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Kurz-Krimis für Kurzweiligkeit, teils verdreht, teils abgedreht, manchmal mit Auf- und manchmal mit Unterlösung. "Der kleine TV-Roman" ist abstrakt, absurd, absonderlich und absolut nicht unbedingt ein Krimi, aber es kommt ein Mord drin vor und auch so was wie eine Auflösung, also wozu beklagen? In den Geschichten um Inspektor Pennington-Finlake gibt es auch Morde und vielleicht sogar so was wie Auflösungen, aber was davon nun wirklich wichtig ist, muss der Leser entscheiden – letzten Endes aber beides nicht. Darüber hinaus gibt es noch ein paar Mordgeschichten, teils sogar von der anderen Seite. Dass sich das alles nicht zu ernst nimmt, sollte bis hierher klar sein… aber sicherheitshalber sei es doch erwähnt, damit sich hinterher keiner beschweren kann.
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Seitenzahl: 163
Veröffentlichungsjahr: 2024
Martin Cordemann
Neulich im Mordgeschäft
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Inhaltsverzeichnis
Titel
Vorwort
Der kleine TV-Roman
ERSTES KAPITAL
AUS FERN SEHEN
IN HAFT IHRT
KRANK N. HAUS
PLATZHALTER FÜR RICHTIGE ÜBERSCHRIFT
NEUES KAPITAL
AUF GEH WECKT
NOCH EIN KAPITAL
D. TEKTIVE
PLAN UNG
MUSIK
NACH DEM AUSSCHLAGEN DES FEUERS
IM BÜRO DES PARTEIFUNKTIONÄRS
Überraschung unterm Weihnachtsbaum
Weihnachts-Mordley
Inspektor Pennington-Finlake
Highland Krimis
Eine romantische Liebesgeschichte
Tagebuch: Mord
Sylthaft teuer
Kreuzfahrt des Todes
In der Leichenhölle
Entstehungszeiten
Impressum neobooks
Dies ist eine Sammlung mit Krimi-Geschichten, die sich teilweise selbst nicht so ganz ernst nehmen. Den Auftakt dazu macht der völlig abgedrehte „kleine TV-Roman“, der irgendwo zwischen absurd und abstrakt liegt. Oder völlig wirr? Ach, entscheiden Sie selbst. Möglicherweise interessant für den einen oder anderen könnte sein, dass hier zum ersten Mal (und wirklich zum ersten Mal!) die beiden Filmdetektive „Millhouse und Burns“ auftreten, die ihren zweiten (und damit letzten) Fall in der Geschichte „Ein Mords-Film“ fanden, bevor sie zu Figuren in einem Drehbuch umgearbeitet wurden, die wiederum Grundlage für „Börk“ waren… wer also den Grungrundgrundgrundstein von „Börk“ lesen möchte, der kommt um diese Geschichte wohl nicht herum.
Nach dem extrem absurden Einstieg geht es mit dem nur leicht weniger absurden „Inspektor Pennington-Finlake“ weiter, bei dem es weniger um die Aufklärung der Fälle geht, als um etwas anderes – wenn Sie herausfinden, was das ist, sagen Sie es mir, ich bin nämlich noch nicht dahinter gekommen!
Und weiter geht es mit Herrn Graf, einer Figur, die entweder Vampir ist oder sich für einen hält, einen starken Akzent hat (der beim Lesen wahrscheinlich nicht so rüber kommt) und ein wenig merkwürdig drauf ist – wie man das als steinalter Vampir halt so ist. Die vier Geschichten, in denen er vom Verdächtigen mehr und mehr selbst zum Inspektor avanciert, wurden zunächst als Sketche für das Bühnenprogramm „Bitte belüg mich!“ geschrieben und aufgeführt, bevor sie den Weg in einer leicht bearbeiteten Fassung in dieses Buch fanden.
Es folgen ein paar Krimigeschichten, mal locker, mal düster, mal von der Seite des Gesetzes, mal von der anderen. Die Highland-Krimis entstanden im Rahmen der Lesereihe „LiteRaten und gewinnen“ zum Thema Schottland und sollen dem Leser neben einer sinnlosen Geschichte auch gleich noch ein paar Informationen zu Schottland unterjubeln.
Zum Abschluss tritt dann Inspektor Kaff auf den Plan. Er muss sich mit merkwürdigen Fällen herumschlagen, genau so wie mit einer schweren Erkältung. Und doch: Alle diese Fälle haben eine Auflösung. Man muss eben nur sehr genau hinsehen!
Eine Geschichte voller Leidenschaft, Liebe, tiefen Gefühlen, Zärtlichkeit, Schicksal, Missgunst, Folter, hahaha... äh, nein, keine Folter, schade, aber dafür mit bewegenden ähh Sachen, die Sie gerne lesen! Eine geschiedene transsexuelle Frau die abgetrieben hat und um ihr adrenalinsüchtiges, unverschuldet aidskrankes Kind fürchtet, zwischen zwei Männern, einem, den sie liebt, der aber tot ist und den sie eines Nachts exhumiert und einem anderen, der in Wirklichkeit eine Frau ist und sie hasst, weil sie ihre Schwester bei einem Autounfall in einer Tiefgarage versehentlich getötet hat! Wie wird diese Geschichte enden? Wie wird diese Geschichte beginnen? Wen wird diese Geschichte interessieren? Uninteressant, Hauptsache, sie ist eine Geschichte aus unserer Reihe:
Schicksalshafte Leidenschaften
die wir mit Erfolg zum 23. Mal wiederholen, ohne dass es jemand gemerkt hat!
Lesen Sie mit, fiebern Sie mit, gehen Sie zum Arzt (oder zum Friseur) wo eine Zeitung ausliegt, in der Sie diese Geschichte lesen können, oder sich vorlesen lassen, wenn Sie selbst nicht lesen können, aber dann wäre diese Annonce für Sie eh sinnlos, nun, gehen Sie hin, kaufen Sie sich die neuste Ausgabe aus unserer super Reihe:
Leidenschaftliche Schicksale
und lesen Sie die Geschichte, die Sie schon kennen mit völlig neuen Figuren! Denn wir konfrontieren Sie nicht mit neuen Geschichten, um Sie zu verwirren, wir bringen immer wieder dieselbe Geschichte!
Der kleine TV-Roman
fast so gut wie fernsehen!
Die Geschichte begann mit einer Leiche. Als Akim Herophil am Abend eines langen Arbeitstages in seiner Anwaltskanzlei in den Keller der alten Fabrikhalle, in der er lebte, zurückkehrte, fand er dort die Leiche einer blonden jungen schönen nackten Frau vor, eben einen Anblick, den sich nahezu jeder Mann erhofft, nur eben nicht als Leiche. Fassungslos starrte er auf die Schöne, die er im Leben begehrte und, wäre dies nicht in den Tiefen der menschlichen Gesellschaft zu dieser Zeit völlig unethisch und verwerflich gewesen, auch im Tod begehrt hätte, doch bevor er sich seine versteckt schon immer existente Nekrophilie eingestehen und ausleben konnte, wurde er von zwei freundlichen Wachtmeistern, die seiner offenbar schon, wie ihr Auswurf an Zigarettenresten auf seinem Teppichboden bewies, länger geharrt haben mussten, sozusagen dingfest gemacht. Anwalt der er war, witterte er eine Falle, aber im Widerstreit seiner Gefühle wie er ebenfalls war, witterte er sie halt viel zu spät.
Die beiden Wachtmeister knallten ihm ihre Gummiknüppel, die sie sicherheitshalber mit einer Bleiummantelung verstärkt hatten, liebevoll zwischen die Schulterblätter, drückten ihm die kalten Kanonenläufe ins Genick, fielen über sein Abendessen her, sahen sich ein paar Videos an, bestellten sich ein Menü in sieben Gängen und lasen ihm irgendwann, nachdem er alle Rechnungen beglichen hatte, seine Rechte vor, welche sie darin sahen, dass er schweigen durfte und, wie sie freundlicherweise ihm neuerdings auch zugestanden, leiden, was sie ihm mit ihren Gummiknüppeln eingehend bewiesen. Ohne Umschweife brachte man ihn gleich in eine Art privates Gefängnis, wo er die Nacht verbringen durfte, aber erst, nachdem er dafür bezahlt hatte.
Kühl, soweit das technisch oder linguistisch möglich war, fiel die Tür hinter ihm ins Schloss und Einsamkeit erfüllte ihn mit Sehnsucht. Was war das für eine Geschichte, in die er da hineingeraten war? Und wie war er in diese Geschichte, von der er nicht wusste, was es für eine war, hineingeraten. Und... aber lassen wir das, immerhin sind das Fragen, die er sich zu diesem Zeitpunkt noch überhaupt nicht beantworten kann – und ich, ehrlich gestanden, auch nicht!
Was war das für eine Geschichte, in die ich ihn da hatte hineingeraten lassen? Und wie war er in diese Geschichte, von der ich nicht wusste, aber ich bin sicher, das kennen Sie schon! Was blieb ihm für eine andere Wahl, als sich dieser Geschichte zu stellen? Er wusste es nicht. Ich auch nicht.
Da saß er nun in einer Zelle, abgeschnitten von aller Liebe und Wärme, seinem Zuhause, seinem Hund, seinem Auto... Was ist ein Mann ohne sein Auto? Sehen wir dem doch mal in unserer heutigen Zivilisation, wenn wir das mal so nennen wollen, ins Auge: was ist denn ein Mann ohne sein Auto? Das ist ein Cowboy ohne Kanone, ein Ritter ohne Rüstung, ein Burgfräulein ohne Keuschheitsgürtel, naja, das letzte Beispiel vielleicht nicht, obwohl wir uns das genau so sehr wünschen wie... Aber ich schweife ab. Was ist denn nun ein Mann ohne sein Statussymbol? Ein Nichts!!! Er ist entmannt, vielleicht auch entmannt, je nachdem wie man die Kursivität versteht, jedenfalls, und das könnte der Kernpunkt dieses Gedankens sein, ein Mann ohne Auto ist in dieser Gesellschaft einfach nicht mehr akzeptiert. Er ist ein lausiger Dreck, nicht würdig zu existieren, von allen verachtet, ausgelacht und so weiter, Sie kennen bestimmt ähnliche Situationen, in die Sie selbst geraten sind und wenn Sie jetzt im Knast hocken, weil in Ihrer Fabrikhallenwohnung die Leiche einer hübschen nackten schönen blonden jungen Frau auf dem Teppich herumgelegen hat, dann haben Sie mein tiefstes Mitgefühl.
In diesem Fall werden Sie sich wohl fragen, wie Sie in diese gräusliche Situation gekommen sind, es sei denn natürlich, Sie haben die Leiche selbst zur solchen gemacht, aber das ist ein Fall, der auf Akim Herophil nicht zutrifft, denn sein Gewissen ist so rein, wie es das der meisten Politiker nicht ist.
Vereinsamt hockte er in seiner Zelle und malte Styroporhasen an die Wand. Man hatte ihn eingesperrt, in eine Zelle. So weit, so gut. Und was nun? Was würden sie mit ihm tun? Nun, das war weniger wichtig, naja, nicht weniger wichtig, aber doch weniger bedeutungsvoll, nein, auch nicht weniger bedeutungsvoll, na, wie heißt das denn jetzt, das war weniger... ausschlaggebend? Nein, auch nicht, nun, jedenfalls fiel es nicht so sehr ins Gewicht [Prima, das ist es!], denn die Verhaftung war eine so große Farce gewesen, dass er sie am liebsten als Bühnenfassung herausgebracht hätte, aber die beiden Wachtmeister hatten ihm versichert, dass sie bereits alle Bühnen-, Musik-, Film-, Buch-, CD-, Porno- und Ultra-Rechte davon besaßen.
Man hatte ihm seine Rechte nach wochenlangen Verhören vorgelesen und das noch nicht einmal gut, weil die Wachtmeister dafür einen Grundschüler herangezogen hatten, der des Lesens kaum kundig gewesen war. Es hatte so viele Unzulänglichkeiten gegeben, dass man ihn umgehend würde freilassen müssen, darüber machte er sich also keine großen Sorgen. Was viel schwerer wog war die Stahlkugel, die sie mit einer Kette an seinem Knöchel befestigt hatten.
Und was war nun diese Geschichte mit der Frauenleiche? Ein fieser Scherz auf seine Kosten? Eine miese Abkoche, was immer das bedeuten mochte? Hatten gar die beiden Polizisten die Leiche ermordet [was technisch gesehen nicht möglich ist, hier sollte sich der Autor eine neue Formulierung ausdenken, denn eine Leiche ist schon tot, die kann man nicht ermorden, wenn man Jemanden, beispielsweise einen Menschen, tötet, dann wird er ermordet, aber eine Leiche kannaaaaaaarrrrgghhhhhhhhhhhhhh!!! Anm. d. ersten Lektors (verschieden)] und nur auf eine Gelegenheit gewartet, die Schuld auf ihn abzuladen? Aber warum hatten sie dann bei der Verhaftung so sehr geschludert, dass er ohne Verfahren würde freigelassen werden müssen? Vielleicht, um immer wieder Leichen in seiner Fabrik abladen zu können? War das eine Möglichkeit? Ja, das war eine, aber eine ziemlich bescheuerte. Unbefriedigt und ohne Liebe schlief er auf dem kalten Fußboden einer Matratze ein.
Es war ein kühler Morgen, an dem die Vöglein durch die stahlbewährten Fenster der Gitterstäbe hineinschienen und die warme Luft anfüllten mit dem duftenden Gesang von Rosen. Akim lag auf seiner Liege und wurde wach. Sein Nacken war steif. Mehr nicht. Da hatte er auch gar keinen Grund zu. Immerhin hatte er schlecht geschlafen. Vielleicht hatte er auch gar nicht geschlafen und während der ganzen Nacht das Kratzen der anderen Gefangenen an seiner Zellentür gehört. Wahrscheinlich aber hatte er tatsächlich nämlich doch sehr gut geschlafen, so gut wie seit Jahren nicht, aber angesichts einer in einem Gefängnis verbrachten Nacht durfte man so etwas ja nicht zugeben. Er hatte also grauenvoll geschlafen und während all seine Knochen schmerzten, fühlte er sich jung wie nie.
Draußen, vor dem Fenster, hoppelte ein niedlicher kleiner Hase durch die Dämmerung und flog dann auf einen Baum. Niemand, der es nicht gesehen hatte, konnte die Schönheit diesen Augenblicks erahnen. Und auch niemand, der es gesehen hatte und tatsächlich war es ein furchtbarer Anblick.
Genervt wandte sich Akim ab und betrachtete die kühle, kalte, graue, schmucklose, hässliche Wand, die man wegen all dieser Adjektive mit einer netten, warmen, bunten Tapete überzogen hatte, aber innerlich wusste Akim, dass es unter dieser Tapete so aussah, wie sich der Leser ein Gefängnis vorstellt. Aber andererseits konnte der Leser Akim egal sein, denn der Leser war meine Angelegenheit. Also zurück zur Zelle.
Während Akim noch dasaß oder stand und sich tiefgründigste Gedanken über nichts (und eventuell wiedernichts) machte, passierte kaum ein paar Schritte von ihm... nichts (und eventuell wiedernichts). So ist das eben im wirklichen Leben, hin und wieder passiert nun mal wirklich nichts, da muss man sich nicht immer was aus den Fingern saugen, so als würd doch was passieren, tut’s nämlich nicht und wer mir das nicht glaubt, der kann es ja mal selbst ausprobieren. Während Akim also da so in seiner Zelle nichts herummachte und kaum ein paar Schritte von ihm entfernt nichts passierte, überlegte sich der Autor, eine kleine Pause einzulegen und sich eventuell ein Video reinzuziehen, denn immerhin war in der Wirklichkeit gerade Abend und in der Geschichte war es Morgen und das waren alles Dinge, die einen eifrigen Leser ums Verrecken nicht interessieren!
Ein paar Stunden nach dieser Textstelle ergab es sich, dass Akims Anwalt, obgleich er selbst Anwalt war, ihn im Gefängnis besuchte und ihm eine Tafel Schokolade mitbrachte, die Akim in Windeseile verschlang und mehr verlangte. Sein Rechtsbeistand teilte ihm jedoch mit, dass es ansich keine Probleme für seine Freilassung gebe, dass das ganze Verfahren gegen ihn nicht zustande kommen würde, dass die ganze Sache aber einen Haken hatte. Ohne zu wissen, auf was er sich mit diesem Haken eingelassen hatte, stimmte Akim zu und fand sich wenige Minuten später frisch geschminkt und werbemäßig aufgepäppelt in einem Fernsehstudio wieder.
Ulla Kotzt am Ring, Fernsehmoderatorin und genauso unsympathisch wie steril, begrüßte ihn mit einem, wie sie wohl meinte, freundlichen Lächeln und versuchte, ihn mit all ihrem Charme und ihrer Ausstrahlung zu fesseln und als man ihr klarmachte, dass sie in dieser Richtung nichts zu bieten hatte, mit starken Tauen, was half. Noch ehe Akim wusste, wie ihm geschah, blendeten die Scheinwerfer auf und was ihm eben noch an Geistlosigkeit entgegengeschlagen hatte, wurde nun für Millionen von Fernsehzuschauern live aufgezeichnet.
"Guten Abend liebe Freunde", rief freudig beglückt Ulla, obgleich es kaum kurz vor zwölf war und nicht die geringste Aussicht bestand, dass irgendeiner jener Werbekonsumenten, an die sie sich wandte, der auch nur ein Minimum an geistiger Reserve hatte, sie zum Freund oder Freundin haben wollte und begann ohne Umschweife, ihre Sendung zu plakatieren. "Wir haben heute hier", sagte sie, nachdem man ihr eine halbe Stunde Verschnaufpause für den ersten Werbeblock gegeben hatte, "einen jungen Mann, er ist Anwalt." Das synthetische Publikum applaudierte pflichtschuldigst und Akim kotzte hinter das Sofa. "Akim, Sie haben da etwas ganz dummes gemacht, aber vielleicht erzählen Sie selbst?" Akim hob sein Haupt, sah sie an und erbrach sich ein weiteres Mal, was angesichts seines Mageninhalts von nur einer Tafel Schokolade eine beachtliche Leistung war. "Nun, Akim hat gestern wahrscheinlich eine blonde junge schöne nackte Frau ermordet, hier sehen wir die Bilder von seiner Festnahme!" Es wurde ein kurzer Einblick in Polizeibrutalität gegeben und dann wieder auf Fernsehidiotie zurückgeschaltet. "Nun, natürlich wissen wir nicht, ob Akim sie wirklich getötet hat, aber genau genommen spielt das doch gar keine Rolle, solange genug Leute glauben, dass er es getan hat. Sie haben also diese arme schöne blonde nackte junge Frau ermordet, tut Ihnen das jetzt, obwohl Sie jetzt hier im Fernsehen sind und vielleicht die Möglichkeit zu einer großen Karriere im Wahnsinnigenmördermetier haben, nicht leid?" Akim überbrach sich über irgendwelche Dekoblumen aus Hartgummi. "Daraus schließe ich, dass Sie im Moment noch zu aufgeregt sind, um sich selbst zu dieser herzergreifenden Sache zu äußern, aber wir haben ein Video aufgenommen und es der Ermordeten vorgespielt."
Auf dem Studiobildschirm erschien ein Mann mit einem Blumenstrauß, der krampfhaft bemüht auf den Körper der toten Frau einsprach, um sie dazu zu bewegen, sich ein Video anzusehen, schien damit jedoch keinen großen Erfolg zu haben. Irgendwann fasste er dann die Starre der Frau nicht als Ablehnung, sondern als Teilnahmslosigkeit, aber nicht Unwilligkeit, sich das Video anzusehen auf und spielte es ihr vor.
"Liebe nackte schöne blonde junge Frau, ich möchte mich für diesen grausamen Mord entschuldigen. Verzeih mir!" sagte irgendjemand und die Tote verzog keinen Muskel. Rückblendung ins Studio.
"Tja, keine Reaktion", meinte Kotzt am Ring und Akim musste feststellen, dass er alles aus sich herausgeholt hatte. "Was meinen Sie, wird Sie Ihnen diese Tat verzeihen?" In die Kamera: "Das erfahren Sie, wenn Sie dranbleiben!"
Akim erhob sich und forderte seinen Anwalt auf, ihn sofort wieder in Untersuchungshaft zu bringen. Widerstrebend stimmte der Anwalt zu, bat aber darum, selbst einmal bei "Verzeih mir" auftreten zu dürfen. Die Moderatorin hatte dagegen keine Einwände, aber sie hatte ohnehin keine.
Erleichtert ließ sich Akim auf dem schlichten aber harten Weiß seiner Zellenliege nieder und starrte die Decke an, bis sie ihm auf den Kopf fiel. Irgendwann wachte er schweißgebadet auf und stellte fest, dass alles nur ein Traum gewesen war. Leider war aber nur das mit der Zelle nur ein Traum gewesen, denn inzwischen war die Werbeunterbrechung vorbei, die Leute waren alle frisch geduscht aus dem Sonnenstudio zurückgekommen, um einen weiteren Teil der Sendung aufzuzeichnen, und nun saß er auf einem Sofa und neben ihm eine der ultimativsten Absagen gegen Fernsehen an sich und Privatfernsehen im Besonderen und lullte ihn ein mit sinnentleertestem Geschwafel, wie sich es sonst nur die Leute leisteten, auf denen man unfairerweise immer dann herumhackte, wenn man Leute, die sinnentlert sprachen, mit irgendjemandem vergleichen musste: Politiker! [Diese Stelle muss für eine eventuelle Veröffentlichung, von der ich aber eher abrate, noch einmal eingehestens überarbeitet werden, um nicht die Politiker, unsere Herren, die Meister, die Schöpfer in einen solchen Misskredit zu bringen! Anm. d. Politoffiziers des Lektorats, K3-666]
Niemand wollte ihm da heraushelfen, niemand kam, um ihn zu befreien, sein Rechtsbeistand grinste formlos vor sich hin und wartete auf seinen eigenen Auftritt, man hatte ihm in Aussicht gestellt, in einer superbekannten Show Preise raten zu dürfen, eine Chance, die er sich als Anwalt nicht entgehen lassen wollte.
"Es tut mir leid, dass die ermordete nackte blonde schöne junge Frau nicht positiver auf Ihre Entschuldigung reagiert hat, aber wir haben eine Nachricht von dem Kriminalkommissar bekommen, der Ihren Fall bearbeitet und der der Meinung ist, dass Sie, mein lieber Akim, unschuldig sind. Vielen Dank, dass Sie es trotzdem versucht haben, danke, dass Sie hier waren, ein Applaus für den Mut..." Und schnell wurde er hinter die Kulissen und dann aus der Studiotür rausgeschoben. Sein Rechtsvertreter verriet sich in einem Preis und landete neben ihm, so dass sie gemeinsam zu einem Auto gehen konnten, das da stand.
"Na, was meinst du, hab ich dich nicht gut aus der Sache rausbekommen?" fragte der Rechtsbeischlaf.
Akim bekämpfte den Drang, seinem Kollegen einen aufs Maul zu schlagen und ließ sich auf dem Beifahrersitz des Wagens nieder. Natürlich hielt sein Kollege es erst jetzt für nötig, ihn darauf hinzuweisen, dass er sich im falschen Wagen befand und so dauerte es seine Zeit, bis er endlich wieder vor den Toren seiner Fabrik stand, die ihm natürlich verschlossen waren, weil hier ein Mord begangen worden war und so mietete er sich in einem Hotel in der Stadt ein und verschlief den ganzen nächsten Tag bis zum Morgen... durch!
Nachdem man ihn vorschriftsmäßig verhaftet hatte, eine Aktion, die selbstverständlich nicht von der GSG9 durchgeführt worden war, denn dann hätte man ihn nicht verhaftet, sondern erschossen, nachdem man ihn also ordnungsgemäß verhaftet hatte, ließ man ihn drei Formulare ausfüllen, die bestätigten, dass er seine Rechte gelesen, verstanden, auswendig gelernt und hundertmal abgeschrieben hatte, brachte man Akim in einem dreifach gesicherten Polizeigefangenentransportfahrzeug in eine Vorläufigzuruntersuchunginhaftiertenunterbringung, wo er ein Formular über seine Einlieferung, eine über seine Habseligkeiten und drei über Essen und Trinken während seines Aufenthalts unterschreiben musste, mit Durchschlägen, versteht sich.
Ohne Umschweife brachte man ihn in einen Untersuchungsbefohlenenaufbewahrungsraum, wo er den Empfang einer Matratze und eines Bettgestells quittierte und anschließend einen Antrag auf Schlaf stellte, der bis Mitternacht vom Direktor der Anstalt geprüft wurde, dann zurückgereicht, er durchlief die notwendigen Kontrollinstanzen, eine Kopie ging direkt an den Vollzugsminister des Landes und mit einer positiven Antwort war bis spätestens Herbst nächsten Jahres zu rechnen, wahrscheinlich aber schon bis Mai, wenn alles glatt ging.