Das heitere Lexikon der Österreicher - Georg Markus - E-Book

Das heitere Lexikon der Österreicher E-Book

Georg Markus

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Beschreibung

Die besten Anekdoten aus Österreich, erzählt vom Bestsellerautor Georg Markus. Neunhundert Geschichten "von Altenberg bis Zilk", über die herzhaft gelacht werden darf. In den ebenso heiteren wie informativen Prominentenporträts finden sich Legenden wie Anton Kuh, Oskar Kokoschka, Sigmund Freud, Fritz Grünbaum, Karl Farkas, Helmut Qualtinger, Willi Forst, Oskar Werner, Romy Schneider, Kaiserin Elisabeth, Leopold Figl, Bruno Kreisky, Herbert von Karajan, Hedy Lamarr, Friedrich Torberg, Marcel Prawy, Klaus Maria Brandauer, Billy Wilder... ... und Alfred Polgar, der als Theaterkritiker eine langatmige Aufführung mit den Worten beschrieb: "Als ich um elf auf die Uhr sah, war es erst halb zehn." Wenn Sie hingegen bei der Lektüre dieses überaus vergnüglichen Buchs um halb zehn auf die Uhr sehen werden - wird es bereits elf sein.

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GEORGMARKUS

Das heitere Lexikonder Österreicher

DIE BESTEN ANEKDOTEN VONALTENBERG BIS ZILK

Für Daniela, Mathias und Moritzin Liebe

Besuchen Sie uns im Internet unter:www.amalthea.at

© 2003 by Amalthea Signum Verlag GmbH, WienAlle Rechte vorbehaltenUmschlaggestaltung: Wolfgang Heinzel, MünchenUmschlagillustration: Rudolf Angerer (RANG)Herstellung und Satz: VerlagsService Dr. Helmut Neuberger& Karl Schaumann GmbH, HeimstettenGesetzt aus der 12,5/17 Punkt GoudyDruck und Binden: Bercker, KevelaerPrinted in GermanyISBN 3-85002-504-7eISBN 978-3-902998-52-1

INHALT

EIN LACHENDER BROCKHAUS

Vorwort

»WAR GESTERN DIE KÄLTESTE NACHT DES JAHRES?«

Von Paul Abraham bis Raoul Aslan

»UM 20 000 SCHILLING JÜNGER GEWORDEN«

Von Hermann Bahr bis Anton Bruckner

»EMPFEHLE VATERMORD!«

Von Ignaz Castelli bis Géza von Cziffra

»BEI UNS LERNT NIEMAND EINE ROLLE«

Von Theodor Danegger bis Felix Dvorak

»HEUT NACHT HAT MICH DIE MUSE GEKÜSST!«

Von Fritz Eckhardt bis Edmund Eysler

»SO WIE SIE HAT NOCH KEINER GESCHWITZT«

Von Karl Farkas bis Wilhelm Furtwängler

»SIMMA LIEBER GLEICH BÖS«

Von Hans Gabor bis Fritz Grünbaum

»BEI DIESEM STÜCK GIBT’S NUR GANZE REIHEN«

Von Hugo Haas bis Joseph Hyrtl

»LÄCHELN! EMINENZ! LÄCHELN!«

Von August Wilhelm Iffland bis Theodor Innitzer

DIE FALSCHE FRAU GEKÜSST

Von Hans Jaray bis Curd Jürgens

»WEIL’S IN ÖSTERREICH KEINE ERDBEBEN GIBT«

Von Franz Kafka bis Erich Kunz

»WO GIBT’S IN VENEDIG A SEILBAHN?«

Von Hedy Lamarr bis Karl Lütgendorf

»UND SO WOLLT’S IHR DEN KRIEG VERLIEREN?«

Von Alma Mahler-Werfel bis Robert Musil

»JETZT IS DANN ABER GENUG, MAJESTÄT!«

Von Franz Nabl bis Hansi Niese

ZWEI SOUS FÜR EINEN BLINDEN

Von Jacques Offenbach bis Hans Olden

»KANN I NET ASIEN SAGEN?«

Von Max Pallenberg bis Paula von Preradovic

»EIN LABYRINTH, IN DEM SICH JEDER AUSKENNT«

Von Helmut Qualtinger bis Helmut Qualtinger

»ES IS EWIG SCHAD UM MICH«

Von Julius Raab bis Leopold Rudolf

»SIE WECKEN JA DAS GANZE PUBLIKUM AUF!«

Von Adele Sandrock bis Szöke Szakall

»SCHREIBEN SIE EINMAL EINEN BESTSELLER!«

Von Julius Tandler bis Rudolf Tyrolt

»DASS DIE ROTEN NICHT AN DIE MACHT KOMMEN«

Von Franz Vranitzky bis Franz Vranitzky

»HERR SCHLESINGER VON DER VOGELWEIDE«

Von Karl Heinrich Waggerl bis Fritz Wotruba

»DER NEUESTE TRATSCH AUS DER FRANZÖSISCHEN REVOLUTION«

Von Alexander von Zemlinsky bis Stefan Zweig

Quellenverzeichnis

EIN LACHENDER BROCKHAUS

Vorwort

Ein heiteres Lexikon.

Wie sollen denn diese beiden Begriffe zusammenpassen?

Unter einem Lexikon verstehen wir laut Brockhaus (der es ja wissen muss), ein »alphabetisch geordnetes Nachschlagewerk«, dem vom Schweizer Kanton »Aargau« bis zur mikroskopischen Untersuchungsmethode »Zytodiagnostik« alles Wissenswerte zu entnehmen ist. Ein Lexikon bietet mehr Information als irgendein anderes Buch – dafür aber unter Garantie auch weniger Unterhaltung.

Warum dann ein heiteres Lexikon?

In Österreich, dem Land der Widersprüche, ist selbst das möglich. Ich wage zu bezweifeln, ob sich ein heiteres Lexikon der Deutschen oder gar der Schweizer schreiben ließe. »Von Altenberg bis Zilk« jedoch wurde und wird uns genügend Stoff geboten, zumal dieses Land im Lauf der Jahrhunderte von einer Unzahl origineller Persönlichkeiten bevölkert wurde, die uns auf eine ganz bestimmte – eben »typisch österreichische« – Weise mit pointierten Geschichten versorgte.

Eine Anekdote, die in dieses Buch aufgenommen werden wollte, hatte zwei Kriterien zu erfüllen: Sie muss den Leser

a) zum Lachen oder Lächeln bringen und sie muss

b) die Persönlichkeiten treffend charakterisieren, die im Mittelpunkt dieser Geschichten stehen. Wenn es, wie Egon Friedell sagte, möglich ist, »aus drei Anekdoten das Bild eines Menschen zu geben«, dann ist es auch möglich, aus den Anekdoten eines ganzen Buches die Lebensbilder vieler, in diesem Fall meist prominenter, Personen darzustellen.

Dem Leser bleibt es dann überlassen, daraus die Charakteristika eines ganzen Volkes, der Österreicher eben, abzuleiten.

Sie finden die Geschichten auf den folgenden 440 Seiten, lexikalisch geordnet, von Aslan über Beethoven, Figl, Girardi, Kreisky, Prawy und Schnitzler bis Wessely und Stefan Zweig – insgesamt sind es mehr als dreihundert Personen, deren Anekdoten für dieses Buch zusammengetragen wurden.

Eine solche Sammlung kommt nicht in einem halben Jahr zustande, sondern in einem halben Leben. Und so lange sammle ich auch schon.

Wenn Sie unter den fast neunhundert Episoden dieses Buches den einen oder anderen »alten Bekannten« treffen, dann ist dies durchaus beabsichtigt. Denn ein lexikalisches Werk soll, selbst wenn es sich dem Humor verschrieben hat, umfassend informieren. Also finden Sie auch Anekdoten aus »Klassikern« wie Friedrich Torbergs Tante Jolesch und deren Erben oder aus den Erinnerungen Leo Slezaks und den gesammelten Werken Helmut Qualtingers. Hinzu kommen Tausend weitere Quellen – persönliche Gespräche mit Schauspielern, Schriftstellern, Journalisten, Malern, Politikern, Sportlern usw., von denen ich annehmen durfte, dass sie ein G’spür für gute Pointen haben.

Dieses Buch ist nicht als bloße Auflistung von Anekdoten gedacht, es soll über seinen Unterhaltungswert hinaus die wichtigsten biografischen Stationen der darin vorkommenden Personen aufzeigen.

Und das ist schon wieder etwas, das es mit dem Brockhaus verbindet. Mit dem Kleinen allerdings.

GEORG MARKUSWien, im Juli 2003

Mein Dank für die redaktionelle Mitarbeit geht an Angelika Feigl und Barbara Sinic.

A

»WAR GESTERN DIE KÄLTESTE NACHT DESJAHRES?«

Von Paul Abraham bis Raoul Aslan

PAUL ABRAHAM

Komponist

* 2. 11. 1892 Apatin/Ungarn † 6. 5. 1960 Hamburg. Versuchte sich zunächst als Komponist ernster Musik, ehe er im Alter von 35 Jahren sein Talent für die leichte Muse erkannte. Seine größten Operettenerfolge: »Viktoria und ihr Husar« (1930), »Die Blume von Hawaii« (1931), »Ball im Savoy« (1932). Emigrierte 1933, nach Hitlers Machtergreifung in Berlin, über Paris in die Vereinigten Staaten von Amerika.

Als Paul Abraham 1933 die österreichische Erstaufführung seiner Operette Ball im Savoy vorbereitete, erhielt er während der Proben im Wiener Scala-Theater den Besuch des ungarischen Komödienautors Ladislaus Bus-Fekete. Obwohl dieser nur Gast war und mit der bevorstehenden Premiere absolut nichts zu tun hatte, redete er dem Regisseur und den Sängern ununterbrochen drein. Schließlich lachte der Dichter auch noch mehrmals an völlig falschen Stellen lauthals auf. Abraham, am Dirigentenpult, klopfte mit dem Taktstock ab und rief dem ungezogenen Besucher zu: »Ich muss schon bitten, Herr Bus-Fekete! Ich habe ja bei Ihren Lustspielen auch nicht gelacht!«

ABRAHAM A SANCTA CLARA

Prediger

* 2. 7. 1644 Kreenheinstetten/heute Baden-Württemberg † 1. 12. 1709 Wien. Eigentlich Johann Ulrich Megerle. Mit 18 Jahren Eintritt in den Wiener Augustiner-Barfüßer-Orden, dessen Prior er später wurde. Ab 1677 kaiserlicher Hofprediger in Wien, berühmt für seine Kanzelreden (»Mercks Wienn!«, 1680, und »Auff, auff, ihr Christen«, 1683). Prangerte wortgewaltig die Laster der Wiener an.

Kaiser Leopold I. besuchte eines Tages eine Messe bei den Augustinern und ließ sich dann die Räume des Klosters zeigen. Als man das prachtvolle Altargemälde der Augustinerkirche bewunderte, auf dem Engel die Jakobsleiter vom Himmel heruntersteigen, fragte der Kaiser: »Wie kommt es eigentlich, dass die Engel auf eine Leiter klettern, wenn sie doch ohnehin Flügel haben?«

Während die übrigen Patres ratlos dastanden, trat der für seinen deftigen Witz damals schon gefürchtete Novize Abraham vor und sagte: »Halten zu gnaden, Majestät, die Flügel waren gerade in der Reinigung, als das Bild gemalt wurde.«

Der Kaiser lachte und machte den schlagfertigen Mönch zu seinem Hofprediger, dessen volkstümliche Reden bald in ganz Wien zitiert wurden.

Längst berühmt, wetterte Abraham einmal gegen die tief dekolletierten Kleider des Barock: »Weiber, die sich so entblößen, sind es nicht wert, dass man sie anspuckt!«

Da die Frau des Kaisers selbst gerne tiefe Einblicke gewährte, ließ sie dem Mönch ausrichten, er werde sein Amt verlieren, wenn er nicht widerrufe. Worauf Abraham a Sancta Clara feierlich erklärte: »Sie sind es wert!«

Ein andermal betonte er in einer Predigt, dass er in der Lage sei, alle Jungfrauen, die es in Wien gibt, auf einem einzigen Schubkarren aus der Stadt hinauszufahren. Wieder hagelte es Proteste, vor allem aus den Kreisen junger Aristokratinnen, die seine Worte als Angriff auf ihr tugendhaftes Dasein empfanden.

»Also, widerrufen kann ich das Gesagte nicht«, erklärte er am darauf folgenden Sonntag. »Aber ich habe ja nicht gesagt, wie oft ich fahren würde.«

Abraham a Sancta Clara schloss mit dem Grafen Trauttmansdorff eine Wette ab, dass er ihn in aller Öffentlichkeit einen Esel nennen werde, ohne von diesem der Ehrenbeleidigung bezichtigt werden zu können. Am Sonntag beginnt die Predigt Pater Abrahams mit der Parabel vom einfältigen Bauern, über dessen Bestellung zum Bürgermeister sich die Bauern mokierten: »Und dem Esel traut man’s Dorf an!«

ALFRED ADLER

Psychologe und Nervenarzt

* 7. 2. 1870 Wien † 28. 5. 1937 Aberdeen/Schottland. Als junger Arzt vorerst Schüler und Mitarbeiter, später prominenter Gegenspieler Sigmund Freuds. Begründer der Individualpsychologie, die seelische Störungen – im Gegensatz zu Freud – nicht auf die Verdrängung der Sexualität, sondern auf einen übersteigerten Geltungstrieb bzw. auf Minderwertigkeitskomplexe zurückführt.

Der Individualpsychologe erklärte im Hörsaal die von ihm entwickelte Organkompensation auf folgende Weise: »Es gibt viele Beispiele dafür, dass Leute mit schlechten Augen Maler werden wollen, dass Kurzatmige Leichtathletik betreiben, dass Menschen mit einem Sprachfehler sich als Redner ausbilden lassen. Auf diese Weise kompensieren sie die Minderwertigkeit des jeweiligen Organs.«

Zwischenruf aus dem Auditorium: »Heißt das auch, dass Schwachsinnige dazu neigen, Psychiater zu werden?«

Wie in jedem anderen Fach kann bekanntlich auch in der Psychiatrie nicht jeder Fall als geheilt abgeschlossen werden. So verhielt es sich auch bei einem Patienten, der Adler mitteilte, seine Frau habe ihm kurz vor der Hochzeit gestanden, dass sie nicht jungfräulich in die Ehe gegangen sei. Adler versuchte den aufgebrachten Mann mit allen möglichen Argumenten davon zu überzeugen, dass das Ganze nicht so schlimm sei, doch der Patient war durch nichts zu beruhigen. Bis der Arzt ihm nach Dutzenden Sitzungen resignierend erklärte: »’s Maderl hätt Ihnen das halt net sagen sollen!«

VICTOR ADLER

Arzt und Politiker

* 24. 6. 1852 Prag † 11. 11. 1918 Wien. Einiger und erster Führer der österreichischen Sozialdemokratie. Ordinierte als praktischer Arzt im Haus Berggasse Nr. 19, in den späteren Ordinationsräumen Sigmund Freuds. 1905 Reichsratsabgeordneter, 1918 Mitbegründer der Ersten Republik und Staatssekretär des Äußeren in der Provisorischen Regierung Karl Renners.

Als Victor Adler sich nach dem Gründungsparteitag der Sozialdemokratischen Partei Österreichs wegen Aufwiegelung zu verantworten hatte, verglich ihn der öffentliche Ankläger mit einem Mann, der mit einer brennenden Fackel in einem Magazin voller Pulverfässer umhergehe. Darauf Adler: »Wenn Sie die Explosion nicht haben wollen, Herr Staatsanwalt, dann räumen Sie die Pulverfässer weg.«

Auch andere Aussprüche, die Adler in den zahlreichen, gegen ihn geführten Prozessen von sich gab, sind legendär. So sagte er einmal zu seinem Richter: »Es sind mir schon so viele Verbrechen, Vergehen und Übertretungen zur Last gelegt worden, als man überhaupt anständigerweise begehen kann.«

Als Lenin bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs von der österreichischungarischen Polizei in Galizien festgenommen wurde, bat er den Chef der Sozialdemokratischen Partei telegrafisch um Hilfe. Victor Adler ersuchte im Wiener Innenministerium um Lenins Freilassung.

»Können Sie garantieren«, fragte der Minister, »dass dieser Lenin auch wirklich ein Gegner des Zaren ist?«

»Exzellenz«, antwortete Adler, »Lenin war bereits ein Feind des Zaren, als Eure Exzellenz noch dessen Freund waren. Er ist jetzt ein Feind des Zaren, da auch Eure Exzellenz sein Feind sind. Und er wird ein Feind des Zaren sein, wenn Eure Exzellenz vielleicht schon wieder sein Freund sein werden.«

JOSEF AFRITSCH

Politiker

* 13. 3. 1901 Graz † 25. 8. 1964 Wien. Der Sozialdemokrat trat als Gartentechniker in den Dienst des Wiener Stadtgartenamts ein. Verhaftung 1942, nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs Wiener Gemeinderat und Amtsführender Stadtrat für Verwaltungsangelegenheiten. 1959 bis 1963 Innenminister, danach Regierungskommissär der Wiener Internationalen Gartenschau.

Kremlchef Nikita Chruschtschow wurde von der Bevölkerung sehr herzlich aufgenommen, als er Österreich 1960 einen offiziellen Staatsbesuch abstattete«, erinnerte sich der für die Sicherheit des Ministerpräsidenten verantwortliche Wiener Polizeipräsident Josef Holaubek. Der Grund dafür: Chruschtschow hatte die Reduktion der österreichischen Erdöllieferungen an die UdSSR genehmigt. »Davon profitierte nun Innenminister Josef Afritsch, der dem sowjetischen Politiker sehr ähnlich sah. Afritsch fuhr im offenen Wagen durch die Stadt, und die Wiener jubelten ihm zu, denn alle glaubten, er sei Nikita Chruschtschow. Der aber schlief auf dem Rücksitz, um sich von den Strapazen des Staatsbesuchs zu erholen.«

ROSA ALBACH-RETTY

Schauspielerin

* 26. 12. 1874 Hanau/Deutschland † 26. 8. 1980 Baden bei Wien. Nach ihrem Debüt in Berlin ab 1895 am Deutschen Volkstheater in Wien und ab 1903 am Burgtheater, Hofschauspielerin (Aase in »Peer Gynt«, Mrs. Edna Savage in »Eine sonderbare Dame« u. v. a.). Mutter des Filmschauspielers Wolf Albach-Retty, Großmutter von Romy Schneider. Langjährige Doyenne des Burgtheaters.

Ein besonderes Fest im Wiener Burgtheater. Rosa Albach-Retty, die letzte noch lebende k. u. k. Hofschauspielerin, beging 1974 in außergewöhnlicher Frische ihren 100. Geburtstag. Bundespräsident, Kanzler und das gesamte Ensemble waren anwesend, als Burgtheaterdirektor Gerhard Klingenberg die Jubilarin unter tosendem Applaus auf die Bühne bat – nicht ohne vorher anzukündigen, dass ihre zwei Kollegen, die Kammerschauspieler Attila Hörbiger und Richard Eybner, jeweils 78 Jahre alt, ihr dabei behilflich sein würden.

Kaum stand die Hofschauspielerin auf der Bühne, wies der Direktor darauf hin, wie leichtfüßig sie, Arm in Arm mit den beiden Herren, die Stiegen erklommen hätte. Worauf Rosa Albach-Retty lachend erwiderte: »Ich wär ja noch schneller da gewesen, wenn ich nicht den Hörbiger und den Eybner hätt raufschleppen müssen.«

Die Hundertjährige wurde gefragt, wie sie sich in ihrem Altersdomizil der Vereinigung Künstler helfen Künstlern in Baden bei Wien fühle. »Na ja«, antwortete sie, »es ist ja ganz nett, aber es sind halt lauter alte Leute dort.«

EDUARD ALBERT

Arzt und Schriftsteller

* 20. 1. 1841 Senftenberg bei Königgrätz/Tschechoslowakei † 25. 9. 1900 ebd. Vorstand der I. Chirurgischen Klinik in Wien, Pionier der Orthopädie. 1876 gelang ihm die erste Nerventransplantation am Menschen, später führte er die antiseptische Behandlung in Österreich ein. Gründete eine Heilstätte in Istrien. Ab 1895 Mitglied des Herrenhauses. Auch als Dichter und Übersetzer überaus begabt.

In die Ordination des berühmten Chirurgen Eduard Albert kam ein eleganter alter Herr, vom Typus Reiteroffizier. »Herr Professor«, sagte der Patient, »ich möchte Sie wieder konsultieren.«

»Wieder? Ich kann mich gar nicht erinnern, dass wir uns schon einmal …«

»Sie haben mich doch an den Hämorrhoiden operiert, Herr Professor!«

»Tatsächlich? Darf ich bitten?« Professor Albert wies den Herrn an, sich auf den Behandlungstisch zu legen.

Der Arzt beugte sich nun über ihn und fuhr zurück, frohes Wiedererkennen in der Stimme: »Oh, meine Verehrung, Herr Graf!«

PETER ALEXANDER

Schauspieler und Entertainer

* 30. 6. 1926 Wien † 12. 2. 2011 ebd. Eigentlich Peter Alexander Neumayer. Nach Medizinstudium und Reinhardtseminar Engagements am Bürgertheater, am Kabarett Simpl und im Theater in der Josefstadt. Zahlreiche Musikfilme wie »Die süßesten Früchte« (1952), »Die Abenteuer des Grafen Bobby« (1961), »Die Fledermaus« (1962). Langjährige TV-Show: »Peter Alexander präsentiert Spezialitäten«.

Der erste Film, den der spätere Publikumsliebling Peter Alexander drehte, hieß Verliebte Leute, und er handelte von drei jungen Männern, die mit einem Wohnwagen in den Süden ziehen. Peter Pasetti und Rudolf Platte waren bereits fix engagiert, ehe Franz Antel für die Rolle des Dritten den noch unbekannten Peter Alexander auswählte, den er kurz vorher in einem Theaterstück gesehen hatte.

Doch der machte damals, im Sommer 1954, mit Ehefrau Hilde gerade Urlaub. »Irgendwo in Italien«, mehr wusste man nicht.

Antel setzte alle Hebel in Bewegung, konnte Alexander aber nicht ausfindig machen. In seiner Verzweiflung wandte sich der Regisseur wenige Tage vor Drehbeginn mit der ungewöhnlichen Bitte, Peter Alexander aufzutreiben, an die Wiener Polizei.

»Was hat er denn ausg’fressen?«, fragte ein gemütlicher Bezirksinspektor. »Gar nix«, beruhigte Antel und erklärte die Situation.

Der »Fall« wurde an Interpol weitergeleitet, die Alexander tatsächlich mit Hilfe der italienischen Behörden aufspürte. Stunden später hatte der Schauspieler ein Telegramm Antels, und am nächsten Tag saß er im Studio der Wien-Film.

Als Bürgermeister Helmut Zilk Peter Alexander viele Jahre später den Ehrenring der Stadt Wien verlieh, sagte er in seiner Laudatio: »Sie sind der erste Schauspieler der Welt, der durch die Interpol zum Film gekommen ist.«

Der Regisseur Géza von Cziffra war der Nächste, der Peter Alexanders Zugkraft erkannte. Freilich gerieten die beiden einander schon in ihrem ersten gemeinsamen Film Musikparade in die Haare. Der Perfektionist Alexander ertrug nicht, dass Cziffra alles möglichst schnell drehen wollte. Als Alexander von der Qualität einer dreimal gedrehten Szene noch immer nicht überzeugt war, wandte er sich an den Regisseur: »Herr von Cziffra, ich hätte einen Wunsch, wenn ich den äußern dürfte!«

»Bitte was, Herr Alexander?«, fragte Cziffra mit einem Blick in Richtung Studiouhr.

»Herr von Cziffra, könnt ma die Szene net noch amal drehen?«

»Wozu? Können Sie es besser?«

»Ich will’s probieren, einmal noch, wenn’s möglich ist.«

»Bitte schön, also auf Wunsch von Herrn Alexander alles noch einmal. Licht ab, spielen Sie!«

Und ehe die Kamera lief, sagte er: »Aber bitte, Herr Alexander, machen Sie es nicht zu gut, sonst passt’s nicht zu dem anderen, was Sie bis jetzt gedreht haben.«

Alexanders Managergattin Hilde war von Anfang an darauf bedacht, den Marktwert ihres immer populärer werdenden Mannes auszubauen. Besonders wichtig war ihr, dass in seinen Filmen möglichst keine zweitklassigen Schauspieler mitwirkten, weshalb in den Verträgen stand: »Herr Alexander muss mit der Besetzung des Films einverstanden sein.«

Als »Peter der Große« dann tatsächlich bei einem Film mit der Auswahl seiner Kollegen ganz und gar nicht zufrieden war, wandte er sich – auf den diesbezüglichen Vertragspunkt pochend – an Cziffra. Der aber zuckte nur die Achseln und meinte:

»Sie lesen das falsch. Hier steht: Herr Alexander muss mit der Besetzung einverstanden sein!«

RUDOLF VON ALT

Maler und Aquarellist

* 28. 8. 1812 Wien † 12. 3. 1905 ebd. Er lernte bei seinem Vater Jakob Alt und an der Wiener Kunstakademie und entwickelte in der Folge das Aquarell zur hohen Kunst. Berühmt für seine Darstellungen zahlreicher Wiener Straßen, Gassen und Plätze, die auch großen historisch-topografischen Wert besitzen. Vorstand des Wiener Künstlerhauses und Gründungsmitglied der Secession.

Als die Wiener Secession im Jahre 1897 als Opposition zum konservativen Künstlerhaus und zu den überladenen Formen des Historismus gegründet wurde, wählten »Secessionisten« wie Gustav Klimt, Otto Wagner und Adolf Loos den bereits 85-jährigen Rudolf von Alt zu ihrem Ehrenpräsidenten. Bei der Eröffnungsfeier wurde dieser vom Kaiser gefragt, ob er sich nicht schon ein wenig zu alt für die neue Funktion fühlte. Da antwortete Alt: »Majestät, Alt war ich schon bei meiner Geburt. Ich bin immer noch jung genug, um in jeder Stunde neu zu beginnen.«

PETER ALTENBERG

Kaffeehausliterat

* 9. 3. 1859 Wien † 8. 1. 1919 ebd. Eigentlich Richard Engländer. Der Schriftsteller und Bohemien »bewohnte« die Literatencafés Central und Herrenhof. Durch seine Schilderungen von Alltagssituationen wichtiger Zeitzeuge des Fin-de-Siècle. Werke u. a.: »Wie ich es sehe« (1896), »Was der Tag mir zuträgt« (1901), »Märchen des Lebens« (1908), »Neues Altes« (1911), »Mein Lebensabend« (1919).

Das Central war von Anfang an das Stammcafé Peter Altenbergs – schon deshalb, weil der stets in Geldnöten befindliche Bohemien hier »anschreiben« lassen konnte oder andere Möglichkeiten fand, seine Zeche zu begleichen. So bat er eines Tages einen am Nebentisch sitzenden Herrn um zwei Kronen, um auf diese Weise zu einer Portion Reisfleisch zu kommen. Der Fremde gab ihm das Geld, Altenberg setzte sich zu ihm und bestellte das Reisfleisch. Als der Dichter gegessen und bezahlt hatte, warf ihm der Spender vor: »Warum verlangen Sie zwei Kronen von mir, Herr Altenberg, wenn Sie doch dem Ober nur 1,20 Kronen bezahlen müssen?« »Na hören Sie«, erwiderte Altenberg, »haben Sie hier Extrapreise oder ich?«

Als Altenberg ein andermal einen etwas zweifelhaften Gast im Central anpumpte, wurde er gefragt, ob er denn als Schnorrer vor niemandem Halt machte. Da antwortete er: »Die Zeiten sind heutzutage schon so schlecht, dass man gezwungen ist, vor Leuten die Hand aufzuhalten, denen man sie im Normalfall nicht einmal reichen würde.«

Es gab das Gerücht, Altenberg wäre gar nicht so arm wie er stets behauptete. In der Tat schnorrte er einmal Karl Kraus um zehn Kronen an. Als dieser bedauerte, nicht so viel bei sich zu haben, ließ Altenberg nicht locker: »Gib mir zehn Kronen!«

»Schau, Peter, ich würde sie dir gerne geben, aber ich hab’s wirklich nicht.«

Darauf Altenberg, ganz selbstverständlich: »Weißt was, ich borg’s dir!«

Altenberg, der zeitlebens in Hotels wohnte, war auch Wiens erster »Gesundheitsapostel«. Tatsächlich lebte er nach strengen Diätvorschriften und behauptete von sich, »sogar in der kältesten Nacht des Jahres bei offenem Fenster zu schlafen«.

Ein Freund stellte ihn einmal zur Rede: »Peter, ich bin gestern Nacht am Grabenhotel vorbeigegangen, aber dein Zimmerfenster war fest verschlossen.«

»Na und«, erwiderte Altenberg, »war gestern die kälteste Nacht des Jahres?«

Der Arzt fragt Altenberg während der Untersuchung: »Trinken Sie?«

»Ja.«

»Rauchen Sie?«

»Ja.«

»Von jetzt an dürfen Sie weder trinken noch rauchen.«

Altenberg zieht sein Hemd an und geht zur Türe.

»Halt!«, ruft der Doktor, »ich bekomme drei Gulden für meinen Rat.«

»Ich nehme ihn nicht an«, sagt Altenberg und ward nicht mehr gesehen.

Altenberg, Egon Friedell und Alfred Polgar sind zum Tarock verabredet. Ehe Polgar die Karten verteilt, fragt er den »Schnorrer« Altenberg: »Spielen wir um zehn Groschen oder um die Ehre?«

»Spielen wir um die Ehre«, sagt Altenberg. »Die ist entschieden billiger.«

AXEL VON AMBESSER

Schauspieler, Schriftsteller und Regisseur

* 22. 6. 1910 Hamburg † 6. 9. 1988 München. Eigentlich Alexander Eugen von Oesterreich. Gelangte nach seinem ersten Engagement an den Hamburger Kammerspielen nach Augsburg und München. 1936 bis 1945 in Berlin und Wien als Schauspieler tätig, ab 1946 in München. Schrieb Komödien wie »Das Abtrünnige in Herrn Gerstenberg«, inszenierte Nestroy u. v. a.

Als Ambesser einmal im Theater in der Josefstadt gastierte, wurde er von einem Garderobier ständig als »Herr Professor« angesprochen, wogegen er sich immer wieder zur Wehr zu setzen versuchte.

»Lieber Pokorny«, sagte Ambesser, »ich bin kein Professor!«

Es vergingen keine zehn Minuten, da sprach der Garderobier Ambesser neuerlich als »Herr Professor« an.

»Nein!«, insistierte der Schauspieler. »Ich bin Ambesser, aber kein Professor!«

Als der Garderobier nach der Pause einmal mehr »Herr Professor, bitte umziehen« rief, wollte der Künstler der Sache auf den Grund gehen: »Hören Sie, Pokorny«, fragte er, »warum sagen Sie denn immer Professor zu mir?«

Da gab der Garderobier möglicherweise den wahren Hintergrund jeglicher Titelsucht in Österreich bekannt: »Schaun S’ Herr Professor, mir können sich ja nicht einen jeden Namen merken.«

RAOUL ASLAN

Schauspieler

* 16. 10. 1886 Saloniki/Griechenland † 17. 6. 1958 Litzlberg am Attersee. Kammerschauspieler armenischer Herkunft. Seit 1897 in Wien, ab 1917 am Deutschen Volkstheater, 1920 bis zu seinem Tod als Darsteller klassischer Heldenrollen am Wiener Burgtheater (Hamlet, Mephisto, Torquato Tasso, Nathan der Weise u. a.). 1945 bis 1948 Direktor des Burgtheaters.

Nach dem Krieg war Aslan drei Jahre lang Direktor des Burgtheaters, das infolge der schweren Bombenschäden im Ronacher untergebracht werden musste. Ein alter Schauspieler, der es als Zumutung empfand, in einem ehemaligen Varieté zu spielen, protestierte: »Ich soll im Ronacher auftreten, wie einst dressierte Hunde, Ringer und halbnackte Nummerngirls?«

»Ach was«, sagte Aslan, »die Burg ist dort, wo wir spielen. Nicht das Haus, die Schauspieler sind die Institution!«

Während Aslan im Rahmen einer Burgtheatertournee als Nathan der Weise durch die Niederlande unterwegs war, reiste auch Hans Moser durch Holland. Bei dieser Gelegenheit musste Aslan, der als einer der bedeutendsten Schauspieler seiner Zeit galt und der »Burg« schon seit Jahrzehnten angehörte, vom gewaltigen Unterschied zwischen Film- und Theaterpopularität erfahren. Als Aslan bei der Ankunft am Bahnhof in Amsterdam von keinem einzigen Menschen erkannt oder gar angesprochen wurde, Moser jedoch sofort von einer großen Menschenmenge umringt war, da stieß der Mime verzweifelt aus:

»Iiiich bin das Burgtheater, nicht der Herr Moser!«

Seine »Texthänger« waren fast so berühmt wie sein faszinierender Vortrag. Bei der Premiere von Beaumarchais’ Der tolle Tag am 19. Jänner 1938 erlebte man Aslan in der Rolle des Grafen Almaviva. Da er in dieser Inszenierung immer wieder quer über die Bühne schreiten musste und so den mitunter weit entfernten Souffleur nicht hören konnte, wurden in den Kulissen mehrere Studenten postiert, die mit Taschenlampen im Dunkel der Hinterbühne den Text mitlasen und ihn, wenn nötig, Aslan zuflüsterten.

Als eines Abends die Batterie einer Taschenlampe ausfiel, kam der Student nach dem Akt verzweifelt zu Aslan, um sich dafür zu entschuldigen, dass er seine Stelle im Dunkeln nicht habe lesen können.

»Junger Mann!«, protestierte der Mime wütend. »Jetzt spielen wir dieses Stück schon 15-mal, und Sie können es noch immer nicht auswendig!«

Einmal sollte er in einem Stück den Satz »Ihr seid schlechtweg ein Meister!« sprechen, doch das Wort »schlechtweg« wollte ihm nicht einfallen. Die Souffleuse rief es ihm zu, der Mime lauschte andächtig, wusste aber nicht recht, wo es einzuordnen sei. Da schrie er zurück in den Souffleurkasten: »Ihr seid schlecht! Weg!«

Ein von ihm infolge fortschreitender Texthänger konsultierter Arzt verschrieb Aslan Pulver, die das Gedächtnis unterstützen sollten. Beim zweiten Besuch in der Ordination fragte der Mediziner, ob das Medikament geholfen hätte.

»Es geht mir sehr gut, Herr Doktor«, antwortete Aslan. »Ich hänge zwar mehr denn je, aber ich habe jegliches Schuldgefühl verloren.«

Aslan führt Regie in einer Hörfunkbearbeitung von Hofmannsthals Der Tor und der Tod. Während der Proben ärgert er sich über die Sprechweise des Schauspielers, der in der Rolle des Claudio zu hören ist. »Das muss weicher gesprochen werden«, erklärte er dem unerfahrenen Kollegen und singt ihm die Worte vor: »Die leeetzten Beeerge liiiegen nun iiim Glaaanz.« Als dies der junge Mime nach etlichen Versuchen noch immer nicht schafft, fragt Aslan: »Wie viel zahlt dir der Rundfunk für dieses Hörspiel?«

»100 Schilling.«

»Ja dann«, meint Aslan, »dann ist es sehr gut. Bitte mach weiter.«

B

»UM 20 000 SCHILLING JÜNGER GEWORDEN«

Von Hermann Bahr bis Anton Bruckner

HERMANN BAHR

Schriftsteller und Kritiker

* 19. 7. 1863 Linz † 15. 1. 1934 München. Erlangte als Vermittler neuer künstlerischer Strömungen großes Ansehen. Schrieb seine ersten Dramen als Literaturstudent in Berlin. Hielt sich 1891 bis 1912 in Wien auf, wo er die Wochenschrift »Die Zeit« mitbegründete und Wortführer des »Jung-Wien« wurde. Lebte auch in Salzburg und München. Verheiratet mit der Sängerin Anna Bahr-Mildenburg.

Der Wiener Kritikerpapst Hermann Bahr traf Franz Molnár vor Beginn der Premiere eines neuen Molnár-Stücks in den Kammerspielen. Die beiden Herren verabredeten sich für nachher: Ist das Stück ein Erfolg, den es zu feiern gibt, werde man sich im Sacher treffen. Wird das Stück aber ein Misserfolg, wolle man im Café Herrenhof zusammenkommen.

Es kam, wie es kommen musste, beide Herren verbrachten den Abend in großer Einsamkeit. Der Kritiker im Herrenhof, der Autor im Sacher.

Die einheitliche, vor allem unter Künstlern beliebte Barttracht führte zur Jahrhundertwende immer wieder zu Verwechslungen. So wurde Hermann Bahr einmal auf der Straße von einer jungen Dame angesprochen und gefragt, ob er nicht der Schriftsteller Däubler sei.

»Lassen Sie sich nicht durch meinen Bart verwirren«, lachte Bahr und flüsterte ihr ins Ohr: »Ich bin nämlich Johannes Brahms!«

»Ach ja«, entschuldigte sich das Fräulein, »Sie haben doch dieses Buch geschrieben … dieses äh … ich hab’s zu Hause.«

»Sie haben vollkommen Recht«, sagte der sich für Brahms ausgebende Bahr, »von mir stammt Brahms’ Tierleben.«

ALBERT BASSERMANN

Schauspieler

* 7. 9. 1867 Mannheim † 15. 5. 1952 Zürich. Zunächst Chemiker, ab 1895 an den Reinhardt-Bühnen Berlin, galt er bald als einer der bedeutendsten Darsteller. 1912 Filmdebüt, 1933 Emigration mit seiner jüdischen Frau in die Schweiz. 1939 in die USA, wo er seine Filmkarriere fortsetzte, u. a. in Hitchcocks »Foreign Correspondent«. Nach dem Krieg mehrere Österreich-Gastspiele. Ifflandring-Träger.

Als junger Schauspieler trat Bassermann in einem kleinen Theater als Freiherr von Attinghausen in Schillers Wilhelm Tell auf. Nach dem Ende der Vorstellung stürzte der Direktor wütend auf Bassermann zu: »Wie können Sie es sich nur erlauben, in der Sterbeszene so impertinent zu lachen?«

»Aber, Herr Direktor«, antwortete Bassermann, »bei der Gage, die Sie zahlen, ist doch der Tod eine wahre Erlösung.«

Bassermann besuchte ein Bauerntheater, dessen Hauptdarsteller ein nicht untalentierter Schuster war. Nach der Aufführung ging der berühmte Mime hinter die Bühne, um dem Star der Aufführung zu gratulieren: »Das haben Sie wunderbar gemacht, Herr Kollege.«

»Ah so«, erwiderte der Hobbykünstler, »san Sie a a Schuster?«

OTTO BAUER

Politiker

* 5. 9. 1881 Wien † 4. 7. 1938 Paris. Bedeutender Theoretiker der Sozialdemokratie, Redakteur der »Arbeiter Zeitung«, nach dem Tod Victor Adlers kurze Zeit Staatssekretär des Äußeren; Führer der Sozialdemokratie in der Ersten Republik und Begründer des »Austromarxismus«. Floh nach dem Februaraufstand im Jahr 1934 nach Brünn und nach Hitlers Einmarsch nach Paris.

Nach dem Bürgerkrieg des Jahres 1934 erschien im Prager Tagblatt ein Leitartikel, der den sozialdemokratischen Führern Otto Bauer und Julius Deutsch vorwarf, sich in die Tschechoslowakei abgesetzt zu haben, während die von ihnen verlassenen Schutzbündler in aussichtslosem Kampf in Wien auf den Barrikaden gestanden und fast zweihundert von ihnen ums Leben gekommen sind.

Daraufhin sprach eine Abordnung der Sozialdemokratischen Partei bei Rudolf Keller, dem Herausgeber des Prager Tagblatts, vor, um sich über den Kommentar zu beschweren. Keller lauschte den Vorwürfen des Delegationsleiters ohne zu widersprechen, holte tief Luft und brachte dann seine Entschuldigung hervor: »Meine Herren, Sie wissen doch, wie es zugeht in einer Redaktion – besonders an einem so aufregenden und hektischen Tag wie dem gestrigen. Da herrscht ein entsetzliches Durcheinander, die Meldungen überstürzen sich, man weiß gar nicht, wo man zuerst hinhören soll. Tja, meine Herren: Da kann es dann schon passieren, dass man einmal die Wahrheit schreibt!«

VICKI BAUM

Schriftstellerin

* 24. 1. 1888 Wien † 29. 8. 1960 Hollywood. War nach dem Musikstudium am Wiener Konservatorium als Harfenistin tätig, ehe sie 1926 als Journalistin in Berlin zu schreiben begann. Wanderte 1931 in die USA aus. Ihre erfolgreichsten Romane: »Menschen im Hotel« (1929), »Hotel Shanghai« (1953). Viele ihrer Bücher wurden übersetzt und verfilmt.

Ein Wiener, der die durch ihren Roman Menschen im Hotel weltberühmt gewordene Schriftstellerin Vicki Baum bei einer Premierenfeier in Hollywood kennen lernte, war überrascht von ihrer blendenden Erscheinung und ihrer jugendlichen Ausstrahlung. »Sie sind ja blond und so jung«, wunderte sich der Partygast, »ich dachte, Sie seien grauhaarig und wesentlich älter.«

Vicki Baum sagte darauf nur ein Wort: »Stimmt!«

LUDWIG VAN BEETHOVEN

Komponist

* 16. 12. 1770 Bonn † 26. 3. 1827 Wien. Schuf u. a. neun Symphonien, die Oper »Fidelio«, Messen, Ouvertüren, Klavierkonzerte und Bühnenmusik (»Leonoren«, »Coriolan«, »Die Weihe des Hauses«, »Egmont«). Mit 17 Jahren erstmals in Wien, ehe er 1792 für immer blieb. Verkündete 1802 mit dem »Heiligenstädter Testament« seine zunehmende Schwerhörigkeit, die 1818 zu vollständiger Taubheit führte.

Der als zerstreut und zerfahren beschriebene Beethoven betrat eines Tages die Stube seines Wiener Stammgasthauses Zum Schwan. Er setzte sich an einen Tisch und begann wie immer sofort zu komponieren, wobei er sich so sehr in seine Noten vertiefte, dass er seine Umwelt vollkommen vergaß. Als ihn der Ober nach seinem Wunsch fragte, reagierte Beethoven (der damals noch keineswegs schwerhörig war) nicht. Nach mehreren Stunden stand er, ohne irgendetwas konsumiert zu haben, von seiner Arbeit auf und rief: »Zahlen!«

Auch in Gesellschaft wirkte Ludwig van Beethoven oft »abwesend«, weil er in Gedanken immer ganz bei seiner Musik war. Das ging so weit, dass er bei einem Diner in der Wiener Hofburg dem neben ihm sitzenden Kaiser Josef II. den Takt auf den Rücken schlug. So sehr der Meister von eifrigen Hofbeamten mit Blicken gemaßregelt wurde – der gütige Monarch lächelte nur und sagte: »Ein Untertan hat mich geschlagen, und ich habe ihn nicht bestraft.«

Als er bereits weltberühmt war, pilgerte die Jugend zu Beethoven, wie einst er als junger Musiker zu Mozart gepilgert war. Auch ein Nachwuchskünstler wollte ihm sein Können zeigen. Beethoven hörte sich das Geklimper des Talentlosen an und zog sich mit den Worten aus der Affäre: »Sie müssen noch lange spielen, ehe Sie einsehen werden, dass Sie nichts können!«

Sprach’s und verabschiedete den jungen Mann.

Selbst Beethoven war nicht davor gefeit, das Talent eines Großen zu übersehen. Ein zwölfjähriger Knabe stellte sich dem Meister vor und gab ihm am Klavier Beweise einer für sein Alter wahrhaft erstaunlichen Fertigkeit. Der junge Mann improvisierte und spielte ein Beethoven-Konzert mit großer Sicherheit. Da der Meister jedoch nicht an Wunderkinder glaubte, schickte er ihn wieder fort.

Schließlich konnten ihn Freunde dazu bewegen, ein öffentliches Konzert des jungen Mannes zu besuchen, und jetzt erst erkannte Beethoven, wie sehr er sich geirrt hatte. Er stürzte auf das Podium und umarmte den genialen Knaben. Das Wunderkind war Franz Liszt.

Als Beethoven zum ersten Mal die Neunte Symphonie dirigierte, reagierten die Zuhörer mit heller Begeisterung. Dass er dem Publikum trotz lautstarker Ovationen den Rücken zuwandte, wurde vorerst als Zeichen von Arroganz ausgelegt. Die Sängerin Caroline Unger war es, die begriff, dass der taube Komponist den Jubel des Publikums nicht hören konnte. Sie ging auf ihn zu, nahm ihn an den Schultern und zwang ihn, sich mit dem Gesicht den Menschen im Konzertsaal zuzuwenden. Erst jetzt merkte Beethoven, welch einen Triumph er errungen hatte, und war tief bewegt.

In Karlsbad trafen einmal die beiden größten Genies ihrer Zeit zusammen. Beethoven und Goethe beschlossen, gemeinsam eine Spazierfahrt zu unternehmen. Die Leute, die den Wagen mit den beiden Männern vorbeifahren sahen, blieben stehen und grüßten ehrfürchtig.

»Es langweilt mich, so berühmt zu sein«, sagte Goethe. »Schon deshalb, weil mich alle Leute grüßen.«

»Eure Exzellenz brauchen sich nichts daraus zu machen«, erwiderte Beethoven, »Vielleicht bin ich es, den die Leute grüßen.«

IMRE BÉKESSY

Zeitungsherausgeber

* 13. 11. 1887 Budapest † 17. 3. 1951 ebd. Herausgeber und Chefredakteur der Wiener Boulevardblätter »Der Tag« und »Die Stunde«, denen er mit äußerst dubiosen Methoden zu Anzeigen verhalf. Weltberühmt wurde der in den 20er Jahren bei ihm beschäftigte Reporter und spätere Hollywoodregisseur Billy Wilder. Békessy war Vater des bekannten Schriftstellers Hans Habe.

Karl Kraus nannte ihn »einen Mann von durchaus gesunder Prostitution« und wollte ihn mit den Worten »Hinaus aus Wien mit dem Schuft!« der Stadt verweisen. Auf Imre Békessy und sein auf Korruption aufgebautes Verlagshaus war wohl jener von Fritz Grünbaum stammender Schüttelreim gemünzt, der die Békessy-Journalisten so definierte: »Man kann, wenn sie Bericht erstatten, genau wer sie besticht erraten!«

RALPH BENATZKY

Komponist

* 5. 6. 1884 Mährisch-Budwitz/Tschechoslowakei † 16. 10. 1957 Zürich. Komponist populärer Lieder wie »Ich muss wieder einmal in Grinzing sein«, »Ich weiß auf der Wieden ein kleines Hotel«. Weltberühmt durch das Singspiel »Im weißen Rössl« (1930). Weitere Erfolge: »Bezauberndes Fräulein«, »Axel an der Himmelstür«, »Adieu, Mimi«. Verheiratet mit der Sängerin Josma Selim.

Benatzky wurde vorgeworfen, im Weißen Rössl manch musikalische Anleihe genommen zu haben. Was Anton Kuh zu folgender Rezension animierte: »Einige Melodien kommen mir sehr bekannt vor. Der Komponist Benatzky sollte seinen Namen in Benutzky umändern.«

Als Toscanini 1926 an der Mailänder Scala Puccinis unvollendet gebliebene Oper Turandot zur Uraufführung brachte, fiel der Vorhang mitten im dritten Akt, worauf sich der Dirigent dem Publikum zuwandte und die mittlerweile legendären Worte sprach: »Hier endet das Werk des Meisters!«

Darauf nahm der Wiener Musikkritiker Josef Reitler Bezug, als er wenige Jahre später im Theater an der Wien saß, um für die Neue Freie Presse Benatzkys Operette Adieu, Mimi zu rezensieren.

Die Ouvertüre setzte mit einem gewaltigen Trommelwirbel ein. Als dieser jäh abbrach, nützte Reitler die so entstandene Pause, um laut und deutlich ins Publikum zu rufen: »Hier endet das Werk des Meisters.«

Der Komponist trat mit seiner singenden Ehefrau Josma Selim in diversen Kabaretts auf, wobei die Künstlerin ihren Vortrag stets stereotyp einleitete: »Text und Musik von Dr. Ralph Benatzky. Am Flügel der Komponist!« Diese Worte waren ihr derart in Fleisch und Blut übergegangen, dass sie sich sogar am Telefon meldete: »Hier Josma Selim. Am Flügel der Komponist!«

ARMIN BERG

Kabarettist

* 9. 5. 1883 Gussowitz bei Brünn † 23. 11. 1956 Wien. Eigentlich Hermann Weinberger. Trat als Komiker in fast allen Wiener Kabaretts auf, ehe er durch das Chanson »Der Überzieher« populär wurde. 1938 Emigration in die USA, wo er sich durch den Verkauf von Bleistiften und Büromaterial über Wasser hielt. Nach der Rückkehr Auftritte bei Karl Farkas am Kabarett Simpl in Wien.

Armin Berg schlendert Mitte der dreißiger Jahre gemeinsam mit Hugo Wiener durch die Wiener Herrengasse. Beim neu errichteten Hochhaus angelangt, erkennen sie eine Tänzerin, die mit ihnen in der Femina-Kabarettbar engagiert war, und die hier aus dem Fenster ihrer ebenerdig gelegenen Wohnung blickt. Armin Berg bleibt kurz stehen, schaut die junge Kollegin verwundert an und sagt: »Und dazu wohnt man im Hochhaus?«

Es gelang dem berühmten Interpreten des »Überziehers« mit seiner Frau nach New York zu emigrieren, wo die beiden in einem großen Miethaus eine Wohnung fanden. Im selben Block lebte eine dralle Amerikanerin, in die sich der Wiener Komiker verliebte. Das Pikante an der Verbindung war, dass die Fenster seiner Wohnung ausgerechnet zum Appartement seiner Angebeteten ausgerichtet waren. Immer wenn Armin Berg die Freundin besuchte, mussten also deren Fenster und Vorhänge hermetisch verschlossen sein, um zu vermeiden, dass das Liebesgeplänkel von der Gemahlin beobachtet würde.

Prompt vergaß er eines Tages auf diese Vorsichtsmaßnahme. Die Vorhänge blieben geöffnet, und ausgerechnet in dem Augenblick, da Herr Berg von der mit stürmischen Küssen bedeckten Geliebten aufblickte, sah er seiner mehr als erstaunten Gattin ins Antlitz.

Armin Berg fand in dieser schier unlösbaren Situation den folgenden Ausweg. Er rief seiner Frau, mitten in New York, durchs geöffnete Fenster im deutsch-jiddischen Jargon mit unverkennbar mährischem Einschlag zu: »Ich bin nicht der Armin Berg!«

Friedrich Torberg trifft am Broadway zufällig seinen Wiener Freund Armin Berg. Der Schriftsteller fragt den Komiker, wie es ihm in New York gefalle. »Hör zu«, sagt Berg, »warum wir da sind, weiß ich. Aber warum sind die Amerikaner da?«

Nach Wien zurückgekehrt, trat er wieder bei Karl Farkas im Simpl auf. Eines Tages wurde er zur Erledigung einiger Formalitäten aufs amerikanische Konsulat gebeten. Noch ehe Armin Berg dorthin aufbrach, empfahl man ihm – da bekannt war, dass er in der Emigration kaum ein Wort Englisch gelernt hatte – einen Dolmetscher mitzunehmen. Empört erwiderte der Komödiant: »Was brauch ich an Dolmetsch, ich hab acht Jahre in Amerika gelebt, ich kann perfekt Englisch.«

Erst als man ihm entgegenhielt, es könnten juridische Spitzfindigkeiten erörtert werden, die sich aus seiner Rückkehr ergäben hätten, erklärte er sich bereit, einen Übersetzer mitzunehmen.

Armin Berg betrat die US-Behörde in der Wiener Schmidtgasse, wo er vom amerikanischen Konsul mit den Worten begrüßt wurde: »How do you do, Mr. Berg?«

Worauf Armin Berg sich dem Dolmetscher zuwandte und fragte: »Was sagt er?«

SENTA BERGER

Schauspielerin

* 13. 5. 1941 Wien. Erste Filmrolle 1957 in Willi Forsts »Die unentschuldigte Stunde«. Musste das Reinhardtseminar wegen einer Filmrolle verlassen. Mit 17 Jahren am Theater in der Josefstadt, aber immer stärkeres Interesse am Film. 1962 Beginn ihrer Hollywood-Karriere. In den 70ern als ernsthafte Schauspielerin wieder entdekkt, spielte sie in Filmen von Wim Wenders und Volker Schlöndorff.

Nachdem Senta Berger bereits in Hollywood gedreht hatte, kehrte sie nach Berlin zurück, um in einem Film des Produzenten Arthur »Atze« Brauner eine Rolle zu übernehmen. Im Mittelpunkt einer Szene stand ein Weinkrampf, dessen Darstellung ihr ohne Zuhilfenahme von Zwiebeln oder sonstiger Hilfsmittel vorzüglich gelang. Brauner war begeistert: »Großartig, Senta, wie machen Sie das?«

»Das ist ganz einfach«, entgegnete die Berger. »Ich brauche nur an meine Gage in Hollywood zu denken und dann fällt mir ein, was Sie mir zahlen. Das ersetzt jede Zwiebel.«

ELISABETH BERGNER

Schauspielerin

* 22. 8. 1897 Drohobycz/Galizien † 12. 5. 1986 London. Eigentlich Elisabeth Ettel. Schauspielschule in Wien, erste Engagements in Innsbruck, Wien, Berlin und München. Gefeierte Bühnen- und Filmschauspielerin, besonders in Shakespeare-Rollen. Emigrierte 1933 nach London, 1940 in die USA. Verheiratet mit dem Regisseur Paul Czinner.

Elisabeth Bergner absolvierte 1915 die Akademie für Musik und darstellende Kunst in Wien, an der Maria Eis, Fritz Kortner, Alma Seidler und Adrienne Gessner ihre Studienkollegen waren. Der Bergner sollte die größte Karriere unter den weiblichen Schülern der Akademie gelingen – obwohl dort eine ganz andere als hoffnungsvollstes Talent galt. Ihr Name war Grete Jacobson.

Bergners Klassenkameradin Adrienne Gessner erzählte die folgende Geschichte: Eines Tages wurde Fräulein Jacobson krank. Die Bergner besuchte sie regelmäßig im Spital und fragte immer wieder, wie sie diese und jene Rolle anlegen würde. Grete zeigte es ihr und spielte der Freundin am Krankenbett jede einzelne Szene detailliert vor.

Grete Jacobson erholte sich von ihrer Krankheit und ging nach einiger Zeit in eine Vorstellung der Neuen Wiener Bühne in der Wasagasse, wohin die junge Bergner mittlerweile engagiert worden war. Und Grete Jacobson glaubte ihren Augen und Ohren nicht trauen zu können. Denn Elisabeth Bergner spielte die Rolle nicht, wie Elisabeth Bergner sie gespielt hätte – sondern wie Grete Jacobson der Bergner vorgespielt hatte, dass sie sie spielen würde.

Und dies änderte sich nie mehr. Die Bergner blieb ihr Leben lang immer die Jacobson – und wurde weltberühmt.

Der Film- und Theaterstar tanzte auf den Herzen zahlreicher Verehrer herum, die Bergner ließ keinen Flirt aus, schien selbst aber gegen jede Form von Liebeskummer immun zu sein. »Der einzige Mann, der mir je Schmerzen zugefügt hat«, sagte sie, »war mein Zahnarzt.«

Schließlich heiratete sie den Regisseur Paul Czinner, dessen Filme Fräulein Else und Ariane ihr den internationalen Durchbruch brachten. Als Czinner von der europaweiten Verehrung seiner Frau in der Zeitung las, seufzte er: »Kunststück! Europa lebt ja auch nicht mit ihr zusammen.«

EDMUND BERNATZIK

Staats- und Völkerrechtler

* 28. 9. 1854 Mistelbach/Niederösterreich † 30. 3. 1919 Wien. Wurde nach dem in Wien absolvierten Jusstudium und einer akademischen Karriere Universitätsprofessor in Basel, Graz und in Wien. Später auch Rektor der Universität Wien und Mitgestalter der neuen österreichischen Verfassung und des modernen Rechtsstaates. 1919 Mitglied des deutsch-österreichischen Verfassungsgerichtshofs.

Professor Edmund Bernatzik, einer der bedeutendsten Rechtsgelehrten im alten Österreich, war ein bei den Studenten der Universität Wien gefürchteter Prüfer. Als einmal ein Kandidat aus höchstem Adel zum Rigorosum antrat, erkannte Bernatzik schnell, dass dieser die Karriere eher auf Beziehungen als auf profundes Wissen aufzubauen gedachte. Quälend schleppten sich Lehrer und Student von einer Frage zur anderen. Endlich platzte Bernatzik der Kragen und er sagte: »Herr Kandidat, dass Sie einmal Minister werden, kann ich nicht verhindern – aber ich kann’s verzögern.«

Er stand auf, nahm seinen Hut und ging. Der fürstliche Kandidat war durchgefallen.

THOMAS BERNHARD

Schriftsteller

* 9. 2. 1931 Kloster Heeerlen/Niederlande † 12. 2. 1989 Gmunden. Eine schwere Lungenkrankheit in der Kindheit prägte das Leben des Dichters. Werke u. a. »Der Theatermacher«, »Heldenplatz«, »Holzfällen«. Viele seiner Stücke wurden in der Ära Peymann am Burgtheater aufgeführt. Lebte in Ohlsdorf/Oberösterreich und in Wien. Ließ Aufführungen seiner Werke in Österreich testamentarisch verbieten.

Sein Heldenplatz erregte die Gemüter, zumal Thomas Bernhard noch vor der Uraufführung des Stücks am Burgtheater erklärte, in Wien gebe es »mehr Nazis als Achtunddreißig und in Österreich sechseinhalb Millionen Debile und Tobsüchtige«. Während Bruno Kreisky nach einem der Hassausbrüche des seit seiner Kindheit lungenkranken Dichters beschwichtigte »Na, wenn’s ihm gesundheitlich nützt!«, schlug Thomas-Bernhard-Kritiker Werner Schneyder eine etwas konkretere Therapiemöglichkeit vor: »Ich habe nicht gesagt, man sollte Thomas Bernhard die öffentlichen Subventionen entziehen. Ich habe lediglich gemeint, man sollte ihm so viele Subventionen geben, dass er aufhört zu schreiben.«

THEODOR BILLROTH

Arzt

* 26. 4. 1829 Insel Rügen † 6. 2. 1894 Abbazia. Gilt als der bedeutendste Chirurg der Wiener Medizinischen Schule. Medizinstudium und Arztpraxis in Berlin, ab 1867 Universitätsprofessor für Chirurgie in Wien. Pionier der Operationstechniken u. a. am Kehlkopf und im Magen. Förderte den Bau des Wiener Rudolfinerhauses. Anerkannter Musiker, Freund von Johannes Brahms.

Ein Patient des Chirurgen Theodor Billroth litt unter einer einzigen Krankheit: Er war Hypochonder. Wegen jeder Kleinigkeit ließ er den Arzt kommen, auf alle medizinischen Zeitschriften war er abonniert, und mit seiner populärmedizinischen Bibliothek hätte er eine ganze Buchhandlung füllen können.

Wieder einmal wegen nichts und wieder nichts zu ihm gerufen, fand Billroth den Patienten Puls und Herz fühlend, die Zunge im Spiegel betrachtend und aufgeregt in seinen Schmökern blätternd und nachlesend. »Geben Sie Acht, mein Lieber«, warnte Billroth, »Sie werden noch an einem Druckfehler sterben!«

SIR RUDOLF BING

Operndirektor

* 9. 1. 1902 Wien † 2. 9. 1997 New York. Der Sohn eines österreichischen Stahlmagnaten startete seine Karriere als Opernmanager in den 20er Jahren. 1935 bis 1949 wirkte er an der Glyndebourne Opera in Sussex, 1947 war er Mitbegründer des Musikfestivals in Edinburgh. 1950 bis 1972 Direktor der Metropolitan Opera in New York. 1971 wurde er von Queen Elizabeth II in den Adelsstand erhoben.

Als in New York eine Grippewelle herrschte, von der auch zahlreiche Sänger der »Met« betroffen waren, ließ Direktor Bing hinter der Bühne die folgende Verhaltensmaßregel anbringen: »Die Mitglieder des Ensembles werden ersucht, das Küssen auf das unbedingt notwendige Mindestmaß zu reduzieren.«

KARL BLASEL

Volksschauspieler

* 16. 10. 1831 Wien † 16. 6. 1922 ebd. Wurde nach seiner Ausbildung als Sängerknabe an der Hofoper als Held und Liebhaber in die Provinz engagiert. Feierte seine größten Erfolge am Theater an der Wien und im Carltheater als Komiker in der Lokalposse und in der Operette. Er war auch Direktor des Theaters in der Josefstadt, des Kolosseum, des Carl- und des Wiedner Theaters.

Als Blasel an die neunzig war, ließ sein Gedächtnis schon etwas nach, weshalb er sich während einer Vorstellung entschloss, statt des Couplettextes eine ganze Strophe lang »Tralala« zu singen.

Regisseur, Inspizient und mehrere Schauspieler standen entsetzt in den Kulissen, um den von der Bühne abgehenden Publikumsliebling zu trösten. Doch der sagte, als er die bestürzten Gesichter der Kollegen sah, nur stolz: »Das nenn ich geistesgegenwärtig. Stellt’s euch vor, mir wär das Tralala net eing’fallen!«

HEDWIG BLEIBTREU

Schauspielerin

* 23. 12. 1868 Linz † 24. 1. 1958 Wien. Wurde als Tochter eines Schauspielerehepaares nach mehreren Provinzengagements im Alter von 25 Jahren an das Hofburgtheater in Wien geholt. Debütierte hier als Klärchen in »Egmont«. Künstlerischer Durchbruch als Johanna von Orléans, später Mütter- und Greisinnenrollen. Verheiratet mit dem Burgtheaterdirektor Max Paulsen.

Otto Tressler und Hedwig Bleibtreu spielten in Arthur Millers Hexenjagd ein sehr betagtes Ehepaar. Beide bemühten sich, auf Stöcke gestützt, möglichst alt und gebrechlich zu wirken. Bis sie der Regisseur Josef Gielen während einer Probe unterbrach und zu ihnen sagte: »Was spielen Sie denn auf alt? Das ist völlig überflüssig. Sie sind es ja wirklich!«

Die Bleibtreu gehörte dem Ensemble des Burgtheaters 65 Jahre lang an. Als man sie aus Anlass der Wiedereröffnung des Burgtheaters nach dem Krieg interviewte, erzählte sie aus ihrem Bühnenleben: »Meine erste Rolle war die Maria Stuart, und in der war ich gar nicht gut. Dann habe ich die Medea gespielt, da war ich auch schlecht. Meine dritte Rolle war die Iphigenie, und da war ich überhaupt miserabel.«

»Ja, wie sind Sie denn dann die berühmte Bleibtreu geworden?«, fragte der Reporter.

»Mein Gott«, sagte die große Schauspielerin, »die Leute gewöhnen sich halt an einen.«

OSCAR BLUMENTHAL

Schriftsteller

* 13. 3. 1852 Berlin † 24. 4. 1917 ebd. Als junger Theaterkritiker wegen seiner Schärfe auch »der blutige Oscar« genannt, gab er 1887 den Journalismus auf und gründete in Berlin das Lessing-Theater, das er bis 1897 leitete. Nach einem Urlaub im Salzkammergut schrieb er 1896 mit Gustav Kadelburg das romantische Lustspiel »Im Weißen Rössl«, das später von Ralph Benatzky vertont wurde.

Ein mittelmäßig begabter Schauspieler hatte die Aufgabe, auf der Bühne einen Koffer zu packen. Oscar Blumenthal beobachtete die Szene während einer Probe und kommentierte sie mit den Worten: »So packend habe ich den Mann noch nie gesehen!«

ALFRED BÖHM

Schauspieler

* 23. 3. 1920 Wien † 22. 9. 1995 Wieselburg/Niederösterreich. Kam nach Engagements in Innsbruck und Linz ans Theater in der Josefstadt, trat aber auch am Wiener Volkstheater und im Kabarett Simpl auf. Sein Schwerpunkt lag bei Film und Fernsehen, wo er durch Serien wie »Die Familie Leitner«, »Der Leihopa« und als Ober Alfred im »Seniorenclub« populär wurde.

Der für seinen trockenen Humor bekannte Alfred Böhm spielte in jüngeren Jahren in Franz Antels Film Kleiner Schwindel am Wolfgangsee einen Oberkellner. In einer Szene, beim Fünf-Uhr-Tee, sollte Böhm einem Gast einen Brief überreichen. Als er sich diskret zwischen den Tanzpaaren durchschlängelte, brach Antel ab: »Haalt! Stopp! Böhm, was machen Sie denn da? Sie können doch nicht mitten durch die Leut rennen. Waren Sie denn noch nie bei einem Fünf-Uhr-Tee?«

»Oh ja, schon«, erwiderte Alfred Böhm. »Aber noch nie als Ober!«

KARL BÖHM

Dirigent

* 28. 8. 1894 Graz † 14. 8. 1981 Salzburg. Nach absolviertem Jus- und Musikstudium Kapellmeister am Grazer Stadttheater, danach Dirigent an den Opernhäusern München, Darmstadt, Hamburg, Dresden. Dirigierte bei den Salzburger Festspielen, Generalmusikdirektor und Direktor der Wiener Staatsoper. Gastierte an allen großen Opern und Konzertsälen der Welt.

Als Böhm während eines Japan-Gastspiels zu einem offiziellen Essen geladen war, zeigte er sich – aus Höflichkeit den Gastgebern gegenüber – einverstanden, mit Stäbchen zu essen. Nachdem er sich eine Zeit lang erfolglos mit dem für ihn ungewohnten Besteck um Nahrungsaufnahme bemüht hatte, raunte er einem neben ihm sitzenden Philharmoniker zu: »Also, mit an Staberl kann i mir mei Geld ganz gut verdienen. Aber mit zwaa müssert i glatt verhungern.«

Böhm war Generalmusikdirektor, hatte sich aber auch die Titel Professor und Doktor juris erworben. Und er war stolz auf jeden einzelnen. Bei einer Probe von Mozarts Idomeneo unterbrach ihn ein junger Philharmoniker immer wieder mit eher langweiligen Fragen. Als dieser zum vierten oder fünften Mal »Herr Böhm, wie meinen Sie das?« wissen wollte, machte ihm der Dirigent den Vorschlag: »Wissen S’ was, sagen S’ gleich Karl zu mir!«

Als während der Aufführung einer Mozart-Symphonie im Konzertsaal ein Kurzschluss auftrat, spielten die Musiker trotz vollkommener Finsternis bravourös weiter, wodurch sie wohl eine Panik verhindern konnten.

Ausgerechnet nach dem Schlussakkord ging das Licht – wie von Zauberhand gelenkt – wieder an, worauf das Orchester vom Publikum mit stürmischem Beifall belohnt wurde.

»Ja, ja«, meinte Böhm, »i hab ja auch im Finstern weiterdirigiert.«

Bei internationalen Auftritten litt der bedingungslose Perfektionist Karl Böhm unter seinen mangelnden Englischkenntnissen. Als er von den New Yorker Philharmonikern bei einer Probe einfordern wollte, sie mögen eine bestimmte Stelle »prägnanter« spielen, kramte er sein bestes Schulenglisch hervor und rief in den Orchestergraben: »Be a little bit more pregnant!*«

Als er zum Ehrenmitglied der Wiener Staatsoper ernannt wurde, hielt Böhm eine Dankesrede, in der er dem Ensemble zurief: »Liebt eure Oper wie bisher – aber intrigiert’s ein bisserl weniger!«

KARLHEINZ BÖHM

Schauspieler

* 16. 3. 1928 Darmstadt. Dem Sohn des Dirigenten Karl Böhm gelang 1955 der Durchbruch als Darsteller Kaiser Franz Josephs in den »Sissi«-Filmen. Drehte in Hollywood und unter Werner Fassbinder. 1981 gründete er in der Fernsehshow »Wetten, dass …?« die Hilfsorganisation »Menschen für Menschen«, mit der er für eine Verbesserung der Lage in Äthiopien kämpft.

Karlheinz Böhm drehte 1961 für die Walt Disney Productions die zweiteilige Fernsehserie Schicksalssymphonie, in der man ihn in der Rolle des Ludwig van Beethoven sehen konnte. Sein Vater, der Dirigent Karl Böhm, kam damals während einer Don-Giovanni- Probe an der Wiener Staatsoper auf diesen Film seines Sohnes zu sprechen. Ein Chorsänger wollte wissen, wie der junge Schauspieler mit der schwierigen Rolle des Musikgenies fertig würde.

»Sehr gut«, erwiderte Karl Böhm, »der Bub lebt sich so hinein in die Rolle, dass er sogar schon schlecht hört. Hoffentlich gibt sich das wieder!«

MAXI BÖHM

Schauspieler und Kabarettist

* 23. 8. 1916 Wien † 26. 12. 1982 ebd. Gründete 1945 nach Engagements in der böhmischen Provinz gemeinsam mit Peter Hey die Linzer Kleinkunstbühne »Eulenspiegel«. Sendereihen im Hörfunk (»Die Große Chance«), ab 1954 bei Karl Farkas im Kabarett Simpl, danach Volkstheater, ab 1976 bis zu seinem Tod Mitglied des Theaters in der Josefstadt.

Der Kabarettist erhielt 1972 einen Brief von Harry Kraut, dem New Yorker Manager des Dirigenten Leonard Bernstein. »Dear Mr. Böhm! Mr. Bernstein wurde darauf aufmerksam gemacht, dass Sie eine großartige Parodie auf ihn gespielt haben. Er freut sich sehr darüber und hofft, dass es davon ein Video gibt. Wäre dem so, könnte er es sehen?«

Als der Maestro Monate später in Wien war, kam es zum Treffen Böhm-Bernstein. Der Dirigent sah sich im ORF-Zentrum auf dem Küniglberg das Band an, lachte Tränen, sagte dann aber einschränkend: »Mr. Böhm, ich springe doch nicht beim Dirigieren!«

Im Anschluss an die Vorführung wurde die Aufzeichnung eines Strawinsky-Konzerts gezeigt, das Bernstein in der Londoner Royal Albert Hall dirigiert hatte. Nach einiger Zeit wandte er sich dem immer noch neben ihm sitzenden Böhm zu und flüsterte ihm ins Ohr: »Mr. Böhm, Sie haben Recht, ich springe wirklich!«

Nach seinem Abgang vom Kabarett wurde Maxi Böhm – jetzt freilich als Max – Mitglied des Theaters in der Josefstadt. Dies veranlasste Ossy Kolmann, dem früheren Simpl-Kollegen auf die Schulter zu klopfen und liebevoll zu sagen: »Das ist der Niedergang der Josefstadt – von Max Reinhardt zu Max Böhm!«

Maxi Böhm zog sich ins Kaiserbad in Deutsch Altenburg zurück. Nach Absolvierung einer mehrtägigen Kur schrieb der Komödiant ins Gästebuch des Hotels: »Bin in der vergangenen Woche um 20 000 Schilling jünger geworden.«

LUDWIG BOLTZMANN

Physiker

* 20. 2. 1844 Wien † 5. 9. 1906 Duino bei Triest. Wurde mit seinen Arbeiten zur Thermodynamik zum Wegbereiter der Quantentheorie Max Plancks und der Relativitätstheorie Albert Einsteins. Lehrte in mehreren Ländern, ehe er 1894 Professor der Theoretischen Physik in Wien wurde. Er zählt zu den größten Naturforschern aller Zeiten. Selbstmord nach Ausbruch einer schweren Krankheit.

Boltzmann war, was man einen »zerstreuten Professor« nennt. So wurde er von seiner Frau des Öfteren in den seiner Wohnung nahe gelegenen Stadtpark geschickt, um eines der Kinder spazieren zu führen. Dort angekommen, vertiefte er sich sogleich in seine Schriften und vergaß alles, was rund um ihn passierte. Gegen Mittag sah er auf die Uhr, packte seine Papiere zusammen und ging nach Hause. Es kam immer wieder vor, dass Passanten ein Baby samt herrenlosem Kinderwagen im zuständigen Kommissariat Wien-Landstraße abgaben. Die Polizisten wussten bereits, zu wem das Kind gehörte und brachten es jedes Mal in die Wohnung der Familie Boltzmann. Als der Beamte dort einmal sogar noch vor dem Professor ankam, sagte Henriette Boltzmann: »Sollte bei Ihnen auch noch ein Mann abgegeben werden, so bringen Sie ihn bitte bald nach Hause. Das Essen wird sonst kalt.«

HEINRICH GRAF BOMBELLES

Kaiserlicher Erzieher

* 26. 6. 1789 Versailles † 31. 3. 1850 Burg Savenstein/damals Kärnten. Trat als Franzose 1805 in den österreichischen Kriegsdienst ein und wurde Adjutant von Erzherzog Ferdinand. Ab 1836 Erzieher der Söhne von Erzherzog Franz Karl (Franz Joseph I., Maximilian, Carl Ludwig, Ludwig Victor). Sein Bruder Ludwig Bombelles vertrat Österreich bei den Karlsbader Beschlüssen 1819.

Heinrich Graf Bombelles, der Erzieher des kleinen Erzherzogs und späteren Kaisers Franz Joseph, hatte eine interessante Familiengeschichte. Sein Vater, der Marquis Marc Bombelles, war ein französischer General und Diplomat, der sich im Jahre 1789 den Revolutionären angeschlossen hatte. Da er deren blutrünstiges Vorgehen nicht billigen konnte, sagte er sich von den neuen Machthabern bald wieder los, worauf er seines Postens als französischer Gesandter in der Republik Venedig enthoben wurde und dadurch von einem Tag zum anderen vor dem Nichts stand. Zudem hatte der verarmte Marquis nach dem Tod seiner Frau sechs kleine Kinder allein zu versorgen – eines davon war Heinrich, der spätere Erzieher Kaiser Franz Josephs.

Marc Bombelles ging mit seinen Kindern nach Österreich, wo er eine neue, zu seinem bisherigen Berufsweg völlig konträre Karriere einschlug: der Marquis studierte Theologie, wurde Priester und nahm damit eine Berufung an, die ihm als Witwer laut katholischem Kirchenrecht durchaus erlaubt war. Bombelles brachte es sogar bis zum Bischof!