Die gesamte Botschaft ist jetzt abgeriegelt?“
„Ja.“
„Keiner von uns vieren kann raus?“
„Das ist richtig.“
„Dann würde ich vorschlagen, dass wir die anderen beiden holen.“
„Und dann?“
„Finden wir heraus, wer dieser mysteriöse Schütze ist!“
Nachdem Sicherheitstunah Pergo einen Kontrollgang gemacht und sichergestellt hatte, dass den Anwesenden in der Krankenstation nichts passiert war, betrat er gemeinsam mit Shaw die obere Etage des Hauptgebäudes. Ein Scan ergab, dass sich tatsächlich nur vier Personen im Haus aufhielten. Die erste davon, auf die sie trafen, war Personaloffizierin Almaz Wolkowa – und sie trafen auf sie, als sie an die Tür des Zimmers klopften, in dem sie untergebracht war. Eine mehr als ungehalten wirkende Frau, die so aussah, als wäre sie gerade erst, nicht den Fluten, aber ihrem Bette entstiegen, sah ihnen durch wirres Haar entgegen.
„Ist Ihnen von sich aus klar, dass Sie mich geweckt haben, oder muss ich Sie erst noch darauf hinweisen?“
„Schwer zu beantworten“, lächelte Shaw. „Aber, wenn es Sie beruhigt, wir wecken Sie nicht zum reinen Selbstzweck.“
„Und warum dann?“
„Das... könnte sie eher beunruhigen.“
„Aha. Also?“
„Weil es in der Botschaft Schüsse gegeben hat.“
„Oh.“ Sie wirkte erschrocken...er, denn sie wirkte primär immernoch mehr müde. „Auf wen?“
„Auf mich, vornehmlich.“
„Und deshalb wecken Sie mich?“
„Könnte ja sein, dass ich ihm als Ziel nicht reiche.“
„Jetzt beunruhigen Sie mich.“
„Oder... um sicherzustellen, dass nicht Sie es werden...“
„Besser!“
„...oder waren?!“
„Das Ziel? Oder die geschossen hat?“
Shaw lächelte.
„Beides.“
„Und warum sollte ich sowas wohl tun?“
„Um morgens nicht geweckt zu werden?“
„Wirkt es so, als wäre dieser ominöse Plan dann aufgegangen?“
„Eher im Gegenteil. Aber niemand hat gesagt, dass es ein guter Plan war. Wir wollen lediglich feststellen... ob jemand der hier Anwesenden ein Motiv hatte.“
„Und wenn nicht?“
„Dann stünde da die Frage im Raum, warum er oder sie ohne ein Motiv auf mich geschossen hat!“
Missmutig, müde und mürrisch folgte ihnen Personaloffizierin Wolkowa. Ihr nächstes – und dankenswerterweise auch letztes – Ziel war eine der Gastunterkünfte.
„Und wen treffen wir hier?“
„Ist das ein Wortwitz?“ wollte Wolkowa wissen.
„Bitte?“
„Wegen 'treffen'.“
„Ähhh nein, reiner Zufall. Also?“
„Hrek'y'krel“, erklärte Sichheitsoffizier Pergo, als würde das etwas erklären.
Shaw sah ihn fragend an.
„Ist das ein Name, Dienstrang... eine Beleidigung für mich, weil ich Sie alle so früh geweckt habe?“
„Er ist der Sohn des Botschafters der Jia'y'uan.“
Über die hatte er schonmal gelesen... wie er über alle Mitglieder des Bundes schonmal gelesen hatte. Es blieb aber nicht alles hängen.
„Und er ist hier, weil... auch als Sicherheitsdienstmitglied, weil alle anderen ausgefallen sind?“
„Nein“, seufzte die Personaloffizierin. „Er ist sowas wie... ein Praktikant. Ein Austauschpraktikant, gewissermaßen. Er soll das Botschaftswesen lernen und deshalb hat sein Vater arrangiert, dass er in allen Botschaften auf dem Planeten eine Zeit verbringen und den Betrieb kennenlernen kann. Man würde ja meinen, in einer Krise wie dieser, in der einem fast alle Leute ausfallen, wäre das hilfreich...“ Sie schüttelte den Kopf. „Ist es nicht!“
„Aha.“
Shaw klopfte an die Tür und als sie sich nach einem kurzen Moment öffnete, stand ihm ein Wesen gegenüber, das ihn, zumindest, was das Gesicht anging, sehr an eine Ente erinnerte.
„Sie haben geweckt. Das unverschämt. Ich sage Vater!“
„Guten Morgen“, versuchte es der Offizier. „Ich bin-“
„Ja“, unterbrach ihn der Botschaftersohn, „das Raumschiffkapitän.“
„Noch nicht.“
„Wenn ich Beschwerde gegen Sie, mit Sicherheit nicht.“
„Gut möglich.“ Shaw lächelte so entschärfend wie möglich. „Aber warum sollten Sie das tun?“
„Habe ich nicht gerade gesagt?“
„Hmmm...“
Die drei sahen ihn an.
„Ich weiß, was Sie meinen“, nickte er. „Wie dem auch sei, hätten Sie die Güte, uns nach unten zu begleiten?“
„Warum sollte?“
„Weil... wir etwas zu besprechen haben.“
„Und das was?“
„Eine Überraschung?“
Shaw hatte noch nie eine wütende Ente gesehen – jetzt wusste er, wie er sich das vorzustellen hatte. Leider – für den Jia'y'uan – wirkte das auf den Menschen nicht ganz so bedrohlich, wie er es sich wohl wünschen würde und der Commander musste mit einem amüsierten Grinsen ringen. Er unterlag!
„Es ist eben in der Botschaft geschossen worden und wir müssen alle in Sicherheit bringen.“
„Nach unten? In Empfang?“
„Ja.“
Hrek'y'krel sah den Commander fragend an.
„Und wo war geschossen?“
Das ging Shaw für einen Sekundenbruchteil durch den Kopf.
„Guter Einwand.“
„Ja.“
„Nur... dass der oder die Täter mit großer Wahrscheinlichkeit nicht dort unten sind.“
„Sondern?“
Shaw lächelte.
„Hier!“
Es kam das, was kommen musste:
„Das ist Unterstellung!“
„Nein, eigentlich nicht.“
„Sie sagen, Schütze hier!“
„Ja. Sollte Ihnen eigentlich eher Angst machen als Wut, oder?“
„Warum? Hat nicht geschossen auf mich.“
„Gutes Argument.“
„Ja. Außerdem ich kann verteidigen.“
Die Personaloffizierin musterte ihn.
„Uns alle?“
„Mich.“
„Sehr beruhigend.“
Ihr Blick fiel auf Shaw.
„Auf wen wurde nochmal geschossen?“
„Auf mich.“
„Warum sollten wir uns dann Sorgen machen?“
„Wegen... meiner Rache?“
„Wie darf ich das denn verstehen?“
Max seufzte.
„Okay, kurze Zusammenfassung für alle, die später erst dazugekommen sind. Auf mich wurde geschossen. Der Schütze lief hier ins Haus und flüchtete auf diese Etage. Da sich, außer mir, nur Sie drei hier im Haus befinden...“
Sie wollte etwas einwänden.
„...das abgeriegelt wurde, bevor es jemand verlassen konnte...“
Sie nickte verstehend.
„...bleiben also nur drei Personen als mögliche Schützen übrig.“
„Gesprochen wie ein Personaloffizier.“
„Oh, danke.“
„Gern geschehen. Dass Sie eine Notiz in Ihre Akte bekommen werden, weil Sie mich eines Verbrechens beschuldigt haben, versteht sich von selbst.“
Shaw seufzte.
„Das hilft Ihnen auch nicht weiter.“
„Nein... aber vielleicht tun Sie es.“
„Wie käm ich denn dazu?“
„Weil... Sie mir nur dann einen Rüffel in die Akte schreiben können, wenn Sie auch tatsächlich unschuldig sind. Sollten Sie das aber nicht sein, wird nichts aus dem Vermerk.“
„Erschreckend guter Einwand, Commander.“
„Jaaaahmmmm...“
„Sie wissen schon, dass das eine für andere Mitmenschen sehr anstrengende Angewohnheit ist, oder?“
„Ist mir bewusst. Möchten Sie es in meiner Akte vermerken?“
„Oh, da gehört es auf jeden Fall rein.“
Er sah sie an und legte den Kopf schief.
„War sonst noch etwas?“ vergewisserte sie sich, nun ein wenig unsicher werdend.
„Könnte man so sagen. Kann es sein... kann es sein, dass nicht wir Sie geweckt haben?“
„Äh...“
„Sie haben eben angedeutet, dass wir“, er deutete auf Pergo, „es waren... aber ich habe meine Zweifel daran.“
„Nun, äh...“
„Sie waren schon wach.“
Wolkowa seufzte müde.
Dann nickte sie,
„Woher wissen Sie das?“
„Nun, entweder, weil Sie vorher so nett auf mich geschossen haben...“
Ihr Blick wurde unfreundlich.
„...oder aber, weil Dr. Chen Sie geweckt hat.“
„Sie wissen davon?“
„Ich habe ihn darum gebeten.“
„Mich zu wecken?“
„Etwas in Erfahrung zu bringen. Mir ist gerade erst aufgegangen, dass Sie der beste wenn nicht gar einzige Ansprechpartner dafür sind.“
„Das kann man unumwunden so sagen.“
„Ich nehme an, Sie sollten eine kleine Liste für ihn zusammenstellen? Eine Personalliste?“
Wolkowa nickte.
„Ja, das ist richtig.“
„Wieviele Namen stehen auf dieser Liste... falls Sie schon dazu gekommen sein sollten?“
Die Frau sah ihn ein wenig säuerlich an.
„Ich bin Personaloffizierin, das ist eine Kleinigkeit für mich.“
„Also?“
„Drei Namen.“
Shaws Stirn faltete sich in gewohnter Manier.
Auf Wolkowas Gesicht erschien ein Lächeln, als ihr Blick von einem zum anderen, oder vielmehr vom Sicherheitsdienstleister zum Praktikanten wanderte.
„Wirklich?“ fragte Max überrascht. „Sie drei?“
„Ja, Commander Shaw, wir drei!“
„Hmmm!“ konnte er sich nicht verkneifen. Dann fiel ihm etwas auf. „Wobei...“ Er musterte den Tunah. „Sie waren hier, bevor die Krankheitsfälle beim Botschaftspersonal aufgetreten sind?“
„Ja.“
„Weil...?“
„Es sollte ein Treffen mit unserem Botschafter geben und da wollte man, dass protokolltechnisch alles korrekt ist.“
„Das kann ich bestätigen“, bestätigte Personaloffizierin Wolkowa.
„Aha. Und kurz danach begannen die Krankheitsfälle...?“
„Das Treffen ist in einer Woche.“
„...was Ihre Anwesenheit erklärt.“
„Ja, Commander. Und da ich ohnehin hier war und mich mit dem Objekt auskenne, hat man mich gefragt, ob ich nicht noch eine Weile aushelfen könnte.“
„Ahaaaa...“
„Hilft Ihnen das weiter?“
„So weit bin ich, ehrlich gesagt, noch nicht. Hmm, diese Personalausfälle...“ wandte er sich an die Expertin für Personalfragen.
„...sind das schlimmste, was einem in meinem Berufszweig passieren kann, ist es das, was Sie fragen wollen, Commander?“
„Äh...“
„Jeden Tag, jede Stunde, jeden wachen Moment muss ich mich mit der Frage herumplagen, wie ich eine Botschaft am Laufen halten kann – ohne Personal!“
„Also weniger eine Herausforderung als vielmehr...“
„...ein Kündigungsgrund! Ich überlege stündlich, ob ich nicht einen Versetzungsantrag einreichen sollte. Aber an wen? An mich selbst? Und dann das sinkende Schiff verlassen? Sowas ist in meinen Kreisen nicht gern gesehen.“
„