Meisterdieb der Galaxie - Martin Cordemann - E-Book

Meisterdieb der Galaxie E-Book

Martin Cordemann

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Beschreibung

Tyv Stelisto verdient sein Geld mit Stehlen. Das ist natürlich ungesetzlich, aber die Galaxis hat sich nicht unbedingt zum Besseren entwickelt und da fällt das eigentlich kaum ins Gewicht. Er ist ein Meisterdieb wie er im Buche steht, in diesem Buche, um genau zu sein. Leider ist es in der Verbrechensbranche oft so, dass man viel mit Leuten zu tun hat, die, na ja, Verbrecher sind und denen man deshalb auch nicht vertrauen kann. So hat Stelisto immer wieder Probleme mit seinen Auftraggebern, die ihn nicht nur Dinge stehlen sondern ihn auch anschließend gerne beseitigen lassen wollen. Das hindert ihn aber nicht daran, diverse Abenteuer in einer durch und durch unmoralischen Galaxis zu erleben – und manchmal sogar das Richtige zu tun! Geeignet für Sauerstoff- und Methanatmer.

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Seitenzahl: 190

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Martin Cordemann

Meisterdieb der Galaxie

 

 

 

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Ein kleiner Bruch

Die Kunst der Sicherheit

Gekaufte Liebe, gestohlene Herzen

Diamonds are a Thiefs Best Friend

Die drei Dämonen des Krieges

Kein Plan

Ein Fall von Kingnapping

Das Leben vor dem Tod

Impressum neobooks

Ein kleiner Bruch

Jeder gute Dieb wird Ihnen sagen, dass der beste Platz für ein Versteck der Ort ist, der so offensichtlich ist, dass man ihn am wenigsten für ein Versteck halten würde. Aber die meisten Diebe sind elende Lügner, also schenken Sie Ihnen besser kein Vertrauen!

Mit einem lauten Klirren ging mein Spiegel zu Bruch. Kein Erbstück, kein besonders teures Unikat oder ein Meisterwerk aus der Hand der Spiegelschnitzer von Ulem Flokktar, einer kleinen Welt, die einen kurzen Exportschlager mit ihren Spiegeln landen konnte, bis die Großen Galaktischen Möbelkonzerne sich zusammentaten und ein paar Kampfdroiden „irrtümlich“ dorthin lieferten. Seitdem gab es nur noch billige Spiegel, billige Möbel und ganz besonders billige Moral.

„Stel?“ klang Umas Stimme fragend aus dem Schlafzimmer. „Alles in Ordnung?“

„Ja klar“, rief ich und suchte in den Scherben. Ah, da war er ja. Ein kleiner Schlüssel. Sehr wertvoll. Eingebettet in einem billigen Spiegel. Die universelle Ironie der Galaxis. Ich ließ ihn in einer Hosentasche verschwinden und ging hinüber zum Schlafzimmer.

Auf allen Welten, bei allen Naturwundern, in all den Meisterwerken – es gab nichts schöneres, als eine wundervolle Frau. Besonders dann, wenn sie wenig anhat und sich in deinem Bett räkelt. All das traf auf Uma zu. Und mehr! Dort saß sie, kaum umhüllt von meinen Laken, sehr apart, sehr sexy, sehr nackt.

Sie sah mich fragend an. „Klang so, als hättest du den Spiegel zerbrochen.“

„Konnte meinen Anblick nicht mehr ertragen.“

Ich ging langsam auf sie zu.

„Und du meinst, da kann ein neuer Spiegel helfen?“

Ich kletterte zu ihr aufs Bett.

„Ist den Versuch wert!“

Wir begannen uns zu küssen.

„Was ist... mit... dem... Badezimmerspiegel?“

Wir begannen uns zu lieben.

„Den... zerschlag ich nachher!“

Etwas später musste ich „ins Büro“. Uma lag noch im Bett und schlief. Es dauerte einige Zeit, bis ich mich von ihrem Anblick losreißen konnte, aber Geschäft war Geschäft. Also wurde ich eins mit der Nacht.

Ich hatte vor einigen Jahren einen Auftrag für den Unterweltboss Berenim Haldur angenommen. Es ging darum eine wertvolle Skizze von Ulmar Quott zu stehlen, einem sagenumwobenen Künstler vom Planeten Hetzzodor. Haldur war das, was man gemeinhin als ein mieses Stück Scheiße bezeichnete, aber ich war knapp bei Kasse und so nahm ich den Job an. Als ich gerade auf dem Weg zur Geldübergabe war, verhaftete man Haldur und steckte ihn für 20 Jahre in Haft. Da er gute Anwälte hatte, war er nach 7 Jahren wieder draußen und nun wollte er natürlich sein ihm unrechtmäßig zustehendes Eigentum.

Obwohl man weder Anwälten noch Banken trauen konnte, hatte ich die unbezahlbare – und bislang auch unbezahlte! – Skizze in einem Schließfach deponiert. Die Bank of Europe schien mir damals der geeignete Ort dafür zu sein. Ihr Slogan lautete “If it’s not your money, it’s our‘s!” und wenn man den Berichten über Rentner glauben durfte, deren Häuser gepfändet wurden, weil sie das im Vertrag angegebene Höchstalter überlebt hatten, hielten sie sich daran. Es ging das Gerücht, dass sie nebenbei ein Auffanglager für obdachlos gewordene Senioren betrieben – aber natürlich nicht, ohne sie hier noch einmal gründlich zur Kasse zu bitten. Man musste sie einfach lieben!

Das Gebäude der Bank war, untertrieben gesagt, monumental. Allein der Bau hätte ein paar kleineren Welten wirtschaftliche Sicherheit gebracht oder ein paar mittlere Kriege finanziert. Unnötig zu erwähnen, dass es umgekehrt gelaufen war: Die Bank hatte ein paar kleinere Kriege begonnen, darüber den Bau finanziert und anschließend einen Riesengewinn gemacht, indem sie das, was von den an den Kriegen beteiligten Welten übrig geblieben war, aufkaufte und zu Abenteuer-Parks umbaute. So konnten auch die Völker, die sich finanziell keine Kriege leisten konnten, einmal sehen, was sie verpassten.

Ich schlich mich zum Hintereingang, führte meine Chipkarte über das Sicherungsfeld und verschaffte mir unbemerkten Einlass. Musste ja niemand wissen, dass ich hier Kunde war! War mir selbst unangenehm genug.

Ich ging zu einem Schließfach, fingerte den Schlüssel aus meiner Tasche und schloss das Fach auf. Da war sie. Die Skizze. Sie verschwand schneller in meiner Tasche, als Sie für gewöhnlich „Anzeige wegen unbefugten Eindringens“ sagen können.

Bevor irgendeiner der debilen Wachleute auch nur bemerkte, dass irgendetwas nicht stimmte, war ich schon wieder draußen und tauchte in den Schatten der Gassen unter.

Mein nächtlicher Bankbesuch hatte einen guten Grund. Haldur hatte mich vor ein paar Tagen kontaktiert. Er wollte seine wunderbare Skizze haben – und ich wollte mein Geld. Also vereinbarten wir ein Treffen in einer dieser Spelunken, die man als Tourist besser nicht betritt. Und auch sonst eigentlich besser nicht...

„Hatten Sie reserviert, Sir?“

...obwohl sie sich bei näherer Betrachtung als Nobelschuppen zu entpuppen schien. Ich sah mich um. Schnieke Typen in schicken Smokings, leckere Ladys in teuren Abendkleidern – ich wollte gar nicht wissen, was hier ein Glas Wasser kostete. Hier traf sich die High Society, bezahlte horrende Preise für minderwertige Ware und konnte ihre neusten Klunkern vorführen.

Der gute Haldur hatte seine Finger in allem drin gehabt, was irgendwie illegal war – und was irgendwie Kohle brachte. Prostitution, Drogen, Menschenhandel, Waffen... kein Verbrechen, das für ihn zu niedrig gewesen wäre. Offensichtlich hatte er seinen Stil ein wenig geändert! Erstaunlich, dass er nicht Banker geworden war.

Ich schüttelte den Kopf und der Oberkellner, der es als Gnade ansah, mich überhaupt wahrgenommen zu haben, rief einen Leibwächter, um mich unsanft hinauszukomplimentieren. Doch der Leibwächter wusste es besser.

„Sie müssen Tyv Stelisto sein“, sagte er.

„Muss ich wohl“, murmelte ich.

„Der Boss erwartet Sie!“

Er führte mich in ein Hinterzimmer.

Berenim Haldur war ein fettes humanoides Wesen, in dem auch noch ein paar andere Rassen vertreten waren. Das allein machte ihn nicht unsympathisch. Es war seine Art. Er tat so, als gehörte ihm die Welt. Das traf nur fast zu, aber er schien daran zu arbeiten. Und das machte mir wirklich Angst. Als ich eintrat, saß er hinter einem großen Schreibtisch und sah mir entgegen.

„Ahhhh, der erlauchte Tyv Stelisto, Meister unter den Dieben... Ich freue mich, dich zu sehen.“

Ich wünschte, dieses Gefühl wäre gegenseitig. Sein Lächeln war genau so falsch wie seine Haare.

Er kam gleich zum Geschäft.

„Hast du meine Ware?“

„Möglich“, antwortete ich. „Hast du mein Geld?“

„Natürlich!“

Er legte einen Beutel auf den Tisch. Ich wollte gerade meine wohlverdiente Kohle einstreichen, als er eine seiner schwabbeligen Hände hob und mich aufhielt.

„Nicht so schnell!“ sagte er mit einer Stimme, die einen erwachsenen Mann wünschen lässt, eine geladene Waffe in der Hand zu halten. „Meine Ware!“

„Ich zähl vorher die Kohle, wenn’s recht ist!“

Die Zeiten, in denen ich mich von Wichtigtuern und Möchtegern Unterweltbossen wie ihm einschüchtern ließ waren vorbei. Sein Leibwächter war anderer Ansicht, aber nach einem gezielten Einsatz meines Ellenbogens krümmte er sich lieber auf dem Boden.

„Verzeihung!“ murmelte ich, trat zum Schreibtisch, nahm den Beutel und zählte das Geld. Tatsächlich die vereinbarte Summe. Das hätte mich misstrauisch machen sollen, aber ich war zu sehr damit beschäftigt, dieses Geschäft zu einem schnellen Ende zu bringen, also zog ich die in Leinen gehüllte Skizze aus der Jacke und warf sie ihm auf den Tisch.

„Hier.“

Ich drehte mich um und wollte gehen.

„Einen Moment noch, Stelisto! Ich habe einen neuen Auftrag für dich!“

„Bin nicht interessiert!“

Ich ging zur Tür.

„Das solltest du aber sein. Fannex!“

Eine Seitentür öffnete sich und Fannex erschien. Er war ein menschlicher Killer, aber er hatte nicht viel Menschliches an sich. Einer dieser Typen, die einem spontan unsympathisch sind. Er hatte eindeutig den richtigen Beruf. Und er hatte noch etwas. Etwas, das mir das Blut in den Adern gefrieren ließ: Uma.

Sie wirkte verängstigt, während sie das Monstrum hereinschleifte. Ich wollte etwas Unüberlegtes unternehmen, doch die Waffe, die er ihr gegen den Kopf presste, hielt mich zurück.

Ich wurde ruhig. Langsam drehte ich mich zu Haldur um, der mich feist anlächelte. Schon dafür wollte ich ihn umbringen, aber momentan hatte er eindeutig die besseren Karten.

„Ich sehe, ich scheine etwas zu haben, das dich interessiert.“ Seine speckige Hand deutete auf den Stuhl vor dem Tisch „Warum setzt du dich nicht?“

Bevor ich ihm ein Dutzend Gründe dafür aufzählen konnte, stürmte eine Horde Killertypen in sein Büro. Sie drückten mich auf den Stuhl, lädierten meinen Unterkiefer und klemmten irgendein Stahlarmband an meinen rechten Bizeps. Während man mir diese freundliche Begrüßung nach Art des Hauses angedeihen ließ, brachte Fannex Uma in den Nebenraum. Er fesselte sie an einen Stuhl und tat dann so, als könnte er hervorragend mit Frauen umgehen. Mit einem Grinsen, das es mit der Feistigkeit Haldurs kaum aufnehmen konnte, lehnte er sich neben ihr an ein Weinregal und verschränkte die Arme vor der Brust.

Ich versuchte, die Schmerzen in meinem Kiefer und den Ärger in meinem Kopf zu ignorieren. Haldur hatte mich am Arsch. Und das passte mir überhaupt nicht! Er saß mir gegenüber und betatschte mit seinen fetten Fingern die Skizze des großen Meisters. Er schien glücklich zu sein, aber nicht überglücklich. Wäre da nicht diese Horde unterbelichteter Schläger um mich herum und meine Freundin mit einem Killer im Nebenzimmer gewesen, ich hätte ihm gezeigt, was wahre Freude ist. John Lennon hätte mir da zugestimmt.

Haldur ließ von seiner Neuerwerbung ab und deutete auf das Armband.

„Damit du mir auch treu bleibst!“

„Sind wir jetzt ein Paar oder was?“

„Typisch Tyv, immer einen Spruch auf den Lippen.“

Er grinste mit seinen feisten Lippen und wedelt mit einer Fernbedienung herum.

„Das Armband ist, damit du mir schön treu bleibst, Stelistochen. Sprengt dir auf Knopfdruck den Arm ab – wär doch jammerschade, nicht wahr?“

Er deutete auf Uma im Nebenzimmer. Erst jetzt sah ich, dass auch sie ein solches Band trug – um den Hals!

„Sie hat auch eins“, sagte er. „Also komm nicht auf krumme Gedanken.“

Ich dachte fieberhaft darüber nach, wie ich ihn am langsamsten und grausamsten umbringen konnte. Aber vorher musste ich aus dieser beschissenen Situation heraus.

„Was willst du von mir?

Er winkte ab.

„Nichts Anspruchsvolles. Jedenfalls nicht für einen Mann mit deinen Fähigkeiten. Nur... einen kleinen Einbruch. Sagt dir der Begriff BYM irgendetwas?“

Das tat er. BYM war ein geheimes Regierungsprojekt und bedeutete „Blow Your Mind“. Die arbeiteten schon seit ein paar Jahren daran. Es ging dabei um eine Droge, die die Menschen offen für Suggestion und Beeinflussung machte, mit anderen Worten: man konnte ihnen alles Mögliche einreden. Von der Erklärung, dass man der Messias war bis hin zum größten Liebhaber der Welt, sie glaubten alles!

„Nie gehört!“

„Gut.“ Sein Lächeln hätte ganze Generationen von Haifischen neidisch gemacht. „Deine Instruktionen findest du in diesem Umschlag hier.“

Er warf einen Umschlag über den Tisch.

„Es handelt sich um eine Regierungseinrichtung. Deshalb ist deine kleine Freundin für einige Zeit mein Gast – als Motivation, sozusagen.“

Zwei Gründe mehr, seine Eingeweide über der Wand zu verteilen.

„Du hast bis 2 Uhr Zeit und die Ware ist hier – oder ihr seid beide tot!“

Er deutete an, dass die Audienz nun beendet sei. Ich erhob mich langsam, nahm den Umschlag und sah ihm in die Augen.

„Sollte ihr irgendetwas zustoßen, hindert mich nichts mehr daran, dich zu töten!“

Ich drehte mich um und ging. Die Killertypen stellten sicher, dass ich den Weg nach draußen auch fand. Bevor sich die Tür hinter mir schloss, hörte ich Haldur, der die Skizze des großen Meisters betrachtete, vor sich hinmurmeln: „Ulmar Quott, was warst du doch für ein Genie!“

Ich machte einen kleinen Spaziergang und landete irgendwo mitten in der Pampa. Das Gelände um das Regierungsgebäude war streng bewacht. Überall waren Zäune, Wachtürme, Patrouillen und andere Dinge, die Einbrechern überhaupt keine Freude bereiten. Ich stand auf einem Hügel und beobachtete das ganze. Meine Laune verschlechterte sich, was wirklich schwierig war.

Es fiel mir ein wenig schwer, mich auf meinen Auftrag zu konzentrieren. Wie sollte ich in eines der am besten bewachten Gebäude auf diesem Planeten eindringen, ein streng geheimes Regierungsprojekt stehlen und ungesehen wieder herauskommen, wenn ich die ganze Zeit daran denken musste, was dieses miese fette Schwein und seine hirnbefreiten Killer mit Uma anstellen würden? Aber wenn ich sie da rausbekommen wollte, musste ich schnell handeln.

Hinter einem kleinen Waldstück ganz in der Nähe befand sich ein Landeplatz. Eine kleine Raumfähre setzte gerade zur Landung an. Das wäre... vielleicht eine Möglichkeit!

Ich kam ungesehen zum Haupthangar, und während ein Soldat mit Dienstrang ein paar Soldaten ohne Rang anschrie, sie sollten schneller arbeiten, tat ich das, was ein guter Dieb eben tat. Ich arbeitete an meinem Plan.

Es gibt einige Dinge, die sich positiv auf den Beruf des Diebes auswirken. Ein wichtiges Element ist die Ablenkung. So kam es also, dass sich, ohne das Zutun des herumschreienden Ranghöchsten, plötzlich ein Shuttle in Bewegung setzte. Da er aber zu dem Zeitpunkt von seinem Job stark beansprucht wurde, bekam er nichts davon mit.

Ich machte mich auf den Weg.

Das war etwa zu dem Zeitpunkt, als auf den Schirmen im Kontrollraum der Regierungsanlage ein kleines Objekt auftauchte und eine verzerrte Stimme aus dem Lautsprecher sagte: „...ist ein Notfall. S.O.S., haben Probleme beim Start! Ich wiederhole: Unsere Treibstofftanks sind in der Startsequenz leckgeschlagen, kriegen Maschine nicht mehr unter Kontrolle! Dies ist ein Notfall...“

Der Bildschirm zeigte, wie sich das Objekt trudelnd der Anlage näherte. Das brachte die Wachen natürlich auf die Idee, dass es gut wäre, etwas zu unternehmen!

Das Shuttle segelte gefährlich über die Baumspitzen und schmierte dann ordnungsgemäß über der Anlage ab. Wer auch immer den Begriff Sturzflug erfunden haben möchte, er wäre stolz auf das Shuttle gewesen. Derweil gingen im Kontrollraum und bei den dortigen Wachen alle Lampen an, denn die kleine Fähre reagierte nicht nur nicht auf die wiederholten Funkversuche. Darüber hinaus schickte sie sich nun an, mit voller Kraft auf den Reaktor der Anlage zu knallen...

Es gab ein paar Funken, eine kleine Explosion – und dann wurde es dunkel. Denn der beste Freund eines Diebes ist die Dunkelheit!

Stille.

Nur eine klitzekleine Spur Mondlicht erhellte die Szenerie. Leise schlüpfte ich durch den Zaun. Das Shuttle hatte genau den Kurs eingeschlagen, auf den ich es programmiert hatte. Nun begann der schwierige Teil.

Die Stille wurde langsam von aufkommender Panik durchbrochen. Ungewissheit ist der natürliche Feind eines jeden Wachtpostens. Was war los? Was war passiert? Warum war das Licht aus? Warum gab es keine Fischstäbchen zum Abendessen? Was trieb meine Freundin eigentlich, wenn ich drei Wochen im Biwak war? Die Wachen auf den Türmen wussten nicht, was sie machen sollten. Die Soldaten auf dem Gelände versuchten ihren Mangel an Eigeninitiative durch hin und her laufen zu kompensieren. Warum war da kein Offizier, der ihnen sagen konnte, was sie tun sollten?

Ich nutzte die Situation, an der ich ja nicht ganz unschuldig war, aus und schlich mich an der Front des Hauptgebäudes entlang. Keine so gute Idee, wie sich herausstellte, denn als ich um die Ecke bog geriet ich ins Gewühle der orientierungslosen Kämpfer. Sie hasteten an mir vorbei, aber es war Nacht, und da sind alle Diebe schwarz. Nach einer kurzen Schrecksekunde wusste ich, was zu tun war!

Ich warf mich in Pose und blökte die Soldaten vor dem Eingang des Hauptgebäudes an: „Officer, schnappen Sie sich Ihre Männer und rüber zum Nordeingang. Die Kommandozentrale meldet einen Zwischenfall am Nordtor!“

„Ja, Sir!“

„Sofort!“

Das magische Wort. So schnell sie konnten folgten die tapferen Soldaten meinem Befehl und luden mich damit regelrecht ein, in das Geheimlabor einzudringen.

„Nächstes Mal könntet ihr mir vielleicht noch die Tür aufhalten“, murmelte ich und schlüpfte ins Gebäude.

Im Innern des Gebäudes war es dunkel. Das war gut. Ich hatte mir die Lage des Labors auf den Skizzen von Haldur eingeprägt und schlich nun lautlos durch die Gänge. Sie waren verwinkelt. Das war ebenfalls gut. Es gab dort Wachen, die zu der schießwütigeren Sorte zählten und lieber für Overkill sorgten als überhaupt irgendwann mal Fragen zu stellen. Denn wer Fragen stellt, läuft Gefahr, Antworten zu erhalten und wenn man Antworten hat, ist es bis zum Schreiben eines Berichts auch nicht mehr weit und hier zeigten sich eindeutige Defizite. Das war alles in allem weniger gut! Wenn mich mein Instinkt und der Bauplan des Gebäudes nicht trogen, standen sie vor dem Eingang zum Labor und waren damit so unfreundlich, mir den Weg zu blockieren. Jedenfalls auf den ersten Blick...

Also nahm ich den Lieferanteneingang. Gut, nicht ganz. Sagen wir, in diesem Job hat man es oft mit dicker Luft zu tun. Und wo findet man die am ehesten, außer bei einem Eheberater? Richtig! In den Ventilationsschächten. Die sind nach alter Armee-Manier auch immer schön in die Decke eingelassen und bieten genug Platz, um durch sie durch in den Raum zu krabbeln, in den man sonst nur kommt, wenn man einen Netzhautscan übersteht, einen 18stelligen Code auswendig kennt und zumindest ein paar Zeilen der landesüblichen Nationalhymne fehlerfrei summen kann. Und sie waren es auch, durch die ich mir nun Einlass ins Labor verschaffte. Natürlich völlig lautlos, denn der beste Geheimeingang nützt einem einen Dreck, wenn man anschließend erstmal eine halbe Stunde wegen seiner Allergie gegen Hausstaubmilben niesen muss und damit die Wachen auf sich aufmerksam macht.

Ich ließ mich also geräuschlos von der Decke herab und sah mich um. Ein ganz gewöhnliches Geheimlabor, kennt man eins, kennt man alle. Reagenzgläser, Zylinder, Kolben, Tiere in Käfigen, Tresore für die Geheimformeln. Das hier machte da keine Ausnahme. Also nahm ich mir den Safe vor, öffnete ihn in olympiaverdächtiger Zeit und entnahm ihm einen kleinen Metallbehälter. Er sah sehr zerbrechlich aus. Ich lugte hinein und sah das Serum: ein kleines Fläschchen mit blauer Flüssigkeit. Jackpott! Ich wollte mich gerade umdrehen und gehen, aber dann überlegte ich es mir anders und steckte die Papiere auch noch ein. So etwas sollte man nicht in den Händen einer Regierung lassen!

Regel Nummer Eins bei einem professionellen Bruch: Niemals Spuren hinterlassen! Wenn sie denken, ihr geheiligtes Zeugs wurde zerstört statt geklaut, werden sie nicht danach suchen! Also befestigte ich eine kleine Sprengladung am Tresor, naja, eigentlich eher eine große. Man sollte nie am falschen Ende sparen! Nachdem ich also dafür gesorgt hatte, dass die Regierung die Finanzierung ihrer Projekte der Versicherung in Rechnung stellen konnte, machte ich mich auf den Weg zum Luftschacht. Doch irgendwie schienen meine Freunde draußen inzwischen Verdacht geschöpft zu haben, und bevor ich mich auf einen weiteren Kontakt mit den Hausstaubmilben einlassen konnte, stürmte eine Horde schießfreudiger Wachen in das Labor.

„Scheiße!“

Natürlich sahen mich zwei der Wachen, während ich meine Turnübungen an der Decke vollzog. Konversation schien nicht gerade ihre Devise zu sein und statt zu fragen, ob sie mir vielleicht helfen könnten, meinte der eine nur: „Knall ihn ab!“

Wenigstens wissen wir jetzt, dass unsere Steuergelder gut angelegt sind. Wachen, die ohne zu zögern handeln. Leider hätte man doch etwas mehr Wert auf eine bessere Ausbildung legen sollen, denn während die beiden nun anfingen, wild herumzuballern in der Hoffnung, mich vielleicht mit einem Querschläger oder durch pures Glück doch noch zu treffen, verfehlten sie zwar ihr eigentliches Ziel, dafür aber nicht den Sprengsatz am Tresor.

Langer Rede kurzer Sinn: Der Sprengsatz explodierte!

Eine gewaltige Explosion zerstörte die gesamte untere Etage des Gebäudes. Glas flog durch die Gegend, Brocken, Trümmer, Rauch. Und dann breitete die Dunkelheit ihre schützenden Arme über die sich langsam senkende Rauchwolke.

Der touristische Wert der Kanalisation wird bisweilen überbewertet. Man kann zwar ein paar nette Ratten kennenlernen, aber da man die eh nicht zum Abendessen einladen würde, kann man sich einen solchen Ausflug auch gleich sparen. Auch der Geruchsfaktor spielt bei dieser Entscheidung eine große Rolle. Aber welche Wahl hatte ich schon?

Ich hinkte durch die Unterwelt und konnte mich glücklich schätzen, dass außer meinem Bein nur mein Ego etwas angekratzt war. Und „angekratzt“ war bei meinem Bein der reinste Euphemismus! Bei jedem Schritt zuckte ein stechender Schmerz vom Fuß bis hinauf zur Hüfte. Eine Operation wäre jetzt nicht verkehrt gewesen, auch um die diversen Blutungen zu stoppen, aber die Zeit lief mir davon – und ich konnte ihr nur hinterher hinken.

„Es gibt doch nichts schöneres, als einen entspannenden Spaziergang durch die Unterwelt“, murmelte ich. Ich hinkte den Gang hinunter, bis ich neben einem Tunneleingang eine kleine Bronzetafel bemerkte. Ich sah sie mir an und marschierte kopfschüttelnd weiter.

Dort stand:

Die Kanalisation – geplant und realisiert von Ulmar Quott Industries

Offensichtlich befand ich mich in einem seiner Meisterwerke!

Derweil wurde Haldur langsam nervös. Etwas war schief gegangen, deshalb hatte ich mich noch nicht gemeldet. Er lief in seinem Büro auf und ab wie ein Tiger vor der Fütterungszeit. Und sein Appetit war weit davon entfernt, gestillt zu sein.

„Seine Zeit ist bald abgelaufen!“

Vor dem Schreibtisch saß Uma. Sie war an einen Sessel gefesselt und bibberte vor Angst. Neben ihr stand Fannex, der brutale Killer. Ich hatte viel über ihn gehört. Nichts davon deutete darauf, dass man sich gerne in seiner Nähe aufhalten wollte. Weder geschäftlich noch privat. Haldur blieb stehen und sah Uma an.

„Warum ist er noch nicht hier?“

Die Antwort war einfach. Das Militär hatte schneller reagiert als mir lieb war. Sie hatten Kontrollstützpunkte an allen Zufahrtswegen zur Stadt errichtet. Also war nichts mit Taxi nehmen und zu Haldur brausen. Und vor allen Dingen war nichts mit einem schnellen Vorwärtskommen!

Scheiße!

Blieb mir also nichts anderes übrig, als Haldur mitzuteilen, dass ich mich eventuell etwas verspäten würde.

Ich war nicht wirklich erfreut, als ich Haldurs fiese Visage auf dem Monitor sah. Ich stand außerhalb der Stadt an einer öffentlichen Kommunikationsanlage und versuchte zu retten, was zu retten war.

„Tag“, sagte ich.

Neben mir an der Zapfsäule versuchte ein Betrunkener eine junge Frau davon zu überzeugen, dass er der Präsident von Caldarron gewesen war, bevor die Erdregierung dort interveniert hatte. Selbstverständlich glaubte die Frau ihm nicht und brauste mit ihrem Flitzer davon. Pech, der Typ hatte nämlich Recht. Ich musste es wissen, ich hatte damals seine Zugangscodes geklaut!

„Ich bin im Stau stecken geblieben“, begann ich Haldur zu erklären, warum ich noch nicht da war. „Aber ich habe die Ware!“

Zur Veranschaulichung kramte ich den kleinen Metallbehälter aus der Jacke und zeigte ihm das darin befindliche Serum.

Haldur blickte nur starr. Kein Dankeschön, keine Freude, kein Lächeln. Arschloch!

„Gut, Stelisto!“ sagte er langsam. „Aber du hast deinen Termin nicht eingehalten!“

Noch bevor er ausgesprochen hatte, drückte er auf einen Knopf seiner Fernbedienung...

...und Umas Halsband explodierte.

Es kostete mich all meine Kraft, nicht meine Beherrschung zu verlieren. Dieses miese Schwein! Dieses dumme gemeine miese Schwein! Es gab keinen Tod, der qualvoll genug war, um ihm eine gerechte Strafe zukommen zu lassen.

Uma!

Ich hatte immer versucht, sie aus meiner Arbeit herauszuhalten. Immer! Sie hatte damit nichts zu tun.

Und nun hatte ich versagt!

Haldur hatte Uma getötet. Aber wofür? Weil ich zu spät war? Um mir zu zeigen, dass er am längeren Hebel saß? Weil er einfach ein seelenloses Arschloch war, das gerne tötete?