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Viele Texte, ein Buch. Eine Sammlung verschiedener Texte und verschiedener Gattungen. Es gibt einen Monolog für eine Person – und sogar einen Monolog für mehrere Personen. Wenn man so will. Doch das ist nichts für jeden, denn dabei geht es um Gott und den Teufel und Jesus und da fühlt man sich als gläubiger Christ schnell beleidigt. Darüber hinaus bietet das Buch auch noch einige kurze Theaterszenen oder Sketche sowie eine Art Hörspiel, das mit verschiedenen Ebenen spielt. Und dann ist da noch der Aufstand der Buchstaben… Ein Buch, das ideal für alle ist, die so was mögen!
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 290
Veröffentlichungsjahr: 2025
Martin Cordemann
Mono log auf Metas Ebene
Dieses ebook wurde erstellt bei
Inhaltsverzeichnis
Titel
Vorwort
PeeWee – Monolog für eine Person
Der erste Wortkrieg
Das Hörspiel des Tinnef
Der zweite Wortkrieg
Paar Excellence
Der dritte Wortkrieg
Göttlich, ledig, jung sucht...
Teil 1: „Philipp Markus, Biograph“
Teil 2: „Konspiratives Treffen“
Teil 3: „Telefonat mit Gott“
Der vierte Wortkrieg
Autorbiographie
Übersicht
Impressum neobooks
Eine kleine Sammlung von Dingen, die man zum Überleben braucht, wenn man in… einer Phantasiewelt eingeschlossen ist und den Weg hinaus nicht mehr findet! Oder wenn man sich so sehr in den eigenen Gedanken verheddert hat, dass man seinen eigenen Namen nicht mehr weiß. Oder… aber ich denke, Sie verstehen, wozu diese Texte „gut sind“!
Wir beginnen mit einem Monolog, der erklären sollte, warum der Autor den Spitznamen „PeeWee“ hat… oder vielmehr, den man statt einer langwierigen Erklärung heranziehen könnte um zu sagen: „Ich hab da mal eine Bühnenfigur geschaffen die so heißt und deshalb nennt man mich so!“ Doch so einfach ist das Leben bekanntlich nicht und Sie können ja mal herausfinden, was die literarische Figur so dazu zu sagen hat.
Danach gehen wir noch eine Metaebene höher. „Das Hörspiel des Tinnef“ ist… schwer zu erklären. Eines der ersten Bücher, dass dieser Autor (ich) je geschrieben hat, damals auf der Schule, war ein Zeitreiseroman mit dem Titel „Das erste Buch des Tinnef“, frei nach Clive Barkers „Das erste Buch des Blutes“. Die ersten Seiten hatte er (ich) zusammen mit einem Freund geschrieben, doch dann fiel das Projekt irgendwie ganz an ihn (mich) zurück. Bei einer umfangreichen Überarbeitung wurde dann auch direkt eine ganze Menge geändert – dieses „Hörspiel“ ist gleichermaßen Umgang damit wie Parodie auf diese erste Fassung… die nun für immer verschollen bleiben wird. Zum Glück! Falls es auf diese Weise unverständlich sein sollte, empfehlen wir „Das erste Buch des Tinnef“… ob es dadurch besser wird, können wir aber nicht garantieren.
Die „Wortkriege“ sind auch noch in diesen Band gerutscht, um…
…sich mit dem Thema Sprache auseinanderzusetzen.
…noch ein bisschen Spaß reinzubringen.
…einen roten Faden zu haben.
…einen kritischen Diskurs über Sprache zu beginnen.
…das Buch ein bisschen aufzufüllen.
…das Essen zurückgehen zu lassen, weil es versalzen ist.
Entscheiden Sie selbst!
Zum Abschluss dieses Bandes gibt es dann „Göttlich, ledig, jung sucht…“, eine Art Monolog für eine Person, der aus dem „Comedy Krippenspiel“ entstanden ist, das dereinst mit einigen Leuten in Köln aufgeführt wurde. Für Leute mit starkem Glauben, für strenggläubige Christen und Katholiken ist es… absolut nicht geeignet!
Theoretisch ließe sich das meiste davon sogar möglicherweise auch auf der Bühne aufführen… wenn man die Lust hätte, es auswendig zu lernen!
HINWEIS: Der Erwerb dieses E-Books berechtigt nicht zur Aufführung der Theaterstücke, Szenen und Monologe! Falls Sie Interesse daran haben, einen oder mehrere der hier vorhandenen Texte auf die Bühne zu bringen, wenden Sie sich bitte an den Autor.
Die ultimative Erklärung dafür, warum der Autor Martin Cordemann den Spitznamen „PeeWee“ trägt… oder möglicherweise auch nicht!
„Text, Drugs & Rock’n’Roll“
Habe nun,
ach, was ist denn hier los?
Wer zur Hölle sind Sie denn? Wie sind Sie hier reingekommen? Hab ich die Haustür offen gelassen? Wo sind denn meine ganzen Möbel? Scheiße, ich bin beklaut worden! Und was sind Sie für Einbrecher? Ich meine, wie dreist ist es bitte, mein Wohnzimmer leerzuklauen und dann hierzubleiben? Worauf warten Sie noch? Auf Applaus?
Moment! Och nee! Das is ja gar nich mein Haus. So spärlich wie das hier aussieht, ist das... eine Bühne?! Und noch nichtmal ne besonders große. Dann sind Sie wohl das Publikum, hm?
Hallo! Schönen guten Abend. Ich bin nicht Ihr Gastgeber, um das mal klarzustellen. Ich habe Sie nicht eingeladen! Genaugenommen bin ich in diese Sache genauso reingeraten wie Sie. Ich, ähm, bin nämlich... eine literarische Figur. Gewissermaßen. Also er hier ist ein Schauspieler, der das spielt, aber im Grunde meines Herzens spielt er mich und ich bin nur eine Figur. Ist n bisschen verwirrend, oder? Warten Sie, ich versuche, Ihnen das mal zu erklären.
Wenn man einer Frau sagt, sie sehe aus wie gemalt... dann ist die das meistens nicht. Die ist oft BEmalt, also viel Schmike. Is was anderes. Ich dagegen bin geschrieben. Alles was ich sage, denke, tue ist aufgeschrieben. Das war schon immer so. Ich meine, glauben Sie, Hamlet hat das einfach so aus dem Ärmel geschüttelt? Hat sich hingestellt und aus einer Laune oder einer Inspiration heraus gesagt:
„Geschriebensein oder Nichtgeschriebensein, das ist hier die Phrase.“
Nee, das ist ihm auch nicht so spontan eingefallen, die Worte hat man ihm quasi in den Mund gelegt. Was ekliger klingt, als es bei literarischen Figuren ist. Alles, was Sie hier zu hören bekommen – außer der Klospülung draußen – ist niedergeschrieben. Tja, so sieht mein Leben aus. Meine Persönlichkeit. Mein Sein. Hingerotzt auf ein Blatt Papier, vielleicht mit Kaffeeflecken übersät, zerknüllt, eingerissen, geknickt.
Wenn ich Pech habe. Vielleicht bin ich ja auch inzwischen gedruckt. In einem hübschen Ledereinband, sauber aufgereiht in irgendeinem Regal neben den Klassikern. Werde einmal die Woche von der Putzfrau abgestaubt. Werde nur zu besonderen Gelegenheiten herausgenommen, um mich stolz den Freunden zu präsentieren oder an langen Winterabenden um in mir zu schmökern... also, wenn der Fernseher kaputt ist oder so.
Ich hab ja keinen Einfluss auf sowas. Wo ich gerade bin. Oh ja, mein Schicksal ist vorherbestimmt, aufgeschrieben und bis zum letzten Komma berechnet, aber ob ich dann nur auf einem miesen Ausdruck lande oder in einem teuren Hardcover, das kann ich nicht beeinflussen. Das ist verdammt deprimierend, sag ich Ihnen.
Was ist das hier? E-Book? Nie gehört. Klingt aber auch nich besonders dolle, wenn Sie mich fragen. Naja, wo war ich? Ach ja…
Alles, was mir passiert steht geschrieben, steht irgendwo... steht fest! Aber... Warum steht hier nichts darüber, dass hier kein Stuhl steht, auf den ich mich vielleicht setzen könnte? Naja, mit mir kann man's ja machen, ich bin ja nur ne literarische Figur, schert die ja nen Dreck drum, ob man 'n bisschen Bequemlichkeit hat. Sparsam bei Regieanweisungen. Dabei stehen mir Regieanweisungen zu! Jedenfalls im Moment. Im Moment bin ich nämlich ein Vertreter der Gattung "literarische Bühnenfigur" und die kriegen Regieanweisungen. Aber manche Autoren machen das ja ums Verrecken nicht!
So, jetzt hol ich mir erstmal nen Stuhl, hier steht nämlich auch nicht: "bleibt auf der Bühne, um sich keinen Stuhl zu holen", wär ja auch noch schöner.
Soll ich Ihnen was mitbringen? Ein bisschen Poesie vielleicht? Kann sein, dass noch welche da ist. Liebesschnulze ist aus, das kann ich Ihnen versichern. Kitsch ham wir auch keinen mehr. Aber... das wär’s doch, oder?
Literatur a la carte: Ein Häppchen Kurzgeschichte, garniert mit ein paar feingeschnittenen Anekdoten, abgeschmeckt mit einem Hauch Krimi, aber nicht zuviel. Als Beilage ein paar Aphorismen auf Blattsalat mit herzhaften Balladen in einer feinen Sauce Comedienne. Dazu einen gut gereiften Reim. Einen vollmundigen Lyrikör vielleicht oder eine trockene Satire. Und dann zum Nachtisch eine zuckersüße Romanze.
Mal sehen. Nein, schade. Monolog für eine Person. Tja, fürchte, das ist das einzige, was ich Ihnen heute bieten kann. Möchten Sie dazu Ketchup oder Majonäse?
So, prima, kann ja nicht den ganzen Abend stehen, das heißt, ich könnt' schon, aber da Sie mich ja wahrscheinlich gerade nicht lesen, sondern durch einen Schauspieler dargestellt sehen, kann ich nicht, weil er nicht kann! Also ich selbst könnt' schon! Länger als Sie, möcht' ich wetten! Aber Sie sind ja nur... real!
Wissen Sie, es hat auch Vorteile, nur literarisch zu existieren, naja, sagen wir, wenn man mit seinem Autor und der Story Glück hat! Sie können drei Jahrzehnte lang im Regen stehen und holen sich keine Erkältung! Also, ich könnte, Sie könnten das nicht. Er hier auch nicht. Also der Schauspieler, der sich hier gerade abmüht, mich angemessen auf der Bühne zu interpretieren. Junge, was ist bei dir schief gelaufen, dass du bezwungen bist, ausgerechnet diesen Text hier zu spielen? Und fragst du dich auch gerade, wie du diesen inneren Monolog, der eher ein äußerer Monolog, oder ein Dialog für eine Person ist, richtig umsetzen kannst? Ja, viel Spaß dabei!
Wo war ich? Ach ja, Bühne. Ja, kann mir natürlich auch passieren, dass ich drei Minuten nach meinem Auftritt an einem Brotkrümel, der seit dem Frühstück in meinem Mund herumgelungert hat und nun beim Atmen in meine Luftröhre kommt, plötzlich ersticke. Äh, ah, würg, phhhhh, grrrr, arrrghhh...
Nein, das wäre zu einfach. Der Nachteil bei einer solchen Aufführung wäre natürlich: der Schauspieler lebt noch, ich aber bin wirklich tot, d.h., naja, bis zur nächsten Aufführung halt.
Wobei... Wiederaufführungen, das ist auch so ne Sache. 'n paar von meinen Kollegen sind ja jahrelang am Broadway – und reisen gleichzeitig auch noch herum und sind auf Platte und CD, mit anderen Besetzungen natürlich. Also ich weiß nicht, wie muss sich Jesus wohl fühlen, wenn er seit zehn Jahren durchgehend ein paarmal die Woche ans Kreuz genagelt wird? Und dann noch der Gesang dabei?
Und ich glaub auch nicht, dass es Hamlet soviel Spaß macht, immer mal wieder zu sterben, ja. Der is ja jetzt auch schon ne ganze Weile dabei und wahrscheinlich würd' er sich gerne zur Ruhe setzen, ja, vielleicht ne Figur in 'ner seichten Liebesgeschichte sein, aber auf immer und ewig am Ende des Stückes zu sterben... Würde Ihnen doch auch keinen Spaß machen, oder?
Das ist eben der Nachteil bei uns, was uns passiert passiert uns immer wieder! Wenn ich mir vorstelle, einer liest meinen Tod, findet die Stelle total super, weil sie poetisch ge- bzw. beschrieben ist oder weil halt viel Gewalt im Spiel ist, je nach couleur, und den liest er dann noch dreimal weil er sich nich davon losreißen kann... da krieg' ich doch 's Kotzen, literarisch gesehen.
Bisher bin ich aber erst einmal gestorben und das auch nur, weil mein Autor keinen Bock mehr hatte, zu erzählen, warum er meinen Namen als Spitznamen hat, hat dann ne Geschichte geschrieben, die angeblich alles erklärt. Hat nur keine Sau gelesen, deshalb musst' er sich weiter was aus den Fingern saugen – statt einfach zu sagen:
Ich hab ne Bühnenfigur mit diesem Namen entwickelt und weil die mir irgendwie ähnlich ist, hat man mir dann diesen Spitznamen gegeben!
So is es nämlich gewesen und nich, wie es die Legende erzählt, umgekehrt.
Wobei, und das ist das Schöne: Jetzt heiß ich gar nicht mal so! Und das Stück auch nicht! Wurde geändert. Bei der Überarbeitung. Total bekloppt! Erst entwickelt er diese ganze Idee mit seinem blöden Spitznamen. Dann schreibt er n ganzes Stück darüber. Und dann fällt ihm plötzlich ein: Nee, mach ich nicht! Das heißt, Sie erfahren jetzt nichtmal meinen Namen. Und er kann nicht sagen: Ich heiße wie diese Figur in dem Stück von mir. Alles für’n Arsch! Pfff, Autoren!
Ach äh, könnte da mal jemand 'n Fenster aufmachen? Nein, es ist nicht wegen mir, aber ich glaube, mein Schauspieler bekommt langsam keine Luft mehr. Fängt an zu schwitzen und so. Ja, kann ich mich auch noch drum kümmern um sowas, bleibt ja eh alles an mir hängen. Und was hab ich davon? Kann ich vielleicht hingehen und das Mädchen in der dritten Reihe fragen, ob sie nach der Vorstellung noch mit mir wohingeht? Klar kann ich, und wer geht dann hin? – Mein Schauspieler! Toll! Allerdings, wenn der Typ neben ihr, der wie 'n Preisboxer aussieht, ihr Freund und ziemlich humorlos ist, isses der Schauspieler der einen auf die Nase kriegt, nicht ich. Das sind die schönen Augenblicke des... Seins!
Aber was ich eben über die Sache mit dem Mädchen sagte, stimmt schon, man is als literarische Figur irgendwie angeschissen. Ich meine, liegt auch an den Autoren, muss man ganz klar sagen, also, besonders als Bühnenfigur. Mit uns kann man machen was man will. Man kann uns kürzen – oder sogar rausstreichen! Ich meine, wo gibt's denn sowas? Kürzen.
Stellen Sie sich mal vor, das macht man mit Ihnen. Ja, können Sie nicht! Können Sie doch? Dann sagen Sie mir mal, aus welchem Stück hat man Sie weggekürzt, häh? Oder gestrichen, ja? Wo kommen wir denn da hin, wenn plötzlich jemand, der sich Regisseur nennt, aus dem Nichts auftaucht und einfach irgendwelche Kollegen weggekürzt? Ja, kennen Sie, macht man mit Ihren Arbeitsplätzen auch.
Meine Güte, das ist doch nur die Realität, ja, es geht hier um die Kunst an der sich vergriffen wird, um die Kreativität, die Phantasie, da brauchen Sie mir mit Ihrer Realität gar nicht erst zu kommen. Was haben Sie denn da schon tolles zu bieten? Gut, wenn Sie drei Jahrzehnte im Regen stehen kriegen Sie 'n Schnupfen, aber ich hab ja schon gesagt, dass das 'n blödes Beispiel is.
Aber was ham Se denn sonst zu bieten, häh? Kernkraft? Pah, wir haben Antimateriereaktoren, wenn Ihnen das was sagt. Und bei uns kann man ne Galaxie durchqueren, als wäre sie der Stadtgarten! Und gibt es bei euch vielleicht Dinosaurier, Einhörner, Feen und saubere Gewässer? Hah, bei uns sterben die Wale nicht aus, jedenfalls bei einigen von uns! Also haun Sie doch ab mit Ihrer blöden umweltverschmutzten Realität. Sein wir doch ehrlich, eure Umwelt kriegt ihr nie wieder sauber, aber dann lasst doch verdammtnochmal wenigstens das Herumstreichen an uns literarischen Figuren!
Wenn's nur das Herumstreichen wäre! Sprechen wir doch mal von der Unterdrückung. Bei euch macht das der Staat, den habt ihr ja zu dem Zweck eingesetzt. Bei uns macht das der Autor! Doch, das is schon was anderes, oder wäre es Ihnen lieber, wenn Sie da jemanden immer hinter sich stehen hätten, der sagt: und jetzt machst du das und jetzt machst du jenes!? Man kann viel schlechtes über die Polizei sagen, aber das macht sie nicht. Dazu sind die einfach zu wenig! Macht Ihnen das keinen Mut?
Aber wenn bei jeder Bewegung, jedem Gedanken irgendein Typ in dir – oder besser: auf seiner Schreibmaschine – ein paar Knöpfe drückt, die dir sagen wie du dich zu verhalten hast, dann is das schon was anderes. Und man selbst ist dann ja auch nicht gerade fehlerlos, ja.
Also bei mir ist das mehr umgekehrt, ich bin ziemlich fehlerhaft. Tippfehlerhaft, kann man sagen. Also wie sich mein Autor vertippt, ja, das kriegen Sie jetzt auf der Bühne nich so mit, hat der Regisseur wahrscheinlich rausgestrichen, die Tippfehler, aber wenn Se 's mal lesen müssten. Oh Schriftsteller!
Und jetzt stellen Sie sich mal vor, Sie bestünden aus zig Tippfehlern, wie würden Se sich dann fühlen, hmm? Oder glauben Sie, Sie hätten Spaß daran, wenn irgendein Schöpfer Ihnen, nur weil er mit seinen Schöpfungsanlagen nicht so richtig umgehen kann, die Augen nach hinten gedreht hätte oder einen Fuß. Oder Ihre DNA is 'n bisschen falsch zusammengeschrieben, so dass Sie immer, wenn Se sich hinsetzen laut furzen müssen. Würde Ihnen auch keinen Spaß machen. Ihrer Umwelt auch nicht! Macht mir auch keinen Spaß sowas. Verdammte Abhängigkeit.
Oder stellen Sie sich vor mein Autor ist besoffen. Kann ja passieren sowas. Säuft sich einen an und fängt dann an, 'n bisschen an mir rumzuschreiben. Was is die Folge? Ich drücke mich unklar aus, lalle und torkele über die Bühne. Scheiß Spiel. Naja, autorseidank bin ich nicht von Bukowski.
Neeneenee...
Man ist ja auch einsam! Ja klar, also wenn Se in som Liebesschundroman drin sind, dann ja wahrscheinlich nicht, aber so als monologisierende Kabarettfigur, da läuft nicht viel. Sexuell schon gar nicht. Es sei denn, Autor oder Regisseur braucht dringend nen Skandal um irgendeinen Preis zu gewinnen, fürs beste Stück oder die beste Regie halt, dann muss es auf der Bühne ziemlich hergehen, aber ansonsten ist da... tote Hose!
Obwohl, ich bin ein bisschen wie Jesus. Nicht vom Aussehen oder weil ich was vernünftiges sage, n paar sinnvolle Ideen habe wie wir alle viel besser miteinander leben könnten und dafür von den Massen ans Kreuz genagelt werde. Nein, es is die Sache mit der unbefleckten Empfängnis. Ich bin entstanden, ohne dass mein Vater dafür Sex gehabt hat. Oooookay, ja, gut, das is heute in vielen Familien auch nicht anders, dass die Frau Kinder kriegt, obwohl der Vater nicht mit ihr Sex gehabt hat, aber das mein ich nicht. Ich wurde ohne Sex gezeugt. Und ohne leibliche Mutter. Das ist bei vielen literarischen Figuren so. Hmm, wenn das die Feministinnen wüssten, würden sie sofort den Männern das Schreiben verbieten! Aber Schluss mit frauenfeindlichen Sprüchen, dafür ist nachher noch Zeit.
Kommen wir dochmal zur Ausbeutung, ja. Ich meine, zumindest als Bühnenfigur werd' ich doch total ausgebeutet von denen, die mich spielen, ich meine, ich verliere doch meine ganze Individualität und Persönlichkeit, wenn mir jeder Schauspieler seine Interpretation meines Wesens aufdrängt.
Ich meine, wie fühlt sich wohl so ein James Bond? Mal knackig, kernig, ironisch. Mal wie ein talentarmes Model. Dann wieder selbstironisch verschmitzt mit kargen Ausdrucksfähigkeiten. Steif und britisch. Charmant und frisiert. Bullig und krude. Da ist die Neurose doch direkt vorprogrammiert! Der muss doch die Hälfte seines literarischen Lebens auf der Couch von irgendeinem Psychiater verbringen. Oder zumindest auf dessen Bücherregal.
Oder Hamlet, der hier wohl heute Abend der Hauptpate sein wird: Der hätte doch ganz Helsingör vollgekotzt, wenn er gewusst hätte, dass ihn einmal Mel Gibson spielen würde... Mel Gibson, ich bitte Sie, warum nicht gleich Arnold Schwarzenegger? "Oasta la viasta, König! Schauns, I bin Homlet, dea Terminator, gell, I hab wichtige Terminationen zu erledigen." Oder Sylvester Stallone als Macbeth. "Ist das ein Dolch, was ich vor mir hier erblicke? Ach, geh ich halt rauf und leg den alten Knaben um!" Herrlich. Was mir wohl noch widerfahren wird?
Nichts mit Liebe, soviel steht schon mal fest. Ich will mich ja gar nicht beklagen... na gut, ja, ich will mich beklagen, man sollte auch einer Kabarettfigur ein geregeltes Liebesleben schreiben. Hab auch letztens mit ein paar Kollegen versucht, ne Demonstration dafür zu machen, sind aber alle nicht aus unseren Büchern rausgekommen.
Ich will ja auch gar nicht viel... was ist denn schon an einer schönen, klugen, witzigen Frau die mich liebt auszusetzen? Ist das etwa zuviel verlangt? Jaaa, bei euch in der Realität, aber zeigen Sie mir mal einen amerikanischen Film, bei dem sich der Held und die Heldin, die sich vorher natürlich noch nie gesehen und nur ganz zufällig getroffen haben, nicht ineinander verlieben! Da verliert man doch glatt den Sinn für die Literatur!
Und keiner beschwert sich. Also, ich meine, über seinen Schöpfer, oder haben Sie Hamlet vielleicht mal sagen hören: "Der Willie Shakespeare warn echt dufter Typ!"? Oder Faust: "Tja, der Goethe, der war schon okay."? Nein!
Ich will Ihnen sagen, woran das liegt: Die meisten schämen sich! Ja, wissen Sie, wieviele Schriftsteller Alkoholiker sind, oder nicht ganz dicht? Und das will man ja auch nicht gerade herumposaunen, immerhin ist es nicht schlecht, wenn man von Shakespeare ist, warum sich also beklagen und ein paar Dinge über sein Intimleben preisgeben? Was sollen denn da die Figuren von William S. Borroughs sagen, nur weil sie im Drogenrausch gezeugt wurden? Sind sie deshalb vielleicht keine "reinen" literarischen Figuren? Sind sie nicht literArisch, weil sie nicht durchkonstruiert sind, sondern einer Drogenphantasie entspringen? Der reinste Faschismus ist das! Aber damit kennt ihr euch ja bestens aus.
Hey nein, ich mein jetzt nicht, weil ihr Deutsche seid, sondern weil ihr Menschen seid. Oder etwa nicht? Ja, ich weiß, ich seh das zu undifferenziert, aber für mich besteht da kein großer Unterschied, ob Deutsche gegen Juden sind, Serben gegen Moslems, Israelis gegen Palästinenser, Amerikaner oder Afrikaner gegen Schwarze, für mich ist das alles das gleiche, ob man’s nun Faschismus, Rassismus oder Nationalismus nennt. Oder sieht da jemand irgendwelche bedeutende Unterschiede zwischen?
Hmmm, manchmal bin ich ganz froh, dass wir nicht aus unseren Büchern rauskommen. Es sei denn, man verbrennt sie! Naja, ich bin noch zu jung, um eine Bücherverbrennung miterlebt zu haben. Wenn ich jetzt aber von jemand anderem wäre... von Goethe zum Beispiel, naja, das wär schon – goethlich!
Aber... ich meine, wie muss das sein, wenn der Autor dann eines Tages stirbt? Gut, wenn ich schon irgendwo der Nachwelt erhalten worden bin kratzt mich das nicht so sehr, aber was... wenn ich erfolgreich war? Dann bekomm' ich vielleicht plötzlich nen neuen Autoren! Stellen Sie sich mal vor, Gott überlegt es sich und kratzt ab und stattdessen übernimmt... von Stuckrat-Barre hier den Verein. Wage gar nicht mir auszumalen, wo das hinführen würde!
Oder was, wenn man so ne Figur aus ner Fernsehserie ist. Da hat man nicht einen Autor. Da hat man zehn. Oft sogar pro Folge. Da weiß die linke Hand doch nicht, was die rechte tippt. Wie soll man da zu einer eigenen Persönlichkeit finden, ohne völlig oberflächlich oder völlig unglaubwürdig zu werden? Was, wenn man mal so darüber nachdenkt, eigentlich viele Serien erklärt. Man hat dann zwar meist nur einen Darsteller – aber der is dann scheiße! Macht die Sache auch nicht gerade besser.
Was bleibt einem da noch? Nichtmal Selbstmord kann man begehen, wenn man nur literarisch ist! Was soll ich machen? Ich kann mich nichtmal von ner Brücke stürzen! Naja, ich kann schon, aber dann stirbt bestenfalls der Schauspieler, der mich mimt. Würd ich mir auch in manchen Fällen wünschen, wenn ich ehrlich bin! Aber mich selbst umbringen? Wie soll das gehen? Auf Dauer? Den Leser dazu überreden, das Buch abzufackeln? Dann sind wir wieder beim dritten Reich... und das reicht! Ich könnte... Nichts! Sehen Sie diese schriftstellerverdammte Ungerechtigkeit, man kann sich nichtmal das literarische Leben nehmen, wenn man die Lust an der Literatur verloren hat, verdammt...
Außerdem bin ich in letzter Zeit nur noch auf Umweltpapier! Wenn ihr euren blöden Planeten nicht kaputtmachen würdet, könnten wir noch auf weißem Papier geschrieben werden! Und dann dieses labberige Farbband. Kann sich natürlich kein ordentliches Karbonband leisten, mein Autor, nein, das billige Seidenband muss es sein, das er immer bestellen muss, weil er der einzige is, der's benutzt, typisch Autor. Und wer hat den Schaden? Pah, nichtmal ausixen kann man sich.
Und überhaupt, ihr mit euren blöden Fernsehern. Ich will auch mal gespielt werden, sicher, es ist ein wenig unangenehm, hab ich ja schon gesagt, aber man muss doch auch mal rauskommen aus seinen Manuskripten. Aber... ich wag ja gar nicht daran zu denken, wer mich da möglicherweise gerade interpretiert. Also, für die, die’s interessiert, ich bin eigentlich etwa 1.66 groß, bärtig, Brillenträger, naja, jedenfalls meint mein Autor, dass ich so aussehe, also will ich das mal glauben. Und was sehen Sie hier vor sich? Na, schauen Sie sich den Kerl mal an! Hat der vielleicht Ähnlichkeit mit mir?
Falls das überhaupt n Kerl ist! Ist doch heute auch an der Tagesordnung. Auf dem Papier steht folgendes: „Karl und Jakob, ein Drama, eine Tragödie.“
Daraus wird dann aber eine Komödie über Klara und Johanna.
Eine Frau im Körper eines Mannes. Gibt es immer wieder. Jemand, der eigentlich ein Mann ist und sich im Körper einer Frau befindet... und damit meine ich jetzt nicht Sex. Nein, Leute, die das Gefühl haben, sie hätten das falsche Geschlecht. Also... eine Frau, die ganz klare Vorstellungen von dem hat, was sie will... okay, ja, das gibt es in der Wirklichkeit nicht. Nein, das ist reine Phantasie! Und wenn doch, dann kommt sie zu dem Schluss, dass sie eigentlich ein Mann sein sollte, aber im falschen Körper gefangen ist. Ja, das ergibt einen gewissen Sinn. Wissen Sie, wann das angefangen hat? Beim Shakespeare: Da wurden die Frauenrollen meistens von Männern gespielt. Was meinen Sie, wie sich die Figuren da gefühlt haben? „Okay, ich hab keine Brüste, aber was baumelt mir denn da zwischen den Beinen rum?“
Also nehmen wir mal an, das hier wäre ein Kerl. Was würden Sie denn sagen, wenn Sie abends als so'n Knilch nach Hause kommen: "Liebling, ich werde heute von Klaus Kinski interpretiert."?? Da kann man ja schizophren werden. Oder stellen Sie sich vor, in den Regieanweisungen steht "holt aus der Dekoration einen gedeckten Esstisch und beginnt, begierig zu speisen" und der dumme Typ der mich darstellt verpatzt das. Da werd ich doch beschissen um das Essen, das mir zusteht, also, vom literarischen zusteht.
Oder... oder der Regisseur sagt dem Schauspieler, hab ich ja schon erwähnt, also er sagt ihm: "Du, ich will den Regisseurpreis da haben, machen wir'n Skandal, stell dich bei der Stelle über die Regieanweisungen nach vorne an die Bühne und pinkele ins Publikum!" Obwohl’s gar nicht in der Regieanweisung steht. Bleibt dann alles an mir hängen, oder an meinem Autor, auch wenn’s nicht drinsteht. Ich fühl mich dann auch irgendwie... missbraucht. Und ich krieg nichtmal was ab von dem Preis.
"Setzt sich wieder auf den Stuhl und isst weiter". Sonst bekommen Sie diese lausigen Regieanweisungen ja nie zu hören, aber ich hab ein Anrecht auf jedes bisschen Text, das mich betrifft. Merkwürdig, stand doch am Anfang gar nichts von nem Stuhl drin in dem blöden Skript. Verdammt merkwürdig.
Hat er wahrscheinlich gepennt, mein Autor, und einfach vergessen, dass er nie was von nem Stuhl geschrieben hat. Sehen Sie, man hat es nicht leicht, wenn man es mit Laien zu tun hat. Und diese ewigen Tippfehler, nihct zmu aushltatn, knan ihc Inheh sagnen.
Man müsste... man müsste von Eco sein! Umberto Eco, kennen Sie, 'Name der Rose', das wär'n ruhiges Leben. Viel gekauft, wenig gelesen, man ist fast überall zuhause, wird aber so gut wie nie beansprucht. Es sei denn, man wird verfilmt. Obwohl, mit Connery hat William von Baskervill 'n guten Fang gemacht! Vielleicht hat man ja auch Glück und is ne so unbedeutende Rolle, dass man gar nicht in den Film übernommen wird, aber im Buch weiterhin existiert. Das wär ne Sache, was? Bei euch wär das... Hinterbänkler im Bundestag! Man hängt so rum, macht nichts, richtet keinen Schaden an und sieht zu, wie die Welt den Bach runtergeht. Nein, das wär doch nichts für mich.
Nein, ich möchte nicht die ganze Zeit nur untätig herumhängen, ich möchte irgendwie an allem teilhaben. Man müsste... sich nen Tanker kaufen oder so. Ölpest verbreiten, nicht alles auf die anderen schieben, selber Hand anlegen. Vielleicht... selbst etwas schreiben?
Theoretisch... wenn eine nicht real existierende Person etwas schreibt, müsste das, was sie schreibt, die Realität sein. Macht doch Sinn, oder? Sie müssten sich also fragen, wer Sie gerade schreibt! Vielleicht der gute alte Hamlet, was? Oder doch Gollum? Ist Ihr Leben langatmig und irgendwie schlecht geschrieben?
Hmm, ich fürchte, die Theorie hat einen Haken: Was ich schreibe, schreibe nicht ich, sondern mein Autor schreibt, dass ich schreibe was ich schreibe. Kein Perpetuum mobile wie die Bezahlung von Politikern, die sich ihre Diäten selbst erhöhen. Geht mich ja eigentlich nichts an, eure Welt, aber warum macht ihr es nicht so, dass ihr, also quasi das Volk, sagt, wieviel die Politiker bekommen? Ähm, die Politiker sind doch für euch da und nicht umgekehrt, oder? Ich bin mir da nie so sicher. Aber wenn die für euch da wären, also, nur mal angenommen, wärs da nicht vernünftig, euch bestimmen zu lassen, ob sie was Gutes für euch getan haben, indem ihr deren Gehalt bestimmt? Naja, ich geb zu, das is ne ziemlich... literarische Idee, wird bei euch wohl nicht funktionieren.
Bei uns dagegen gibt’s solche Probleme nicht, also bei uns... im Literarischen! Da brauchen wir keine Geburtenkontrollen oder so, keine Ausländerfeindlichkeit oder Bevölkerungsexplosion. Bei uns lässt sich alles regeln, auch ohne Atomkraft. Zum Beispiel die Sache mit Jesus, also, als er noch nich in dem Musical dabei war. Die Autoren haben ihn ja erst sterben lassen, ne, also, wenn das bei euch passiert isses ja aus, aber dann habense festgestellt, dass se ihn nochmal brauchen... nicht für die Fortsetzung! Sondern weil Gott nur so nochmal zeigen kann, dass er der Größte is. Und was machen die klugen Jungs? Tun so, als wär er gar nicht wirklich tot gewesen? Machen uns weis, man hätte nur seinen Doppelgänger gekreuzigt? Judas steht unter der Dusche und wir stellen fest, dass er die ganze Sache nur geträumt hat? Nein! Die lassen ihn einfach wieder auferstehen. Das könnt ihr nicht, gebt es zu, das könnt ihr einfach nicht! Dafür seid ihr zu real! Ihr seid nämlich auch in eurer Welt gefangen, gut, ihr könnt euch umbringen, aber was dann kommt wisst ihr auch nicht. Bilanzen, Steuerabrechnung, Hypothekenabzahlungsteuerungsratengesetztesvorschlagsentwurfkriterienkatalog, ihr seid alle so verdammt real!
Seien wir doch mal ehrlich, für euch sind wir im Himmel! Sonst würdet ihr uns doch nicht nachlesen, nachschauen oder hierher nachkommen! Ihr wollt hierhin, weil hier alles möglich ist. Und das hier ist der Himmel, weil ihr nie hierhin kommen könnt solange ihr lebt. Klar, ihr könnt euch vorgaukeln ihr wärt hier, aber dann versucht mal, aus einem Bach im Wald zu trinken!
Ja, ihr beneidet uns, würdet gern mit uns tauschen, an unserer Stelle sein, Abenteuer erleben, schöne Männer oder Frauen kennen lernen... und einsam auf einer schlecht ausgeleuchteten Bühne stehen? Überlegt es euch! Oder... ist dies vielleicht die Hölle? Das Ausgestoßensein in ein kleines Kabarettprogramm ohne viele Requisiten und Mitspieler? Die Gewissheit, auf einer Bühne nie man selbst zu sein, sondern die Interpretation eines anderen? Himmel - Hölle? Wollt ihr zu uns – wollen wir zu euch? Muss eure Welt für uns nicht ebenfalls wie der Himmel sein? Sollte eure Welt für euch nicht die Hölle sein?
Wer weiß? Wenn ihr wirklich nach dieser Welt strebt, dann könnt ihr ja versuchen, eure Welt zu verändern! Gab es schon, solche Leute, nannte man Visionäre, Idealisten, Phantasten und steckte die meisten von ihnen in die Klapsmühle oder auf den Scheiterhaufen! Aber ich will euch nicht entmutigen, das ist wirklich eine gute Idee. Versucht, eure Welt so zu verändern, dass sie wird wie eine von unseren Welten. Aber sucht euch verdammtnochmal keinen nach-dem-großen-Krieg-wo-alles-zerstört-und-verseucht-ist-Roman aus! Nicht jede unserer Welten ist unbedingt erstrebenswert!
Hmmm? Ja, natürlich weiß ich, dass es welche von euch waren, die diese Welten geschaffen haben! Endlich gebt ihr es zu. Aber wer war es, der bei euch die Welt kaputtgemacht hat? Das waren die andern! Die andern, hmm? Gut, ich geb zu, welchen Sinn hätt’s, das zu leugnen, unsere Welten haben eure Leute geschaffen, ja, stimmt schon. Muss ich da auch noch stolz drauf sein? Ihr sagt doch auch nicht: "Ach, irgendwie bin ich stolz auf Gott, dass er sowas wie die Erde und die Menschen und die Natur geschaffen hat!"
Ihr sagt doch höchstens: "Ja, das ist mein Sohn, er hat meine Intelligenz, ja. Und die Blumen im Garten hab ich selbst gepflanzt, ja, schön, nicht? Ja, ich hab auch dafür abgestimmt, dass die neuen Sicherheitsbestimmungen für Öltanker erst im Jahre 2999 eintreten müssen..."
Nein! Das sagt ihr nämlich nie! Nie sagt ihr: "Ja, 's war meine Firma, die damals den Auftrag bekommen hat, bei dem Atomkraftwerk, das letzte Woche nach Australien durchgebrannt ist, die billigen Kühlrohre einzubauen, ja, haben wir gewusst, klar, war halt billiger!"
Ist euch das schonmal aufgefallen? Bei euch ist es nie einer gewesen! Fragt man sich doch, warum alles den Bach runtergeht, wenn keiner dran schuld ist. Wo ihr doch immer nur Gutes und schöne und edle Dinge tut. Merkwürdig, was? Aber was kann ich mir schon anmaßen, ein Sterbenswörtchen darüber zu verlieren, ich, der ich nur einem kranken Geist entspringe, das denkt ihr doch jetzt. Und wenn ich Glück habe, lande ich mal in einer 'heile Welt Geschichte' und mach mir nen schönen Literaturabend. Kratzt mich doch nicht, wenn ihr alle an eurer eigenen Dummheit draufgeht. Aber ich glaube, ich habe euch jetzt genug beleidigt... hmm, nein, eigentlich nicht, trotzdem kann ich ja nicht den ganzen Abend eure Fehler aufzählen, hinterher kommt ihr ans Manuskript und streicht mir alle Tippfehler an.
Obwohl... mein Autor hat jetzt nen Computer! Das ist eine schöne Entwicklung, angenehm, nette Atmosphäre, gut, 'n bisschen steril ist’s schon, aber wenn er sich vertippt und merkt’s, korrigiert er sich, äh, mich. Und mein Schriftbild... Sie sollten mal den Unterschied zu früher sehen, nein, mein neues Schriftbild, herrlich. Da möchte man schon fast mal Mensch sein und selbst drin lesen. Nein, eigentlich nicht! Aber dieses ständige Ausgeixe hat endlich ein Ende, oh, was für ein Gefühl, was für ein neues Bewusstsein, zu wissen, dass man nicht mehr zu 30% aus Ixen besteht. Ich glaube, ich habe eine Seite abgenommen, seit er den Computer hat.
Man fühlt sich leicht und sauber... als hätte man eine von diesen supra Damenbinden. Supra... is wahrscheinlich auch aus nem Tippfehler entstanden!
Naja, aber wie das halt so mit allen Dingen ist – es gibt auch Nachteile! Ich weiß, das klingt jetzt ziemlich menschlich, dass ich an allem herumnörgeln muss, aber die Manipulierbarkeit, der man plötzlich ausgesetzt ist, die Leichtigkeit, mit der man jetzt an einem herummanipulieren kann, ohne den ganzen Text neu zu tippen, das kann einem schon Angst machen.
Da braucht der Autor einfach 'n paar Sachen zu ändern und schon bin ich ne Frau. Gibt's was Schlimmeres? Klar, 'n Mann zu sein, Chauvinisten aller Geschlechter vereinigt euch. Wovon ich hier spreche ist die Leichtigkeit, mit der man plötzlich umgepolt werden kann. Man drückt einfach ein paar Tasten und schon...
Oder das Nichts! Stellen Sie sich vor, mein Autor schreibt an mir, speichert mich nicht ab und der Strom fällt aus. Man kann jetzt so einfach gelöscht werden. Und gibt es dagegen vielleicht nen Paragraphen 216? Der Autor muss sich drei Monate überlegen, ob er eine literarische Figur löschen darf und bevor er das macht, muss er sich von jemandem beraten lassen?
Es wird Zeit, dass man uns auch ein paar Rechte zubilligt! Was dürfen wir denn schon? Gelesen und gespielt werden, manche nichtmal das. Und was sonst? Dürfen wir wählen, dürfen wir die Umwelt zerstören, dürfen wir Kriege führen? Nein!
Ich seh es schon kommen, als nächstes fordern die Neonazis: "Raus mit den literarischen Figuren!" Molotowcocktails werden in Bibliotheken geworfen, die Auslieferungen von Büchern an Buchhandlungen werden verhindert, Theater besetzt, Schriftsteller verbannt und letzten Endes wieder Bücher verbrannt. Nichtmal neu.
"Errare humanum est – ergo sum",
irren ist menschlich – also bin ich.
Ich kann mich nicht irren. Nein! Naja, jedenfalls nicht ich persönlich! Mein Autor kann sich irren, wenn er sich irrt, irre ich mit. Irre durch die Gegend, irre schnell, irre versibel, irrational. Werd richtig irre, wenn ich mir das vorstelle.
Obwohl... das klingt jetzt so, als hätte ich keine eigene Persönlichkeit. Wahrscheinlich hab ich auch keine. Ich bin so, wie ich geschrieben bin. Nennt es meinetwegen Gene. Aber... es liegt nicht nur an den Genen, genau wie bei euch. Nur weil einer böse Gene hat, wird er bei euch auch nicht gleich Wirtschaftsboss oder Politiker. Wenn er in ärmlichen Verhältnissen aufwächst wird er wohl nur 'n normaler Krimineller.
Und jetzt sehen Sie sich hier doch mal um! Wie soll ich da denn anders werden als so wie ich bin? Wie kann man in einer solchen Umgebung etwas nettes über Blumen oder das Leben zu zweit erzählen? Und immer allein. Das ist nicht fabelhaft, das ist Einzelhaft.
"Sucht nach Worten"... Tja, die Sucht nach Worten... als ob ich süchtig danach wäre. Ja, zugegeben, ich brauche Worte. Ich bestehe daraus, bin daraus geformt. Was wäre eine literarische Figur ohne Worte? – Wahrscheinlich Pantomime!