Das Geheimnis der alten Milli - Stefanie Valentin - E-Book

Das Geheimnis der alten Milli E-Book

Stefanie Valentin

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Beschreibung

Mit viel Herz und Verstand geht die Heimat-Heidi zur Sache, denn sie ist eine schöne Wirtin voller Tatendrang, die ihren Gästen und Mitmenschen jederzeit hilfreich zur Seite steht. Unterstützt, wenn auch nicht unbedingt immer in ihrem Sinne, wird Heidi dabei von ihrer nicht ganz volljährigen Tochter Steffi, einem feschen Mädel mit losem Mundwerk, und ihrer Mutter Luise, die keineswegs gewillt ist, kürzerzutreten und Heidi mit der Leitung des Bergerhofs alleinzulassen. Für schwungvollen, heiteren Familienzündstoff ist also bei aller Herzenswärme unserer Titelheldin jederzeit gesorgt! »Grüß dich, Hans.« »Habe die Ehre…!« Der junge Bursche deutete lächelnd eine Verbeugung an. »Bist auf dem Weg nach Vorderstein zu deiner Mutti?« Heidi sah Hans fragend an. Der atmete tief durch und nickte. »Ja, ich werd ihr wieder mal erzählen, wie schön die Welt außerhalb des Heims ist, wie die Blumen riechen, wie die Bienen summen und wie die Berge einen mahnen.« Hans Taurer lächelte. »Viel mehr als meine Erzählungen hat sie ja nimmer.« »Aber es geht ihr doch gut?« wollte Heidi wissen. »Jedenfalls ging's ihr gut, als die Luise und ich vor vier Wochen bei ihr waren. Die Schwestern dort haben sich jedenfalls sehr um sie bemüht, und deine Mutter schien recht zufrieden zu sein.« »Das ist sie ja auch«, erwiderte der fesche junge Bursche. »Ich hab das eben nur gesagt, weil sie halt gern wieder mal auf einer Alm wär. Und davon kann ich ihr nur erzählen, weil ich ja auf der Alm leb. Jedenfalls will sie dann alles ganz genau wissen.« »Nimmst der Milli von uns was mit?« fragte Heidi.

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Heimat-Heidi – 71 –

Das Geheimnis der alten Milli

Wer zuletzt lacht, lacht am besten ...

Stefanie Valentin

»Grüß dich, Hans.«

»Habe die Ehre…!« Der junge Bursche deutete lächelnd eine Verbeugung an.

»Bist auf dem Weg nach Vorderstein zu deiner Mutti?« Heidi sah Hans fragend an.

Der atmete tief durch und nickte.

»Ja, ich werd ihr wieder mal erzählen, wie schön die Welt außerhalb des Heims ist, wie die Blumen riechen, wie die Bienen summen und wie die Berge einen mahnen.« Hans Taurer lächelte. »Viel mehr als meine Erzählungen hat sie ja nimmer.«

»Aber es geht ihr doch gut?« wollte Heidi wissen. »Jedenfalls ging’s ihr gut, als die Luise und ich vor vier Wochen bei ihr waren. Die Schwestern dort haben sich jedenfalls sehr um sie bemüht, und deine Mutter schien recht zufrieden zu sein.«

»Das ist sie ja auch«, erwiderte der fesche junge Bursche. »Ich hab das eben nur gesagt, weil sie halt gern wieder mal auf einer Alm wär. Und davon kann ich ihr nur erzählen, weil ich ja auf der Alm leb. Jedenfalls will sie dann alles ganz genau wissen.«

»Nimmst der Milli von uns was mit?« fragte Heidi.

Hans Taurer nickte. »Sicher, warum denn net?«

»Ich hab einen ganzen Stapel Illustrierte gesammelt«, sagte Heidi, »alle aus der letzten Woch. Und dann hab ich heut neue mitgebracht. Und Kuchen hat die Luise gebacken, den nimmst auch mit.«

Hans nickte. »Ist schon recht.«

»Wenn du einen Augenblick hinein zur Luise gehst«, sagte Heidi, »dann pack ich dir die Illus­trierten und alles andere in deinen Rucksack. Platz hat’s da doch noch, oder?«

Hans nickte. »Platz hat’s noch leicht. Gar so viel kann ich ihr ja von der Alm net mitbringen. Zwei verschiedene Käs, die sie gern mag und ein paar Blumen, die ich auf dem Weg herunter gepflückt hab.«

Hans Taurer war fünfunddreißig Jahre alt, groß und schlank und man sah ihm an, daß er als Senner den ganzen Tag an der frischen Luft war.

Er arbeitete für den Scheiner-Bauern, für den seine Mutter schon als Sennerin und als Magd gearbeitet hatte und er schien auf seiner Alm mit sich und der Welt zufrieden zu sein.

Einmal in der Woche ging er in der Früh, nachdem er das Vieh versorgt hatte, hinunter ins Tal, um seine Mutter im Heim in Vorderstein zu besuchen.

Die Milli war bis vor neun Jahren, damals hatte sie gerade ihren fünfundsechzigsten Geburtstag gefeiert, auf dem Scheiner-Hof gewesen, als der Bauer ganz überraschend verstorben war.

Seine Frau war ein Jahr vorher verstorben und so war der Hof plötzlich verwaist, weil die beiden keine direkten Nachkommen hatten.

Am Tag der Beisetzung war Gustls Neffe Franz gekommen, hatte gesagt, da der Gustl keine näheren Verwandten gehabt habe, deshalb sei er jetzt der Bauer.

Er ließ die Milli zu sich kommen und sagte, sie müsse entweder zurück auf die Alm, um als Sennerin zu arbeiten, auf dem Hof könne er sie nicht brauchen.

Dies war für die Milli insofern ein Schock gewesen, weil ihre Senn-Stelle inzwischen ihr Sohn Hans eingenommen hatte, dem das Leben auf der Alm ausgesprochen gut gefiel. Ihm die Stelle streitig zu machen, kam ihr nicht in den Sinn und so erfuhr niemand etwas von dem Ultimatum des neuen Scheiner-Bauern.

Zum Begräbnis vom Scheiner-Gustl kamen so gut wie alle Bauern des Oberallgäus. So viele Menschen wie an jenem Tag, waren auf dem Kirchhof schon lange nicht mehr beisammen gewesen.

Die Milli hatte herzerweichend geweint, als man den Gustl zur letzten Ruhe gebettet hatte, sie war die Einzige gewesen, die Tränen vergossen hatte. Nichten und Neffen waren eher unberührt dagestanden.

Der Franz hatte die Milli dann am Abend noch auf seine Forderung angesprochen.

»Du willst net auf die Alm?« hatte er gefragt.

Die Milli hatte den Kopf geschüttelt. »Nein, da soll der Bub bleiben. Da ist er glücklich und da werd ich mich ihm net in den Weg stellen.«

»Dann hast einen Monat Zeit, dir was anderes zu suchen«, hatte der Franz gesagt. »Du mußt mich verstehen«, hatte er dann noch hinzugefügt.

»Mach dir um mich mal keine Gedanken«, hatte die Milli geantwortet, »ich werd schon net umkommen.«

Da war die Milli fünfundsechzig gewesen und hatte noch nicht an den Ruhestand gedacht. Genau vierzig Jahre war sie zu dem Zeitpunkt auf dem Scheiner-Hof gewesen, entweder als Sennerin auf der Alm oder im Haus, wo sie für die Milchkühe und die Verarbeitung der Milch zuständig gewesen war.

Genau eine Woche nachdem man den Scheiner-Gustl zu Grab getragen hatte, war die Milli dann hinunter zur Bushaltestelle gegangen, um nach Fischen zu fahren, wo der örtliche Almbauernverband eine erfahrene Sennerin suchte.

Bei der Bushaltestelle war dann ein Auto ins Schleudern gekommen und hatte die Milli noch erfaßt. Sie hatte sich nur schwer von ihren Verletzungen erholt und nach wenigen Wochen war abzusehen, daß sie zeitlebens auf andere angewiesen sein würde.

Das Vordersteiner Heim wurde von Borromäerinnen geleitet, die ihr Kloster in der Nähe hatten und die der Milli anboten, sie aufzunehmen.

Zuerst tat sich die Milli schwer, doch dann gewöhnte sie sich an die neue Umgebung, vor allem, weil die Ordensschwestern einen sehr freundlichen und lieben Umgang mit ihren Heimbewohnerinnen pflegten, von denen die meisten den ganzen Tag liegen mußten.

Das mußte die Milli nicht, denn ein wenig hatte sich ihr Zustand gebessert und es gab Tage, da konnte sie schon mal ohne Hilfe in den Garten gehen, wenn auch nur mit einer Gehhilfe.

In den letzten Monaten war sie jedoch stiller geworden, nur ihre Blicke, mit denen sie in die Berge blickte, wo sie mal Zuhause gewesen war, war unverändert sehnsüchtig.

Heidi kam mit dem inzwischen fertig gepackten Rucksack und stellte ihn neben Hans.

»So, da ist alles drin«, sagte sie, »und richt der Milli bitte aus, daß ich sie in der nächsten Woch einen Nachmittag her zu uns hol. Da kommt der Lois von der Granten-Alm, die Mädi aus der Wertacher Gegend und die Marei aus dem Kleinwalsertal.«

»Und was sollen s’ da?« Hans sah die Bergerhof-Heidi fragend an.

Die lachte. »Was tun alle Almleut, wenn sie beisammen sind? Sie erzählen, wie schön’s auf der Alm früher war und wie fad das Leben dagegen heut ist…!«

*

»Grüß dich, Bub…!« Die Taurer-Milli strahlte ihren Sohn an, als der auf die Terrasse kam, wo sie ihn auf den eigenen Beinen stehend begrüßte. »Da schaust, gell? Es bessert sich allweil jeden Tag ein bissel und wenn’s so weiter geht, dann kann ich mir bald Gedanken um eine Wohnung machen, denn dann werfen s’ mich da nämlich hinaus.«

»Grüß dich, Mutter«, murmelte der Hans, der die Milli fast ein wenig erschrocken ansah.

Die lachte, als sie das mitbekam.

»Es geht mir wirklich besser«, sagte sie, »ich kann sogar wieder ein Stückerl selbständig gehen.« Dann ließ sie das Geländer, an dem sie sich festhielt, los und tat zwei Schritte auf Hans zu. Dies tat sie jedoch unsicher und so hielt sie sich wieder am Geländer fest.

Hans staunte. Auch wenn es nur zwei Schritte gewesen waren, es war viel mehr, als er nach dem Unfall je für möglich gehalten hatte. Jahrelang hatten die Bemühungen seiner Mutter, sich wieder besser bewegen zu können, zu nichts geführt, doch jetzt schien sich ihre permanente Zuversicht zu bestätigen.

Der Unfallfahrer hatte sich damals unerkannt aus dem Staub gemacht, bis heute stand nicht fest, wer seiner Mutter die bösen Verletzungen zugefügt hatte.

Dann bestellte Hans Grüße von Heidi und Luise und fügte hinzu, daß Heidi seine Mutter in der kommenden Woche holen werde.

»Zu einem Almnachmittag auf dem Bergerhof«, sagte er.

»Was soll das denn heißen?« wollte seine Mutter wissen.

»Die Heidi empfängt an dem Nachmittag einige ehemalige Almleut«, antwortete Hans. »Einmal den Lois von der Granten-Alm. Der ist trotz seiner siebenundsiebzig Jahr immer noch rüstig und lebt auf der Alm. Dann kommen noch die Mädi aus Wertach und die Marei aus dem Kleinwalsertal.«

»Da schau her«, murmelte die Milli, »das wird sicher zünftig und lustig wird’s garantiert auch.«

»Und mitgegeben hat die Heidi mir auch allerhand für dich«, fuhr Hans fort.

»Was denn?« Neugierig sah die Milli zu, wie ihr Sohn seinen Rucksack auszupacken begann.

»Jede Menge Illustrierte«, antwortete der, »dann Kuchen und Gebäck und die Luise hat mir extra ein Stück Schweinsbraten dazugegeben, den sollst mal kosten.«

Da lachte die Milli. »Herrschaftszeiten…«

»Von mir kriegst wieder Käse und ganz frischen Topfen«, sagte Hans.

»Also, dein Käs ist besser als meiner«, erwiderte seine Mutter, nachdem sie ein kleines Stück gekostet hatte, »und ich hab gewiß keinen schlechten gemacht. Du hast ein Händchen dafür, Bub. Wie gefällt’s dir denn noch auf der Alm? Bist net einsam? Ein Bursch in deinem Alter sollt net immer allein sein.«

Ein wenig bedrückt sah die Milli ihren Sohn an.

Doch der lachte. »Wie kommst denn du darauf, daß ich immer allein bin?«

»Du hast ein Madel?« überrascht sah die Milli den Hans an.

Der lachte. »Jetzt mal langsam. Wenn ich schon mal Besuch bekomm, dann heißt das noch lange net, daß ich ein Madel hab.«

»Du hast aber eines…?«

Hans schüttelte den Kopf. »Nein, ich hab kein Madel.«

»Bestimmt net?«

Noch einmal schüttelte Hans den Kopf. »Nein, ich hab kein Madel.«

»Zeit wird’s aber langsam«, erwiderte seine Mutter. »Immerhin bist schon fünfunddreißig und da sind die meisten Burschen schon verheiratet.«

Hans winkte ab. »Ja, und über die Hälft ist schon wieder geschieden.«

»Das ist wohl wahr«, murmelte seine Mutter daraufhin. »Auch solche sind geschieden, wo man’s niemals gemeint hätt.«

»Siehst«, Hans lächelte, »deshalb wart ich ja.«

»Und wie lang willst warten?«

»Bis ich dem Madel begegnet bin, bei der ich gleich weiß, das ist sie.«

»Dann wartest auf die große Liebe?«

Hans zuckte mit den Schultern. »Nennen kannst es wie du magst, ich hab jedenfalls keine Lust, mich zuerst mit einem Madel zusammenzuraufen, um dann nach Gründen zu suchen, warum man sich wieder trennen will. Das ist der reine Blödsinn…!«

*

Franz Landing war groß gewachsen und kräftig gebaut. Man sah ihm außerdem an, daß er gewohnt war, draußen zu arbeiten, denn sein Gesicht, seine Hände und Arme waren von der Sonne braun gebrannt. Sein Gesichtsausdruck war verschlossen und wenn man ihn nicht kannte, dann wollte man nicht unbedingt seine Bekanntschaft machen.

Dabei war der Franz im Grund genommen ein fröhlicher Mensch, der aus den ihm gebotenen Möglichkeiten versuchte, das Beste zu machen. Daß er vor Jahren die Milli aufgefordert hatte den Scheiner-Hof zu verlassen, tat ihm inzwischen mehr als leid, doch nach dem Unfall konnte er es nicht mehr rückgängig machen.

Franz war in mehr als armen Verhältnissen aufgewachsen, und er hatte seine Abstammung immer als Makel angesehen, vor allem weil sein Vater ein Tagedieb gewesen war, der es zu nichts gebracht hatte außer Schulden zu machen, die er nie mehr hatte abzahlen können.

Als plötzlich der Scheiner-Gustl verstorben war, sah der Franz insofern seine Chance gekommen, als daß er einen Hof übernehmen konnte und einen sehr gepflegten noch dazu, daß er sich erst gar keine langen Diskussionen hingab, sondern zugriff.

Er hatte zwei Geschwister, die die gleichen Erbrechte wie er gehabt hätten. Doch denen gegenüber verzichtete er auf das Familienerbe, was ohnehin nichts darstellte, und nahm sich dafür das, wofür der Scheiner-Franz ein Leben lang gearbeitet hatte.

»Resi?«

»Ja?« Ein Madel kam und sah den Franz fragend an.

»Wann gehst du hinauf auf die Alm zum Hans?« erwiderte der.

»Gegen fünfe«, antwortete das Mädchen.

»Dann sagst ihm, daß er beim nächsten Besuch seiner Mutter hier vorbeikommen soll«, trug der Franz ihr auf.

»Und was soll er hier?« fragte Resi. »Wie ich den Hans kenn, wird er das wissen wollen.«

»Das erfährt er dann schon«, antwortete der Franz, dann widmete er sich wieder der regionalen Zeitung, die er jeden Tag um diese Uhrzeit las.

Resi kam kurz darauf zurück in die Stube.

»Was magst denn heut essen?« fragte sie. »Ich könnt dir ein Sauerfleisch zubereiten.«

Der Franz sah nicht mal von seiner Zeitung auf, als er nickte.

»Ist schon recht«, murmelte er dabei.

Resi war enttäuscht, das sah man ihr deutlich an, als sie die Stube verließ. Daß der Franz sie gar nicht weiter beachtete, stimmte sie traurig.

Resi war neunundzwanzig Jahre alt und seit einem Jahr als Magd auf dem Scheiner-Hof. Sie stammte selbst aus einem Hof, doch noch bevor ihr Bruder geheiratet hatte, war sie zu Hause ausgezogen, weil sie sich mit der Freundin seines Bruders überhaupt nicht verstand.

Die Resi war sehr häuslich, man mußte ihr nicht sagen, was im Haus zu tun war, sie erledigte es mit viel Geschick und sie hatte großes Interesse an allen Dingen, die den Hof betrafen. Resi ging in die Zentrifugenkammer, die inzwischen vollkommen gefliest und auch sonst so hergerichtet war, daß es den lebensmitteltechnischen Vorschriften entsprach.

Sie begann Milch umzufüllen und Joghurtkulturen anzusetzen, denn der Scheiner-Hof hatte auf ihre Anregung hin begonnen, die anfallenden Milchprodukte weitgehend selbst zu vermarkten. Der Franz hatte zuerst gezögert, doch als er mitbekommen hatte, mit wieviel Sachverstand die Resi an die Sache heranging, war er ihren Vorschlägen gefolgt und hatte sogar einen Verkaufsraum gebaut.

Seitdem vermarkteten sie den Großteil ihrer Produkte selbst und hatten viele Kunden, die sich ihre Milchprodukte und das, was sonst auf einem Bauernhof produziert wurde, auf dem Scheiner-Hof holten.